marx21 No. 14 / Weltweiter Widerstand

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21 Magazin für internationalen Sozialismus Nr. 14 | Februar/März 2010 Spende 3,50 € | ISSN 1865-2557 www.marx21.de Feature Frauenbefreiung im 21. Jahrhundert Eine reiche Tradition Die Frauenbewegung in den 1920ern Wie es geht Streik der Gebäudereinigerinnen Nicole Gohlke & Janine Wissler über Hintergründe des Bildungsstreiks Christine Buchholz berichtet von ihrem Aufenthalt in Afghanistan Winfried Wolf über Alternativen zur Autogesellschaft Kultur Agitprop-Theater in der Weimarer Republik Leserdebatte Die Bomben auf Dresden 1945 Rassismus Die Kampagne gegen Muslime Interview Wie weiter für die Linke unter Obama? marx Wie frei ist die Frau?

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Dass die Auswirkungen des Erdbebens gerade auf der Karibikinsel so verheerend waren, ist kein Zufall, meint David Paenson

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21Magazin für internationalen Sozialismus

Nr. 14 | Februar/März 2010 Spende 3,50 € | ISSN 1865-2557www.marx21.de

Feature Frauenbefreiung im 21. Jahrhundert Eine reiche Tradition Die Frauenbewegung in den 1920ern Wie es geht Streik der Gebäudereinigerinnen

Nicole Gohlke & Janine Wissler

über Hintergründedes Bildungsstreiks

Christine Buchholzberichtet von ihrem

Aufenthalt in Afghanistan

Winfried Wolfüber Alternativen

zur Autogesellschaft

Kultur Agitprop-Theater in der Weimarer Republik

Leserdebatte Die Bombenauf Dresden 1945

Rassismus Die Kampagne gegen Muslime

Interview Wie weiter fürdie Linke unter Obama?

marx

Wie freiist dieFrau?

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46 Nr. 14 | Februar/März 2010 | www.marx21.de WELTWEITER WIdERSTaNd

WELTWEITER WIdERSTaNd

GROSSbRitAnnien

Mehr als 2000 Profi- und Amateur-Fotografen protestierten am 23. Januar in der britischen Hauptstadt London gegen die Anwendung der Anti-Terrorgesetze. Der Protest stand unter dem Motto »Ich bin Fotograf, kein Terrorist«. Er richtete sich gegen die Polizeipraxis, harmlose Fotografen als potentielle Terroristen zu verhaften, wenn diese lediglich Bilder von öffentlichen Gebäuden oder

Touristenattraktionen schießen. Dadurch würde die Pressefreiheit massiv behindert, kritisierten die Organisatoren der Demonstration. Allein in Lon-don existieren einhundert so genannter »Stop and Search«-Zonen, in denen die Polizei ohne Angabe von Gründen Personen und Fahrzeuge stoppen und durchsuchen darf – angeblich zum Schutz vor Ter-roranschlägen.

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8NEWS

8 iRAnAuch sechs Monate nach Ausbruch der Proteste gegen die Wahlfälschungen im Juli 2009 ist die Demokratiebewegung im Iran trotz aller Repressionen noch immer sehr lebendig – so sehr, dass das Regime zu einer ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen hat. Im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Revolution hat sie die Veröffentli-chung von historischen Fotos aus dieser Zeit untersagt. Die Proteste, die damals zum Sturz des Schahs führten, könnten heute wohl zu sehr inspirieren.

8 tüRKeiAnfang Februar beteiligten sich etwa zwei Millionen Menschen in der Türkei an einem eintägigen Generalstreik. Sie solidarisierten sich mit den 12.000 Beschäftigten des Staatsbetriebs Tekel, die sich bereits seit Dezember im Aus-stand befinden. Ihr Protest richtet sich gegen den Verkauf von Tekel an British American Tobacco.

Fro

In El Salvador eskaliert die Auseinan-dersetzung um die Wiedereröffnung einer Goldmiene. Ende Dezember wurde im Verwaltungsbezirk Cabañas die schwangere Umweltaktivistin Dora Alicia Recinos Sorto erschossen. Auch ihr zweijähriger Sohn wurde bei dem Angriff verletzt. Sorto ist schon das dritte Todesopfer in dem Streit um die Miene des kanadisches Konzerns Pacific Rim Mining binnen sechs Mona-ten. Im Juni war bereits ein Aktivist ge-foltert und getötet worden. Nur sechs Tage vor Sortos Ermordung erschossen Unbekannte den Vizepräsidenten des Umweltkomitees von Cabañas. Auch andere Aktivisten berichten, sie seien seit Beginn ihres Einsatzes gegen den Bergbau im Mai 2008 Drohungen, An-schlägen und Einschüchterungsversu-chen ausgesetzt.

Gewalteskalationel SAlvAdOR

Andrew Taylor hat drei Jahre auf Ha-iti gelebt. Nach dem verheerenden Erdbeben Mitte Januar machte der

Drucker und Gewerkschafter sich umgehend auf die Suche nach seinen Freunden. »Die Kommunikation ist sehr schwierig, es gibt kaum Strom, um die Handys aufzuladen. Au-ßerdem haben die Menschen auch kein Geld für ihre Prepaid-Handys.« Taylor ist jedoch beeindruckt von der Solidarität vieler Haitia-ner untereinander: »Die Menschen bleiben, wenn sie nur können, in ihren Stadtvierteln und helfen sich gegenseitig. Sie passen auf die Nachbarkinder auf, kochen gemeinsam, schicken ihre Jungs in die Stadt, um sich über die aktuelle Lage zu informieren.« Kleinere Geschäfte öffneten unmittelbar nach dem Beben wieder, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Aber die Vorräte reichten vorn und hinten nicht aus. Um nicht zu verhungern, brachen die Menschen in Lagerhäuser ein. Aus Angst, dabei von der Polizei und den UN-Soldaten erschossen zu werden, machten sie das vor laufender Kamera, unter dem Schutz von Journalisten. Das erklärt, weshalb man im Fernsehen so viele Bilder von »Plünderern« zu sehen bekommt.Dass das Erdbeben Haiti so massiv getroffen hat, ist auf die große Armut der Inselbevöl-kerung zurückzuführen. »Ein Erdbeben des Ausmaßes, wie es die haitianische Hauptstadt heimgesucht hat, hätte in jeder Großstadt der Welt zu erheblichen Zerstörungen geführt. Dennoch ist es kein Zufall, dass Port-au-Prince heute wie eine Kriegszone aussieht«, erklärt der kanadische Politikwissenschaftler Peter Hallward. 60 Prozent der Häuser in Port-au-Prince entsprachen nicht den Baustandards.Der Grund für die Armut ist westliche Einmi-schung. Haiti ist in den letzten Jahren in ein Bil-liglohnland für die amerikanische Textilindus-trie verwandelt worden. Vor 40 Jahren konnte der Inselstaat seinen Lebensmittelbedarf noch zu 80 Prozent selbst decken. Mittlerweile ist

Haiti weitgehend von Importen abhängig. Und diese sind für die 75 Prozent der Bevölkerung, die mit weniger als zwei Dollar am Tag aus-kommen müssen, unerschwinglich.Und auch jetzt ist die westliche Intervention nicht nur hilfreich: Vor der Küste patrouillie-ren Kriegsschiffe, um Flüchtlinge aufzufan-gen, bevor sie das amerikanische Festland erreichen. Hilfsflüge aus Kuba und Venezuela erhielten keine Landeerlaubnis, obwohl Kuba seinerseits den USA sofort Überflugrechte über den eigenen Luftraum gewährt hatte.Haiti war aber nicht nur oft Fremdherrschern ausgeliefert, sondern verfügt auch über eine lange Tradition des Widerstands – angefangen mit einem Sklavenaufstand gegen die fran-zösischen Kolonialherren im späten 18. Jahr-hundert. Napoleon schickte damals 10.000 Soldaten auf die Insel, auf der von knapp einer Million Sklaven Dreiviertel des französischen Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet wurde. Trotz dieser militärischen Übermacht konn-ten die Haitianer 1804 ihre Unabhängigkeit er-kämpfen. 1915 wurde die Insel erneut besetzt, diesmal von den USA. Rassentrennung und Zwangsarbeit wurden wieder eingeführt. Es folgten erneut Jahrzehnte des Widerstandes, bis die Amerikaner 1934 wieder abzogen.Sich abwechselnde Familien- und Militär-diktaturen beherrschten in den kommenden Jahrzehnten das Land, bis der populäre Pfar-rer Jean-Bertrand Aristide 1990 an die Macht kam. Doch er wurde acht Monate später vom Militär weggeputscht. Als er 1994 unter der Schirmherrschaft der USA und der UN wieder ins Amt kam, war die Bewegung, die ihn bis dahin unterstützt hatte, längst zerschlagen. Im April 2008 kam es erneut zu größeren Pro-testen, dieses Mal gegen drastische Preiserhö-hungen für Grundnahrungsmittel.Die Geschichte zeigt: Die Haitianer könnten die Hilfen selbst organisieren, wenn man sie nur ließe. Der Imperialismus steht ihnen je-doch im Weg, damals wie heute.

hAiti

hölle auf ErdenDass die Auswirkungen des Erdbebens gerade auf der Karibikinsel so verheerend waren, ist kein Zufall, meint David Paenson