medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der...

33
Herbert Grunau/Jürgen Bewilogua Zur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem Untertitel “Eine Erkundungsstudie” zu umschreiben versucht wurde. Es ist den Autoren sehr wohl bewusst, dass es sich bei der empirischen Basis der Untersuchung nur um ein erstes Abtasten der Problematik “Computerspiele für Senioren” handeln kann. Im Durchschnitt 10 Testpersonen, die sich in knapp drei Monaten ein feeling und Kenntnisse zur Thematik völlig neu erarbeiten mussten, 28 Spiele zu erkunden hatten und ihre Meinungen und Wertungen dann formulieren mussten, haben freiwillig wirklich eine immense Arbeit bewältigt. Eine Namensliste der Beteiligten ist anschließend beigefügt. Damit muss zugleich die individuelle Leistung aller Beteiligten gewürdigt werden. Denn auch die Betreuer hatten mit der Gründung und Durchführung des Projekts, von der Idee und ihrer Ausarbeitung durch Dr. Herbert Grunau, der Methodologie und der Spielerfahrung von Dr. Jürgen Bewilogua über die Organisation und die Sponsorengewinnung bis zur Spieleauswahl und die Betreuung der Tester in Anbetracht der kurzen Zeit ein riesiges Arbeitspensum zu bewältigen. In dieser Leistung liegt zugleich auch die prinzipielle Grenze des Projektes: Allgemeingültige Aussagen und empirisch abgesicherte Belege zu den vermuteten Wirkungen sind hier nicht zu erwarten und konnten auch nicht angestrebt werden. Dafür ist natürlich die Anzahl der Spiele und Tester zu gering, war die Zeit zum Spielen zu kurz und die Auswahl der zu untersuchenden Fragestellungen zu eingeschränkt. Hauptsächlich ging es also darum, die Tragfähigkeit der Idee und des Ansatzes gegen alle Skepsis zu erkunden und in der Tendenz zu formulieren. Es galt zudem eine günstige Situation zu nutzen:

Transcript of medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der...

Page 1: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Herbert Grunau/Jürgen Bewilogua

Zur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise

Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem Untertitel “Eine Erkundungsstudie” zu umschreiben versucht wurde. Es ist den Autoren sehr wohl bewusst, dass es sich bei der empirischen Basis der Untersuchung nur um ein erstes Abtasten der Problematik “Computerspiele für Senioren” handeln kann.Im Durchschnitt 10 Testpersonen, die sich in knapp drei Monaten ein feeling und Kenntnisse zur Thematik völlig neu erarbeiten mussten, 28 Spiele zu erkunden hatten und ihre Meinungen und Wertungen dann formulieren mussten, haben freiwillig wirklich eine immense Arbeit bewältigt. Eine Namensliste der Beteiligten ist anschließend beigefügt. Damit muss zugleich die individuelle Leistung aller Beteiligten gewürdigt werden. Denn auch die Betreuer hatten mit der Gründung und Durchführung des Projekts, von der Idee und ihrer Ausarbeitung durch Dr. Herbert Grunau, der Methodologie und der Spielerfahrung von Dr. Jürgen Bewilogua über die Organisation und die Sponsorengewinnung bis zur Spieleauswahl und die Betreuung der Tester in Anbetracht der kurzen Zeit ein riesiges Arbeitspensum zu bewältigen. In dieser Leistung liegt zugleich auch die prinzipielle Grenze des Projektes:Allgemeingültige Aussagen und empirisch abgesicherte Belege zu den vermuteten Wirkungen sind hier nicht zu erwarten und konnten auch nicht angestrebt werden.Dafür ist natürlich die Anzahl der Spiele und Tester zu gering, war die Zeit zum Spielen zu kurz und die Auswahl der zu untersuchenden Fragestellungen zu eingeschränkt. Hauptsächlich ging es also darum, die Tragfähigkeit der Idee und des Ansatzes gegen alle Skepsis zu erkunden und in der Tendenz zu formulieren.Es galt zudem eine günstige Situation zu nutzen:Am Computer ausgebildete und einsatzfreudige Senioren des SeniorenInternetClubs Leipzig, sowie gute materiell technische Bedingungen dank des Enthusiasmus des Leiters des Rechenzentrums der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der UNI Leipzig, Dr. Wilfried Röder, sowie weiterer Sponsoren und Förderer vorzufinden und über eine Grundfinanzierung des VSIW zu verfügen, ermöglichten überhaupt erst die glückliche Durchführung des Projektes. Glücklich deshalb, weil sich wie die anschließende Auswertung zeigte alle positiven Annahmen zu bestätigen scheinen und somit ein neuartiger und in der Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich so noch nicht erprobter Ansatz produktiv geworden ist.“Die Wahrheit beginnt wie ein Paradoxon und endet wie eine Binsenweisheit” schrieb ein heute etwas aus der Mode gekommener Philosoph des 19. Jahrhunderts.Der noch heute bei den meisten Ersthörern zum Schmunzeln anregende Gedanke, für Jugendliche produzierte Computerspiele, bei denen fast jeder sofort an Ballerei und Prügelei zwischen fiktiven und schrägen Figuren denkt, für friedliche und ernsthafte Ruheständler zu erschließen, hat sich in vielen Annahmen als außerordentlich interessant und wirkungsvoll erwiesen. Es hat überraschende

Page 2: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Aspekte zutage gefördert, nicht zuletzt allen Beteiligten viel Freude gemacht und besonders den Seniorentestern für sie neue Welten erschlossen.Die meisten spielen auch jetzt nach Beendigung des Projektes mit erhöhter Freude weiter.Abschließend ihr nachdrücklicher Aufruf an alle interessierten Gleichaltrigen: Unbedingt probieren, es lohnt sich!Die nachfolgenden Verallgemeinerungen basieren auf den in den Fragebögen formulierten Bewertungen und Meinungen der Senioren, auf während der gemeinsamen Spielrunden gemachten Beobachtungen und in den Visionen und thesenhaften Verdichtungen auch auf Erfahrungen der Autoren aus eigener Spielpraxis und den anderen Projekten mit Senioren im Rahmen von “Senioren @ns Netz” in Sachsen.

Herauskristallisierte Bewertungs-, Meinungs- und BedeutungsschwerpunkteWenn zu Anfang der Projektphase vorwiegend ein “ernsthafter” Nutzen bei den Softwareprodukten durch die Senioren gesucht wurde, gewannen im Verlauf des Projekts die bereits im Vorfeld diskutierten Bewertungsschwerpunkte wie Vergnügen, Spaß, Unterhaltung sowie, je nach Charakter der Software, Lernen und Wissen vorrangig an Bedeutung. Ebenso wie Jugendliche forderten die Senioren anspruchsvolle Grafik sowie eine gute Soundqualität.Vom breit gefächerten Spektrum der Spiele wurde in der ausgewerteten Tendenz eigentlich keines abgelehnt: Action, Adventure, Rollenspiel, Strategie, Simulation, Jump and Run.Die Spiele und die Edutainmentsoftware, die zwar zur Auswahl stand, jedoch nicht getestet wurde, hatte bis auf eine nicht ein Genre als Ursache. Gründe für die Ablehnung bestanden in anfänglichem Problemen im Umgang mit der Software und deren Handhabung sowie im Zeitmangel. Mit zunehmender Erkenntnis bei den Projektbetreuern, daß die Senioren eine längere “Einarbeitungszeit” brauchten, wurde auf jeglichen Druck verzichtet, sämtliche Spiele und Edutainmentsoftware testen zu lassen. Das einzige Spiel, was niemand testen wollte, wurde in Anlehnung an eine Fernsehserie produziert. Dass nun generell Senioren diese bekannte und erfolgreiche Fernsehserie nicht mögen, darf bei der geringen Anzahl der Tester nicht vermutet werden.Anfänglich war zu beobachten, dass die Senioren Spiele für gut befanden, die relativ wenig Aufwand in Bedienung und Installierung verlangten. Software mit mehr Aufwand wurde skeptisch und zunächst mit Ablehnung behandelt. Neugier war aber immer vorhanden. In einem Seminar wurde auf die Frage nach dem “Warum” geantwortet, dass man mit der Zeit verantwortungsvoller umginge. Man hätte nicht mehr so viel. Jedoch nahm das Interesse an komplexen Spielen mit der Erfahrung immer mehr zu. Ein wichtiges Kriterium an die Software war die Frage der De- und Installation. Einfach sollte sie auf alle Fälle sein. Jedoch wurde ausgerechnet durch einen Verfechter der Methode “CD einlegen und spielen” zuletzt einschränkend vermerkt, dass das nur für Anfänger wichtig wäre. Zu diesem Zeitpunkt waren die Seniorentester aber eben keine Anfänger mehr. Probleme und Verärgerung der Senioren traten bei den Spielen auf, die etwas älteren Herstellungsdatums und nur mit paar Tricks unter Windows 95 zu installieren waren.Immer wieder spielte in der Meinungsbildung die Verpackung und Verpackungsgestaltung eine Rolle. Unverständnis wurde oft über die großen Verpackungen und den vergleichsweise geringen Inhalt geäußert. Weiterhin wurde

Page 3: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

marktschreierisches, buntes, grelles, mit provozierenden, markigen Sprüchen versehenes Layout besonders kritisch mit dem Inhalt verglichen. Traten hier größere Diskrepanzen auf, wurde das Spiel sofort in der Bewertung heruntergestuft. Man fühlte sich offenbar getäuscht.Im Verlauf der Untersuchung waren die Tester auch immer am Preis interessiert. Deshalb wurde in der Spiele-Auswertung auch das Preis-Leistungsverhältnis mit als Kriterium aufgenommen. Senioren scheinen in Verbindung mit der Gestaltung der Verpackung sehr genau den Preis und den Inhalt der dargebotenen Ware prüfen zu wollen. Allerdings war zu beobachten, dass sich auch erst im Verlauf des Projekts ein Einschätzungsvermögen an wirklich preiswerten, teuren und überteuerten Spielen herausbildete. Entsprechend wurde ein Discount-Anbieter honoriert, der eine Edutainment-Software – ohne Zweifel mit ein paar Mängeln – anbot, die an inhaltlicher Reichhaltigkeit seinesgleichen suchte. Fazit: Preisbewusstsein im Seniorenalter ist ein bedeutender Faktor.

Explizite und verdeckte Kriterien der Senioren Fähigkeits- und Wissensentwicklung der TesterDie Seniorinnen und Senioren offenbarten ein über allen Erwartungen liegendes Tempo in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Urteile: Waren sie zu Beginn noch sehr skeptisch eingestellte Anfänger mit Vorliebe für einfach strukturierte Spiele, die sich an einfachen Videosequenzen wie in “Abenteuer unter Wasser” begeisterten, so offenbarten sie am Ende der drei Monate ein so weiterentwickeltes und auf Erfahrung gegründetes Urteilsvermögen, daß sie ebendieselbe Software nun berechtigt als veraltet bewerteten. Begeistert wurden nun solche Top Hits wie “Tomb Raider III”, “Legacy of Time”, “Dark Project – Der Meisterdieb” aufgenommen und nach 3D-An-sichten, 360-Grad-Scrolling, fein geränderten Grafiken, sauber abgemischtem Sound usw. verlangt. Diese Entwicklung des Urteilsvermögens der Tester ist bei den Bewertungen unbedingt mit in Rechnung zu ziehen.

Ästhetische MaßstäbeDas Empfinden für Widersprüche z. B. zwischen schriftlich fixiertem Anspruch (auf Cover oder Begleitheft) und der softwaretechnischen Umsetzung entwickelte sich bis zu einem fundierten Urteilsvermögen über die medienästhetisch adäquate Umsetzung von inhaltlichem Anspruch und echter multimedialer Gestaltung. Allerdings ist auch bei den SeniorInnen ein Effekt zu beobachten, der bei älteren Jugendlichen in ähnlicher Form auftritt.Trotz begründeter Ablehnung von einfachen Adventure- oder Ballerspielen, die bei den Senioren im Unterschied zu den Jugendlichen zumeist auf entwickelte Wertvorstellungen zu Gewalt und Antikriegspositionen gegründet ist, können sich auch die Älteren nur schwer der Faszination von relativ unkomplizierten Geschicklichkeitsübungen und erfolgsorientierten Hindernisrennen erwehren. Auch sind die sogenannten einfachen Baller- oder Adventure-Games heute nicht mehr so einfach, dass man sich der Musik, der Darstellung – insgesamt der Verführung entziehen kann. Die Produzenten achten in zunehmendem Maße auch auf eine akzeptable Story, besonders bei den potentiellen europäischen Käufern.

Moralische BedenkenDies trifft in gewisser Hinsicht auch auf die einerseits explizit formulierte Ablehnung gewaltverherrlichender Adventures zu, die aber andererseits auf die Senioren eine unbestreitbare Anziehungskraft ausübten. Hier trifft der auch bei Jugendlichen beobachtete Effekt der strikten Trennung von Inhalt und im Spielsystem gestellter

Page 4: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Aufgabe zu, die sich wesentlich auf dem Wissen um den fiktiven Charakter der dargestellten Gewaltszenen gründet. Es besteht aber noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um diesen Effekt gültig beschreiben zu können.

Selbsteinschätzungen, problematische WirkungenKlar festgestellt werden kann aber, dass bei allen Seniorentestern wieder die Begeisterung zum “Spielen an sich”, zur zweckfreien Beschäftigung mit fiktiven Aufgaben und computer-simulierten Welten erweckt worden ist. Dieses Wiederentdecken und -erlernen der Spielfreude ist von fast allen Teilnehmern als beglückende Erfahrung beschrieben worden. Die bei jugendlichen Computerspielern häufig beschworenen bedenklichen Wirkungen wie erhöhte Agressionsneigung nach Konsum von Ballerspielen, Suchtgefahr durch übermäßige Beschäftigung usw. oder gesundheitliche Risiken ( Probleme mit der Sehschärfe durch Bildschirmnutzung usw.) wurden von den SeniorInnen in keinem Fall auch nur ansatzweise geäußert.

Was hat das Projekt den Seniorentestern gebracht? Worin sehen Sie nachnutzungswerte Erfahrungen?

ErkenntnisgewinnAlle Teilnehmer artikulierten die persönlich überraschende Entdeckung einer für sie völlig neuen Welt elektronischer Spiele und der darauf basierten Spielfreude. Edutainment-Software wurde durchgängig als interessante Ergänzung bestehender Informationsquellen und Wissensspeicher beschrieben. Dies bestätigt nachdrücklich die aus der medienkulturellen Forschung bekannte Tatsache des berechtigten Nebeneinander-Existierens von alten und neuen Medien, bei deutlicher Dominanz der Bücher. Besonders für kindliche Lernprozesse wurde ausgewählte Software als produktiv und lernfördernd eingeschätzt. ( “Das kaufe ich meinen Enkeln” – auch mit dem Gedanken, selbst mitzuspielen!)

Spielen ist kommunikativ und fördert die Geselligkeit!Dies ist eine den landläufigen Vorstellungen eher konträr entgegenstehende Position, welche die meisten Seniorentester bestätigten. Gemeinsames Spielen mit dem Partner, mit Enkeln und Bekannten, die Diskussion über elektronische Spiele und das Wiederentdecken traditioneller Spiele, der Wert des “Spielens an sich” und auch “Überzeugungsarbeit” bei anderen Senioren – es gibt genügend kommunikationsfördernde Wirkungen in und um die Spiele.In diesem Zusammenhang muss leider beklagt werden, dass bei Multiplayerspielen und internetbasierten Spielsystemen in der Testauswahl aus Zeitgründen der Multiplayer-Modus nicht genutzt werden konnte, was namentlich auch viele der Seniorentester bedauerten.

Individuelle Fähigkeits- und PersönlichkeitsentwicklungDie gemeinsamen wöchentlichen Seminare entwickelten sich über das Thema “Spiele und Spielen am Computer” zu wahrhaften Informationsbörsen innerhalb des Bereiches “Kommunikation und neue Medien”. Selbst die Senioren, die nicht am Spieletest teilnahmen, nutzten das freitägliche Zusammentreffen, um Wissenswertes zum Thema Internet und zu allgemeinen Anwendungsprogrammen von Grafik über Text bis hin zur Präsentation zu erfahren und auch auszuprobieren. Ein Hauptteil der Informationen und Erfahrungswerte kam von den Projektbetreuern, jedoch nutzten

Page 5: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

vor allen Dingen in der zweiten Projekthälfte die Senioren selbst die Möglichkeit, in kleinen Vorträgen Software vorzustellen und eigene Erfahrungen den anderen zu vermitteln.Das wöchentlichen Zusammentreffen wurde noch um die Möglichkeit erweitert, beim Medienstadt Leipzig e. V. wöchentlich donnerstags an von der Firma SYSDRAI vorübergehend kostenlos zur Verfügung gestellten Computern spielen zu können. Oft entwickelten sich auch diese Nachmittage durch regen Informationsaustausch zu wahren Fundgruben für die eigene Fähigkeits- und Persönlichkeitsentwicklung.Fünf der Testteilnehmer wollten sich im Verlauf des Projekts nunmehr per elektronischer Post verständigen. Diese Senioren standen untereinander und mit einem Projektbetreuer sowohl in regem eMail-Verkehr als auch außerhalb der Seminare in angeregten Gesprächen. Das Projekt hatte zu diesem Zeitpunkt zeitliche Dimensionen angenommen, die keiner vorausahnte.

Ausblick und Vision – Bemerkungen des Betreuerteams

Die gesellschaftspolitischen Implikationen des ProjektesComputerbesitzende und medienkompetente Seniorinnen und Senioren sind ein bedeutender Faktor bei der Veralltäglichung von IuK-Technik und des Internets.Der vernetzte Computer im Senioren-Haushalt ermöglicht es nicht nur, die Wohnung zum Zentrum alltagskultureller Tätigkeit zu machen (intelligentes Haus), sondern auch die Älteren stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen (Gläsernes Rathaus). Spielerisches Training zum Erlernen der Grundtechniken und zum medienkompetenten Umgang ist dabei eine wesentliche Voraussetzung. Auch das vergnügliche Zusammentreffen der verschiedenen Generationen am Bildschirm könnte ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des Generationendialogs werden.

Psychologische und pädagogische AspekteNeben der Stärkung des Selbstbewusstseins und dem Erschließen neuer Freizeittätigkeiten bestätigten alle beteiligten Senioren den Trainings- und Lerneffekt, besonders erkennbar bei den motorischen Fähigkeiten (Beherrschung der Maus, Feingefühl mit Joystick, Reaktionsfähigkeit), dem schnellen Erfassen von Zusammenhängen, assoziativem und bildhaftem Denken usw. Leider muss auch hier wieder darauf verwiesen werden, daß zum wissenschaftlich abgesicherten Beleg der in mündlichen Interviews mit den Testern beschriebenen Wirkungen ein umfängliches Untersuchungsprogramm vonnöten wäre. Interessante Ergebnisse könnten auch nach Untersuchungen bei speziellen Gruppen, z. B. bei Mobilitätseingeschränkten, in Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie bei geistig Behinderten erwartet werden. Auch auf neurophysiologische Zusammenhänge wäre zu verweisen, bspw. auf den fördernden Trainingseffekt spielerischen Lernens zur Verlangsamung von Alterserscheinungen. Die wirtschaftliche Dimension Für die Hard- und Softwareindustrie ergäbe sich mit der Betonung der unterhaltenden und spielerischen Möglichkeiten ihrer Produkte im Seniorenbereich ein bisher weitgehend unerschlossenes Betätigungs- und Geschäftsfeld. Besonders die Spieleproduzenten stoßen mit ihrer bisherigen fast totalen Ausrichtung auf Jugendliche und Kinder bei SeniorInnen auf ein überwiegend ablehnendes Publikum mit differenzierten und bisher weitgehend unbekannten Bedürfnissen. Bei fortschreitender Durchdringung der Seniorenhaushalte mit IuK-Technik und auf die SeniorInnen abgestimmten Spieleangeboten könnten diese aber eine neue

Page 6: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Zielgruppe für die beteiligte Industrie bedeuten, was sich bei dieser in Zuwachsraten für den Umsatz in zweistelliger Höhe niederschlagen würde.

Der menschliche AspektÜberaus positives Echo erhielt bei allen Beteiligten der Vorschlag, die freitäglichen Treffs im Computerkabinett fortzuführen, die Spiele-Bibliothek dort zu installieren, so daß sowohl dort als auch zu Hause am heimischen Computer noch offene Rätsel gelöst werden können. Weitergeführt werden auch in loser Folge die durch die Betreuer aufbereiteten Informationen zur Entwicklung in den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie aus der Spielebranche.Das Interesse an der Erstellung eigener Senioren-Web-Seiten innerhalb von “Senioren @ns Netz” ist geweckt. Erste Schritte zur Erstellung innerhalb der vergangenen Seminare sind bereits erfolgt. (http://www.seniorenansnetz.de)Interesse wurde geäußert an solchen Fragen wie einem Chat im Web, an der Teilnahme an Diskussionsforen innerhalb der Newsgroups im Internet. Der “Spiele-Internet-Senioren-Club” wird fortgeführt...

Offene Fragen und die Notwendigkeit zur Fortführung des ProjektesAn folgenden Punkten und wissenschaftlichen Disziplinen wurden bereits im Text Probleme für weitergehende Untersuchungen aufgeführt:- Anzahl der zu testenden Spiele und deren Auswahl, Vergrößerung des Testerteams- Pädagogische und psychologische Aspekte,- Lerntheorie und intergenerative Kommunikation- Spieltheorie und Altersforschung,- Moralische und ästhetische Kriterien- Gesundheitliche Risiken - Spielerische und kommunikative Effekte- Positive Wirkungen und Gefährdungen - Anforderungen an “altersspezifische Spiele”- Anforderungsgerechte Hardware- Ausstattung und Bedürfnisse der Seniorenhaushalte in Bezug auf Computertechnik und Internet

MeinungenAbschließend einige Meinungen von Mitwirkenden:

Manfred Seyfarth:Als ich im September 1998 die Einladung des VSBI e. V. zum Projekt “Generationsübergreifendes Lernen für die Informationsgesellschaft” erhielt, war ich der Meinung, der Themenkreis zwei – Computerspiele – ist nichts für mich. D. h. ich interessierte mich vielmehr für Schreib- und Rechentechniken, den dabei fast unbegrenzten Möglichkeit der Vervielfältigung, Einfügung usw. und dem Surfen im Internet. Wichtig erschien mir, in den vorgenannten PC-Nutzungen weitere Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Außerdem erschien mir ein PC als Spielzeug zu kostspielig. So fiel es mir auch anfangs schwer, mich mit PC-Spielen anzufreunden, da es auch aus meiner Sicht einen Großteil wenig sinnvolle Spiele gibt, ich meine z. B. rauchende Pistolen sowie schießende und Bomben abwerfende Flugzeuge. Doch nach einigen Versuchen entwickelte sich auch bei mir das Interesse an vernünftigen

Page 7: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Computerspielen. Die untersuchten Spiele wiesen erhebliche Niveauunterschiede auf, sowohl in der Gestaltung als auch in der Spielbarkeit.Sinnvoll erscheint mir generell, dass in einem guten Spiel, d. h. sinnvoller Inhalt mit vernünftigen Aufgaben, nur eine begrenzte Anzahl Tasten zur Anwendung gebracht werden, die Grafik ausdrucksvoll ist, d. h. dem Bild im menschlichen Auge sehr nahe kommt und der Sound das gesehene passend untermalt und unterstützt. Dass man entweder im Spiel erkennt, welche Ziele man erreicht hat und auch mal abfragen können muss, wie viele Aufgaben bis zum Ziel noch gelöst werden müssen. Da PC-Spiele auch oft zum Zeitproblem werden, ist es sehr wichtig, dass man jeden Spielstand speichern und das Spiel aus jeder Situation beenden können muss. Auch sollte die gedruckte Spielbeschreibung nicht lang wie ein Märchenbuch ausfallen, vor allem wenn darin die Handhabung versteckt ist. Abschließend möchte ich sagen, man sollte Anstrengungen unternehmen, mehr gewaltfreie, aber dennoch anziehende Spiele, mit Action und Abenteuer auf den Markt zu bringen. Es sollte auch Spiele geben, die die Möglichkeit bieten, die Seele einmal baumeln zu lassen.

Thea Günther:Angefangen hatte alles mit der Aktion “Senioren ans Netz”; eine sehr gute Idee, die ältere Generation mit den neuen Medien bekannt zu machen. Und dass dabei Schüler die Lehrer und die “Alten” die Schüler waren, hatte sich bestens bewährt.Die heutige Werbung hat bekanntlich nur die Jugend als jetzige und künftige Konsumenten als Zielgruppe.Aber sollte man darüber die ständig steigende Zahl der Älteren vergessen? Und haben nicht gerade diese Älteren den Wunsch, sich auch mit den neuen Medien mehr oder weniger auseinander zu setzen?Kinder und Jugendliche können sich oft Freizeit ohne PC-Spiele nicht vorstellen. Und diese gibt es in Hülle und Fülle.Warum sollte die Senioren-Generation nicht auch Interesse an solchen Spielen finden?Doch an welcher Art von Spielen hätten diese Gefallen?Da war die ldee: Senioren testen Spiele!Sie haben die unterschiedlichsten Angebote kritisch unter die Lupe genommen und ihre Meinungen nicht hinter dem Berg gehalten. Und was ist dabei herausgekommen? Die Studie wird sicher zu bedenken geben und zeigen, dass sich ältere Menschen die Freizeit mit anderen Themen füllen.Vielen Dank allen Initiatoren und Betreuern dieser Bewegung, die sicher mit uns auch viel Geduld aufbringen mußten.

Ingrid Schladitz:Ausgehend davon, daß ich vor Lehrgangsbeginn mich noch nie mit Computerspielen befaßt habe, würde ich mich jetzt fast als “Spiele-Fan” bezeichnen.Die Auswahl an zu testenden Spielen (von verschiedenen Herstellern) war sehr umfangreich und vielseitig, so dass für jeden Geschmack etwas dabei war. Aber nicht jede Software konnte uns Senioren begeistern.Anfängliche Schwierigkeiten beim Installieren und Deinstallieren wurden durch gute Anleitung und Hilfe überwunden.Für mich sehr interessant war auch das Vorstellen anderer Anwendungsprogramme (Publisher, Microsoft Word, Netscape Composer).

Familie Stehr:

Page 8: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Auslöser für unseren Einstieg in das Projekt war ein am 17. Februar 1998 in der Leipziger Volkszeitung erschienener Artikel, der nach erfolgreichem ersten Kurs “Senioren ans Netz – Schüler surfen mit der älteren Generation durch das Internet” den Beginn eines zweiten Kurses ankündigte und uns neugierig machte.Im Zeitraum März bis Juni 1998 vermittelten uns talentierte Gymnasiasten der Max-Klinger-Schule Grundkenntnisse der “Internetarbeit”. Nach Abschluss dieses Kurses, nunmehr ausgerüstet mit mehr oder weniger umfangreichen, aber sehr ausbaufähigen Kenntnissen und Fertigkeiten beim Surfen im World Wide Web, stürzten wir uns in die “Begutachtung” von PC-Spielen, weniger um selbst zu spielen, sondern vielmehr, um denjenigen Senioren, denen eine derartige Freizeitbeschäftigung Freude, Entspannung und auch geistige Betätigung vermitteln kann, geeignetes Unterhaltungsmaterial anzubieten.Bei diesem Projekt ging es um die Untersuchung einer breiten Palette von Spielen, die vom bloßen Vergnügen/Zeitvertreib über Gedächtnistraining bis hin zum anspruchsvollen Unternehmensplanspiel reichte.Besonders empfehlen wir dabei natürlich solche Spiele, die uns aus den verschiedensten Gründen wertvoll erscheinen und uns am Schluss selbst gefesselt haben. Beim Begutachten und Testen der Spiele kam es darauf an, viele ähnlich Gesinnte zu den gleichen Spielen zu befragen und die gesammelten Ergebnisse und Erfahrungen im Nachhinein verdichten und verallgemeinern zu können.Der Versuch, diese gestellte Aufgabe zu einem Ergebnis zu führen, liegt nun vor.Wir hoffen, mit diesem Material allen interessierten “Spielernaturen über 50” eine nützliche und hilfreiche Auswahlhilfe in die Hände zu geben. Viel Erfolg, recht viel Spaß und Zeitvertreib auf vielfältige Art und Weise beim Spielen wünschen die Tester.

Heinz Lohse

Spielen und Lernen im Alter – zum zielgruppenspezifischen Ansatz

Wer nicht spielt, verzichtet auf Vielfalt.Prof. Dr. R. JUNGK

Spielen und Alter – diese Kombination ist eher ungewöhnlich, verbinden doch die meisten Menschen die Begriffe „Spielen“ und „Spiel“ mit der Kindheits- und Jugendphase. Ja für nicht wenige Menschen hat es überhaupt keine Bedeutung – leider, muß man betonen, denn das Spiel gehört zur Menschheitskultur wie das Erkennen, Denken, Fühlen, Lernen oder künstlerische Schaffen.

Das Spiel als KulturerscheinungWenn man es recht bedenkt, ist das Spiel älter als die menschliche Kultur, denn Tiere spielen – seit eh und je – und haben nicht auf den Menschen gewartet bis dieser zur Kultur als gesellschaftlicher Erscheinung kam. Alle Grundzüge des Spiels (Bewegt- und Tätigsein ohne bewußten Zweck, aus Vergnügen und verbunden mit Lustempfindungen) sind schon im Spiel der Tiere verwirklicht. Man braucht nur junge Hunde, Katzen oder Affen beim Spielen und munteren Herumbalgen zu beobachten. Das Wichtigste: sie haben an alledem offensichtlich viel Spaß.Aber hier geht es uns natürlich um den Menschen. Da ist das Spiel mehr als eine rein physiologische Erscheinung oder physiologisch bestimmte psychische Reaktion. Es ist etwas sehr Sinnvolles. Im Spiel tritt etwas zutage, was über den unmittelbaren

Page 9: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Drang nach Lebensbehauptung hinausgeht und in die Lebensbetätigung einen Sinn hineinlegt. In jedem Spiel wirkt ein aktives Prinzip, das dem Spiel sein Wesen verleiht, der „Geist des Spieles“, jedenfalls ein immaterielles Element, das oft nicht der Ratio, der Vernunft bedarf (obwohl es natürlich auch Denkspiele gibt).Das Spiel ist an keine Kulturstufe gebunden, an keine Form der Weltanschauung oder des Glaubens. Oft bedarf es nicht einmal der Sprache, obwohl diese für gewisse Kategorien menschlicher Spiele unerläßliche Voraussetzung ist. Zum Beispiel für die Kategorien des Theaterspiels oder der spielerischen Verarbeitung von Stoffen in der Weltliteratur. Wie reich ist unsere Kultur vom Spielerischen erfüllt: Aus der Fülle der möglichen Namen seien nur Shakespeare, Calderon, Racine, Curt Götz, Ephraim Kishon genannt.

Wesensmerkmale des SpielsDas Spiel offenbart sich uns als bestimmte Qualität des Handelns, die sich vom „gewöhnlichen“ Leben unterscheidet. Es hat eine sinnbestimmte Form und eine soziale Funktion. Es beruht auf einer gewissen Verbildlichung und Vereinfachung der Wirklichkeit durch Umsetzung in Formen des relativ leicht zu Verstehenden und Nachvollziehbaren. Spiel steht in unserem Bewußtsein dem Ernst gegenüber. Was nicht heißen soll, daß man dem Spiel jedwede Ernsthaftigkeit absprechen kann. So manches Spiel – z. B. Schach – wird mit größter Ernsthaftigkeit und höchstem Respekt betrieben. Das Fröhlichsein und Lachen – im allgemeinen mit dem Spiel verbunden – verbietet sich hier von selbst. Und an sich ist Spiel nicht komisch, weder für den Spieler noch für den Zuschauer. Je mehr man darüber reflektiert, desto deutlicher wird einem bewußt, daß der Begriff „Spiele“ in eigenartiger Weise abseits von allen übrigen Gedankenformen bleibt, in denen Strukturen des Geistes- und Gesellschaftslebens ausgedrückt werden können. Beschränken wir uns also darauf, die Hauptkennzeichen des Spiels zusammenzustellen, um so zu einer Definition des Spiels zu gelangen.

Das Spiel ist:- freies Handeln oder Tun,- fürs Leben nicht notwendig (für die positive Entwicklung eines Kindes schon),- nicht das „eigentliche“ Leben,- „bloß“ zum Spaß, aber nicht komisch,- in sich abgeschlossen und begrenzt (hat Anfang und Ende, spielt in einer gewissen Zeit und in einem bestimmten Raum – oft „Spielfeld“ genannt),- etwas Geordnetes und Geregeltes,- spannend (es fesselt und löst),- zielgerichtet,- oft ein Kampf um etwas.

Eine mögliche Definition könnte dann so lauten:Spiel ist ein freies Handeln oder Tun, das nach freiwillig angenommenen, aber bindenden Regeln verrichtet wird, in sich abgeschlossen ist, sein Ziel in sich selbst hat und von Gefühlen der Spannung oder Überraschung, Freude oder Begeisterung begleitet wird.Dieser letzte Teil der Definition macht darauf aufmerksam, was Spielen psychologisch bewirken kann. Sehen wir einmal ab von den verhängnisvollen Folgen, die ein sich ins Krankhafte steigerndes Verlangen nach ständiger Wiederholung bestimmter, – meist mit Geld verbundener – Spiele, haben kann

Page 10: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

(Spielsucht), so sind es überwiegend positive psychische Erscheinungen, die sich beim Spielen zeigen:Faszination und Leistungsmotivation, Siegeswillen, Selbsterprobung, Zielerhöhung, Neugierverhalten, Selbstwertempfinden, Ansporn zur Leistungssteigerung, emotionale Erregung, Freude.Dem stehen nur wenige Negativa gegenüber, zum Beispiel das „Nicht-Verlieren-Können“ – in einem bestimmten Kindheitsalter recht ausgeprägt – oder unkooperatives Verhalten bei Gruppenspielen.Daß Spielen im guten Sinne mit Lernen verbunden ist, ist eine Binsenweisheit, die aber nicht unterschätzt werden darf. Menschen, die in ihrer Kindheit nicht spielen konnten oder durften, weisen im weiteren Verlauf ihres Lebens erhebliche Defizite auf.

Spielen und Lernen im AlterSpielen Ältere weniger gern als junge Menschen? Mitnichten! Man braucht nur einmal ältere Damen bei Rommee, Bridge oder „Mensch ärgere Dich nicht“ zu beobachten oder etwa mitzuerleben, wie munter es in einer Seniorengruppe beim „Heiteren Gedächtnistraining“ zugeht, um zu verstehen, daß das Spielen an sich an kein Alter gebunden ist.Der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung nimmt in unserer Gesellschaft rasant zu. Durch die im Mittel frühere Aufgabe des Berufes und frühere Beendigung der Kindererziehungsphase einerseits und durch die Zunahme der Lebenserwartung andererseits kommt es zu einer immer stärkeren Ausweitung der Altersphase. Während der vergangenen 100 Jahre hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland nahezu verdoppelt. Sie liegt derzeit bei den Männern bei 73,4 Jahren in den alten und bei 70,3 Jahren in den neuen Bundesländern. Für die Frauen sind die entsprechenden Zahlen 79,7 bzw. 77,8 Jahre. Und diese Entwicklung der Lebensverlängerung wird sich fortsetzen. Der Anteil der älteren Deutschen von 60 Jahren und älter liegt im Jahr 2000 bei rund 36 %, sogar knapp 50% sind es, wenn man die 50 bis 59 jährigen mit einbezieht. (In den Ländern der 3. Welt sieht das oft ganz anders aus, in Tunesien z. B. sind mehr als 50 % der Bevölkerung jünger als 22 Jahre.)Die längere Phase des Seniorendaseins gilt es zu nutzen. Wie für Junge gilt für den Älteren, daß er durch nichts so gefördert werden kann, wie dadurch, daß man ihn fordert, ihm etwas zutraut und zumutet. Der ältere Mensch sollte nicht grübeln und an sein Altsein denken, sondern er sollte sich seinen Hobbys widmen, Interessen nachgehen (wozu er während seiner aktiven Berufszeit oft gar nicht gekommen ist) und er sollte sich auch neuen Aufgaben zuwenden, immer eingedenk der Tatsache, daß die Gerontopsychologen (Wissenschaftler, die das Seelenleben älterer Menschen erforschen) heute davon ausgehen, daß das vierte Lebensalter (nach Kindheit und Jugend, Ausbildung und Beruf, erfülltem Seniorendasein) erst mit 85 Jahren beginnt! Um die erweiterte Altersphase geistig rege genießen zu können, ist ”lifelong learning” angesagt – lebenslanges Lernen (man spricht heute besser vom „lebensbegleitenden Lernen“). Damit ist folgendes gemeint:- Interessen wachhalten (an Wahrem, Gutem und Schönem),- aktiv bleiben (geistig wie körperlich – im Rahmen des Möglichen),- Selbstvertrauen haben (sich durchaus mehr zutrauen als man sich zuweilen zugesteht),- nie anfangen, aufzuhören,- nie aufhören, anzufangen,

Page 11: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

- aufgeschlossen sein (Neuem gegenüber, auch neuen Gesellschafts- oder Computerspielen),- mit steigenden Anforderungen wachsen,- vor Schwierigkeiten nicht kapitulieren, - Verständnis für die Jugend haben, - Freude finden an seinem Tun

(Res severa vera gaudium).

Lernen ist wie Spielen eine Form der Informationsverarbeitung. Bei jedem neuen Spiel muß der Neuling erst lernen, die Spielregeln begreifen und verstehen, sie richtig anzuwenden. Am schnellsten gewinnt der Senior die neuen Einsichten, wenn er aktiv wird, das Spiel einfach beginnt, also durch Tätigsein – in moderner Ausdrucksweise: Learning by doing.Natürlich nehmen aufgrund nachlassender Funktionsgeschwindigkeit bestimmte Lernfähigkeiten (Leichtigkeit des Lernens, Nachhaltigkeit des Lernens = Merkfähigkeit, Plastizität) im Laufe des Lebens ab. Dieser Abfall wird aber kompensiert durch eine höhere Leistungsbereitschaft, durch höheres Leistungsbewußtsein, durch größere Sorgfalt und Ausdauer des älteren Erwachsenen. Nicht unterschätzt werden darf, daß jedoch auch die im Alter nachlassenden Faktoren der Lernfähigkeit durch Training wieder aufgebessert werden können. LEHR (1972) stellte schon vor 25 Jahren überzeugende Belege dafür zusammen, daß allein die geistige Aktivität die intellektuellen Funktionen erhält. SCHAIE (1990) konnte durch Längsschnittstudien nachweisen, daß 75 % der Sechzigjährigen, 60 % der Siebenundsechzig- bis Vierundsiebzigjährigen und 50 % der Achtzigjährigen durch geistiges Üben ihr sieben Jahre vorher erzieltes Leistungsniveau in vier von fünf Fähigkeiten wieder erreichen. BALTES (1997) hat sich vornehmlich des vierten Lebensalters (von etwa 85 Jahren aufwärts) angenommen und weist für diese Phase nach, daß – obwohl das genetische Material und die damit verbundenen biologischen Prozesse und Mechanismen weniger leistungsfähig werden – der Bedarf an Kultur selbst im höheren Alter wächst.Mit Kultur sind in diesem Zusammenhang alle psychologischen, sozialen, materiellen, technologischen und symbolischen (auf Wissen begründeten) Ressourcen gemeint, die die Menschen über Jahrtausende hinweg hervorgebracht haben. Kultur erweist sich so als eine Kompensation für das Mindern so mancher physischen und geistigen Fähigkeiten. Diese Kompensation offenbart sich im Einsatz substitutiver Fertigkeiten, in vermehrter Anstrengung und Übung, im vermehrten Investieren von Zeit, in der Mobilisierung latenter Reserven etc. Alles Mittel, die die Abnahme der Effektivität so mancher Fähigkeiten wenigstens zum Teil wettmachen.

Computerspielen im Alter?Mit Siebzig hat man noch Träume.So überschreiben Gertrude und Thomas SARTORY einen Abschnitt ihres Buches „Das ganze Leben” und spielen dabei an auf den bekannten Schlagertext, der allerdings von Siebzehnjährigen und deren Träumen spricht. Mit Siebzig hat man noch Träume! Ist da was dran?Natürlich ist da was dran! Jugendliche neigen dazu, alle Menschen über 40 als alt und Menschen über 60 als sehr alt abzustempeln und damit als verkalkt, verstockt, eigensinnig, unbelehrbar, als „reif für die Gruft“ zu beurteilen. Das kann für einige, denen Krankheit oder harte Schicksalsschläge übel mitgespielt haben, durchaus zutreffen. Für die meisten Älteren und Alten ist es aber ganz anders. Sie denken,

Page 12: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

empfinden und fühlen in vielen Dingen nicht wesentlich anders als sie in ihrer Jugend gedacht, empfunden und gefühlt haben. Ja, jetzt sind ihre Gedanken und Empfindungen oft tiefer und nachhaltiger als in der Mitte ihres Lebens, in der sie voll eingebunden waren in Pflichten der Arbeit, des Berufes, der Familie, als sie sich gestreßt und gehetzt fühlten und kaum zum Nachdenken oder gar zum Träumen kamen. Eine Aufgabe jagte die andere, sie waren voll eingebunden in die Tretmühle des Alltags. Erst im Alter kommen viele Menschen zur Besinnung, sie müssen erst Rentner geworden sein, um sich mit sich selbst, ihren Wünschen, Hoffnungen und Träumen beschäftigen zu können und – was das Wichtigste ist – deren Erfüllung in Angriff zu nehmen.Fragt man ältere Damen und Herren, die an Computerlehrgängen teilnehmen, nach Motiven ihres Tuns, so hört man nicht selten die Sentenzen: „Ich will mit den Enkeln mithalten können“ und „Um geistig fit zu bleiben“.Und dazu gehören zweifelsohne die Computerspiele, von denen auch für Senioren und Seniorinnen eine ganz bestimmte Faszination ausgeht. Damit beschäftigen sich die folgenden Beiträge.LiteraturBALTES, Paul B.: Die unvollendete Architektur der menschlichen Ontogenese: Implikationen für die Zukunft des vierten Lebensalters. Psychologische Rundschau, Göttingen 1997, 48, S. 191 ff.BAUER, Günther B. (Hrsg.): Homo ludens. Der spielende Mensch V. Emil Katzbichler, München/Salzburg 1995.FRITZ, Jürgen/FEHR, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch Medien: Computerspiele. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1997.HUIZINGA, Johan: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. rororo Hamburg 1956.LEHR, Ursula: Psychologie des Alterns. 8. Auflage Wiesbaden 1996.SARTORY, Gertrude und Thomas: Das ganze Leben.SCHAIE, K.W.: The optimization of cognitive functioning in old age: Predictions based on cohort-sequential and longitudinal data. New York 1990.

Herbert Grunau

Vom Medienkonsum zur Medienkompetenz – Senioren in der Informationsgesellschaft

“Unsere Gesellschaft sieht heute noch den älteren Menschen ... nahezu ausschließlich in der Rolle des Passiven, zu Betreuenden, Bedürftigen, des Nehmenden ... Dieses Altersbild ist im Ansatz falsch ... Wir haben Abschied zu nehmen von der Vorstellung der Altersdekadenz und Altersunbeweglichkeit; wir sollten uns vorbereiten auf die Ablösung der Jugendkultur durch die Alterskultur.” H. Sihler 1986

Dieser Aufruf aus der Führungsetage der Firma Henkel als einem großen deutschen Werbetreibenden ist natürlich vorrangig an die Werbewirtschaft gerichtet, beschreibt allerdings sehr pointiert auch das Dilemma einer ausschließlich auf den “Fetisch Jugendlichkeit” gerichteten Werbe- und Mediengesellschaft. Selbstverständlich wird und soll sich auch die Jugendkultur neben einer Alltagskultur, einer Hochkultur und einer attraktiven Altenkultur aus sich selbst heraus bzw. durch gezielte Förderung weiterentwickeln. Das medial verzerrte Abbild eines alles durchdringenden

Page 13: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

jugendlich-pseudodynamischen Menschenbildes aber steht einer modernen und sich als human und hochentwickelt verstehenden Industriegesellschaft an der Schwelle des neuen Jahrtausends nicht mehr an. Alle soziodemographischen Daten belegen eindeutig, dass die Industriestaaten einerseits mitten in der Ausprägung einer “Altengesellschaft” stehen, andererseits die Weltwirtschaft immer stärker zu einer wie auch immer definierten Informations- oder Wissensgesellschaft drängt und beide Gesellschaftsperspektiven sich bisher ohne positive Berührungspunkte geschweige denn harmonisiert entwickeln.Wenn niemand gegenzusteuern versucht, sind die Konflikte vorprogrammiert. Die Informations- und Kommunikationswirtschaft interessiert sich bis auf wenige Ausnahmen bei der Produktion ihrer Hard- und Softwareangebote nicht für die Belange der Älteren, da diese aufgrund mangelnder Nachfrage nicht zu den wirtschaftlich interessanten Zielgruppen gehören. Sie kennt deren diesbezügliche Bedürfnisse auch gar nicht. Die Weiterentwicklung der für den Menschheitsfortschritt bedeutungsvollen Computertechnik findet derzeit weitgehend unter Ausschluss der Bedürfnisse von Menschen über 50 statt!Auf der anderen Seite interessiert sich diese Altersgruppe auch nur sehr wenig für die Technologie, die ihr Alltagslebenin allen Bereichen in den nächsten Jahren prägen wird. Ältere Menschen sind aus verschiedenen, durchaus verstehbaren Gründen nicht an den Computer- und Internetanwendungen interessiert und vergeben so auch deren unbestreitbar positive Möglichkeiten, das Alltagsleben der Generation 50+ zu bereichern. Die wichtigsten Zugangsbarrieren liegen dabei nach Aussagen der Zielgruppe- in der Kostenfrage (der Computer ist zu teuer, die Telekommunikationsgebühren sind zu hoch), - in unspezifischen Netzangeboten (es gibt zu wenig sinnvolle Computer- und Netzanwendungen für Ältere),- in einer Technikscheu (das brauche ich nicht mehr, ich habe bisher auch gut ohne das moderne Zeug gelebt, die Technik ist zu kompliziert),- in einer Weiterbildungsangst (das begreife ich eh nicht mehr, ich fürchte, mich zu blamieren),- im organisatorischen Aufwand (der Weg zur Bildungsstätte ist zu weit, es ist zu teuer).

Das Projekt “Generationenübergreifendes Lernen für die Informationsgesellschaft” in Leipzig und Sachsen zeigt, dass es auch anders geht. Hier treten Schüler von Gymnasien als Lehrkräfte für Senioren in den Bereichen Computertechnik und Internet auf, die Veranstaltungen finden in den Computerkabinetten der Schulen statt und werden von den Schulen selbst zu einer vergleichbar geringen Gebühr organisiert. (Näheres unter: http://www.seniorenansnetz.de) Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland über 150 Beispiele, bei denen in verschiedensten Formen Computerkurse für Ältere angeboten werden. Die Resonanz ist unterschiedlich, insgesamt aber noch viel zu gering, um eine eigenständige Zielgruppe für die Entwicklung wirtschaftlich tragfähiger Software und Netzanwendungen speziell für Ältere darzustellen.

Neue Medien – alte MenschenWir verstehen vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus unter “Informationsgesellschaft” eine Gesellschaft, in der die Information zum vierten

Page 14: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

großen Wirtschaftsfaktor (neben Rohstoffen, Arbeit und Kapital) geworden ist. Dieser Prozess wird hauptsächlich durch die mit den Medien und der Unterhaltungsindustrie verschmelzende Informations- und Kommunikationstechnik vorangetrieben.Dieser o. g. Prozess bedeutet – einfach gesagt –, dass weltweit miteinander durch Datenleitungen vernetzte Computer und die darauf basierenden Anwendungen in Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und Alltagsleben eine führende Rolle einnehmen werden. Zu bekannten Begriffen wie Telekommunikation und Telemedien treten Telearbeit, Telekooperation, Televerwaltung, Telemedizin, Telebanking, Telelearning, Telespiele usw. Die Vorsilbe “Tele” beschreibt dabei, dass Datenströme zwischen vernetzten Computern als Grundlage der Prozesse dienen, die im der Vorsilbe folgenden Wort bezeichnet werden. Informations- und kommunikationstechnische Produkte und Dienstleistungen werden weltweit in hohem Tempo entwickelt und in allen Bereichen des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens verbreitet, wobei dieses rasante Wachstum aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Daraus folgen Veränderungen in der Arbeitswelt und die Entstehung neuer Berufsbilder. Man kann sich die neue Art der Arbeit so vorstellen, wie die Filmproduktion funktioniert: Es werden auf die Produktion eines bestimmten Produkts (hier: der Film) oder die Erfüllung eines klar definierten Auftrags ausgerichtete, zeitlich darauf begrenzte Arbeitsgruppen aus Spezialisten zusammengestellt, die sich nach Beendigung der Arbeit individuell wieder eine neue Tätigkeit suchen. Flexibilität, Teamfähigkeit, Bereitschaft und Fähigkeit zu ständigem Lernen sind einige der wichtigsten Anforderungen an diese Arbeitskräfte der Zukunft. Das zieht gemessen an den heutigen Arbeitsrechts-, Abgaben- und Versicherungssystemen in Deutschland grundlegende Veränderungen nach sich, die sicher eine längere Zeit der Umgestaltung und den teilweise schmerzlichen Abschied von lieb gewonnenen sozialen Sicherungsmechanismen erfordern werden. Die zunehmende Anzahl freier Berufe und freiberuflich Tätiger sind ein deutliches Anzeichen dafür.Die Veränderungen im Alltagsleben und in der Kultur stehen erst am Anfang.Es sind aber schon Trends von Technik und alltagskultureller Entwicklung absehbar: Das 20. Jahrhundert war und ist geprägt vom Siegeszug des Fernsehens und des Telefons als weltweit massenhaft verbreiteter technischer Medien, die vorwiegend der Information, Unterhaltung und Kommunikation dienen. Das unentbehrliche Auto steht in diesem Zusammenhang als Technik für Mobilität und Individualität.Computer und Handy werden im 21. Jhd. im Zentrum stehen, sie ermöglichen virtuelle Mobilität und Multifunktionalität, d. h. die Verbindung von Information, Unterhaltung und vielfältigeren Möglichkeiten zu intensiver Kommunikation.Die mit Computerterminal ausgestattete Wohnung wird noch mehr zum Zentrum für Arbeit und aktive Freizeitbetätigung und für die Verbindung zur Welt. Der lokal und individualisiert gegründete Mediennutzer gewinnt durch Einbindung in die globalen Netze eine gleichsam weltweite und kollektive Existenzform.Derzeit ist der vernetzte Computer trotz über 150 Mio. Internetnutzern weltweit noch zu gering verbreitet, um wirklich global und massenhaft das Alltagsleben prägen zu können, schon das nächste Jahrzehnt wird dies gründlich ändern.Tendenziell ist bei einer besseren Integration der technischen Grundlagen informationsgesellschaftlicher Entwicklungen eine neue Qualität der Altengesellschaft möglich:- Verbesserung des Alltagslebens durch Nutzung der Computertechnik und Neuen Medien,

Page 15: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

- Erschließung neuer Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung des älteren Menschen bspw. durch Selbstpräsentation und Kommunikation,- intensivere Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben usw. ...

Letztlich ist es Ziel der Bemühungen dieses vorliegenden Projekts, die Schere in der Entwicklung von Altengesellschaft und Informationsgesellschaft zu verringern.

50+ Generationen:“Die Alten” gibt es nichtAlt ist nicht gleich alt – Dieses Fazit ergibt sich aus verschiedenen Segmentierungs- und Typologiemodellen, die freilich zumeist unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Konsum- und Freizeitgewohnheiten sowie nach Kaufkraft aufgestellt werden. Die Seniortypologie des Schweizer Dichter-Instituts differenziert die Altersgruppe der 55 bis 75jährigen nach:- Explorer (die Junggebliebenen) mit 14 % Anteil,

- Bonviveuer (die Genießer) mit 46 %,- Selfpromoter (die Beflissenen) mit 11%,- Homeworker (die Schaffer) mit 29 %.

Die Bayerische Rundfunkwerbung unterteilt die für Werbung interessanten “jungen Alten”, die etwa zwei Drittel der Zielgruppe umfassen in die:- selbstbewusst kritischen,- aufgeschlossenen, interessierten und - die aktiven, flexiblen Alten.(vgl. KAYSER, 1996)Die “alten Alten” des restlichen Drittels werden als abgeklärt, zufrieden und wenig durch Werbung beeinflussbar eingeschätzt.Eine in den USA sehr verbreitete Studie der Grey Advertising definiert unter eindeutig nach Kaufkraft orientierten Gesichtspunkten folgende drei Typen, die je etwa ein Drittel der über 50jährigen ausmachen:- Die eher konservativen Simplifers mit 21% der Kaufkraft (70+ Jahre),- die still genießenden Maintainer mit ungefähr 33 % (60–69) und - die erlebnisorientierten Master Consumers (50–59 Jahre) mit 45 % des Geldvolumens.

Mehr Informationen wünscht sich die letztere Gruppe besonders über - Reisen, Touristik 45 %- Banken 38 %- Computer 37 %- Mobilfunk 34 %- Gesundheit 30 %- Radio, Kameras 30 %(vgl. MICHAEL, 1998)Die hier ausgewählt benannten Bereiche sind wiederum per Online-Werbung bzw. durch Internetangebote besonders gut zu vermitteln. Hier treffen sich also die Bedürfnisse und Interessen der Älteren sehr gut mit den technischen Möglichkeiten der neuen Medien bzw. des Internets.Alle Modelle gehen davon aus, dass die in Deutschland gängige pauschalisierte Bewertung und Geringschätzung der Älteren nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch ökonomisch unsinnig sind.

Page 16: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

In den derzeitigen Mediengewohnheiten der 50+ Generation sind aber die Schwierigkeiten begründet, mit neuen Medienangeboten und technischen Innovationen an diese Zielgruppe heranzukommen. Sie bieten allerdings medienpädagogisch interessante Ansatzpunkte.

Fernsehen und Tageszeitung als die derzeit dominierenden Medien im SeniorenhaushaltIm durchschnittlichen deutschen Seniorenhaushalt werden täglich 3 bis 5 Stunden Fernsehen hauptsächlich für Information und Unterhaltung sowie als Kommunikationsersatz genutzt. Die Tageszeitung ist im Wesentlichen für die lokale Information zuständig und wird im Unterschied zum Fernsehen mit einer hohen Glaubwürdigkeit belegt.Fernsehen hingegen wird besonders geschätzt wegen seiner Funktionsvielfalt. Seine soziale Orientierungsfunktion gewinnt mit zunehmendem Alter an Bedeutung, ebenso steigt die Sehdauer. Im Osten Deutschlands sehen die über 50jährigen im Durchschnitt pro Tag eine halbe Stunde länger fern als im Westen. Am längsten schalten ältere Frauen den Fernsehapparat ein (über 5 ½Stunden).Die ARD ist der am meisten gesehene Sender vor dem ZDF und den Dritten Programmen. Eine Ausnahme stellen die Frauen im Osten dar, hier führen RTL und SAT.1 die Beliebtheitsskala an. Die Privatsender werden entgegen ihres Eigenimages als Jugendsender generell von Älteren sehr geschätzt, tagsüber besonders das Genre Talk/Interview und die Vorabendserien. Abends führen Spielfilme der ARD die Hitliste an. Beliebteste Genres insgesamt sind Sport- und Showsendungen.Eine Aufteilung der Zuschauer nach der Sehdauer ergibt Wenig-, Viel- und durchschnittliche Seher. Vielseher dominieren, Wenigseher als kleinste Gruppe sind überwiegend Personen mit höherem Bildungsabschluss und größerem Haushaltseinkommen. (vgl. GRAJZYK u. a.)Die in 98 % aller Haushalte vorkommenden Fernsehgeräte sind insgesamt also vorwiegend für Unterhaltung und Information zuständig. In diese Domäne könnten die neuen multimediafähigen Personalcomputer mit Internetzugang, deren Möglichkeit zur Vernetzung mit anderen elektronischen Geräten und dem weiteren unbestreitbaren Vorteil der Unterstützung von Eigenaktivitäten gut eindringen.

Medienpädagogik für Oma und Opa? – Unterhaltung und Spiel mit neuen Medien als Chance für Aktivität und spätes LernenDas derzeit in der Freizeit von Senioren (zeitlich nicht so extensiv auch in der von Kindern und Erwachsenen) dominierende Fernsehen ist als rezeptives Massenmedium für den Zuschauer im Wesentlichen ohne Mitwirkungsmöglichkeit. Zwar ist die pauschale Abwertung “passives Glotzen” wissenschaftlich längst widerlegt, denn die Rezeption von Filmen stellt ein hochkomplexes Gefüge geistiger Leistungen dar (Wahrnehmen, Erkennen, Einordnen, Assoziieren, Verarbeiten, Bewerten von Bildern und Bildfolgen). Allerdings sind gestaltende, produzierende und eigenschöpferische Aktivitäten im eigentlichen Fernsehkonsum nur höchst selten auffindbar.Anders beim Computer, der von vornherein auf aktive Selbstbetätigung angewiesen ist und mit steigendem Grad seiner Beherrschung durch den Nutzer zunehmende Möglichkeiten zur Selbstpräsentation, Kommunikation, virtueller Mobilität, Gestaltung und Konstruktivität bietet. Natürlich sind hierfür Voraussetzungen zu erfüllen: Seitens der Nutzer ist eine nicht geringe Leistung zum Erlernen der Bedienung zu erbringen und seitens der

Page 17: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Produzenten und Softwareprogrammierer ist das Ziel einer einfachen Bedienbarkeit der Computer und der Programme noch lange nicht erreicht. Die in Deutschland eine stärkere Nutzung des Internets behindernden hohen Leitungsgebühren könnten dank Liberalisierung des Telekommarktes langsam aber stetig dem niedrigeren internationalen Gebührenniveau angeglichen werden.Computerspiele und Internet sollten im Zentrum einer handlungsorientierten Medienerziehung stehen, die wiederum als Ziel letztlich die Entwicklung und Vermittlung einer neuen Kulturtechnik der Informationsgesellschaft neben Lesen und Schreiben postuliert.

Ziel: Entwicklung medienkompetenter Senioren und seniorenspezifischer AnwendungenAnsatz, Zielstellung, Verlauf und Ergebnisse des Leipziger Projekts “Computerspiele für Senioren” zeigen exemplarisch Möglichkeiten und Grenzen der sinnvollen Beschäftigung von Senioren mit diesem neuen Freizeitangebot auf. Wenn auch bisher bedingt durch die geringe Anzahl der getesteten Spiele und die sehr kurze Projektdauer nur grob konturierte Tendenzen benannt werden können, so ist doch eine sehr produktive Wechselbeziehung erkennbar: Lehnten zu Beginn die Senioren fast vollständig diese für Jugendlichen programmierten Softwareangebote ab, so entwickelten sie im Laufe des Projektes nicht nur eine beachtliche Kompetenz in dieser für sie neuen Erlebniswelt, sondern sie nutzten diese Beschäftigung auch, um im Laufe der Zeit verschüttet gegangene Spielfreude wieder zu entdecken und als beglückend zu empfinden. Neue Angebote und neue Kompetenz zur Bereicherung des Alltagslebens und zur Aktivierung verloren geglaubter Persönlichkeitseigenschaften, etwas Besseres kann weder mit alten noch mit Neuen Medien erreicht werden! Selbstverständlich sehen die SeniorInnen die Spielangebote nach wie vor kritisch, aber differenzierter und vom Standpunkt der positiven Aufgeschlossenheit. Sie formulieren klare Erwartungen an die Produzenten dieser Software und sie sehen die großen Chancen dieser Computerspiele und der Edutainmentsoftware, die bei höherer Verbreitung und bei spezifischeren Angeboten für eine wesentliche Bereicherung des Alltagslebens der 50+ Generation beitragen können.

LiteraturGrajzyk, A./Klingler, W./Zöllner, O.: Fernsehverhalten älterer Menschen, in: MediaPerspektiven 4/98, S. 190ff.Kayser, S.: Ältere Menschen als Zielgruppe der Werbung, in: medien+erziehung, Heft 5/1996, S. 271ff.Michael, B. M.: Master Consumer – die versteckte Kaufkraft, in: Bertelsmann Briefe, Heft 140, S. 10 ff.

Michael Röhr

Psychologische Untersuchungen zum mediengestützten Spieleverhalten im Erwachsenenalter

Unser Augenmerk sollte sich auch auf Möglichkeiten der Optimierung von Altersprozessen richten, die zur Erweiterung oder doch zumindest zum Erhalt von Handlungsspielräumen und -optionen alter Menschen beitragen können.Prof. Dr. S.-H. Filipp

Page 18: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Innerhalb der psychologischen Wissenschaft beschäftigt sich die Entwicklungspsychologie auch mit dem mittleren und höheren Erwachsenenalter. Allgemein befaßt sich die Entwicklungspsychologie mit Gesetzmäßigkeiten der Orientierung und Regulation des menschlichen Tätigseins. Für unser Anliegen kommt der ontogenetischen (entwicklungsgeschichtlichen) Sichtweise besondere Bedeutung zu. Bei dieser Betrachtungsweise stehen die psychisch bedingten Veränderungen des Menschen im Lauf seiner Entwicklung im Vordergrund.

EntwicklungsmodelleFür das (mittlere und) höhere Erwachsenenalter stehen zwei Entwicklungsmodelle in der Diskussion.Das sog. Defizitmodell sieht das Altern ausschließlich als eine Phase des Verlusts und des Abbaus. Lehr 1989, S. 2 kennzeichnet zwei Formen dieses Modells (siehe Tabelle).

Defizitmodelle

DefektmodellAnnahme 1:schicksalhaft bestimmter Ablauf der Alternsprozesse im körperlichen Bereich (z. B. nachlassende Körperkraft, Organschwäche), im psychischen Bereich (z. B. verringerte Intelligenz, nachlassende Flexibilität) und im sozialen Bereich (verringerte Sozialkontakte, zunehmende Vereinsamung)Annahme 2:Defekte lassen sich bestenfalls (in Grenzen) reparieren oder kompensieren

DisusemodellAnnahme 1:durch mangelnden Gebrauch ausgelöste nachlassende Funktionsfähigkeit im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich

Annahme 2:Aktivität im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich erhält die Leistungsfähigkeit bzw. verzögert deren Abbau

Das sog. Kompetenzmodell definiert sich nach Olbrich 1987, S. 320, über die in einer gegebenen Lebenssituation mit ihren person- und umgebungsspezifischen Komponenten ablaufenden Prozesse des Verhaltens und Erlebens. Kompetenz umfaßt dabei Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Aufrechterhaltung eines selbständigen, aufgabenbezogenen und sinnerfüllten Lebens notwendig sind. Die Kompetenz eines Menschen meint nach Nieder- franke 1989, S. 207, also seine Möglichkeiten, Aufgaben zu meistern, effektiv zu sein, etwas bewirken zu können und Funktionen, die der Alltag von ihm fordert, selbständig auszuüben. Die Kompetenz bildet sich immer auf mehreren Dimensionen (physiologisch-körperlich, z. B. Gesundheitszustand, Motorik; seelisch-geistig, z. B. Intelligenz, Lernfähigkeit; sozial-zwischenmenschlich, z. B. Verhalten), und dort in unterschiedlichem Ausmaß, aus. Es gibt also nicht die Kompetenz an sich, sondern immer nur Formen (mehr oder weniger) kompetenten Verhaltens, die ein Mensch in Abhängigkeit von der Umgebung, in der er lebt, und von den spezifischen Anforderungen der Zeit, in die dieser Mensch geboren ist, umsetzt.Kompetenz im höheren Erwachsenenalter ordnet sich natürlich dem allgemeinen Kompetenzkonzept unter. Kompetenz im Alter umfaßt danach die Möglichkeiten des

Page 19: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

alternden Menschen, die es ihm erlauben, so in Interaktion(en) mit seiner Umgebung zu treten, daß er sich selbst erhalten, sich wohlfühlen und sich entwickeln kann. Das Kompetenzmodell sieht das Altern somit als eine Phase weitgehend selbständiger Lebensführung.Das Defizitmodell findet eine gewisse Bestätigung, vor allem aus biologischer Sicht. Es ist aber aufgrund des heutigen Kenntnisstandes kritisch zu betrachten (vgl. Lehr 1991), denn alte Menschen verfügen häufig noch über beachtliche Entwicklungspotentiale. Für Teilbereiche besitzt auch das Disusemodell Gültigkeit, und zwar dann, wenn durch Training ein Niveau erhalten werden soll, das als Norm oder als erstrebenswerter Standard angesehen wird. Das Kompetenzmodell seinerseits eröffnet zahlreiche Ansätze, die durch die zunehmende Langlebigkeit „biologisch gewonnenen” Lebensjahre tatsächlich zu einem Gewinn für den einzelnen Menschen im höheren Erwachsenenalter zu machen.

Älterer Mensch und TechnikUnter Technik werden im weiteren Geräte im konkreten Alltagsgebrauch verstanden, zu denen ein persönlicher Bezug besteht (im Gegensatz zu Technik als gesamtgesellschaftliche Entwicklung, z. B. Weltraumtechnik).Der technische Fortschritt sorgt dafür, daß permanent neue Technik in die tägliche Lebenswelt der Menschen eindringt. In der Denkweise des Kompetenzmodells bedeutet dies, daß (veränderte oder) neue umgebungsspezifische Anforderungen in einer konkreten Lebenssituation auftreten (Elemente der Situation). Kompetenz in der Technikauseinandersetzung ist dann gegeben, wenn die Eigenschaften des Menschen (seine Potentiale) in dieser Situation so ausgeprägt sind, daß die Interaktion zwischen Situation und Potential(en) erfolgreich verläuft.In einer Studie hat Rott 1989, S. 230, die Einstellung älterer Menschen zur Technik untersucht. Dabei zeigte sich, daß sie keineswegs technikfeindlich eingestellt sind. Ältere Menschen haben durchaus eine differenzierte Einstellung zur Technik (zum technischen Fortschritt, zur technischen Innovation). Sie sehen in den Entwicklungen der Technik klare Chancenfür den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes. Auf der anderen Seite erkennen sie auch mögliche Gefahren und befürchten nachteilige Wirkungen. Ältere Menschen wünschen sich, insbesondere am Anfang des Prozesses der Auseinandersetzung mit technischen Innovationen, ausreichend Informationen und personale Hilfestellungen zu erhalten. Schulbildung und bisherige Erfahrungen sind für die Technikauseinandersetzung von entscheidender Bedeutung. So bahnen einmal gemachte positive Erfahrungen mit technischen Neuerungen den Weg für den Gebrauch weiterer Geräte.Zum gleichen Ergebnis kommt eine Untersuchung von Minnemann 1989,S. 271. Die dort gefundene technikfreundliche Haltung der älteren Personen wurde durch die Erfahrung geprägt, daß die ersten selbst erlebten technischen Innovationen (z. B. Radio, Waschmaschine, Telefon) durchgehend positive Eindrücke hinterließen. Die im Lauf der Biographie mit Technik gemachten Erfahrungen sind für die Auseinandersetzung mit Technik im höheren Lebensalter von großer Bedeutung. Die befragten Personenwaren im übrigen mehr- heitlich der Meinung, daß Älteren der Umgang mit Technik schwerer fällt als Jüngeren (was aber auf sie persönlich nicht zuträfe).

Älterer Mensch und ComputerDem Computer wird von älteren Menschen keine besondere Rolle innerhalb des technischen Fortschritts zugeordnet. Vielmehr wird er als gegenwärtig aktuelles

Page 20: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Gerät der Technikentwicklung gesehen (so wie der Fernsehapparat in den 60er Jahren). Letztlich ist und bleibt der Computer ein technisches Hilfsmittel zur Lösung bestimmter Aufgaben oder zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse. Bei der Frage nach dem sinnvollen Einsatz von Computern durch/für ältere Menschen darf man sich aber nicht an denselben Nützlichkeitserwägungen orientieren, die für (jüngere und mittlere) Erwachsene gelten. Für Ältere sind Computer überaus geeignete Instrumente, um- die gesellschaftliche Integration zu verstärken, - die internale Kontrolle zu erhöhen, - ein lebenslanges Lernen zu ermöglichen (Rott 1989, S. 242).

Positive Eigenschaften für den älteren Nutzer werden dem Computer auf folgenden Gebieten zugeschrieben:Angebot reichhaltiger Abwechslung (u.a. durch Computerspiele), Erhöhung von Lebensstandard und -qualität, Vermittlung von mehr Freiheit und Vergrößerung des (virtuellen) Aktionsraums, Hilfe bei der Erhaltung von Unabhängigkeit, Erhöhung der Selbstwirksamkeit und des Selbstwertgefühls.Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit jüngerer und älterer Erwachsener wird auf eine US-amerikanische Studie verwiesen, die der Frage nachging, ob Unterschiede im Umgang mit einer Textverarbeitungssoftware zwischen beiden Gruppen bestehen. Dazu wurden die Untersuchungspersonen mit dem Programm vertraut gemacht und danach deren Leistung getestet. Im Ergebnis zeigte sich, daß beide Gruppen die erforderlichen Tätigkeiten genauso richtig und ebenso effektiv ausführten. Die Älteren benötigten lediglich mehr Hilfestellungen und mehr Übungszeit, um angemessene Vorgehensweisen auszubilden.Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit dem Computer stellt die sprachliche Lebenswelt des älteren Menschen dar. Er trifft nämlich dabei auf eine völlig neue, ihm oft unbekannte Terminologie. Dieser Fachwortschatz besteht aus Abkürzungen (z.B. HD, CD-ROM, DVD) und englischsprachigen Termini (z.B. Soundblaster, Power On, Provider). Daraus erwachsen insofern besondere Anforderungen, weil viele Menschen der älteren Generation diesen Wortschatz zusätzlich neu erwerben müssen, um die Sprachbarriere zu überwinden.

Älterer Mensch und ComputerspieleDieser Problematik sind die Beiträge von Lohse und von Grunau gewidmet, so daß hier auf weitere Erklärungen verzichtet werden kann.

UntersuchungsansätzeDer Gegenstand bietet zahlreiche Ansatzpunkte für sozialwissenschaftliche (insbesondere für psychologische) Begleitforschungen. Diskutiert werden zwei Projekte, die sich als Erkundungsstudien verstehen. Den Projekten Kommunikations-Technik In Sächsischen SeniorINNenhaushalten (K-TISS) und EffektivitätsUntersuchung Computerspiele im Alter (EUCA) ist gemeinsam, das sie sich grundlegenden Fragen aus dem Bereich der Computerspiele für Ältere zuwenden.

Projekt 1:Regionale Basisstudie Kommunikations-Technik in sächsischenSeniorINNenhaushaltenEs liegt bislang keine soziologische Studie vor, die Daten über die gegenwärtige Situation in sächsischen SeniorINNenhaushalten aus dem Blickwinkel der

Page 21: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Kommunikations- und Informationstechnik (verfügbare Gerätetechnik, Nutzungsfelder und -umfang, Einstellungen, Erwartungen) ausweist.Das Anliegen des Projekts K-TISS besteht in der Bereitstellung einer Datenbasis zur sozioökonomischen und technischen Situation in sächsischen SeniorINNenhaushalten:- Technikausstattung und verfügbare Medien;- Umfang der Technik- und Mediennutzung;- Einstellung zur Technik;- Freizeitverhalten, insbesondere aktive Freizeitgestaltung;- Mobilität und Aktionsraum von SeniorINNen;- Aspekte der sozioökonomischen Situation.

Dadurch wird es möglich,- Wechselbeziehungen zwischen sozioökonomischen Merkmalen und Merkmalen der Nutzung von Computertechnik in SeniorINNenhaushalten zu untersuchen;- aufgrund sozioökonomischer Merkmale (z.B. soziale Teilhabe, Kaufkraft, Bildung) Gruppen von SeniorINNenhaushalten zu finden (Typologisierung) und zu prüfen, wie sich diese hinsichtlich Computer- und Kommunikationstechnik verhalten (Differenzierung).

Es soll eine Stichprobe von 240 SeniorINNenhaushalten in Sachsen im Altersbereich von 50 bis 75 Jahren befragt werden. Dabei werden je 60 SeniorINNen aus Groß- (Chemnitz, Dresden, Leipzig), aus Mittel- bzw. aus Kleinstädten und aus Dörfern/Siedlungen gewählt. Die Wahl der Mittel- bzw. Kleinstädte und der Dörfer erfolgt zufällig. Die Befragungsteilnehmer selbst werden nach Zufall aus den Unterlagen der jeweiligen Meldeämter ausgewählt.

Projekt 2:Studie EffektivitätsuntersuchungComputerspiele im AlterDie Hauptfragestellung des Projekts EUCA ist, ob und inwieweit die Beschäftigung von SeniorINNen mit Computerspielen eine fördernde Wirkung auf deren geistige Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit hat.In einem Zweistichprobenplan nutzt eine der Stichproben (die sog. Versuchsgruppe) regelmäßig Computerspiele, während sich die andere Stichprobe (die sog. Kontrollgruppe) auf unspezifische geistige Aktivitäten (z.B. Lesen, Rätsellösen) beschränkt. Die Stichprobenplanung zielt auf jeweils 100 SeniorINNen in Sachsen im Altersbereich von 50 bis 75 Jahren für die Versuchs- und die Kontrollgruppe.Die abhängigen Variablen, für die eine mögliche förderliche Wirkung durch Computerspiele zu erwarten sind, gehören zu den Bereichen fluide Intelligenz, kristallisierte Intelligenz, Aufmerksamkeit/Konzentration, Kurzzeitgedächtnis, Merkfähigkeit und Subjektive Alterung.Ein Test im Abstand von einem halben (oder ganzen) Jahr bietet die Möglichkeit, die Stabilität erreichter Veränderungen in der Versuchsgruppe abzuschätzen.Diese Studie kann als Modelluntersuchung für die psychologischen bzw. pädagogischen Fragestellungen verstanden werden, die von Grunau und Bewilogua in der Auswertung der Testergebnisse gefordert werden. Anstelle der in EUCA betrachteten Zielmerkmale geistige Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit kann dann die Wirkung von Computerspielen auf das Selbstbewußtsein, die

Page 22: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Freizeitaktivitäten, die motorischen Fertigkeiten oder das Erfassen von Zusammenhängen evaluiert werden.

LiteraturFilipp, S.-H.: Intervention in der Gerontopsychologie. In: Oerter, R., Montada, L. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. Psychologie Verlags Union, München 1987, S. 934-970Lehr, U.: Kompetenz im Alter - Beiträge aus der gerontologischen Forschung und Praxis. In: Rott, C., Oswald, F. (Hrsg.): Kompetenz im Alter. Liechtenstein Verlag AG., Vaduz 1989, S. 1-14.Lehr, U.: Psychologie des Alterns. Quelle und Meyer, Heidelberg 1991.Minnemann, E.: Die Bedeutung von Technik für das Kompetenzerleben älterer Menschen. In: Rott, C., Oswald, F. (Hrsg.): Kompetenz im Alter. Liechtenstein Verlag AG., Vaduz 1989, S. 271-285.Niederfranke, A.: Kompetenzerhaltung im Ruhestand. In: Rott, C., Oswald, F. (Hrsg.): Kompetenz im Alter. Liechtenstein Verlag AG., Vaduz 1989, S. 207-229.Olbrich, E.: Kompetenz im Alter. Zeitschrift für Gerontologie, 20/1987, S. 319-330.Rott, C.: Einstellung älterer Menschen zur Technik. In: Rott, C., Oswald, F. (Hrsg.): Kompetenz im Alter. Liechtenstein Verlag AG., Vaduz 1989, S. 230-244.Dank an alle Mitwirkenden, den Finanzier, die Sponsoren, Förderer und FreundeAuftraggeber:Verein Senioren in der Wissensgesellschaft e. V., c/o Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Linder Höhe, 51147 Köln

Träger:Verband Sächsischer Bildungsinstitute, Projekt Senioren @ns Netz, Saarländerstr. 21, 04179 LeipzigTelefon: (0341) 490 59-10, Telefax -20E-mail: [email protected]

Projektleiter und wissenschaftliche BegleiterDr. sc. phil. Herbert Grunau (47)Dr. phil. Jürgen Bewilogua (38)

Mitwirkende:Senioren Internet Club Leipzig Das Team der ständigen Tester:Name AlterRenate Bruntzsch 59Ingrid Schladitz 60Ursula Minsel 64Thea Günther 71Karin Stehr 57Margot Schramm 70Adelheid Lüdtke 58Günther Schramm 70Manfred Seyfarth 59Wolfgang Stehr 57

Technische Unterstützung:

Page 23: medienstadt-leipzig.org€¦  · Web viewZur Auswertung der Testergebnisse und der Bewertungshinweise. Zu Beginn der Auswertung ist eine Einordnung vonnöten, die bereits mit dem

Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, RechenzentrumMarschnerstr. 16, 04109 LeipzigDr. Wilfried Röder (48), Leiter des RechenzentrumsLars Ihme (20), studentische Hilfskraft

Autoren:Prof. em. Dr. nat. Heinz Lohse (70)Dr. Michael Röhr (53)Dr. Jürgen Salomon (54)Dr. Jürgen Bewilogua Dr. Herbert Grunau Sponsoren:Medienstadt Leipzig e. V., Netcom Institut, Salomonstr. 21, 04103 LeipzigLintec Computer AG,Otto-Schmidt-Str. 22, 04425 TauchaSysdrai Computerservice Leipzig, Rosenowstr. 24, 04357 LeipzigInformatik Service Leipzig (ISL),Salomonstr. 21, 04103 Leipzig