Nicht der Patient, sondern die Was ist Demenz? Pflege muss ... · KBS-Geldern von rund 19 000 Euro...

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5 Hier und heute Grenz-Echo Dienstag, 29. März 2011 Der Begriff Demenz steht für eine umfassende Gruppe un- gleichartiger Erkrankungen, bei denen das Gedächtnis und die Denkfähigkeit ab- nehmen. Bei einer Demenz sind mehrere geistige und intellektuelle Bereiche be- troffen, wie die Orientie- rung oder die Lern- und Ur- teilsfähigkeit, wodurch die betroffenen Menschen in ih- ren alltäglichen Aktivitäten erheblich beeinträchtigt werden: Sowohl ihr Sozial- verhalten als auch ihre Moti- vation und ihre Persönlich- keit verändern sich. Die Ur- sachen für eine Demenz sind sehr vielfältig. Je nachdem, wie ausgeprägt die Demenz ist, werden generell leichte, mittelgradig schwere und schwere Formen unterschie- den. Die meisten Demenz- formen sind nicht heilbar, können aber im Frühstadi- um positiv beeinflusst wer- den. Es gibt auch sehr selte- ne Fälle von Demenzen, die sich zurückbilden. Die häu- figste Form von Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Ei- ne Ganzheitstherapie aus Medikamenten, die den Ver- lauf der Demenz verzögern, sowie aus Gedächtnistrai- ning, Verhaltens-und Sozio- therapie erhält die Lebens- qualität sowohl der Betroffe- nen als auch der Menschen, die sie betreuen. Das Risiko einer Demenz steige mit zu- nehmendem Alter, erklärte der St.Vither Neurologe Dr. Peter Heinen. »Die Demenz- krankheit gibt es eigentlich nicht, sondern eigentlich nur Krankheiten, die die De- menz bedingen.« Mit der Ar- beit des Memory-Teams soll eine korrekte Differenzie- rung vorgenommen werden. Auch wenn die Arbeit ei- gentlich vor der Tätigkeit von »DeKo« beginne, wolle man Hand in Hand mit Pfle- gekräften arbeiten. Dr. Jean Ingels, Geriater am St. Niko- laus Hospital Eupen, meinte, die Demenz sei ein Syndrom der Geriatrie (Altersheilkun- de). »Man hat Angst, weil diese Krankheit rationell nicht zu packen ist.« De- menz ist tatsächlich vor al- lem ein Altersproblem. Vor Erreichen des 60. Lebensjah- res ist das Risiko gering. Mit 65 steigt es laut Neurologen auf drei bis fünf Prozent, und anschließend verdop- pelt es sich alle fünf Jahre bis zum 90. Lebensjahr. Vor gut hundert Jahren beschrieb der Psychiater Alois Alzheimer (1864- 1915) zum ersten Mal die später nach ihm benannte Krankheit, die die häufigste Form von Demenz ist. Ein Mann brachte damals seine verwirrte und orientierungs- lose Frau in die »Städtische Anstalt für Irre und Epilepti- sche« in Frankfurt. Der Fall faszinierte den Arzt. Nach dem Tod der Patientin Au- guste Deter untersuchte Alo- is Alzheimer 1906 ihr Ge- hirn. Er fand Eiweißablage- rungen in der gesamten Hirnrinde und abgestorbene Nervenzellen. Was ist Demenz? HINTERGRUND In der Regel sind die Kliniken auf Grund fester Strukturen nicht auf die Bedürfnisse de- menter Menschen und die da- mit verbundene zeitaufwändi- ge Betreuung ausgerichtet. In der Deutschsprachigen Ge- meinschaft arbeiten die beiden Krankenhäuser in Eupen und St.Vith seit längerem an einem gemeinsamen Projekt, um Ver- besserungen in diesem Bereich zu erzielen: Es nennt sich »Konzept für Personen mit De- menz im Krankenhaus« (De- menz-Konzept, kurz »DeKo«). KPVDB koordiniert Verwaltungsdirektoren, Fachärzte, Pflegeverantwortli- che der beiden Kliniken und Pflegepersonen sind in dieses Vorhaben eingebunden, das von der deutschsprachigen Krankenpflegevereinigung in Belgien (KPVDB) koordiniert wird. Die Initiative dazu sei im Jahr 2008 von der Pflege aus- gegangen. In Altenheimen ha- be man bereits ein ganzes Re- pertoire an Maßnahmen und einen Blickwechsel im Um- gang mit Demenzkranken ent- wickelt. »Dies könnte auch für ein Krankenhaus hilfreich sein. Mit diesem ’Blickwechsel’ ist die Erkenntnis verbunden, dass das Krankenhaus - Perso- nal und Organisation - sich dem Menschen mit Demenz anpassen muss, denn dieser kann sich nicht der Klinik an- passen. Durch das Demenz- Konzept soll verhindert wer- den, dass der Aufenthalt in ei- nem Krankenhaus zum Alp- traum für beide Seiten wird«, erklärte KPVDB-Leiterin Anne- mie Ernst im Rahmen einer Pressekonferenz in Eupen in der letzten Woche. Ruhe und Verständnis Der »Blickwechsel« sorge für Ruhe und Verständnis und hel- fe sowohl dem verunsicherten Patienten als auch dem Pflege- personal. »DeKo« wird von der König-Baudouin-Stiftung (KBS) unterstützt, und dank KBS-Geldern von rund 19 000 Euro können Kosten für exter- ne Referenten und Fachbera- ter, aber auch für ein Hand- buch, für einen Infobogen so- wie für weitere Dokumente ge- tragen werden. Unterstützung gibt es auch durch die DG. Eine besondere Herausfor- derung ist mit dem neuen Kon- zept für die Pflegedienste in Eupen und St.Vith verbunden. Im St. Nikolaus Hospital Eu- pen sei für 2012 die Eröffnung einer geriatrischen Tagesklinik (Geriatrie=Altersheilkunde) geplant, in der alte Menschen zur Diagnosestellung oder zur Revalidation kommen können, erklärte Pflegedienstleiterin Marie-Anne Wolfs. Die Eupener Klinik verfüge über eine Geriatrie-Abteilung mit 24 Betten, und 2008 sei ein interdisziplinäres Geriat- rie-Team geschaffen worden. Um den Umgang mit Demenz- kranken zu verbessern, habe die Arbeitsgruppe »DeKo« (sie- he Artikel unten) für die Sensi- bilisierung und Schulung der Pflegekräfte gesorgt. So könne die Arbeit mit dementen Pati- enten eine Bereicherung und keine Belastung werden. »Wir stehen ganz am Anfang, aber ein erster Schritt ist gemacht.« Ähnlich äußerte sich auch Marion Wengenroth, Pflege- dienstleiterin in der St.Vither Klinik St. Josef. Sensibilisiert und geschult hätten die Betei- ligten nun die Möglichkeit, die Kenntnisse in den Alltag ein- fließen zu lassen. Außerdem würden zurzeit verschiedene Ankäufe geprüft (Hosen mit Hüftprotektoren bei erhöhter Stutzgefahr, elektronische Weglaufsperren, Niedrigstell- betten, ...). Um Patientenstür- ze zu vermeiden, helfe die Bro- schüre »Tipps und Hilfen, um Stürze zu vermeiden«. Dank- bar ist man auch für den Bei- stand der Krankenhaus- und Augustinervereinigung (KAV). Hilfreich sei auch die Zusam- menarbeit mit dem Memory- Team des Neurologen Dr. Peter Heinen. In Eupen ist auch der Geriater Dr. Jean Ingels in die Arbeit von »DeKo« integriert worden. Lob für Tatendrang Ingrid Mertes, Verwaltungs- direktorin der Klinik St.Vith, begrüßte den Tatendrang der Beteiligten und unterstrich auch die Anforderungen an die Infrastruktur, um das neue Konzept durchzusetzen. »Es ist klar, dass nicht nur das Perso- nal, sondern auch das Haus hinter diesem Umdenken ste- hen muss, um eine maßge- schneiderte Begleitung zu er- reichen.« Bei einer Demenz ster- ben unaufhaltsam Hirn- zellen. Erinnerungen werden ausgelöscht, die Persönlichkeit wandelt sich. Die Kranken verlie- ren mehr und mehr ihre Orientierung. Wie aber müssen sich die Betrof- fenen erst fühlen, wenn sie aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen und ins Krankenhaus eingeliefert werden? »Blickwechsel«: Neues Demenz-Konzept in den beiden Krankenhäusern Ostbelgiens Nicht der Patient, sondern die Pflege muss sich umstellen Von Christian Schmitz Sie stellten das Konzept in der letzten Woche vor. Vordere Reihe von links: Annemie Ernst (Leiterin der KPVDB), Marie-Anne Wolfs (Pflegedienstleitung St. Nikolaus Hospital Eupen), Marion Wengenroth (Pflege- dienstleitung St.Vither Klinik St. Josef), Ingrid Buchmann (Koordinatorin für geriatrische Patienten Eupe- ner Klinik) und Elke Christen (Krankenpflegerin St.Vither Klinik). Hintere Reihe von links: Neurologe Dr. Peter Heinen, Geriater Dr. Jean Ingels und Ingrid Mertes (Verwaltungsdirektorin der Klinik St.Vith). Für das »Konzept für Perso- nen mit Demenz im Kran- kenhaus« (Demenz-Kon- zept, kurz »DeKo«) wurde eine Arbeitsgruppe einge- setzt, die fünf Schwerpunkte verfolgt: Aufnahme des Patienten und Entlassungsmanage- ment: Optimale Vorberei- tung der Aufnahme des De- menzpatienten durch besse- re Information unter Einbe- ziehung der Krankenge- schichte des Betroffenen. Dazu wurde der »Überlei- tungsbogen«, der von den Krankenpflegekräften mit aktuellen Infos erstellt wird, mit Aspekten, die für die Pflege von Personen mit ei- ner Demenz relevant sind, erweitert. Außerdem wurde in Zusammenarbeit mit den »Austauschgruppen De- menz« in der DG ein »Ange- hörigen-Informationsbogen« erstellt. Dieser soll die Auf- gabe der Angehörigen er- leichtern und der Familie Hilfe bieten. »Die Zusam- menarbeit mit der Familie stellen wir uns sehr prak- tisch vor. So soll die Familie Gegenstände wie ein Kissen, eine Decke oder Bilder, die für die Kranken von Bedeutung sind, mit ins Krankenhaus bringen. Die Betroffenen sol- len sich so gut wie möglich zu Hause fühlen«, sagte Ingrid Buchmann, Koordinatorin für geriatrische Patienten im St. Nikolaus-Hospital in Eupen. Pflege: Der »Blickwechsel« muss von den Professionellen ausgehen. Dazu gehört die Sensibilisierung und Schulung des gesamten Krankenhaus- personals (einschließlich Raumpflege- und Logistikper- sonal). Die Themen sind die Milieugestaltung, Kommunika- tion und Pflege, Verbesserung der Lebensqualität, Deeskalati- onsstrategien sowie Vermei- dung von freiheitsbeschrän- kenden Maßnahmen. Zum Thema freiheitsentziehende Maßnahmen wurden Leitli- nien für beide Krankenhäuser ausgearbeitet. Außerdem wur- de ein Handbuch erstellt, das als Nachschlagewerk für das gesamte Personal gedacht ist. Es erläutert die wichtigsten Problemsituationen im Um- gang mit einem Demenzkran- ken (Schreien, Rufen, Weglau- fen, Aggressionen). Mit dem Handbuch erhält das Pflege- team Wissen, Ideen und prak- tische Tipps an die Hand. Die Behandlung und »ta- gesstrukturierende« Maß- nahmen: Beide Bereiche sind für das laufende und das nächste Jahr geplant. Darunter versteht man die Planung und die Organisation von Unter- suchungen, damit es so we- nig wie möglich Änderun- gen im festen Tagesablauf der Demenzkranken gibt. Außerdem sollen »Rück- zugsecken« für die Betroffe- nen geschaffen werden. Einbezug von Familien und Ehrenamtlichen: Dazu gehört der oben erwähnte »Angehörigeninformations- bogen«. Die Thematik Eh- renamt wird 2011 ebenso aufgegriffen: Welche Ausbil- dung müssen Ehrenamtliche haben? Welche Tätigkeiten können sie ausführen? Diese Schwerpunkte hät- ten die Pflege konkret verän- dert, hieß es: Das Personal sei aufmerksamer, wenn er einen Patienten mit einer Demenz behandelt. Der Be- handelnde stehe dem Kran- ken sicherer und angstfreier gegenüber. Der Austausch mit Demenzbetroffenen sei oft schwierig, jedoch möch- te man eine Verständigung hinbekommen, die nicht von oben nach unten geht. So soll eine gemeinsame Sprachtür geöffnet werden. Arbeitsgruppe mit fünf Schwerpunkten HINTERGRUND Angehörige von Menschen mit Demenz sollen mit einem Infor- mationsbogen (Foto) vorbereitet werden. In den kommenden 40 Jah- ren wird sich die Anzahl der Demenzerkrankungen welt- weit verdreifachen. Im Jahr 2050 existieren rund um den Erdball etwa 115 Millio- nen Menschen, die eine De- menz aufweisen. Problema- tisch ist die Tatsache, dass die Gesellschaft für dieses Anwachsen nicht gerüstet ist. In Belgien leben weit über 100 000 Menschen mit einer Demenz, einige Quel- len reden von 150 000, die meisten unter ihnen (50 bis 60 Prozent) sind an Alzhei- mer erkrankt. Und es werden immer mehr: angesichts der Ver- greisung unserer Gesell- schaft auch in der DG. Im Jahr 2020 sollen es landes- weit rund 200 000 sein. 115 Mio. Demenzkranke weltweit im Jahr 2050 IN ZAHLEN Eine Altenpflegerin bei der Pflege einer Demenzkranken.

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5Hier und heuteGrenz-Echo

Dienstag, 29. März 2011

Der Begriff Demenz steht füreine umfassende Gruppe un-gleichartiger Erkrankungen,bei denen das Gedächtnisund die Denkfähigkeit ab-nehmen. Bei einer Demenzsind mehrere geistige undintellektuelle Bereiche be-troffen, wie die Orientie-rung oder die Lern- und Ur-teilsfähigkeit, wodurch diebetroffenen Menschen in ih-ren alltäglichen Aktivitätenerheblich beeinträchtigtwerden: Sowohl ihr Sozial-verhalten als auch ihre Moti-vation und ihre Persönlich-keit verändern sich. Die Ur-sachen für eine Demenz sindsehr vielfältig. Je nachdem,wie ausgeprägt die Demenzist, werden generell leichte,mittelgradig schwere undschwere Formen unterschie-den. Die meisten Demenz-formen sind nicht heilbar,können aber im Frühstadi-um positiv beeinflusst wer-den. Es gibt auch sehr selte-ne Fälle von Demenzen, diesich zurückbilden. Die häu-figste Form von Demenz istdie Alzheimer-Krankheit. Ei-ne Ganzheitstherapie ausMedikamenten, die den Ver-lauf der Demenz verzögern,sowie aus Gedächtnistrai-ning, Verhaltens-und Sozio-therapie erhält die Lebens-qualität sowohl der Betroffe-nen als auch der Menschen,die sie betreuen. Das Risikoeiner Demenz steige mit zu-nehmendem Alter, erklärteder St.Vither Neurologe Dr.Peter Heinen. »Die Demenz-krankheit gibt es eigentlich

nicht, sondern eigentlichnur Krankheiten, die die De-menz bedingen.« Mit der Ar-beit des Memory-Teams solleine korrekte Differenzie-rung vorgenommen werden.Auch wenn die Arbeit ei-gentlich vor der Tätigkeitvon »DeKo« beginne, wolleman Hand in Hand mit Pfle-gekräften arbeiten. Dr. JeanIngels, Geriater am St. Niko-laus Hospital Eupen, meinte,die Demenz sei ein Syndromder Geriatrie (Altersheilkun-de). »Man hat Angst, weildiese Krankheit rationellnicht zu packen ist.« De-menz ist tatsächlich vor al-lem ein Altersproblem. VorErreichen des 60. Lebensjah-res ist das Risiko gering. Mit65 steigt es laut Neurologenauf drei bis fünf Prozent,und anschließend verdop-pelt es sich alle fünf Jahrebis zum 90. Lebensjahr.

Vor gut hundert Jahrenbeschrieb der PsychiaterAlois Alzheimer (1864-1915) zum ersten Mal diespäter nach ihm benannteKrankheit, die die häufigsteForm von Demenz ist. EinMann brachte damals seineverwirrte und orientierungs-lose Frau in die »StädtischeAnstalt für Irre und Epilepti-sche« in Frankfurt. Der Fallfaszinierte den Arzt. Nachdem Tod der Patientin Au-guste Deter untersuchte Alo-is Alzheimer 1906 ihr Ge-hirn. Er fand Eiweißablage-rungen in der gesamtenHirnrinde und abgestorbeneNervenzellen.

Was ist Demenz?

HINTERGRUND

In der Regel sind die Klinikenauf Grund fester Strukturennicht auf die Bedürfnisse de-menter Menschen und die da-mit verbundene zeitaufwändi-ge Betreuung ausgerichtet. Inder Deutschsprachigen Ge-meinschaft arbeiten die beidenKrankenhäuser in Eupen undSt.Vith seit längerem an einemgemeinsamen Projekt, um Ver-besserungen in diesem Bereichzu erzielen: Es nennt sich»Konzept für Personen mit De-menz im Krankenhaus« (De-menz-Konzept, kurz »DeKo«).

KPVDB koordiniert

Verwaltungsdirektoren,Fachärzte, Pflegeverantwortli-che der beiden Kliniken undPflegepersonen sind in diesesVorhaben eingebunden, dasvon der deutschsprachigenKrankenpflegevereinigung inBelgien (KPVDB) koordiniertwird. Die Initiative dazu sei imJahr 2008 von der Pflege aus-gegangen. In Altenheimen ha-be man bereits ein ganzes Re-pertoire an Maßnahmen undeinen Blickwechsel im Um-gang mit Demenzkranken ent-wickelt.

»Dies könnte auch für einKrankenhaus hilfreich sein.Mit diesem ’Blickwechsel’ istdie Erkenntnis verbunden,dass das Krankenhaus - Perso-nal und Organisation - sichdem Menschen mit Demenzanpassen muss, denn dieserkann sich nicht der Klinik an-

passen. Durch das Demenz-Konzept soll verhindert wer-den, dass der Aufenthalt in ei-nem Krankenhaus zum Alp-traum für beide Seiten wird«,erklärte KPVDB-Leiterin Anne-mie Ernst im Rahmen einerPressekonferenz in Eupen inder letzten Woche.

Ruhe und Verständnis

Der »Blickwechsel« sorge fürRuhe und Verständnis und hel-fe sowohl dem verunsichertenPatienten als auch dem Pflege-personal. »DeKo« wird von derKönig-Baudouin-Stiftung(KBS) unterstützt, und dankKBS-Geldern von rund 19 000Euro können Kosten für exter-ne Referenten und Fachbera-ter, aber auch für ein Hand-buch, für einen Infobogen so-wie für weitere Dokumente ge-tragen werden. Unterstützunggibt es auch durch die DG.

Eine besondere Herausfor-derung ist mit dem neuen Kon-zept für die Pflegedienste inEupen und St.Vith verbunden.Im St. Nikolaus Hospital Eu-pen sei für 2012 die Eröffnung

einer geriatrischen Tagesklinik(Geriatrie=Altersheilkunde)geplant, in der alte Menschenzur Diagnosestellung oder zurRevalidation kommen können,erklärte PflegedienstleiterinMarie-Anne Wolfs.

Die Eupener Klinik verfügeüber eine Geriatrie-Abteilungmit 24 Betten, und 2008 seiein interdisziplinäres Geriat-rie-Team geschaffen worden.Um den Umgang mit Demenz-kranken zu verbessern, habedie Arbeitsgruppe »DeKo« (sie-he Artikel unten) für die Sensi-bilisierung und Schulung derPflegekräfte gesorgt. So könnedie Arbeit mit dementen Pati-enten eine Bereicherung undkeine Belastung werden. »Wirstehen ganz am Anfang, aberein erster Schritt ist gemacht.«

Ähnlich äußerte sich auchMarion Wengenroth, Pflege-dienstleiterin in der St.VitherKlinik St. Josef. Sensibilisiertund geschult hätten die Betei-ligten nun die Möglichkeit, dieKenntnisse in den Alltag ein-fließen zu lassen. Außerdemwürden zurzeit verschiedeneAnkäufe geprüft (Hosen mit

Hüftprotektoren bei erhöhterStutzgefahr, elektronischeWeglaufsperren, Niedrigstell-betten, ...). Um Patientenstür-ze zu vermeiden, helfe die Bro-schüre »Tipps und Hilfen, umStürze zu vermeiden«. Dank-bar ist man auch für den Bei-stand der Krankenhaus- undAugustinervereinigung (KAV).Hilfreich sei auch die Zusam-menarbeit mit dem Memory-Team des Neurologen Dr. PeterHeinen. In Eupen ist auch derGeriater Dr. Jean Ingels in dieArbeit von »DeKo« integriertworden.

Lob für Tatendrang

Ingrid Mertes, Verwaltungs-direktorin der Klinik St.Vith,begrüßte den Tatendrang derBeteiligten und unterstrichauch die Anforderungen an dieInfrastruktur, um das neueKonzept durchzusetzen. »Es istklar, dass nicht nur das Perso-nal, sondern auch das Haushinter diesem Umdenken ste-hen muss, um eine maßge-schneiderte Begleitung zu er-reichen.«

Bei einer Demenz ster-ben unaufhaltsam Hirn-zellen. Erinnerungenwerden ausgelöscht, diePersönlichkeit wandeltsich. Die Kranken verlie-ren mehr und mehr ihreOrientierung. Wie abermüssen sich die Betrof-fenen erst fühlen, wennsie aus ihrem gewohntenUmfeld herausgerissenund ins Krankenhauseingeliefert werden?

»Blickwechsel«: Neues Demenz-Konzept in den beiden Krankenhäusern Ostbelgiens

Nicht der Patient, sondern diePflege muss sich umstellen

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� Von Christian Schmitz

Sie stellten das Konzept in der letzten Woche vor. Vordere Reihe von links: Annemie Ernst (Leiterin derKPVDB), Marie-Anne Wolfs (Pflegedienstleitung St. Nikolaus Hospital Eupen), Marion Wengenroth (Pflege-dienstleitung St.Vither Klinik St. Josef), Ingrid Buchmann (Koordinatorin für geriatrische Patienten Eupe-ner Klinik) und Elke Christen (Krankenpflegerin St.Vither Klinik). Hintere Reihe von links: Neurologe Dr.Peter Heinen, Geriater Dr. Jean Ingels und Ingrid Mertes (Verwaltungsdirektorin der Klinik St.Vith).

Für das »Konzept für Perso-nen mit Demenz im Kran-kenhaus« (Demenz-Kon-zept, kurz »DeKo«) wurdeeine Arbeitsgruppe einge-setzt, die fünf Schwerpunkteverfolgt:� Aufnahme des Patientenund Entlassungsmanage-ment: Optimale Vorberei-tung der Aufnahme des De-menzpatienten durch besse-re Information unter Einbe-ziehung der Krankenge-schichte des Betroffenen.Dazu wurde der »Überlei-tungsbogen«, der von denKrankenpflegekräften mitaktuellen Infos erstellt wird,mit Aspekten, die für diePflege von Personen mit ei-ner Demenz relevant sind,erweitert. Außerdem wurdein Zusammenarbeit mit den»Austauschgruppen De-menz« in der DG ein »Ange-hörigen-Informationsbogen«erstellt. Dieser soll die Auf-gabe der Angehörigen er-leichtern und der FamilieHilfe bieten. »Die Zusam-menarbeit mit der Familiestellen wir uns sehr prak-tisch vor. So soll die Familie

Gegenstände wie ein Kissen,eine Decke oder Bilder, die fürdie Kranken von Bedeutungsind, mit ins Krankenhausbringen. Die Betroffenen sol-len sich so gut wie möglich zuHause fühlen«, sagte IngridBuchmann, Koordinatorin fürgeriatrische Patienten im St.Nikolaus-Hospital in Eupen.� Pflege: Der »Blickwechsel«muss von den Professionellenausgehen. Dazu gehört dieSensibilisierung und Schulungdes gesamten Krankenhaus-personals (einschließlichRaumpflege- und Logistikper-sonal). Die Themen sind dieMilieugestaltung, Kommunika-tion und Pflege, Verbesserungder Lebensqualität, Deeskalati-onsstrategien sowie Vermei-dung von freiheitsbeschrän-kenden Maßnahmen. ZumThema freiheitsentziehendeMaßnahmen wurden Leitli-nien für beide Krankenhäuserausgearbeitet. Außerdem wur-de ein Handbuch erstellt, dasals Nachschlagewerk für dasgesamte Personal gedacht ist.Es erläutert die wichtigstenProblemsituationen im Um-gang mit einem Demenzkran-

ken (Schreien, Rufen, Weglau-fen, Aggressionen). Mit demHandbuch erhält das Pflege-team Wissen, Ideen und prak-tische Tipps an die Hand.� Die Behandlung und »ta-gesstrukturierende« Maß-nahmen: Beide Bereiche sindfür das laufende und dasnächste Jahr geplant. Darunterversteht man die Planung und

die Organisation von Unter-suchungen, damit es so we-nig wie möglich Änderun-gen im festen Tagesablaufder Demenzkranken gibt.Außerdem sollen »Rück-zugsecken« für die Betroffe-nen geschaffen werden.� Einbezug von Familienund Ehrenamtlichen: Dazugehört der oben erwähnte»Angehörigeninformations-bogen«. Die Thematik Eh-renamt wird 2011 ebensoaufgegriffen: Welche Ausbil-dung müssen Ehrenamtlichehaben? Welche Tätigkeitenkönnen sie ausführen?

Diese Schwerpunkte hät-ten die Pflege konkret verän-dert, hieß es: Das Personalsei aufmerksamer, wenn ereinen Patienten mit einerDemenz behandelt. Der Be-handelnde stehe dem Kran-ken sicherer und angstfreiergegenüber. Der Austauschmit Demenzbetroffenen seioft schwierig, jedoch möch-te man eine Verständigunghinbekommen, die nicht vonoben nach unten geht. Sosoll eine gemeinsameSprachtür geöffnet werden.

Arbeitsgruppe mit fünf Schwerpunkten

HINTERGRUND

Angehörige von Menschen mitDemenz sollen mit einem Infor-mationsbogen (Foto) vorbereitetwerden.

In den kommenden 40 Jah-ren wird sich die Anzahl derDemenzerkrankungen welt-weit verdreifachen. Im Jahr2050 existieren rund umden Erdball etwa 115 Millio-nen Menschen, die eine De-menz aufweisen. Problema-tisch ist die Tatsache, dassdie Gesellschaft für diesesAnwachsen nicht gerüstetist. In Belgien leben weit

über 100 000 Menschen miteiner Demenz, einige Quel-len reden von 150 000, diemeisten unter ihnen (50 bis60 Prozent) sind an Alzhei-mer erkrankt.

Und es werden immermehr: angesichts der Ver-greisung unserer Gesell-schaft auch in der DG. ImJahr 2020 sollen es landes-weit rund 200 000 sein.

115 Mio. Demenzkrankeweltweit im Jahr 2050

IN ZAHLEN

Eine Altenpflegerin bei der Pflege einer Demenzkranken.