Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee...

4
Sonderdruck aus: ORTHOPÄDIE-TECHNIK 10/15, Seite 46 Prothetik Mit dem neuen C-Leg wird ein Redesign des erfolgreichsten mechatronischen Kniegelenks vorgestellt. Es berücksichtigt die wichtigsten Kundenwünsche mit Hilfe neuester technologischer Möglichkeiten. Das Ziel war es wie beim Vorgängermodell, die Grund- bedürfnisse uneingeschränkter Außenbereichsgeher zuverlässig und sicher zu erfüllen. Der Artikel beschreibt die überarbeiteten Funktionen des Gelenks und deren technologische Hintergründe. Schlüsselwörter: Exoprothetik, Bein- prothetik, prothetisches Kniegelenk, C-Leg, mikroprozessorgesteuertes Knieprothesensystem The new C-Leg is a redesign of the most successful mechatronic knee joint. It takes the principal customer requests into considera- tion using the latest technological developments. As in the previous model, the aim was to reliably and safely satisfy the basic requi- rements of unrestricted outdoor walkers. The article describes the re-engineered functions of the joint and their technological back- ground. Keywords: exoprosthesis, leg pros- thesis, prosthetic knee joint, C-Leg, microprocessor-controlled knee prosthesis system Ph. Kampas, D. Seifert Das neue C-Leg: neue Funk- tionen und neue Technologie The New C-Leg: New Functions and New Technology Einleitung Die Einführung des mikroprozessor- gesteuerten Kniegelenksystems C-Leg im Jahre 1997 löste mit inzwischen über 60.000 Versorgungen eine nach- haltige Revolution in der Prothetik aus. Mit dem C-Leg wurde ein neu- er Sicherheitsstandard durch die zu- verlässige Unterstützung des Gehens in der Ebene mit verschiedenen Ge- schwindigkeiten und des Abwärts- gehens auf Treppen und Rampen er- reicht [1]. Dieser Erfolg wurde durch eine in der Exoprothetik von keinem Produkt auch nur annähernd erreich- te Vielzahl klinischer Studien belegt [2, 3]. Das C-Leg hat bis heute im di- rekten Vergleich mit anderen Kniege- lenken eine herausragende Stellung bezüglich Funktionalität und Sicher- heit [4]. C-Leg-Anwender profitieren vor allem durch [2]: – eine deutliche Reduktion der Sturzhäufigkeit, – eine Steigerung der geteilten Aufmerksamkeit, – gesteigerte Aktivität, – einen größeren Bewegungsradius und gestärktes Vertrauen in die Prothese. Das C-Leg legt den Fokus auf Sicher- heit und zuverlässige Unterstützung der Grundfunktionen für uneinge- schränkte Außenbereichsgeher. Die Weiterentwicklungen Genium und Genium X3 legen einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die physiologischere Gestaltung des Gangbilds (OPG – Op- timized Physiological Gait), um damit eine deutliche Verringerung der Un- gleichheit zwischen natürlicher Kör- perfunktion und künstlichem Ersatz zu erreichen. Zusätzlich werden ver- schiedene Aktivitäten des täglichen Lebens abseits des zyklischen Gehens durch Funktionen unterstützt, die nicht wie Zusatzmodi bewusst akti- viert werden müssen, sondern den Anwender im Alltag möglichst in- tuitiv in der Situation unterstützen, ohne seine Aufmerksamkeit zu be- nötigen [5]. Das Genium stellt damit heutzutage den Stand der Technik in der Versorgung von Oberschenkelam- putierten dar. Nach wie vor gibt es jedoch eine breite Basis von C-Leg-Anwendern. Um die wichtigsten Kundenwünsche dieser Anwendergruppe zu erfüllen und ihnen den aktuellen technologi- schen Fortschritt zugänglich zu ma- chen, hat sich Ottobock dazu ent- schlossen, das C-Leg zu überarbeiten (Abb. 1). Dabei wurden eine einfa- chere Auslösung der Schwungphase, eine geringere Bauhöhe, damit auch kleinere Anwender von funktionel- leren Füßen profitieren können, ein verbessertes Mensch-Maschine-Inter- face (Fernbedienung) und ein besse- rer Schutz vor Beschädigung durch Abb. 1 Das neue C-Leg ist in zwei Far- ben erhältlich. Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/2015 – Verlag Orthopädie-Technik, Dortmund 646D1079=DE

Transcript of Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee...

Page 1: Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee prosthesis system Ph. Kampas, D. Seifert Das neue C-Leg: neue Funk-tionen und neue

Sonderdruck aus: ORTHOPÄDIE-TECHNIK 10/15, Seite 4646 ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/15

Prothetik

Mit dem neuen C-Leg wird ein Redesign des erfolgreichsten

mechatronischen Kniegelenks vorgestellt. Es berücksichtigt die wichtigsten Kundenwünsche mit

Hilfe neuester technologischer Möglichkeiten. Das Ziel war es wie beim Vorgängermodell, die Grund-

bedürfnisse uneingeschränkter Außenbereichsgeher zuverlässig

und sicher zu erfüllen. Der Artikel beschreibt die überarbeiteten

Funktionen des Gelenks und deren technologische Hintergründe.

Schlüsselwörter: Exoprothetik, Bein-prothetik, prothetisches Kniegelenk,

C-Leg, mikroprozessorgesteuertes Knieprothesensystem

The new C-Leg is a redesign of the most successful mechatronic knee joint. It takes the principal

customer requests into considera-tion using the latest technological developments. As in the previous

model, the aim was to reliably and safely satisfy the basic requi-rements of unrestricted outdoor

walkers. The article describes the re-engineered functions of the

joint and their technological back-ground.

Keywords: exoprosthesis, leg pros-thesis, prosthetic knee joint, C-Leg,

microprocessor-controlled knee prosthesis system

Ph. Kampas, D. Seifert

Das neue C-Leg: neue Funk-tionen und neue Technologie The New C-Leg: New Functions and New Technology

EinleitungDie Einführung des mikroprozessor-gesteuerten Kniegelenksystems C-Leg im Jahre 1997 löste mit inzwischen über 60.000 Versorgungen eine nach-haltige Revolution in der Prothetik aus. Mit dem C-Leg wurde ein neu-er Sicherheitsstandard durch die zu-verlässige Unterstützung des Gehens in der Ebene mit verschiedenen Ge-schwindigkeiten und des Abwärts-gehens auf Treppen und Rampen er-reicht [1]. Dieser Erfolg wurde durch eine in der Exoprothetik von keinem Produkt auch nur annähernd erreich-te Vielzahl klinischer Studien belegt [2, 3]. Das C-Leg hat bis heute im di-rekten Vergleich mit anderen Kniege-lenken eine herausragende Stellung bezüglich Funktionalität und Sicher-heit [4]. C-Leg-Anwender profitieren vor allem durch [2]:

– eine deutliche Reduktion der Sturzhäufigkeit,

– eine Steigerung der geteilten Aufmerksamkeit,

– gesteigerte Aktivität, – einen größeren Bewegungsradius

und– gestärktes Vertrauen in die Prothese.

Das C-Leg legt den Fokus auf Sicher-heit und zuverlässige Unterstützung der Grundfunktionen für uneinge-schränkte Außenbereichsgeher. Die Weiterentwicklungen Genium und Genium X3 legen einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die physiologischere Gestaltung des Gangbilds (OPG – Op-timized Physiological Gait), um damit eine deutliche Verringerung der Un-gleichheit zwischen natürlicher Kör-perfunktion und künstlichem Ersatz zu erreichen. Zusätzlich werden ver-schiedene Aktivitäten des täglichen Lebens abseits des zyklischen Gehens durch Funktionen unterstützt, die nicht wie Zusatzmodi bewusst akti-

viert werden müssen, sondern den Anwender im Alltag möglichst in-tuitiv in der Situation unterstützen, ohne seine Aufmerksamkeit zu be-nötigen [5]. Das Genium stellt damit heutzutage den Stand der Technik in der Versorgung von Oberschenkelam-putierten dar.

Nach wie vor gibt es jedoch eine breite Basis von C-Leg-Anwendern. Um die wichtigsten Kundenwünsche dieser Anwendergruppe zu erfüllen und ihnen den aktuellen technologi-schen Fortschritt zugänglich zu ma-chen, hat sich Ottobock dazu ent-schlossen, das C-Leg zu überarbeiten (Abb. 1). Dabei wurden eine einfa-chere Auslösung der Schwungphase, eine geringere Bauhöhe, damit auch kleinere Anwender von funktionel-leren Füßen profitieren können, ein verbessertes Mensch-Maschine-Inter-face (Fernbedienung) und ein besse-rer Schutz vor Beschädigung durch

Abb. 1 Das neue C-Leg ist in zwei Far-ben erhältlich.

Sonderdruck ausORTHOPÄDIE TECHNIK10/2015 –Verlag Orthopädie-Technik, Dortmund

646D1079=DE

Page 2: Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee prosthesis system Ph. Kampas, D. Seifert Das neue C-Leg: neue Funk-tionen und neue

2 Sonderdruck aus: ORTHOPÄDIE-TECHNIK 10/15, Seite 4747ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/15

Feuchtigkeit umgesetzt. Im Rahmen des Redesigns sollte auch Bewährtes durch neueste Technologie verbes-sert werden. Dabei blieb man der Pro-duktpositionierung treu: Das C-Leg soll die Grundfunktionen für einen unbeschränkten Außenbereichsgeher zuverlässig und sicher unterstützen.

TechnologieDas neue C-Leg bleibt weiterhin ein mikroprozessorgesteuertes, einach-siges Kniegelenksystem. Es verwen-det eine Hydraulik mit dem bereits bekannten 2-Wege-Prinzip, bei der die Widerstände in Flexions- und Ex-tensionsrichtung unabhängig von-einander durch den Mikroprozessor stufenlos verstellt werden können [1]. Die Abtastfrequenz wurde auf 100 Hz erhöht. Ein großer technologischer Fortschritt ist die Einführung einer neuartigen 6-achsigen IMU (Inertial Motion Unit), die mit einem eigenen Mikroprozessor die Lage des Kniege-lenks im Raum berechnet. So stehen dem Steueralgorithmus Informatio-nen über den Raumwinkel, die Rotati-on im Raum und die Beschleunigung des Knies in allen 3 Koordinatenach-sen zur Verfügung. Die Einführung dieser Technologie ermöglichte den Verzicht auf den – beim Vorgänger-modell nicht immer beliebten – elek-tronischen Rohradapter. Zur Kraft-messung wird nun das Knieextensi-onsmoment erfasst (Abb. 2), welches zusammen mit der IMU und einem

Kniewinkelsensor zuverlässig Infor-mationen über den Bewegungs- und Belastungszustand der Prothese gibt.

GrundfunktionenNeue SchwungphaseneinleitungDie Aufgabe der Schwungphasenaus-lösung ist das Erkennen der termina-len Standphase, da hier der Beugewi-derstand in Vorbereitung für die Ein-leitung der Schwungphase niedrig ge-stellt werden soll. In der späten Stand-phase kann das unbemerkt und sicher geschehen, weil das Kniegelenk durch den am Fuß vorgerückten Kraftvektor in den Extensionsanschlag gedrückt wird und so nicht unkontrolliert ein-knicken kann. Während Ottobock in den 90er Jahren mit der Messung des Knöchelmomentes die damals technologisch fortschrittlichste Er-kennung dieses Zeitpunktes verwen-dete, ist es heute möglich, durch die IMU und einen patentierten Algorith-mus die terminale Standphase direk-ter zu bestimmen. Schlussendlich ist die terminale Standphase durch eine Vorwärtsneigung und Vorwärtsrotati-on des Beins unter Belastung defi niert [6]. Die IMU ermittelt dabei direkt die Information, die bei den Vorgänger-modellen noch durch die Knöchel-momentenmessung (damals bestmög-lich) geschätzt wurde [1]. Neben der Vorwärtsneigung und der Vorwärts-rotation sind der Bodenkontakt des Fußes (Fuß in Ruhe) und ein strecken-des Moment im Knie Kriterien für die

Einleitung der Schwungphase (Abb. 3). Der neue Algorithmus ist dadurch ge-wichtsunabhängiger, erlaubt kleinere Schritte und den besseren Übergang in die Schwungphase auf weichem sowie unebenem Untergrund. Die ersten Schritte mit dem neuen C-Leg sind somit leichter zu erlernen. Auch sicheres Rückwärtsgehen ist möglich, da die Schwungphase beim Rück-wärtsgehen nicht mehr ausgelöst wer-den kann.

Die Schwungphasenregelung konnte dank erhöhter Prozessorleistung und komplexerer Regelungstechnik gegen-über dem Vorgängermodell optimiert werden. Sie bietet noch weniger Wi-derstand beim langsamen Gehen und mehr Dynamik beim schnellen Ge-hen [7]. Zusätzlich wird nun auch die Schwungphasenextension in Echt-zeit an die Gehgeschwindigkeit ange-passt. Der Extensionswiderstand wird beim langsamen Gehen erhöht, so-dass das Knie langsamer nach vorne schwingt und einen harmonischeren Bewegungsablauf ermöglicht.

Erhöhter StolperschutzAlle mechatronischen Ottobock-Knie-gelenke bieten wegen der 2-Wege-Hy-draulik und des „default stance“-Ver-haltens inhärente Sicherheit während der Schwungphasenextension, in der ein Hängenbleiben mit der Zehe vor-kommen kann. Da das Flexionsven-til während der Extensionsbewegung

Abb. 3 Kriterien für die Schwungphaseneinleitung.

Verbesserte Schwungphasenregelung

Raumwinkel

Raumwinkel-geschwindigkeit

Fuß in Ruhe =Fuß in Bodenkontakt

Abb. 2 Aufbau und Sensorik.

2-Wege-Hydraulik

posteriorer Ladestecker

Kniewinkel-sensor

Knieextensions-momentmessung

Raumlage-einheit

knie -streckendes Moment

48 ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/15

Design für den AlltagDas neue C-Leg ist mit 289 mm dista-ler Systemhöhe 60 mm kürzer als das Vorgängermodell, was es erleichtert, Anwender mit orthopädietechnisch herausfordernden Gegebenheiten zu versorgen und funktionellere, höher bauende Füße zu verwenden (Abb. 4). Es ist für 136 kg Körpergewicht freige-geben. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit wurde es wetterfest gemacht. Spritz-wasser, Regen oder ein kurzer Süßwas-serschwall schaden dem Gelenk nicht. Längeres Untertauchen und korrosive Medien wie zum Beispiel Salz- oder Chlorwasser bleiben aber dem Geni-um X3 vorbehalten. Die Position des Ladesteckers wurde an den posteri-oren Unterschenkel verlegt, um das Eindringen von Wasser zu verhindern und eine bessere kosmetische Versor-gung im Kniebereich zu ermöglichen. Der Beugewinkel wurde auf 130° er-höht. Um das Gelenk vor Beschädi-gungen durch den Schaft zu schützen, gibt es die Möglichkeit, den maxima-len Beugewinkel durch Anschlagsele-mente um 8° zu verringern.

Um das Mensch-Maschine-Interface zu verbessern, wurde eine Bluetooth®-Schnittstelle in das Gelenk integriert. Dadurch wurde es möglich, eine An-droid-App zum Wechseln der Modi, zum Feinjustieren von Einstellwerten und zum Abrufen von Informationen der Prothese anzubieten, die das moder-ne, intuitive Userinterface von Smart-phones nutzt (Abb. 5). Die App läuft

schon präventiv auf Standphasenwi-derstand eingestellt ist, wird der un-terstützende Widerstand bei einer Be-wegungsumkehr durch ein Stolpern sofort wirksam. Der erhöhte Stolper-schutz erweitert dieses Konzept. Der Flexionswiderstand wird während der Schwungphasenextension kniewin-kelabhängig über den Wert der Stand-phase hinaus erhöht. So wird beim Stolpern, bei dem das Gelenk plötz-lich mit hohen Kräften in gebeugter Stellung belastet wird, zusätzliche Un-terstützung gegeben. Anders als beim Vorgängermodell, wo der Stolper-schutz erst durch einen Zehenkontakt aktiviert wurde, ist der Stolperschutz beim neuen C-Leg bei jeder Schwung-phasenextension präventiv aktiv. Au-ßerdem wurde der Widerstandswert für noch mehr Unterstützung erhöht.

Gehen mit Standphasenfl exionDas neue C-Leg bietet die vom Vor-gängermodell gewohnte Unterstüt-zung bei der Standphasenbeugung. Der Beugewiderstand wird vom Or-thopädie-Techniker über die PC-Soft-ware eingestellt, aber nicht wie beim Genium in Echtzeit geregelt, sodass die Standphasenbeugung beim ebe-nen Gehen wie beim Vorgängermo-dell nicht begrenzt wird. Durch kons-truktive Änderungen in der Hydraulik können nun für die Standphasenex-tension höhere Extensionswider-stände erreicht werden. Zusammen mit einer automatischen Regelung der Standphasenextension wird so

eine wesentlich harmonischere Stre-ckung bei der Standphasenextension gewährleistet. Vor allem für einige schwere Anwender sowie bei Hüftex-Versorgungen können daher im Ver-gleich zum Vorgängermodell bessere Ergebnisse erzielt werden.

Funktionen und ModiWie beim Vorgängermodell bietet das neue C-Leg eine Stehfunktion, die über ein Bewegungsmuster (Beu-gen – Halten – Strecken – Halten) ak-tiviert werden kann. Zusätzlich gibt es die Wahl einer intuitiven Stehfunkti-on, die das Gelenk blockiert, wenn es in gebeugter Position ruhig gehalten wird. Durch die IMU wird das Ende des Stehens zuverlässig erkannt und eine unerwünschte Aktivierung der Stehfunktion im Sitzen verhindert. Die Sitzfunktion schaltet das Gelenk in einen niedrigen Widerstand, um das Manipulieren des Unterschenkels im Sitzen zu erleichtern.

Wie vom Vorgängermodell ge-wohnt, gibt es zwei programmierbare Modi („2nd Mode“ und „3rd Mode“), die nun über 3- bzw. 4-maliges Wip-pen auf dem Vorfuß, gefolgt von ei-nem Beistellen des Prothesenbeins zur kontralateralen Seite, aktiviert werden können. Anwendertests haben gezeigt, dass dieses Muster den Anwendern leichter fällt als das Bewegungsmuster des Vorgängermodells (Wippen auf Zehe und Ferse gefolgt von einem Ent-lasten), vor allem da der Einbeinstand während des Entlastens entfällt.

Abb. 4 Vergleich der Systemhöhen und Po-sition des Ladesteckers.

Abb. 5 Userinterface-App.

Page 3: Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee prosthesis system Ph. Kampas, D. Seifert Das neue C-Leg: neue Funk-tionen und neue

3Sonderdruck aus: ORTHOPÄDIE-TECHNIK 10/15, Seite 4848 ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/15

Design für den AlltagDas neue C-Leg ist mit 289 mm dista-ler Systemhöhe 60 mm kürzer als das Vorgängermodell, was es erleichtert, Anwender mit orthopädietechnisch herausfordernden Gegebenheiten zu versorgen und funktionellere, höher bauende Füße zu verwenden (Abb. 4). Es ist für 136 kg Körpergewicht freige-geben. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit wurde es wetterfest gemacht. Spritz-wasser, Regen oder ein kurzer Süßwas-serschwall schaden dem Gelenk nicht. Längeres Untertauchen und korrosive Medien wie zum Beispiel Salz- oder Chlorwasser bleiben aber dem Geni-um X3 vorbehalten. Die Position des Ladesteckers wurde an den posteri-oren Unterschenkel verlegt, um das Eindringen von Wasser zu verhindern und eine bessere kosmetische Versor-gung im Kniebereich zu ermöglichen. Der Beugewinkel wurde auf 130° er-höht. Um das Gelenk vor Beschädi-gungen durch den Schaft zu schützen, gibt es die Möglichkeit, den maxima-len Beugewinkel durch Anschlagsele-mente um 8° zu verringern.

Um das Mensch-Maschine-Interface zu verbessern, wurde eine Bluetooth®-Schnittstelle in das Gelenk integriert. Dadurch wurde es möglich, eine An-droid-App zum Wechseln der Modi, zum Feinjustieren von Einstellwerten und zum Abrufen von Informationen der Prothese anzubieten, die das moder-ne, intuitive Userinterface von Smart-phones nutzt (Abb. 5). Die App läuft

schon präventiv auf Standphasenwi-derstand eingestellt ist, wird der un-terstützende Widerstand bei einer Be-wegungsumkehr durch ein Stolpern sofort wirksam. Der erhöhte Stolper-schutz erweitert dieses Konzept. Der Flexionswiderstand wird während der Schwungphasenextension kniewin-kelabhängig über den Wert der Stand-phase hinaus erhöht. So wird beim Stolpern, bei dem das Gelenk plötz-lich mit hohen Kräften in gebeugter Stellung belastet wird, zusätzliche Un-terstützung gegeben. Anders als beim Vorgängermodell, wo der Stolper-schutz erst durch einen Zehenkontakt aktiviert wurde, ist der Stolperschutz beim neuen C-Leg bei jeder Schwung-phasenextension präventiv aktiv. Au-ßerdem wurde der Widerstandswert für noch mehr Unterstützung erhöht.

Gehen mit Standphasenfl exionDas neue C-Leg bietet die vom Vor-gängermodell gewohnte Unterstüt-zung bei der Standphasenbeugung. Der Beugewiderstand wird vom Or-thopädie-Techniker über die PC-Soft-ware eingestellt, aber nicht wie beim Genium in Echtzeit geregelt, sodass die Standphasenbeugung beim ebe-nen Gehen wie beim Vorgängermo-dell nicht begrenzt wird. Durch kons-truktive Änderungen in der Hydraulik können nun für die Standphasenex-tension höhere Extensionswider-stände erreicht werden. Zusammen mit einer automatischen Regelung der Standphasenextension wird so

eine wesentlich harmonischere Stre-ckung bei der Standphasenextension gewährleistet. Vor allem für einige schwere Anwender sowie bei Hüftex-Versorgungen können daher im Ver-gleich zum Vorgängermodell bessere Ergebnisse erzielt werden.

Funktionen und ModiWie beim Vorgängermodell bietet das neue C-Leg eine Stehfunktion, die über ein Bewegungsmuster (Beu-gen – Halten – Strecken – Halten) ak-tiviert werden kann. Zusätzlich gibt es die Wahl einer intuitiven Stehfunkti-on, die das Gelenk blockiert, wenn es in gebeugter Position ruhig gehalten wird. Durch die IMU wird das Ende des Stehens zuverlässig erkannt und eine unerwünschte Aktivierung der Stehfunktion im Sitzen verhindert. Die Sitzfunktion schaltet das Gelenk in einen niedrigen Widerstand, um das Manipulieren des Unterschenkels im Sitzen zu erleichtern.

Wie vom Vorgängermodell ge-wohnt, gibt es zwei programmierbare Modi („2nd Mode“ und „3rd Mode“), die nun über 3- bzw. 4-maliges Wip-pen auf dem Vorfuß, gefolgt von ei-nem Beistellen des Prothesenbeins zur kontralateralen Seite, aktiviert werden können. Anwendertests haben gezeigt, dass dieses Muster den Anwendern leichter fällt als das Bewegungsmuster des Vorgängermodells (Wippen auf Zehe und Ferse gefolgt von einem Ent-lasten), vor allem da der Einbeinstand während des Entlastens entfällt.

Abb. 4 Vergleich der Systemhöhen und Po-sition des Ladesteckers.

Abb. 5 Userinterface-App.

Page 4: Ph. Kampas, D. Seifert Sonderdruck aus ORTHOPÄDIE TECHNIK ... · microprocessor-controlled knee prosthesis system Ph. Kampas, D. Seifert Das neue C-Leg: neue Funk-tionen und neue

50 ORTHOPÄDIE TECHNIK 10/15

die Einstellungen anpassen. Die Ein-stellsoftware unterstützt die Einstel-lung mit patientenindividuellen Vor-schlägen und leitet durch den Aufbau der Prothese. Die Aufbauempfehlung entspricht der Ottobock-Standard-empfehlung für monozentrische, mechatronische Kniegelenksyste-me. Durch den Entfall des elektroni-schen Rohradapters ist kein spezieller Rohradapter mehr notwendig. Stan-dardadapter mit 34 mm Durchmesser können verwendet werden. Ein Akti-vitätsreport ermöglicht dem Ortho-pädie-Techniker eine Dokumentation des Therapieerfolgs.

FazitSeit seiner Markteinführung hat das C-Leg die Beinprothetik nachhaltig revolutioniert. Dank des technologi-schen Fortschritts gibt es bei der neu-en Generation des C-Leg eine weitere Verbesserung der Grundfunktionalität bei kleinen Schritten, beim Gehen auf weichen Untergründen, beim Rück-wärtsgehen und beim Gehen mit ver-schiedenen Geschwindigkeiten. Die intuitive Stehfunktion unterstützt das Stehen und entlastet damit die erhal-tene Seite. Durch die Verkürzung der Bauhöhe können nun mehr Anwen-der vom C-Leg profitieren und funkti-onellere Füße verwendet werden. Die nachgewiesene C-Leg-Funktionalität wurde auf den neuesten technologi-schen Stand gebracht und ist damit „fit und wetterfest“ für die nächsten Jahre.

auf allen gängigen Android-Smartpho-nes. Besondere Anforderungen von Apple an die Bluetooth®-Hardware er-lauben es leider momentan technolo-gisch nicht, eine iOS-App anzubieten. Alternativ kann die Ottobock Remo-te Control 4X350 verwendet werden. Die Bluetooth®-Schnittstelle lässt sich deaktivieren, beispielsweise während einer Flugreise. Die maximale Laut-stärke des Beepers (akustischer Signal-geber) wurde erhöht; das akustische Si-gnal lässt sich nun in Lautstärke und Tonhöhe einstellen.

Zum Schutz des Gelenks wurde ein zeitgemäßer Protektor entwickelt, dessen Gestaltung dem wachsenden Selbstvertrauen von Amputierten ge-recht werden soll (Abb. 6). Durch eine innovative textile Lösung wurde der Spalt zwischen Protektor und Fuß-komponente geschlossen. Wechselba-re Schutzblenden ermöglichen dem Anwender eine Individualisierung sei-ner Prothese (Abb. 7). Das neue C-Leg ist in den zwei Farbstellungen „Volca-no Shadow“ und „Desert Pearl“ erhält-lich, um auf Vorlieben der Anwender eingehen zu können (siehe Abb. 1).

Anwendungstechnik durch den Orthopädie-TechnikerDas zertifizierte Fachpersonal kann mittels einer PC-Einstellsoftware (C-Soft Plus) und der im neuen C-Leg integrierten Bluetooth®-Schnittstelle

LITERATUR:

[1] Kampas P, Bellmann M, Weigl-Pollack A. Das neue C-Leg und seine erweiterten Funktionen. Orthopädie Technik, 2011; 62 (10): 722-727

[2] Otto Bock HealthCare Deutschland GmbH (Hrsg). Internationale Studien zum C-Leg. Literaturübersicht. 3., aktualisier-te Auflage. Duderstadt: Otto Bock, 2014. http://professionals.ottobock.de/cps/rde/xbcr/ob_de_de/646B33-D-01-1001w.pdf (Zugriff am 09.09.2015). Bestellnummer: 646B33=D-06-1403

[3] Quake T, McGarry A. Microprocessor-Cont-rolled Knees – A Review Of The Literature. Proceedings of the ISPO 2013 World Congress. Hyderabad, 2013

[4] Thiele J, Westebbe B, Bellmann M, Kraft M. Designs and performance of microprocessor-controlled knee joints. Biomed Tech, 2014; 59 (1): 65-77

[5] Kampas P, Seyr M. Technologie und Funk-tionsweise des Genium Prothesenkniegelenks. Orthopädie Technik, 2011; 62 (12): 898-903

[6] Perry J. Gait Analysis. Normal and Patho-logical Function. Thorofare, New Jersey: Slack Inc., 1992

[7] Kraft M. Functional Outcomes of Different Microprocessor Controlled Knees – A Techno-logical Study. Proceedings of the ISPO 2015 World Congress. Lyon, 2015

Abb. 6 Protektor mit Schutzblende und Man-schette zum Einschnappen in die Fußhülle.

Abb. 7 Schutzblendendesigns.

Für die Autoren: Dipl.-Ing. Philipp Kampas, MBA Otto Bock Healthcare GmbH Brehmstraße 16 A-1110 Wien [email protected]

Begutachteter Beitrag/reviewed paper

4 Mit freundlicher Empfehlung

OK1233=DE.indd 1 03.02.12 09:02