Prof. Dr. Gundula Barsch Prävention Plädoyer für einen Paradigmenwechsel Thema der Debatte Von...
-
Upload
bernhardt-gehman -
Category
Documents
-
view
105 -
download
0
Transcript of Prof. Dr. Gundula Barsch Prävention Plädoyer für einen Paradigmenwechsel Thema der Debatte Von...
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Plädoyer für einen Paradigmenwechsel
Thema der Debatte
Von der Von der SuchtpräventionSuchtprävention
Über die RisikokompetenzÜber die Risikokompetenz
Zur DrogenmündigkeitZur Drogenmündigkeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Was tun, um Drogenprobleme zu verhindern?
Drogenprävention
Traditionelle Strategien, Drogenprobleme zu vermeiden
Information/ Abschreckung Suchtprävention
Aufklärung
• Affektive Erziehung
• Funktionale Äquivalente
• Peer-Involvement
• Strafe für Nachfrage
• Strafe für Angebots
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Inhaltliche Ursprünge von Prävention
Erste Methoden:
Gesundheitsaufklärung
Belehrung und
Übung
Prävention (latin. Praevenire) = zuvorkommen
negativen Verhaltensweisen und Zuständen zuvorkommen oder ihnen vorbeugen
Die Geburtsort der Prävention = die Medizin!!
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Grundannahmen des traditionellen Behandlungssystems
Entstanden vor dem Hintergrund spezieller Erfahrungen
Drogenkonsum = unberechenbares Risiko, durch Menschen nicht steuer- u. kontrollierbar!
Sucht = unilinearer Karriereverlauf; Auslöser kann schon erster Konsum sein!
Ohne Rückkehr zur Abstinenz enden Drogenentwicklungsverläufe in Elend und Tod!
Ausstieg aus Sucht/Abhängigkeit nur mit therapeutischer Hilfe möglich!
Ursprünge der Suchtprävention
Geburtsort der Suchtprävention: Die Suchtkrankenbehandlung!!
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Sinnrationalität des traditionellen Behandlungssystems!
Leitfigur der Prävention
Binärer Code:
Sucht/Abhängigkeit Abstinenz
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Suchtprävention fußt auf dem Suchtkonzept!
Allgemeines Interesse an psychoaktiven Substanzen verhindern oder so weit wie möglich hinausschieben
Probierkonsum verhindern
Abstinenz möglichst als dauerhafte Lebensweise fördern
Suchtgefährdete/Risikogruppen (????) finden und gezielt betreuen
Aktuell Konsumierende sekundärpräventiv ansprechen und ggf. auch therapeutisch zur Abstinenz bewegen
Ziele der Suchtprävention
Ziele und „heimlicher Lehrplan“:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
“Die Drogen macht...”
Droge Wirkung/Effekt
“Die Drogen = Macht”
“Keine Macht den Drogen!”
“Suchtpotential...”
“Suchtpersönlichkeit”
“Abhängig nach dem ersten Mal...”
• Unbeherrschbarkeit• Risiko als Faktum• Droge als pathogener Faktor• Störung des Normalzustands
Substanzfixiertes Denken
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Konsequenzen des binären Codes = Suchtprävention!
Fixierung auf problematische Drogenkonsumformen = Verhinderungsstrategien für jeglichen Drogenkonsum
Nichtakzeptanz der Existenz unproblematischer Formen des Drogenkonsums = diese werden als „vorpathologisch“ wahrgenommen
Argumentation mit unwidersprochenem Wert „Gesundheit“ = diktatorische Aufforderung zu Abstinenz als gewünschtem Verhalten
Reduktionismen in den Leitideen von Suchtprävention
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Konsequenzen des binären Codes = Suchtprävention!
o Verweis auf Gesundheit legitimiert weitreichende Interventionen durch Experten
o Abstinenzfixierung Prävention erhält totale Struktur
o Suchtprävention erhält Funktion sozialer Kontrolle
o Im Ansatz normierend, pathologisierend und therapeutisierend
Wesen von Suchtprävention
Akzeptanz- u. Imageverlust
Nicht in der Breite aufgegriffen = auf Expertensysteme beschränkt
Durch Konsumentenkreise eigenaktiv modernisiert $
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Suchtprävention und Jugendarbeit
In die Lebenswelten Jugend integriert
Nicht „kompetent“ u. zuständig für die Themen Drogen u. Konsum
Allgemeine pädagogische Arbeit, Erziehung und Förderung
Ausrichtung auf Emanzipation, Selbstbemächtigung u. soziale Integration
JugendarbeitSuchtprävention
(Ab-)Gesonderer Arbeitsbereich: Zuständig für die Themen Drogen, Konsum und Sucht
Pädagogisch-therapeutische Ansätze
Am Ideal der drogenfreien Gesellschaft orientiert
Ausrichtung auf Motivation u. Befähigung zu Abstinenz u. Kontrolle = totalitär
Prof. Dr. Gundula Barsch
PräventionSuchtprävention und Jugend: Sie können zueinander nicht finden!!
Drogenkonsum - ein ambivalentes Phänomen!
Positiven Möglichkeiten:
Neue Erfahrungen
Entspannung
Neugier
Spaß
Negative Möglichkeiten:
Risiko für die Gesundheit
Kontrollverlust
Realitätsverlust
Verlust sozialer Kompetenzen
Themen der Jugendlichen! Themen der Prävention!
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Umgang mit jugendlichem Drogenkonsum
Wie reagiert Jugendbereich auf Drogenkonsum?
Nicht Wahrnehmen
Kontaktabbruch (z. B. Rausschmiss, Hausverbot)
Kontaktunterbrechung (z. B. „Komm wieder, wenn Du nicht mehr konsumierst z. B. nach der Therapie“)
Verhaltensausgrenzung (z. B. „Drogenfreie Räume“)
Kanalisation (gilt für legalisierte Drogen = erst ab einem bestimmten Alter, nur zu bestimmten Anlässen, nur ab bestimmter Zeit)
Toleranz
Integration (bisher fast nur beim Rauchen)Das Abstinenzdogma lässt Jugendliche bei ihrer
Auseinandersetzung mit psychoaktiven Substanzen allein!
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Neu: Widerstand gegen diskriminierende Zuschreibungen!
Konsumenten fordern Mitsprache bei:
Der Entwicklung von sozialen Umgangsweisen mit psychoaktiven Substanzen
Der Wahrnehmung u. Definition von Drogenproblemen
Auffassungen über mögliche Wege u. Mittel der Hilfe u. Unterstützung
Neuer Blick auf Widersprüche u. Grenzen bisheriger Praxis
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Diversifizierung und Entwicklungsdynamik des Drogenkonsums
Abstinenz: Die Last des Experten - „Da(zu)seins“
Realitätsbezug notwendig:
Drogen haben für die Menschen unterschiedliche Funktionen u. Bedeutungen.
Drogen sind in unterschiedliche Drogenkulturen eingebunden.
Auseinandersetzung mit Drogen sind für (fast) alle Bürger eine Herausforderung, der sie sich in verschiedenen Lebensphasen immer wieder stellen müssen = lebenslange Entwicklungsaufgabe.
Nur wenige kommen dabei zu einer Abstinenzlösung = Substanzgebrauch gesellschaftliche Realität.
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Droge Wirkung/Effekt
Drogenkonsument
SetSettingArt der DrogeMengeApplikation
Drogenkonsum:Offener ProzeßHat viele GestaltungsmöglichkeitenRisiko kann, muß aber nicht sein
Drogenkonsum ist gestaltbar
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Grundkonzept einer Drogenerziehung
Drogenkonsum ist gestaltbar = Ausgangspunkt muss Bezug zu Dosierung, Set und Setting sein
Generell zwischen Gebrauch, schädlichem Missbrauch u. Abhängigkeit unterscheiden = ein geordneter u. (selbst-) kontrollierter Konsum ist möglich
Abhängigkeit als Ergebnis eines komplexen biologischen, psychischen u. sozialen Prozesses = Prozessorientierung
Übergeordnete Ziele einer Drogenerziehung
Drogenkonsum ist Handeln, das unter bestimmten Bedingungen in die Lebenswirklichkeit der Menschen integrierbar u. mit Wertemustern der Gesellschaft vereinbar sein kann!
Nicht Kommunikation über Krankheitsbilder, sondern über die Gestaltung der gesunden, selbst- u. sozial verantwortlichen Entwicklung!
Abkehr von nationalen u. internationalen Bewertungen von Substanzen (folgen einer spezifischen Logik u. Perspektive)!
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Paradigmenwechsel: „Akzeptanz statt Abstinenz“
Drogenkonsum ist für jeden Menschen verstehbar
Drogenkonsum kann prinzipiell von jedem Menschen gelernt werden
Zielt nicht auf “Be-Herrschen” (unreflektiert vereinnahmt, beliebig und grenzenlos verfügbar, funktionalisiert für egozentrische Interessen, in ausbeuterischer Absicht), sondern Aneignen
Bei der Entwicklung von Umgangsweisen mit Drogen sollten die Menschen unterstützt werden u. Hilfestellung bekommen
Als generalisiertes Verhalten ist Abstinenz eine Äußerungsform des Unvermögens, mit Drogen umgehen zu können
Leitfiguren von Drogenmündigkeit
Drogenmündigkeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Zielorientierung von Mündigkeitskonzepten
Fertigkeiten, Willen und Selbstkontrolle, um Vorgaben zur Risikoabwehr buchstabengetreu umsetzen zu können
Drogenmündigkeit:
sich eigenständig
in vielfältigen Alltagssituationen
orientieren und zu jeweils
angemessenen Formen im
Umgang mit Drogen
finden
können.
Sehr komplexes Handeln
Kein profaner Prozess
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Drogenmündigkeit
Drogenkunde Genußfähigkeit Kritikfähigkeit Risikomanagement
informativ
technisch
kulturell motivational
kulturell
technisch
ethisch
analytisch
reflexiv
sozial
informativ
technisch
ethisch
Notwendige Kompetenzen
• Technische• Soziale • Kulturelle• Reflexive• Emotionale• Sinnliche
sinnlich
Umfassensbereiche von Drogenmündigkeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Aspekte von Drogenmündigkeit
Informativ: Wissen u. Kenntnisse
Technisch: praktische Handhabung u. Erschließen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten
Kulturell: Kenntnisse/Fähigkeiten zu Sinnerwerb u. Sinnsetzung für den Umgang, Erkennen kultureller Codes
Aspekte von Drogenkunde:
Kulturell: Kenntnis u. kritische Auseinandersetzung mit Genussnormen (Rationalisierungen, Symbolisierungen, Beweggründe, Inszenierungen) u. Genussobligationen der Drogenkultur
Technisch: Kontrollfertigkeiten in Bezug auf Wirkungen der Drogen, Gestaltung von Set und Setting, Herstellen von Bezügen zwischen Drogenkonsum u. gelebtem Lebensstil, Rollen, Zukunftsentwürfen
Motivational: Willens- u. Erlebensfaktoren für erfüllte sinnliche Erfahrungen
Aspekte von Genussfähigkeit:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Aspekte von Drogenmündigkeit
Analytisch: Einschätzung von Situationen bezüglich Ort, Zeit, Menge, Art der Droge, Person
Reflexiv: Vermögen, sich der Angemessenheit von Drogenkonsum in Bezug auf sich selbst und die Gemeinschaft kritisch vergewissern zu können
Ethisch: Fähigkeit zu sozial verantwortlichem Handeln u. Respekt vor der inneren u. äußeren Natur des Menschen
Aspekte von Kritikfähigkeit:
Informativ-technisch: Kenntnisse zu möglichen Belastungen sowie zu Ressourcen u. Fähigkeiten, diese bewältigen zu können
Soziale u. ethische Dimension: Fähigkeiten u. Fertigkeiten für sozial verantwortlichen Drogenkonsum, indem z. B. auch die Risiken für andere wahrgenommen und im Handeln berücksichtigt werden
Risikomanagement:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Fixieren des Drogenkonsums als Gesundheitsrisiko
Gesundheit
körperlich
psychisch
sozial
psychisch
sozial
körperlich
Risikoprävention: Zur Definition von Risiko
GewinnVerlust
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Gesundheitsförderung im Sinne der WHO
Menschen in die Lage versetzen, mehr Einfluss zu nehmen auf ihre Gesundheit = physisches, psychisches u. soziale Wohlergehen
Menschen befähigen, eigene Wünsche u. Bedürfnisse wahrzunehmen, zu realisieren und dazu die Umgebung zu verändern oder sich an diese anzupassen
Übergeordnete Ziele einer Drogenerziehung
Abkehr von einer defizitorientierten Wahrnehmung im Sinne von abschrecken, verhindern, bewältigen
Orientierung auf die Entwicklung personaler und sozialer Ressourcen
Emanzipatorisch angelegt = Menschen befähigen
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention
Wahrnehmung von Abhängigkeit für Prävention
Im Fokus der Aufmerksamkeit steht ein Prozess:
Der unstet u. umkehrbar ist oder sistieren kann,
Durch vielfältige Faktoren beeinflusst wird (intrapersonale u. externe, v. a. soziokulturelle u. ökonomische sowie biologische Faktoren),
Der eine Eigendynamik entwickelt, die außer von Substanzeigenschaften von Angebotsstrukturen und sozialen Bedingungen (z.B. Konsumrituale, Ausgrenzung von Konsumierenden) abhängt,
Der immer wieder individuelle u. individuell verantwortete Entscheidungen beinhaltet.
Übergeordnete Zielsetzungen der Suchtprävention
Abkehr von der ausschließlichen Orientierung am „Worst-case“ Endzustand
Abkehr von der Annahme gleichsam nach festen Schemata regelhaft verlaufenden Prozessen mit körperlichem, psychischem u. sozialem Verfall
Abkehr von der Betonung ausschließlich individueller Gefährdungsmomente
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Entwicklung von Drogenmündigkeit
Einflussfaktoren:
Aus allen Bereichen der Gesellschaft (u. a. Ökonomie, Recht, Bildung, Politik, Wertesystem)
Auf allen Ebenen der Gesellschaft ( individuell, kollektiv, gesellschaftlich)
Komplexe Gestaltungsaufgabe:
Drogenkonsum ist kein einzelner individueller Akt, sondern wird in vielfältigen soziokulturellen Zusammenhängen entwickelt, vermittelt u. verändert
ist eingebunden in den Bestand kultureller Handlungsräume u. Verhaltensmodelle
Differenzierungen:
Sozialstrukturell (u. a. Klassen, Schichten, Lebensstile, kulturelle Milieus)
Sozialdemographisch (Geschlecht, Alter)
Entwicklung von Drogenmündigkeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Entwicklung von Drogenmündigkeit
Kollektive Verständigungsprozesse u. sozial vereinbarte Regeln zum Ausmaß von Selbstkontrolle bzw. Rausch
Orientierung u. Bewertungsmaßstäbe für angemessenen Drogenkonsum entwickeln
Zeit und Raum für die Entwicklung von Drogenkulturen
Gemeinsame Erfahrungen organisieren
Überlieferbare Ansichten formulieren
Wertmaßstäbe entwickeln
Sinnsysteme wachsen lassen
Notwendige Bedingungen
Zulassen und Dulden von Drogenkonsum
Straffreie Räume
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Entwicklung von Drogenmündigkeit
Durch vielfältiges Ausprobieren möglichst umfassender glücks- u. gemeinschaftsbetonter Erfahrungen werden:
Vorstellungen zu angemessenem Drogenkonsum entwickelt
selbstbestimmte Interessen wahrgenommen
hinderliche Bedingungen verändert
Entwicklung erfolgt nicht von oben, sondern in der Praxis auf pragmatische Weise!
Zentrale Akteure = soziale Netzwerke der Drogenkonsumenten und deren Selbsthilfe
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Entwicklung von Drogenmündigkeit
Pädagogische Praxis:
Nicht mehr erzieherische Kontrolle, die der Abstinenz verpflichtet ist,
sondern Drogenkonsum als gestaltbar begreifen u. Akteure darin unterstützen
Formen der Unterstützung bei der Entwicklung des notwendigen Kompetenzbündels
....
....
....
Fördernde Bedingungen:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Prävention Entwicklung von Drogenmündigkeit
Drogenmündigkeit der Gesellschaft
Drogenmündigkeit sozialer Gruppen
individuelle Drogenmündigkeit
Eine Gesellschaft bringt die Drogenmündigkeit hervor, die sie verdient!