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Psychische Belastung am Arbeitsplatz –
Burn-out und seine Prävention
Wolfgang Söllner
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Klinikum Nürnberg
Vortrag bei der Personalversammlung der Stadt Nürnberg
am 9. März 2016
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Themenliste• Meine Risikofaktoren für Burn-out
• Meine Schutzfaktoren gegen Burn-out
• Wie erreiche ich mehr Stresstoleranz? (z. B.: Wie kann ich besser mit Zeitdruck umgehen)
• Wie erreiche ich mehr Kompetenz im Umgang mit anderen?
• Wie erreiche ich mehr Sicherheit in meiner beruflichen/privaten Rolle (bei meinen beruflichen/ privaten Zielen)?
• Wie erreiche ich mehr Lebenszufriedenheit (Ausgeglichenheit zwischen Beruf und Privatleben)?
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Belastung und Burn-out
• Wann wird aus der täglichen Belastung Burn-out?
• Symptome
• Risikofaktoren
• Schutzfaktoren
• Prophylaxe
• Was tun, wenn es für die Prophylaxe zu spät ist?
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Was ist Burn-out?
Burn-out ist ein kumulativer Prozess der zum Verlust körperlicher und mentaler Energie, zu emotionaler Erschöpfung und Rückzug führt (Maslach 1981).
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Burnout ist ein schleichend verlaufender psychischer und physischer Abbauprozess von engagierten IdealistInnen zu erschöpften, resignierten und deprimierten Wesen (Redmann 1996).
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Was ist Burnout ? Symptome
• Emotionale Erschöpfung
– Ich fühle mich am Ende des Arbeitstages verbraucht.
– Den ganzen Tag mit Menschen zu arbeiten strengt mich an.
• Geringe berufliche Erfüllung
– Ich habe kaum lohnende Ziele bei meiner Arbeit erreicht.
– Mir fällt es schwer, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
• Depersonalisation
– Ich befürchte, dass mich meine Arbeit weniger mitfühlend macht .
– Ich nehme an mir zunehmend eine abweisende oder gar zynische Einstellung wahr.
Maslach & Jackson 1981
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Körperliche und psychische Beschwerden
• Schlafstörungen, Müdigkeit
• Befindlichkeitsstörungen (sog. funktionelle Beschwerden): Muskelschwäche, Magen-Darm-Beschwerden, Überempfindlichkeit gegenüber Lärm
• Störungen der Konzentration und Merkfähigkeit,Vergesslichkeit
• Stimmungsveränderung: Reizbarkeit, Depression
• Wiederkehrende oder chronische Schmerzen:Bewegungsapparat, Kopfschmerzen
• Häufige virale Infekte
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Entsteht Burn-out durch Stress?
Eustress:
• Anforderung der Umwelt (Stressor)
• Herausforderung
• Aktivierung der ‚Stress-Achse‘
• Akute Stressreaktion (‚Alarmphase‘): Mobilisierung von Energie, Konzentration und Aufmerksamkeit
• Rückkehr zur Entspannung
• Erfolgserlebnis
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Entsteht Burn-out durch Stress?
Distress:
• Anhaltende Stressoren
• Mangelnde Bewältigung
• Keine Rückkehr zur Entspannung
• Mangelndes Erfolgserleben
• Chronische Stressreaktion (‘Erschöpfungsphase‘)
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Wann wird aus Eustress Distress?
‚Äußere‘ Faktoren:
• Anhaltende Belastung (Stressoren)
• Mangelnder Erfolg
• Mangelnde Kontrolle
• Mangelnde Anerkennung
‚Innere Faktoren‘: Unzureichende Stressbewältigung
• ‚Nicht-Wahrhaben-Wollen‘ (Verleugnung)
• Weiter-wie-bisher
• Keine Sorge für Entspannung und Ausgleich
• Abwehr unerträglicher Gefühle („Anästhesie der Gefühle“)
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Entwicklung von Burnout
Vermehrtes Engagement für Ziele
Erschöpfung
Reduziertes Engagement
Abbau, Rückzug
Psychosomatische Reaktionen
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Burn-out StadienPhase 1: Aktivität und
Aggression
1 - Zwang, sich zu beweisen
2 - Verstärkter Einsatz
3 – Aggressives Herangehen an Aufgaben, häufig Ärger
4 - Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
5 - Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
6 - Verleugnung der Probleme
Phase 2: Flucht und Rückzug
7 - Getriebensein, Furcht vor Scheitern, Erschöpfung
8 - Rückzug, reduziertes Engagement
9 - Beziehungen werden auf Mindestmaß reduziert (Depersonalisation)
Phase 3: Isolation und Passivität
10 - Innere Leere und Lähmung
11 - ev. Zynismus
12 - Depression, psychosomatische Beschwerden
13 - Völliges Burn-out
Freudenberger et al. 1994; Bergner 2007
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Folgen von Burnout
Persönlich
• körperliche Erschöpfung (Schlafstörung, virale Infekte)
• psychische Erschöpfung (Angststörungen, Depression)
• Partner- und Familienkonflikte (Scheidungsrate +20%)
• Missbrauch von Medikamenten, Genussmitteln und Drogen
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Folgen von Burnout
Arbeitsbezogen
• mehr Krankenstand
• geringere Motivation
• sinkende Klienten-/ Patientenorientierung
• mehr Fehler, schlechtere Qualität der Arbeit
• geringe Zufriedenheit am Arbeitsplatz
• mehr Fluktuation
Ursachen
Arbeitsbedingungen und Institutionen
Gesellschaftliche Bedingungen
zwischen-menschlicher Kontakt am Arbeitsplatz
Burnout
Individuelle Bedingungen
Persönlichkeit, life events,
Ressourcen
„Das Außen und das Innen“
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
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Risikofaktoren für Burn-out
Arbeitsbezogen:
• Überlange und schlecht planbare Arbeitszeit
• Schichtarbeit, Zahl der Nacht-und Wochenenddienste
• Wechselnde Arbeitsorte
• Lange Anfahrtswege
• Neue Arbeitsaufgaben, wenig Erfahrung
• wenig Einfluss auf Arbeitsabläufe
• Rollenunklarheit, Rollenkonflikte
• schwierige Kommunikation am Arbeitsplatz
• viele fachliche Kompromisse
• wenig Anerkennung
• wenig Unterstützung
• Unzufriedenheit mit der Arbeit
Sozial:
• Jüngeres Alter
• Frauen? (Mehrfachbelastung)
Persönlich:
• zusätzlich Belastungen außerhalb der Arbeit
• wenig Stressresistenz (Resilienz)
• wenig Stressbewältigungs-kompetenz
(Badura 2012)
Risikofaktoren Schutzfaktoren
arbeitsbezogen
gesellschaftlich/sozial
individuell
Risikofaktormodell
Psych. Anforderungen Einfluss/Kontrolle in der Arbeit
Das „Modell beruflicher Gratifikationskrisen“
nach Siegrist
Karasek‘s Job-Strain-Modell
Gesellschaftliche Risikofaktoren
Veränderung der Arbeitswelt (Neoliberalismus, Globalisierung)
• Arbeitsplatzunsicherheit
• Arbeitsverdichtung (D: Produktivität je Erwerbstätigenstunde +35%, 1991-2011)
• Multitasking
• Heimarbeit
• Erzwungene Mobilität
• Entfremdung
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SchutzfaktorenArbeitsbezogen:
• Planbare Arbeitszeit
• Sicherheit
• Werteorientierung
• Rollenklarheit
• Einfluss auf Arbeitsabläufe (Partizipation und Transparenz)
• Anerkennung
• Unterstützung
• Vielfalt der Arbeit aber ohne Überforderung
• Arbeitszufriedenheit
Persönlich:
• Befriedigende persönliche Beziehungen
• Interessen außerhalb der Arbeit
• Klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatsphäre
• Stressbewältigungs-kompetenz (Resilienz)
• Humor
W. Söllner, Psychosomatik Nürnberg
Vorbeugung gegen Burn-out: Was kann der Einzelne tun?
• Eigene Grenzen wahrnehmen, Belastungen sehen und darauf reagieren
• ‚Optimal performance‘ statt ‚perfect performance‘
• Achten auf den eigenen Körper (Bewegung, Ernährung, Schlaf, Entspannung...)
• Herstellen einer guten ‚work-life-balance‘
• Pflegen des eigenen Gestaltungsbereichs
• Kommunikation am Arbeitsplatz verbessern (je nach Möglichkeit mit Kollegen, Klienten, Vorgesetzten)
• Besseres Zeitmanagement• Fort- und Weiterbildung• Wahl des richtigen
Arbeitsplatzes; ev. Wechsel der Arbeit
WAS TUN SIE ?
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Burnoutprophylaxe: Was können Teams tun?
• Belastungen sehen und darauf reagieren
• gegenseitige Unterstützung
• reflektierende Teamkultur
• Fort- und Weiterbildung
• Unterstützung von außen mobilisieren (Supervision, Coaching, persönliche Beratung)
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Burnoutprophylaxe: Was können Leitungen tun?
• Arbeitsplatzqualität verbessern/erhalten
• Balance zwischen Mitsprache und Kontrolle
• Verbesserung der Kommunikationskultur: Anerkennung vermitteln, Konfliktkultur, Kritik aus der man lernen kann
• Belastungen identifizieren und darauf reagieren
• Qualitätsmanagement (Gesundheitszirkel)
• Organisationsentwicklung
• Mentorensystem
• Gute Fort- und Weiterbildung garantieren
• Kommunikationstraining
• Supervision, Coaching, Balintgruppen
Schutzfaktoren durch Vorgesetzte
• Gute Einarbeitung
• Klare Hinweise zur Priorisierung: was hat Vorrang?
• Aktive Feedback-Praxis: Beachtung, persönliches Interesse, Anerkennung, Lob
• Mitspracherecht und Gestaltungsmöglichkeiten einräumen
• Anregungen zur Verbesserung von Organisationsabläufen und Ressourcen-Schutz erwünscht
• Unterstützung bei der Karriereplanung
• Transparenz (Organisation, Entscheidungen, Vorgaben durch höhere Instanzen)
• Gerechtigkeit
• Respektvoll achtsamer Umgangsstil mit Kunden und Mitarbeitern
• Etablierung von Gesprächsrunden
• Offener Umgang mit eigenen Fehler (Fehlerkultur)
, ,
Vorbeugung, BehandlungArbeitsplatzbezogene
Interventionen
Ziele:
• Restrukturierung der Arbeitsorganisation
• Veränderung des Aufgabenspektrums
• Klärung von Zuständigkeiten
• Veränderung von Rollenmodellen, Rollenkonflikten
• Verbesserung der Beziehungen am AP
• Einbindung in Entscheidungen am AP
Methoden:
• Qualitätsmanagement
• Trainingsprogamme
• Supervision
• Unterstützungsprogramme (z. B. Achtsamkeitstraining)
• Mobilisierung gegenseitiger Unterstützung am AP
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Was tun, wenn es für die Prophylaxe zu spät ist ?
• Symptome ernstnehmen• Stop der Selbstbehandlung• Konsequenzen ziehen• Neutralen Berater suchen• Unterstützung suchen• Stress-Management• Entspannungstraining• Schrittweiser (Wieder-)Aufbau
körperlicher Aktivität• Psychotherapie (ambulant, stationär)• Bei ausgeprägter Depression
und/oder Schlafstörungen ev. antidepressive Medikamente
Vorbeugung, Behandlung
Personbezogene Interventionen (Verhaltensprävention)
Ziele:
• Besseres Stress-Management
• Verringerung von Selbstausbeutung, bessere Abgrenzung
• Verminderung der Abhängigkeit des Selbstwerts ausschließlich von der Arbeit
• Bessere work-life-balance
Methoden:
• Psychologische Beratung
• Stress-Management-Programme
• Meditation
• Entspannungstraining
• Multimodale Programme (amb., TK, stat.)
• 9 Behandlungsplätze stationär oder tagesklinisch
• Zuweisung von Haus- oder Fachärzten
• Ambulantes Vorgespräch
• Behandlungsdauer: 5-6 Wochen
• Gruppen- und Einzeltherapie
• Gesprächstherapie, körperbezogene Verfahren, Entspannungsverfahren, kreative Therapie
• Biofeedback
• Bewegungs-/Sporttherapie
• Einbeziehung von Partnern
• Ggf. Medikation
Nürnberger Behandlungsprogramm für Patienten mit Burnout
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Ich wollte, man finge damit an, sich selbst zu achten: Alles
andere folgt daraus.
Friedrich Nietzsche
Weiterführende Literatur
• Maslach Christine, Leiter MP. Die Wahrheit über Burnout. Stress am Arbeitsplatz und was Sie dagegen tun können. Springer-Verlag, Wien 2001
• Burisch M. Das Burnout-Syndrom. Springer-Verlag, Heidelberg 2006
• Bergner Thomas. Burnout-Prävention. Das 9-Stufen-Programm zur Selbsthilfe. Schattauer-Verlag, Stuttgart 2007
• Drexler Diana. Gelassen im Stress. Bausteine für ein achtsameres Leben. Klett-Cotta, Stuttgart, 2006
1 Burn-out und Ressourcen