Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

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Qualifizierung interkulturell Berichte und Methoden aus der Praxis [2]

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Übersicht über Methoden für interkulturelle Trainings in der Jugendarbeit. Nicht nur für Jugendliche verwendbar.

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Qualifizierung interkulturellBerichte und Methoden aus der Praxis

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IMPRESSUM

Planung und Redaktion: Corinna Spankeunter Mitarbeit von Cornelia Naami

Autorinnen und Autoren: Redouan Aoulad-Ali, Frank Bente, Abdel Qader Borno, Merfin Demir, Regine Hammerschmidt, Mascha Hausmanns, Ekaterina Ivanushkina, Tshikudi Londji, Natalia Marko-vich, Kerstin Raczak, Susanne Koch, Zarife Sezgün

Herausgeber: Landesjugendring NRW e.V.Projekt Ö2Martinstr. 2 a 41472 NeussTel.: 0 21 31/ 46 95-16Fax: 0 21 31/ 46 95-19

Homepage: www.ljr-nrw.deFacebook: www.facebook.com/ljr.nrwTwitter: www.twitter.com/ljr_nrw

V.i.S.d.P.: Roland Mecklenburg

Gestaltung: disegno GbR, Wuppertal

Bildhinweise:© fotolia.comS. 44: Das Foto wurde der Foto-DVD „Blickwinkel“, die der Deutsche Bundesjugendring im Rahmen von„Projekt P – misch Dich ein“ produziert hat, entnommen.Foto: Journalistenbüro Röhr : Wenzel

Druck und Weiterverarbeitung:Boerje Halm, Wuppertal

Auflage:1. Auflage Januar 2012, 2.500 Exemplare

gefördert vom

Impressum

Vorwort des Jugendministeriums Nordrhein-Westfalen 4

Vorwort des Landesjugendrings NRW 5

Wieso „Qualifizierung interkulturell“? 6

Natalia Markovich und Ekaterina Ivanushkina –

Verband der russischsprachigen Jugend in Deutschland – JunOst e.V. 8

Methode: „Der Weg ins Ungewisse!“ 11

Methode: „Könnt ihr sehen, was ich sehe?“ 13

Frank Bente – Arbeitskreis Jugend Essen 14

Methode: „Erlebnispädagogik – Vertrauens- und Kooperationsübungen in der Halle“ 17

Methode: „Länderwerfen“ 19

Abdel Qader Borno – Islamische Jugend Aachen 20

Methode: „Lebenswelten“ 23

Methode: „Erwartungsbrief an mich“ 25

Mascha Hausmanns – Jugendring Wuppertal 26

Methode: „Aufstellen“ 28

Methode: „Typisch deutsch“ 30

Tshikudi Londji – Jugendhilfe Afrika 2000 e.V. 31

Methode: „Erlebnispädagogische Waldtage mit Kindern“ 34

Methode: „Erlebnispädagogische Kulturtage mit Kindern“ 36

Zarife Sezgün – Alevitische Jugend in NRW e.V. 37

Methode: „Kuh-Stall-Spiel“ 39

Methode: „A wie Ausländer, D wie Deutscher“ 41

Kerstin Raczak und Regine Hammerschmidt – Kinder- und Jugendring Bochum 42

Methode: „Kulturcheck“ 46

Methode: „Moonies meet Sunnies“ 47

Redouan Aoulad-Ali – HIMA 49

Methode: „Meinungswolken (Clouds)“ 52

Methode: „Wer ist bunter?“ 54

Susanne Koch und Merfin Demir – Terno Drom e.V. 56

Methode: „BaFa-BaFa-Spiel“ 59

Landesjugendring NRW 65

Ö2 – Beratung von Jugendringen in Prozessen interkultureller Öffnung 66

Inhaltsverzeichnis 3

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Pädagogisches Handeln in der Migrationsgesellschaft bedarf besonderer Kompe-tenzen und Qualifikationen. Dies gilt in besonderer Weise für die Aktivitäten derKinder- und Jugendarbeit, deren Gelingen wesentlich von der Qualifizierung ihrervielfach auch ehrenamtlich tätigen Akteure abhängt. Aus diesem Grund hat derLandesjugendring NRW im Rahmen des Projektes „Ö2“ die vorliegende Broschüre„Qualifizierung interkulturell“ erarbeitet. Sie bietet einen Überblick über interkultu-relle pädagogische Methoden und einen Einstieg in die interkulturelle Qualifizie-rungsarbeit.

Interkulturelle Kompetenz ist die Grundlage für eine plurale Gesellschaft. Jeder Aktive in der Kinder- und Jugendarbeit kann wesentlich dazu beitragen, einen

respektvollen Umgang miteinander, die Anerkennung von Unterschieden und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Gleichzeitig ist interkulturelle Öffnung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Vielfalt und Be-sonderheiten unterschiedlicher Kulturen stellen keinen Gegensatz dar, sondern sollten als Ergänzungen zuei-nander verstanden werden. Die vorliegende Broschüre zeigt verschiedene Methoden für die Praxis auf, durchdie stereotype Denkstrukturen verändert und interkulturelle Kompetenzen erworben werden können.

Das „Projekt Ö2“ begleitet und unterstützt Jugendringe in NRW im Prozess der interkulturellen Öffnung. Darü-ber hinaus initiiert „Ö2“ Vernetzung und Kooperationen zwischen Jugendringen und Vereinen Jugendlicher mitMigrationshintergrund. Um möglichst vielfältige Perspektiven zu den Themen interkulturelle Qualifizierung undinterkulturelle Kompetenzen aufzeigen zu können, beinhaltet diese Broschüre Beiträge der im Projekt „Ö2“ be-teiligten Akteure: Die Autorinnen und Autoren engagieren sich ehrenamtlich bei Vereinen Jugendlicher mit Mi-grationshintergrund oder bei Jugendringen in NRW und sind in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv.

Sie schildern anschaulich ihre praktischen Erfahrungen, ihre Empfehlungen und ihre Sichtweisen zur interkul -turellen Qualifizierungsarbeit. Dadurch füllen Sie diese Broschüre mit Leben und ich freue mich, dass wir so engagierte Autorinnen und Autoren dafür gewinnen konnten. Ihnen möchte ich im Namen des Landesjugend-rings NRW ausdrücklich und sehr herzlich danken.

Interkulturelle Öffnung ist ein Prozess, der von den Aktiven vor Ort gestaltet werden muss. Mit der vorliegendenBroschüre möchte der Landesjugendring NRW diese Öffnungsprozesse unterstützen und Impulse für die inter-kulturelle Arbeit von und mit Kindern und Jugendlichen geben.

Roland MecklenburgVorsitzender des Landesjugendrings NRW

Vorwort des Landesjugendrings NRW 5

Sehr gerne setzt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen dieFörderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-grund und die interkulturelle Öffnung der verbandlichen Jugend-arbeit fort. Jugendverbände sind Orte der Begegnung und Teil-habe. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Integration.Der interkulturellen Arbeit kommt hier eine herausragende Be-deutung zu. Das „Projekt Ö“ setzte hier an und wurde erfolg-reich abgeschlossen. „Ö2“ setzt diesen Prozess fort und unter-stützt Jugendringe in NRW bei der inter kulturellen Öffnung undhilft bei der Initiierung interkultureller Netzwerke. Das ist derrichtige Weg.

Interkulturelle Kompetenzen fördern die persönliche Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen. Sie tragen zum gesellschaftlichen Miteinander von Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen bei. Bereits im Kindes- und Jugendalter werden die Weichen für einen respektvollen Umgang miteinander gestellt. Inter -kulturelle Öffnung ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit, die zugleich alle Aktiven in der Kinder- und Jugendarbeit pädagogisch vor große Herausforderungen stellt.

Ich freue mich, dass im Rahmen des „Projekt Ö2“ nun diese Broschüre erschienen ist, die vielfältige Unter -stützung und Hinweise gibt, wie interkulturelle Öffnung praktisch umgesetzt werden kann. Sie bietet erste Anhaltspunkte für interkulturelle Module im Rahmen von Qualifizierungen und Seminaren, zeigt vielfältige Ansätze aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf und erläutert praktische Methoden für die Arbeit vor Ort. Sie wird die Kinder- und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen bereichern und ich wünsche mir, dass sie viele Aktive motiviert, interkulturelle Methoden bei ihren Seminaren und Qualifizierungen anzuwenden.

Ute SchäferMinisterin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen

Vorwort des Jugendministeriums Nordrhein-Westfalen 4

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Tshikudi Londji, Gründungsmitglied des Vereins Jugend-hilfe Afrika 2000 e.V., erzählt, wie die interkulturelle Pfad-findergruppe „Porzer kleine Finken“ die Natur und Umweltin Köln-Porz erkundet. Mit seinem Bericht aus der Praxiszeigt er anschaulich auf, wie sich die Pfadfindermethodemit ihrem natur- und kulturpädagogischen Ansatz für dieinterkulturelle Qualifizierung und die Entwicklung interkul-tureller Kompetenzen eignet.

Für die Alevitische Jugend in NRW berichtet Zarife Sez-gün vom interkulturellen Verständnis ihres Jugendverban-des, das auf einer humanistischen Welt- und Werteauffas-sung basiert. Die von ihr beschriebene Methode „A wieAusländer, D wie Deutscher“ hilft bei der Sensibilisierungvon Selbst- und Fremdwahrnehmung und dem Umgangmit Vorurteilen.

Der Kinder- und Jugendring Bochum gibt einen Einblickin die interkulturelle Qualifizierungsarbeit des Jugend-rings: Kerstin Raczak und Regine Hammerschmidt be-richten über ihre Erfahrungen bei der Durchführung vonSeminaren zur interkulturellen Kompetenz und bieten zu-gleich mit der Methode „Moonies meet Sunnies“ einenspielerischen Einstieg in das Thema.

Redouan Aoulad-Ali zeigt, wie die Initiative HIMA Um-welt- und Naturschutz aus islamischer Perspektive mit in-terkulturellen Aspekten verknüpft. Mit „Meinungswolken(Clouds)” beschreibt er eine Methode, mit der die Mei-nungsbildung in den Mittelpunkt gerückt und die Mei-nungsvielfalt gefördert wird.

Susanne Koch und Merfin Demir stellen die interkultu-relle Arbeit von Terno Drom e.V., einer interkulturellen Jugendorganisation von Roma und Nicht-Roma in Nord-rhein-Westfalen, vor und überlegen, welche Bedeutungder Begriff Kultur hat. Das von ihnen beschriebene BaFa-BaFa-Spiel bietet die Möglichkeit, Kulturbegegnungen imRahmen eines Gruppenspiels zu simulieren.

Wieso „Qualifizierung interkulturell“? 7

Die vorliegende Broschüre „Qualifizierung interkulturell“entstand im Rahmen des Projekts „Ö2“. Der Broschüreliegt die Idee zugrunde, die praktischen Erfahrungen vonVereinen Jugendlicher mit Migrationshintergrund und Ju-gendringen im Bereich der interkulturellen Öffnung ineinem Sammelband zusammenzuführen. Das Autoren-team setzt sich dabei aus dem Spektrum der Akteure zu-sammen, die im „Projekt Ö2“ aktiv sind und mitarbeiten.Alle Autorinnen und Autoren konnten den inhaltlichenSchwerpunkt im Rahmen des vorgegebenen Themas in-terkulturelle Qualifizierung frei gestalten und wurden ge-beten, zwei interkulturelle pädagogische Methoden vor-zustellen, mit denen sie selbst gern arbeiten. Dieunterschiedlichen Beiträge zeigen dabei die verschiede-nen Perspektiven, Sichtweisen und das jeweilige Ver-ständnis von interkultureller Kompetenz auf. Entspre-chend vielfältig sind die Erfahrungsberichte, Tipps undpädagogischen Methoden, die von den Autorinnen undAutoren erläutert und vorgestellt werden:

Natalia Markovich und Ekaterina Ivanushkina engagie-ren sich ehrenamtlich beim Verband der russischspra-chigen Jugend in Deutschland – JunOst e.V. und stellendie Idee der Kinderferienfreizeit „Multivilla – eine Weltreisefür Kinder“ vor. Mit der interkulturellen Methode „Könntihr sehen, was ich sehe?“ zeigen sie, dass jeder Menscheinen eigenen Blick auf seine Umwelt hat.

Für den Arbeitskreis Jugend Essen stellt Frank Benterückblickend das Konzept der Begegnungsmaßnahme„Nahraumbegegnung“ vor, die sich an junge Menschenzwischen 14 und 18 Jahren mit und ohne Migrations -hintergrund richtete. Zudem beschreibt er erlebnispäda-gogische Vertrauensübungen, die bei der „Nah raum -begegnung“ bereits erfolgreich in der Praxis erprobtworden sind.

Abdel Qader Borno, ehrenamtlich Aktiver bei der Islami-schen Jugend Aachen, berichtet in seinem Beitrag voneiner Schulung für Jugendleiterinnen und Jugendleiter, dieer selbst während eines Praktikums in Jordanien durch-geführt hat. Er wünscht sich, dass Jugendliche mit undohne Migrationshintergrund durch Qualifizierungen dieMöglichkeit zur Partizipation erhalten, Anerkennung er-fahren und interkulturelle Kompetenzen erwerben.

Mascha Hausmanns stellt in ihrem Beitrag die interkul-turelle Qualifizierungsarbeit des Jugendrings Wuppertaldar und gibt Tipps aus der Praxis. Mit der Methode „Auf-stellen“ zeigt sie, wie zu Beginn einer Qualifizierung derEinstieg in die Themenbereiche interkulturelle Kompetenzund interkulturelle Öffnung gelingt.

Wieso „Qualifizierung interkulturell“?6

Wieso „Qualifizierung interkulturell“?

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den Angeboten teilnehmen. Das impliziert von vornhereindie interkulturelle Öffnung und die damit verbundene Qua-lifizierungsarbeit. Kinder- und Jugendakademien, Festi-vals und andere Veranstaltungen sind so konzipiert, dassverschiedene Kulturen zusammenkommen und auf krea-tive Art und Weise miteinander arbeiten.Im Laufe der Jahre wurden im Bereich der interkulturellenQualifizierung viele verschiedene Erfahrungen gesammelt,denn interkulturelle Kompetenz ist eine Voraussetzung fürerfolgreiche Jugendarbeit und für das Leben in einer Ge-sellschaft ohne Vorurteile. Es ist ein ständiger Prozess derWeiterentwicklung und Weiterbildung, der nie stehenbleibt. Von klein auf sammeln wir Bilder und Schablonen,die sich zu Stereotypen und Vorurteilen entwickeln. Jeälter man wird, desto schwieriger ist es, die Menschennicht in Schubladen zu stecken und vorurteilsfrei zu leben.Umso früher man also damit anfängt, Kindern interkultu-relle Kompetenz zu vermitteln, desto einfacher wird es fürsie im weiteren Leben und desto offener wird unsere Ge-sellschaft gegenüber anderen Kulturen, Traditionen undSitten. Wenn Kinder unterschiedlicher Herkunft zusam-men ihre Kreativität ausleben und dabei verschiedeneKulturen auf besondere Art und Weise erkunden, wird beidiesen Kindern die Akzeptanz anderer Kulturen praktischunbewusst aufgebaut. Nach und nach wird klar, wie dieKultur des Anderen aussieht, was dabei besonders ist undman findet Ähnlichkeiten mit der eigenen Kultur. Es wirdden Kindern ermöglicht, Erfahrungen mit Menschen zumachen, die anders aussehen und sich anders verhaltenals sie selbst, so dass sie sich mit ihnen wohl fühlen undEmpathie entwickeln können. Das vom Jugendklub „Vergissmeinnicht“ des Verbandsder russischsprachigen Jugend in Deutschland – JunOste.V. durchgeführte Projekt „Multivilla – eine Weltreise fürKinder“ hat eine Möglichkeit für Kinder entdeckt, interkul-

turelle Erfahrungen zu sammeln. „Multivilla“ ist eine Feri-enfreizeit, die ihre Türen für 40 Kinder unterschiedlicherkultureller Herkunft im Alter von 7 bis 12 Jahren für eineWoche in einer Bildungsstätte in Himmighausen öffnet.Jeder Tag wird einem bestimmten Thema, einem Landoder einer Kultur gewidmet. Täglich gibt es Landeskun-deunterricht oder Workshops. Die Kinder haben hier dieMöglichkeit, thematisch durch die Kontinente zu reisen,mit dem Ziel, die Kultur und Sprache, Sehenswürdigkeitenund Besonderheiten dieser Orte näher kennen zu lernenund anschließend einen „Reisebegleiter“ mit dem Multi-Wörterbuch selbst zu gestalten. Abends bereiten die Kin-der Veranstaltungen zu einem bestimmten Thema vor, dasjeweils von Land zu Land je nach Tag und Gruppe variiert.Zum Schluss wird ein Trickfilm über die gemeinsameReise im Video- und Foto-Workshop hergestellt. Multivillaist ein Ort, in dem alles multipliziert wird: Sprachen, Kul-turen, Kenntnisse, Erfahrungen. Eine der vielen im Projektangewandten Methoden, die den Kindern zeigt, dass jedebeziehungsweise jeder unterschiedlich ist und unterschied-liche Sichtweisen hat, wird im Weiteren genauer erklärt.

Tageswanderungen als Instrument fürinterkulturelle Qualifizierungen

Wichtig für interkulturelle Qualifizierungen ist, dass manversucht, eine vorurteilsfreie Atmosphäre innerhalb derGruppe zu schaffen. Ein Gruppengefühl ist dabei von gro-ßer Bedeutung. Nur dann, wenn innerhalb einer interkul-turellen Gruppe das Gefühl des Zusammenhalts vermitteltwird, unabhängig von der Herkunft jeder einzelnen Per-son, lernt man auch, im Leben mit anderen Kulturen er-folgreich zu agieren. Das Individuum an sich, mit seinenStärken und Schwächen, sollte im Mittelpunkt stehen.

Natalia Markovich & Ekaterina Ivanushkina, Multivilla – eine Weltreise für Kinder 9

Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, mit Menschenanderer Kulturen vorurteilsfrei zu leben und zu agieren.Wir leben heute in einer multikulturellen Gesellschaft. Vordiesem Hintergrund arbeiten zunehmend mehr Menschenaus unterschiedlichen Kulturen zusammen. Entsprechendwächst der Bedarf an interkulturellem Lernen. Nur unterder Voraussetzung, dass man Menschen aus anderenKulturen akzeptiert und auf diese eingeht, ist ein gemein-sames Zusammenleben möglich.Vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit treffenoft viele verschiedene Kulturen aufeinander. Dies ge-schieht besonders dann, wenn es um Integration geht.Der Verband der russischsprachigen Jugend in Deutsch-land – JunOst e.V. ist ein Verband, der für alle Menschenund alle Kulturen offen ist. Unabhängig von Herkunft undReligion kann jeder, der sich für Russland und die russi-sche Kultur interessiert, dem Verband beitreten und an

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Multivilla – eine Weltreise für Kinder

Das Autorenteam: Wir sind ehrenamtlich im Ver-band der russischsprachigen Jugend in Deutsch-land – JunOst e.V. (VRJD – JunOst e.V.) aktiv. DerVerband existiert seit 2001 und konzentriert sich aufKinder- und Jugend-, Kultur- und Integrationsarbeit.JunOst e.V. ist bundesweit aktiv und betreibt aucheinen Jugendklub in Düsseldorf (Jugendklub „Ver-gissmeinnicht“).

Mein Name ist Ekaterina Ivanushkina und ich bin seit 2009 im Vorstand des Jugendklubs „Vergiss-meinnicht“ des Verbands der russischsprachigen Jugend in Deutschland – JunOst e.V. aktiv. Ich stu-diere derzeit an der Universität Bonn Ernährungs-und Lebens mittel wissenschaften.

Ich heiße Natalia Markovich und bin seit 2009 Bei-sitzerin im Vor stand des Verbands der russischspra-chigen Jugend in Deutschland – JunOst e.V. Darü-ber hinaus bin ich seit 2011 Beisitzerin im Vorstandder djo – Deutsche Jugend in Europa e.V. Ich habeden Bachelor-Studiengang Medien- und Kulturwis-senschaften an der Universität Düsseldorf erfolg-reich absolviert und besuche nun den Master-Studi-engang Medienwissenschaften an der Uni Bonn.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 11

Diese Werte gilt es, im Rahmen der interkulturellen Arbeitzu vermitteln. Dabei haben sich Wanderungen (auch Tageswanderungen) als interkulturelle Methode beson-ders bewährt. Die Voraussetzung für eine solche Tages-wanderung ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmerauch tatsächlich unterschiedlicher Herkunft sind. Dadurchbekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich selbst, andere und die Natur in außer-gewöhnlichen und herausfordernden Situationen zu erleben. Die Wanderung an sich bietet die Möglichkeit,

das Wir-Gefühl einer Gruppe zu schaffen und zustärken, da in diesem Fall die Zusammenarbeit in derGruppe unentbehrlich ist.Ve ran twor tungs be -wusst sein für sich unddie anderen, Vertrauen,Akzeptanz der anderenGruppenmit glieder undeine Erhöhung der Kooperations- undKommunikationsfä-higkeit innerhalb derGruppe werden durchWanderungen vorder-gründig vermittelt. Da-durch, dass man sichbei einer Wanderungauf Neues einlässt,kann diese Methodemit dem interkulturel-len Lernen gleich-gesetzt werden.Denn auch beim in -

terkulturellen Lernenist das Einlassen auf

Unbekanntes (neue Kultur, andere Regeln) eine wichtigeVoraussetzung. Darüber hinaus können im Rahmen von Wanderungenauch gruppendynamische Spiele mit interkulturellen As-pekten durchgeführt werden. Aus diesem Bereich wirdeine Methode im Anschluss ausführlicher vorgestellt.Es ist wichtig, dass für die interkulturelle Qualifizierungeine Vorauswahl an Methoden stattfindet, welche die Leit-motive und Ziele beachtet. Darüber hinaus sollten Metho-den auf die und mit der Zielgruppe individuell abgestimmtwerden, da jede neue Gruppe einzigartig ist. Es nütztnichts, sich ausführlich mit Methoden zu beschäftigen,ohne sich vorher klar zu machen, vor welchem Hinter-grund diese zum Einsatz kommen sollen.

Natalia Markovich & Ekaterina Ivanushkina, Multivilla – eine Weltreise für Kinder10

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Der Weg ins Ungewisse!“

Inhalt: Waldwanderung zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls

Zeit: ca. 2 Stunden

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 10 Personen bis unbegrenzt, Aufteilung in 2 Gruppen

Material: Orientierungskarte, Seile, Fahnen, Stifte und Papier – alles, was dazu benötigt werden kann, um die Richtung symbolartig zu markieren.

Ziel: Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, Erweiterung des Horizonts, Selbst -reflexion und objektive Reflexion einüben, Erweiterung von Kooperations- undKommunikationskompetenzen, Einlassen auf Neues.

Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: ab 12 (jüngere Teilnehmende mitBegleitung der Teamerinnen und Teamer)

Beschreibung:Es gibt zwei Gruppen, die ein Ziel im Wald erreichen müssen. Gruppe 1 kennt den Zielortund besitzt eine Karte. Beim Wandern wirdder Weg mit Hilfe von unterschiedlichen Ma-terialen für Gruppe 2 markiert. Gruppe 1 solltedabei einen möglichst kurzen, jedoch auch sicheren Weg finden. Die Gruppe ist für ihreSicherheit selbst verantwortlich. Beide Grup-pen haben bis zum Zielort keinen Kontakt.

>Gruppe 1 hat etwa 20 Minuten Zeit, um zumZielort zu kommen. Nach 20 Minuten beginntGruppe 2 mit der „Reise“. Die Aufgabe ist erfüllt, wenn beide Gruppen am Zielort ange-kommen sind.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 13Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit12

Reflexion der Methode: Eine geeignete Methode der Reflexion von Erlebnissen und Lernprozessen ist immerwichtig. Nur so kann die interkulturelle Kom-petenz der Teilnehmenden nachhaltig geför-dert werden. Bei der Auswertung der Orien -tierungstour kann der Vergleich zwischen „sichauf Unbekanntes einlassen“ und „anderenKulturen begegnen“ gezogen werden. In beidenFällen sind solche Fähigkeiten wie „Zeichenlesen und richtig deuten“ und „sensiblesWahrnehmen“ besonders wichtig. Darüber hinaus können Gefühle und Empfindungenbezüglich der Teamarbeit, der Kommunikationund des Vertrauens ausgewertet werden.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Es sollte im Vorfeld eine gute und übersicht -liche Karte erstellt werden. Der Zielort sollteso bestimmt werden, dass er auch tatsächlicherreichbar ist. Hindernisse auf dem Weg sindvon Vorteil, da dadurch die Gruppe einen stär-keren Zusammenhalt bekommt. Bei jüngerenJugendlichen sollten mehrere Personen dasSpiel kontrollieren.

Beschreibung: Jeder sieht die Dinge anders – warum sehenwir uns also nicht unseren Gruppenraum an?Alle wählen einen bestimmten Blickwinkel, der ihnen gefällt und zeigen ihn den anderen.Jeder erhält ein Blatt Papier und einen Stift.Die Spielleitung bittet die Teilnehmerinnenund Teilnehmer, ihre Namen auf das Blatt zuschreiben und dann ein Loch hinein zu ma-chen, so dass das Blatt Ähnlichkeit mit einemRahmen hat (es spielt keine Rolle, welcheForm das Loch hat, solange man durchsehenkann). Anschließend suchen sich alle Teilneh-merinnen und Teilnehmer einen Gegenstand,an dem sie ihren Rahmen befestigen odereine Ansicht, die sie darin einfangen. Die Fantasie hat freien Lauf – erlaubt ist, was ge-fällt! Danach laden die Teilnehmenden einan-der ein, durch ihre Rahmen zu blicken und zu

beschreiben, was sie sehen. Wenn alle einenBlick durch die meisten Rahmen geworfenhaben, kann das Spiel beendet werden.

Reflexion der Methode: In der Gruppe können zur Reflexion folgendeFragen diskutiert werden: Konnten die ande-ren durch deinen Rahmen das erkennen, wasdu gesehen hast? Gab es überraschende oderneue Perspektiven für dich? Hast du durch denRahmen anderer das gesehen, was sie dir zei-gen wollten?

>Methode: „Könnt ihr sehen, was ich sehe?“

Inhalt: Aufzeigen unterschiedlicher Blickwinkel

Zeit: 15 bis 20 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: beliebig

Material: ein Blatt A4-Papier und einen Stift für jedes Gruppenmitglied, Klebeband

Ziel: Verdeutlichung, dass jeder Mensch die Dinge anders sieht und einen eigenen Blickwinkel hat.

Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: ab 7 Jahren

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Frank Bente, Erfahrungsbericht „interkulturelle Nahraumbegegnung“ 1514

Der Arbeitskreis Jugend Essen setzt sich im Rahmen jugendpolitischer Interessenvertretung sowie bei der Gestaltung konkreter Maßnahmen für die interkulturelleÖffnung der Jugendverbände, die Förderung von in ter -kultureller Kompetenz sowie für die Stärkung von Migran-ten(jugend)selbstorganisationen ein. Dabei verstehen wirinterkulturelle Orientierung als positive Bewertung vonVielfalt und Ressourcenorientierung anstatt kulturorien-tierter Problemanalyse und kulturignoranten Interventio-nen. Interkulturelle Orientierung ist die Antwort aufsprachliche und kulturelle Vielfalt und richtet sich an jungeMenschen jedweder Herkunft. Ziel des Arbeitskreises Ju-gend Essen ist es, die Interaktionsbeziehungen zu fördernund eine ressourcenorientierte Perspektive zu verfolgen.Im Rahmen seiner interkulturellen Arbeit war der Arbeits-kreis Jugend Essen u.a. in das Projekt „Ö“ des Landes -jugendringes NRW eingebunden und leitet in Essen einestadtweite, trägerübergreifende AG interkulturelle Kinder-und Jugendarbeit, in der auch Migranten(jugend)selbst-organisationen beteiligt sind. Im Kontext dieser AG hatder Arbeitskreis Jugend Essen vielfältige Veranstaltungenz.B. zur interkulturellen Sensibilisierung und zur interkul-turellen Öffnung von Migrantenselbstorganisationen so wievon Jugendverbänden organisiert. Mit dem Projekt „5 & 6“hat der Arbeitskreis Jugend Essen 2010 ein mehrjährigesProjekt gestartet, das zum Ziel hat, neue Ansätze im Be-reich der interkulturellen Öffnung zu entwickeln: Zum einensollen junge Migrantinnen und Migranten im Rahmen derJugendverbandsarbeit aktiviert werden, zum anderen solldie interkulturelle Öffnung in der bestehenden Jugendver-bandsarbeit in zwei Essener Stadtbezirken unterstütztwerden. Im Rahmen der Förderung interkultureller Kom-petenz hat der Arbeitskreis Jugend Essen seit 2006 sechs

Mal die interkulturelle Nahraumbegegnung organisiert. DieNahraumbegegnung war eine stadtweite, trägerübergrei-fende Be geg nungsmaßnahme von jungen Menschen ausverschiedenen Jugendeinrichtungen und -gruppen. Sieverfolgte sowohl das Ziel der Förderung interkulturellerKompetenz von jungen Menschen als auch die der inter-kulturellen Öffnung der Kinder- und Jugendarbeit in offenenJugendeinrichtungen und in der Jugendverbandsarbeit.Die Maßnahme richtete sich an junge Menschen zwischen14 und 18 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund. Mitdem Begriff der Nahraumbegegnung ist eine Form vonthema tischer Begegnungsmaßnahme beziehungsweiseSeminar gemeint, die in der näheren Umgebung des Wohn-orts der Jugendlichen stattfindet. Schwerpunkte waren indiesem Fall Interkulturalität, Antirassismus und interkultu-relle Kompetenzentwicklung. Methodisch wurde ein Mixaus sozialem Lernen innerhalb der Gruppen, Spiel, Sport,Freizeitaktivitäten und Informations- und Reflexionsein-heiten angestrebt. Die Begegnungsmaßnahmen fandenjeweils über einen Zeitraum von vier Tagen statt. Die Nahraumbegegnung bot Raum für interkulturelle Be-gegnung von Jugendlichen aus verschiedenen, primärvon einer ethnischen Gruppe besuchten Jugendhäusernund Jugendlichen aus verschiedenen Jugendgruppen derEssener Jugendverbände. Reagiert wurde mit der Maß-nahme auf Beobachtungen der pädagogischen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter aus Jugendhäusern, die überkonflikthafte Interaktionen und Abgrenzung zwischenGruppen von Jugendlichen mit und ohne, beziehungs-weise unterschiedlichem Migrationshintergrund berichte-ten. Zudem wurde angestrebt, durch die Teilnahme vonJugendlichen aus Jugendverbänden des Arbeitskreis Ju-gend eine interkulturelle Öffnung der Verbände zu fördern

Erfahrungsbericht „interkulturelle Nahraumbegegnung“

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und damit dem Problem der Unterrepräsentanz von Ju-gendlichen mit Migrationshintergrund in den Jugendver-bänden zu begegnen. Die pädagogische und methodischeUmsetzung sahen eine Kombination aus in Seminarformorganisiertem interkulturellen Lernen und erlebnispäda-gogischem Erleben vor. Ziel der Nahraumbegegnungen war es u.a. einen Infor -mationsaustausch über die eigene Person und (subjektivzugeschriebene) kulturelle Identität zwischen den Ju gend -lichen zu ermöglichen. Zudem sollten sich alle Teilnehme-rinnen und Teilnehmer untereinander kennenlernen, ihre„Angst“ gegenüber anderen abbauen und Informationüber die Hintergründe von Migration erhalten. Darüberhin aus sollte das „interkulturelle Lernen“ befördert werden.

Dabei definiert der Arbeitskreis Jugend Essen interkultu-relles Lernen als eine differenzierte Wahrnehmung und dieSensibilisierung für die Situation und Kultur des Anderen.Zu dieser Definition gehören auch die Thematisie rung vonFunktion und Umgang mit (gegenseitigen) Vorur teilensowie der Austausch über die verschiedenen Kulturen.Unterstützen sollen diese Prozesse erlebnispädagogischeElemente, die ein gemeinsames Erleben ermöglichen. Aus den Interviews und Aussagen im Rahmen der Eva-luation der Nahraumbegegnung im Jahr 2008 wurde deut-lich, dass die Jugendlichen in ihrem Denken durchaus mitdem Gegensatz „Deutsch-Sein“ und „Nicht-Deutsch-Sein“ sowie mit Herkunftsgruppen (also „die Russen“,„die Türken“ etc.) arbeiten. Eine genauere Analyse derAussagen zeigte jedoch, dass die Jugendlichen diese Dif-ferenzkonstruktionen sehr unterschiedlich füllen.

Nahraumbegegnung als solidarischerRaum

Für einen Großteil der Jugendlichen scheint ihre Wahrneh -mung vom „Nicht-Deutsch-Sein“ vor allem mit negativenErfahrungen in Hinblick auf Reaktionen der Aufnahmege-sellschaft auf ihren Migrationshintergrund verbunden zusein. Dies bezieht sich offensichtlich sowohl auf indirekteAuswirkungen, wie insgesamt schlechtere Perspektivenin der deutschen Gesellschaft, als auch auf direkte Erfah-rungen mit Diskriminierung. An dieser Stelle konnte dieNahraumbegegnung eine Art solidarischen Raum schaf-fen, der den Jugendlichen – wie oben dargestellt – sowohlBestätigung der Ungerechtigkeit dieser Erfahrungen spie-gelte, als auch Rückhalt in der Gemeinsamkeit der Erfah-rung bot. Es gelang an dieser Stelle auch ein Stück weit,Ressourcenorientierung und Wertschätzung für die Po-tenziale der Jugendlichen und Selbstbewusstsein zu ver-mitteln. Das bedeutet konkret, wenn sie mit Rassismusoder Diskriminierung konfrontiert werden, Raum anzubie-

Ich bin Geschäftsführer im Kreisjugendwerk derAWO Essen. In dieser Funktion bin ich Mitglied imArbeitskreis Jugend Essen (AKJ), dem Zusammen-schluss der Essener Jugendverbände im Jugend-hilfeausschuss des Rates der Stadt Essen. DerThemenbereich der interkulturellen Orientierung stellt einen wichtigen Arbeitsbereich des Arbeits -kreises Jugend Essen dar. Dabei verfolgt der Ar-beitskreis Jugend Essen das Ziel, neue Ideen fürdie interkulturelle Orientierung der Kinder- und Ju-gendarbeit zu entwickeln.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 17Frank Bente, Erfahrungsbericht „interkulturelle Nahraumbegegnung“16

ten, über diese Erfahrungen zu sprechen und gewaltfreieStrategien des Umgangs zu erarbeiten. Ansätze wieSemi nareinheiten, in denen exemplarisch mit theater -pädagogischen Methodiken Lösungsstrategien für eineSituation mit rassistisch handelnden Akteuren erarbeitetwerden, wären demnach auszuweiten. Insgesamt kannfestgestellt werden, dass die Ziele der Sensibilisierungund Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Diskriminie-rung insbesondere an den Stellen gut erreicht wurden, woes gelang, an die persönlichen Erlebnisse und Erfahrun-gen der Jugendlichen anzuschließen.Dass die Erfahrungen die Jugendlichen auch weit über dieorganisierten Seminar- und Sporteinheiten hinaus in dieFreizeit begleitet haben und es unter den Jugendlicheneinen regen Austausch über die Erfahrungen gab, zeugtvon der Nachhaltigkeit des Erlebten und Erarbeiteten.

Auch wenn die Begegnungsmaßnahme aus Sicht derJugend lichen als zu kurz wahrgenommen wurde, lässtsich dennoch zusammenfassend feststellen, dass dasKurzformat ein für Jugendliche (mit Migrationshinter-grund) attraktives Modell von Begegnung und Seminardarstellt. Darüber hinaus ist die Nahraumbegegnung fürverbandliche Träger eine Möglichkeit, eine Form „geöff-neter Praxis“ anzubieten. Perspektivisch möchte sich der Arbeitskreis Jugend Essenweiterhin mit diesen Themen auseinandersetzen und dieinterkulturelle Orientierung vorantreiben. Daher startet derArbeitskreis Jugend Essen 2011 unter dem Motto „48 Stun-den Vielfalt“ ein neues Format zur Förderung interkultu-reller Kompetenz. In verschiedenen (jugend) kulturellenWorkshops werden sich ca. 50 junge Menschen in 48Stunden kreativ mit der Thematik auseinandersetzen.

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Beschreibung:1. Übung: VDie Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellensich nebeneinander auf und fassen sich anden Handgelenken, nehmen Körperspannungauf und lassen sich dann wie ein „V“ langsamaus einander gleiten.

2. Übung: PendelDie Übungspartnerinnen und -partner stellensich hintereinander auf, der oder die Vorderelässt sich dann rückwärts in die Arme der beziehungsweise des Anderen fallen.

>Zur Erweiterung der Übung stellt sich einedritte Teilnehmerin beziehungsweise ein dritterTeilnehmer in die Mitte der beiden Übungs-partnerinnen oder -partner, die weiter ausein -ander gehen. Die mittlere Teilnehmerin oderder mittlere Teilnehmer nimmt Körperspannungauf und wird zu einem „menschlichen Pendel“,das von den beiden anderen Teil nehmerinnenoder Teilnehmer aufgefangen und vorsichtigund langsam wieder zurück geschoben wird.

Methode: „Erlebnispädagogik – Vertrauens- und Kooperations-übungen in der Halle“

Inhalt: Vertrauensübungen

Zeit: ca. 5 Minuten pro Übung

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 2 bis 3 Personen pro Übung(für die Übung „Der Adler“ werden mindestens 7 Personen benötigt)

Material: Der Flug des Adlers kann über simulierte Landschaften wie zum Bei-spiel Medizinbälle als Berge, Bänke als Brücken, Weichböden als Seen führen.Sie machen den Flug noch spannender.

Ziel: gegenseitiges Vertrauen aufbauen

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 19Frank Bente, Arbeitskreis Jugend Essen18

Beschreibung:Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellensich im Kreis auf. Eine Person aus dem Teil-nehmerkreis wirft einen Würfel o.ä. zu eineranderen Person und benennt dabei ein Land.Die Empfän gerin oder der Empfänger des Wür-fels soll spontan sagen, was ihr beziehungs-weise ihm zu dem genannten Land einfällt.

Im weiteren Verlauf (nach 4 bis 6 Runden) sollen nur Assoziationen über das LandDeutschland verkündet werden.

Reflexion der Methode: Anschließend wird in der Gruppe diskutiert,was aus Sicht der Teil nehme rinnen und Teil-nehmer Vorurteile sind.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer:Die Übung kann erweitert werden, indem die Jugendlichen gebeten werden aufzulisten, wound wie sie mit Vorurteilen und Stereotypenkonfrontiert werden. Wer Lust hat, kann dieErgebnisse in der Gruppe vorstellen und zurDiskussion stellen.

>Methode: „Länderwerfen“

Inhalt: Thematisierung von Vorurteilen und Stereotypen

Zeit: je nach Größe der Gruppe ca. 15 bis 20 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: ab 7 Personen

Material:Würfel, Ball oder ähnlicher Gegenstand

Ziel: Auseinandersetzung und Thematisierung von Stereotypen und Vorurteilen

3. Übung: Der AdlerFür diese Übung werden mindestens 7 Perso-nen benötigt. Die Person, die den Adler spielt,legt sich mit ausgestreckten Armen auf denBauch und sechs Adlerträgerinnen und Adler-träger (drei pro Seite) tragen den Adler an denSchultergelenken und an den Beinen durchdie Halle. Nach erfolgreichem Flug wird derAdler wieder sanft auf den Boden gelegt.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer:Die Trägerinnen und Träger tragen den Adlernahe an den Gelenken, Schulter, Hüfte undKnie. Das ist sicherer und einfacher. Der Adlermuss seinen ganzen Körper anspannen, dieTrägerinnen und Träger sollten ihn mit ge-streckten Armen über den Köpfen tragen,dazu sollte die Gruppe gut eingespielt sein.

Reflexion der Methode: Zum Abschluss der Übungen können im Rahmen der Gesamtgruppe die Erfahrungendurch Nachfragen wie „Was habt ihr erlebt?“oder „Wie ging es euch bei den Übungen?“vertieft werden.

Page 11: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

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Wahrnehmung von kultureller Vielfaltund individuellen Lebenswelten

Jugendliche in Deutschland mit muslimischem oder an-derem Migrationshintergrund werden ständig damit kon-frontiert, dass sie „anders“ seien. Wie bereits Paul Me-cheril1 in seinen Vorträgen festgestellt hat, schafft dabeider Kulturbegriff eine dauernde Differenz zwischen „Sich“und dem „Anderen“. Durch eine regelmäßige Auseinan-dersetzung mit der Thematik der „interkulturellen Kompe-tenz“ besteht somit die Gefahr einer Manifestierung vonDifferenzen. Daher ist meine These, dass „interkulturelleKompetenz“ nicht nur als eine weitgreifende Kompetenzüber das Verständnis von Vielfalt zu verstehen ist, sondernauch die Kompetenz umfasst, individuelle Lebensweltenin einer sich dauernd veränderten Umwelt nachzuvollzie-hen. Somit möchte ich mich von dem Kulturbegriff dis-tanzieren, da er meiner Auffassung nach keine Brückenschlägt, sondern Unterschiede schafft. InterkulturelleKompetenz ist daher als eine Einstellung aufzufassen. Siesensibilisiert Menschen, nicht nur ihre persönliche Le-benswelt wahrzunehmen, sondern weltoffen, empathischund verständnisvoll mit der Vielfalt in der Welt umzuge-hen. Dabei ist jeder Mensch als Individuum und Resultatseiner eigenen persönlichen Geschichte und Erfahrung zubetrachten. Es wird deutlich, dass diese Kompetenz in derheutigen vielfältigen deutschen Gesellschaft unabdingbargeworden ist. Heute leben Menschen unterschiedlichsterHerkunft gemeinsam in Deutschland zusammen. Vorallem für die Jugendlichen, die – wie es Dr. Tarik Badawiatreffend formulierte – „auf dem dritten Stuhl sitzen“2, wirddiese Kompetenz immer wichtiger. Der „dritte Stuhl“ be-schreibt das „in der Luft hängen“ von Jugendlichen mitMigrationshintergrund und ihrem Wunsch, ein partizipati-

Abdel Qader Borno, Juleica – Interkulturelle Arbeit in einer multikulturellen Gesellschaft 21

Deutschland ist eine multikulturelle Gesellschaft, in derMenschen aus ganz unterschiedlichen Herkunftsländernzusammenleben. Die zunehmende und fortlaufende Glo-balisierung stellt auch für Jugendleiterinnen und Jugend-leiter neue Herausforderungen dar. In diesem Kontext undim Rahmen der Transnationalität haben „interkulturelleKompetenz“ und der „interreligiöse Dialog“ zunehmendan Bedeutung gewonnen. Die JugendleiterInnen-Card, kurz Juleica, ist in der ehren-amtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einetablie rter Qualifizierungsnachweis, der für den Erhaltneben Kenntnissen in Erster Hilfe auch eine Juleica-Schu-lung verpflichtend vorsieht. Durch die Vermittlung vonpädago gischen Kenntnissen bieten Juleica-Schulungenengagier ten Jugendlichen die Möglichkeit, sich in unter-schiedlichen Aufgabenfeldern, wie zum Beispiel der Aus-einandersetzung mit sich selbst, der Gesellschaft, den eigenen Zielen und der Selbst- und Fremdwahrnehmung,fortzubilden. Der Schwerpunkt einer Juleica-Schulung be-steht jedoch meiner Meinung nach darin, die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer zu befähigen, Gruppen partizipativan der Lebenswelt orientiert zu leiten.Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass das Konzeptder Juleica auch im internationalen Kontext Anklang findet. Im Rahmen meines Aufenthalts in Jordanien über-setzte ich während eines Praktikums Elemente der Juleica-Schulungen in die arabische Sprache. Darauf auf-bauend wurden durch mich im Rahmen des „JordanianHashemite Fund for Human Development“ und der damitverbundenen Schwesterorganisation „Princess BasmaYouth Resource Center“ unterschiedlichste Fortbildungenund Qualifikationen angeboten. Alle teilnehmenden Jugendlichen waren von den Angeboten überzeugt und

begeistert. Aufgrund der neu erlernten Kompetenzen fühl-ten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicherer inihrem Auftreten und ihr Selbstbewusstsein konnte ge-stärkt werden. Viele verließen die Seminare sehr motiviertund übernahmen daraufhin die Leitung kleinerer Projekte.Beispielsweise wurden Projekte im Rahmen der gesell-schaftlichen Partizipation wie kleinere Kurzfilme über dieBedeutung der Jugend im gesellschaftlichen Kontext vonJordanien initiiert. Dies weist deutlich darauf hin, dass dieIdee des Juleica-Konzepts auch im internationalen Kon-text bestehen kann und lässt hoffen, dass das Interessean der Juleica auch im internationalen Rahmen weiterwächst. Denn es hat sich herausgestellt, dass die Bestär-kung von Jugendlichen zur eigenen Selbstständigkeit, zurPartizipation und zur Erweiterung des eigenen ehrenamt-lichen Engagements, nicht nur Thema der hiesigen akti-ven Jugend ist, sondern auch Anklang in anderen Gesell-schaftsstrukturen findet.Deutlich wurde durch diese Arbeit auch, dass unter-schiedliche Zielgruppen nur bedingt Relevanz für die Aus-führung des Juleica-Konzepts haben. Die Qualifizierungoder Schulung bietet immer dann den Teilnehmerinnenund Teilnehmern eine praxisorientierte Hilfe, wenn theo-retisches Wissen mit der Praxis von national unabhängi-gen, individuellen Jugendleiterinnen und Jugendleiternverbunden wird.

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Juleica – Interkulturelle Arbeit in einer multikulturellen Gesellschaft

1 Vgl. u.a. Fachtagung „Chancen der Vielfalt nutzen lernen“, Paul Mecheril,01.07.2011, Köln und Paul Mecheril (2004): Einführung in die Migrations -pädagogik, Beltz Verlag (Hemsbach).

2 Vgl. Tarik Badawia (2002): „Der Dritte Stuhl“ – Eine Grounded Theory-Studie zumkreativen Umgang bildungserfolgreicher Immigrantenjugendlicher mit kulturellerDifferenz, IKO Verlag für Interkulturelle Kommunikation (Frankfurt am Main).

Ich, Abdel Qader Borno, wurde 1989 in Jordaniengeboren und zog im Alter von fünf Jahren nachDeutschland. Aufgewachsen in einer vielfältigenFamilie, mit einer deutschen Mutter und einem palästinensischen Vater, kam ich früh in Berührungmit der Vielseitigkeit einer Gesellschaft. Somitwuchs ich mit dem Einfluss unterschiedlichster Lebensweisen auf.Nach meinem Abitur 2009 verbrachte ich ein Jahrin Jordanien, um zum einen die arabische Sprachezu erlernen und zum anderen ein soziales Praktikumzu absolvieren. Im Rahmen meines Praktikums über-setzte ich dabei die Basismodule einer Juleica-Schulung in die arabische Sprache und bot Fortbil-dungen und Qualifizierungen für Jugendliche undMitarbeiter des Hashimite Fund of Human Develop-ment an. Heute studiere ich „Soziale Arbeit“ in Aachen undbin der stellvertretende Vorsitzende einer multikul-turellen Jugendgruppe, der Islamischen JugendAachen e.V. Darüber hinaus bin ich als Teamer vonQualifizierungen im Rahmen der interkulturellen Ar-beit tätig und engagiere mich in mehreren multikul-turellen und interreligiösen Projekten.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 23

ves Mitglied der ansässigen Gesellschaft zu sein und zu-gleich das Bedürfnis, die individuelle traditionelle Ge-schichte zu beleben und zu erleben. Sie sind Jugendliche,die Teil der Gesellschaft geworden sind, jedoch von derGesellschaft als „anders“ wahrgenommen werden. Somitsitzen diese Jugendlichen auf „einem dritten Stuhl“, derdie Gesellschaft, in der sie leben, und die persönlichenWurzeln miteinander verbindet. Sie gehören dabei jedochkeiner der beiden Seiten gänzlich an. In der Kinder- und Jugendarbeit ist es daher unbedingtnotwendig, dass Jugendliche mit und ohne Migrations-hintergrund durch ein Juleica-Seminar oder eine ver-gleichbare Fortbildung nicht nur in ihrem Handeln bestärktwerden, sondern auch die Möglichkeit bekommen, „inter-kulturelle Kompetenzen“ zu erwerben. In einer vielfältigen,abwechslungsreichen Gesellschaft und der damit ständigeinhergehenden Begegnung unterschiedlicher, vielfältigerLebensweisen und Lebensstile müssen „interkulturelleKompetenzen“ fester Bestandteil der Fortbildung jederJugendleiterin und jedes Jugendleiters sein.

Dementsprechend ist die Juleica als Konzept, als Ideeund als Qualifizierung nicht nur eine Wertschätzung undBestärkung der ehrenamtlich aktiven Jugendlichen, son-dern sie ist ein Instrument der Aktivierung und zeigt Mög-lichkeiten zur Partizipation auf. Jugendleiterinnen und Ju-gendleiter bekommen die Möglichkeit, ihr Handelngezielter zu strukturieren und durch Selbsterfahrung lang-fristig zu lernen. Dabei ist ein gleichberechtigter Lernerfolgfür alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur dann gewähr-leistet, wenn alle als Individuen mit unterschiedlichen per-sönlichen Hintergründen wahrgenommen werden. JedeTeilnehmerin und jeder Teilnehmer ist Produkt ihrer bezie-hungsweise seiner persönlichen Geschichte und mussdementsprechend wertgeschätzt werden. Vor dem Hin-tergrund der bestehenden Vielfalt in Deutschland ist esnotwendig, Qualifizierungen und Seminare wie beispiels-weise Juleica-Schulungen interkulturell zu öffnen. Dabeiist es meiner Meinung nach besonders wichtig, Jugend-liche mit Migrationshintergrund in ihrer ehrenamtlichen Ar-beit zu bestärken, da sie die Brückenbauer der Zukunftsind. Sie besitzen die Möglichkeit, Knotenpunkte zwi-schen den vielfältigen Kulturen zu knüpfen.3

Abdel Qader Borno, Juleica – Interkulturelle Arbeit in einer multikulturellen Gesellschaft 22

3 Vgl. Naika Foroutan, Isabel Schäfer (2009): Hybride Identitäten muslimischer Mig-ranten (S.11- 18) in: Aus Politik und Zeitgeschichten (Ausgabe 5/2009).

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Lebenswelten“

Inhalt: Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmungen

Zeit: abhängig von der Gruppengröße und der Intensivität; es sollten jedochklare Zeitvorgaben verabredet werden. Dabei gilt, je mehr Zeit die Teilnehme -rinnen und Teilnehmer bekommen, desto intensiver können Lebenswelten diskursiv erfahren werden.

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: unbegrenzt

Material: Papier (A 3 oder größer), Stifte, Pinnwand oder Flipchart

Ziel: In intensiver Gruppenarbeit sollen die Jugendlichen die Möglichkeit er halten, ein Bewusstsein für und einen Überblick über vielfältige Lebens -welten zu entwickeln. Dabei steht im Fokus, dass diese Lebenswelten von den Jugend leiterinnen und Jugendleitern selbst wahrgenommen werden. Die Methode bietet die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmungen, fokussiert auf die Lebenswelten bestimmter aus -gewählter Gruppen (zum Beispiel Mädchen ohne Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 15 Jahren, männliche muslimische Jugendliche, etc.)

>

Beschreibung:Sozial- und Arbeitsformen: Als beste Arbeitsform hat sich die Gruppenar-beit bewährt, wobei diese Gruppenarbeit inStationen stattfinden kann (siehe Beschrei-bung).

Teil 1 (Gruppenarbeit)Der äußere Rahmen, das heißt welche Lebens-welten erarbeitet werden sollen, sollte vonden Teamerinnen und Teamern je nach Ziel-setzung definiert und vorgegeben werden.

1. Gruppen à vier Personen werden gebildet.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 25Abdel Qader Borno, Islamische Jugend Aachen 24

2. In den jeweiligen Gruppen werden inZweier-Teams mit der Placemat-Methode*die ersten Stichpunkte gesammelt.

Exkurs: *Placemat-Methodea) Einzelarbeit: Jede Gruppe erhält einengroßen Bogen Papier (A3 oder größer) undzeichnet sich eine „Placemat“. Jede Teil-nehmerin und jeder Teilnehmer hat dabeiein eigenes Feld. In diesem Feld notiertjeder seine Ideen.

b) Partnerarbeit: Austausch in der Gruppe.Jeder präsentiert seine Ideen und das Pa-pier wird so gewendet, dass jeder jedesFeld einmal lesen kann.c) Diskussion: Diskussion und Einigung aufzentrale Ideen innerhalb der Gruppe.

Zusammenschluss der Ergebnisse:3. Ergebnisse formulieren (in der Mitte desPlacemat).

4. Standbild erarbeiten, das die Ergebnissezusammenfassend darstellt. Hierfür solltesich die Gruppe eine Szene überlegen, diesie gemeinsam als Standbild darstellenkönnen.

Teil 2 (Präsentation)Zuerst stellt jede Gruppe ihr Standbild dar.Die Zuschauer dürfen um das Standbild herumgehen, um es aus allen Perspektivensehen zu können. Anschließend können dieZuschauer es interpretieren. Daraufhin erläu-tert die Gruppe ihr Standbild mit Hilfe der Er-gebnisse auf dem Placemat-Bogen.

Reflexion des Standbildes: Was habt ihr gesehen? Wie habt ihr es wahr-genommen?

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Es sollen erst alle Kommentare zum Standbildgesammelt werden, bevor die Darsteller hierzuetwas sagen und auf die Kommentare einge-hen dürfen. Die Interpretationen können sehrunterschiedlich sein und sogar Aspekte hervor-bringen, die weiter gehen als die Intention derDarstellerinnen und Darsteller. Manche Teil-nehmerinnen und Teilnehmer tendieren dazu,stereotype Vorstellungen und Vorurteile aufzu-greifen, da diese plakativer dargestellt werdenkönnen. In der Reflektion wird dann deutlich,dass die Lebenswelten gar nicht schwarz-weiß dargestellt werden können.

Beschreibung:Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer schreibteinen Brief, der maximal eine Seite lang ist(minimal ¾ Seite), an sich selbst. Inhalt desBriefes sollen die Erwartungen und Wünschean das Seminar sein. Es soll klar formuliertwerden, was sich die Teilnehmerin oder derTeilnehmer durch die Qualifizierung versprichtund welche Chancen und Hoffnungen sie be-ziehungsweise er darin sieht. Dabei soll vorallem darauf geachtet werden, dass die Teil-nehmerin oder der Teilnehmer reflexiv ihre be-ziehungsweise seine Erwartungen begründet.

Sozial- und Arbeitsformen: Da diese Methode eine intensive und reflexiveArbeit mit sich selbst verlangt, erfolgt die Er-arbeitung nicht in der Gruppe, sondern allein.

Reflexion der Methode: Wie habt ihr diese Methode erlebt? Was habtihr lernen können? Was hat es euch gebracht,euch mit euch selbst auseinanderzusetzen?Wie geht man mit dem Selbstlernwert um?Welche Schwierigkeiten gab es?

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer:Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten beider Selbstreflexion darauf hingewiesen werden,einen möglichst ehrlichen Brief zu verfassen.Der Brief wird verfasst, in einen adressiertenBriefumschlag gesteckt und wird später vonden Teamerinnen und Teamern eingesammelt.Diese verpflichten sich dazu, die Briefe nichtzu lesen und nach einem Jahr diese Briefe denTeilnehmenden wieder zukommen zu lassen.

>Methode: „Erwartungsbrief an mich“

Inhalt: Auseinandersetzung mit Erwartungen und Wünschen

Zeit: Diese Methode sollte zeitlich begrenzt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dasses am besten ist, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen sicheren und weiten zeit -lichen Raum zu geben, in dem sie sich mit sich selbst auseinandersetzen können.

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: unabhängig, da Einzelarbeit

Material: Briefpapier und Briefumschläge

Ziel: Die Auseinandersetzung mit eigenen Erwartungen und Wünschen sowie einBewusstsein über sich selbst. Die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer solleneinen Brief an sich selbst formulieren. In diesem sprechen sie über ihre Erwartungenund Wünsche an das Seminar. Darüber hinaus können auch thematisch andereZiele definiert werden.

Page 14: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Tipps für die Durchführung interkultureller Qualifizierung

Meiner Meinung nach sind bei der Durchführung von in-terkulturellen Qualifizierungen mehrere Punkte zu beach-ten: Es ist grundsätzlich empfehlenswert, einen „ge-schlossenen Raum“ für das Seminar zu schaffen. DieTeilnehmenden sollten sich darauf verständigen, dass Ge-spräche, die während des Seminars geführt werden, imRaum bleiben. Dies gewährleistet, dass offen über per-sönliche Fragen, Ängste, Vorurteile und die aktuelle Situa-tion im Verein gesprochen werden kann. Zudem sollte derGruppe genügend Zeit eingeräumt werden, um sich ge-genseitig kennenzulernen und anschließend gemeinsamdie Themen zu erarbeiten. Wichtig ist auch, dass man aufaktuelle Geschehnisse im Seminar Rücksicht nimmt undnicht versucht, sich verkrampft an den vorher aufgestell-ten Plan zu halten. Bei manchen Methoden können starkeEmotionen und kontroverse Diskussionen entstehen.Hierfür sollte Zeit eingeplant werden, damit das Themafür alle zu Ende diskutiert werden kann und sich dieGruppe mit „kühlem Kopf“ dem nächsten Thema widmenkann. Meiner Meinung nach ist es darüber hinaus auchwichtig, der Reflexion der Seminareinheiten genügendZeit einzuräumen, um das Geschehene zu reflektieren.Spannend ist es insbesondere, wenn bereits die Strukturder Teilnehmenden interkulturell ist, also Teilnehmendeaus verschiedenen Kulturen vertreten sind. So können Er-fahrungen aus erster Hand eingebracht werden.Für den Jugendring Wuppertal hat sich das interkulturelleTrainerteam, das aus zwei Dozentinnen bestand, für dieDurchführung der Qualifizierungsmaßnahmen bewährt.Während eine Dozentin inhaltlich den Themenbereich Ju-gendarbeit abdeckte (Mascha Hausmanns), brachte dieandere Dozentin (Samira Salem) ihr Fachwissen zu inter-kulturellen Fragestellungen und den Themenbereich Mi-

gration ein. Dadurch, dass eine Referentin selbst einenMigrationshintergrund hat, konnten viele Fragen der Teil-nehmerinnen und Teilnehmer durch persönliche Erklärun-gen und Erfahrungen ergänzend erläutert werden.

Mascha Hausmanns, Interkulturelle Qualifizierungen des Jugendrings Wuppertal 27

Interkulturelle Kompetenz setzt sich aus den Fähigkeitenzusammen, sich seiner eigenen Kultur bewusst zu seinund sein darauf aufbauendes Verhalten zu reflektieren.Dazu gehört auch, die eigene kulturelle Prägung als eineunter vielen zu erkennen und kulturelle Unterschiede imAlltag wahrzunehmen und Vielfalt zu gestalten. Dabei istes wichtig, sich seiner eigenen Vorurteile bewusst zu sein,sich offen gegenüber „anderen Kulturen“ zu verhalten undseine eigenen Werte und Wertvorstellungen zu vertreten.Zwischen der Offenheit gegenüber anderen Kulturen undeigenen Wertvorstellungen kann ein Spannungsfeld ent-stehen. Hier ist es wichtig, in einen Dialog zu treten undGemeinsamkeiten, aber auch Differenzen herauszufinden,um ein bewusstes Handeln zu ermöglichen.Der Jugendring Wuppertal hat im Rahmen von „ProjektÖ“ mit Hilfe des Landesjugendrings NRW eine dreiteiligeSeminarreihe für seine Mitglieder angeboten. Durchge-führt wurden die drei Tagesveranstaltungen zu den The-men interkulturelle persönliche Handlungskompetenz, in-terkulturelle Öffnung von Jugendringen, -verbänden undEinrichtungen der Jugendarbeit und interkulturelles Pro-jektmanagement. Die Gruppe setzte sich aus Mitgliedernder verschiedenen Verbände und Einrichtungen der Ju-gendarbeit zusammen. Es entstand sehr schnell eine of-fene und produktive Arbeitsatmosphäre, wodurch die ein-zelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer viele Anregungenund Lösungsmöglichkeiten für die verbandsinterne inter-kulturelle Öffnung mitnehmen konnten, um später als Mul-tiplikatorinnen und Multiplikatoren fungieren zu können.Hinzu kamen zwei Projekte, die der Jugendring Wuppertalmit finanziellen Mitteln aus dem Bundesprogramm „Viel-falt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“

umsetzen konnte. Hier wurden den Mitgliedsverbändendes Jugendrings interne Schulungen im Themenbereichder interkulturellen Öffnung von Jugendverbänden ange-boten. An den Schulungen beteiligten sich hauptsächlichVerbände, die bereits durch die dreiteilige Seminarreihean das Thema der interkulturellen Öffnung herangeführtworden waren. Die Schulungen waren auf die Bedürfnissedes jeweiligen Verbandes zugeschnitten und konntensomit an die ersten internen Diskussionen zum Thema an-knüpfen.Die Seminare waren modular gestaltet, so dass es zutheoretischen Inhalten stets verschiedene praktische Me-thoden gab, um die Theorie erfahrbar zu machen. Diesgeschah zum Beispiel durch Rollenspiele zum Thema Vor-urteile und Wertung. Darüber hinaus wurde innerhalb desProjektes ein Modul entwickelt, das die JugendleiterIn-nenschulung des Jungendrings auf Wunsch um den As-pekt der interkulturellen Öffnung erweitert.

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Interkulturelle Qualifizierungen des Jugendrings Wuppertal

Ich bin seit vielen Jahren ehrenamtlich Jugendlei-terin im Bund Europäischer Pfadfinder. Außerdemhabe ich für mein Pädagogikstudium ein Praktikumbei der Kinder- und Jugendfarm in Wuppertal ab-solviert. Über diese Arbeit bin ich unter anderemzum Jugendring Wuppertal gekommen. Dort habeich später im „Projekt Ö – Jugendverbände inter-kulturell“ mitgearbeitet und anschließend zwei wei-tere Projekte im Bereich der interkulturellen Öff-nung von Jugendverbänden durchgeführt. Aufgabedes Projekts war die Beratung und Schulung vonJugendverbänden zum Thema interkulturelle Öff-nung, wofür ich die „Train-The-Trainer“ Schulungvom Landesjugendring NRW besuchte. Die hierbeigemachten Erfahrungen konnte ich gut in meinerSchulungsarbeit vor Ort umsetzen.

Page 15: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 29Mascha Hausmanns, Jugendring Wuppertal28

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Aufstellen“

Inhalt: Einstieg in die Themen interkulturelle Kompetenz und interkulturelle Öffnung

Zeit: ca. 45 Minuten, je nach Anzahl der Fragestellungen und Ausführlichkeitder Befragung

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 10 bis 20 Teilnehmende

Material: Moderationskarten, Flipchart mit Fragestellungen, Stift, Uhr, DIN-A4-Blätter mit Fragestellungen (siehe Beschreibung), Karten mit Prozentangaben(siehe Beschreibung)

Ziel: Die Teilnehmenden sollen sich kennen lernen. Die Methode eignet sich alsEinstieg in die Themen interkulturelle Kompetenz und interkulturelle Öffnung.

>Beschreibung:Die Gruppe stellt sich auf. Die Teilnehmendenerhalten verschiedene Arbeitsaufträge vonden Teamerinnen und Teamern, die von derGruppe gelöst werden sollen:1. Die Teilnehmenden sollen sich nach den

Anfangsbuchstaben ihres Vor- oder Nach-namens sortieren, anschließend wird einekurze Vorstellungsrunde gemacht, bei dernur der Vor- und Nachname gesagt wird.

Es folgen Durchgänge, bei denen die Teilneh-menden nicht miteinander sprechen dürfen,zum Beispiel:2. die Teilnehmenden sollen sich der

(Schuh-) Größe nach ordnen.3. die Teilnehmenden sollen sich ihrem Alter

nach aufstellen.4. die Teilnehmenden sollen sich nach der

Anzahl der Geschwister aufstellen.

Danach beginnt der methodische Einstieg in den Themenbereich der interkulturellen Öffnung:Es werden Karten mit den Ziffern 0, 5, 10, >10in einer Reihe, die durch den Raum geht, aufden Boden gelegt. Sie dienen bei der erneutenAbfrage zur Orientierung der Teilnehmenden:5. Wie viele Länder wurden bereist? 6. Wie viele Kontinente?7. Wie oft ist man von einer Stadt in eine an-

dere (oder auch Länder) umgezogen?8. Wie viele Freunde/Bekannte haben einen

Migrationshintergrund beziehungsweisehaben keinen Migrationshintergrund?

Nach dieser Fragerunde folgen Fragen, diesich direkt auf den Jugendverband beziehen.Hierzu werden Karten mit Prozentangaben(<10%, 11-20%, 21-50%, >50%) und dieDIN-A4-Blätter mit folgenden Fragestellungenbenötigt:

9. Wie hoch ist der Anteil an Migrantinnenund Migranten/„Einheimischen“ im Ein-zugsgebiet des Jugendverbandes?

10. Wie viele Mitglieder in meinem Verbandhaben (k)einen Migrationshintergrund?

11. Wie viele Jugendleiterinnen und Jugend-leiter haben (k)einen Migrationshinter-grund?

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Man kann, nachdem sich die Teilnehmendenaufgestellt haben, gerne in die Gruppe gehenund einzelne oder auch alle zu ihrer „Position“befragen. Es kann sich auch lohnen, Aufstel-lungen einfach „wirken“ zu lassen. Die Fragenkönnen auf die jeweilige Gruppe und Ziele derFortbildung anpasst werden.

Quelle: Vgl. Meral Sagdic, Winnenden 2010.In: Via Bayern e.V. 2009/2010 -Train-the Trai-ner-Fortbildung „Interkulturelle Kompetenz inder verbandlichen Jugendarbeit“.

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Im Folgenden soll als Best-Practice-Beispiel das Projekt„Porzer Kleine Finken“ mit seinem interkulturellen Ansatzdargestellt werden. Die Grundidee des Projektes bestehtdarin, die Migrantenselbstorganisationen in den gesell-schaftlichen Prozess der interkulturellen Öffnung paritä-tisch einzubeziehen. Über den interkulturellen Kontext hi-naus verfolgt mein Beitrag das Ziel, aufzuzeigen, wieMigrantenselbstorganisationen als Partner mittels innova-tiver Ansätze, die sich aus den spezifischen Notwendig-keiten ihrer Zielgruppen ergeben, generell die Kinder- undJugendarbeit bereichern können. Gerade im Bereich derKinder- und Jugendarbeit machen Prozesse der interkul-turellen Öffnung Sinn. Dies gilt besonders für den Bereichder außerschulischen Bildungsarbeit mit Kindern und Ju-gendlichen.Das Projekt „Porzer kleine Finken“ richtet sich an 6- bis8-jährige Kinder, die im Viertel Köln-Porz-Finkenberg auf-

wachsen. Der Stadtteil wurde im Jahr 2000 von der StadtKöln zum Sanierungsgebiet erklärt und seitdem in der so-zialraumorientierten Konzeption der sogenannten sozialenStadt integriert. Lag der Anteil der Migrantinnen und Mig-ranten 1990 bei 26%, ist er innerhalb von 10 Jahren bis zumJahr 2000 auf 42,4% gestiegen. 2007 lag der Anteil be-reits bei knapp 60%, bis 2009 hat er sich auf 75% erhöht.Die Veränderung der Bewohnerstruktur führt auch zu einerVeränderung des lokalen Sprachenumfeldes. Heute wirdim Stadtteil neben Deutsch auch eine Vielzahl von ande-ren Sprachen gesprochen, was die hier ansässigen Kin-dergärten und Schulen vor besondere Herausforderungenim Bereich der Sprachbildung stellt. Dies hat auch Kon-sequenzen auf das soziale Leben in der Schule, das eingemeinsames Miteinander zwischen der Vielzahl der Kul-turen und Nationalitäten gestalten möchte.

31Mascha Hausmanns, Jugendring Wuppertal30

Beschreibung: Es werden Kleingruppen gebildet, die sich mitder Fragestellung: Man kann von Deutschenund auch Ausländern hören: „Das ist ja malwieder typisch deutsch.“/„Für mich ist typischdeutsch, wenn...“ auseinandersetzen unddazu Stichpunkte auf einem Plakat sammeln.Anschließend stellt jede Gruppe ihr Plakat imPlenum vor. Falls verschiedene Kulturen imSeminar vertreten sind, kann man auch zumBeispiel fragen, was ist typisch italienisch...Dabei können wertvolle Diskussionen ent -stehen.

Reflexion der Methode: Wie haben sich die Teilnehmenden gefühlt?Wie ist die mögliche (Fremd-)Wahrnehmungüber Deutsche? Welche Schwierigkeiten kön-nen dadurch im interkulturellen Miteinanderentstehen? Was machen die Teilnehmenden,wenn sie merken, dass sie jemanden in eine„Schublade“ gesteckt haben?

>Methode: „Typisch deutsch“4

Inhalt: Einstieg in das Thema „Vorurteile/stillschweigende Annahme/Stereotypen“

Zeit: ca. 45 bis 60 Minuten, je nach Gruppengröße

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: unbegrenzt

Material: Flipchartbögen, Moderationskarten, Stifte, Klebeband

Ziel: Sich über sein Verhältnis zur deutschen Identität und den eigenen Vorur-teile bewusst werden. Gegebenenfalls ein Gefühl dafür entwickeln, in welchenSituationen man selbst stillschweigende Annahmen/Stereotype verwendet.Kann als Einstieg in das Thema „Vorurteile/stillschweigende Annahme/Stereo -typen“ genutzt werden.

4 Dies ist ein Teilaspekt der Methode „Typisch deutsch“ aus dem Buch: Susanne Ullrich (2001): Achtung + Toleranz. Wege demokratischer Konfliktregelung, Ber-telsmann Stiftung (Gütersloh).

Porzer kleine Finken

Ich heiße Tshikudi Londji und bin Gründungsmitglied des Vereins Jugendhilfe Afrika 2000 e.V., der Kindern,Jugendlichen und Familien mit Migrationshintergrund(überwiegend aus Afrika) wertvolle Integrationshilfen bereitstellt. Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt inder außerschulischen Bildungsarbeit mit Kindern undJugendlichen.

Die Jugendhilfe Afrika 2000 e.V. ist freier Träger der Jugendhilfe, städtisch anerkanntes inter kul turelles Zentrum und Mitglied beim Paritätischen Gesamt -verband. Meine Vereinsfunktion ist die des Vereins -sprechers, zugleich habe ich über mehrere Jahre Projekte konzipiert und durchgeführt. Dazu gehört das Projekt „Porzer kleine Finken“, das hier vorgestellt werden soll. Darüber hinaus bin ich Sprecher des Forums der Migrantinnen und Migrantenim Paritätischem Gesamtverband, einem Interessen -zusammenschluss von über 100 Migrantenselbstorga -nisationen. In dieser Funktion beschäftige ich mich unter anderem mit dem Thema der interkulturellen Öffnung der Freiwilligendienste für Jugend liche mit Migrationshintergrund.

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des Projektes sind, aufgrund der Entfernung und aus auf-enthaltstechnischen Gründen nicht von dem Naturbezugihrer Verwandten aus Afrika profitieren können.Für alle Migrantengruppen gilt jedoch, dass es in den je-weiligen Migrantencommunities Verwandte, Freunde undBekannte gibt, die aus ihrer Kindheit und Jugendzeit rei-che Naturerfahrungen mitbringen und diese zum Beispielals ehrenamtliche Kräfte an die Kinder weitergeben könn-ten. Wir machen die Erfahrung, wie Kinder Namen vonPflanzen und Bäumen mehrsprachig beispielsweise aufRussisch einordnen oder beim pädagogischen Betreueraus eigenem Interesse fragen, ob es die eine oder anderePflanze zum Beispiel auch in Russland gibt. Manchmalantwortet ein anderes Kind, das die Antwort bereits kennt.In der Natur teilen die jungen Teilnehmerinnen und Teil-nehmer dieselben oder ähnliche Erlebnisse. Zugleich stel-len sie durch eigene Beobachtung fest, dass Natur trotz

der Ähnlichkeit andernorts andere Erscheinungsformenannimmt. Die biologische Artenvielfalt ist somit eine wun-derbare Metapher für die eigene kulturelle Vielfalt derGruppe. Dies erleben die Kinder unmittelbar. Mit ein wenigpädagogischem Geschick können sie dabei unterstütztwerden, ihren eigenen kulturellen Kontext zu reflektieren.Im Projekt ergibt sich der kulturpädagogische Ansatz zumTeil unmittelbar aus der umgesetzten Naturpädagogik.Wie wir alle wissen, aber allzu oft vergessen, ergeben sichviele unserer Märchen, Fabeln und Sagen ebenso wie Re-dewendungen und Sprichwörter unmittelbar aus einemNaturkontext. Dies gilt kulturübergreifend. Oftmals teilenwir gleiches oder ähnliches Kulturgut, das sich zwangs-läufig aus einem ähnlichem Naturkontext ergibt. Im Rah-men des Projektes sind wir bemüht, den Kindern dies be-wusst zu machen. Mit einer interkulturellen Pfadfindermethode wird der ein-zelne nicht auf seine „kulturelle Andersartigkeit“ reduziert.Hier findet ein Prozess vom gemeinsamen Naturerlebniszum gemeinsamen Kulturerlebnis statt. Zumindest im Bereich der offenen Kinder- und Jugendar-beit gibt es im interkulturellen Kontext potentiell einen ge-meinsamen Beziehungspunkt, der nicht von der klassi-schen Ansicht der „kulturellen Andersartigkeit“ ausgeht.Meiner Meinung nach wollen Menschen „in der Fremde“zunächst nicht in ihrer „kulturellen Andersartigkeit“ wahr-genommen werden (zumal die zweite und dritte Genera-tion sowieso als heimisch wahrgenommen werdenmöchte). Erhalten Migrantinnen und Migranten die volleAkzeptanz durch persönliche Anteilnahme und wirdzudem ihre kulturelle Andersartigkeit geschätzt, wirken in-terkulturelle Kompetenzen wie ein Katalysator. Das Pro-jekt „Porzer kleine Finken“ ist ein kleiner Schritt zur Ver-breitung dieser Sichtweise.

Tshikudi Londji, Porzer kleine Finken 33

Dieses Beispiel zeigt, dass es gerade in kulturell undsprachlich heterogenen Vierteln einen Bedarf an Projektengibt, die kulturübergreifend einen Wertekonsens zwischenunterschiedlichen Nationalitäten schaffen. Hauptziel desProjektes „Porzer kleine Finken“ ist es, Kindern mit undohne Migrationshintergrund ein Bildungs- und Freizeitan-gebot bereitzustellen, das bereichernd auf ihre kulturelleVielfalt eingeht und ihnen zugleich kulturübergreifend eingemeinsames Wertesystem vermittelt. Auf diese Art wirdKindern und Jugendlichen in ihrer wissbegierigen Ent-wicklungsphase ein anregendes Lernumfeld mit Bildungs-gelegenheiten geboten. Im Wesentlichen geht es darum,den Lebenskontext von Kindern mit Migrationshinter-grund schrittweise zu erweitern, um ihnen Zugänge zuwichtigen kognitiven, haptischen und sinnlichen Erfahrun-gen zu verschaffen. Hierdurch sollen ihre Entwicklungs-und Bildungsprozesse gefördert werden. Der innovativeProjektansatz liegt darin, mit Hilfe der PfadfindermethodeBereiche der interkulturellen Pädagogik und der interkul-turellen Bildungsarbeit zu gestalten. Im Bereich der Kin-der- und Jugendarbeit eignet sich die Pfadfindermethodemit ihrem natur- und kulturpädagogischen Ansatz – beigleichzeitiger Vermittlung eines kulturübergreifenden Wer-tesystems – besonders für die interkulturelle Qualifizierung.Der Begriff der interkulturellen Kompetenz ist im Themen-feld der interkulturellen Arbeit allgegenwärtig. Allgemeinwird darunter die Fähigkeit verstanden, dauerhaft mit An-gehörigen anderer Kulturen erfolgreich und kultursensibelinteragieren zu können. Die Interpretation einer „erfolgrei-chen Kommunikation“ wird hier jedoch kulturspezifischverstanden und setzt eine Reihe von Werkzeugen, Tech-niken und Haltungen voraus, wie zum Beispiel das Wissenüber die Situation von Migrantinnen und Migranten, fach-liche Kenntnisse, persönliche interkulturelle Erfahrung,Fremdsprachenkenntnisse, die Reflexion der eigenen Kul-tur, Sensibilität für andere Kulturen, Unvoreingenommen-heit sowie viele weitere soziale Kompetenzen.

Meiner Meinung nach ist der Ausgangspunkt für den Be-griff der „interkulturellen Kompetenz“ die Wahrnehmungder „kulturellen Andersartigkeit des Anderen“. In der Pra-xis hat sich gezeigt, dass es vor dem Erkennen der „kul-turellen Andersartigkeit“ auch immer eine „menschlich-persönliche“ Sicht geben sollte, um Respekt zu erzeugenund sein Gegenüber einzubeziehen. Für die Vermittlungvon Achtung und die wahre Einbeziehung von „kulturellerAndersartigkeit“ wird als grundlegendes Element das per-sönliche Interesse am Gegenüber benötigt.

Der Ansatz der Pfadfindermethode iminterkulturellen Kontext

Der naturpädagogische und kulturpädagogische Ansatzder Pfadfindermethode, der den Menschen ganzheitlichim Blick hat, folgt diesem Ansatz: Wo auch immer wir her-kommen, als menschliche Lebewesen sind wir nicht nurTeil der Natur, sondern in ihr eingebunden.An unserer interkulturellen Pfadfindergruppe „Porzerkleine Finken“ nehmen 15 Kinder im Alter zwischen 6 und8 Jahren teil. Sie haben einen deutsch-russischen, afrika-nischen oder türkischen Migrationshintergrund und sindfast alle in Deutschland geboren. Sie leben in dem zuvorgeschilderten Sozialraum und hatten vor dem Projektwenig Bezug zur örtlichen Natur und Kultur. Eine sehr schöne Erfahrung, die wir im Rahmen des Pro-jektes mit unserer Waldpädagogik machen dürfen, ist,dass Kinder mit russischsprachigem Migrationshinter-grund von Naturerlebnissen und Erfahrungen berichten,die sie im Urlaub zusammen mit Großeltern, Tanten oderOnkeln gemacht haben. Viele Kinder mit türkischem Mi-grationshintergrund können bei Verwandten, die in derTürkei leben, ähnliche Erfahrungen sammeln. Allerdingsfiel uns auf, dass Kinder aus afrikanischen Familien, dieebenfalls Teilnehmerinnen beziehungsweise Teilnehmer

Tshikudi Londji, Porzer kleine Finken32

Page 18: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 35Tshikudi Londji, Jugendhilfe Afrika 2000 e.V.34

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Erlebnispädagogische Waldtage mit Kindern“

Ziel/Inhalt: durch erlebnispädagogische Waldtage Naturerfahrungen sammeln

Zeit: unbegrenzt

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: unbegrenzt>Beschreibung:Die Wahrnehmung von Naturphänomenen mitallen Sinnen ermöglicht es, ganz individuelleErfahrungen im Wald zu sammeln und einenpersönlichen Zugang zu diesem Lebensraumaufzubauen. Ein Moospolster nur zu sehen, istetwas anderes, als es gleichzeitig zu erfühlenund an ihm zu riechen. Im Wald, ohne vorgefertigtes Spielzeug, mitgeheimnisvoll wirkenden Bäumen und unge-wohnten Geräuschen, wird die Fantasie undKreativität der Kinder angeregt. Dinge aus derNatur werden in einen ihrer Gedankenweltentsprechenden Sinnzusammenhang gestellt.Eine Buchecker wird zu einer Zwergenkratz-bürste und ein moosbewachsener Baum-stumpf zu einer Miniatur-Parklandschaft. DieKinder sind zu eigenem Handeln herausgefor-dert, was einer passiven Konsumhaltung ent-gegenwirkt.

Das Sozialverhalten und der Gemeinschafts-sinn in der Gruppe können durch einen Auf-enthalt im Wald positiv beeinflusst werden.Die veränderte Umgebung fordert andere be-ziehungsweise neue Verhaltensweisen undKooperation untereinander heraus. Absprachensind notwendig und die Vorteile des gemein-samen Handelns werden erkannt. Beim Baudes Waldsofas zählt beispielsweise nicht, werdazu in der Lage ist, den längsten, dicksten,schwersten Ast heranzuschleppen, sonderndie Erkenntnis, dass dünnere und kürzereZweige besonders gut geeignet sind. Bringtjeder seine persönlichen Fähigkeiten kon-struktiv ein, wird die Aktion für alle Beteiligtenzu einem positiven Erlebnis. Nicht zuletztauch deshalb, weil das Ergebnis gemeinsamgenutzt werden kann.5

Ziel:Mit Naturerlebnisspielen von Joseph Cornellund dem Flow Learning, einer Strategie derNaturerkundung, wird eine enorme Begeiste-rung und Erfahrungstiefe hervorgerufen.6

Nicht zuletzt soll den Kindern mit Spielen dieNatur näher gebracht werden, so dass sieeine respektvolle Beziehung zu ihr aufbauenkönnen. Die Sinne werden geschärft oderwieder entdeckt und ganz nebenbei wird Wis-sen vermittelt. Es werden die vier Elementemit allen Sinnen erkundet und es wird festge-stellt, dass der Kreislauf der Natur auch ohneden Menschen funktioniert.

Ziel ist es auch, die Phantasie anzuregen. Seies mit Suchlisten, bei denen nicht nur Realesgefunden werden soll, sondern auch zum Bei-spiel das Stück Fell eines Graugnom, dieFeder einer Wilddrude oder die Spur voneinem Rumpelwicht. Hierbei wird Bezug aufdas Buch „Ronja Räubertochter“ von AstridLindgren genommen, wobei der Mattiswaldüberall sein kann. Dieses Thema kann alsTheaterstück oder vielleicht auch als Kinofilm-besuch in das Gesamtkonzept mit eingebun-den werden. Der Wald bietet mit seinem eige-nen Klima, den sich ständig änderndenLichtverhältnissen und der Artenvielfalt einenidealen Platz für Aktionen mit Kindern. DieZeit bekommt eine andere Dimension: In Re-lation zu der Lebenszeit eines alten Baumeswird die eigene als kurz empfunden und einGefühl für die Zeitlichkeit entwickelt.7

5 Vgl. Kathrin Sandhof, Brigitta Stumpf (1998):„ Mit Kindern in den Wald“, ÖkotopiaVerlag (Münster).

6 Vgl. Joseph Cornell (1999): „Mit Cornell die Natur erleben“, Verlag an der Ruhr(Mühlheim an der Ruhr).

7 Vgl. Kathrin Sandhof, Brigitta Stumpf (1998):„ Mit Kindern in den Wald“, ÖkotopiaVerlag (Münster).

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Interkulturalität gewinnt aufgrund der ansteigenden inter-nationalen Vernetzung und Globalisierungsprozesseimmer mehr an Bedeutung. Um sich auch in interkulturel-len Situationen angebracht verhalten und interagieren zukönnen, bedarf es interkultureller Handlungskompeten-zen. Diese setzen sich aus einem Bündel an fachlichenund persönlichen Fähigkeiten zusammen. Dazu gehörenkommunikative Kompetenz, Empathie, Offenheit, Selbst-reflexion und Konfliktfähigkeit, um dauerhaft mit Men-schen anderer Kulturen offen und aufgeschlossen kom-munizieren zu können. Interkulturelle Kompetenz beinhaltet außerdem die Sen-sibilisierung von Wahrnehmungsprozessen, um in ersterLinie kulturelle Zuschreibungen und Festlegungen auszu-klammern und das harmonische Miteinander vorurteilsfreizu sichern. Aus diesem Grund muss die interkulturelle Ar-beit gezielt auf ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt,insbesondere durch Wissenserweiterung, reagieren.Es geht dabei meiner Meinung nach nicht nur ausschließ-lich um den Umgang mit Vielfalt, sondern auch um denAusgleich von Ungleichheitsverhältnissen in der Gesell-schaft. Dabei ist zu beachten, dass die Umsetzung unddie Realisierung interkultureller Konzepte keine abge-schlossene oder einmalige Zielsetzung darstellt, sonderneinen fortlaufenden Vorgang widerspiegelt.

Humanismus als Leitkultur

Die alevitische Geschichte ist gekennzeichnet durch Dis-kriminierung, Ausgrenzung und Ungerechtigkeiten. Dieserklärt unverkennbar, aus welchem Grund für die Alevit-

sche Jugend in NRW die interkulturelle Arbeit besonderswichtig ist und eine humanistische Welt- und Werteauf-fassung zentraler Faktor für die Arbeit der Alevitischen Ju-gend in NRW sind. Die Alevitische Jugend in NRW ver-sucht die Menschen für Themen wie Antisemitismus,Rassismus, Rechtsextremismus zu sensibilisieren. DieBasis für die interkulturelle Arbeit bilden dabei Fortbil-dungsangebote, die die Handlungskompetenz jeder ein-zelnen Person fördern sollen. Die Alevitische Jugend in NRW führt daher regelmäßig Se-minare und Fortbildungen durch, die in erster Linie Wissenund fachliche Kenntnisse vermitteln. Interkulturelles Wis-sen charakterisiert grundsätzlich das Interesse für Men-schen unterschiedlicher Kulturen. So wird beispielsweise

37Tshikudi Londji, Jugendhilfe Afrika 2000 e.V.36

Beschreibung: Wie bereits erwähnt, ergibt sich die Kulturpä-dagogik zum Teil aus der Naturpädagogik.Aus einem Naturerlebnis im Wald kann ineinem anderen Kontext ein Kulturerlebnis wer-den. So wird aus dem Walderlebnis „Ronjadie Räubertochter“ bewusst das Theaterstückim Kindertheater, um schließlich in der Biblio-thek nach einer Vorlesestunde gemeinsamdiskutiert zu werden.

Ziel: Das pädagogische Konzept von wechselndenKontexten ist ein Erfolgsgarant, weil es ganz-heitlich unterschiedliche Persönlichkeits-aspekte fordert und fördert und zugleich zurEntwicklung anregt. Zudem wird eine Vielzahlvon sozialen Fertigkeiten nebenbei vermittelt.Auch der Aspekt der Sprachbildung wird be-sonders durch den Kontextwechsel gefördert,dies auch weil unterschiedliche Lerntypen (visuelle, auditiv, haptisch) hiervon profitieren.Zudem lassen sich bei entsprechender Ziel-setzung leicht interkulturelle Bezüge herstel-len. Dieses ganzheitliche Lernen können klas-sische offene Kinder-Angebote meist nichtliefern, da sie oft kontextuell gebunden unddaher statisch sind.

>Methode: „Erlebnispädagogische Kulturtage mit Kindern“

Ziel/Inhalt: Kulturerlebnis durch Naturerlebnis

Zeit: unbegrenzt

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: unbegrenzt

Unsere Gesellschaft –eine bunte Mischung

Mein Name ist Zarife Sezgün. Ich bin 23 Jahre alt,lebe in Bielefeld und studiere hier Soziologie. Ich binin der Alevitischen Jugend in NRW (BDAJ-NRW) ehrenamtlich aktiv. Als Bildungsbeauftragte desBDAJ-NRW ist mir insbesondere die Qualifizierungunserer ehrenamtlichen Aktiven wichtig. Ich gehörezum Teamerteam unserer Juleica-Schulungen.

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 39

durch Hintergrundinformationen über historische Zusam-menhänge, Bräuche und Sitten sowie die gesellschaftli-chen Rollen von Minderheiten das interkulturelle Wissenerweitert. Zudem sind weitere soziale Kompetenzen wiebeispielsweise Konfliktfähigkeit für ein vielfältiges Mitei-nander wichtig. Die Alevitische Jugend in NRW konzep-tioniert daher ihre Qualifizierungsangebote so, dass auchdiese Kompetenzen geschult werden.Darüber hinaus sollten interkulturelle Qualifizierungenauch die eigenen Erfahrungen der Teilnehmerinnen undTeilnehmer thematisieren, denn in jeder individuellen Er-fahrung lassen sich Strukturen, Positionen und Einstellun-gen der Gesellschaft erkennen. Individuelle Erlebnissekönnen zudem ins Verhältnis zu den Erfahrungen andererTeilnehmerinnen und Teilnehmer gesetzt werden, um ge-gebenenfalls Gemeinsamkeiten zu erkennen und Anre-gungen für ein gemeinsames Handeln zu entwickeln.

Die Reflexion und Betrachtung von eigenen Werten, Ei-genschaften und Attributen ist ein weiterer Bestandteil fürdie Erweiterung der interkulturellen Kompetenzen. Jedersollte seine Selbstwahrnehmung in Bezug auf die eigeneKultur oder Religion auch auf die Wirkung auf die Umge-bung hin reflektieren. Dies bietet auch die Möglichkeit, dieEntstehung und Bildung von Vorurteilen näher zu beleuch-ten, da sie nicht nur individuelle Ängste darstellen, son-dern meistens tief in der Gesellschaft verankerte Einstel-lungen und Meinungen widerspiegeln.Ziel des interkulturellen Lernens ist die Pflege der Vielfaltals zentrales Element der Gesellschaft, um die Toleranzund die Demokratie zu fördern. Dies sind unentbehrlicheVoraussetzungen für ein offenes und multikulturelles Mit-einander. Die Aufgabe einer jeden Mitbürgerin und einesjeden Mitbürgers sollte aus diesem Grund meiner Mei-nung nach darin bestehen, die Vielfalt in der Gesellschaftzu bewahren und zu fördern.

Zarife Sezgün, Unsere Gesellschaft – eine bunte Mischung38

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Kuh-Stall-Spiel“

Inhalt: Kennenlernspiel

Zeit: ca. 20 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Es werden mindestens 7 Personen benötigt, damit es zumindest 2 Kuhställe und eine Kuh gibt.

Material: Es wird genügend Platz benötigt, damit alle Kühe bei der Suche nach einem geeigneten Stall frei herumlaufen können.

Ziel: Dieses Kennenlernspiel eignet sich zu Beginn eines Seminars, um Grup-penprozesse zu initiieren und zu fördern. Das Spiel schafft im Allgemeinen einelockere, entspannte Atmosphäre innerhalb der Gruppe, die vor allem dazudient, erste Barrieren in einer multikulturellen Gruppe zu überwinden und denGruppenprozess dynamischer zu gestalten.

>Beschreibung:Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werdenjeweils in Dreiergruppen aufgeteilt. Hierbei bilden jeweils zwei Spieler einen Kuhstall, indem sie einander die Hände reichen. Diedritte Person befindet sich im Kuhstall undbildet somit die Kuh. Dabei ist zu beachten,dass eine Mitspielerin oder ein Mitspieler eineKuh ohne Kuhstall ist. Diese Person über-nimmt die Aufgabe, verschiedene Anweisun-gen, wie beispielsweise Kuh, Stall und Kuh-

stall laut zu rufen. Wird Kuh aufgerufen, dannwechseln die Kühe ihre Ställe. Wird die An-weisung Stall aufgerufen, müssen die Ställeeine neue Kuh umfassen, wird Kuhstall geru-fen, müssen sich Kühe und Ställe komplettneu formieren. Die Person, die nach demRufen der Anweisungen keinen geeignetenoder passenden Platz gefunden hat, wird zurnächsten freien Mitspielerin beziehungsweisezum nächsten freien Mitspieler ernannt, die

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Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 41Zarife Sezgün, Alevitische Jugend in NRW e.V.40

beziehungsweise der nun die vorgestelltenAnweisungen laut in die Gruppen rufen soll.

Reflexion der Methode: Die Übung eignet sich besonders gut als Ein-stieg und Hinführung für multikulturelle Grup-pen, in denen sich die Teilnehmerinnen undTeilnehmer noch nicht kennen.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Der Spielprozess könnte eventuell musika-lisch begleitet werden, um die Stimmungnoch lockerer zu gestalten.

Beschreibung: Die Gruppe teilt sich nach kulturellen Hinter-gründen in Teilgruppen auf und erhält jeweilszwei linke beziehungsweise zwei rechte Hälf-ten der menschlichen Umrisse. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben nundie Aufgabe, auf die eine Hälfte des Umrissessowohl positive als auch negative Eigenschaf-ten und Beobachtungen der eigenen Kulturaufzuschreiben. Auf die andere Hälfte sollendie Eigenschaften und Merkmale einer anderenKultur aufgeschrieben werden. Anschließendfinden sich die beiden Gruppen wieder zu-sammen, um die „Menschen“ nun zusammen-zufügen. Die menschlichen Umrisse stellennun zwei unterschiedliche Kulturen aus zweiverschiedenen Blickwinkeln dar. Einerseits

wird durch die Methode verdeutlicht, wie dieTeilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigeneKultur betrachten und andererseits wie sievon Außenstehenden wahrgenommen wird.

Reflexion der Methode: Über die Ergebnisse wird in der Gruppe ge-sprochen. Außerdem können darauf aufbau-end einzelne Eigenschaften oder Bewertungender unterschiedlichen Kulturen im Rollenspieldargestellt werden. Für die Auswertung derMethode ist es angebracht, gegebenenfallseinzelne Aspekte aufzugreifen, um über Vorur-teile und Stereotypen zu sprechen.8

>Methode: „A wie Ausländer, D wie Deutscher“

Inhalt: Thematisierung von Vorurteilen und Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmung

Zeit: ca. 30 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: mindestens 8 Personen

Material: Zur Vorbereitung werden aus großen Papierrollen zwei menschlicheUmrisse ausgeschnitten, die jeweils in der Mitte senkrecht durchgeschnittenwerden. Außerdem sollten Stifte für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer be -reitliegen. Es werden also folgende Materialien benötigt: große Papierrolle,Scheren, Stifte, Pinnwände

Ziel: Die folgende pädagogische Methode behandelt das Thema Vorurteile und geht dabei auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Teilnehmendenein. Die Methode lässt sich am besten bei multikulturellen Gruppen anwenden.

8 Vgl. Helmolt Rademacher, Maria Wilhelm (1991): Spiele und Übungen zum inter-kulturellen Lernen, Verlag für Wissenschaft und Bildung (Berlin), S.86.

Page 22: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Die Migrantenjugendorganisationen bereichern die Vielfaltder Jugendverbandslandschaft in Bochum und leisteneinen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Integrationund Teilhabe. Die Vereine haben ein großes Interesse amAustausch mit anderen Jugendverbänden und an ge-meinsamen Veranstaltungen. Die Unterstützung der Mig-rantenjugendorganisationen soll dazu beitragen, dass esKindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichteermöglicht wird, sich mit Gleichaltrigen in ihren eigenenJugendorganisationen zu treffen und in ihrer kulturellenund/oder religiösen Identität gestärkt zu werden.

Interkulturelle Qualifizierungen

Parallel zu den Beratungs- und Unterstützungsangebotenfür die Migrantenjugendorganisationen wurden in Koope-ration vom Kinder- und Jugendring und der Integrations-agentur des Evangelischen Jugendpfarramtes Fortbildun-gen im Bereich interkultureller Kompetenz angeboten. Mitden regelmäßigen Fortbildungen zur interkulturellen Kom-petenz soll für eine stärkere Öffnung der Jugendverbändefür Kinder und Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichtegeworben werden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter in den Verbänden sollen fit für interkulturelle Öffnungs-prozesse gemacht werden. Nach einem Grundlagen-Wo-chenende zur interkulturellen Kompetenz wurden einzelne

Interkulturelle Öffnung im Kinder- und Jugendring Bochum 43

Bei den Beratungen zur Kinder- und Jugendarbeit im Rah-men der Integrationskonferenz im Jahr 2007 in Bochumist deutlich geworden, dass Kinder und Jugendliche mitZuwanderungsgeschichte bei den Angeboten der Ju-gendverbandsarbeit stark unterrepräsentiert waren. DerVorstand des Kinder- und Jugendrings Bochum hattedeshalb im Herbst 2007 beschlossen, sich für das „Pro-jekt Ö“ beim Landesjugendring NRW zu bewerben, umeine interkulturelle Öffnung des Kinder- und Jugendringsund der Jugendverbände in Bochum voran zu bringen.Der Landesjugendring NRW hatte mit dem „Projekt Ö“ eininnovatives Modellprojekt gestartet, um Jugendringe undJugendverbände in NRW wirksamer als bisher für Kinderund Jugendliche aus Zuwandererfamilien zu öffnen. Zu-sammen mit den Jugendringen in Siegen und Wuppertalhat der Kinder- und Jugendring Bochum den Zuschlagvom Landesjugendring NRW für die Umsetzung des Pro-jektes erhalten. Die Durchführung des Projektes war aufdrei Jahre angelegt (01.10.2007 - 30.09.2010). Unsere Erfahrungen mit der Umsetzung des „ProjektesÖ“ haben gezeigt, dass eine interkulturelle Öffnung vonJugendringen möglich ist und dass es gelingen kann, einegrößere Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Zuwan-derungsgeschichte bei den Angeboten der Jugendver-bandsarbeit zu integrieren und sie an der Jugendförde-rung partizipieren zu lassen. 2008 und 2009 sind fünf Migrantenjugendorganisationen(IFAK, ISTOK, Lukomorje, Alevitische Jugend, Internatio-naler Kulturverein Wattenscheid / DIDF-Jugend) in denJugendring aufgenommen worden. Die Jugend der Jüdi-schen Gemeinde ist bereits seit einigen Jahren Mitgliedim Jugendring. Mit der Jugend des Islamischen Kultur-

vereins, dem Kinder- und Jugendforum im DARF e.V.(Deutsch-Afrika Ruhr Forum e.V.) und Planet Afrika haben2011 drei weitere Migrantenjugendorganisationen Aufnah-meanträge an den Jugendring gestellt. Die Jugendrings-delegierten haben in der Vollversammlung des Kinder-und Jugendrings am 28.11.11 einstimmig die Aufnahmeder drei Migrantenjugendorganisationen beschlossen.

42

Interkulturelle Öffnung im Kinder- undJugendring Bochum

Der Kinder- und Jugendring Bochum beschäftigtsich verstärkt seit 2007 mit der Öffnung des Jugend-rings für Migrantenselbstorganisationen und Kinderund Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte undwar Projektstandort für das „Projekt Ö“ des Landes-jugendrings NRW. Im Rahmen dieses Öffnungspro-zesses hat der Kinder- und Jugendring Bochum bereits acht Migrantenjugendorganisationen als Mitglieder in den Jugendring aufgenommen und ist so jünger, bunter und vielfältiger geworden.

Wir, Kerstin Raczak und Regine Hammerschmidt,werden im Folgenden einen Überblick über interkul-turelle Qualifizierungen des Kinder- und JugendringsBochum geben. Diese werden in Kooperation vomKinder- und Jugendring und der Integrationsagenturdes Evangelischen Jugendpfarramts durchgeführt.

Mein Name ist Kerstin Raczak. Ich bin Diplom-Sozialpädagogin und Gemeindepädagogin. Ich warals Jugendreferentin des Evangelischen Kirchenkrei-ses tätig und bin seit 2007 als Integrationsfachkraftder Integrationsagentur des Evangelischen Jugend-pfarramts beschäftigt. Die Aufgabenstruktur der Integrationsagenturen ist darauf fokussiert, Integra -tionsprobleme und –chancen zu erkennen und inpartnerschaftlicher Zusammenarbeit mit freien undöffentlichen Trägern und Migrantenselbstorganisatio-nen nach Lösungen zu suchen und gemeinsameProjekte zu entwickeln.

Ich heiße Regine Hammerschmidt und bin Diplom-Sozialwissenschaftlerin. Ich war viele Jahre in derKatholischen Jugendarbeit tätig. Seit 2007 bin ichpädagogische Mitarbeiterin beim Kinder- und Jugend-ring Bochum. Zu meinem Aufgabengebiet gehörenSchulungen und Qualifikationen für Ehrenamtliche,beispielsweise die Juleica-Schulungen und Fortbil-dungen in interkultureller Kompetenz. Darüber hinausbin ich als Kinderschutzfachkraft für die Mitgliedsver-bände des Jugendrings und die Bochumer Arbeits-gemeinschaft „Haus der offenen Tür“ (AGOT) tätig.

Page 23: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

gend des Islamischen Kulturvereins, Planet Afrika, DITIB-Gemeinde) besucht wurden. Alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer profitierten nach eigenen Aussagen vom Aus-tausch über die eigenen Verbände und über Arbeitsin-halte. Für uns hat es sich bewährt, ein Tagungshaus zu wählen,das gut zu erreichen und in der näheren Umgebung gele-gen ist. So haben auch Ehrenamtliche, die nicht im Ta-gungshaus übernachten wollen oder dürfen, die Möglich-keit, an der Schulung teilzunehmen. Selbstverständlichgehört zu den Planungen auch, auf Essensregelungenund Gebetszeiten Rücksicht zu nehmen. Das Seminar „Interkulturelle Kompetenz in der Arbeit mitKindern und Jugendlichen“ richtete sich an ehrenamtlicheund hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ver-schiedener Einrichtungen und Jugendverbände in Bochum.Insgesamt waren 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (15weibliche und 3 männliche) beteiligt. Die Altersstrukturreichte von 16 bis 50 Jahren und die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter kamen aus unterschiedlichen Bereichen wieeiner Kindertagesstätte, Ehrenamtliche aus der aej, Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Kinder- und Ju-gendfreizeithaus und der Offenen Ganztagsschule. DasEinführungsseminar fand als Wochenendseminar in derBildungsstätte Meinerzhagen-Valbert statt.In der ersten Einheit am Freitagabend ging es zunächstum das gegenseitige Kennenlernen. Nach dem Bespre-chen von Regeln, Zeiten und Seminarrichtlinien folgte eineausführliche Vorstellungsrunde. Wichtig war hierbei, dassauch der jeweilige eigene Arbeitsbereich sowie die Moti-vation, an diesem Wochenende mitzufahren, benanntwerden sollten.Thematisch wurde bei diesem Seminar unter anderem derBegriff „Kultur“ in einem Brainstorming behandelt. In vierKleingruppen sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmerfrei assoziieren, was ihnen zu Kultur einfällt und dieses aufKarteikarten festhalten. Anschließend wurden die Ergeb-

nisse im Plenum zusammengetragen, wobei hier schondeutlich wurde, wie vielfältig die Assoziationen sein kön-nen und wie breit gefächert der Begriff Kultur ist. Daraufaufbauend gab es einen theoretischen Input: Hier wurdenzum einem Begriffe erklärt (Kultur, multikulturell, interkul-turell, transkulturell, interkulturelles Lernen, interkulturelleKompetenzen, Integration) und zum anderem die Ge-schichte der Migration in Deutschland und die aktuelle Si-tuation in Bochum beleuchtet. Darüber hinaus hatten dieTeilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, eigeneKonflikte aus ihrer Arbeit darzustellen. In neuen Kleingrup-pen wurden Rollenspiele zu interkulturellen Konflikten er-arbeitet und diese anschließend im Plenum besprochenund nach Lösungen gesucht. Es gab zwei Situationen ausdem Kindergartenbereich, wobei es hauptsächlich umsprachliche Defizite/Konflikte mit Eltern von Migranten-kindern ging. In einem anderen Rollenspiel ging es umeinen interkulturellen Konflikt in einem Jugendfreizeithaus.Beim Feedback wurde das Seminar von den Teilnehme-rinnen und Teilnehmern als sehr positiv bewertet. Als be-sonders bereichernd wurden die Rollenspiele und Spieleempfunden – aber auch die „bunt gemischte“ Gruppe derTeilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichenBereichen der Kinder- und Jugendarbeit.

Interkulturelle Öffnung im Kinder- und Jugendring Bochum 45

Module nach dem Wunsch der Teilnehmenden angebo-ten: Themen der Fortbildungsveranstaltungen warenrechtliche Fragestellungen (Staatsangehörigkeitsgesetz,Aufenthaltsstatus, etc.), die Methode der gewaltfreienKommunikation, Informationen über unterschiedliche For-men türkischer Familienstrukturen in Bochum und Ange-bote zur interkulturellen Spielpädagogik. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von verschiede-nen Jugendverbänden haben an den Schulungen in inter-kultureller Kompetenz teilgenommen, sich für die (weitere)Öffnung gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Zu-wanderungsgeschichte engagiert und sind Kooperationenmit Migrantenjugendorganisationen eingegangen. Neben

den Fortbildungen in interkultureller Kompetenz wurde2010 erstmals eine Juleica-Schulung vom Kinder- und Ju-gendring Bochum angeboten. Da viele Migrantenjugend-organisationen weder über hauptberufliches Personalnoch über eine Landes- oder Bundesstruktur verfügen,sind für sie eigene Juleica-Schulungen kaum durchführbar.Aber auch den etablierten (kleineren) Jugendverbändenfehlt es zunehmend an Möglichkeiten, eigene Juleica-Schulungen anzubieten. Daher organisierte der Jugend-ring 2010 und 2011 Juleica-Schulungen, die sowohl von Ehrenamtlichen aus „etablierten“ Jugendverbänden(Schreberjugend, Jugendrotkreuz, aej) als auch von Ehren -amtlichen aus Migrantenjugendorganisationen (IFAK, Ju-

Kerstin Raczak & Regine Hammerschmidt44

Page 24: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 47Kerstin Raczak & Regine Hammerschmidt46

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Kulturcheck“

Inhalt: Wahrnehmung kultureller Vielfalt

Zeit: 30 bis 60 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: mindestens 4

Material: Flipchartbögen für Fragen

Ziel: Bewusstseinsentwicklung für die eigenen kulturellen Hintergründe undderen Auswirkungen auf das alltägliche Leben

>Beschreibung:Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern werdennacheinander die folgenden Fragen gestellt,die sie jeweils im Zweier- oder Dreiergesprächdiskutieren sollten: Wann wurde dir zum ers-ten Mal bewusst, dass es Menschen andererKulturen gibt? Was empfindest du an deinemeigenen kulturellen Hintergrund/deiner Her-kunft als förderlich für deine Entwicklung?Und was empfindest du als hinderlich fürdeine Entwicklung? Welchen Einfluss hatdeine kulturelle Herkunft auf deine derzeitigenHaltungen/Meinungen/Handlungen/Gefühlebezüglich Geld, Arbeit, zwischenmenschlicheBeziehungen, Selbstbild, Politik? Nach jedemZweiergespräch wird die Frage anschließend

im Plenum diskutiert. Dies kann zu einem sehrinteressanten Austausch zwischen den Teil-nehmenden führen.

Reflexion der Methode: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kulturist eine wichtige Voraussetzung für das Wahr-nehmen der anderen Kulturen. Dabei sollte je-doch den Teilnehmenden freigestellt werden,zu welchen Fragen sie sich äußern wollen.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Die Auseinandersetzung mit diesen Fragenbenötigt genügend Zeit und eine motivierendeHaltung der Teamerinnen und Teamer.

Beschreibung: Die Gesamtgruppe wird in zwei gleichgroßeGruppen geteilt. Die eine Hälfte der Teilneh-merinnen und Teilnehmer stellt die Kultur derMoonies dar, die bestimmte Verhaltensweisen,Gesten, Mimik und Rituale zeigt. Die anderenspielen die Sunnies, die sehr konträre Verhal-tensweisen an den Tag legen. Die Gruppen er-halten getrennt voneinander Instruktionen undhaben ca. zehn Minuten Zeit, diese einzuüben.Danach begegnen sich die beiden Gruppenund versuchen jeweils, ihre Instruktionengenau umzusetzen.

Reflexion der Methode: Die beiden Gruppen sollen anschließend Stel-lung nehmen zu folgenden Fragen: WelcheVerhaltensweisen könnt ihr erkennen? WelcheBedeutung könnten diese haben? Wie habtihr die andere Kultur empfunden? Welche Ge-fühle wurden ausgelöst? Was wurde als be-sonders fremd empfunden?

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Der Raum sollte ausreichend groß sein und es muss den beiden Gruppen die Möglichkeitgeboten werden, getrennt voneinander die Instruktionen einzuüben.

>Methode: „Moonies meet Sunnies“

Inhalt: Einstieg in das Thema interkulturelle Öffnung

Zeit: 30 bis 60 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: mindestens 8 – aber auch für große Gruppen geeignet

Material: Kopien der Instruktionen

Ziel: spielerischer Einstieg in den Themenbereich der interkulturellen Öffnung

Page 25: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

HIMA setzt sich für den Umweltschutz und für eine öko-logisch nachhaltige Lebensweise zum Wohle der Naturauf Basis islamisch-ethischer Handlungsprinzipien ein. Zueiner Auseinandersetzung mit Umweltthemen leisten auch

religiöse Gemeinschaften einen zentralen Beitrag und die-nen als Multiplikatoren für ein verbessertes Umweltbe-wusstsein in der Gesellschaft. Diese greifen auf eine um-fassende Tradition ethischer Prinzipien zurück, die denverantwortungsvollen Umgang mit den uns Menschen an-vertrauten Ressourcen hervorheben.Interkulturelle oder „zwischen-menschliche“ Kompetenzwird bei HIMA in doppelter Hinsicht bedient. Zum einenist es ein Gebot im Islam, Menschen in ihrem Wesen zuakzeptieren und zu respektieren, unabhängig von ihrerHerkunft oder Nationalität. Am Ende der letzten Pilgerreisedes Propheten Muhammads hielt er seine letzte Predigt,in der er wie folgt die Anwesenden ermahnte: „[Niemandist einem anderen überlegen] außer in der Gottesfurchtund in guter Tat.“Von diesem Menschenbild inspiriert und motiviert strebtHIMA eine Arbeit in der interkulturellen und interreligiösenZusammenarbeit an, wobei gegenseitiger Respekt, Part-nerschaft und Offenheit die Basis dieser Arbeit darstellen.Zu der vom Propheten vorgelebten Lebensweise gehörtweiterhin eine in der heutigen muslimischen Communityfast in Vergessenheit geratene Umweltethik. Das uns an-vertraute Gut, die Ressourcen dieser Erde, ethisch undnachhaltig zu nutzen, ist eine Basis für fast jede religiöseTradition, da man spirituell und verantwortungsvoll nur imEinklang mit dieser Natur leben kann. Dies zu erkennenund dementsprechend zu handeln ist ein zentraler Ar-beitsschwerpunkt von HIMA. Daher sucht HIMA, diesemWeg folgend, nach Gemeinsamkeiten und Kooperations-möglichkeiten im interkulturellen Bereich.Unsere Initiative ist genaugenommen als Folge einer in-terkulturellen und interreligiösen Arbeit entstanden. DieIdee von HIMA ist auf der Zahnräderkonferenz, einem

49Kerstin Raczak & Regine Hammerschmidt48

Moonies:1. Moonies begrüßen andere indem sie sichgegenseitig die Haare raufen und fest in dieAugen sehen.

2. Moonies stehen auf einem Bein.

3. Moonies zeigen ihre Erheiterung indem siesich am Ohr zupfen, aber niemals durchLachen.

4. Moonies stehen ihrem Gegenüber ständigso nahe, dass sie dessen Geruch wahrneh-men können.

5. Moonies deuten niemals mit der Hand aufetwas, sondern stets mit dem Kinn.

6. Moonies sagen „Ja“ indem sie mit der fla-chen Hand vor ihrem Gesicht hin und herwedeln.

7. Moonies sagen „nein“ indem sie sich mitder Faust auf die Brust klopfen.

8. Moonies äußern ihre Missbilligung durchein lautes „ga-gaa“ (Betonung auf der 2.Silbe und Betonung dabei nach oben).

Sunnies:1. Sunnies begrüßen andere mit einer Verbeu-gung aus 2 Metern Entfernung.

2. Sunnies wenden während des Sprechensdas Gesicht vom Gegenüber ab und nä-hern sich nur auf 2 Armlängen.

3. Sunnies betonen bei jeder Frage das letzteWort durch größere Lautstärke. Jede an-dere Betonung wird als Beleidigung emp-funden.

4. Sunnies zeigen Freude und Erheiterungdurch Umschlingen des eigenen Körpersmit beiden Armen - und sie sind oft erhei-tert!

5. Sunnies sagen „nein“ indem sie den Kopfzurückwerfen und mit der Zunge einschnalzendes Geräusch machen.

6. Sunnies sagen „Ja“ indem sie sich mit derflachen Hand auf die Stirn klopfen.

7. Sunnies deuten niemals mit der Hand aufetwas, sondern nur mit den Lippen.

8. Sunnies zeigen ihre Missbilligung durchversteinertes Stehen bleiben.

Quelle: Instruktionen aus: Helga Losche (2000): Interkulturelle Kommunikation, ZIEL(Augsburg).

HIMA – Umwelt und Naturschutz aus islamischer Perspektive

Mein Name ist Redouan Aoulad-Ali und ich bin beider islamischen Umwelt- und Naturschutz InitiativeHIMA (Verein in Gründung) aktiv. Ich bin als Teamerbei HIMA für Düsseldorf verantwortlich und bundes-weit für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins zustän-dig. Darüber hinaus engagiere ich mich ehrenamtlichbei der Muslimischen Hochschulgruppe Düsseldorf,der Düsseldorfer Tafel und bei der Moscheege-meinde AsSalam e.V. Ich bin Germanist und setzemich dafür ein, dass es einmal in Deutschland völligirrelevant sein wird, was andere in einem sehen undin welche Kategorie man sein Gegenüber einteilt.Zudem bin ich davon überzeugt, dass der Menscham ehesten in seinem ‘Armlängenkosmos‘ Verbesse-rungen der jeweiligen Zustände erlangen kann. Inter-kulturelle Zusammenarbeit zu erweitern und zu stär-ken ist der Schlüssel, um eine Verbesserung desZusammenlebens zu erreichen.

Page 26: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Umwelt- und Naturschutz als Brückenbauer

Ein Kernprinzip unserer interkulturellen Arbeit bestehtdarin, Gemeinsamkeiten hoch zu schätzen und gerade andiesem Punkt zu arbeiten und Brücken zu bauen. UnsereUmwelt betrifft im Endeffekt jede Person. Jede Person,egal aus welcher Kultur, Religion oder Nation, hat die Auf-gabe, die Natur zu wahren und zu schätzen. Besondersan diesem gemeinsamen Punkt wollen wir arbeiten undmehr Menschen zu einem ökologisch-nachhaltigerenLeben anregen. Um weitere Brücken in unserer Gesell-schaft aufzubauen und weitere Partizipationsmöglichkei-ten zu eröffnen, sind alle unserer bisher geplanten Pro-jekte in einer engen Zusammenarbeit mit diversenVereinen und Organisationen entwickelt worden. Ziel beiden Projekten ist es unter anderem, Vorurteile abzubauenund interkulturelle Sensibilität aber auch Verständnis undRespekt aufzubauen. Diese Herangehensweise spricht si-cherlich insbesondere religiöse Menschen an. Sie ist aberauch ohne weiteres als ethisches Handlungsprinzip fürjeden anderen Menschen, ganz gleich welche Weltan-schauung dieser vertritt, anwendbar. In Moscheen in Deutschland war es bisher zum Teil so,dass sich die Moscheegemeinden nach ethnischer Zuge-hörigkeit aufgeteilt haben. HIMA setzt hier an und wirbtdafür, dass die verschieden Kulturen sich besser kennen-lernen, in dem man sich an gemeinsamen Kennenlern-abenden über die Verantwortung zum Umweltschutz imIslam informiert und in Workshops praktische Anwen-dungsgebiete vermittelt werden. HIMA leistet auch dadurch einen Beitrag zu dieser inter-kulturellen Öffnung, dass sie Hausaufgabenbetreuungenanbietet, die immer mit einem 15-minütigen Vortrag undeiner Diskussion über Umwelt- und Naturschutz aus isla-mischer Perspektive beginnen. Zusammen mit einem tür-kischen und marokkanischen Moscheeverein finden auch

regelmäßige Treffen der Hausaufgabenbetreuungen bei-der Vereine statt. Das Thema des Umwelt- und Natur-schutzes über den islamischen Zugang stellte sich alsbindendes Mittel heraus, wenn man den Kindern und Ju-gendlichen die Auswirkung darin visualisiert und einenmoralischen Mehrwert aus ihrer Religion offenbart. Dasstärkt das Bewusstsein der Schüler und macht sie an in-terkultureller Kompetenz reicher.Für interkulturelle Zusammenarbeit ist es wichtig, die Frei-heit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht einzu-schränken und das kritische Denken zu fördern. HIMAvertritt die Meinung, dass jeder Mensch ein Talent hat. Wirwollen, dass dieses gefördert wird. Es hat sich bewährt,Gemeinschaft durch Austausch über Essen und wie die-ses hergestellt wird zu erzeugen. Insbesondere empfiehltsich auch der religiöse Zugang zum Umwelt- und Natur-schutzthema. Dieser Ansatz kann auch auf andere ethi-sche Grundsätze herunter gebrochen und für andereWeltanschauungen angewandt werden.

Redouan Aoulad-Ali, HIMA – Umwelt und Naturschutz aus islamischer Perspektive 51

muslimischen Netzwerktreffen, aufgekommen. Hier habensich muslimische Jugendliche Gedanken gemacht, wieman durch nachhaltiges Handeln einen Mehrwert für dieGesellschaft erreichen kann. Auf einer Tagung der Evan-gelischen Akademie Loccum über das Thema „Wie grünist der Islam?“ haben sich viele Interessierte zusammen-getan und ein Netzwerk ins Leben gerufen, aus dem derVerein „HIMA“ entstanden ist.Weiterhin besteht unser Team aus einer multi-ethnischenund multi-kulturellen Gruppe. Deutsch ist unser gemein-samer Nenner und unsere gemeinsame Sprache. In dieserVielfalt und in den Gemeinsamkeiten besteht auch unteranderem die Stärke unseres Teams. Da wir in der Mitte

dieser Gesellschaft stehen und auch viele Erfahrungen iminterkulturellen Bereich haben, können wir sowohl jungeLeute erreichen als auch ältere Muslime der ersten Mi-grantinnen- und Migranten-Generation. Dies zeigte sichbesonders, bei einem „Bio-Fairtrade-Frühstück“, das wirin einer türkischen Moschee organisiert haben. HIMAselbst ist dabei kein Migrantinnen- beziehungsweise Mig-ranten-Verband, bietet aber die Möglichkeit Migrantinnenund Migranten muslimischen Glaubens einen Ansatz-punkt für Umweltschutz als Verantwortungsmodell für dieGesellschaft an. Der Glaube selbst ist unabhängig vonjeder Nationalität.

Redouan Aoulad-Ali, HIMA50

Page 27: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 53Redouan Aoulad-Ali, HIMA52

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „Meinungswolken (Clouds)”

Inhalt: Meinungsvielfalt und Meinungsbildung

Zeit: 10 bis 20 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 5 bis 25 Teilnehmerinnen undTeilnehmer

Material: je nach Gruppengröße werden ca. 20 cm breite, aus Pappe ausge-schnittene Wolken benötigt (jede Gruppe erhält drei Wolken dieser Größe), Klebeband (der Umwelt zuliebe Krepp verwenden), drei weitere 30 cm großeWolken aus Pappe für die Diskussionsrunden im Plenum, eine Tafel/Pinnwand,ca. 5 umweltfreundliche Wachsmalstifte

Ziel: Meinungsbildung erkennen. Subjektiv- und Objektiv-Meinung erkennen.Meinungsvielfalt zulassen.

>Beschreibung:Die Anwesenden werden in Kleingruppen auf-geteilt (maximal 5 Personen in einer Gruppe).Anschließend wird eine kontroverse oder all-gemeine These zur Diskussion gestellt. DieFragestellung für die Teilnehmerinnen undTeilnehmer lautet: Wie stehst Du dazu? DieseFrage wird dann in den Kleingruppen disku-tiert. Die Kleingruppen müssen sich dann aufjeweils 3 Aussagen einigen und diese in diezuvor verteilten „Wolken“ mit jeweils einemWort eintragen.

Nun wird die Diskussion mit der gesamtenGruppe im Plenum fortgeführt: Hierzu werden die Wolken aufgehängt und eswird in der Gruppe darüber diskutiert, welcherAussage man selbst nicht zustimmen würde.Diese Aussagen werden dann nach dieserersten Diskussionsrunde im Plenum in einegroße Wolke geschrieben und auch an dieTafel oder Pinnwand gehängt.

In der zweiten Diskussionsrunde im Plenumsollte die Gruppe diskutieren, welche Aussagenandere Menschen in anderen Lebenssituationentreffen würden. Die Aussagen sollten dabeiauf 3 beschränkt werden und wieder in einegroße Wolke geschrieben und an die Tafel gepinnt werden.

In der abschließenden Diskussionsrunde sollendie Gemeinsamkeiten der Aussagen in denWolken herausgearbeitet und in Kategorieneingeteilt werden. Mögliche Kategorien für dieAussagen in den Wolken sind beispielsweiseKulturaussage, Glaubensaussage, Menschen-aussage. Dieser Schritt ist jedoch optional.

Am Ende findet eine „Erkenntnisrunde“ statt:Die Gruppe betrachtet gemeinsam die unter-schiedlichen Wolken. Hierbei soll deutlichwerden, dass Menschen verschiedene Mei-nungen haben können. Niemand braucht dieMeinung eines anderen zu übernehmen undes kann keine falsche Meinung geben, so-lange diese niemandem schadet oder gegenGesetze verstößt.

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Die Methode birgt die Gefahr, dass die Diskussionen ausschweifen und sehr philo -sophisch werden. Daher sollte man bereits im Voraus die Zeiten klar begrenzen und dieThesen immer wieder während der Diskussionbenennen. Clouds sind vielen Jugendlichenein Begriff aus dem Web 2.0, gegebenenfallsist es notwendig kurz die Begrifflichkeit zu erläutern (siehe Erläuterung unten). Die Ergebnisse sind vom aktiven Mitmachender Teilnehmenden abhängig.

Exkurs „Cloud“:Mit Cloud ist hier eine Schlagwortwolke –engl.: tag cloud – (auch Wortwolke, Schlag-wortmatrix oder Stichwortwolke; selten Etikettenwolke) gemeint, eine Methode zur Informationsvisualisierung, bei der eine Listeaus Schlagworten, oft alphabetisch sortiert,flächig angezeigt wird, wobei einzelne unter-schiedlich gewichtete Wörter größer oder auf andere Weise hervorgehoben dargestelltwerden. Sie kann so zwei Ordnungsdimensio-nen (die alphabetische Sortierung und die Gewichtung) gleichzeitig darstellen und aufeinen Blick erfassbar machen. Wortwolkenwerden zunehmend beim gemeinschaftlichenIndexieren und in Weblogs eingesetzt. (Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Tag_cloudZugriff: 15.12.2011)

Page 28: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 55Redouan Aoulad-Ali, HIMA54

Beschreibung: Es werden Kleingruppen mit etwa drei bis vierPersonen pro Gruppe gebildet. In den Klein-gruppen werden verschiedene Fragen zurVielfalt der persönlichen Erfahrungen gestellt.Beispiele: Wie viele Sprachen sprichst du?Wie viele verschiedene Städte/Länder hast Dubesucht? Welche besonderen Erfahrung hastdu bereits gemacht (Haushalt, Menschen hel-fen, Hobbys etc...)? Alle Teilnehmerinnen undTeilnehmer diskutieren diese Fragen in denKleingruppen und halten die Ergebnisse aufPlakaten fest. Diese Plakate werden anschlie-ßend gemeinsam in der großen Gruppe aus-gewertet. Hierfür werden die Plakate derKleingruppen nebeneinander an eine Pinn-wand geheftet und miteinander verglichen.Fertigkeiten oder Erfahrungswerte, die nureine Gruppe auf ihr Plakat geschrieben hat,

werden mit drei Punkten bewertet. Alle Stich-worte, die auf mehreren Gruppenplakaten zufinden sind, werden mit einem Punkt bewer-tet. Die Gruppe mit den meisten Punkten hatgewonnen. Es ist wichtig, dass nicht die oderder Einzelne mit den meisten Erfahrungswer-ten oder Fähigkeiten hervorgehoben wird,sondern die gesamte Kleingruppe mit denmeisten Punkten.

Reflexion der Methode: Bei dieser Methode erfahren die Kinder undJugendlichen, dass vielfältige Erfahrungenund Fertigkeiten Bereicherungen sind und eserstrebenswert ist, noch mehr Erlebnisse undErfahrungen zu sammeln, um beim nächstenMal noch „bunter“ zu sein. Man muss sich alsTeamerin oder Teamer genaue Fragen überle-

>Methode: „Wer ist bunter?“

Inhalt: Vielfalt wahrnehmen

Zeit: ca.10 bis 20 Minuten

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: ab 10 Personen

Material: Pinnwand, Wachsmaler, DIN A2-Plakate, bei Bedarf Laptop, Beamerund Leinwand, um Fragen an die Wand zu projizieren

Ziel: Vielfalt als Bereicherung ansehen

Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Kinder und Jugendliche zwischen7 und 14 Jahren, drei bis vier Personen pro Gruppe

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Man sollte gezielte Fragen stellen und dieseam besten an die Wand projizieren. Es emp-fiehlt sich, den Teamwork-Gedanken dieserMethode ausführlich zu erklären. Zudem solltedie Punktevergabe und der Ablauf ganz genauerläutert werden, um die Teilnehmerinnen undTeilnehmer zu motivieren.

gen, die die Vielfalt der Teilnehmerinnen undTeilnehmer fokussieren und hervorbringen. Esbringt zum Beispiel wenig, siebenjährige Kin-der nach den bisher bereisten Städten zu be-fragen.

Page 29: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Nicht-Roma in Nordrhein-Westfalen. Die Aktivitäten vonTerno Drom zielen auf interkulturelle Verständigung unddas Entstehen positiver Selbstbilder bei Roma-Jugendli-chen. Sie erhalten die Möglichkeit, eigene Projektideenauszuarbeiten und zu realisieren, sich mit ihrer Ge-schichte, Sprache und Herkunft zu befassen sowie ein eu-ropäisches Bewusstsein zu entwickeln. Für Terno Dromist die Verankerung in der Roma-Community sehr wichtig,weswegen besonderer Wert auf die Zusammenarbeit mitRoma-Selbstorganisationen gelegt wird. Mit dem Landesverband NRW der djo – Deutsche Jugendin Europa verbindet uns eine enge Kooperation. Im Okto-ber 2011 startete das gemeinsame Mentoring Projekt „beyoung & roma“, das vom Bundesamt für Migration undFlüchtlinge und der Aktion Mensch gefördert wird.

Das Wissen über unsere Kultur und die Pflege unsererKultur, unserer Sprache, unserer Geschichte als jungeRoma, ist ein bedeutsamer Teil unserer Jugendarbeit.Aber auch die Förderung der interkulturellen Kompeten-zen, die eigene interkulturelle Öffnung unseres Vereins,sowie die Stärkung des Selbstwertgefühls der Jugendli-chen, um interkulturelle Öffnungsprozesse bewerkstelli-gen zu können, sind unsere Schwerpunkte. Die Selbstor-ganisation junger Migrantinnen und Migranten ist geradein diesem Bereich sehr aktiv. Viele Jugendliche mit Migra-tionsgeschichte brauchen den geschützten homogenenRaum, um aus dieser Perspektive gestärkt die eigene in-dividuelle Integration und interkulturelle Öffnung zu voll-ziehen.

Susanne Koch & Merfin Demir, Was heißt denn eigentlich Kultur? 57

Interkulturelle Kompetenz, kulturelle Herkunft, interkultu-relle Öffnung, multikulturelle Gesellschaft – all diese Be-grifflichkeiten sind zu Schlagworten unserer Zeit gewor-den. Aber was genau ist denn Kultur? Die meistenMenschen denken dabei an Theater, an Kunst, an Musik.Diese Aspekte stellen jedoch nur einen kleinen Teil einerkomplexen kulturellen Wirklichkeit dar. Der Begriff „Kultur“entstammt dem lateinischen Wort „colere“, was mit woh-nen, pflegen, verehren oder den Acker bestellen übersetztwerden kann. Es bezeichnet also die Art, wie wir unserLeben gestalten. Diese bestimmt sich aus unserem Um-feld, aus unserer Sozialisation – kurz aus Verhalten undWerten, Grundhaltungen und Weltanschauungen, die wirim Laufe unseres Lebens annehmen.

Fisch im Wasser

Fons Trompenaars, ein Wissenschaftler der interkulturel-len Kommunikation, beschreibt den Kulturbegriff wie folgt:

„Erst wenn ein Fisch nicht mehr im Wasser lebt, spürt er,wie sehr er es zum Leben braucht. Unsere Kultur ist füruns wie das Wasser für den Fisch. Wir leben und atmendurch sie.“

Durch Trompenaars Definition wird deutlich, welche Be-deutung die eigene Herkunftskultur für einen Menschenhat. An diesem Punkt setzen wir als Terno Drom, genausowie viele andere Vereine und Verbände junger Migrantin-nen und Migranten, mit unserer Arbeit an. Terno Drom e.V.ist eine interkulturelle Jugendorganisation von Roma und

56

Was heißt denn eigentlich Kultur?

Ich heiße Susanne Koch und bin Diplom-Sozialpäda-gogin und ausgebildete Theaterpädagogin. Seit 2005bin ich bei der djo – Deutsche Jugend in Europa NRWals Integrationsreferentin landesweit für die Unter-stützung der Migrantenjugendselbstorganisationenund Vereine Jugendlicher mit Migrationshintergrund,die Mitglieder bzw. Kooperationspartner der djo inNRW sind, zuständig. Bei dem im Oktober 2011 ge-starteten Projekt „be young & roma“ habe ich alsMentorin die Beratung übernommen.

Mein Name ist Merfin Demir. Ich wurde 1980 alsSohn muslimischer Roma in Skopje/Mazedonien geboren. Bei Terno Drom e.V., einer interkulturellenJugendorganisation von Roma und Nicht-Roma inNordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, bin ich für die Geschäftsführung verantwortlich. Bei dem imOktober 2011 gestarteten Projekt „be young & roma“bin ich als Projektleiter tätig.

Terno Drom e. V.

Interkulturelle Jugendorganisation

von Roma und Nichtroma

in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz

Page 30: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 59

Interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit er-fordert immer auch die interkulturelle Kompetenz aller Be-teiligten. Da sind wir wieder bei einem Schlagwort, dasgenauer beleuchtet werden sollte. Laut Wikipedia wird alsinterkulturelle Kompetenz „die Fähigkeit, mit Menschenanderer Kulturen erfolgreich zu agieren, im engeren Sinnedie Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgangmit Menschen aus anderen Kulturen“ bezeichnet.

Facetten interkultureller Kompetenz

Wir haben uns die Frage gestellt, wie man diese FähigkeitErlernen kann und welche einzelnen Kompetenzen dazugehören. Als erster Faktor gehört für uns Neugier dazu:die Suche nach neuen Erfahrungen, das Interesse an an-deren Menschen und Kulturen sowie die Offenheit undBereitschaft des gegenseitigen Kennenlernens. Des Wei-teren erfordert interkulturelle Kompetenz Selbstwertge-fühl. Nur wer sich seiner selbst bewusst ist, ist in derLage, sich auf Neues einzulassen. Zudem muss man sichseiner eigenen „kulturellen Brille“ bewusst sein, undwahrnehmen, dass man selbst auch durch eine kulturelleBrille betrachtet wird. Empathie ist ein weiterer wichtigerFaktor. Das Hineinversetzen in sein Gegenüber und dasErfassen seiner Gefühle und Bedürfnisse sind Faktoren,die die interkulturelle Kompetenz bedingen. Als Letztesbedarf es auch der Bereitschaft zum kritischen Hinter-fragen von eigenen Stereotypen und Vorurteilen gegen-über anderen Kulturen und Menschen.Mit dieser Definition von interkultureller Kompetenz arbei-ten wir bei Terno Drom. Terno Drom ist Mitglied im Lan-desverband NRW e.V. der djo – Deutsche Jugend inEuropa. Gerade in der djo NRW, wo die verschiedenstenKulturen aufeinander treffen, nutzen wir eine Vielzahl vonMethoden und Übungen, um die interkulturellen Kompe-tenzen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu fördern.

Bei der Methode, die wir vorstellen wollen, handelt es sichum ein Gruppen- und Simulationsspiel. Das Spiel ist einTeil unserer Juleica - Schulung, die wir mit den verschie-densten Verbänden und Vereinen gemeinsam bei der djoNRW durchführen. Es geht darum, die eigene „kulturelleBrille“ wahrzunehmen, die Besonderheit interkulturellerKommunikation zu erfassen und die interkulturellen Kom-petenzen zu stärken.Viel Spaß beim Spielen!

Quellen: http://eu-community.daad.de; ICU.net.AG Reader – Was ist Kultur? Zugriff:03.11.2011Fons Trompenaars (1993): Riding the Waves of Culture: Understanding Cultural Di-versity in Business, Random House Business Books (New York).

Susanne Koch & Merfin Demir, Terno Drom e.V.58

Vorstellung von pädagogischen Methoden

für die interkulturelle Seminararbeit

Methode: „BaFa-BaFa-Spiel“

Inhalt: Simulationsspiel zum Thema Kulturbegegnung

Zeit: 1 bis 1,5 Stunden, Auswertung: 1 bis 1,5 Stunden

Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 12 bis 40

Material: Tafel oder Flipchart, Papier, Stifte, Anweisungen für Alpha- und Beta-Kultur für Teilnehmerinnen und Teilnehmer (siehe Kopiervorlage Anhang Aund B), 1 leere Karteikarte und 6 Skatkarten pro Alpha-Teilnehmerin und -Teil-nehmer, Karten in sechs unterschiedlichen Farben, nummeriert von 1-7 für jedeBeta-Teilnehmerin und jeden Beta-Teilnehmer

Ziel: Es geht bei dem Spiel um die Begegnung zwischen zwei völlig verschie-denen Kulturen und um unser eigenes Verhalten und Empfinden dabei. DasBaFa-BaFa-Spiel ist ein Gruppen- und Simulationsspiel zum Thema Kulturbe-gegnung.

>Beschreibung:Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werdenin zwei gleich große Gruppen oder „Kulturen“aufgeteilt. Jede Gruppe erhält getrennt eineReihe von Verhaltensregeln für die Mitgliederder jeweiligen Kultur (siehe Anhang A und B).

Die Alpha-Kultur (Anhang A) ist eine sanfte,entspannte Form des Zusammenlebens, inder enge persönliche Beziehungen und ge-

genseitige Vertrautheit ein wichtiger Bestand-teil sind. Allerdings ist diese Gesellschaft, dieursprüngliche Züge trägt, patriarchalisch undwird von den Männern dominiert. Die Beta-Kultur (Anhang B) ist dagegen bewusst anGeld und Gewinn orientiert: der Wert einesMenschen hängt hier von seinem Erfolg aufdem Markt ab.

Page 31: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Vorstellung von pädagogischen Methoden für die interkulturelle Seminararbeit 61Susanne Koch & Merfin Demir, Terno Drom e.V.60

Beide Gruppen erhalten genügend Zeit (ca.20 Minuten), um sich mit den Regeln ihrer je-weiligen Kultur vertraut zu machen. Sobaldalle sie verstanden, die notwendigen Materia-lien erhalten und etwas geübt haben, werdenzwischen den beiden Kulturen Besucher aus-getauscht. Wie sich die Mitglieder der Alpha-und Beta-Kultur verhalten sollen, wird im An-hang A und B ausführlich beschrieben. DieBesucher versuchen so viel wie möglich überdie Werte und das Funktionieren der anderenKultur herauszufinden, ohne jedoch Fragenstellen oder Gespräche führen zu dürfen.

Spielablauf: Die Einleitung für die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer sollte möglichst knappund sehr einfach sein. Es sollte daraus jedochklar hervorgehen, dass es um die (simulierte)Erfahrung des Aufeinandertreffens von Men-schen aus verschiedenen Kulturen geht.

Danach folgen:1. Aufteilung: Die Gruppe wird in zwei Grup-pen aufgeteilt (Alpha- und Beta-Kultur).

2. Einführung in die Regeln der Alpha- undBeta-Kulturen (nach Gruppen getrennt):Hierbei ist es wichtig, dass die Gruppen ge-nügend Zeit zum Einüben ihrer Kultur bekom-men (Einführungsphase = 20 Minuten). In dieser Phase erhalten die Teilnehmerinnenund Teilnehmer der Alpha-Kultur pro Person 6 Skatkarten und eine leere Karte (genauereInformationen hierzu im Angang A). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Beta-Kultur bekommen 10 Karten, die aus demVorrat der „Bank“ zusammengestellt wurden

(genauere Informationen hierzu im Anhang B).Beide Kulturen werden dazu aufgefordert, dieBesucher der anderen Kultur einzubeziehen.

3. Beobachtungsphase: Zu Beginn sollte inbeiden Gruppen die Reihenfolge der Besu-cher bestimmt werden. Jede Teilnehmerin undjeder Teilnehmer sollte einmal die andere Kul-tur besuchen. Reden oder gar Fragen stellenist für die Besucher während des Aufenthaltsin der anderen Kultur strikt untersagt. JederBesucher der Alpha-Kultur und jeder Besu-cher der Beta-Kultur erhält von der Spielleite-rin beziehungsweise vom Spielleiter die nöti-gen Materialien für den Besuch bei deranderen Kultur. Die Besucher werden dazu er-mutigt, sich in der anderen Kultur zu beteili-gen. Als Zeitlimit werden dem Besucher jefünf Minuten eingeräumt. Nach deren Ablaufkehrt der Besucher in seine eigene Kultur zu-rück und erhält 2 bis 3 Minuten Zeit, um Noti-zen zu machen.

4. Entschlüsselung und Auswertung: So-bald alle Mitspieler einmal bei der anderenKultur zu Besuch waren, wird das Spiel abge-brochen. Die Auswertung erfolgt zunächst inden kleinen Gruppen (Alpha- und Beta-Kulturje für sich): Jetzt können die Gefühle, Ängste,Missverständnisse zur Sprache kommen, diein der eigenen Kultur entstanden sind, d.h. eswird auf die persönlichen Gefühle der Spielereingegangen (Wie habe ich mich gefühlt? Wiehabe ich die Gruppe empfunden?). Anschlie-ßend versuchen die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer, die Regeln der besuchten Kultur he-rauszufinden. Es empfiehlt sich, für diese

Phase einen Protokollanten zu bestimmen,der später in der Gesamtgruppe die heraus-gefundenen Regeln vorträgt (ca. 20 Minuten).Danach treffen sich beide Gruppen. Die Aus-wertung sollte wie folgt geschehen:

a) Alpha-Mitglieder beschreiben ihre Gefühleals Besucher bei Beta.

b) Beta-Mitglieder beschreiben, wie sie sichals Besucher bei Alpha fühlten.

c) Ein Beta-Mitglied erklärt die Alpha-Kultur.

d) Ein Alpha-Mitglied erklärt die Alpha-Kultur.

e) Ein Alpha-Mitglied erklärt die Beta-Kultur.

f) Ein Beta-Mitglied erklärt die Beta-Kultur.

g) Alpha-Mitglieder schildern, wie die Beta-Besucher ihnen vorkamen.

h) Beta-Mitglieder schildern, wie die Alpha-Besucher ihnen vorkamen.

i) Frage: In welcher Kultur möchten die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer lieber leben?

Hinweise für die Teamerinnen und Teamer: Wichtig sind zwei getrennte Räume (einer fürdie Alpha- und einer für die Beta-Kultur)

Reflexion der Methode: Bei der Auswertung kann sich herausstellen,dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieSchwierigkeiten, aber auch den Reiz des Ein-tritts in eine fremde Kultur erfahren haben. Sie haben vermutlich festgestellt, wie treffendoder unzureichend ein Beobachter einefremde Kultur nach kurzem Aufenthalt sehenund beurteilen kann. Offenbar ist es möglich,Menschen aus einer fremden Kultur zu belei-digen, ohne es zu bemerken; offensichtlichempfinden verschiedene Personen die fremdeKultur unterschiedlich. Besucher von außenkönnen möglicherweise störend wirken. Eskann sich auch herausstellen, wie stark dieBeobachtung einer fremden Kultur durch dieeigene Prägung beeinflusst wird.

Page 32: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

ANHANG A (an Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Alpha-Kultur austeilen)

Regeln der Alpha-Kultur

1. Die Menschen in der Alpha-Kultur sind sehr freundlich und sanft. Freundschaften schließen und pflegen – das geht ihnenüber alles. Allerdings darf solche Freundschaft nur in einem System strenger Regeln stattfinden. Alphas ehren und res-pektieren ältere Menschen. Frauen gelten als Eigentum des Mannes.

2. Jedes Gruppenmitglied erhält vom ältesten Teilnehmer in der Gruppe sechs Skatkarten, um damit Tauschgeschäfte zumachen. Getauscht wird immer nur zwischen zwei Personen: Jede oder jeder legt eine Karte, Rückseite nach oben, aufeinem Tisch ab. Wenn beide Karten liegen, wird nachgesehen: wer den niedrigsten Wert gelegt hat, gewinnt beide Karten.Wer keine Karten mehr hat, kann vom Ältesten gratis neue Karten beziehen (maximal 6).

3. Bevor gehandelt wird, fangen die Partner ein kleines Gespräch an (zum Beispiel über Sport, Wetter, Freunde etc.) und ma-chen Witze. Nach dem Handeln wird nochmals ein Schwatz gehalten, bevor die beiden Partner zu anderen weitergehen.Die beiden Partner berühren sich mindestens einmal während der Transaktion. Sich die Hand zu geben, gilt jedoch alsMittel, um die Leute auf Distanz zu halten.

4. Jedes Gruppenmitglied erhält eine unbeschriebene Karteikarte. Diese wird nach erfolgtem Tausch vom jeweiligen Partnersigniert. Dies ist ein Mittel, um den Anderen zu zeigen, wie man die Art und Weise des Geschäfts empfand: Fand derHandel nach den vorliegenden Regeln statt, signiert man die Karte des Partners mit seinen eigenen Initialen. Wurden dieRegeln nach eigenem Empfinden verletzt, wird mit Zahlen signiert. Jeder folgende Partner erfährt so von der Regelverlet-zung und wird entsprechend misstrauisch sein.

5. Frauen werden stets von Männern angesprochen, nie umgekehrt. Allerdings dürfen Frauen Männern stumme Zeichengeben. Frauen können Frauen ansprechen.

6. Frauen dürfen nur von Männern angesprochen werden, wenn deren Karte vom Gruppenältesten unterschrieben ist.

7. Bei einem Geschäft mit dem Ältesten gewinnt stets der Älteste, gleichgültig, wie die Karten liegen.

8. Im Verlauf des Spiels sollte - wenn möglich - mit allen Gruppenmitgliedern mindestens einmal gehandelt werden.

9. Wer gegen die Regeln aus Punkt 3 - 8 verstößt, wird von den Männern gemeinsam bestraft, zum Beispiel aus dem Raumgeführt oder mit einem Tauschverbot belegt. Der Älteste legt die Art der Strafe oder Sanktion fest. Strafen gelten für dielaufende Runde.

10. Besucher dürfen weder Fragen stellen noch Gespräche führen. Sprechen sie direkt Frauen an, werden sie unweigerlichvon den männlichen Gruppenmitgliedern aus dem Raum geführt.

ES IST VERBOTEN, FREMDEN DIESE REGELN DER ALPHA-KULTUR ZU VERRATEN!Quelle: Robert G. Shirts (1977): Bafa Bafa – A cross culture simulation, Simulation Training Systems (Del Mar, California, USA).

Kopiervorlage Anhang A 63Susanne Koch & Merfin Demir, Terno Drom e.V.62

Aufgabe der Spielleiterin beziehungsweisedes Spielleiters Alpha-Kultur:Sie oder er ist dafür verantwortlich,1. dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmerdie Spielregeln (Anhang A) lückenlos ver-stehen;

2. dass sie ihre Materialien erhalten und ihrVerhalten richtig einüben;

3. dass der Älteste der Gruppe ermittelt wird,dazu der Zweitälteste als dessen Stellver-treter;

4. dass rechtzeitig die Besucher abgeordnetwerden;

5. dass die Besucher der Alpha-Kultur auchdie notwendigen Materialien erhalten, diezum Handel notwendig sind, und sie auchwieder abgeben.

Aufgabe der Spielleiterin beziehungsweisedes Spielleiters Beta-Kultur:Sie oder er ist für die richtige Instruktion derBeta-Kultur zuständig und erfüllt dort diesel-ben Aufgaben wie die Spielleiterin bezie-hungsweise der Spielleiter der Alpha-Kultur(siehe Punkt 1-4 oben). Sie oder er übernimmtdie „Bank“ (nähere Informationen hierzu imAnhang B). Bei großen Gruppen können 1oder 2 Mitspielerinnen oder Mitspieler hinzu-gezogen werden. Der Spielleiter oder dieSpielleiterin sorgt dafür, dass jedes Mitglied10 Karten aus dem Vorrat der „Bank“ und dieBesucher ihre Karten - wie es im Kasten Bbeschrieben wird - erhalten und sie auch wie-der abgeben. Der Spielleiter kann bei derBeta-Kultur damit konfrontiert werden, dassder Handel, wie er im Anhang B beschriebenwird, stockt und deshalb die Spielfreude derTeilnehmerinnen und Teilnehmer nachlässt. Er darf daher die Regeln abändern, etwa so,dass man auch für Zahlenreihen von 3 odergar nur 2 Karten sofort Punkte erhält. Fernerkann er den Fortschritt der Einzelnen an dieTafel zeichnen oder auf andere Weise denWettbewerb anfeuern.

Page 33: Qualifizierung interkulturell - Berichte und Methoden aus der Praxis

Über uns

Wir sind eine starke Gemeinschaft. Der Landesjugendring NRW ist die Arbeitsgemeinschaftder landesweit tätigen Jugendverbände in Nordrhein-Westfalen. Derzeit sind 25 Mitgliedsverbände im Landes-jugendring NRW organisiert.

Unsere Ziele

Wir sind politisch und parteilich.Das wichtigste Anliegen des Landesjugendrings NRW istes, Kindern und Jugendlichen Gehör zu verschaffen undihre Interessen in der Öffentlichkeit und im politischenRaum zu vertreten. Wir setzten uns dafür ein, die Rah-menbedingungen für eine vielfältige, kreative Kinder- undJugendarbeit in den Jugendverbänden zu verbessern.

Unsere Arbeitsweise

Wir sind demokratisch und sorgen für Mitbestimmung.Kinder und Jugendliche bestimmen und entscheiden inden demokratischen Strukturen der Jugendverbändeselbst. Sie formulieren ihre Vorstellungen von einem gutenLeben und diskutieren Probleme und Herausforderungenin unserer Gesellschaft. Im Landesjugendring NRW wer-den die Meinungen und Interessen junger Menschen ge-bündelt.

Unsere Werte und Spielregeln

Wir sind vielfältig und offen.Grundlage der Zusammenarbeit aller Jugendverbände imLandesjugendring NRW ist die gegenseitige Achtung - un-abhängig von politischen, religiösen und weltanschauli-chen Unterschieden. Die gleichberechtigte Partizipationaller Kinder und Jugendlichen ist ein zentrales Anliegenaller.

Unser Anspruch

Wir sind initiativ.Die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zuverbessern ist gemeinsames Ziel aller Jugendverbände.Der Landesjugendring NRW ist in vielen Themenfeldernaktiv und stellt sich aktuellen gesellschaftspolitischen He-rausforderungen durch inhaltliche Schwerpunkte, Modell-projekte und Beteiligungskampagnen.

Kontakt:Landesjugendring NRWMartinstraße 2 a41472 NeussTelefon: 0 21 31/ 46 95-0Telefax: 0 21 31/ 46 [email protected]: www.ljr-nrw.deFacebook: www.facebook.com/ljr.nrwTwitter: www.twitter.com/ljr_nrw

Landesjugendring NRW 65Kopiervorlage Anhang B64

ANHANG B (an Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Beta-Kultur austeilen)

Regeln der Beta-Kultur

1. Die Menschen in der Beta-Kultur arbeiten hart, um durch Kartentausch möglichst viele Punkte für sich selber zu erzielen.

2. Jedes Beta-Mitglied bekommt am Anfang 10 nummerierte Karten (1-7) in sechs verschiedenen Farben aus einem großenGesamtvorrat der „Bank“. Durch gezielten Tausch sind nach den unten stehenden Regeln möglichst viele Punkte anzu-streben.

3. Es ist untersagt, sich zu berühren.

4. Jede Karte hat zunächst den Wert 0. Der Wert verändert sich jedoch, sobald durch Tauschhandel eine zusammenhängendeZahlenreihe von 1-7 in gleicher Farbe erreicht ist. Dann erhalten die Karten den Wert, der ihrer Nummerierung entspricht.Dieser Wert kann bei der Bank gutgeschrieben werden. Ab diesem Zeitpunkt zählen dann auch kürzere zusammenhän-gende Zahlenreihen anderer Farben (zum Beispiel blau 4-6).

5. 2-3 Karten können jederzeit bei der „Bank“ eingetauscht werden.

6. Die Karten sind stets in der Hand versteckt zu halten. Nur die zum Eintausch angebotenen werden offen gezeigt.

7. Es ist untersagt, auf Beta-Territorium, außer bei Spielunterbrechungen, deutsch zu sprechen. Es wird durchgehend dieBeta-Sprache gebraucht:

8. Sprachregeln:JA wird durch Berühren des Brustkorbs mit dem Kinn angedeutet.WIEDERHOLEN wird ausgedrückt durch ausgestreckte Daumen bei geballten Fäusten.FARBEN werden nur durch die beiden ersten Buchstaben ausgedrückt und beim Handeln stets zuerst genannt (zum Bei-spiel bl, ro, gr, usw.).ZAHLEN werden folgendermaßen artikuliert: ZAHLEN werden stets nach der Farbe genannt. Zudem werden ZAHLEN ausden Initialen des jeweiligen Teilnehmers und den Buchstaben a gebildet (zum Beispiel bei Bruno Fischer: 1=Ba; 2=BaFa;3= BaFaBa oder bei Petra Meyer 1=Pa; 2=PaMa; 3=PaMaPa...). In der Beta-Kultur gilt es als Gipfel der Dummheit undUnanständigkeit, die Silben beim Nennen von Zahlen mit den Fingern abzuzählen.

9. Gehandelt wird stehend und wie folgt: Als Einleitung zwinkern sich die Partner ohne zu lächeln rasch hintereinander 3 Malzu. Dies symbolisiert, dass jeder den anderen als Mitglied der Erwerbsgemeinschaft anerkennt, beide zu hartem Feilschenbereit sind und sich auch bei Verlusten nicht unterkriegen lassen. Wer nicht zwinkert, ist nicht Mitglied der Beta-Kultur.Die Partner heben danach jene Karten hoch, die sie eintauschen wollen, und geben in Beta-Sprache bekannt, was siedafür wollen (zum Beispiel möchte Teilnehmer Bruno Fischer eine rote Karte mit der Nummer 4 erhalten: ro BaFaBaFa).Sie reden also stets von dem, was sie wollen, niemals von dem, was sie bieten. Auf Beta-Territorium beim Handeln eineandere als die Beta-Sprache zu benutzen, gilt als äußerst schwere Beleidigung.

ES IST VEBOTEN, FREMDEN DIESE REGELN DER BETA-KULTUR ZU VERRATEN!Quelle: Robert G. Shirts (1977): Bafa Bafa – A cross culture simulation, Simulation Training Systems (Del Mar, California, USA).

Landesjugendring NRWVielfältig. Demokratisch. Aktiv.

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Das Projekt „Ö2 – Beratung von Jugendringen in Prozes-sen interkultureller Öffnung“ begann am 1. Oktober 2010und wird für den Zeitraum vom Oktober 2010 bis ein-schließlich Dezember 2012 vom Ministerium für Familie,Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

Beratung von Kreis- und Stadtjugendringen

Ziel des Projektes „Ö2“ ist es, Jugendringe in NRW imProzess der interkulturellen Öffnung zu unterstützen undzu begleiten. Hierfür bietet „Ö2“ den Kreis- und Stadtju-gendringen in NRW ein möglichst passgenau angelegtesBeratungsangebot zum Themenbereich der interkulturel-len Öffnung an. Die Beratung und Begleitung erfolgt dabeidurch die persönliche Kontaktaufnahme, das Aufzeigenmöglicher Handlungsfelder und die gemeinsame Annähe-rung an das Thema unter Berücksichtigung der regionalenPotenziale. Zudem werden die Stadt- und Kreisjugend-ringe in NRW regelmäßig zu Austauschtreffen zum The-menbereich der interkulturellen Öffnung eingeladen.

Initiierung von interkulturellen Netzwerken

Neben der Beratung von Jugendringen ist die Initiierungvon interkulturellen Netzwerken zwischen Kreis- undStadtjugendringen und Vereinen Jugendlicher mit Migra-tionshintergrund ein Arbeitsschwerpunkt von „Ö2“. Dabeisteht die direkte und persönliche Kontaktaufnahme im

Mittelpunkt. Das Projekt unterstützt Vereine Jugendlichermit Migrationshintergrund und Jugendringe dabei, sichgegenseitig kennen zu lernen und bietet Ihnen an, sie beidiesem Prozess zu begleiten.

Kontakt:Landesjugendring NRW Projekt Ö2 – Beratung von Jugendringen in Prozessen interkultureller ÖffnungCorinna Spanke (Projektleiterin) Tel.: 0 21 31/ 46 95 -16Fax: 0 21 31/ 46 95 -19E-Mail: [email protected]ße 2 a41472 Neusswww.ljr-nrw.de

Ö2 – Beratung von Jugendringen in Prozessen interkultureller Öffnung66

Ö2 – Beratung von Jugendringen inProzessen interkultureller Öffnung

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