Qualitätsparameter in der Ausgleichungsrechnung

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Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik Fachgebiet Geodäsie und Ausgleichungsrechnung Qualitätsparameter in der Ausgleichungsrechnung Prof. Dr.-Ing. Frank Neitzel Seminar Qualitätsanalyse des Liegenschaftskatasters in Theorie und Praxis TU Berlin 12. und 13. Oktober 2017

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Fachgebiet Geodäsie und Ausgleichungsrechnung

1Frank Neitzel Seminar Qualitätsanalyse des Liegenschaftskatasters TU Berlin 12.10.2017

Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik

Fachgebiet Geodäsie und Ausgleichungsrechnung

Qualitätsparameter in derAusgleichungsrechnung

Prof. Dr.-Ing. Frank Neitzel

SeminarQualitätsanalyse des Liegenschaftskatasters in Theorie und Praxis

TU Berlin

12. und 13. Oktober 2017

Fachgebiet Geodäsie und Ausgleichungsrechnung

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Einführung

Ausgleichungsergebnisse

Präzisions-

kriterien

Zuverlässig-

keitskriterien

Qualitätsbeurteilung

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Kurze Einführung

►Beurteilung der Messergebnisse und daraus abgeleiteterGrößen besitzt zentrale Bedeutung

►Beurteilung erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der Messpräzision

Generelle Vorgehensweise

►Messwerte xi und xj für die selbe Größe

►Annahme, dass x = xj – xi lediglich auf Messungenauigkeiten beruht, wird angenommen, falls

►: Präzisionsangabe, z.B. Standardabweichung

►T : Sinnvoll zu wählender Faktor, z.B. T = 3 („3 - Regel“)

| |x T

Statistische Testverfahren

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Grundsätzlicher Ablauf eines statistischen Tests:

1. Aufstellen der Nullhypothese H0, Formulierung der Alternativhypothese HAals zweiseitige oder einseitige Fragestellung

2. Festlegung der Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau) , bzw. der Sicherheitswahrscheinlichkeit P = 1 –

3. Berechnung einer Prüfgröße

4. Testentscheidung aufgrund des Vergleichs der Prüfgröße mit einem Schrankenwert

Statistische Testverfahren

Anwendungsbeispielea) Vergleich einer normalverteilten Größe mit ihrem gegebenen Erwartungswert,

b) Vergleich des Erwartungswertes zweier normalverteilter Messgrößen,die das gleiche Phänomen beschreiben,

c) Vergleich einer empirischen Standardabweichung s0mit der theoretischen Standardabweichung 0,

d) Vergleich von zwei empirisch ermittelten Standardabweichungen s01 und s02

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Statistische Testverfahren

Zusammenstellung statistischer Testverfahren

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Qualitätsbeurteilung

Angabe von Präzisionsmaßen nur sinnvoll, wenn

►Modellbildung möglichst vollständig

►Ergebnis nicht oder nur in geringem Umfangvon groben Beobachtungsfehlern beeinflusst

►Stochastisches Modell zutreffend

Unerlässlich: Beurteilung der Zuverlässigkeit

► Lokalisierung grober Beobachtungsfehler

►Abschätzen des Einflusses eventuell nicht erkanntergrober Fehler auf Ergebnis

►Abschätzen der gegenseitigen Kontrolle von Beobachtungen

Erst wenn diese Punkte erfüllt sind,machen Angaben zur Präzision Sinn!

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Präzisionskriterien

Präzisionsmaße

►Werden aus Kofaktorenmatrix Qxx berechnet

►Standardabweichungen

►Helmertscher Punktfehler

►Helmertsche FehlerellipseWahrscheinlichkeit:29% bis 39%

►KonfidenzellipsenWahrscheinlichkeit:95%

0 0i i i i i ix x x y y ys s q s s q

2 2i i i

HP x ys s s

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Zuverlässigkeitskriterien

EV NV GRZW GF EGK EP

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Redundanzanteile

Redundanzanteile der Beobachtungen

►Werden aus Kofaktorenmatrix Qvv berechnet

►Diagonalelemente der Matrix R = QvvP

►Geben an, wie stark sich ein Beobachtungsfehler in der Verbesserung zeigt

Um Ausreißer im Beobachtungsmaterial erkennen zukönnen, sind hohe Redundanzanteile erforderlich

►Redundanzanteile ri können Werte zwischen 0 und 1 annehmen

►Ausgabe in Protokollen als EVi (Einfluss auf die Verbesserung):

► In der Praxis: Werte EVi sollen zwischen 30% und 70% liegen

100%i iEV r

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Redundanzanteile

Redundanzanteile der Beobachtungen

►Beurteilungsschema in der Praxis

►Mittlerer Redundanzanteil einer Beobachtung

Beispiel: Beidseitig in Lage und Richtung angeschlossener Polygonzugmit fünf Neupunkten, n = 20 Beobachtungen, u = 17 Unbekannten

0% EVi < 1% nicht kontrolliert1% EVi < 10% schlecht kontrolliert

10% EVi < 30% ausreichend kontrolliert30% EVi < 70% gut kontrolliert70% EVi < 100% Beobachtung kann ohne Verlust

an Zuverlässigkeit entfallen

1iurn

15%ir

Bereits vor der Messung Hinweis auf schlechteKontrolliertheit der Beobachtungen

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Ausreißersuche „Data Snooping“

a priori : 1.000a posteriori: 1.958

Globaltest

►Nullhypothese H0: 0 = s0

►Beurteilung mit 2-Test

►Oder: 0 0 00,8 1,2s

Mögliche Ursachen, falls s

►Stochastisches Modell unzutreffend gewählt (s0 > 0 oder s0 < 0),z.B. Festlegung zu optimistischer Präzisionen (s0 > 0)

►Funktionales Modell unvollständig (s0 > 0)

►Beobachtungsmaterial enthält grobe Fehler (s0 > 0)

►Fehlermeldung in Protokollen falls s0 > 0, z.B.

>> ACHTUNG: Nullhypothese des Globaltests wird verworfen <<

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Ausreißersuche „Data Snooping“

Lokaltest

► Ist s0 > 0 Analyse einzelner Beobachtungen

►Frage: Welche Beobachtung kann als Ausreißer identifiziert werden?

►Testgröße: Normierte Verbesserungen NVi

►Beurteilungsschema in der Praxis

EV NV GRZW GF EGK EP

0

| | | |

i

i ii

v vv ii

v vNVq

NVi < 2,5 Kein grober Fehler erkennbar2,5 NVi < 4,0 Grober Fehler möglich4,0 NVi Grober Fehler sehr wahrscheinlich

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Innere Zuverlässigkeit

Größe eines etwaigen Groben Fehlers

►Frage: Wie groß muss ein Beobachtungsfehler sein, damit Test verworfen wird?

►Einfluss eines groben Fehlers auf normierte Verbesserung

►Daraus ergibt sich GRenZWert für nicht erkennbare Fehler GRZWi

ii i

i

vGF lr

EV NV GRZW GF EGK EP

| |

i ii i

i i i ii i ii

l ll i l i

l r GF rv r lNVr r

0 0 00 0mit 4,13il

i ii i i

GRZW lr r p

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Äußere Zuverlässigkeit

Einführung

►Äußere Zuverlässigkeit beschreibt Einfluss von Beobachtungsfehlern auf gesuchte Parameter, z.B. Koordinaten der Neupunkte

►Hohe äußere Zuverlässigkeit: Wenn nicht lokalisierte/lokalisierbare grobe Fehler die gesuchten Parameter möglichst wenig beeinflussen

Äußere Zuverlässigkeit oftmals von größerer Bedeutung als Innere

Einfluss des Grenzwertes auf die Koordinaten

1i i iEGK r GRZW

Einfluss eines eventuellen Fehlers auf den die Messung berührenden Punkt 1i i iEP r GF

EV NV GRZW GF EGK EP

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Handhabung der Qualitätskriterien

Generelle Vorgehensweise bei der Ausreißersuche

►Ausgleichung mit allen Beobachtungen durchführen

►Beim Vorhandensein eines Ausreißers werden i.d.R. mehrere Werte |NVi|den Grenzwert überschreiten

►Deshalb: Immer nur die Beobachtung mit dem größten Betrag von NVi

aus dem Beobachtungsmaterial entfernen

►Anschließend Ausgleichung mit n - 1 Beobachtungen erneut durchführen

►Sukzessive Untersuchung und Elimination einzelner Beobachtungen so lange fortsetzen, bis sich keine Ausreißer im Beobachtungsmaterial mehr zeigen

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Handhabung der Qualitätskriterien

Vorgabe von Schrankenwerten

► z.B. Helmertscher Punktfehler P, Schrankenwert c für normierte Verbesserungen

Beurteilung der Ergebnisse

► alle Werte EV > 30%, alle Werte |NV| < c, alle Werte |EP| < P

Das Ergebnis erfüllt die Anforderungen bezüglich Präzision und Zuverlässigkeit

► alle Werte EV > 30%, ein Wert |NV| > c, alle Werte |EP| < P

Vermutlich Ausreißer in einer Beobachtung. Da nur geringer Einfluss auf Punktkoordinaten, kann diese Beobachtung in Eingangsdaten verbleiben

► alle Werte EV > 30%, ein Wert |NV| > c, ein Wert |EP| > P

Vermutlich Ausreißer in einer Beobachtung. Einfluss auf Punktkoordinatennicht tolerierbar, entsprechende Beobachtung streichen

►Ein Wert EV < 10%, alle Werte |NV| < c, alle Werte |EP| < P

Ausreißer in der Beobachtung mit EV < 10% nicht ausgeschlossen, da Redundanzanteil sehr gering ist. Abhilfe: Einführung zusätzlicher Beobachtungen oder Steigerung der Präzision von Nachbarmessungen

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Weitere Möglichkeiten der Qualitätsbeurteilung

Untersuchung auf systematische Abweichungen

►Untersuchung der Verbesserungen der Beobachtungen „Residuenanalyse“

►Systematische Abweichungen können Residuen ändern, müssen es aber nicht

►Helmert (1924): Untersuchung der Vorzeichensumme der Residuen- Gemessene Größen gleichartig anordnen- Erwartungswert für Vorzeichensumme bei rein zufälligen Abweichungen ist Nullmit Standardabweichung

- Betrag der Vorzeichensumme > Anzeichen für systematische Einflüsse

►Über Art und Größenordnung systematischer Einflüsse lassen sich i.d.R. keine Rückschlüsse ziehen

- Sachverstand des Ingenieurs- Gesamte Prozesskette von Datenaufbereitung bis Modellbildung überprüfen

nn

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Weitere Möglichkeiten der Qualitätsbeurteilung

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Schlussbetrachtung

Qualitätsbegriff in der Norm EN ISO 9000:2005

Die Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt

Begriffsklärung

► „inhärent“: Die einer Sache oder Dienstleistung „innewohnenden“ Eigenschaften,die objektiv messbar sind

► „Anforderungen“: Werden von außen, z.B. von einem Auftraggeber, an Produzenteneiner Sache oder Anbieter einer Dienstleistung herangetragen

Inhärente Merkmale der Dienstleistung des Geodäten

►Präzision und Zuverlässigkeit der aus Messungen abgeleiteten Parameter

►Redundanz, um diese Eigenschaften objektiv messbar zu machen

►Bereitstellung von Maßen zur Präzision und Zuverlässigkeit durchAusgleichung nach kleinsten Quadraten

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Zusammenfassung

Fazit

►Die Ausgleichungsrechnung ist ein Qualitätssicherungsverfahrenfür geodätische Arbeiten

►Die von Geodäten mit Hilfe der Ausgleichungsrechnung erzeugtenErgebnisse werden auch zukünftigen Definitionen des Begriffs„Qualität“ standhalten können

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Qualitätsparameter in derAusgleichungsrechnung

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