Rechtliche Aspekte der Archivierung (Schweizer Recht)

1

Click here to load reader

description

Rechtliche Aspekte der Archivierung (Schweizer Recht)

Transcript of Rechtliche Aspekte der Archivierung (Schweizer Recht)

Page 1: Rechtliche Aspekte der Archivierung (Schweizer Recht)

36 37management & karriere Dokumentenmanagement Rechtsanwaltskanzlei Wenger & Vieli: www.wengervieli.ch

rung, sondern die Archivierung ganz allgemein. Einzelne Vorschriften können im Rahmen der elektronischen Archivierung aber eine beson-dere Bedeutung erlangen.

Explizit auf die elekt ronische Archivierung Bezug genommen wird etwa in Art. 2 Abs. 2 der Geschäftsbücherverordnung. Dort steht, dass die Grundsätze der ordnungsgemässen Daten-verarbeitung einzuhalten sind, sofern Ge-schäftsbücher, Buchungsbelege und Ge-schäftskorrespondenz elektronisch oder auf vergleichbare Weise erfasst, geführt und auf-bewahrt werden.

Die GeschäftsbücherverorDnunGZentral für die elektronische Archivierung von Dokumenten ist der Grundsatz der Integrität. Danach muss unter anderem sichergestellt sein, dass die archivierte Geschäftskorrespon-

denz nicht abgeändert werden kann, ohne dass sich dies feststellen lässt. Die Archivierung von geschäftsbezogenen E-Mails durch blosses Speichern auf der Festplatte genügt also grund-sätzlich nicht.

Auch muss Geschäftskorrespondenz so auf-bewahrt werden, dass sie innert «angemesse-

rechtliche aspekte der archivierungDie elektronische Archivierung von Dokumenten steht im Spannungsverhältnis zu diversen gesetzlichen Bestimmungen und bereitet Schweizer Unternehmen regel mässig Kopfzerbrechen. Eine Hilfestellung.

chermedien, in denen die archivierten Daten aufbewahrt sind, sowie Zugriffe auf die Daten sind aufzuzeichnen.

Differenzierte betrachtunGsweiseDer juristische Laie hat regelmässig grosse Mühe, mit den unzähligen Vorschriften über die elektronische Archivierung zurechtzukommen. Die Rechtslage ist unübersichtlich. Zudem ge-ben diverse Publikationen ein verzerrtes Bild über die bestehenden Risiken. Es werden darin

teilweise unreflektiert strafrechtliche Bestim-mungen zitiert und die drakonischen Folgen bei einer Verletzung dieser Bestimmungen über-betont. Das kann dazu führen, dass potenzielle Käufer einer Archivierungslösung eine falsche Risikoeinschätzung vornehmen und Investitio-nen in einem nicht gerechtfertigten Umfang tätigen. Vor allem bei grösseren Investitionen, die aus Gründen der Compliance geplant sind, ist es ratsam, sich vorher juristisch darüber be-raten zu lassen, was wirklich nötig ist.

Auf der anderen Seite kann ein sorgloser Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben für die elektronische Archivierung zu Risiken führen, die nur sehr schwer quantifizierbar sind. Die Palette möglicher Folgen ist breit. Neben Repu-tationsschäden sind insbesondere zivilrecht-liche Klagen sowie die Einleitung von Strafver-fahren möglich. Beachtenswert ist, dass bis zu einem gewissen Grad auch der Verwaltungsrat für die Einhaltung von wichtigen Bestimmun-gen verantwortlich ist. Die Mitglieder des Ver-waltungsrats können – bei gegebenen Voraus-setzungen – auch persönlich zur Rechenschaft gezogen werden.

archivierunG privater e-MailsWas oft vergessen wird: Persönliche Daten über Arbeitnehmer dürfen nur unter bestimmten Vo-raussetzungen archiviert werden. Die für den Arbeitgeber einfachste rechtlich zulässige Lö-sung besteht darin, den Arbeitnehmern den pri-vaten E-Mail-Verkehr schlechthin zu verbieten. Sofern dieses Vorgehen dem Arbeitgeber zu res-triktiv ist, sollte er in einem Nutzungsreglement zumindest den Empfang, die Archivierung, die Löschung und allfällige Einsichtsrechte des Ar-

Von oliVer Staffelbach

Das Problem ist chronisch: Noch Mitte 2009 gaben in einer Computerworld-Umfrage 55 Prozent der Befragten zu, keine Ahnung davon zu haben, dass

es überhaupt gesetzliche Vorgaben für die Ar-chivierung von E-Mails gibt. Das mag sich in-zwischen geändert haben. 9 Prozent der Be-fragten räumten jedoch damals schon ein, wider besseres Wissen keine elektronischen Nachrichten zu archivieren, weil ihnen dies zu umständlich sei – und daran hat sich bis heute wenig geändert. Für viele Schweizer Unterneh-men ist es wohl schwierig, sich in der bestehen-den Normenflut zurechtzufinden. Renitenz führt jedoch zu Risiken.

Die Gesetzlichen vorGabenBei der elektronischen Archivierung von beson-derer Wichtigkeit sind Vorschriften des Schwei-zerischen Obligationenrechts (Art. 957–963) sowie der Geschäftsbücherverordnung. Darüber hinaus müssen Bestimmungen aus zahlreichen weiteren Rechtsbereichen beachtet werden, insbesondere aus dem Datenschutzrecht, dem Strafrecht, dem Steuerrecht und dem Sozial-versicherungsrecht. Gegebenenfalls haben Schweizer Unternehmen auch ausländische Gesetze zu befolgen. Sofern seine Wertpapiere an US-Börsen gehandelt werden, kann für ein Schweizer Unternehmen etwa der Sorbanes-Oxley Act (US-Gesetz) relevant werden.

Die meisten einschlägigen Vorschriften be-treffen nicht nur die elektronische Archivie-

beitgebers für private E-Mails regeln. Dieses Nut-zungsreglement sollte kurz und verständlich sein. Der Arbeitnehmer muss sich ein Bild da-rüber verschaffen können, welche Grundsätze betreffend der Archivierung von E-Mails gelten. Damit die rechtliche Verbindlichkeit des Nut-zungsreglements nicht infrage gestellt werden kann, sollte es der Arbeitnehmer schriftlich be-stätigen. Das kann beispielsweise im Rahmen eines Arbeitsvertrags geschehen, der auf das geltende Nutzungs reglement Bezug nimmt. Bei komplexen oder umfangreichen Nutzungsregle-ments können Schulungen, allenfalls auch Kont-rollen, angebracht sein.

besser zu lanGe als zu kurzDiverse Vorschriften legen Mindestzeitspan-nen für die Archivierung von bestimmten Do-kumenten vor. So verpflichtet Art. 962 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts etwa dazu, Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz während 10 Jahren nach dem Ablauf des Geschäftsjahrs aufzube-wahren. Einzelne Steuergesetze sehen teil-weise sogar eine Aufbewahrungsfrist von min-destens 15 Jahren vor. Noch länger sollten Dokumente aufbewahrt werden, die in allfäl-ligen rechtlichen Auseinandersetzungen die vorgebrachten Behauptungen beweisen kön-nen. Denn Beweisnotstand kann die Sieges-chancen in Prozessen bekanntlich massiv beeinträchtigen. Andererseits limitieren einige Gesetze die Aufbewahrungsdauer von Daten. So kann namentlich die Archivierung von Doku-menten während einer unverhältnismässig lan-gen Dauer die Persönlichkeit der betroffenen Person verletzen und damit gegen die Daten-schutzgesetzgebung verstossen.

Wie soll ein Unternehmen also mit dem augenscheinlichen Widerspruch zwischen den verschiedenen Bestimmungen umgehen? So-fern es sich korrekt verhalten möchte, bleibt ihm nichts anderes übrig, als unter Berück-sichtigung der anwendbaren Bestimmungen verschiedene Datenkategorien zu bilden und die jeweiligen Daten unterschiedlich lange aufzubewahren. Ein solches Vorgehen kann sich aber als ausgesprochen aufwendig erwei-sen. Sofern aus Überlegungen der Praktika-bilität auf eine umfassende Auftrennung der Daten verzichtet wird, ist es in der Regel bes-ser, die archivierten Dokumente zu lange als zu kurz aufzubewahren.

«Manchmal ist es schwer, sich im Normendschungel zurechtzufinden. Renitenz führt jedoch zu Risiken»oliver Staffelbach

oliver Staffelbach ist auf IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Wenger & Vieli aus Zürich

Ein sorgloser Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben kann zu Risiken führen. Das haben Sie in rechtlicher Hin-sicht zu beachten:

Die elektronische Archi-vierung von Dokumenten ist in diversen Gesetzeserlassen geregelt. Wichtige Grund-sätze finden sich in den Arti-keln 957–963 des Schweize-rischen Obligationenrechts

sowie der Geschäftsbücher-verordnung.

Die Rechtslage ist für den juristischen Laien je-doch unübersichtlich. Vor jeder grösseren Investition in ein Archivierungssystem sollten Sie deshalb die kon-krete Rechtslage prüfen lassen.

Entweder sind private Mails in den Unternehmen

gänzlich zu verbieten oder deren Archivierung ist in einem speziellen Nutzungs-reglement zu regeln.

Die Länge der Archivie-rungsdauer wird in verschie-denen Gesetzen unter-schiedlich festgelegt. In der Regel ist es weniger riskant, die archivierten Dokumente zu lange als zu kurz aufzu-bewahren.

rechtliche Vorgaben richtig umsetzen

BILD

: FOT

OLIA

ner Frist» eingesehen und geprüft werden kann. Was in diesem Zusammenhang als angemes-sen gilt, muss im Einzelfall beurteilt werden. Eine Woche sollte in der Regel aber nicht über-schritten werden. Soweit für die Einsicht und Prüfung der Geschäftskorrespondenz erforder-lich, sind entsprechendes Personal und Hilfs-mittel verfügbar zu halten.

Archivierte Informationen sind von aktuel-len Informationen zu trennen bzw. so zu kenn-

zeichnen, dass eine schnelle Unterscheidung möglich ist. Die Verantwortung für die archivierten Informationen ist klar zu regeln und zu do-kumentieren. Die Aufbewah-rung hat auf eine geordnete und systematische Art und Weise zu erfolgen, damit sich bei Bedarf jedes ein-

zelne Aktenstück herausgreifen lässt. Die Archi-vierung muss einer bestimmten, frei wählbaren Systematik folgen. Schliesslich ist für die archi-vierten Informationen eine Zugriffskontrolle zu implementieren und die Daten sind vor un-befugtem Zugriff zu schützen. Zutritte zu den Räumlichkeiten bzw. Speichergeräten und Spei-