Robin Wood Magazin 2/2008

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Leben heißt handeln magazin 2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 97/2.2008 PC global SCHWERPUNKT Alles Kohle oder was? TATORTE Bahn für alle TROPENWALD Konflikt um Zellstoff

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Robin Wood Magazin 2/2008PC global

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Leben heißt handeln

magazin

2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 97/2.2008

PC global

SCHWERPUNKT

Alles Kohle oder was?

TATORTE Bahn für alle

TROPENWALD

Konflikt um Zellstoff

Page 2: Robin Wood Magazin 2/2008

inhalt

energie

tatorte

Seite 12

Seite 6

Seite 28

6 PC global

Alles Kohle oder was? 12

Streit ums Netz 16

Die Asse bringt‘s an den Tag 18

Atomkonzerne machen mobil 20

Klimaschutz - nur mit Gerechtigkeit 23

28 Kohle killt Klima

29 Faules Ei Bahnprivatisierung

Nr. 97/2.08

titel

Foto: Basel Action Network

Foto: ROBIN WOOD

merk-würdiges

Stromspar-Tipps: Fernsehgeräte und Wasserbetten 26

2

Foto: argus/Schwarzbach

Page 3: Robin Wood Magazin 2/2008

3

inhalt

perspektiven

tropenwald

Seite 38

Seite 36

Seite 32

Konflikte um Zellstoff aus Brasilien 36

internes

27 ROBIN WOOD-Treffpunkte

40 Neuer ROBIN WOOD-Vorstand 2008

45 Gerichtsentscheid zur A 44

impressum46

strömungen

Gerechtigkeit durch Umweltschutz 38

Nr. 97/2.08

wald

32 Briefe für Karibus und Regenwald

33 Waldschäden 2007: Vom Schweigen im Walde

Foto: ROBIN WOOD

post46

Foto: argus/UNEP/Doto

34 „Raus aus dem verstaubten Winkel“:

Siebenstöckiges Holzhaus in Berlin

bücher

41 Mobilisierung von Umweltengagement

42 Brigitte Biermann: Nachhaltige Ernährung

Foto: FASE

kleinholz

44 Die Vielfalt des Lebens entdecken

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4

editorial

Nr. 97/2.08

Foto: Burkhard Schade

Liebe Leserinnen und Leser!

alle reden von Klimaschutz - auch die deutsche Bundesregierung. Gleich-zeitig wollen die Energieriesen ohne Ende neue Kohlekraftwerke bauen: 19 Anlage sind konkret geplant. Diese neuen Kohlekraftwerke werden für mindestens 40 Jahre 130 Mio. Tonnen CO

2 in die Atmosphäre

pusten. Um die Auswirkungen der Klimakatastrophe einigermaßen zu begrenzen, hat sich die Bundesregie-rung verpflichtet bis zum Jahr 2020 ihre Emissionen um 40 Prozent zu verringern. Dafür müsste der jährliche CO

2-Ausstoß um 280 Mio. Tonnen

gesenkt werden. Wie das allerdings möglich sein soll, wenn so viele neue Kohlekraftwerke gebaut werden, bleibt ein Rätsel. Mehr dazu erfahren Sie im schwerpunkt unter „Alles Kohle oder was?“ von Dirk Seifert, dem ROBIN WOOD-Energierefe-

renten. Die Stromkonzerne planen neue Kraftwerke mit immer mehr Leistung nicht, weil es in Deutschland zu Engpässen in der Stromversor-gung kommen könnte, sondern um ihre Position am europäschen Markt auszubauen und immer mehr Strom zu exportieren. Um satte Gewinne geht es den Energiekonzernen auch bei den Stromnetzen. Während sie zweistellige Milliardenbeträge kassieren, lassen sie die Stromnetze verrotten und investieren nicht in den Ausbau und die Wartung - zum Schaden der Windkraftbetreiber und zu Lasten des Klimaschutzes.

Echte Stromfresser sind Compu-ter. Aber nicht nur das – der harte Konkurrenzkampf in der Branche führt dazu, dass immer kurzlebigere Produkte billig angeboten werden. Und so gilt ein PC bereits nach zwei bis drei Jahren als veraltet. Im titel erfahren Sie von Sarah Bormann von der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED), vor welche Probleme unsere Computer-Schnäppchenjagd die Länder des Sü-dens stellt. Ein hochgiftiger Produkti-onsprozess und Elektronikmüllberge machen den Menschen in China, Indonesien und Afrika zu schaffen.

Für eine Energiewende werden sich in diesem Sommer wieder die ROBIN WOOD-FlößerInnen engagieren. Sie fahren vom 21. Juli bis Anfang September auf der Elbe von Dresden nach Hamburg und werden entlang der Strecke für erneuerbare Energien und den Wechsel zu einem Öko-strom-Anbieter werben. Wenn Sie mehr wissen möchten, schauen Sie auf unsere Homepage unterwww.robinwood.de/flosstour.

Mit sonnenfreundlichen Grüßen

für die Schwedt/Berliner Redak-

tion Ihre

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5

tatorte

Nr. 97/2.08

Am 17. April 2008 erklommen fünf Akive von ROBIN WOOD einen Baukran, um ge-gen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden zu protestieren

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titel

Nr. 97/2.086

Foto: Basel Action Network

Page 7: Robin Wood Magazin 2/2008

PC globalDer drohende Klimawandel zeigte auch bei der diesjährigen CeBIT Wirkung: Die Branche stellt Geräte mit einem niedrigeren Stromver-brauch vor. Von einem Computer, der darüber hinaus ökologische und soziale Belange berücksichtigt, sind wir allerdings noch weit entfernt. Computer sind immer noch echte Strom- und Ressourcen-fresser und werden unter sozial bedenklichen Bedingungen produ-ziert und verschrottet.

titel

Auf der weltweitgrößten Messe zu

Informationstechnik (IT) CeBIT in

Hannover präsentierte sich die IT-In-

dustrie Anfang März 2008 als grüner

Trendsetter und Vorreiter beim Um-

weltschutz. Unter dem Label Green IT

stellten zahlreiche Hersteller wie das

deutsch-japanische Mischunternehmen

Fujitsu-Siemens Produkte wie den neuen

Computer Scaleo Li Green Edition aus.

Im Vordergrund stand dabei das Thema

Klimaschutz.

Denn Computer sind echte Stromfresser.

Die immer höheren Anforderungen an

die Leistungen der Hardware erfordern

auch einen immer höheren Stromver-

brauch. So stieg nach Schätzungen der

Stanford University der Stromverbrauch

aller Rechenzentren weltweit im Jahr

2005 auf 20 Millionen Megawattstun-

den, etwa doppelt so viel wie noch fünf

Jahre zuvor und etwa so viel wie der

weltweit größte Stromverbraucher, die

Spielerstadt Las Vegas.

Stromfresser Computer

Die Sorgen um den Klimawandel führen

derzeit zu einer höheren Sensibilität bei

Herstellern und Verbrauchern. Diese Auf-

merksamkeit muss genutzt werden, um

weitere ökologische aber auch soziale

Verbesserungen in der Computerbran-

che zu erzielen. Denn ein Personal Com-

puter (PC) ist noch lange nicht „grün“

– geschweige denn „sozial“, nur weil

er in der Nutzungsphase weniger Strom

verbraucht.

Die ökologischen und sozialen Probleme

erstrecken sich über den gesamten

Lebenszyklus eines Computers – von

seiner Produktion bis zur Verschrottung.

So ist z.B. nicht nur die Nutzung eines

PCs energieintensiv, sondern auch seine

Herstellung. Und hoch ist nicht nur

der Hunger nach Strom, sondern auch

nach Ressourcen wie Kupfer, Erdöl und

Wasser.

Die Ursachen für die Ressourceninten-

sität, den wachsenden Müllberg sowie

einem giftigen Produktionsprozess

liegen in der Kurzlebigkeit der Produkte

sowie dem harten Konkurrenzkampf in

der Branche, der primär über den Preis

ausgetragen wird: Auf dem Computer-

markt jagt ein Schnäppchen das nächste,

die Devise lautet dabei schneller, besser,

größer. Ein PC gilt bereits nach zwei bis

drei Jahren als veraltet und ein neuer

noch leistungsstärkerer muss her. Der

Wettbewerb zwischen den Herstellern

ist hart und die Gewinnmargen in der

Produktion sind gering.

Das Computerzeitalter wird vielfach mit

einem Prozess der Entmaterialisierung in

Verbindung gebracht. Entgegen dieser

7

Dieser Junge holt Elek-tronikschrott vom Markt in Lagos, Nigeria. Im-portierte Fernseher und Computer, die nicht mehr repariert werden können, werden hier gelagert und verbrannt

Nr. 97/2.08

WEED und Germanwatch fordern auf der CeBIT 2008 Umweltgerech-tigkeit bei der Produktion und der Verschrottung von Computern

Foto: WEED

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titel

Annahme ist jedoch die Herstellung

von Computern sehr materialintensiv.

Nach einer UN-Studie werden allein

zur Produktion eines Arbeitsplatz-

computers mehr als 240 Kilogramm

fossile Brennstoffe wie Öl und Kohle,

ca. 22 Kilogramm chemische Produkte

und 1.500 Liter Wasser benötigt.

Die Hoffnung auf einen reduzierten

Materialverbrauch aufgrund der

Verkleinerung der Geräte, z.B. durch

Notebooks, bleibt bislang unerfüllt,

da die Stückzahlen ansteigen und die

Verwendungsdauer sich verkürzt. Dies

wird von den Computerunternehmen

bewusst angetrieben, indem sie her-

stellerabhängige Systeme entwickeln

statt auf offene Standards zu setzen.

Verstärkt werden die Probleme durch

den Trend zur Einweg-Elektronik. Der

Einsatz neuer ressourcenschonender

Materialien und Verfahren werden

dadurch vielfach wieder zunichte

gemacht. Zudem ist die Verkleinerung

der Geräte oftmals mit dem Einsatz

immer seltenerer Stoffe verbunden,

deren Gewinnung zu Konflikten und

sozial-ökologischen Problemen führt.

Viele der im Computer enthaltenen

Metalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel,

Zink, Gold, Platin, Koltan oder Kobalt

stammen aus den Ländern des Südens.

So wird z.B. die Hälfte des weltwei-

ten Bedarfs an Kobalt in Sambia und

Kongo gefördert. Die Menschen, die in

der Nähe von Kobaltminen in Sambia

wohnen, leiden unter verseuchten Bö-

den und verschmutztem Wasser. Ihnen

geht eine wichtige Existenzgrundlage

verloren, da sie in der Nähe der Minen

kein Gemüse mehr anbauen können.

In Chile sollten gar drei Gletscher „ver-

schoben“ werden, um über Tage Gold,

Platin und Kupfer abzubauen. Auch

wenn aufgrund der starken Proteste

die Gletscher nun erhalten bleiben, ist

ein Wassermangel in der jetzt schon

trockenen Andenregion sowie eine

Verschmutzung von Grundwasser und

Flüssen durch hochgiftige Schlacke

zu befürchten. Obwohl ein einzelner

PC nur wenige Gramm Gold enthält,

Foto: Basel Action Network

Nr. 97/2.088

Clement Lam vom Basel Action Network nimmt am Fluss in Guiyu, China, Bodenproben. Dort werden riesige Mengen Computerteile gelagert, mit Säure behandelt und verbrannt

Umweltgerechtigkeit als soziale

Praxis hat ihren Ursprung in Kam-

pagnen der Bürgerrechtsbewegung

in den USA sowie in sozialen Bewe-

gungen Lateinamerikas. Mit dem

Begriff der Umweltgerechtigkeit wird

ein Verständnis von Umwelt vertreten,

das Umwelt immer als ein gesell-

schaftliches Verhältnis denkt. Umwelt

ist der sozial-ökologische Raum, in

dem Menschen leben und arbeiten.

Menschen gestalten die Umwelt und

sind zugleich unterschiedlich von

Umweltrisiken und -belastungen

betroffen. Die Forderung nach Um-

weltgerechtigkeit wirft die Frage nach

Verfahrens- und Verteilungsgerechtig-

keit auf. Wer plant und entscheidet

z.B. über den Bau einer neuen Fabrik?

Wer zieht den Nutzen daraus und wer

trägt die Risiken und Nachteile? Die

Lasten sind zwischen sozialen Grup-

pen sowie zwischen Nord und Süd

ungleich verteilt. Die Forderung nach

Gerechtigkeit bedeutet eine gerechte

Verteilung von Umweltbelastungen

und -risiken herzustellen.

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titel

ist die Elektronikbranche mit etwa 10

Prozent der weltweiten Jahresproduktion

derzeit der größte industrielle Goldab-

nehmer.

In Zukunft wird die Nachfrage nach

Metallen für IT-Geräte weiter steigen.

Bislang übernimmt die Industrie jedoch

keine Verantwortung für diese erste

Stufe auf dem Weg zur Herstellung

eines Computers. In vielen rohstoffrei-

chen Regionen wird der Raum, in dem

Menschen arbeiten und leben, zuguns-

ten kurzfristiger Profitinteressen und des

internationalen Rohstoffhandels zerstört,

ohne dass die Menschen vor Ort an zen-

tralen Entscheidungen beteiligt werden.

Auch die Gewinne verbleiben aufgrund

fehlender Einbindung in die Binnenöko-

nomie bei den großen multinationalen

Konzernen, welche die Abbauprojekte

betreiben. Die Forderung nach Umwelt-

gerechtigkeit impliziert die Einbindung

der lokalen Bevölkerung in die Entschei-

dungsprozesse sowie eine gerechte

Verteilung der Lasten und Gewinne.

Giftige Produktion

Die Computerproduktion verfügt über

ein sauberes Image, weisen ihre Fa-

briken doch keine rauchenden Schlote

sondern mit High-Tech ausgestatte

Produktionshallen auf. Dennoch ist der

Produktionsprozess selbst nicht nur

ressourcenintensiv, da große Mengen an

Energie und Wasser benötigt werden,

sondern auch giftig. So findet z.B. die

Herstellung der Chips in so genannten

Reinsträumen statt. In ihnen müssen

höchste Sauberkeitsvorschriften ein-

gehalten werden und der Anteil in der

Luft schwebender Partikel ist äußerst

gering. Dennoch ist die Geschichte der

Chipproduktion gekennzeichnet durch

eine hohe gesundheitliche Belastung

der Beschäftigten. In den „chemischen

Fabriken“ kommen zahlreiche toxische

Stoffe wie Lösungsmittel zum Einsatz.

Folgen sind eine erhöhte Krebsgefahr,

Kopf- und Muskelschmerzen, Auswir-

kungen auf die Fruchtbarkeit sowie ein

erhöhtes Risiko von Fehlgeburten. Diese

Symptome traten erstmals im Silicon

Valley – der US-amerikanischen Geburts-

stätte der Halbleiterindustrie – auf. In der

schottischen Chipproduktion berichteten

zu Beginn der 1990er Jahren in den

Reinsträumen beschäftigte Frauen über

Fruchtbarkeitsprobleme und Fehlge-

burten.

Mit der Verlagerung der Produktion in

Entwicklungsländer, insbesondere nach

Asien, werden auch die Gesundheits-

probleme verlagert. Ein Beispiel hierfür

ist die thailändische Festplattenproduk-

tion. ArbeiterInnen berichten heute

über Atembeschwerden. Sie wissen

weder über die Stoffe Bescheid, die die

Beschwerden verursachen, noch werden

die Folgen behandelt. Stattdessen müs-

sen sie in der Regel ihren Job nach ca.

sechs Jahren aufgeben, kehren wieder

auf das Land zurück und arbeiten als

BäuerInnen. Das thailändische Gesetz,

wie das vieler anderer Länder auch,

garantiert den ArbeiterInnen nicht das

Recht auf Information über gesundheits-

schädigende Gifte am Arbeitsplatz und

auch die Deklaration dieser Stoffe ist

nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Greenpeace konnte jüngst an Standor-

ten von Markenherstellern wie Hewlett

Packard und Zulieferanten wie Solectron

oder Fortune in Mexiko, China, den

Philippinen und Thailand eine erhöhte

Belastung von Böden, Grundwasser und

Abfallwasser durch Metalle wie u.a.

Kupfer, Nickel und Blei sowie Rückstände

von Lösungsmitteln und anderen giftigen

Substanzen nachweisen. An den Stand-

orten findet Leiterplattenbestückung,

Chipproduktion sowie die Endmontage

von PCs und anderen Elektronikgeräten

statt. Von einer giftigen Produktion sind

also nicht nur die ArbeiterInnen betrof-

fen, sondern auch alle AnwohnerInnen.

Für sie ist das „Recht zu Wissen“ welche

Stoffe verwendet werden und wie sich

die Produktion auf ihr unmittelbares

Lebensumfeld auswirkt eine zentrale

Forderung. In den Fabriken selbst bedarf

es einer unabhängigen gewerkschaft-

lichen Interessensvertretung, welche

die Einhaltung von Gesundheits- und

Sicherheitsvorkehrungen überwacht.

Bislang ist jedoch die Mitbestimmung

in der Computerindustrie nur schwach

verankert. Der hohe Anteil von Leihar-

beitskräften sowie das gewerkschafts-

feindliche Verhalten der Unternehmen

sind hierfür wichtige Gründe.

Illegale Verschrottung

In Deutschland trat 2005 das Gesetz

über das Inverkehrbringen, die Rück-

nahme und die umweltfreundliche

Elektronikfabrik in China. Bei der Herstellung von Computern kom-men jede Menge giftige Stoffe wie Quecksilber, Blei, bromierte Flammschutzmittel, PVC und Zinn zum Einsatz

Nr. 97/2.08

Foto: AMRC

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titel

Nr. 97/2.0810

Entsorgung von Elektro- und Elektronik-

geräten – kurz ElektroG – in Kraft. Dem-

nach sind die Hersteller von Computern

verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen

und umweltgerecht zu entsorgen. Wenn

der Computernutzer sein Altgerät also

weder auf die Straße noch auf den

Dachboden stellt, gibt er dies in der

Regel beim nächst gelegenen Wertstoff-

hof kostenfrei ab. Die Computer werden

nun jedoch nicht direkt dem Hersteller

Transport zerstört und folglich nur noch

der Gewinnung von Sekundärrohstof-

fen, nicht aber einer Wiederverwertung

zugefügt. Eines der größten Defizite ist

jedoch, dass das neue Gesetz den Export

von Computerschrott in Entwicklungs-

länder nicht unterbinden konnte.

In Deutschland ist der Hamburger Hafen

Umschlagsplatz für den Export von alten

Computern, Monitoren und anderen

Elektronikgeräten, die als Second-Hand-

Waren deklariert verschifft werden.

Ihre Zielländer liegen meist in Asien,

z.B. in China oder Indonesien, oder in

den afrikanischen Ländern Ghana und

Nigeria. In Begleitung der Hamburger

Wasserschutzpolizei konnte ich selbst

das Überprüfen einer Ladung von alten

Monitoren nach Indonesien erleben. Die

Container, die schließlich nach Indone-

sien verschifft wurden, waren beladen

mit Monitoren, deren Kabel abgeschnit-

ten und die Gehäuse geplatzt waren

- dazu war die Verpackung vollkommen

unzureichend. Es handelte sich bei den

Geräten eindeutig um giftigen Schrott,

dessen Verbringung in Nicht-OECD-Län-

der verboten ist. Allerdings fehlen rechts-

verbindliche Kriterien zur Abgrenzung

von Second-Hand-Geräten und Schrott.

zugeführt, sondern jedes Unternehmen

ist in der Stiftung Elektro-Altgeräte-Re-

gister (EAR) registriert und übernimmt

für die anfallenden Altgeräte gemäß

ihres Marktanteils die Entsorgungskos-

ten. Ein von der Stiftung beauftragtes

Unternehmen führt die Geräte dem

Recycling zu. Dadurch besteht allerdings

für die Hersteller kein Anreiz, ihre Pro-

dukte nachhaltiger zu gestalten. Zudem

werden funktionierende Geräte beim

In Guiyu werden die Computerkabel am Tag sortiert und die Reste in der Nacht direkt im Dorf verbrannt

Als Second-Hand-Ware deklariert, wandert der Elektroschrott aus Deutsch-land z.B. wie hier nach Lagos in Nigeria

Fotos: Basel Action Network

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11

titel

Nr. 97/2.08

Die Lasten tragen nicht die europä-

ischen VerbraucherInnen, die jährlich

8,7 Millionen Tonnen Elektronikschrott

produzieren, sondern jene Menschen

in Afrika und Asien, welche die Altge-

räte ausschlachten. Nach Angaben aus

Ghana und Nigeria funktioniert nur ca.

ein Viertel der Elektronikgeräte, die in

Containern mit Hunderten von Tonnen

monatlich ihre Küste erreichen.

Die nicht funktionstüchtigen Geräte

werden mit Hämmern zerschlagen, das

Plastik geschreddert und Bauteile mit

wertvollen Metallen über dem offenen

Feuer geschmolzen. Die ArbeiterInnen

atmen Staub und toxische Gase direkt

ein und tragen sie in ihren Kleidern nach

Hause. Luft, Boden und Wasser werden

vergiftet.

Wie ‚grün‘ sind ‚grüne PCs’?

Auf dem Markt sind bereits einige

Computer, die über so genannte Öko-

Siegel wie den Blauen Engel verfügen.

Das deutsch-japanische Unternehmen

Fujitsu-Siemens-Computers (FSC) ent-

wickelt bereits seit 1993 so genannte

grüne PCs und bezeichnet sich selbst in

der Branche als führend bei der Entwick-

lung umweltgerechter Produkte. Beim

letzten Öko-Ranking von Greenpeace

schneidet das Unternehmen allerdings

nicht ganz so glänzend ab und trotz des

neuen Arbeitsplatzcomputers Scaleo

Li 2405 Green Edition hat sich seine Posi-

tion sogar verschlechtert. Greenpeace

hebt positiv hervor, dass der Konzern

Bauteile verwendet, in denen keinerlei

bromierte Flammschutzmittel enthalten

sind. Allerdings hat FSC sich bislang

nicht auf einen vollständigen Ersatz von

PVC und bromierten Flammschutzmitteln

in allen Produkten festgelegt.

Im Vordergrund steht zudem bei den

meisten Produkten der geringe Strom-

verbrauch. Dagegen ist man noch weit

davon entfernt, den gesamten Lebens-

zyklus eines Computers von der Roh-

stoffgewinnung bis zur Verschrottung

nach ökologischen Kriterien zu gestalten.

Ein weiteres zentrales Problem ist die

Einhaltung von Umweltstandards in den

stark zergliederten und globalisierten

Zulieferketten. Die direkten Zulieferer

2008 startete die europäische

Kampagne procureITfair, an der

sich Organisationen aus Deutsch-

land, Österreich, Niederlanden,

Tschechien, Polen, Spanien,

Ungarn, China und Indien betei-

ligen. Im Rahmen der Kampagne

werden Kriterien für eine sozial-

ökologische Beschaffung von

Computern entwickelt. Öffentliche

Einrichtungen wie Universitäten

und Gemeinden sollen diese

Kriterien bei der Anschaffung

von Computern berücksichti-

gen. Dadurch wird der Druck auf

Markenunternehmen erhöht, die

Bedingungen in der Produktion

von Computern nachhaltig zu

verbessern. Die Kampagne wird

von dem Projekt PC global von

WEED geleitet.

Mehr Informationen:

- Unsichtbare Kosten. Ungleiche

Verteilung ökologischer Risiken in

der globalen Computerindustrie,

Broschüre.

- Der Weg eines Computers. Von

der globalen Produktion bis zur

Verschrottung. Materialien für die

Bildungsarbeit, Bildungs-CD.

- Digitale Handarbeit. Chinas

Weltmarktfabrik für Computer,

Dokumentarfilm.

Die Materialien können unter

www.weed-online.org, weitere

Informationen: www.pcglobal.org

bestellt werden.

von FSC unterzeichnen einen Brief,

in dem sie sich verpflichten, die in

der Europäischen Union und anderen

Ländern verbotenen toxischen Stoffe

wie Blei zu vermeiden. Darüber hinaus

wird ihnen empfohlen weitere gesetzlich

nicht verbotene Stoffe zu ersetzen bzw.

diese müssen bei Verwendung deklariert

werden. Doch wer kontrolliert die Einhal-

tung? Und warum schaffen Unterneh-

men wie FSC nicht eine größere Trans-

parenz über ihre Zulieferketten, so dass

auch unabhängige Gewerkschaften und

Organisationen die Einhaltung überprü-

fen können? Da von den ökologischen

Risiken die Menschen betroffen sind, die

in dieser Umwelt arbeiten und leben,

müssen neben ökologischen Kriterien

auch soziale Rechte Berücksichtigung

finden.

VerbraucherInnen, die einen Computer

kaufen möchten, der unter Einhaltung

der Kernarbeitsnormen der Internationa-

len Arbeitsorganisation (IAO) hergestellt

wurde, werden heute noch nicht fündig.

Es gibt bislang auf dem Markt keinen

Computer der nach sozial-ökologischen

Kriterien zertifiziert ist und auch eine

Kaufempfehlung kann bislang nicht

ausgesprochen werden.

Dem einzelnen Verbraucher bleibt also

nichts weiter übrig als sich beim Kauf

eines Computers möglichst detailliert zu

erkundigen und auf mangelnde Infor-

mationen über die sozialen und ökolo-

gischen Bedingungen in der Produktion

hinzuweisen. Über ein anderes Macht-

mittel verfügen private und öffentliche

Einrichtungen, die direkt beim Hersteller

nicht nur einen einzelnen Computer,

sondern Hunderte bestellen. Sie können

im Fall einer öffentlichen Ausschreibung

soziale und ökologische Bedingungen in

der Produktion als Vergabekriterien be-

rücksichtigen. Damit schaffen sie einen

konkreten Anreiz, dass Hersteller sich für

die Einhaltung von Arbeitsrechten, öko-

logischen und sozialen Normen in ihren

Zulieferketten sowie bei der Rohstoffge-

winnung einsetzen.

Sarah Bormann arbeitet in der

Projektgruppe PC global. Kontakt:

WEED, Büro Berlin, Eldenaer Str. 60,

10247 Berlin, Tel.: 030/275-82163,

Fax: -96928, [email protected]

Dokumentarfilmvon Alexandra Weltz

im Rahmen des Projekts

PC global von WEED

handarbeitdigitale

Chinas Weltmarktfabrik

für Computer

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Foto: Peter Wiegel/PIXELIO

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energie

Nr. 97/2.0812

Foto: argus/Schwarzbach

Page 13: Robin Wood Magazin 2/2008

13

energie

Alles Kohle oder was?

Auf der internationalen Agenda steht

das Thema Klimaschutz ganz weit

oben. Inzwischen ist unbestritten, dass

die klimaschädlichen Emissionen massiv

verringert werden müssen: Die EU-Staaten

haben sich auf eine Reduzierung um 30

Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber

dem Jahr 1990 geeinigt, die Bundesre-

gierung hat erklärt, um 40 Prozent zu

reduzieren. Und weltweit ist bis 2050 ein

Reduktionsziel von 80 Prozent in der Dis-

kussion. Nur wenn das gelingt, lassen sich

die Auswirkungen der Klimakatastrophe

einigermaßen begrenzen und erreichen,

dass die Temperatur im globalen Mittel

nicht um mehr als zwei Grad Celsius

ansteigt.

Kohle ist Gift fürs Klima

Im Jahr 2005 wurden in Deutschland

insgesamt 873 Millionen Tonnen CO2 in

die Atmosphäre gepustet. Neben Verkehr,

Haushalten und Industrie ist vor allem die

Energiewirtschaft mit 41,5 Prozent bzw.

rund 362 Mio. Tonnen CO2 an diesen

Emissionen überdurchschnittlich hoch

beteiligt. Bis zum Jahr 2020 müssten an-

gesichts der Reduktionsziele der Bundes-

regierung die von der Energiewirtschaft

zu verantwortenden Emissionen auf etwa

280 Mio. Tonnen CO2 gesenkt werden.

Das ist die Ausgangslage für die Energie-

wirtschaft in Deutschland.

Wesentlich verantwortlich für diese hohen

CO2-Emissionen ist die Stromerzeugung in

Braun- und Steinkohlekraftwerken. An der

gesamten Stromerzeugung waren im Jahr

2005 die Braunkohle mit 25 Prozent und

die Steinkohle mit 22 Prozent beteiligt.

Eine Reduzierung der klimaschädlichen

CO2-Emissionen muss neben der Steige-

rung der Effizienz bei der Stromerzeugung

und –anwendung also vor allem bei diesen

Energieträgern ansetzen und deren Anteil

deutlich reduzieren: Betrachtet man die

Energieträger nach ihrem CO2-Gehalt,

dann ergibt sich, dass die Stromerzeu-

gung aus Braunkohle je Kilowattstunde

mindestens 900 g CO2 – bei den meisten

Anlagen aber deutlich mehr als 1000 g

je kWh – verursacht. Moderne Steinkoh-

lekraftwerke liegen bei etwa 750-800

Gramm CO2 je kWh. Demgegenüber setzt

Gas als Energieträger nur ca. 380 Gramm

CO2 je kWh frei, also rund die Hälfte der

Steinkohle und etwas mehr als ein Drittel

der Braunkohle. Doch nur 11 Prozent der

Stromproduktion basierte 2005 auf Gas.

Es kann also keine Frage sein, ob der

Anteil der Braun- und Steinkohle an der

Stromerzeugung reduziert werden muss,

wenn es gelingen soll, die CO2-Emissionen

zur Begrenzung der Klimakatastrophe zu

verringern. Und genau in dieser Situation

planen die großen vier Stromkonzerne

E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE so-

wie einige andere mindestens 19 neue

Kohlekraftwerke in Deutschland zu bauen.

Allein diese neuen Kraftwerke hätten

CO2-Emissionen von insgesamt rund 140

Millionen Tonnen jährlich zur Folge.

Kohle verdrängt Kohle?

Aus Sicht der Stromkonzerne stellen die

neuen Kohlekraftwerke nicht etwa ein

gravierendes Hindernis für den Klima-

schutz dar, sondern vielmehr eine große

Chance. Die neuen Kraftwerke hätten

gegenüber alten Anlagen einen höheren

Wirkungsgrad und würden daher auch

niedrigere CO2-Emissionen je kWh haben.

Vor allem aber versprechen sie, dass diese

Die Situation lässt sich durchaus als grotesk bezeichnen. Während alle vom Klimaschutz reden und die Bundesregierung und internationale Organisationen immer neue CO

2-Reduktionsziele verkünden, plant

die hiesige Energiewirtschaft mindestens 19 neue Kohlekraftwerke. 19 riesengroße Schritte für die Fortsetzung der Klimakatastrophe.

Die Enerigekonzerne wollen 19 neue Kohle-kraftwerke in Deutsch-land bauen...

Nr. 97/2.08

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energie

neuen Kraftwerke mittelfristig ältere

Anlagen vom Markt drängen würden.

Das soll nach ihrer Argumentation

dadurch erreicht werden, dass mit der

Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels

die Stromkosten in diesen alten Anlagen

steigen werden. Wirtschaftlich wären sie

dann nicht mehr zu betreiben, was zur

Abschaltung führen würde.

Ob es dazu kommen wird, ist jedoch die

große Frage. Denn die alten Kohlekraft-

werke sind überwiegend ebenfalls im

Besitz der großen vier Konzerne und es

ist völlig klar, dass diese mit allen Mitteln

versuchen werden, aus ihren alten

Anlagen so viel Gewinn wie nur irgend

möglich zu erzielen. Das demonstrieren

E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE schon

heute an der Strombörse in Leipzig. Das

Bundeskartell hat die vier Konzerne im

Verdacht, dass sie mit einer Marktmacht

von rund 80 Prozent der deutschen

Stromerzeugung mit vielen Tricks die

Strompreise hochtreiben. Auf diese

Weise gelingt es ihnen nicht nur ihre

Gewinne zu steigern. Sie schaffen es so

auch, den Strom von deutlich teureren

Anlagen noch zu verkaufen. Von diesen

Methoden werden die vier Konzerne,

die nicht dem Klimaschutz sondern ihren

Aktionären verpflichtet sind, mit Sicher-

heit nicht abgehen.

Stromexporte statt Stromlücken

Hinzu kommt, dass die großen Vier nicht

allein für den deutschen Strommarkt

und den hiesigen Strombedarf arbeiten.

Der Strommarkt internationalisiert sich

zunehmend und schon heute gehören

die vier Stromkonzerne zu den großen

Gewinnern dieser Entwicklung.

Deutschland ist nicht nur im Waren- und

Dienstleistungsbereich Exportweltmeis-

ter. Allein im Jahr 2006 haben Kraft-

werke in Deutschland einen Strom-

überschuss produziert und per Saldo

rund 20 Milliarden Kilowattstunden (20

Terawattstunden,TWh) ins europäische

Ausland exportiert. Der Exportüberschuss

entspricht einer Stromproduktion von

vier bis fünf großen Kohleblöcken. Und

selbst im Jahr 2007 haben die Strom-

konzerne noch 14 TWh mehr Strom

exportiert als importiert. (Dabei waren

z.B. die AKW Biblis A und B ganzjährig

und die AKW Brunsbüttel und Krümmel

halbjährig abgeschaltet.)

Kein Wunder also, wenn die Stromkon-

zerne zwar immer gern auf diesen ver-

meintlichen Verdrängungswettbewerb

hinweisen, aber keine konkrete Angaben

über die stillzulegenden Kohlekraftwerke

machen.

Ausdehnung der Stromkapazitäten

Beispiel Vattenfall: Der Konzern erzeugt

schon heute über 80 Prozent seines

Stroms in Kohlekraftwerken – fast aus-

schließlich mit der besonders schädlichen

Braunkohle. Neben einigen kleineren

Anlagen, die mit Gas betrieben werden,

gehören auch die gemeinsam mit E.ON

betriebenen AKW Krümmel (Anteil ca.

670 MW), Brokdorf (Anteil ca. 270 MW)

und Brunsbüttel (Anteil ca. 514 MW)

zum Vattenfall-Konzern. Rund 210 MW

hat Vattenfall durch die Stilllegung des

AKW Stade im Jahr 2002 „verloren“.

Derzeit will das Unternehmen am Stand-

ort Moorburg ein Kohlekraftwerk mit

etwa 1.650 MW bauen. Ob Vattenfall

dafür von der neuen Hamburger Regie-

rung aus CDU und Grünen die Genehmi-

gung erhält, ist derzeit noch offen. Der

Neubau soll ab 2012 das alte Heiz-

kraftwerk Wedel (400 MW) ersetzten.

Außerdem wird Vattenfall in Folge des

mit der Bundesregierung vereinbarten

Atomkonsenses in den nächsten Jahren

das AKW Brunsbüttel abschalten. Mit

anderen Worten: Das geplante Steinkoh-

lekraftwerk in Moorbug bedeutet eine

Expansion des Unternehmens. Wäh-

rend in den nächsten Jahren maximal

rund 1.100 MW abgeschaltet werden,

erweitert Vattenfall mit Moorburg seine

gesamte Stromerzeugungskapazität um

rund 500 MW. Durch den Neubau eines

mit Braunkohle betriebenen Blocks am

Kraftwerk Boxberg steigert Vattenfall

seine Stromerzeugungskapazität um

weitere 675 MW, insgesamt ein Plus von

fast 1.200 MW.

Selbst wenn man unterstellt, dass die

neuen Anlagen im Vergleich zu den

alten Kraftwerken pro Kilowattstunde et-

was weniger CO2 emittieren, wird dieser

geringe Einspareffekt durch die Erhö-

hung der gesamten Kapazitäten und die

Ausweitung des Stromverkaufs mehr als

wettgemacht.

Die Behauptung der Stromkonzerne,

dass der Neubau von „modernen“ Koh-

lekraftwerken insgesamt dazu beitragen

würde, die CO2-Emissionen durch einen

Verdrängungseffekt zu senken, ist reine

Propaganda. Das Gegenteil ist der Fall,

denn die Ausweitung der Stromerzeu-

gungskapazitäten wird die eher geringen

Einspareffekte – wenn sie denn über-

haupt eintreten – überkompensieren und

damit zu einem weiteren Anstieg der

CO2-Emissionen führen. Neue Braun-

kohlekraftwerke sind so dreckig, stellte

kürzlich das Umweltbundesamt in einer

Studie fest, dass die Kurve des CO2-

Ausstoßes im Stromsektor nach oben

ausschlägt, sobald auch nur ein einziges

Neues ans Netz geht.

Übergangstechnologie mit Gas

Wichtig ist auch noch ein weiterer

Aspekt. Der Bau eines Kohlekraftwerks

ist – im Vergleich z.B. zu Gas- und

Turbinenkraftwerken (GuD) - sehr

Hamburg, 12.03.08: Protest gegen das geplante Kohlekraft-werk Moorburg

Nr. 97/2.08

Page 15: Robin Wood Magazin 2/2008

15

energie

kapitalintensiv. So kostet der Bau des

Kraftwerks in Moorburg nach heutigen

Schätzungen rund zwei Milliarden Euro.

Allerdings gibt es einen wichtigen wirt-

schaftlichen Vorteil für diese Kraftwerke

und für die Entscheidung der Strom-

konzerne: Kohle ist auf dem Weltmark

nahezu unbegrenzt verfügbar und damit

extrem kostengünstig. Dadurch hat der

Energieträger bei der Strompreisermitt-

lung nur einen sehr geringen Anteil.

Anders ist dies bei den gasbetriebenen

GuD-Kraftwerken. Die haben vergleichs-

weise geringe Kapitalkosten, dafür aber

ist der Gaspreis höher und mehr Risiken

ausgesetzt. Aber diesen Preisrisiken

stehen im Vergleich zu den Kohlekraft-

werken deutliche Klimavorteile gegen-

über. Denn die Investition in ein Kohle-

kraftwerk lohnt sich aufgrund der hohen

Kapitalkosten nur, wenn das Kraftwerk

über einen möglichst langen Zeitraum

betrieben werden kann. Daher werden

solche Kraftwerke auf eine Betriebsdauer

von ca. 40 Jahren ausgelegt. In der

Folge werden die mit diesem Kraftwerk

verbundenen CO2-Emissionen ebenfalls

für einen sehr langen Zeitraum fixiert,

ein gasbetriebenes GuD-Kraftwerk ist

bereits bei einer Betriebsdauer von 10

– 12 Jahren wirtschaftlich.

Dabei hat es den Vorteil, dass es bei

gleicher Leistung weniger als die Hälfte

CO2 emittiert. Außerdem haben diese

Anlagen einen höheren Wirkungsgrad

als Kohlekraftwerke, was die CO2 Bilanz

zusätzlich verbessert. Damit sind diese

Kraftwerke eine ideale Übergangstech-

nologie für einen Zeitraum, in dem die

erneuerbaren Energien und hier vor

allem die Windenergie (an Land und

Off-Shore) einen immer größeren Anteil

an der Stromerzeugung übernehmen.

Allein im Rahmen des Erneuerbare

Energien Gesetzes ist laut einer Studie

des Bundesumweltministeriums davon

auszugehen, dass der Anteil dieser

Energieträger auf ca. 25 Prozent bis zum

Jahr 2020 anwachsen wird, positivere

Schätzungen erwarten sogar 30 Prozent.

Energiewende ist mehr als erneuerbar

Die längst fällige Energiewende muss

aber nicht nur mit allem Nachdruck die

regenerative Energieerzeugung voran-

treiben. Auch mit mehr Energieeffizienz

lässt sich massiv die Klimabilanz verbes-

sern. Mehr Effizienz bei der Erzeugung

(z.B. in den gasbetriebenen GuD-Kraft-

werken) und bei der Stromanwendung

(z.B. Verbot der Standby-Schaltungen,

Energiesparlampen, grüne IT-Technik)

führt dazu, dass bei gleich bleibenden

Nutzen die Stromerzeugung reduziert

werden kann.

Von großer Bedeutung ist die Kraft-

Wärme-Kopplung (KWK), also die

gleichzeitige Erzeugung von Strom und

Heizenergie. In den heute verbreiteten

Großkraftwerken wird die insgesamt

erzeugte Energie zu 50 – 60 Prozent

gar nicht genutzt, sondern belastet als

Abwärme die Umwelt, z.B. durch das

Einleiten dieser Wärme in die Flüsse.

Dabei ließen sich laut neueren Studien

32 Prozent des gesamten Nutzwärme-

verbrauchs Deutschlands (328 Terawatt-

stunden) durch Kraft-Wärme-Kopplung

erzeugen. Derzeit liegt der Anteil unter

sieben Prozent. Noch besser sieht es bei

der Stromerzeugung aus. 57 Prozent der

aktuellen Stromerzeugung Deutschlands

(351 Terawattstunden) könnten künftig

über Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopp-

lung erzeugt werden. Derzeit werden

gerade mal elf Prozent des Stroms auf

diese Art hergestellt. Auf diese Weise

würde nicht nur eine Ressourcenscho-

nung in großem Stil umgesetzt. Gleich-

zeitig würden 50 Millionen Tonnen CO2

pro Jahr eingespart.

Doch dieser Weg passt nicht in das

Denken der großen Stromkonzerne:

Anlagen mit KWK sind vor allem klein

und dezentral, müssen verbrauchernah

errichtet und betrieben werden und

erfordern einen intensiven Ausbau von

Nah- und Fernwärmeversorgungsnetzen,

einen kompletten Umbau der Energie-

erzeugungs- und Versorgungsstrukturen

also. Und der ist erforderlich, wenn es

darum geht, die Klimakatastrophe zu

begrenzen und eine zukunftsfähige Welt

zu gestalten.

Dirk Seifert ist Energiereferent bei

ROBIN WOOD in Hamburg

[email protected]

Tel.: 040/38089221

Nr. 97/2.08

Page 16: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.0816

Streit ums Netz Geht es um die Stromversorgung und den Klimaschutz, dann steht meist die Produktion von Strom im Rampenlicht. Umweltverbände und Verbraucherorganisationen verweisen aber schon seit Jahren auf einen wichtigen Baustein für die Erneuerung der Energieversorgung: Die Stromverteilernetze. Was bis-lang eher eine Fachbebatte war, hat E.ON mit seiner überraschenden Ankündigung, die Übertragungs-netze verkaufen zu wollen, auf die politische Agenda gesetzt.

energie

Als E.ON, die Nummer Eins unter den Stromkonzer-

nen in Deutschland, Ende Februar 2008 Verkaufs-

pläne für seine 10.600 Kilometer Übertragungsnetze

und einen Teil seiner Kraftwerkskapazitäten bekannt

gab, sorgte das für erheblichen Wirbel. Während

Verbraucherschutzorganisationen den überraschenden

Schritt begrüßten, fühlte sich die Bundesregierung

verraten. Was war passiert? E.ON steht unter Druck,

weil die Europäische Kommission mehrere Kartell-

rechtsverfahren gegen den Düsseldorfer Stromgiganten

betreibt. Hohe Strafen wegen Monopolbildung wollte

der Konzern aber unbedingt vermeiden. Dieser Druck

führte nun zu einem Deal zwischen E.ON und der

Kommission, der vorsieht einige E.ON-Unternehmens-

teile z.B. die Netze auszugliedern, um eine Einstellung

der laufenden Verfahren zu erreichen.

Ein Affront für die Bundesregierung und allen voran

die Kanzlerin. Denn sie hatte bislang unermüdlich die

Stromkonzerne gegen das Bestreben der Kommission

unterstützt, die Stromproduktion und den Netzbetrieb

voneinander zu trennen. Gemeinsam mit anderen

europäischen Staaten wie Frankreich wollte sie das

Modell des „voll integrierten“ Unternehmens verteidi-

gen. Die Kontrolle über die Netze wurde bislang als die

Machtbasis der jeweiligen „nationalen“ Großkonzerne

gesehen, um die dominante Position im Strommarkt

abzusichern. Doch offenbar hat sich die politische Öko-

nomie der Stromwirtschaft verändert: Aus Sicht der

Stromkonzerne hat sich der Wert und die Bedeutung

der Stromnetze deutlich verringert.

Mit Höchstspannung zu Rekordprofiten

Jahrelang hatten die Energiekonzerne mit den Strom-

autobahnen milliardenschwere Extraprofite gemacht

und kaum in die Übertragungsnetze investiert. Allein

2006 betrugen die Einnahmen der Energieversorger

aus den Netzgebühren über 21 Milliarden Euro, inves-

tiert wurde aber nur ein Zehntel davon. Möglich war

diese Abzocke der KundInnen u.a. weil die Bundes-

republik als einziges EU-Land trotz des liberalisierten

Strommarkts auf eine Regulierung der Netzentgelte

verzichtet hatte. Erst nach der lange überfälligen Um-

setzung einer EU-Richtlinie zur Einführung einer staat-

lichen Entgeltkontrolle senkte die Bundesnetzagentur

im vergangenen Jahr die Netzentgelte. Nun wird den

Stromriesen nur noch eine Rendite von rund 7,5 Prozent

zugestanden. Aus Sicht der Konzerneigentümer viel zu

wenig, da die Vorstände bei anderen Unternehmensteilen

von durchschnittlichen Renditen um 15 Prozent ausgehen.

Stromnetz bedeutet im übrigen nicht gleich Stromnetz.

Das Netz hat insgesamt in Deutschland eine Länge von

knapp 1,7 Millionen Kilometern. Die Transport- und

Verteilsysteme sind dabei für unterschiedliche Zwecke in

vier Spannungsebenen gegliedert - vergleichbar mit dem

Straßennetz: Es gibt „Autobahnen“ (Höchstspannungs-

oder Fernübertragungsnetz), „Bundesstraßen“ (Hoch-

spannungsnetz), „Landstraßen“ (Mittelspannungsnetz)

und „Ortsstraßen“ (Niederspannungsnetz). Den weitaus

größten Teil des Netzes macht - mit einer Länge von mehr

als einer Million Kilometern - das Niederspannungsnetz

oder auch Verteilnetz aus. Es wird von rund 900 Stadtwer-

ken und kommunalen Versorgern betrieben. Nur 40.000

Kilometer entfallen auf das Höchstspannungsnetz, über

das auch der Handel mit dem Ausland abgewickelt wird.

Dieses Fernübertragungsnetz soll nach dem Willen der

EU-Kommission von den Konzernen abgetrennt werden

– auch „Entflechtung“ oder „Unbundling“ genannt. In

Deutschland teilen sich das Fernübertragungsnetz bisher

E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Während das Netz

von E.ON von Nord nach Süd verläuft, konzentriert sich

Vattenfall auf den Osten, RWE auf den Westen und EnBW

auf den Südwesten.

Der Betrieb des Stromnetzes war für die Konzerne in den

letzten Jahren eine lukrative Profitquelle. Seit der Libe-

ralisierung der Strommärkte Ende der 80er Jahre haben

die Konzerne nur noch dann in die Netze investiert,

wenn gefährliche Engpässe drohten oder bereits Schäden

entstanden waren. Inzwischen sind die Netze Schrott und

gefährden die Versorgungssicherheit. Die 220 kV-Leitungs-

masten sind im bundesweiten Mittelwert am Ende ihrer

Nutzungsdauer angelangt, ebenso die Transformatoren.

Das belegt ein Bericht der Bundesnetzagentur von Januar

2008. Laut Bericht sind 220 kV-Masten im bundesweiten

Durchschnitt knapp 50 Jahre alt, die 380 kV Masten und

Transformatoren rund 30 Jahre alt. Jetzt, wo die Entgelte

reguliert werden und die Konzerne um hohe Investitionen

für den notwendigen Netzausbau nicht mehr herum

kommen, versucht der Energieriese E.ON die Netze abzu-

stoßen. Auch Vattenfall erwägt, sich eventuell von seinem

Stromnetz zu trennen.

Foto: argus/Schwarzbach

Page 17: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

Nr. 97/2.08

Die Stromriesen blockieren zunehmend den Ausbau der

erneuerbaren Energien mit ihrer bisherigen Kontrolle der

Stromnetze. So mussten in Schleswig-Holstein im Januar

und Februar dieses Jahres mehrfach für längere Fristen

Windkraftwerke abgeschaltet werden, weil E.ON be-

hauptete, dass das Stromnetz die Kapazitäten nicht mehr

aufnehmen könne. Während E.ON mit seinen Atom– und

Kohlekraftwerken weiter Kasse machte, mussten die

Ökostromproduzenten erhebliche Einnahmeverluste hin-

nehmen. Schon seit Jahren verschleppen E.ON und die an-

deren Konzerne den längst fälligen Ausbau der Netze, um

den wachsenden Ökostromanteil bundesweit aufnehmen

und verteilen zu können. Und je mehr regenerativer und

dezentral erzeugter Strom in den nächsten Jahren hinzu-

kommt, umso mehr wird die Kontrolle und Untätigkeit der

Stromriesen auch zum Problem für den Klimaschutz.

Strategien der Globalisierung

Ziel der EU-Kommission bei der „Entflechtung“ von

Produktion und Netz, das so genannte „Unbundling“,

ist vorgeblich die Schaffung von mehr Wettbewerb im

EU-Binnenmarkt. Als Konsequenz davon verspricht die

Kommission sinkende Stromkosten für Industrie und Haus-

halte. Dass die Strommarktliberalisierung bereits in der

Vergangenheit in dieser Hinsicht nicht erfolgreich war, ficht

die Kommission nicht an. Denn im Gegenteil - die Preise

steigen. Energie-Kommissar Andris Piebalgs plant aktuell

mit einer neuen EU-Richtlinie, dem dritten Energiepaket,

die europäischen Strommärkte weiter zu liberalisieren. In

diesem Kontext wird die „Entflechtung“ vorangetrieben.

Dabei stieß er auf hartnäckigen Widerstand der Bundes-

regierung und der Konzerne. Aufgrund des Gegendrucks

einiger anderer Staaten forcierte die Wettbewerbskom-

missarin Nelie Kroes daraufhin die Kartellverfahren – quasi

Plan B, um den Druck auf die Konzerne zu erhöhen. Es

wäre nun zu kurz gegriffen, E.ON quasi als Verlierer in der

Auseinandersetzung mit der Kommission anzusehen. Denn

dass die Kommission mit ihrer Anti-Kartell-Politik gegen

die Marktmacht der Konzerne vorgeht, wie häufig zu lesen

war, ist bei genauerem Hinsehen nur die halbe Wahrheit.

Denn jenseits der Wettbewerbsrethorik verfolgt die

Kommission die Strategie durch die weitere Liberalisierung

transnationale Fusionen und Aquisitionen zu erleichtern

und somit aus „nationalen Champions“ „Euro-Champi-

ons“ und schließlich starke Global Player werden zu lassen.

Statt des ominösen „Wettbewerbs“ nimmt die Konzent-

ration zu – was schließlich exakt das Ziel ist. Zur Zeit gibt

es noch etwa 10 große Stromkonzerne in der EU – viele

Prognosen gehen davon aus, dass es in wenigen Jahren

nur noch fünf sein könnten. Bei genauem Hinschauen

zeigt sich also, dass die Ziele von EU und Bundesregierung

gar nicht so verschieden sind. Beide wollen international

agierende Global Player – lediglich über den Weg dorthin,

also mittels entflochtener oder vollintegrierter transnatio-

naler Konzerne, gibt es Differenzen.

Für diese neue Ausrichtung als Global Player ist E.ON

nun bereit, das Stromnetz aufzugeben. Im Gegenzug

erwartet der Konzern die Zustimmung der Kom-

mission für die weitere Expansion. E.ON plant die

Übernahme von bedeutenden Stromerzeugungska-

pazitäten in Spanien, Italien und Frankreich sowie in

Polen und der Türkei und braucht dafür die Zustim-

mung der EU-Kommission.

Stromnetze demokratisch kontrollieren!

Die konkreten Zukunftspläne für die E.ON-Netze

sind noch in der Schwebe. „Es gibt mehrere Interes-

senten“, heißt es inoffiziell bei E.ON. Als Käufer der

Stromnetze kommen vor allem Investoren in Frage,

die an einer niedrigen, aber stabilen Rendite interes-

siert sind. Das könnten zum Beispiel Finanzinvestoren

wie Pensionsfonds sein oder Infrastrukturfonds, die

Gelder sicher und langfristig anlegen wollen. Interesse

hat auch Gazprom signalisiert. Zuletzt hatte E.ON die

Variante einer einheitlichen bundesweiten privaten

Netz AG ins Spiel gebracht, die die Netze der großen

vier Energiekonzerne zusammenführt.

Mit Blick auf die Energiewende und den Klimaschutz

ist die Übernahme der Netze durch die öffentliche

Hand von großer Bedeutung. Doch davon will Angela

Merkel nichts wissen. Der Bund der Energieverbrau-

cher, der Bundesverband der Verbraucherzentralen,

die Linkspartei, die Jusos, die Grüne Jugend, Attac

und auch ROBIN WOOD fordern aber genau das.

So spricht sich Hermann Scheer, SPD-Bundestagsab-

geordneter und Gründer von EUROSOLAR, für ein

gemeinsames Bund-Länder-Unternehmen aus. Attac

will hingegen eine stärkere demokratische Kontrolle.

Welche konkreten Formen dafür in Frage kämen, ist

Gegenstand der nun beginnenden Auseinanderset-

zung. Ob das Aufsichtsgremium eines öffentlichen

Netzunternehmens auf Länderebene aus von Bürge-

rInnen gewählten VertreterInnen besteht oder ob ein

so genanntes „stake-holder“-Unternehmen besser

wäre, bei dem Verbraucherschützer, Sozial- und

Umweltverbände mit im Aufsichtsrat sitzen – ver-

schiedene Möglichkeiten sind denkbar. Klar ist aber:

für eine soziale und sichere Stromversorgung und

eine tatsächliche Energiewende ist die demokratische

Kontrolle einer öffentlichen Netzinfrastruktur ein

wichtiger Faktor.

Alexis Passadakis ist Politikwissenschaftler und im

Koordinierungskreis von Attac Deutschland.

Er ist aktiv in der Kampagne gegen

die Stromkonzerne

Weitere Infos:

www.attac.de/energiekonzerne

www.stromnetze-demokratisch-kontrollieren.de

17

Page 18: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

Nr. 97/2.0818

Die Asse bringt‘s an den TagIm Südosten Niedersachsens findet derzeit ein makabres Schauspiel statt. Mit dem Erz-bergwerk Schacht KONRAD in Salzgitter soll 2013 ein erstes atomrechtlich genehmigtes Atommüll-Endlager in Betrieb gehen. Gleichzeitig wird für das nur 20 Kilometer entfernte Salzbergwerk ASSE II im Kreis Wolfenbüttel der vollständige Kollaps vorausgesagt. Dort wurde, zu Forschungszwecken wie es heißt, von 1967 - 1978 Atommüll eingelagert, der jetzt abzusaufen droht.

„Schon seit geraumer Zeit zerbricht

man sich im Bundesforschungsminis-

terium den Kopf über die Frage, wo

und wie man den im Bundesgebiet

anfallenden Atommüll so beseiti-

gen soll, dass sich keine schädlichen

Auswirkungen ergeben“, konnte man

am 5. März 1964 in der Wolfenbüt-

teler Zeitung lesen, deshalb werde

in Bonn jetzt ernstlich erwogen, das

ASSE-Bergwerk zur Atommüllgrube

zu machen. Das Salzbergwerk ASSE II

stand kurz vor der Stilllegung. Andere

Salzbergwerke in der Region waren

längst abgesoffen. Entsprechend

entsetzt waren die Anwohner. Zu gut

wussten sie um Probleme wie Instabi-

lität, Wasser-Zuflüsse und die Existenz

stark wasserlöslichen Carnallits mitten

im Steinsalz.

Erste Proteste zeigten zunächst Erfolg:

Im Herbst 1964 lehnte der Kreistag die

geplante Einlagerung einstimmig ab.

Dennoch kaufte der Bund die Anlage

und begann im April 1967 mit der

Atommüll-Einlagerung. Aber auch

wenn viele Menschen sich mit dem

Atommüll arrangierten, verstummte

die Kritik nie ganz. Und schon 1978

legte ein Braunschweiger Wasserbau-

ingenieur die unabhängige Studie

„Gefährdung der Biosphäre durch

mangelnde Standsicherheit und das

Ersaufen des Grubengebäudes“ vor,

die genau all jene Probleme beschrieb,

die bis heute bei ASSE II brisant sind.

Sperrmüll von 600 Atomkraftwerken

1976 entschied der damalige nie-

dersächsische Ministerpräsident

Ernst Albrecht, dass alle Anlagen zur

Behandlung und Lagerung aller radio-

aktiven Abfälle in einem „Nuklearen

Entsorgungszentrum“ in Gorleben

gebaut werden sollten. Dass er

trotzdem mit Schacht KONRAD einen

zweiten Standort benannte, hatte den

einfachen Grund: Man ging damals

davon aus, dass allein in Westdeutsch-

land mehrere hundert Atomkraftwerke

gebaut werden würden. Bei einer

damals angenommenen Laufzeit von

15 Jahren wären ab Ende des Jahr-

hunderts viel Material aus dem Abriss

stillgelegter Reaktoren angefallen. Die

sollten im Schacht KONRAD einge-

lagert werden. Entscheidend für die

Auswahl von KONRAD war denn auch,

dass der Schacht ein besonders breites

Förderwerk hatte, nicht etwa geolo-

gische Kriterien.

Gegen KONRAD gab es von Beginn

an Kritik und Widerstand von Bür-

gerinitiativen, aber zunehmend auch

aus Betrieb und Gewerkschaft. Als

1982 ein Planfeststellungsverfahren

eingeleitet wurde, demonstrierten

10.000 Menschen, als 1991 die Plan-

unterlagen auslagen, wurden 289.391

Einwendungen erhoben, die 1992/93

spektakuläre 75 Tage lang öffentlich

erörtert wurden.

Allerdings hatte sich inzwischen die

Brisanz des Lagers verändert. Ange-

sichts der Verzögerungen in Gorleben

und da der prognostizierte Zubau

von Atomkraftwerken ausblieb, sollte

KONRAD nun sämtliche Abfälle mit

geringer Wärmeentwicklung aufneh-

men.

Dass KONRAD 2002 schließlich

genehmigt wurde, war ein Ergeb-

nis SPD/Grüner-Ausstiegspolitik. Im

Gegenzug für die Vereinbarung von

Restlaufzeiten für die Atommeiler

hatte Rot-Grün der Atomindustrie im

Atomkonsens von 2000 die zügige

Genehmigung von KONRAD verspro-

chen, aber darauf verwiesen, dass

die Genehmigung ja beklagt werden

könne. Genau das taten Kommunen

und stellvertretend die Landwirtsfa-

milie Traube - und erlebten eine böse Gemeinsam aktiv gegen einstürzende und absaufende Endlagerstätten

Page 19: Robin Wood Magazin 2/2008

19

energie

Überraschung. Die Gerichte überprüften

nicht die Sicherheit und Eignung der

Anlage, sondern sprachen den Klägern

rundheraus das Recht ab, diese Fragen

überhaupt prüfen zu lassen. Im Ergebnis

bedeutet das: Bei der Planfeststellung

eines Atommüll-Endlagers sollen An-

wohnerInnen weniger Rechte haben, als

z.B. im kommunalen Straßenbau. Wenn

Politiker jetzt behaupten, die Gerichte

hätten die Sicherheit von KONRAD

bestätigt, ist das ein Schlag ins Gesicht

der Menschen vor Ort, die für die Klagen

sehr viel Geld aufgebracht und dabei

nicht zuletzt dem SPD/Grünen-Finger-

zeig auf den Klageweg vertraut haben.

Umso heftiger waren im vergangenen

Jahr die Proteste, als das KONRAD-Urteil

vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt

wurde.

So viele Menschen wie nie zuvor betei-

ligten sich während des letzen Jahres an

Protesten gegen KONRAD. Bestärkt wird

der Widerstand durch die akute Entwick-

lung in der ASSE II. Wie eng die beiden

Standorte zusammen hängen, wird vie-

len Menschen erst jetzt deutlich, seit die

Auseinandersetzung um die havarierte

Altlast ASSE II Wellen schlägt. „Das eine

Fass kriegen sie nicht dicht“, schimpfte

ein Kollege, „und hier wollen sie gleich

daneben das nächste aufmachen“.

Atommüll fluten, damit er nicht absäuft

Seit 2001 hat der Betreiber die Pro-

bleme bei der ASSE II nach und nach

zugegeben. Vorsichtig begann sie mit

Veranstaltungen, auf denen das Ausmaß

der Probleme häppchenweise vorgestellt

wurde. Das dann vorgelegte Schlie-

ßungskonzept ist von entwaffnender

Schlichtheit: Der Atommüll soll geflutet

werden, damit er nicht absäuft. Das

leuchtet indes vielen Menschen nicht

ein. So entstand die Forderung nach

einem „Optionsvergleich“, der vor allem

auch die Alternative der Rückholung

der in ASSE II liegenden rund 125.000

Atommüll-Fässer prüft. Dazu sei keine

Zeit, meint der Betreiber heute alarmis-

tisch, obwohl der genug Zeit gehabt

hätte: Schließlich ist seit 1988 bekannt,

dass täglich 11,5 Kubikmeter Wasser

aus unbekannten Quellen in die Asse

eindringen. Inzwischen ist eine Klage

eingereicht, die ASSE II nach Atomrecht

zu schließen, d.h. mit einer verbindlichen

Beteiligung der Öffentlichkeit.

Anfang 2008 wurde auf Forderungen

aus der Kommunalpolitik ein sogenann-

tes „ASSE-II-Begleitgremium“ eingerich-

tet. Hier sollen die Interessen aus der

Region gebündelt und die erforderliche

öffentliche Information sichergestellt

werden. Drei unabhängige Wissen-

schaftler konnten für eine Arbeitsgruppe

Optionenvergleich benannt werden, de-

ren offizieller Auftrag ist aber zunächst

nur, die Plausibilität des Flutungskon-

zeptes zu überprüfen.

Doch während über die geplante Flutung

des Atommülls über Tage noch diskutiert

wird, wird sie unter Tage in der ASSE II

bereits durch massive Baumaßnahmen

vorbereitet. Genehmigt durch Betriebs-

pläne in denen steht, es müsse aber alles

rückbaubar sein.

Würde sich die im KONRAD-Verfahren

entwickelte Rechtsprechung durch-

setzen, würde die Benennung eines

Standortes zukünftig zugleich auch seine

Genehmigung bedeuten. Konzeptio-

nelle Abwägung der Genehmigungsbe-

hörde gibt es dann ebenso wenig, wie

Eingriffsmöglichkeiten von Betroffenen.

Eine schwere Hypothek für alle, die

einem neuen Standortsuchverfahren

das Wort reden. Ließe sich die Flutung

des Atommülls in ASSE II durchsetzen,

kann man zukünftig auf jede weitere

Sicherheitsdiskussion verzichten und

den Atommüll wahlweise im Steinhuder

Meer oder Bodensee versenken.

PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen,

die in der Sicherheitsdiskussion wieder

ernst genommen werden wollen, wer-

den nicht umhin kommen, das eklatante

Missverhältnis zwischen wissenschaft-

licher Prognose und Wirklichkeit bei

ASSE II zu klären. Zumal ja Anwohne-

rInnen und KritikerInnen mit ihren Pro-

gnosen durchaus richtig lagen. Lag es an

politischen Vorgaben, waren die Wissen-

Nr. 97/2.08

schaftlerInnen schlichtweg gekauft oder

war die Wissenschaft ein Zerrspiegel, der

die ExpertInnen daran gehindert hat, die

banale Wirklichkeit zu erkennen?

Für den Herbst lädt Sigmar Gabriel zum

Endlager-Hearing nach Berlin. Die Erwar-

tungen, dass es dabei Antworten auf

diese Fragen gibt, sind begrenzt. Im letz-

ten Jahr haben die vier bundesdeutschen

Endlagerstandorte ihre Kooperation ver-

stärkt. Sie wollen die real-existierenden

Erfahrungen ins Zentrum der Diskussion

rücken, statt nur über spekulative Pro-

gnosen zu reden. Die ASSE bringt’s eben

an den Tag.

Peter Dickel ist Vorstandsmitglied der

Arbeitsgemeinschaft Schacht KON-

RAD e.V. und beschäftigt sich seit

1978 mit ASSE II und

Schacht KONRAD

Mehr Infos: www.ag-schacht-konrad.de

und www.asse2.de

Protest von ROBIN WOOD im November 2007 am Förderturm vom Atommüllager ASSE II, in das täglich 12.000 Liter Wasser strömen

Foto: ROBIN WOOD

Page 20: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

Nr. 97/2.0820

Atomkonzerne machen mobil

Mit allen Tricks sucht die Atomwirtschaft eine Zukunft. Ziel: neue Verhältnisse nach der Bundestagswahl 2009.

Es waren Bilder wie aus einem

Hollywood-Streifen: Ausfallende

Ampeln verursachten Chaos auf

den Straßen, Züge blieben stehen,

Aufzüge stecken. Büros und Läden

schlossen, weil die Computeranlagen

ausfielen. Wie verletzlich unsere Zivili-

sation ist, haben die Bilder aus Miami

gezeigt, als in Florida Ende Februar ein

massiver Stromausfall das öffentliche

Leben lahm legte.

Eine gute Gelegenheit dachten sich

da die Strategen in der PR-Abteilung

Foto: argus/Dott

Die vielbeschworene „Stromlücke“ ist reine Propaganda der Atomstromlobby

von RWE und ließen den Konzernchef

Jürgen Großmann in der Bild-Zeitung

ähnlichen Szenarien ausmalen:

„Hier drohen im europäischen Netz

mehrtägige Stromausfälle schon in

diesem Jahr, die auch Deutschland

hart treffen können.“ Ins gleiche Horn

blies Großmanns Kollege Wulf Berno-

tat von E.ON in einem Interview mit

der Welt am Sonntag: „Ich bin kein

Freund von Pessimismus und Schwarz-

malerei, aber es könnte in bestimmten

Situationen eng werden, zum Beispiel

wenn im Sommer Windenergie fehlt

und Kraftwerke wegen Kühlungs-

problemen zurückgefahren werden

müssen.“ Auf die Nachfrage, wie das

denn verhindert werden könne, kam

dann die Antwort, auf die das alles

zielt. Bernotat: „Am einfachsten und

günstigsten durch eine Verlängerung

der Laufzeiten für Kernkraftwerke.“

Es ist nicht neu, dass sich die Atom-

lobby jedes Argumentes bedient,

um die Vorzüge ihrer Technologie zu

preisen, ob es passt oder nicht. Aber

derzeit treiben sie es besonders dicke.

Das zeigt der Fall Florida: Verschwie-

gen wurde nämlich in der ganzen

Debatte, wie der Blackout von Miami

ausgelöst wurde: Ein AKW musste

nach einer Störung in einem Um-

spannwerk heruntergefahren werden.

„Als das geschah, wurde das Strom-

netz in ganz Florida gestört“, so ein

Sprecher des Energieunternehmens

„Power & Light“, was zum Ausfall

von sechs weiteren Kraftwerken und

damit zum Blackout führte.

Page 21: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

21Nr. 97/2.08

Boykott des Ausstiegs: Um den Betriebszeitraum zu strecken, lassen die Stromkonzerne alte Reaktoren nur noch mit halber Leistung laufen

Auch hierzulande haben die Ereignisse

des letzten Sommers gezeigt, dass die

Atomenergie in Sachen Versorgungs-

sicherheit längst nicht mehr zu den

zuverlässigen Technologien zählt. Nach

den Bränden in Brunsbüttel und Krüm-

mel, den Dübel-Problemen in Biblis und

diversen anderen Störfällen waren zeit-

weise bis zu sieben Reaktoren vom Netz.

Trotzdem gingen nirgends die Lichter

oder die Klimaanlagen aus.

Erstaunlich: Selbst in dieser Situation hat

die Bundesrepublik weiter Strom expor-

tiert. Durch den Ausfall der Atomkraft-

werke verminderte sich die Strompro-

duktion nach Angaben des Bundesamtes

für Strahlenschutz zwar um insgesamt

27 Terrawattstunden. Trotzdem wurde

noch eine Strommenge von 14 Terra-

wattstunden ans Ausland geliefert. Das

zeigt, dass auch das Gerede von der

bald aufbrechenden „Stromlücke“ nichts

als Propaganda ist. Der Zuwachs an

erneuerbaren Energien entspricht derzeit

jährlich ungefähr der Kapazität eines

AKW.

Doch Blackout und Stromlücke sind nur

zwei Beispiele für den großen Strauß an

PR-Behauptungen, den die Atomlobby

derzeit mit aller Vehemenz über der

Republik verteilt: Vorneweg werden die

Reaktoren natürlich weiter als Klima-

retter gepriesen. Darüber hinaus sollen

sie angeblich für billigen Strom sorgen,

obwohl die Strompreise in diesem Land

schon lange nichts mehr mit den Erzeu-

gerkosten zu tun haben.

Und schließlich wird die weltweite

Renaissance der Atomkraft immer lauter

betont, dabei hat sich die Zahl der

tatsächlichen Baustellen auch fünf Jahre

nach Einführung dieses Argumentes

nicht wesentlich erhöht. Ankündigungen

sind die eine Seite, die solide finanzierte

Umsetzung etwas völlig anderes. Der

Energieexperte Lutz Mez von der FU

Berlin: „Die Internationale Atomenergie-

Behörde (IAEA) nennt für Europa derzeit

zwei Reaktorblöcke, die sich im Bau

befinden. Olkiluoto-3 in Finnland gilt als

das Vorzeigeprojekt, im August 2005

wurde mit dem Bau begonnen, 2009

sollte es ans Netz gehen. Bereits jetzt hat

es so viele Pannen gegeben, dass mit

einer Inbetriebnahme frühestens 2012

gerechnet wird. Seit Dezember 2007

wird offiziell ein weiterer Reaktor in

Flamanville gebaut. Auch dieser Reaktor

soll angeblich 2012 ans Netz gehen.“

Und auch die Medien in dieser Republik

haben sich auf eine bestimmte Deu-

tung der Wirklichkeit festgelegt und

berichten derzeit landauf und landab

von drohenden Stromlücken, AKW als

Klimaschutz und der Renaissance der

Atomkraft. Vor allem wirtschaftsnahe

Blätter sind kaum noch zu stoppen, aber

selbst die als eher atomkritisch geltende

Süddeutsche Zeitung betete unter der

Überschrift „Weg mit dem Atom-Tabu“

alle aktuellen Pseudo-Argumente her-

unter.

Atomkonsens auf der Abschussliste

Der lange vorbereitete und nun mit

großer Vehemenz geführte Angriff auf

die öffentliche Meinung in der Republik

hat also begonnen. Atomkraft soll im

nächsten Jahr Wahlkampfthema werden.

Denn in den Jahren 2009 und 2010 wird

über die Zukunft der Atomkraftwerke

neu entschieden werden. Und da ein

großer Reaktor pro Tag einen Rein-

gewinn von einer Million Euro erwirt-

schaftet, haben die vier Stromkonzerne

natürlich großes Interesse daran, dass es

nicht doch noch eines Tages zu den im

Jahr 2000 im so genannten Atomkon-

sens vereinbarten Stilllegungen kommt.

Die ganze Absurdität dieser Verabredung

zwischen Energiemultis und damaliger

rot-grüner Bundesregierung wird derzeit

sichtbar: Eigentlich hätten in dieser Le-

gislaturperiode vier Atomkraftwerke ab-

geschaltet werden sollen: Biblis A und B,

Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel. Die

vereinbarten Reststrommengen gingen

zur Neige und die Anträge der Betrei-

ber auf Laufzeitverlängerung wurden

vom Bundesumweltminister abgelehnt.

Trotzdem geht wohl vor der nächsten

Wahl im Herbst 2009 kein Reaktor vom

Netz. Und dies liegt kurioserweise daran,

dass die betroffenen AKW so störanfällig

sind.

Im Atomkonsens wurden keine zeitlichen

Fristen bis zum Abschalten der Meiler

festgelegt, sondern Strommengen, die

pro Kraftwerk noch produziert werden

dürfen. Und wenn ein Reaktor stillsteht,

dann produziert er keinen Strom und

sein Rest-Kontingent bleibt erhalten.

Biblis und Brunsbüttel sind auf diese

Weise schon über die Wahl gerettet. Und

das AKW Neckarwestheim 1 wird seit

Monaten nur noch mit halber Leistung

gefahren, um den Betriebszeitraum zu

strecken.

Wie dreist die Stromkonzerne diese Poli-

tik zur Verhinderung des Atomausstiegs

inzwischen betreiben, zeigt ein Zitat aus

der Berichterstattung der Frankfurter

Allgemeinen Zeitung über die angeblich

drohende „Stromlücke“. Da heißt es:

„Die Chefs von E.ON, RWE, Vattenfall

und ENBW sicherten derweil im Kanzler-

amt zu, man werde kein Kernkraftwerk

vor der Wahl im Herbst 2009 schließen.

Sie würden vielmehr so betrieben, dass

die jeweils zugestandene Reststrom-

menge einen Betrieb über den Wahlter-

min hinaus erlaube.“ Welch ein Segen!

Elf Jahre werden bei der nächsten Bun-

destagswahl vergangen sein, seit die rot-

grüne Regierung 1998 angetreten ist,

um den Atomausstieg zu organisieren.

Elf Jahre, in denen mit Obrigheim und

Stade nur die beiden kleinsten Reaktoren

abgeschaltet wurden. Die 17 Großanla-

gen strahlen weiter um die Wette. Seit

einem Jahrzehnt gibt es in diesem Land

angeblich eine Ausstiegs-Politik – auch

die Große Koalition hält ja offiziell daran

Page 22: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

fest – nur ausgestiegen wurde bisher

nicht. Für die AKW-Betreiber ist das eine

relativ komfortable Situation, haben

sie sich doch ihre Zustimmung zum

angeblichen Ausstieg mit einer Menge

Zugeständnissen seitens der damaligen

Bundesregierung abkaufen lassen.

Jetzt hoffen die Stromkonzerne dar-

auf, dass es nach der Wahl 2009 eine

Mehrheit für Union und FDP gibt und

die Laufzeiten für die immer älter

werdenden Reaktoren wieder völlig

frei gegeben werden. Doch selbst

wenn es zu dieser Wunschkonstellation

der Atomlobby nicht kommt, wird es

massiven Druck auf die kommende

Bundesregierung geben, den Betrieb der

AKW zu verlängern. Denn nach dem

Reststrommengen-Modell müssten in

der nächsten Legislaturperiode sieben

Reaktoren vom Netz gehen. Zu den

bereits genannten in Biblis (A + B), Neck-

arwestheim und Brunsbüttel kommen

dann noch Philippsburg 1, Ohu 1 und

Esensham hinzu.

Einmischen für den Ausstieg

Es ist also davon auszugehen und derzeit

schon deutlich spürbar, dass im kom-

menden Bundestagswahlkampf 2009

der große politische Kampf um die

Laufzeiten erst richtig losgehen wird. Bei

einer schwarz-gelben Mehrheit ist relativ

sicher mit dem Versuch zu rechnen, die

Laufzeiten aufzuweichen. Doch selbst in

diesem Fall wird das kein Automatismus,

Foto: argus/Schwarzbach

Nr. 97/2.0822

wenn die gesellschaftliche Gegenwehr

gut organisiert ist.

Und bei anderen Wahlausgängen?

Umweltminister Sigmar Gabriel spricht

ab und zu davon, dass es im Bundestag

keine Mehrheit für die Verlängerung

der Laufzeiten gibt und bildet damit

rhetorisch eine rot-rot-grüne Anti-Atom-

Koalition. Sowohl SPD als auch Grüne

und Linkspartei wollen im Augenblick

mindestens an den derzeit im Atom-

gesetz festgelegten Reststrommengen

festhalten. Ob dies für die SPD auch

noch nach der Wahl zutrifft, wird sich

erst noch zeigen müssen, vor allem,

wenn es zu einer Neuauflage der großen

Koalition oder zu einer Ampelkoalition

mit Grünen und FDP kommt. Die Atom-

lobby wird nichts unversucht lassen, die

SozialdemokratInnen von ihrer derzei-

tigen relativ klaren Anti-Atom-Haltung in

kleinen Schritten wegzuführen.

Eine entscheidende Rolle fällt dabei

der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG

BCE) mit ihrem Vorsitzenden Hubertus

Schmoldt zu. Die Pro-Atom-Gewerk-

schaft soll einerseits insgesamt im DGB

für eine atomfreundlichere Haltung

werben, aber auch ihren Einfluss auf

die sozialdemokratischen Funktionäre

nutzen, um die Interessen der Stromkon-

zerne zu vertreten. Schmoldt ist stellver-

tretender Aufsichtsratsvorsitzender von

E.ON. Damit ist er mindestens genauso

interessengeleitet wie der Ex-Wirtschafts-

minister und RWE-Aufsichtsrat Wolfgang

Clement, der sich wegen seiner Angriffe

auf das energiepolitische Konzept von

Andrea Ypsilanti kurz vor der Hessen-

wahl in seiner Partei unbeliebt gemacht

hat. Doch Schmoldt stellt es geschickter

an als Clement. Er wählt nicht den Weg

über die Öffentlichkeit, sondern macht

intensive Lobbyarbeit hinter verschlos-

senen Türen.

Die vier großen Stromkonzerne sind der-

zeit intensiv bemüht von ihrem Image-

Allzeittief wegzukommen. Investitionen

in erneuerbare Energien, der angekün-

digte Verkauf des E.ON-Stromnetzes,

Sozialstromtarife und der vorläufige Ver-

zicht auf weitere Preiserhöhungen sollen

den Ansehensverlust bremsen und damit

politische Handlungsspielräume zurück-

holen. Die neue Riege der Vorstandsvor-

sitzenden (Jürgen Großmann bei RWE,

Hans-Peter Villis bei EnBW und Tuomo

Hatakka bei Vattenfall) ist bemüht, die

beschädigten Drähte zur Politik wieder

instand zu setzen. Statt medienwirk-

samer aber wenig effektiver Energiegip-

fel, setzt man nun auf stille Diplomatie

unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Das Jahr 2008 dient der Atomlobby zur

Vorbereitung für den großen Kampf im

nächsten Jahr. Die Anti-AKW-Bewegung

sollte Ähnliches tun. Und zwar nicht nur

die in Initiativen organisierten Atom-

kraftgegnerInnen, sondern alle, die es

nach Krümmel-Brand, Kinderkrebsstudie

und tausenden von lockeren Dübeln

nicht mehr länger hören können, wie

ernsthaft über eine Zukunft mit Atom-

kraft diskutiert wird. Wer den Glauben

daran, dass es der Atomkonsens schon

richten wird, bisher noch nicht verloren

hatte, sollte das schleunigst tun und

die Sache wieder selbst in die Hand

nehmen. Die Debatte ist eröffnet. Jede/r

AtomkraftgegnerIn kann sich daran aktiv

beteiligen, in Diskussionen, Leserbrie-

fen, Stromwechselpartys, Aktionen und

Demonstrationen. Es ist an der Zeit!

Jochen Stay lebt im Wendland, ist aktiv bei X-tausendmal quer, www.ausgestrahlt.de und „Atomausstieg

selber machen“ und kommt gerne als Referent zu Veranstaltungen (Anfra-

gen an [email protected])

www.atomausstieg-selber-machen.de

Page 23: Robin Wood Magazin 2/2008

23

energie

Die Menschen in den Ländern des Südens werden viel stärker unter den Folgen der globalen Erder-wärmung zu leiden haben als der reiche Norden

Nr. 97/2.08

Klimaschutz - nur mit Gerechtigkeit

Während unser energie- und ressourcenintensive Lebensstil eine der Hauptursachen für den Klimawandel ist, sind vor allem die Menschen in den Ländern des Südens von seinen Folgen betroffen. Sie haben nichts zum Problem beigetragen und können den Klimawandel folglich auch nicht stoppen oder abmildern. Der Klimawandel wird damit zu einer Gerechtigkeitsfrage zwischen Nord und Süd und geht weit über eine Umweltproblematik hinaus.

Die globale Erderwärmung führt

schon jetzt nicht nur zu erhöh-

ten Durchschnittstemperaturen. Die

zusätzliche Energie in der Atmosphäre

entlädt sich in Stürmen, Starknieder-

schlägen oder Hurrikanen. Regen-

und Trockenzeiten verschieben sich,

und Dürren treten verstärkt auf.

Klimawandel verstärkt Armut

Eine der Folgen der Erderwärmung

ist die Verschiebung von Klima- und

damit Anbauzonen für Feldfrüchte.

Während bei einer geringen Zunahme

der globalen Mitteltemperatur um

2 bis 3°C die Getreideerträge in den

gemäßigten Breiten zunehmen, wer-

den sie in den meisten tropischen und

subtropischen Regionen sinken, da die

Pflanzen bereits in ihrem Temperatur-

optimum wachsen. Gerade die Armen

haben aber nicht die Möglichkeit,

schlechte Ernten mit Vorräten aus

dem Vorjahr oder durch finanzielle

Rücklagen zu überbrücken. Zudem

sind sie nicht gegen Ernteschäden

versichert. Genausowenig sind sie in

der Lage ihre Anbauweise oder ihre

Feldfrüchte schnell zu verändern.

Denn ihr Zugang zu Wissen über neue

Anbaumethoden sowie zu anderen

Nahrungspflanzen ist durch geringe

Mittel, Bildung und Medienverfüg-

barkeit sehr begrenzt. Als „Anpas-

sung“ an den Klimawandel bleibt

ohne Unterstützung nur die Kinder

von der Schule zu nehmen, weil das

Schulgeld fehlt oder ihre Arbeitskraft

auf den Feldern benötigt wird. Oder

die Menschen wandern einfach in die

wachsenden Elendsviertel der Städte

Page 24: Robin Wood Magazin 2/2008

energie

Nr. 97/2.0824

Bischof Desmond Tutu warnt vor einer Klima-Apartheid: „Wäh-rend sich die Rei-chen schützen...

Foto: argus/Ross

ab, die ihnen keine Chancen auf ein

würdiges Leben bieten.

An diesem Beispiel wird bereits deutlich,

dass die negativen Folgen des Klima-

wandels vor allem in Verbindung mit

Armut dramatisch wirken. Klimawandel

ist die Spitze des Eisberges der globalen

Ungerechtigkeit!

Trotz aller Klimaschutzpolitik – der

Klimawandel selbst wird sich nicht mehr

abwenden, sondern nur noch begrenzen

lassen. Neben der Herausforderung, eine

emissionsarme Wirtschaft zu gestalten,

müssen wir die Folgen des Klimawan-

dels bewältigen. Der globale Ausstoß

an Treibhausgasen muss innerhalb der

nächsten zehn Jahre rapide abnehmen.

Als Hauptverursacher des Klimawandels

haben die reichen Industrienationen

nicht nur die moralische Pflicht die

Entwicklungsländer zu unterstützen und

mit den betroffenen Menschen soweit

möglich Anpassungsmaßnahmen zu

entwickeln und umzusetzen. Vor allem

stehen wir gemäß Verursacherprinzip in

der Pflicht für Anpassungsmaßnahmen

und für nicht abzuwendende Schäden

aufzukommen. Die Berechnung der

Schäden durch den Klimawandel ist aber

schwierig. Welcher Sturm ist „natürlich“,

welcher durch den Klimawandel ausge-

löst oder verstärkt? Was haben einzelne

Regionen genau an Veränderungen zu

erwarten?

Finanzierung von Anpassungs-maßnahmen

Erste Schätzungen gehen davon aus,

dass zusätzlich zur jetzigen Entwick-

lungsfinanzierung bis zu 90 Milliarden

US $ pro Jahr nötig sein werden, um die

Folgen des Klimawandels zu verhin-

dern bzw. abzumildern. Die Anpassung

an den Klimawandel sollte eng an die

Entwicklungszusammenarbeit angeglie-

dert sein, um bestehendes Know-how

zu nutzen. Allerdings müssen neue und

zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt

werden, eine Umleitung von Entwick-

lungshilfe darf nicht die Lösung sein.

Zudem ist zu überlegen, inwiefern nicht

nur Staaten, sondern auch Konzerne

– z.B. die Energiekonzerne - in die Pflicht

genommen werden können.

Von diesem Prinzip geht auch der

Anpassungsfonds unter dem globalen

Klimaschutzabkommen aus, der seit De-

zember 2007 in Bali nach langjährigen

Verhandlungen endlich seine Arbeit

aufnehmen kann. Er wird gespeist aus

einer zweiprozentigen Abgabe auf Emis-

sionsrechte aus dem Clean Development

Mechanism (CDM). Dieser ermöglicht es

den Unternehmen oder Nationalstaaten

ihre Klimaschutz-Verpflichtungen auch

in Entwicklungs- und Schwellenländern

zu erfüllen. So zahlen auch Konzerne für

die Anpassung.

Bisher sind etwa 26 Millionen US $ im

Fonds, bis 2012 werden insgesamt 160

bis 950 Mio. US $ aus der Besteuerung

der Zertifikate erwartet. Allein Groß-

britannien gibt 26 Mio. wöchentlich

für den eigenen Küstenschutz aus. So

fürchtet Bischof Desmond Tutu, dass es

zu einer Klima-Apartheid kommen wird.

Während sich die Reichen schützen,

lernen die Armen schwimmen. Wird

der Fonds nicht schnellstens auch aus

anderen Quellen gespeist, würden die

Reichen der Welt die globale Unge-

rechtigkeit auf diesem Planeten weiter

verstärken und noch mehr Hunger und

Leid in der Welt säen.

Der Kampf um die Macht über die Finanzmittel …

Dem auf Bali 2007 etablierten Fonds

für Anpassungsmaßnahmen gingen

Foto: Spekking/Wikipedia

Page 25: Robin Wood Magazin 2/2008

25

energie

Nr. 97/2.08

..., lernen die Armen schwimmen.“

Überflutung im Tal des Tana Rivers in Kenia

rung, etwa der Bau von Deichen, kann

nicht wertschöpfend angelegt werden.

Andererseits wird auch der Anpassungs-

fonds allein nicht zu einer transparenten,

armutsorientierten und effizienten

Verteilung und Anwendung der Mittel

führen. Korruption sowie wachstums-

orientierte Entwicklungsprioritäten auf

Kosten der Armen sind aus anderen

Politikfeldern und Ländern bekannt. Des-

halb ist eine effektive Beteiligung durch

die Bevölkerung unabdingbar. Es muss

sichergestellt werden, dass die Bedürf-

nisse der am stärksten Betroffenen als

erstes befriedigt werden und dass ihre

Erfahrung und ihr Wissen voll berück-

sichtigt werden, um Fehlsteuerungen zu

vermeiden.

… gefährdet Fortschritte in der internationalen Klima-schutzpolitik

Trotz dieser Bedenken ist der bestehende

Anpassungsfonds unter dem Dach der

Klimarahmenkonvention längst über-

fällig und muss unbedingt ausgebaut

werden. Denn der Vorstoß der Weltbank

gefährdet den Fortschritt in der inter-

nationalen Klimaschutzpolitik! Die volle

Unterstützung der Industrieländer für die

Entwicklungsländer und deren volle Mit-

sprache bei der Verwendung der Mittel

ist nicht nur gerecht, sondern wird auch

Vertrauen schaffen! Ohne dieses werden

Schwellenländer nicht bereit sein selbst

emissionsarme Wirtschaftspfade zu

beschreiten. Abermals wäre ein Stillstand

bei den internationalen Verhandlungen

vorprogrammiert.

Die Optionen zur Anpassung an den

Klimawandel dürfen allerdings nicht

darüber hinwegtäuschen, dass Klima-

schutz nötiger denn je ist! Eine Abkehr

unseres auf Ausbeutung basierenden

Wirtschaftens ist unbedingt notwendig!

Energie- und Automobilkonzerne, die

diesen Wandel aus Profitstreben heraus

blockieren und sich lediglich mit mehr

oder weniger effektiven PR-Aktionen

für den Schutz des Planeten einsetzen,

handeln hochgradig unethisch.

Umwelt- und Entwicklungsorganisati-

onen, Kirchen und andere gesellschaft-

liche Akteure, müssen Klimaschutz und

Anpassung in den Blick nehmen und

auch die (finanzielle) Verantwortung

unserer Wirtschaft und Staaten für die in

den Ländern des Südens sich längst ab-

spielende Klimakatastrophe einfordern.

Klimaschutz ist nicht nur eine Frage

des technischen Umbaus, sondern vor

allem eine Frage sozialer Gerechtigkeit.

Nur dann kann globaler Klimaschutz

gelingen.

Anika Schroeder ist Diplom Umwelt-wissenschaftlerin und Referentin

für Klimawandel und Entwicklung bei MISEREOR, http://www.misereor.

de/themen/klimawandel.html

www.klima-und-gerechtigkeit.de

starke Machtkämpfe zwischen Indus-

trie- und Entwicklungsländern voraus.

Im Gegensatz zu anderen Fonds haben

die Entwicklungsländer im Aufsichtsgre-

mium die Mehrheit. Das ist ein großer

Erfolg der Entwicklungsländer. Denn der

„Finanzierungsmechanismus für den

globalen Umweltschutz“ der Weltbank

(Global Environmental Faciliy: GEF) hatte

sich massiv dafür eingesetzt, dass sie

den Fonds verwalten dürfe. Dies hätte

den Geberländern die Entscheidungs-

macht über die Verwendung der Mittel

gegeben und nicht denen, für die der

Fonds aufgelegt wurde und die von den

Auswirkungen der Klimakatastrophe

direkt betroffen sind.

Der GEF verwaltet bereits zwei andere

Fonds des internationalen Klimaschutz-

abkommens zur Unterstützung von

Entwicklungsländern bei der Anpassung

und klimafreundlichen Entwicklung.

Im Anpassungsfonds kommt ihm nun

lediglich die Rolle eines Sekretariats zu,

und selbst diese Funktion soll periodisch

geprüft werden. Für die Weltbank und

viele Geberstaaten war dies eine schwere

Niederlage.

Doch die Weltbank gibt nicht so schnell

auf. Unterstützt durch Japan, die USA

und Großbritannien bewirbt sie derzeit

eigene neue Klimafonds zur Anpassung

und zur Bekämpfung des Klimawandels

über Technologietransfer und Wald-

schutz. Die Kontrolle über diese Fonds-

Mittel hätten dann wieder diejenigen,

die das Geld zur Verfügung stellen und

die für die Katastrophe verantwortlich

sind. Die drei Staaten haben bereits

erhebliche finanzielle Zusagen gemacht

und fordern andere Länder auf sich zu

beteiligen.

Zwar beteuert die Weltbank, dass ihre

Fonds nicht in Konkurrenz zu den Fonds

unter dem Klimaschutzabkommen

stehen. Dies ist aber zu bezweifeln, weil

Finanzierer solche Fonds vorziehen, in

denen sie allein über die Verwendung

der Mittel entscheiden. Besonders

bedenklich ist, dass Japan die Mittel aus

Entwicklungstöpfen nehmen will. Groß-

britannien stellt das Geld nur für Kredite

zur Verfügung. Damit droht eine Neuver-

schuldung der Entwicklungsländer, denn

Maßnahmen zum Schutz der Bevölke-

Foto: argus/Aid/Griffiths

Page 26: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.08

merk-würdiges

Str

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Fernsehgeräte

Statistisch gibt es in jedem Haushalt mehr als einen Fernse-

her und jeder von ihnen verbraucht durchschnittlich 90 kWh

Strom im Jahr. Um aber weiter Geräte verkaufen zu können,

bemüht sich die Industrie neue Produkte anzubieten. Seit

einigen Jahren zeichnet sich ein Trend zu flachen Bildschirmen

ab. Daneben geht die Entwicklung zu neuen Technologien, zu

LCD- oder TFT-Fernsehern, zu Plasmabildschirmen oder auch

zu Video-Beamern.

Der Energieverbrauch dieser Techniken ist höchst unterschied-

lich. LCD und TFT Bildschirme gelten als zukunftsweisend in

Wasserbetten

Wasserbetten sind groß in Mode. Sehr bequemes Liegen,

als Voraussetzung für einen guten Schlaf und gesund-

heitliche Vorteile für einen strapazierten Rücken, sind die

Dinge, die der Kunde von seiner neuen Liegestatt erwartet.

Energetische Betrachtungen geraten dabei leider oft in den

Hintergrund.

Denn Wasserbetten haben einen entscheidenden Nachteil:

Damit man in diesen Betten nicht friert, müssen sie beheizt

werden und das nicht nur im Winter, sondern das ganze

Jahr über. Pro Bettstelle wird eine elektrische Heizung mit

ca. 300 W Leistung vorgehalten, um die ca. 600 Liter Was-

ser auf Temperatur zu bringen.

Dabei werden nicht nur die sehr umstrittenen elektromag-

netischen Felder im sensiblen Schlafbereich erzeugt, sondern

auch erhebliche Umweltbelastungen durch den hohen

Stromverbrauch. Pro Jahr benötigt ein solches Bett ca.

1000 kWh an elektrischer Energie. Zum Vergleich: Ein guter

Bildqualität und Energieeffizienz. Ihr Stromverbrauch liegt

bei gleicher Bildschirmgröße unterhalb der herkömmlichen

Röhrengeräte. Plasmafernseher und Video-Beamer dagegen

sind nicht nur sehr teuer, sie verbrauchen auch sehr viel Strom:

rund 4 bis 5 mal mehr als gleich große LCD Fernseher.

Neben der Technik spielt die Bildschirmgröße eine wichtige

Rolle beim Energieverbrauch. Je größer der Bildschirm, desto

höher wird die Stromrechnung. Dabei haben große Bildschirme

nicht per se auch eine bessere Bildqualität. Die Anzahl der vom

Sender übermittelten Bildpunkte ist immer gleich. Das kann

auf einem großen Bildschirm Unschärfen

zur Folge haben, die dann wieder mit

aufwändiger und oft energieintensiver

Technik korrigiert werden müssen.

Auch die 100-Hertz-Antiflimmertechnik

hält nicht immer, was sie verspricht,

verbraucht aber rund 30 Prozent mehr

Energie. Schauen sie sich vor dem Kauf

insbesondere schnell bewegte Bilder

kritisch an. Generell gilt: Schalten Sie

Ihren Fernseher immer vollständig aus,

wenn Sie ihn nicht benutzen, am besten

mit einem schaltbaren Netzstecker

oder einer schaltbaren Steckerleiste. So

vermeiden Sie viel unnötigen Stand-by

Verbrauch.

...und ein fernsehfreier Tag in der Woche

spart immerhin rund 12 kWh im Jahr.

Foto: Anne Bermüller/Pixelio

Kühlschrank verbraucht etwa 170 kWh, ein Herd 400 kWh

im Jahr. Damit verbraucht ein Wasserbett alleine etwa so viel

Strom wie ein sparsamer Zwei-Personen Haushalt.

Aus Umweltsicht kann ein Wasserbett daher nicht empfohlen

werden. Wenn Sie aber schon eines haben, sollten Sie die

folgenden Tipps beachten:

> Wählen Sie die niedrigste Wassertemperatur, die Ihnen

noch angenehm ist.

> Schalten Sie die Heizung tagsüber ab und erwärmen Sie

das Wasser erst gegen Abend. Hierbei kann eine Zeitschaltuhr

hilfreich sein.

> Denken Sie daran, die Heizung ganz abzustellen, wenn Sie

das Bett länger nicht benutzen, z.B. im Urlaub.

> Versuchen Sie das Bett zu dämmen. So können Sie den

Bettkasten unter der Matratze mit geeigneten Materialien

füllen. Decken Sie tagsüber die Matratze von oben möglichst

vollständig mit der Bettdecke ab. Zusätzlich sollten Sie eine

Tagesdecke verwenden.

Werner Brinker, Darmstadt

26

Page 27: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.08

internes

Bayreuth

Johannes Krug, 0921/5087165

[email protected]

Berlin

Donnerstag, 20 Uhr (14-tägig)

im „Verwaltungsgebäude“ des RAW-

Tempels, Revaler Str. 99, 10245 Berlin-

Friedrichshain

[email protected]

Braunschweig

Donnerstag, 20 Uhr

Ort bitte erfragen bei

Thomas Erbe: 0531/2505865

[email protected]

Bremen

Geschäftsstelle: 0421/598288

Dienstag, 19 Uhr, (14-tägig,

gerade Wochen)

[email protected]

Treffpunkte

Hier erfahren Sie, wann und wo die Aktiven von ROBIN

WOOD sich treffen. Schauen Sie doch mal bei uns vorbei!

Freiburg

Bei uns können sich alle Interessier-

ten aus Baden-Württemberg melden:

c/o Erik Mohr: 0761/4894617 oder

0172/7413995, [email protected]

Greifswald

Birger Buhl, Tel.: 03834/513138

[email protected]

Hamburg-Lüneburg

jeden 2. und 4. Mittwoch,

18.30 Uhr in der Pressestelle,

Nernstweg 32, 22765 Hamburg-Altona

Kathrin Scherer: 04131/206160

[email protected]

[email protected]

Kassel

jeden 1. Donnerstag im Monat, 17 bis

19 Uhr im Umwelthaus Kassel, Infos bei

Klaus Schotte: 0561/878384

[email protected]

Köln

Montag, 20.30 Uhr

Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3

[email protected]

Leipzig

Sebastian Vollnhals, c/o Infoladen Libelle,

Kolonnadenstr. 19, 04109 Leipzig

Tel.: 0341/2246650

[email protected]

Rhein-Main

Termine erfragen bei:

[email protected]

Rhein-Neckar

jeden 2. und 4. Dienstag um 19 Uhr

im ASV, Beilstraße 12, Mannheim

Juliane Boß: 06221/589251

[email protected]

München

jeden 2. und 4. Mittwoch, 20 Uhr

„Im Werkhaus“, Leonrodstr. 19

Tel.: 089/168117

[email protected]

27

Neues Projekt: ROBIN WOOD

gibt zusammen mit dem Verein

„Mieter helfen Mietern“ in Ham-

burg Tipps zum Stromwechsel.

Interessierte können sich jeden

2. und 4. Donnerstag im Mo-

nat von 17 bis 18 Uhr über den

Wechsel ihres Stromlieferanten

kostenlos und ausführlich beraten

lassen. MitarbeiterInnen von

ROBIN WOOD werden in der Ge-

schäftstelle des Mietervereins in

der Bartelsstraße 30 (Nähe U-/S-

Bahn Sternschanze) im Hambur-

ger Schanzenviertel alle Fragen

rund um den Anbieterwechsel

beantworten.

Bayreuther Umwelt-tag 2007: ROBIN WOOD wirbt auf Plakatwänden für den Wechsel zu Ökostrom-Anbietern

Page 28: Robin Wood Magazin 2/2008

tatorte

Nr. 97/2.0828

Karlsruhe, 25.02.08: 14 AktivistInnen von ROBIN WOOD besetzten die Zufahrt zu einem Kohlekraftwerk bei Karlsruhe. An

diesem Standort plant der Stromriese EnBW die Kapazität des schon vorhandenen Kohlekraftwerks zu verdoppeln und somit

weitere fünf Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich in die Luft zu blasen. Aus Protest dagegen richteten sich AktivistInnen auf zwei

sogenannten Dreibeinen sechs Meter über der Straße neun Stunden lang ein und entrollten ein Banner mit der Botschaft: „Keine

fossile Steinzeitenergie!“ ROBIN WOOD fordert, dass EnBW die rund eine Milliarde Euro, die für den Ausbau des Kraftwerks aus-

gegeben werden sollen, lieber in erneuerbare Energien investieren sollte. Stattdessen wurde am 28. Februar sogar der vorzeitige

Baubeginn des Klimakillers genehmigt. EnBW-KundInnen, die diese verantwortungslose Unternehmenspolitik nicht unterstützen

wollen, sind aufgerufen, zu einem Ökostromanbieter zu wechseln.

Hamburg-Moorburg, 12.03.08: Nicht nur das Klima,

auch Umwelt und Gesundheit werden durch die

geplanten 19 neuen Kohlekraftwerke schwer belastet:

Flüsse werden aufgeheizt, die Feinstaubbelastung wird

steigen. In Hamburg-Moorburg ist eins der größten

Steinkohle-Kraftwerke Deutschlands geplant. Bei

den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und der

grünen GAL war das ein wichtiger Verhandlungspunkt.

ROBIN WOOD-AktivistInnen forderten vom Energiekon-

zern Vattenfall sowie von der Politik, auf den Bau des

Klimakillers zu verzichten. Auf der schon bestehenden

Baustelle für das zukünftige Kraftwerk befestigten sie

an Strommasten ein großes Transparent mit der Auf-

schrift „Kohle macht krank!“ Um die Proteste gegen

Kohlekraft zu unterstützen, hat ROBIN WOOD ein

neues Faltblatt zum Thema erstellt, das mit regionalen

Einlegern versehen werden kann.

Kohle killt Klima

Karlsruhe

Page 29: Robin Wood Magazin 2/2008

29

tatorte

Nr. 97/2.08

Faules Ei Bahnprivatisierung –

Große Koaliton gegen große Mehrheit

Das Holdingmodell zur Bahnprivatisierung ist beschlossen. Am 21. April

stimmte der SPD-Parteirat für ein „Holdingmodell light“: 24,9 Prozent des

Bereichs Güter- und Personentransport sollen unter dem Dach der Deutschen

Bahn AG an die Börse gehen. Der Rest der Anteile an der DB AG, darunter

die gesamte Infrastruktur, bleibt im Eigentum des Bundes. „Light“ beschönigt

jedoch die Folgen der Entscheidung. Das Holdingmodell ist der Einstieg in den

Ausverkauf der Bahn. Eine wirksame Begrenzung auf 24,9 Prozent wird es auf

lange Sicht nicht geben. Es gibt kein ordentliches Gesetzgebungsverfahren,

sondern nur einen Vertrag zwischen DB AG und Bund. Die Befürworter der Pri-

vatisierung frohlocken, dass schon beim jetzigen Aktienpaket die Mechanismen

des Kapitalmarktes für die gesamte Unternehmenspolitik greifen werden.

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren – auf diese einfache Formel lässt

sich die Bahnpolitik der großen Koalition bringen. Die vermeintliche kurzfri-

stig vergrößerte Leistungsfähigkeit wird mit massiven, mittel- und langfristig

wirkenden Verschlechterungen erkauft. Diese werden den Steuerzahlenden,

den Beschäftigten und der Bahnkundschaft aufgebürdet. Insbesondere leidet

die Substanz der Bahn aufgrund der heruntergefahrenen Investitionen und

des Fahrens auf Verschleiß. Dazu kommen Immobilienverkäufe, vergrößerte

Rückstellungen und nicht bilanzierte öffentliche Zuschüsse in Milliardenhöhe,

zu denen sich der Bund auch gegenüber einem teilprivatisierten Unternehmen

verpflichtet.

Siebzig Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind gegen jede Privatisierung

und wollen eine Bahn in öffentlicher Hand. Das hat eine von unserem Bünd-

nis im März in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Emnid-Instituts

ergeben. Die große Koalition stellt sich mit ihrer Entscheidung zur Bahnprivati-

sierung gegen die große Mehrheit der Bevölkerung.

Zwei Jahre hat ROBIN WOOD im Bündnis „Bahn für Alle“ intensiv gegen die

Privatisierung gestritten. Wir haben nicht alles, aber sehr viel erreicht: Das

Schienennetz bleibt vollständig in öffentlicher Hand, das Transport-Aktienpa-

ket fällt in der ersten Tranche deutlich kleiner aus. Vor allem aber haben wir

erreicht, dass die negativen Folgen der Privatisierung in aller Munde sind und

Medien und Politik die Interessen möglicher Käufer höchst aufmerksam ver-

folgen. Die DB-Führung hat ihren Börsenprospekt schon druckfertig. Ob und

wann sie ihn herausgibt ist noch offen.

Berlin

Nürnberg

HamburgROBIN WOOD aktiv im Bündnis „Bahn für Alle“

Am 3. März spannten wir anlässlich des SPD-Parteirats ein Trans-

parent mit der Aufschrift „Hört die Signale – Stopp Börsenbahn“

vor dem Willy-Brandt-Haus. Davor tanzte das „Kellenballett“ der

Berliner Bahn-Aktiven. In zahlreichen Städten gab es kurz vor

Ostern Aktionen: In Nürnberg bekamen Reisende ein Stück vom

leckeren Bahnkuchen, in Hamburg fuhren riesige Ostereier als

Börsengeschenke durch den Hauptbahnhof, in Dresden postulier-

ten Hasen „Der Zug ist noch nicht abgefahren“, in Mainz startete

eine Rollköfferchen-Polonaise. Ende März veröffentlichten wir auf

einer buchstäblich überlaufenden Pressekonferenz unsere aktuelle

Umfrage und lieferten Hintergrundinformationen zur bevorste-

henden Bilanzpressekonferenz der DB AG und dem sozialdemo-

kratischen Entscheidungsprozess.

Fotos: ROBIN WOOD

Page 30: Robin Wood Magazin 2/2008

verkehr

Nr. 97/2.0830

Elbe in Gefahr

Mit der Deutschen Einheit atmete

die Elbe auf, die Verschmutzung

hatte ein Ende, zumindest in ihrer

schlimmsten Ausprägung. Die Fische

kamen wieder zurück und selbst

die Menschen wagen immer öfter

ein Bad in der Elbe, Elbe-Badefeste

etablieren sich seit 2002. Doch die

Freude darüber wird mehr und mehr

getrübt. Die Wasserstraßenplaner

legen an Elbe und Saale Hand an.

Große Europaschiffe sollen ganzjährig

fahren können. 1992 wurde die erste

„wissenschaftliche Prognose“ über

den künftigen Güterverkehr auf der

Elbe erstellt: Millionen Tonnen sollten

2015 transportiert werden, eine Ver-

dreifachung gegenüber 1992. Seither

wurde viel Geld investiert. Insgesamt

300 Millionen Euro in die Häfen

entlang von Elbe und Saale. Jährlich

kommen für für Unterhaltung und

Verwaltung der Bundeswasserstraßen

Elbe und Saale 40 Mio. Euro hinzu,

darin enthalten sind auch die Gelder

für die laufenen Baumaßnahmen. Jähr-

lich werden 100 000 Tonnen schwere

Schottersteine an den Ufern der Elbe

verkippt, sie wird eingeengt und ver-

tieft, angeblich um die Schiffbarkeit zu

verbessern. Durch die Eintiefung der

Elbe - seit ihrer „Regulierung“ vor über

100 Jahren hat sie sich zwischen Tor-

gau und Magdeburg um rund 2 Meter

eingegraben - wird den Auenwäldern

das Wasser abgegraben. Und jedes

Jahr fällt der Wasserstand in Fluss und

Aue weiter - eine fatale Entwicklung.

80 Mio. Euro für einen nutzlosen Saale-Elbe-Kanal?

Das Absurde: Je mehr Schotter - im

doppelten Sinne - in Elbe und Saale

versenkt wird, um so weniger Güter-

schiffe fahren auf den Flüssen. Derzeit

wird nur noch 1 Mio. Tonnen auf der

Elbe transportiert. Es handelt sich also

um ein umgekehrtes Verhältnis: Je

mehr Geld in die Wasserstraßen Elbe

und Saale gesteckt wurde, um so we-

niger wurde auf dem Wasser transpor-

tiert. Doch die Hoffnung der Wasser-

straßenplaner stirbt zuletzt. Jetzt soll

ein neuer Kanal für den ganzjährigen

Saale-Elbe-Verkehr mit Europaschiffen

(1350 Tonnen Ladung) gebaut werden,

der Saale-Elbe-Kanal. Kosten: 80 Mio.

Euro. Ausgangspunkt ist der Hafen

Halle. Erst in den 90er Jahren für 30

Mio.Euro ausgebaut und modernisiert,

Aktion von PRO ELBE: Die Elbe ist ein flacher Fluss, Herr Tiefensee!

Fotos: E. Paul Dörfler

Da auf der Saale kaum noch Güterschiffe fahren, soll ein Kanal bis an die Elbmündung gebaut werden. Doch auch auf der Elbe fahren nur we-nige Güterschiffe: Denn Saale und Elbe fehlen für einen rentablen Gütertransport die nötigen Wassermengen

Die größten zusammenhängenden Auenwälder Mitteleuropas, die letzten ihrer Art, wurzeln heute noch an den Ufern der Mittelelbe. Noch! Ein kleines Relikt unserer ehemaligen Urwälder blieb wie durch ein Wunder erhalten. Deshalb und weil die Elbe noch nicht zur technisch perfekten Wasserstraße ausgebaut war, hat die UNESCO diese Auenwälder schon 1979 als erstes Biosphärenreservat ganz Deutschlands anerkannt. Derweil wird an der Unterelbe die nächste Fluß-vertiefung geplant, damit die größten Schiffe der Welt jederzeit den Hambur-ger Hafen anlaufen können.

Page 31: Robin Wood Magazin 2/2008

verkehr

hat in den letzten zwei Jahren dort kein

Schiff mehr angelegt. Für diesen derzeit

einzigen Hafen an der Saale soll nun

der Saale-Elbe-Kanal gebaut werden.

Das Problem: Die Schiffe können auch

nach dem Kanalbau die meiste Zeit des

Jahres nicht fahren, denn die am Kanal

anschließende Elbe ist nicht tief genug.

So wird entweder ein „Geisterkanal“

entstehen, wie der „Spiegel“ treffend

getitelt hat, oder die Elbe muss weiter

vertieft werden. So wäre der Saalekanal

der Einstieg zur Kanalisierung der Elbe.

Den Auenwäldern wird dies mit Sicher-

heit nicht bekommen.

Dass der Güterschiffahrt in Zukunft das

Wasser noch knapper zu werden droht,

weil wir nach allen Erkenntnissen der

Klimaforscher mit höheren Tempera-

turen und anhaltenden Trockenzeiten

zu rechnen haben, stört die Kanalplaner

wenig. Die Bundesanstalt für Wasserbau

geht in den Planungsunterlagen für den

Saalekanal - das Raumordnungsverfah-

ren wurde im April 2008 eröffnet - von

einer „Trendfreiheit“ in Sachen Klima

und Wasser bis 2050 aus. Der Klima-

wandel schlägt also, ginge es nach den

Wasserstraßenbehörden, um Elbe und

Saale einen Bogen.

20 Verbände und Initiativen rufen

deshalb den Bundesfinanzminister Peer

Steinbrück in einer Petition auf, den

Kanalplanern das Geld zu entziehen. Wir

können es uns nicht leisten, für einen gi-

gantischen Kanal, den niemand braucht,

Steuermillionen und unsere Natur zu

opfern.

Bekunden Sie Bundesfinanzminister Peer

Steinbrück Ihren Widerstand gegen die

Saale-Elbe-Kanalpläne! Unterzeichen Sie

noch heute: http://www.elbe-saale-ka-

nal-nein.de

Ökonomisch und ökologisch nicht vertretbar: Geplante Elbvertiefung bei Hamburg

Vor gut sechs Jahren hat Hamburg

die weitere Vertiefung der Unter- und

Außenelbe beantragt. 2007 sollte die

Öffentlichkeit an den Planungen beteiligt

und bereits mit vorgezogenen Teilmaß-

nahmen begonnen werden. Doch der

Zeitplan ist ins Stocken geraten. Die of-

fizielle Begründung dazu: Das Vertrauen

in das Verfahren und in Deichsicherheits-

fragen solle erhöht und das Planfest-

stellungsverfahren vereinfacht werden.

Tatsächlich macht den Planern Probleme,

dass es für die Vertiefung der Unterelbe

auf etwa 60 Kilometern Länge um rund

50 Zentimeter keinen stichhaltigen Be-

darf gibt, wie aktuelle Zahlen belegen.

2007 haben 6501 Containerschiffe Ham-

burg angelaufen. Lediglich 4,55 Prozent

dieser Schiffe hatten tatsächlich einen

größeren Tiefgang als 12,80 Meter und

konnten die Unterelbe nur tideabhängig

befahren. Wenn die Elbe weiter ausge-

baggert wird, sollen Schiffe mit einem

Tiefgang von 14,50 Meter den Hambur-

ger Hafen jederzeit anfahren können.

Tatsächlich haben 2007 bereits 587

dieser Super-Post-Panmax-Schiffe mit

einer Transportkapazität zwischen 7000

und 10.000 TEU den Hamburger Hafen

ohne Probleme angelaufen.

Obwohl der Containerumschlag seit

der letzten Elbvertiefung 1999 von 3,7

auf rund zehn Millionen TEU (2007)

zugenommen hat, drohen die Planer,

dass ohne erneute Elbvertiefung ein

Umschlagsverlust von rund zwei Milli-

onen TEU und damit die Vernichtung

von Arbeitsplätzen zu erwarten sei. Für

Herbert Nix vom Hamburger „Förderkreis

Rettet die Elbe e.V.“ sind die Kalkulati-

onen der Planer nicht aufgegangen und

Nr. 97/2.08

die aktuellen Zahlen über Tiefgänge

und Umschlagsmengen belegten, dass

es keinen echten Bedarf für ein erneutes

Ausbaggern der Elbe gibt. „Die ge-

plante Elbvertiefung entbehrt jeglicher

ökonomischer Grundlage und muss aus

ökologischen Gründen unterbleiben,“

fordert er. Denn Elbvertiefung und das

Vernichten von Flachwassergebieten sind

verantwortlich dafür, dass der Sauer-

stoff im Wasser knapp wird. Herbert

Nix verwundert es deshalb nicht, dass

trotz relativ verbesserter Wasserqualität

immer häufiger Sauerstofflöcher in der

Unterelbe auftreten und Fischsterben

gemeldet werden.

Auch größte Containerschiffe können den Hamburger Hafen schon heute erreichen

31

Mit dem ROBIN WOOD-Floß gegen den Ausbau der Elbe

Foto: argus/Frischmuth

Ernst Paul Dörfler engagiert sich

seit vielen Jahren für den Schutz

der Elbe, www.elbeinsel.de

Infos zur Elbvertiefung aus

„Waterkant“, Heft 1/2008

www.waterkant.info

Page 32: Robin Wood Magazin 2/2008

32

wald

Briefe für Karibus und Regenwald

Berlin, 31. Januar 2008: Nur sehr zöger-

lich ließ sich die diplomatische Vertreterin

der kanadischen Botschaft bewegen, das

Berliner Botschaftsgebäude zu verlassen

und zu der kleinen ROBIN WOOD-Insze-

nierung vor der Eingangstür zu kommen.

Doch schließlich stand sie da, recht

stumm, doch mit aufgesetzt freundlicher

Miene, zwischen lebensgroßen Plüsch-Ka-

ribus, ROBIN WOOD-Transparenten und

Pressefotografen. Stumm und freundlich

nahm sie auch die mit rund viereinhalb-

tausend Unterschriften versehenen Pro-

testbriefe entgegen. Und ziemlich wort-

karg versprach sie dann, alle diese Briefe

sofort an den Premier der kanadischen

Provinz British Columbia weiterzuleiten.

Noch hat Provinzchef Gordon Campbell

nicht auf die Forderung nach einem

umfassenden Schutz der Regenwäldern

im bergigen Osten seiner Provinz geant-

Foto: Valhalla Wilderness Society

Nr. 97/2.08

wortet. Campbell hatte im Oktober

letzten Jahres einen Schutzplan für die

nur in dieser Region lebenden Bergkari-

bus angekündigt. Doch dieser Plan war

mehr als halbherzig. Denn: Zum unver-

zichtbaren Lebensraum dieser akut vom

Aussterben bedrohten Tiere gehören auch

die Regenwäldern in den Tälern mit ihren

eindrucksvollen, bis zu 80 Meter hohen

Baumgiganten. Doch diese Wälder tau-

chen im Schutzplan der Regierung kaum

auf. Die Forstindustrie kann dort weiter-

holzen wie bisher.

Dass der Premier bislang nicht geantwor-

tet hat, kann sogar ein gutes Zeichen

sein. Denn normalerweise reagiert er re-

lativ prompt mit einem freundlichen, aber

recht nichts sagenden Schreiben. Mög-

licherweise rumort es bereits innerhalb

der Regierung. Die Valhalla Wilderness

Society, unsere Partnerorganisation vor

Ort, hat jeden-

falls bei ihren

Gesprächen und

Diskussionen

den Eindruck

gewonnen, dass

der internatio-

nale Protest durchaus von der Provinz-

regierung registriert worden ist. Es gäbe

sogar Anzeichen, dass über einzelne

Punkte des völlig unzureichenden

Karibu-Schutzplans die Diskussion noch

einmal neu eröffnet werden könnte.

Denn auch aus dem Umweltministerium

kommen mittlerweile kritische Stim-

men, die darauf hinweisen, dass selbst

die wenigen zum Schutz vorgesehenen

Regenwaldgebiete überwiegend Wald-

flächen seien, die in den letzten Jahr-

zehnten abgeholzt wurden. Bergkaribus

brauchen aber für ihr Überleben alte,

über 140-jährige Wälder.

Vielleicht ist es aber auch nur pures

Wunschdenken, dass die zunehmende

Kritik bereits Wirkung bei der Provinz-

regierung zeigt. Wir haben daher ein

weiteres Paket an Gordon Campbell

geschnürt - mit den rund neunhundert

Protest-Unterschriften, die noch nach

unserer Aktion bei uns eingegangen

sind. Und wir haben eine Brief beigelegt,

der eine baldige Antwort des Premiers

anmahnt.

Rudolf Fenner, Hamburg

Fotos: Stephan Röhl

Page 33: Robin Wood Magazin 2/2008

wald

Nr. 97/2.08 33

„Der Waldzustand in Deutschland hat

sich 2007 gegenüber dem Vorjahr

weiter verbessert“, ließ Forstminister

Seehofer per Presseerklärung verlauten.

Da hat er wohl seine Scheuklappen

noch etwas enger als sonst angelegt.

Denn diese Aussage beruht allein

auf den Zahlen für stark geschädigte

Bäume. Die haben sich nach den

Dürreschäden des überaus trockenen

Sommers 2003 tatsächlich etwas erholt.

Doch die Gesamtschäden in den Kronen

der Waldbäume liegen – nach Seeho-

fers eigener Statistik – im Jahr 2007

sogar höher als im Jahr zuvor: Nur 30

Prozent der Waldbäume erscheinen

äußerlich noch gesund. Die Fieberkurve

des siechen Waldes zeigt unverändert

nach oben. Besonders schlecht geht es

dabei den Laubbäumen: Nur 15 Prozent

der Buchen und 14 Prozent der Eichen

haben noch keine Schadsymptome. Ein

dramatischer Trend! Hochgerechnet aus

den Daten der letzten zweiundzwan-

zig Jahre würden schon in etwa zehn

Jahren keine gesunden Buchen und

Eichen in Deutschlands Wäldern mehr

zu finden sein.

Dass Seehofer beim Thema Waldster-

ben nicht so genau hinschauen will,

hat Methode in seinem Ministerium.

Schließlich ist es auch zuständig für eine

der Hauptursachen des Waldsterbens:

die hohen Stickstoff-Emissionen aus der

landwirtschaftlichen Tierproduktion.

So wurden die aktuellen Daten zum

Waldsterben diesmal statt im Rahmen

einer Pressekonferenz lediglich mit einer

Presseerklärung ins Internet gestellt.

Prompt ging die Meldung fast unter

im allgemeinen Nachrichtengerausche.

Überhaupt wird das Ministerium künf-

tig nur noch einmal innerhalb einer

Legislaturperiode über den Zustand des

Waldes ausführlich berichten. Dies hat

das Ministerium Ende vergangenen Jah-

res mit einer Gesetzesänderung unter

dem Schlagwort „Bürokratieabbau“

im Kabinett durchgesetzt. Allerdings

wird dieser Waldbericht nun doch

gesondert publiziert. Denn ursprünglich

war sogar geplant, ihn im allgemeinen

Landwirtschaftsbericht zwischen den

Ausführungen zur Lage in der Land-

und Fischereiwirtschaft untergehen zu

lassen.

Immerhin: Durchgesetzt, und zwar

sowohl beim Bundesministerium als

auch bei den Landesforstministerien,

hat sich die Einsicht, dass es doch

wohl unverzichtbar ist, die Schäden in

den Wäldern auch künftig jedes Jahr

bundesweit zu erfassen. Dies war die

Hauptforderung von ROBIN WOOD, die

auch mit einer E-Mail- und Postkarten-

Protestaktion an Seehofer im vergan-

genen Jahr unterstrichen wurde. Denn

wenn keiner mehr den Fieberverlauf des

kranken Waldes dokumentiert, dann

verliert jeder Bericht über den Zustand

des Waldes seine Aussagekraft – egal

ob er nun jährlich oder nur alle vier

Jahre geschrieben wird.

Rudolf Fenner, Hamburg

Vom Schweigen

im Walde

Wunderbaum – Schadstufe vier*

Wer kennt ihn nicht, den „Wunderbaum“, diese zwölf

Zentimeter kleine Papp-Edeltanne, die seit knapp fünf-

zig Jahren muffende Raumluft mit Vanille-, Apfel- oder

gar Kokosnuss-Aroma zu optimieren versucht? Vor

allem Auto- und BeifahrerInnen dürften ihn kennen,

denn am Rückspiegel vor der Windschutzscheibe, bau-

melt dieser notorische „Lufterfrischer“ am allerliebsten.

ROBIN WOOD bietet jetzt eine zeitgerechte, wenn

auch geruchsfreie Version dieses Wunderbaums an, die

auch den aktuellen Zustand unseres nach frischer Luft

schnappenden deutschen Waldes berücksichtigt. Das

ideale Geschenk für unverbesserliche Auto-Maniacs in

Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.

Das Angebot ist limitiert. Rund 200 Exemplare – von

einer Münchener Agentur für ROBIN WOOD kreiert

– sind für eine Spende von mindestens 3,00 Euro pro

Stück in der ROBIN WOOD-Geschäftsstelle zu bekom-

men. Bitte keine Zahlungen im Voraus. Ein Spenden-

vordruck wird der Sendung beigelegt.

[email protected] oder Telefon.: 0421/598288

* Bei der Erfassung der

Waldschäden fallen abge-

storbenen Bäume unter die

Kategorie Schadstufe vier

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Page 34: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.0834

Derzeit findet Holz in Deutschland fast ausschließlich Verwendung in der Innenaus-stattung. In skandinavischen Ländern ist das anders. In Finnland etwa waren und sind Holzhäuser in aufwendiger Blockhausarchitektur traditionell ein Privileg vermögender Familien und der Kirchen. Und so findet man dort noch heute oft über 200 Jahre alte Häuser, Speicher und Kirchen in Holzbauweise. Dass die nachwachsende Natur-Ressource Holz auch in Deutschland eine Zukunft als Konstruktionsbaustoff haben könnte, zeigt ein siebengeschossiges Mehrfamilienhaus in Berlin. Nur acht Wochen nach Baubeginn feierten die Bauherren – die Baugruppe e3 – am 16. November 2007 Richtfest.

„Raus aus dem verstaubten Winkel“

Einer der Bauherren ist Carsten

Probst. Nachdem die erste Pro-

jektgruppe „kollabiert“ war, stieß der

Schriftsteller und Architekturkritiker

zu der zweiten Gruppe, die sich aus

einigen der Ideengeber und neuen

Interessenten zusammengefunden

hatte: „Für mich und meine Frau

gab es mehrere Gründe, warum wir

dieses Projekt so ansprechend fanden.

Zunächst einmal war es günstiger

– allerdings auch risikoreicher –, das

Haus nicht als fertiges Projekt von

einem etablierten Bauunternehmer

übernehmen zu müssen. Und dann

bietet das Haus durch seine einzel-

nen Konstruktionselemente ein hohes

Maß an gestalterischer Freiheit. Es gibt

praktisch sieben Etagen, die alle einen

anderen Grundriss haben. Eine Partei

zieht mit Kindern ein, ich selbst brauche

viel Platz zum Arbeiten. Es war spannend

zu sehen, wie die örtlichen Möglich-

keiten, die Vorgaben der Behörden und

die Wünsche der Bauherren aufeinander

abgestimmt wurden.“

Die Idee zu diesem ungewöhnlichen

Projekt hatten im Juli 2005 eine Handvoll

desillusionierter Wohnungssucher, die

eben nicht nur familienfreundlichen,

sondern auch bezahlbaren Wohnraum

Fotos: Kaden-Klingbeil/B. Borchardt/Berlin

Ein Haus mit sieben Stock-werken aus Holz wurde im Zentrum von Berlin gebaut

Page 35: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.08

grü

ne b

eru

fe

suchten. Kein einfaches Unterfangen im

Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die

Vision der Bauherren machte auch die

Suche nach einem Architekten mit ent-

sprechendem Know how nicht einfach:

„Wir wollen ein Haus in Holz. Voll öko

und alles. Aber nicht schratig, sondern

modern. Und mitten in der Stadt,“ so

die Bauherren auf Ihrer Website.

Als Partner wählten die Bauherren die

Architekten „Kaden und Klingbeil“ in

Berlin. Tom Kaden und Tom Klingbeil be-

nutzen bereits seit 12 Jahren Holz auch

im Konstruktionsbereich. Tom Kaden:

„Es spricht in der Konstruktion eigentlich

alles für den Werkstoff Holz. Zum einen

handelt es sich um einen natürlichen,

nachwachsenden Rohstoff, der zudem

den Vorteil hat, dass er enorme Mengen

CO² bindet. Zum anderen erfüllt Holz

Multifunktionen. Holz ist in einer Ebene

Konstruktions- und Dämmstoff zugleich.

Für Holz spricht außerdem die extrem

kurze Bauphase. Wir haben den Rohbau

des siebenstöckigen Holzhauses in nur

acht Wochen Bauzeit errichtet. Möglich

wird diese kurze Bauphase dadurch, dass

Holzteile sich extrem gut vorfertigen

lassen.“

Schade findet es Carsten Probst, dass

der maßgebliche Werkstoff Holz in der

Außenfassade des Hauses kaum sichtbar

wird. „Das Haus wurde aus brandschutz-

technischen Sicherheitsvorhaben stark

verkapselt. Das wäre eigentlich nicht

nötig gewesen. Wenn es sich bei dem

Bauplatz nicht um ein Haus in einer be-

bauten Straße gehandelt hätte, sondern

um eine grüne Wiese, dann wäre die

Holzoptik sicherlich besser zur Geltung

gekommen.“ Die Vorbehalte der zukünf-

tigen Nachbarn in Sachen Holzhaus und

Brandschutz „Gefährdet ihr uns gleich

mit?“ wurden mittlerweile ausgeräumt.

Das Haus ist nach Auskunft der Bau-

herren besser vor Bränden geschützt ist

als seine steinernen Nachbarn.

Von den Vorteilen, die der Werkstoff

Holz im Außenbereich bietet, zeigte sich

auf der Richtfeier Dirk Alfter, Vorstands-

vorsitzender des Holzabsatzfonds,

überzeugt: „Die Planer und Bauherren

dieses ersten Siebengeschossers in Holz-

bauweise beweisen eindrucksvoll, dass

die Vision vom ,Nachhaltigen Bauen’

Wirklichkeit werden kann. Für Deutsch-

land und Europa ein echtes Leuchtturm-

projekt! Für künftige Bauherren und

Planer Vorbild und Beleg zugleich: Beim

Bauen in der Stadt kann der nachwach-

sende, innovative Baustoff Holz einen

bedeutenden Beitrag zum Klima- und

Umweltschutz und zur Steigerung der

Lebensqualität der Menschen leisten.“

Dieser Meinung schloss sich Bundestags-

Vizepräsident Wolfgang Thierse in sei-

nem Grußwort an: „Ich freue mich, dass

in meiner unmittelbaren Nachbarschaft

ein solch einmaliges Projekt verwirkli-

cht wird. Wie hier in der Esmarchstr. 3

entdecken mehr und mehr Menschen,

dass Bauen und Leben in Gemeinschaft

nicht nur Kosten spart, sondern auch die

soziale Bindung, das gesellschaftliche

Miteinander und somit den persönlichen

Lebensalltag eines jeden Projektbeteilig-

ten bereichern kann.“

Das von „seinem“ Holzhaus eine Si-

gnalwirkung ausgeht, dass hat Carsten

Probst schon während der Bauzeit erlebt:

„In diesem alten Berliner Bezirk haben

nach der Wende nicht alle, aber einige

potente Bauherren größere Bausünden

begangen. Da haben wir städtepla-

nerisch sicherlich einen neuen Akzent

gesetzt. Und das Medienecho während

der Bauzeit war so groß, dass es schon

Beschwerden über die ständigen Stö-

rungen von den Bauleuten gab.“

Bis sich der Werkstoff Holz im Außen-

bereich aber wirklich durchsetzt, wird

es allerdings noch einige Zeit brauchen.

Architekt Tom Kaden: „Selbst Fachleute

konservieren noch einige Vorurteile in

Sachen Holzkonstruktion. Die Stabili-

tät von Holzhäusern ist zum Beispiel

wesentlich höher, als viele glauben.

Die Berliner Feuerwehr ist von unserem

brandschutztechnischen Konzept absolut

überzeugt.“ Er glaubt an eine große

Zukunft für den Konstruktionsstoff Holz

– auch in Deutschland: „Holz muss den

verstaubten Winkel des suburbanen

Raums verlassen und zurückkehren in die

Innenstädte.“

Annette Lübbers ist freie Journa-

listin und wäre am liebsten mit ins

siebenstöckige Holzhaus eingezogen

Kontakt: [email protected]

perspektiven

Als Architekten für ihr Holz-haus wählten die Bauherren um Carl Probst (ganz rechts) Tom Kaden und Tom Klingbeil (4. u. 5. v.l.), die seit 12 Jahren mit Holz bauen

Carsten Probst bedauert nur, dass aus Brandschutzgründen das Holz in der Fassade stark verkapselt werden muss

Foto: F. P. Jäger

35

Page 36: Robin Wood Magazin 2/2008

Nr. 97/2.0836

tropenwald

Zellstoff aus Brasilien...Vor 40 Jahren vertrieb der brasilianische Zellstoff-Konzern Aracruz-Celulose die In-digenen von ihrem Land und legte dort Eukalyptusplantagen an. Bis heute kämpfen Quilombolas, Nachfahren afrikanischer Sklaven in Brasilien, und indigene Gemein-schaften, wie die Tupinikim- und Guarani-Indianer, um ihr Land. Seit 2005 unterstützt ROBIN WOOD sie dabei. In den Auseinandersetzungen geht es nicht nur um Land-rechtskonflikte und Menschenrechte, sondern auch um Regenwaldzerstörung und die ökologischen Folgen von Eukalyptusmonokulturen.

Hauptabnehmer des Zellstoffs ist der riesige US-Konzern Procter

und Gamble (P&G), der auch in Eu-ropa und Deutschland seine Produkte herstellt und vertreibt. Mit zahlreichen Aktionen, Besetzungen, Gesprächen und Briefwechseln forderte ROBIN WOOD vom Konsumgüterriesen P&G für die Herstellung von Tempo-Taschentücher und Hygienepapier keinen Zellstoff mehr von Aracruz-Celulose zu beziehen. Im März 2007 verkaufte P&G sein Hygienepapierge-schäft an den schwedischen Konzern Svenska Cellulosa Aktiebolaget (SCA).

An der Rohstoffsituation hat sich bis-her nicht sehr viel geändert. Doch was ist seit dem in Brasilien passiert?

... ein ewig währender Kampfstoff?

Bis 2003 besaßen die Quilombolas noch nie Landrechte. Erst dann wurde der Quilombola-Kommune Linharinho im Norden des Bundesstaats Espirito Santo zum ersten Mal über 9000 Hektar Land zugesprochen. Dort hat-ten sie gelebt, bis der Konzern Arac-ruz ihre Dörfer zerstörte und auf über 80 Prozent dieser Fläche Eukalyptus-monokulturen anpflanzte. Bis heute weigert sich Aracruz den Quilombolas ihr Land zurückzugeben. Deshalb be-setzten sie im Juli 2007 das Land und fordern die Herausgabe von Aracruz. Die Quilombolas in Linharinho wollen sobald wie möglich mit dem Wieder-aufbau ihrer Dörfer beginnen.

Zur gleichen Zeit besetzten auch die Tupinikim und Guarani-Indianer ihr Land. Ihre Dörfer Olho d´Água und Córrego d´Ouro hatten sie schon einmal wiederaufgebaut. Direkt an-schließend, im Januar 2006, wurden die beiden Ortschaften jedoch von der Polizei und Mitarbeitern von Aracruz bei einem blutigen Übergriff gegen die Indigenen völlig zerstört. Jetzt forderten die Indigenen vom brasili-

anischen Justizminister endlich eine klare Aussage und eine eindeutige Entscheidung zu den Landrechts-fragen, mit denen er sich bisher zurückgehalten hatte. Ende August 2007 unterschrieb der brasilianische Justizminister Tarso Genro endlich die beiden Dekrete 1463 und 1464 und erklärte damit die insgesamt 18.070 Hektar zu indigenem Land, das an die Tupinikim- und Guarani-Indiander zu-rückgegeben werden muss. Vor dieser Entscheidung waren nur 7.061 Hektar demarkiert, 11.000 Hektar befanden sich im „Besitz“ von Aracruz.

Die Unterschrift des Justizministers war der wichtigste Schritt in der

Noch im Januar 2006 wurden im Auftrag von Aracruz zwei Ortschaften der Indigenen völ-lig zerstört und die Einwohne-rInnen gewaltsam vertrieben

ROBIN WOOD engagiert sich dafür, dass bei der Herstel-lung von Hygienepapier auf den Einsatz von Zellstoff verzichtet wird, für den Menschen von ihrem Land vertrieben wurden

Page 37: Robin Wood Magazin 2/2008

tropenwald

Demarkation des Landes und mit der Anerkennung von Präsident Lula wurde die Entscheidung bestätigt und abge-schlossen. Jetzt können die Grenzlinien gesetzt werden.

Die Tupinikim- und Guarani-Indianer haben auf dem zurückgewonnenen Land sofort mit dem Wiederaufbau ihrer alten Dörfer begonnen. Im Dezember 2007 wohnten bereits vier Familien der Guarani in dem neu aufgebauten Dorf Olho d´Água. Der Wiederaufbau des Dorfes Córrego d´Ouro wird das nächste Projekt sein.

Die Indigenen haben zudem eine Baumschule mit heimischen Baumarten angelegt, um ihr Land wieder aufzufors-ten. Die ersten Schritte sind getan, aber es liegt noch sehr viel Arbeit vor ihnen. ROBIN WOOD unterstützt die Indigenen sowohl beim Wiederaufbau ihrer Dörfer als auch bei einem Aufforstungsprojekt.

Die Tupinikim und Guarani-Indianer haben durch ihren Kampf ein wichtiges Zeichen im Landrechtsstreit gegen Aracruz-Celulose gesetzt. Und sie haben zugesichert, weitere Gemeinschaften wie z.B. die Quilombolas in ihrem Kampf zu unterstützen. Sie werden also weiterkämpfen für die Demarkation von Land, eine gerechte Landreform und die Verteidigung von kleinbäuerlicher Land-wirtschaft gegen zerstörerische Eukalyp-tusmonokulturen.

Die Rückgabe des Landes an die Indi-genen ist ein Ergebnis ihres Zusammen-halts und ihrer Entschlossenheit für ihr Land zu kämpfen, von dem sie gewalt-sam vertrieben wurden. Ihr Mut, um die Zukunft ihrer Kinder zu kämpfen, und nicht zuletzt auch die starke Unterstüt-zung von Organisationen sowohl in als auch außerhalb von Brasilien haben diesen Erfolg möglich gemacht.

Bisher hat SCA seinen Rohstoffliefe-ranten nicht gewechselt und bezieht für Tempo-Taschentücher, Bounty-Küchen-rolle und andere Produkte weiterhin Zellstoff aus Eukalyptusplantagen von Aracruz. ROBIN WOOD fordert von SCA seine eigenen ökologischen und sozialen Kriterien bei der Rohstoffbeschaffung

anzuwenden. Der Konzern muss seinen Zellstofflieferanten wechseln und die Re-cyclingproduktion (zur Zeit nur „Danke“- Toilettenpapier) wieder ausbauen.

Jule Naundorf (jule_naundorf@web.

de) und Steph Grella (treeactivist@

gmx.de) sind in der Tropenwald-

gruppe von ROBIN WOOD aktiv.

Nach langen Auseinander-setzungen haben die Indigenen ihr Land endlich vom brasi-lianischen Justizminister zugesprochen bekommen

Nr. 97/2.08 37

Die Guarani- und Tupinikim-Indianer haben sofort mit dem Aufbau ihrer zerstör-tem Dörfer begonnen. Die BewohnerInnen sind gerade dabei dort eine Baumschule anzulegen

Foto: FASE

Page 38: Robin Wood Magazin 2/2008

strömungen

Nr. 97/2.0838

Gerechtigkeit

durch Umweltschutz Erhöhtes Krebsrisiko in der Nähe von AKWs, Feinstaubbelastung an Hauptverkehrsstraßen, Lärm- und Kerosinbelastung durch Flughäfen – dass Umweltbelastungen räumlich nicht gleich verteilt sind, ist ziemlich offensichtlich. Mit zunehmender sozialer Polarisierung in Deutschland wird deutlich, was in den USA schon lange bekannt ist und in der Environ-mental Justice-Bewegung mündete: Sozial Schwache sind von Umweltbelastungen häufig stärker betroffen als Andere. Die Forschung zur sozialen Verteilung der Belastungen steht in Deutschland allerdings erst am Anfang und kann nur einzelne Belege liefern.

Dass auch innerhalb einer Wohl-

standsgesellschaft die Menschen

je nach Bildungsgrad und sozialem

Status unterschiedlich von Umwelt-

schäden betroffen sind und unter-

schiedliche Möglichkeiten haben,

mit diesen Belastungen umzugehen,

macht ein Blick in die USA deutlich.

Dort sind viele Bevölkerungsgruppen

in mehrerer Hinsicht benachteiligt. Die

nicht-weiße Bevölkerung ist häufig

weniger gut gebildet und deutlich

stärker von Armut betroffen.

In den 1980er Jahren wurde immer

deutlicher, dass sie auch verstärkt Um-

weltbelastungen ausgesetzt sind. Bei-

spielsweise sind Industrieanlagen, die

belastende Emissionen oder Abwässer

produzieren, häufiger in Wohngebie-

ten der sozial benachteiligten Gruppen

zu finden als in den Wohlstands-

vierteln. Die Bürgerrechtsbewegung

prangerte diese ungleichen Lebens-

verhältnisse an – es entwickelte sich

die Environmental Justice Bewegung.

1994 wies US-Präsident Clinton die

Bundesbehörden und Ministerien an,

Umweltgerechtigkeit in ihrem Zustän-

digkeitsbereich zu kontrollieren und zu

fördern. Die oberste Bundesbehörde

EPA (Environmental Protection Agency)

etablierte eine Working Group Envi-

ronmental Justice und schuf spezielle

Programme. Das erklärte Ziel dieser

Politik: keine gesellschaftliche Gruppe

soll einer übermäßigen Umweltbe-

lastung ausgesetzt sein. Mittlerweile

hat sich in den USA ein tiefgehender

wissenschaftlicher Diskurs darüber

entwickelt, dass Umweltschäden,

aber auch Umweltschutzmaßnahmen

bestimmte Regionen und Gruppen

stärker treffen als andere.

Die soziale Polarisierung ist in Deutsch-

land nicht so ausgeprägt wie in den

USA, doch kommt die Bundesregie-

rung in ihrem Armuts- und Reich-

tumsberichts 2005 zu dem Ergebnis,

dass Alleinerziehende, Menschen mit

niedrigem Bildungsniveau und Mig-

ranten stärker von Armut betroffen

sind. Sowohl das Armutsrisiko als auch

die Sozialhilfequote liegen für diese

Gruppen deutlich über dem Bundes-

durchschnitt. Differenziert nach Alter

sind v.a. Kinder und Jugendliche von

Armut betroffen. Frauen tragen ein

höheres Armutsrisiko als Männer und

Foto: argus/UNEP/Doto

Smog 2000 in Italien: Sozial schwächere Bevölkerungsgruppen leiden stärker unter Umweltbelastungen

Page 39: Robin Wood Magazin 2/2008

39

strömungen

grundsätzlich wird die Kluft zwischen

Arm und Reich immer gravierender.

Der Armuts- und Reichtumsbericht ana-

lysiert zwar nicht direkt das Bildungsni-

veau armer Bevölkerungsgruppen, belegt

aber, dass eine hochwertige Ausbildung

das Risiko der Erwerbslosigkeit deutlich

vermindert. Weiter legt der Bericht dar,

dass der Gesundheitszustand der armen

Bevölkerung vergleichsweise schlecht

ist. Zu den häufigen Krankheiten zählen

Herzinfarkt, Verengung der Herzkranz-

gefäße, Bluthochdruck, Fettleibigkeit,

Diabetes, chronische Bronchitis, chro-

nische Rückenschmerzen – Krankheiten

die sich teilweise auf Lärm- und Staub-

belastungen zurückführen lassen. Die

soziale und räumliche Spaltung ist in

Deutschland immerhin schon so weit

ausgeprägt, dass die Bundesregierung

1999 das Programm „Die soziale Stadt“

als Gegenmaßnahme ins Leben gerufen

hat (www.sozialestadt.de).

Die systematische Erforschung, in wie-

weit Umweltbelastungen und umweltbe-

dingte Erkrankungen von sozialen Fak-

toren - wie Ausbildung, Einkommen und

ethnische Zugehörigkeit - abhängen,

ist in Deutschland noch unzureichend.

Professor Werner Maschewsky – einer

der wenigen Umweltgerechtigkeitsexper-

ten in Deutschland - kommt in seinen

Recherchen zur Situation in Hamburg

zu dem Schluss, dass großtechnische

Anlagen wie Kraftwerke, Müllverbren-

nungsanlagen und Raffinerien räumlich

ungleichmäßig verteilt sind und ihre

Anzahl deutlich mit sozialen Indikatoren

wie hohe Arbeitslosigkeit und Anzahl

der Sozialhilfeempfänger korreliert. Fast

alle Umweltprobleme, die die Gesund-

heit beeinträchtigen, treten in sozial

benachteiligten Stadtteilen auf.

Zukünftig sollten bei der Datenerhebung

zur Umweltbelastung grundsätzlich

auch soziale Faktoren erfasst werden.

Teilweise können aber auch vorhandene

Umwelt- und Sozialdaten genutzt und

miteinander verknüpft werden. Der

Berliner Senat hat kürzlich sowohl einen

aktuellen Sozial- und einen (Verkehrs)-

Lärmatlas veröffentlicht. Würden die

Daten miteinander verknüpft, könnten

Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gezielt

bei besonders belasteten Gruppen

zur Verbesserung ihre Lebensqualität

eingesetzt werden. Dass es sich bei

den besonders belasteten Gruppen

sehr wahrscheinlich um Menschen mit

geringem Einkommen, geringem Bil-

dungsstand und niedrigem Sozialstatus

handelt, legen zahlreiche Einzelstudien

nahe, die belegen konnten, dass diese

Personengruppen häufig an verkehrs-

reichen Straßen leben. Eine Umwelt-

schutzmaßnahme wäre somit gleichzei-

tig eine soziale Maßnahme.

Das Umweltbundesamt hat Gerechtig-

keitsaspekte im aktuellen Kinder-Um-

welt-Survey aufgegriffen. Die Auswer-

tung der erhobenen Daten ist noch nicht

abgeschlossen aber erste Ergebnisse

zeigen, dass Kinder aus sozial schwachen

Familien stärker mit Blei, Kinder aus

oberen sozialen Schichten stärker mit

langlebigen Pflanzenschutzmitteln belas-

tet sind. Daten bezüglich des Wohnum-

feldes und der Schadstoffbelastung aus

Haushaltschemikalien werden derzeit

noch ausgewertet.

Aber viele Fragen zur sozialen Ver-

teilung von Umweltbelastungen sind

noch offen: Sind arme und weniger

gebildete Menschen stärker mit Pestizi-

den und Chemikalien belastet, weil sie

erstens weniger gut informiert sind und

zweitens seltener ökologisch produ-

zierte Lebens- und Körperpflegemittel,

Kleidung und Spielzeug kaufen? Werden

in Deutschland vom Klimawandel außer

den Alten und Kranken noch weitere

Bevölkerungsgruppen stärker betroffen

sein? Wer wird von der Bahnprivati-

sierung und von der Reduzierung des

ÖPNV-Angebots im ländlichen Raum

besonders betroffen sein? Und wer

profitiert am meisten von ökologisch

schädlichen Subventionen, wie die Ent-

fernungspauschale?

Vom Gebäudesanierungsprogramm

beispielsweise profitieren bisher noch

die Eigenheimbesitzer. Mieter, die ihren

Energiebedarf über bauliche Ände-

rungen, wie Wärmeisolierung und den

Einbau neuer Fenster, senken wollen,

können darüber nicht frei entscheiden

und haben auch keine Handhabe, ihren

Vermieter dazu zu verpflichten. Ebenso

wenig können sie sich für eine Heizener-

gieversorgung aus erneuerbaren Quellen

Nr. 97/2.08

entscheiden. Dabei könnten Energiespar-

maßnahmen und die Unabhängigkeit

vom zukünftig deutlich teurer wer-

denden Öl und Gas vor allem die sozial

schwachen Haushalte entlasten – für

Geringverdiener sind 100 Euro eben

mehr als für Wohlhabende.

Entscheidend ist aber auch, dass Ener-

giesparkonzepte an die Möglichkeiten

der sozial Schwachen angepasst werden.

So bietet die Caritas Frankfurt Hartz-

IV-EmpfängerInnen eine kostenlose

Energieberatung und stellt Energiespar-

lampen und Steckerleisten kostenlos zur

Verfügung, weil deren Anschaffung für

viele Haushalte eine zu hohe Belastung

wäre. Der BUND Berlin hat die erste

türkischsprachige Energiesparbroschüre

herausgegeben.

Dass Umweltschutz vor allem die Lebens-

situation von benachteiligten Gruppen

deutlich verbessern kann, sollte von den

Umweltverbänden zukünftig stärker

betont werden. Warum machen wir

bei Forderungen nach einem besseren

Schutz vor Chemikalien, Feinstaub und

Verkehrslärm nicht stärker deutlich, wem

dieser Schutz zugute kommt? Wenn eine

geringere Lärmbelastung die Lernfähig-

keit von Kindern verbessern kann und

somit ihre Chancen auf Bildung und

Wohlstand erhöht; wenn eine pestizid-

freie Ernährung und die Reduzierung der

Feinstaubbelastung die Gesundheit v.a.

von sozial schwachen Personengruppen

verbessert und Energiesparmaßnahmen

indirekt ihr Einkommen erhöht, dann

tragen diese Maßnahmen zu mehr

Gerechtigkeit bei und bewirken, dass

benachteiligte Gruppen stärker gesamt-

gesellschaftlich partizipieren können.

Letztendlich ließe sich mit dem Fokus auf

Umweltgerechtigkeit klar und anschau-

lich vermitteln, dass Umweltschutz

nicht das Bonbon ist, das man vergeben

kann, wenn sozial und ökonomisch das

Optimum erreicht ist, sondern dass auch

in einer scheinbar naturfern agierenden

Gesellschaft die Grenzen für soziales und

wirtschaftliches Handeln von der natür-

lichen Lebensgrundlage gesetzt werden.

Annette Littmeier ist Geografin

und arbeitet für den Deutschen

Naturschutzring in Berlin, Kontakt:

[email protected]

Page 40: Robin Wood Magazin 2/2008

40 Nr. 97/2.08

internes

Neuer ROBIN WOODVorstand 2008Ich bin Sara-Ann Lamp-

mann, 25, und neben

meinem umweltpoli-

tischen Engagement

studiere ich Psychologie

in Dresden. Das letzte

Jahr Vorstandsarbeit

hat mir viel Einblick in

den Verein gebracht

und nun freue ich mich

auf die Zusammenar-

beit mit meinen neuen

VorstandskollegInnen!

Ich bin Jana Flemming und beende

z.Z. mein Studium der Sozialwissen-

schaften in Berlin. Dabei setze ich

mich kritisch mit den Beziehungen

zwischen Gesellschaft und ‚Natur‘

auseinander. Damit das alles nicht

zu theoretisch bleibt, versuche ich

diese Verhältnisse auch direkt zu

beeinflussen. Deshalb bin ich seit

2004 bei ROBIN WOOD aktiv. Auf

die Arbeit im Vorstand bin ich ge-

spannt und freue mich, den Verein

so noch näher kennen zu lernen.

Ich bin Udo Sorgatz, 38 Jahre alt

und selbstständiger Ingenieur in

Braunschweig. Zu ROBIN WOOD

bin ich 2002 über die Anti-

Atom-Bewegung gekommen.

Den Vorstand begreife ich als

Servicestelle, die zwischen den

Delegiertenversammlungen die

notwendigen Entscheidungen

trifft und Diskussionsprozesse

fördert.

Christof Neubauer, 22,

kletter- und jonglierbegabtes

Säugetier. Baum-, fassaden-

und hängemattenbewoh-

nendes, faultierähnliches,

nachtaktives Lebewesen. Seit

5 Jahren im ROBIN WOOD

Universum zu den Themen

Energie und Verkehr aktiv. Ein

sehr ambitioniertes Wesen,

das davon redet, die Welt

retten zu wollen. Natürliche

Umgebung: Berlin.

Mein Name ist Jürgen Mumme, 36,

und ich arbeite z.Z. als Koordina-

tor beim Bündnis „Bahn für alle“.

Dadurch, dass ich bei ROBIN WOOD

Erfahrungen sowohl als Aktivist als

auch als Hauptamtlicher gesammelt

habe, sehe ich meine Aufgabe im

Vorstand vor allem in einer inte-

grierenden Rolle. Ich freue mich auf

eine spannende Zeit.

Ich bin Florian Kubitz, 30,

aus Hamburg und arbeite

bei einer Solarfirma. ROBIN

WOOD habe ich 2001 bei

einer Castor-Aktion kennen

gelernt, seit 2005 arbeite

ich in der Hamburger Regi-

onalgruppe mit. Ich freue

mich sehr, dass ich in den

Vorstand gewählt wurde.

Mein Name ist Sebastian Volln-

hals und ich bin in der Regional-

gruppe Dresden-Leipzig-Cottbus

zu Hause. Neben Umweltschutz

beschäftige ich mich mit Antimi-

litarismus und Antispeziesismus.

Als Vorstand werde ich dafür

eintreten, dass unser Verein auch

weiterhin das Ziel nicht aus den

Augen verliert: Wir wollen die

Welt retten!

Mein Name ist Janina

Chemnitz, 22, und ich

wohne in Tübingen, wo

ich eine Ausbildung zur

Hebamme mache. Da es

in Tübingen keine Regio-

nalgruppe gibt, freue mich

auf die Vorstandsarbeit,

die sich mit meinen derzei-

tigen Rahmenbedingungen

kreativ und kontinuierlich

vereinbaren lässt.

Page 41: Robin Wood Magazin 2/2008

bücher

Nr. 97/2.08

Edgar A. Göll, Christine

Henseling

Mobilisierung von Um-

weltengagement – wie

Unterstützungsmöglich-

keiten für Umwelt- und

Naturschutz erschlossen

werden können

Bundesministerium für

Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit (Hrsg.)

Zukunftsstudien 32

Verlag Peter Lang Europä-

ischer Verlag der Wissen-

schaften, 2007

138 Seiten, 19,80 Euro

ISBN 978-3-631-56276-5

Christian Offer, Frankfurt

Umweltengagiert

Der Leiter des Instituts für Zukunftsstudien

und Technologiebewertung, IZT, in Ber-

lin, Edgar Göll, ist ein energischer Verfechter

einer gerechteren Weltwirtschafts- und

Sozialordnung, in der seiner Meinung nach

Umwelt- und Naturschutz wichtige Pfeiler

der Neuordnung darstellen. Göll beschäftigt

sich schon seit seinem Sozialwissenschafts-

studium Ende der 1970er Jahre mit den

politisch-strukturellen Voraussetzungen für

gesellschaftliches Engagement. Der Schritt

war also für ihn klein, die notwendigen

Schritte herauszufinden, die zu erfolgreichen

Umwelt- und Naturschutzprojekten führen.

Unterstützung suchte er sich bei der Soziolo-

gin Christine Henseling, die am IZT schon seit

2003 zu Fragen von ökosozial nachhaltigem

Konsum und Bürgerengagement forscht.

Präsentiert werden in ihrem Buch „Mobilisie-

rung von Umweltengagement “ die Ergeb-

nisse einer qualitativen Studie zur Motivation

in der Bevölkerung, sich für Umweltthemen

zu engagieren, die vom deutschen Umwelt-

ministerium in Auftrag gegeben wurde.

Das Buch beschreibt anschaulich, aber in

recht wissenschaftlicher Sprache, wie Um-

weltorganisationen dabei unterstützt wer-

den können, die Bereitschaft der Menschen

zu erhöhen, sich stärker für Umwelt und

Natur einzusetzen. Literatur wurde ausge-

wertet, gute Beispiele aus anderen Ländern

betrachtet und Interviews mit ExpertInnen

geführt. Die Autorin und der Autor stell-

ten sich die Frage, warum Umwelt bisher

gegenüber Themen wie Sport, Kirche oder

Soziales bestenfalls eine mittelmäßige Un-

terstützung erfährt. Warum gibt es bisher

eine große Kluft zwischen dem potenziellen

und dem tatsächlichen gesellschaftlichen

Umweltengagement?

Christine Henseling und Edgar Göll stellen

die Arbeit mit so genannten Fokusgruppen

vor. Sie haben mit Hilfe dieser Methode ihre

Studie erarbeitet und empfehlen sie für die

Mobilisierung von Umweltengagement in

Vereinen und Verbänden. In einer Fokus-

gruppe diskutieren (Experten-)Gruppen

jeweils über ein vorgegebenes Thema. Das

Ergebnis kommt durch den Gruppenprozess

zustande, es fließen also nicht nur Einzel-

meinungen sondern auch der Diskussions-

prozess ins Resultat ein. Im Buch wird die

Methode in neun ausführlich beschriebenen

41

Schritten erläutert, so dass man sie direkt

für die eigenen Ziele anwenden kann.

Das Buch enthält eine übersichtliche tabel-

larische Zusammenfassung der Ergebnisse

der Sozialstudie. Aus den Tabellen lässt sich

ablesen, in welchen Umweltbereichen sich

die Deutschen engagieren, wie stark das En-

gagement in den unterschiedlichen sozialen

Milieus ausgeprägt ist (z.B. bürgerliches

Milieu vs. Arbeitermilieu) und welche Mo-

tivation für die Menschen dahinter steckt,

sich für die Umwelt stark zu machen.

Zu interessanten Ergebnissen kommt die

Studie auch bei der Frage, welche Um-

stände einem größeren Umweltengagement

in Organisationen bisher entgegen stehen.

So wurde zum Beispiel von der Fokusgruppe

der „Neuen Ehrenamtlichen“ ein Manko

in der Betreuung Neuer in den Umwelt-

gruppen gesehen. Ihre Kritik richtete sich

hauptsächlich gegen die inneren Strukturen

in den Organisationen, die als „verkrustet“

und abschreckend bezeichnet wurden. Vor

allem junge Leute mit neuen Ideen würden

sich durch diese Umstände häufig ausge-

bremst oder sogar ausgegrenzt fühlen.

Wichtig war für die Ehrenamtlichen außer-

dem, dass ihr Engagement von den Haupt-

amtlichen gebührend anerkannt wird und

sie in wichtige Entscheidungen einbezogen

werden. Punkte, die auch bei ROBIN WOOD

immer wieder heiß diskutiert werden,

jedoch vor allem wegen der praktizierten

Basisdemokratie weniger problematisch sind

als in einigen anderen Umweltverbänden.

Dieses Buch liest sich leider nicht einfach

schnell nebenbei. Mit gutem Gewissen

zu empfehlen ist es nur denjenigen, die

mit einer akademischen Ausdrucksweise

vertraut sind und idealerweise schon ein

bisschen Erfahrung in Projektmanagement,

Verbandsorganisation oder Campaigning

mitbringen. Dann aber kann man sich

schnell einlesen und die Erkenntnisse prak-

tisch umsetzen. Für alle, die schon länger in

einer Umweltorganisation aktiv sind und in

Zukunft mehr tragende Aufgaben über-

nehmen möchten, ist die Lektüre aber fast

schon ein Muss, weil sie durch die vielen

Literaturhinweise und Umsetzungstipps die

oft zähe Verbands- und Organisationsarbeit

erleichtern kann.

Page 42: Robin Wood Magazin 2/2008

titel

Nr. 97/2.0842

Was hat Klimaschutz mit nachhaltiger Ernährung zu tun? Und wie können Städte und Ge-meinden dafür gewonnen werden, in kommunalen Kindergärten und Krankenhäusern nur noch zertifizierte Bioprodukte zu verwenden? Brigitte Biermann aus Hagen hat untersucht wie zum Beispiel in Wien soziale, ökologische und ökonomische Aspekte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ernährung zusammenwirken. Mit ihr sprach Christiane Weitzel.

? Nachhaltige Ernährung bedeutet in Wien, dass mittlerweile 30 Prozent der Lebensmittel in den Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen und Kindergärten zertifizierte Bioprodukte sind. Wer hat diese Entwicklung angestoßen?

! Die Idee Bioessen anzubieten, ist in

einer Großküche eines Wiener Kranken-

hauses entstanden. Eine Küchenleiterin

hat sich dafür stark gemacht, weil sie

der Meinung war, dass gesund machen

ohne gesunde Nahrungsmittel nicht

ginge! Und sie bekam Rückendeckung

von oben, von der Leitung der Umwelt-

verwaltung aller Wiener Krankenhäuser.

Die BSE-Krise 2001 war der Anstoß für

die Großküche nur noch Biofleisch aus

der Region zu verarbeiten. Die Küchen-

MitarbeiterInnen waren von der Qualität

des Fleisches begeistert und konnten

weitere Großküchen für einen Umstieg

gewinnen. Neben dem Fleisch wurde

nun auch immer mehr mit anderen

Produkten aus Bioqualität gekocht.

? Welche Schwierigkeiten tauchten beim Umstieg auf Bioprodukte auf?

! Die Großküchen stellten fest, dass sie

sich erst mal auf Biolebensmittel ein-

stellen mussten. Also auf eine andere

Lagerung oder dass der Strudelteig

mit Biomehl anders behandelt werden

muss. Die motivierte Küchenleiterin

hat aber über diese Startschwierig-

keiten hinweggeholfen, neue Rezepte

probiert und weitergegeben, Ver-

kostungen für PolitikerInnen und für

MitarbeiterInnen anderer Großküchen

organisiert.

Die MitarbeiterInnen der ersten Groß-

küche waren so engagiert, dass sie

zur Erprobung neuer Herstellungsme-

thoden viele Überstunden geschoben

haben. Waren Bioprodukte erst einmal

eingeführt, wollten die Küchen nicht

mehr auf sie verzichten!

Zur Öffentlichkeitsarbeit gehörte auch

der Besuch eines Hofs in der Umge-

bung Wiens, der Biofleisch produziert.

Ein Verantwortlicher der Stadt, der erst

das Projekt als Bioschmäh verun-

glimpfte, war nach diesem Ausflug

begeistert und hat die Umstellung auf

Bioprodukte tatkräftig unterstützt.

? Welche Besonderheiten in Wien haben beim Umstieg auf gesundes Bioessen geholfen?

! Die Stadt Wien hatte sich zu einem

ehrgeizigen Klimaschutz-Programm

verpflichtet. Dies umfasst auch das

städtische „ÖkoKauf“-Projekt, das

1999 ins Leben gerufen wurde. Darin

ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass

zum Schutz des Klimas nur Recycling-

papier in städtischen Einrichtungen

benutzt werden darf.

Gleichzeitig hatte Wien eine kleine

Studie veröffentlicht, in der klar belegt

ist, dass Biolebensmittel klimaverträg-

licher sind als konventionell erzeugte.

Bioschmäh und Ökostrudel

Die Stadt Wien bietet in ihren kommunalen Kitas und Krankenhäusern nur noch zertifiziertes Bioessen an

Page 43: Robin Wood Magazin 2/2008

Nachhaltige Ernährung Netzwerk-Politik auf dem Weg zu nachhaltiger

Gemeinschaftsverpflegung

Brigitte Biermann

Ho

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bücher

Mit Unterstützung der Grünen beschlos-

sen die in Wien regierenden Sozialde-

mokraten, in allen städtischen Schulen,

Kitas, Altenheimen und Krankenhäuser

den Bioanteil in den angebotenen

Menüs auf 30 Prozent zu erhöhen. Ein

Ergebnis politischer Diskussionen war,

dass nicht parallel ein teureres Bioessen

neben den konventionellen angeboten

werden sollte, sondern alle Gerichte

einen Bioanteil enthalten müssten. Sonst

könnten sich zum Beispiel Kinder aus

finanziell schwächeren Familien das

gesündere Bioessen nicht leisten.

Günstig für Wien ist auch, dass zur

Stadt große landwirtschaftliche Flächen

gehören, die in Wassereinzugsgebie-

ten liegen, und die sowieso schon von

Öko-Betrieben bewirtschaftet werden.

Also sind die Wege der Produkte zu den

VerbraucherInnen kurz und die Men-

schen aus der Region profitieren von

dem steigenden Bedarf an Bioprodukten.

? Sind mit der Umstellung auf Bio die Essen teurer geworden?

! Die Grünen berechnete 2002, dass alle

Eltern Mehrkosten von 0,12 Euro täglich

für das Schulessen aufbringen mussten.

Die Großküchen der Krankenhäuser

haben die Kosten für die Essen konstant

gehalten, in dem sie den Fleischanteil

leicht reduziert haben. Das ist gesünder

und gut fürs Klima außerdem! Die Kran-

kenhäuser stehen natürlich unter einem

großen finanziellen Druck. Zur Aufklä-

rungsarbeit hat deshalb auch gehört,

den Verantwortlichen klar zu machen,

dass wenn ein Krankenhausbett pro Tag

5000 Euro kostet, nicht bei den täg-

lichen Kosten von 4 oder 3,20 Euro fürs

tägliche Essen gespart werden sollte.

Hilfreich für das Projekt war, dass wenn

gespart oder gekürzt werden sollte, die

Küchen oder Schulen die PolitikerInnen

daran erinnern konnten, dass sie den

politischen Auftrag haben, das Klima-

schutzprogramm umzusetzen und dass

Bioessen ein fester Bestandteil davon ist.

? Was ist denn neben engagierten Leuten in den Küchen und politischer Unterstützung noch notwendig, damit städtisch geförderte Kantinen und Mensen nachhaltigere Speisen anbieten können?

! Das Küchenpersonal braucht Gestal-

tungsmöglichkeiten, um nach und nach

andere, also regionale und biologische

Produkte einzusetzen. Die Umstellung

darf nicht nur von oben verordnet sein,

sondern muss sich an die praktischen

Möglichkeiten vor Ort anpassen. Auch

die Hersteller und Zulieferer brauchen

Zeit und neues Wissen, um mitzuma-

chen.

Gleichzeitig muss die Politik gute Argu-

mente dafür haben, dass verbesserte

Speisen großen Nachhaltigkeitszielen

dienen. Solche Argumente sind z.B.

Klimaschutz, Gesundheit oder lokale

Wirtschaftsförderung, also Themen, die

in der betroffenen Gemeinde bereits

oben auf der politischen Agenda stehen.

? Was müssen Kommunen neben engagierter Bildungs- und Öffentlich-keitsarbeit noch tun, um erfolgreich auf Bioessen umzusteigen?

! Ganz wichtig ist es kulturelle Beson-

derheiten und Traditionen zu beachten,

damit die Leute mitziehen und ein Pro-

jekt nachhaltige Wirkung entfalten kann.

In Österreich gehört Fleisch zu einer

kompletten Mahlzeit unbedingt dazu.

Der „Dinkelbratling“ hat in Österreich

ein ganz schlechtes Image.

Ich habe ein ähnliches Projekt in Ferrara,

Italien, untersucht. Dort sollte die

Ernährung in den städtischen Schulen,

Kindergärten und -krippen auf Biopro-

dukte umgestellt werden. Gleichzeitig

haben die Eltern, die lokalen Gesund-

heitsbehörden und die Einrichtungen dis-

kutiert, wie viel Fleisch Kinder überhaupt

brauchen und dass es wichtig sei, den

Anteil von Hülsenfrüchten zu erhöhen.

Als in Ferrara der Anteil an Biokost in ei-

nigen Einrichtungen 40 % erreicht hatte,

steigerte er sich von allein weiter: Für

den Caterer, der in Ferrara die Schulen

mit Essen versorgt, war es zu aufwändig

zwei Produktlinien vorzuhalten und so

bot er in den Schulen fast vollständig

Bioprodukte an. Mittlerweile profitiert

diese Firma nicht nur in Ferrara davon,

dass sie ihr Angebot erweitert hat.

? Wie sieht die Zukunft des Projekts in Wien aus?

! 2003 hat Wien beschlossen, dass bis

zum Ende der Legislaturperiode 2005 in

allen öffentlichen Einrichtungen der Stadt

ein Bio-Anteil von 50 Prozent erreicht sein

soll. Bei der Beschaffung wird vor allem

auf Bioprodukte aus Österreich gesetzt,

um der eigenen Bio-Landwirtschaft neue

Impulse zu setzen. Wien konnte sich

ein so ehrgeiziges Ziel setzen, weil die

Kindergärten zum Beispiel heute bei gleich

bleibenden Kosten einen Bioanteil von 40

Prozent garantieren können. Das liegt an

den großen Mengen Bioprodukten, die

Wien mittlerweile abnimmt.

43Nr. 97/2.08

Brigitte Biermann

Nachhaltige Ernährung: Netzwerk-Politik

auf dem Weg zu nachhaltiger Gemein-

schaftsverpflegung

Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit 33

oekom Verlag, 2007

333 Seiten, 39,90 Euro

ISBN 978-3-86581-072-4

Brigitte Biermann hat diese Untersuchung im Rahmen ih-rer Promotion an der FernUni-versität Hagen durchgeführt

Page 44: Robin Wood Magazin 2/2008

44 Nr. 97/2.08

jug

en

dse

ite Die Vielfalt des Lebens entdecken

Jedes Jahr verschwinden über 10.000 Tier- und Pflanzenarten für immer von der Erdoberfläche. Nun fragt ihr euch sicher: Was kann ich dagegen unternehmen? Auf dieser Seite stellen wir euch drei Initiativen vor, in denen Jugendliche sich für den Schutz der biolo-gischen Vielfalt engagieren. Macht ihr mit?

IgnorantProtozoan

Music by Tim HubenerWords by Tim Hubener und David Adu-Appeagyei

Moderate h = 160

: 44

Leadgita.

1

BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH

BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB

] 44

Schlagzeug

1 ^ ^ ^ ^

; 44

Bass

1

: 44

Rhythmus.

1

Leadgita. 4

BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH

BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH

Schlagzeug

4 BB B B B BB B B B GB B BU ^ B̂ B̂ B

^ ^ B̂ ^B^ ^ B̂ B̂ B

^ ^ B̂ ^

Bass

4 Q B B BL B B B BD B B B B BD B B B B B BHL

Rhythmus.

4

BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH

Werde Teil der großen Naturallianz!

Auf www.naturallianz.de des Bundes-

Umweltministeriums gibt es eine breite

Palette von tollen Mitmachaktionen,

spannenden Materialien, Filmen und

Events, die ihr euch nicht entgehen las-

sen solltet. Das „LIVE NATURE“-Konzert

mit Bob Geldof und das Kinderkunst-

Festival mit seinen mobilen Kunstkontai-

ner sind nur zwei Beispiele von vielen.

Schaut mal rein!

Tag der Artenvielfalt wird 10!

Am 14. Juni 2008 findet der zehnte GEO-Tag der Artenvielfalt statt. An diesem Tag be-

weisen junge und alte Menschen, wie wichtig ihnen die Lebensvielfalt vor der eigenen

Haustür ist und warum wir alle uns zusammentun sollten, um sie zu erhalten. Viele Ein-

zelpersonen und Gruppen haben in der Vergangenheit kleine und große Aktionen rund

um das Thema biologische Vielfalt durchgeführt, die Öffentlichkeit wachgerüttelt oder

der Natur geholfen, indem sie Daten zum Schutz von Naturgebieten sammelten. Thema

der diesjährigen Natur-Reportagen ist „Vielfalt in Schutzgebieten“. Unter der Internet-

adresse www.geo.de/GEO/natur/oekologie/tag_der_artenvielfalt findet ihr die Berichte

von den bisherigen Aktionen und könnt euch für eure Veranstaltung anmelden.

Schulprojekte von BioFrankfurt

Zwölf Institutionen in Frankfurt am Main haben sich zum Netzwerk für Biodiver-

sität, BioFrankfurt, zusammengeschlossen. In ihrer Kampagne für die biologische

Vielfalt der Rhein-Main-Region gibt es nun ein großes Bildungsprogramm mit

Workshops, einem Schul-Netzwerk und einem Kreativ-Wettbewerb. 26 Schüle-

rInnengruppen haben Poster, Spiele oder Songs eingereicht. Am 23. April wur-

den die Sieger auf einer Abendveranstaltung feierlich gekürt, auf der die Kölner

Funk-Reggae-Band Sisters auftrat. 200 bis 500 Euro Preisgeld waren ausgelobt.

Die Sieger durften am 18. Mai gemeinsam mit dem Rapper Samy Deluxe auf der

UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt auftreten. Auf www.biofrankfurt.de findet

Ihr weitere Aktionen - zum Beispiel einen Fotowettbewerb mit tollen Preisen! Dort

könnt ihr euch auch Filme, eine Ausstellung und Fotos über die Naturvielfalt im

Rhein-Main-Gebiet anschauen.

Foto: Malten/Senckenberg

Poster von Stella Fangauf, Eugenia

Kriwoscheja, Nina Budel, Klasse 12,

Friedrich-Dessauer-Gymnasium,

Frankurt a. M.

Spiel der Klasse 6a der Friedrich-Ebert-

Schule in Schwalbach

„Viele sind so ignorant

und haben das noch nicht erkannt,

weil wegsehen viel zu einfach geht.

Man tut einfach so, als ob man nicht

versteht.

...Also wach jetzt endlich auf

und fang an, dich zu bewegen.

In was für einer Welt

sollen deine Kinder leben?“

Song von Julian Rasch, Leon Torchalla,

David Adu-Appeagyei, Tim Hubener,

Kl. 10, Wöhlerschule, Frankfurt a. M.

Page 45: Robin Wood Magazin 2/2008

45

internes

Tour de Natur: 27. Juli – 9. August 2008

Aktiv: Jung + Alt radeln gemeinsam für den Erhalt unserer

Umwelt. Wir essen biologische Produkte, vegetarisch und

regional erzeugt und sparen damit jede Menge CO2 ein. Wir

betreiben Aufklärungsarbeit über alle Medien, Diskussions-

veranstaltungen und Marktplatzaktionen.

Umweltbewegt: Wir bewegen uns, um andere zu bewe-

gen. Wir sind uns einig, dass wir unseren Lebensstil drastisch

verändern müssen, wenn unser Globus auch zukünftige

Generationen versorgen können soll.

Unaufhaltsam: Wir fahren zu den umstrittensten deutschen

Verkehrsprojekten wie A 4/A 44/A 49 und dem Ausbau

von Elbe und Saale, um mit spektakulären Aktionen deren

Unsinnigkeit öffentlich zu machen und die Verantwortlichen

zu benennen.

Die Tour de Natur startet am 27. Juli

in Gießen und führt über Marburg,

Treysa und Borken nach Kassel. Nach

einem Aktionstag geht die Fahrt weiter

u.a. über Eschwege und Eisleben zum

Zielort Magdeburg. Dort wird die Tour

de Natur am 9. August ankommen.

Mehr Infos: UmweltHaus Kassel,

Klaus Schotte, Tel. 0561/878384

www.tourdenatur.net

Nr. 97/2.08

A 44: Gewonnen - und doch verloren!

Die ROBIN WOOD Gruppe Kassel ist seit vielen Jahren Mitglied

der Aktionsgemeinschaft Verkehr Nordhessen (AVN). Nun gab

es einen wichtigen Termin vor dem Bundesverwaltungsgericht

(BVerwG) in Leipzig. Das Gericht akzeptierte die in letzter Minute

vom Land Hessen ausgeräumten Mängel des Planfeststellungs-

beschlusses zum Weiterbau der Autobahn 44 bei Hess. Lichtenau

und erklärte den Bau in der jetzt vorliegenden Fassung doch

noch für rechtmäßig. Der Bund für Umwelt und Naturschutz

Deutschland (BUND) hatte im Auftrag der AVN geklagt.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 17.05.2002 den

ersten Planfeststellungsbeschluss für die Nordumfahrung von

Hess. Lichtenau wegen Missachtung zentraler Vorschriften des

Naturschutzrechts beanstandet hatte, war auch der im Dezem-

ber 2005 erlassene Folgebescheid fehlerhaft. Als die Haltung des

Gerichts dem Land Hessen während der Gerichtsverhandlungen

bewusst wurde, kehrte es in höchster Not und quasi in letzter

Minute am Ende der zweitägigen mündlichen Gerichtsverhand-

lung den Tenor der naturschutzrechtlichen Beurteilung vollstän-

dig um. Nur aufgrund dieser Planänderungen hatte die vom

BUND erneut eingelegte Klage letztlich keinen abschließenden

Erfolg.

Auch wenn das Land die A 44 nunmehr in einem weiteren

Abschnitt bauen darf, setzen ROBIN WOOD und AVN weiter-

hin darauf, dass die Verkehrsprobleme nicht durch eine Natur

und Landschaft zerstörende Autobahn, sondern mittels LKW-

Durchfahrtsverboten in den Ortslagen und den Bau von Ortsum-

gehungen gelöst wird. Im Sommer wird die Tour de Natur in

Nordhessen wieder bunt und kreativ für eine alternative Ver-

kehrspolitik demonstrieren.

Mehr Infos unter: www.avn.cooltips.de

Klaus Schotte, ROBIN WOOD Regionalgruppe Kassel

Utopisches Gärtnern

„Mit der Sense in der Hand...“:

Sommerworkcamp vom 3.-

13.8.08 auf unserem Waldgar-

tengelände in der Nähe von

Verden/ Niedersachsen. 11 Tage

zelten, arbeiten, Sonne genie-

ßen! Hast du Lust? Mehr über

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Wir freuen uns auf dich!

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Artilleriestr. 6, 27283 Verden

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Page 46: Robin Wood Magazin 2/2008

impressum

post

Nr. 98/3.0846

Nummer 98/3.08

Magazin

Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

Erscheinungsweise vierteljährlich

Redaktion: Sabine Genz, Angelika Krumm, Annette

Littmeier, Christian Offer, Regine Richter,

Dr. Christiane Weitzel (V.i.S.d.P.)

Verantwortlich für Layout, Satz, Fotos und Anzeigen

ist die Redaktion

Verlag: ROBIN WOOD-Magazin

Lindenallee 32, 16303 Schwedt

Postfach 10 04 03, 16294 Schwedt

Tel.: 03332/2520-10, Fax: -11

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Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand

zu beziehen über: ROBIN WOOD e.V.,

Geschäftsstelle, Postfach 10 21 22, 28021 Bremen,

Tel.: 0421/59828-8, Fax: -72

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Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins ist

im Mitgliedsbeitrag enthalten

Gesamtherstellung: Druckhaus Bayreuth,

www.druckhaus-bayreuth.de

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Das ROBIN WOOD-Magazin erscheint auf 100% Altpa-

pier augezeichnet mit dem Blauen Engel

Titelbild: argus/Andrews

Spendenkonto: ROBIN WOOD e.V., Postbank Hamburg,

BLZ: 20010020, Konto: 1573-208

Afrika: Ersatzteiltausch!

96/1.08, Verkehr: Auf Crash--Kurs

Die Taiga retten!

Die nordischen Wälder sind

stark bedroht. Und unser

verschwenderisch hoher Papier-

verbrauch ist einer der Haupt-

gründe dafür. Die Schülerinnen

und Schüler der Klasse 8c des

Gymnasium Bondenwald in

Hamburg waren so schockiert

darüber, wie diese Taigawälder

ausgebeutet werden, dass sie im

Rahmen ihres Erdkundeunter-

richts auf verschiedenen Folien

einen Appell zum Schutz der

Taiga entworfen haben. Einen

der tollen Entwürfe haben wir

hier abgedruckt. ROBIN WOOD

möchte sich an dieser Stelle

ganz herzlich bei den Schüle-

rInnen für ihr Engagement zum

Schutz der Wälder bedanken!

anzeigen

Kleine Ergänzung zur Ihrem Artikel über

den Verkehr in Ghana: Ich bin Ende der

90er Jahre selbst mal 3 Wochen mit öffent-

lichen Verkehrsmitteln durch Ghana gereist

und erfuhr, dass die ghanaische Regierung

immerhin versucht(e), mehr Verkehrssicher-

heit durch die Einführung einer Art TÜV zu

schaffen. Da sich aber z.B. die vielen Taxi-

fahrer die notwendigen Reparaturen nicht

leisten können, wird ein defektes Ersatzteil

oft nur vorüber gehend gegen ein neues

oder wenigstens funktionsfähiges ausge-

tauscht und nach der Inspektion wieder

eingebaut. - Immerhin schafft das Arbeit in

den Autowerkstätten.

Heidi Wenke

Page 47: Robin Wood Magazin 2/2008

ROBIN WOOD e.V.GeschäftsstellePostfach 10 21 22

28021 Bremen

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Page 48: Robin Wood Magazin 2/2008

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