Robin Wood Magazin 2/2008
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Transcript of Robin Wood Magazin 2/2008
Leben heißt handeln
magazin
2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 97/2.2008
PC global
SCHWERPUNKT
Alles Kohle oder was?
TATORTE Bahn für alle
TROPENWALD
Konflikt um Zellstoff
inhalt
energie
tatorte
Seite 12
Seite 6
Seite 28
6 PC global
Alles Kohle oder was? 12
Streit ums Netz 16
Die Asse bringt‘s an den Tag 18
Atomkonzerne machen mobil 20
Klimaschutz - nur mit Gerechtigkeit 23
28 Kohle killt Klima
29 Faules Ei Bahnprivatisierung
Nr. 97/2.08
titel
Foto: Basel Action Network
Foto: ROBIN WOOD
merk-würdiges
Stromspar-Tipps: Fernsehgeräte und Wasserbetten 26
2
Foto: argus/Schwarzbach
3
inhalt
perspektiven
tropenwald
Seite 38
Seite 36
Seite 32
Konflikte um Zellstoff aus Brasilien 36
internes
27 ROBIN WOOD-Treffpunkte
40 Neuer ROBIN WOOD-Vorstand 2008
45 Gerichtsentscheid zur A 44
impressum46
strömungen
Gerechtigkeit durch Umweltschutz 38
Nr. 97/2.08
wald
32 Briefe für Karibus und Regenwald
33 Waldschäden 2007: Vom Schweigen im Walde
Foto: ROBIN WOOD
post46
Foto: argus/UNEP/Doto
34 „Raus aus dem verstaubten Winkel“:
Siebenstöckiges Holzhaus in Berlin
bücher
41 Mobilisierung von Umweltengagement
42 Brigitte Biermann: Nachhaltige Ernährung
Foto: FASE
kleinholz
44 Die Vielfalt des Lebens entdecken
4
editorial
Nr. 97/2.08
Foto: Burkhard Schade
Liebe Leserinnen und Leser!
alle reden von Klimaschutz - auch die deutsche Bundesregierung. Gleich-zeitig wollen die Energieriesen ohne Ende neue Kohlekraftwerke bauen: 19 Anlage sind konkret geplant. Diese neuen Kohlekraftwerke werden für mindestens 40 Jahre 130 Mio. Tonnen CO
2 in die Atmosphäre
pusten. Um die Auswirkungen der Klimakatastrophe einigermaßen zu begrenzen, hat sich die Bundesregie-rung verpflichtet bis zum Jahr 2020 ihre Emissionen um 40 Prozent zu verringern. Dafür müsste der jährliche CO
2-Ausstoß um 280 Mio. Tonnen
gesenkt werden. Wie das allerdings möglich sein soll, wenn so viele neue Kohlekraftwerke gebaut werden, bleibt ein Rätsel. Mehr dazu erfahren Sie im schwerpunkt unter „Alles Kohle oder was?“ von Dirk Seifert, dem ROBIN WOOD-Energierefe-
renten. Die Stromkonzerne planen neue Kraftwerke mit immer mehr Leistung nicht, weil es in Deutschland zu Engpässen in der Stromversor-gung kommen könnte, sondern um ihre Position am europäschen Markt auszubauen und immer mehr Strom zu exportieren. Um satte Gewinne geht es den Energiekonzernen auch bei den Stromnetzen. Während sie zweistellige Milliardenbeträge kassieren, lassen sie die Stromnetze verrotten und investieren nicht in den Ausbau und die Wartung - zum Schaden der Windkraftbetreiber und zu Lasten des Klimaschutzes.
Echte Stromfresser sind Compu-ter. Aber nicht nur das – der harte Konkurrenzkampf in der Branche führt dazu, dass immer kurzlebigere Produkte billig angeboten werden. Und so gilt ein PC bereits nach zwei bis drei Jahren als veraltet. Im titel erfahren Sie von Sarah Bormann von der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED), vor welche Probleme unsere Computer-Schnäppchenjagd die Länder des Sü-dens stellt. Ein hochgiftiger Produkti-onsprozess und Elektronikmüllberge machen den Menschen in China, Indonesien und Afrika zu schaffen.
Für eine Energiewende werden sich in diesem Sommer wieder die ROBIN WOOD-FlößerInnen engagieren. Sie fahren vom 21. Juli bis Anfang September auf der Elbe von Dresden nach Hamburg und werden entlang der Strecke für erneuerbare Energien und den Wechsel zu einem Öko-strom-Anbieter werben. Wenn Sie mehr wissen möchten, schauen Sie auf unsere Homepage unterwww.robinwood.de/flosstour.
Mit sonnenfreundlichen Grüßen
für die Schwedt/Berliner Redak-
tion Ihre
5
tatorte
Nr. 97/2.08
Am 17. April 2008 erklommen fünf Akive von ROBIN WOOD einen Baukran, um ge-gen den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden zu protestieren
titel
Nr. 97/2.086
Foto: Basel Action Network
PC globalDer drohende Klimawandel zeigte auch bei der diesjährigen CeBIT Wirkung: Die Branche stellt Geräte mit einem niedrigeren Stromver-brauch vor. Von einem Computer, der darüber hinaus ökologische und soziale Belange berücksichtigt, sind wir allerdings noch weit entfernt. Computer sind immer noch echte Strom- und Ressourcen-fresser und werden unter sozial bedenklichen Bedingungen produ-ziert und verschrottet.
titel
Auf der weltweitgrößten Messe zu
Informationstechnik (IT) CeBIT in
Hannover präsentierte sich die IT-In-
dustrie Anfang März 2008 als grüner
Trendsetter und Vorreiter beim Um-
weltschutz. Unter dem Label Green IT
stellten zahlreiche Hersteller wie das
deutsch-japanische Mischunternehmen
Fujitsu-Siemens Produkte wie den neuen
Computer Scaleo Li Green Edition aus.
Im Vordergrund stand dabei das Thema
Klimaschutz.
Denn Computer sind echte Stromfresser.
Die immer höheren Anforderungen an
die Leistungen der Hardware erfordern
auch einen immer höheren Stromver-
brauch. So stieg nach Schätzungen der
Stanford University der Stromverbrauch
aller Rechenzentren weltweit im Jahr
2005 auf 20 Millionen Megawattstun-
den, etwa doppelt so viel wie noch fünf
Jahre zuvor und etwa so viel wie der
weltweit größte Stromverbraucher, die
Spielerstadt Las Vegas.
Stromfresser Computer
Die Sorgen um den Klimawandel führen
derzeit zu einer höheren Sensibilität bei
Herstellern und Verbrauchern. Diese Auf-
merksamkeit muss genutzt werden, um
weitere ökologische aber auch soziale
Verbesserungen in der Computerbran-
che zu erzielen. Denn ein Personal Com-
puter (PC) ist noch lange nicht „grün“
– geschweige denn „sozial“, nur weil
er in der Nutzungsphase weniger Strom
verbraucht.
Die ökologischen und sozialen Probleme
erstrecken sich über den gesamten
Lebenszyklus eines Computers – von
seiner Produktion bis zur Verschrottung.
So ist z.B. nicht nur die Nutzung eines
PCs energieintensiv, sondern auch seine
Herstellung. Und hoch ist nicht nur
der Hunger nach Strom, sondern auch
nach Ressourcen wie Kupfer, Erdöl und
Wasser.
Die Ursachen für die Ressourceninten-
sität, den wachsenden Müllberg sowie
einem giftigen Produktionsprozess
liegen in der Kurzlebigkeit der Produkte
sowie dem harten Konkurrenzkampf in
der Branche, der primär über den Preis
ausgetragen wird: Auf dem Computer-
markt jagt ein Schnäppchen das nächste,
die Devise lautet dabei schneller, besser,
größer. Ein PC gilt bereits nach zwei bis
drei Jahren als veraltet und ein neuer
noch leistungsstärkerer muss her. Der
Wettbewerb zwischen den Herstellern
ist hart und die Gewinnmargen in der
Produktion sind gering.
Das Computerzeitalter wird vielfach mit
einem Prozess der Entmaterialisierung in
Verbindung gebracht. Entgegen dieser
7
Dieser Junge holt Elek-tronikschrott vom Markt in Lagos, Nigeria. Im-portierte Fernseher und Computer, die nicht mehr repariert werden können, werden hier gelagert und verbrannt
Nr. 97/2.08
WEED und Germanwatch fordern auf der CeBIT 2008 Umweltgerech-tigkeit bei der Produktion und der Verschrottung von Computern
Foto: WEED
titel
Annahme ist jedoch die Herstellung
von Computern sehr materialintensiv.
Nach einer UN-Studie werden allein
zur Produktion eines Arbeitsplatz-
computers mehr als 240 Kilogramm
fossile Brennstoffe wie Öl und Kohle,
ca. 22 Kilogramm chemische Produkte
und 1.500 Liter Wasser benötigt.
Die Hoffnung auf einen reduzierten
Materialverbrauch aufgrund der
Verkleinerung der Geräte, z.B. durch
Notebooks, bleibt bislang unerfüllt,
da die Stückzahlen ansteigen und die
Verwendungsdauer sich verkürzt. Dies
wird von den Computerunternehmen
bewusst angetrieben, indem sie her-
stellerabhängige Systeme entwickeln
statt auf offene Standards zu setzen.
Verstärkt werden die Probleme durch
den Trend zur Einweg-Elektronik. Der
Einsatz neuer ressourcenschonender
Materialien und Verfahren werden
dadurch vielfach wieder zunichte
gemacht. Zudem ist die Verkleinerung
der Geräte oftmals mit dem Einsatz
immer seltenerer Stoffe verbunden,
deren Gewinnung zu Konflikten und
sozial-ökologischen Problemen führt.
Viele der im Computer enthaltenen
Metalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel,
Zink, Gold, Platin, Koltan oder Kobalt
stammen aus den Ländern des Südens.
So wird z.B. die Hälfte des weltwei-
ten Bedarfs an Kobalt in Sambia und
Kongo gefördert. Die Menschen, die in
der Nähe von Kobaltminen in Sambia
wohnen, leiden unter verseuchten Bö-
den und verschmutztem Wasser. Ihnen
geht eine wichtige Existenzgrundlage
verloren, da sie in der Nähe der Minen
kein Gemüse mehr anbauen können.
In Chile sollten gar drei Gletscher „ver-
schoben“ werden, um über Tage Gold,
Platin und Kupfer abzubauen. Auch
wenn aufgrund der starken Proteste
die Gletscher nun erhalten bleiben, ist
ein Wassermangel in der jetzt schon
trockenen Andenregion sowie eine
Verschmutzung von Grundwasser und
Flüssen durch hochgiftige Schlacke
zu befürchten. Obwohl ein einzelner
PC nur wenige Gramm Gold enthält,
Foto: Basel Action Network
Nr. 97/2.088
Clement Lam vom Basel Action Network nimmt am Fluss in Guiyu, China, Bodenproben. Dort werden riesige Mengen Computerteile gelagert, mit Säure behandelt und verbrannt
Umweltgerechtigkeit als soziale
Praxis hat ihren Ursprung in Kam-
pagnen der Bürgerrechtsbewegung
in den USA sowie in sozialen Bewe-
gungen Lateinamerikas. Mit dem
Begriff der Umweltgerechtigkeit wird
ein Verständnis von Umwelt vertreten,
das Umwelt immer als ein gesell-
schaftliches Verhältnis denkt. Umwelt
ist der sozial-ökologische Raum, in
dem Menschen leben und arbeiten.
Menschen gestalten die Umwelt und
sind zugleich unterschiedlich von
Umweltrisiken und -belastungen
betroffen. Die Forderung nach Um-
weltgerechtigkeit wirft die Frage nach
Verfahrens- und Verteilungsgerechtig-
keit auf. Wer plant und entscheidet
z.B. über den Bau einer neuen Fabrik?
Wer zieht den Nutzen daraus und wer
trägt die Risiken und Nachteile? Die
Lasten sind zwischen sozialen Grup-
pen sowie zwischen Nord und Süd
ungleich verteilt. Die Forderung nach
Gerechtigkeit bedeutet eine gerechte
Verteilung von Umweltbelastungen
und -risiken herzustellen.
9
titel
ist die Elektronikbranche mit etwa 10
Prozent der weltweiten Jahresproduktion
derzeit der größte industrielle Goldab-
nehmer.
In Zukunft wird die Nachfrage nach
Metallen für IT-Geräte weiter steigen.
Bislang übernimmt die Industrie jedoch
keine Verantwortung für diese erste
Stufe auf dem Weg zur Herstellung
eines Computers. In vielen rohstoffrei-
chen Regionen wird der Raum, in dem
Menschen arbeiten und leben, zuguns-
ten kurzfristiger Profitinteressen und des
internationalen Rohstoffhandels zerstört,
ohne dass die Menschen vor Ort an zen-
tralen Entscheidungen beteiligt werden.
Auch die Gewinne verbleiben aufgrund
fehlender Einbindung in die Binnenöko-
nomie bei den großen multinationalen
Konzernen, welche die Abbauprojekte
betreiben. Die Forderung nach Umwelt-
gerechtigkeit impliziert die Einbindung
der lokalen Bevölkerung in die Entschei-
dungsprozesse sowie eine gerechte
Verteilung der Lasten und Gewinne.
Giftige Produktion
Die Computerproduktion verfügt über
ein sauberes Image, weisen ihre Fa-
briken doch keine rauchenden Schlote
sondern mit High-Tech ausgestatte
Produktionshallen auf. Dennoch ist der
Produktionsprozess selbst nicht nur
ressourcenintensiv, da große Mengen an
Energie und Wasser benötigt werden,
sondern auch giftig. So findet z.B. die
Herstellung der Chips in so genannten
Reinsträumen statt. In ihnen müssen
höchste Sauberkeitsvorschriften ein-
gehalten werden und der Anteil in der
Luft schwebender Partikel ist äußerst
gering. Dennoch ist die Geschichte der
Chipproduktion gekennzeichnet durch
eine hohe gesundheitliche Belastung
der Beschäftigten. In den „chemischen
Fabriken“ kommen zahlreiche toxische
Stoffe wie Lösungsmittel zum Einsatz.
Folgen sind eine erhöhte Krebsgefahr,
Kopf- und Muskelschmerzen, Auswir-
kungen auf die Fruchtbarkeit sowie ein
erhöhtes Risiko von Fehlgeburten. Diese
Symptome traten erstmals im Silicon
Valley – der US-amerikanischen Geburts-
stätte der Halbleiterindustrie – auf. In der
schottischen Chipproduktion berichteten
zu Beginn der 1990er Jahren in den
Reinsträumen beschäftigte Frauen über
Fruchtbarkeitsprobleme und Fehlge-
burten.
Mit der Verlagerung der Produktion in
Entwicklungsländer, insbesondere nach
Asien, werden auch die Gesundheits-
probleme verlagert. Ein Beispiel hierfür
ist die thailändische Festplattenproduk-
tion. ArbeiterInnen berichten heute
über Atembeschwerden. Sie wissen
weder über die Stoffe Bescheid, die die
Beschwerden verursachen, noch werden
die Folgen behandelt. Stattdessen müs-
sen sie in der Regel ihren Job nach ca.
sechs Jahren aufgeben, kehren wieder
auf das Land zurück und arbeiten als
BäuerInnen. Das thailändische Gesetz,
wie das vieler anderer Länder auch,
garantiert den ArbeiterInnen nicht das
Recht auf Information über gesundheits-
schädigende Gifte am Arbeitsplatz und
auch die Deklaration dieser Stoffe ist
nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Greenpeace konnte jüngst an Standor-
ten von Markenherstellern wie Hewlett
Packard und Zulieferanten wie Solectron
oder Fortune in Mexiko, China, den
Philippinen und Thailand eine erhöhte
Belastung von Böden, Grundwasser und
Abfallwasser durch Metalle wie u.a.
Kupfer, Nickel und Blei sowie Rückstände
von Lösungsmitteln und anderen giftigen
Substanzen nachweisen. An den Stand-
orten findet Leiterplattenbestückung,
Chipproduktion sowie die Endmontage
von PCs und anderen Elektronikgeräten
statt. Von einer giftigen Produktion sind
also nicht nur die ArbeiterInnen betrof-
fen, sondern auch alle AnwohnerInnen.
Für sie ist das „Recht zu Wissen“ welche
Stoffe verwendet werden und wie sich
die Produktion auf ihr unmittelbares
Lebensumfeld auswirkt eine zentrale
Forderung. In den Fabriken selbst bedarf
es einer unabhängigen gewerkschaft-
lichen Interessensvertretung, welche
die Einhaltung von Gesundheits- und
Sicherheitsvorkehrungen überwacht.
Bislang ist jedoch die Mitbestimmung
in der Computerindustrie nur schwach
verankert. Der hohe Anteil von Leihar-
beitskräften sowie das gewerkschafts-
feindliche Verhalten der Unternehmen
sind hierfür wichtige Gründe.
Illegale Verschrottung
In Deutschland trat 2005 das Gesetz
über das Inverkehrbringen, die Rück-
nahme und die umweltfreundliche
Elektronikfabrik in China. Bei der Herstellung von Computern kom-men jede Menge giftige Stoffe wie Quecksilber, Blei, bromierte Flammschutzmittel, PVC und Zinn zum Einsatz
Nr. 97/2.08
Foto: AMRC
titel
Nr. 97/2.0810
Entsorgung von Elektro- und Elektronik-
geräten – kurz ElektroG – in Kraft. Dem-
nach sind die Hersteller von Computern
verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen
und umweltgerecht zu entsorgen. Wenn
der Computernutzer sein Altgerät also
weder auf die Straße noch auf den
Dachboden stellt, gibt er dies in der
Regel beim nächst gelegenen Wertstoff-
hof kostenfrei ab. Die Computer werden
nun jedoch nicht direkt dem Hersteller
Transport zerstört und folglich nur noch
der Gewinnung von Sekundärrohstof-
fen, nicht aber einer Wiederverwertung
zugefügt. Eines der größten Defizite ist
jedoch, dass das neue Gesetz den Export
von Computerschrott in Entwicklungs-
länder nicht unterbinden konnte.
In Deutschland ist der Hamburger Hafen
Umschlagsplatz für den Export von alten
Computern, Monitoren und anderen
Elektronikgeräten, die als Second-Hand-
Waren deklariert verschifft werden.
Ihre Zielländer liegen meist in Asien,
z.B. in China oder Indonesien, oder in
den afrikanischen Ländern Ghana und
Nigeria. In Begleitung der Hamburger
Wasserschutzpolizei konnte ich selbst
das Überprüfen einer Ladung von alten
Monitoren nach Indonesien erleben. Die
Container, die schließlich nach Indone-
sien verschifft wurden, waren beladen
mit Monitoren, deren Kabel abgeschnit-
ten und die Gehäuse geplatzt waren
- dazu war die Verpackung vollkommen
unzureichend. Es handelte sich bei den
Geräten eindeutig um giftigen Schrott,
dessen Verbringung in Nicht-OECD-Län-
der verboten ist. Allerdings fehlen rechts-
verbindliche Kriterien zur Abgrenzung
von Second-Hand-Geräten und Schrott.
zugeführt, sondern jedes Unternehmen
ist in der Stiftung Elektro-Altgeräte-Re-
gister (EAR) registriert und übernimmt
für die anfallenden Altgeräte gemäß
ihres Marktanteils die Entsorgungskos-
ten. Ein von der Stiftung beauftragtes
Unternehmen führt die Geräte dem
Recycling zu. Dadurch besteht allerdings
für die Hersteller kein Anreiz, ihre Pro-
dukte nachhaltiger zu gestalten. Zudem
werden funktionierende Geräte beim
In Guiyu werden die Computerkabel am Tag sortiert und die Reste in der Nacht direkt im Dorf verbrannt
Als Second-Hand-Ware deklariert, wandert der Elektroschrott aus Deutsch-land z.B. wie hier nach Lagos in Nigeria
Fotos: Basel Action Network
11
titel
Nr. 97/2.08
Die Lasten tragen nicht die europä-
ischen VerbraucherInnen, die jährlich
8,7 Millionen Tonnen Elektronikschrott
produzieren, sondern jene Menschen
in Afrika und Asien, welche die Altge-
räte ausschlachten. Nach Angaben aus
Ghana und Nigeria funktioniert nur ca.
ein Viertel der Elektronikgeräte, die in
Containern mit Hunderten von Tonnen
monatlich ihre Küste erreichen.
Die nicht funktionstüchtigen Geräte
werden mit Hämmern zerschlagen, das
Plastik geschreddert und Bauteile mit
wertvollen Metallen über dem offenen
Feuer geschmolzen. Die ArbeiterInnen
atmen Staub und toxische Gase direkt
ein und tragen sie in ihren Kleidern nach
Hause. Luft, Boden und Wasser werden
vergiftet.
Wie ‚grün‘ sind ‚grüne PCs’?
Auf dem Markt sind bereits einige
Computer, die über so genannte Öko-
Siegel wie den Blauen Engel verfügen.
Das deutsch-japanische Unternehmen
Fujitsu-Siemens-Computers (FSC) ent-
wickelt bereits seit 1993 so genannte
grüne PCs und bezeichnet sich selbst in
der Branche als führend bei der Entwick-
lung umweltgerechter Produkte. Beim
letzten Öko-Ranking von Greenpeace
schneidet das Unternehmen allerdings
nicht ganz so glänzend ab und trotz des
neuen Arbeitsplatzcomputers Scaleo
Li 2405 Green Edition hat sich seine Posi-
tion sogar verschlechtert. Greenpeace
hebt positiv hervor, dass der Konzern
Bauteile verwendet, in denen keinerlei
bromierte Flammschutzmittel enthalten
sind. Allerdings hat FSC sich bislang
nicht auf einen vollständigen Ersatz von
PVC und bromierten Flammschutzmitteln
in allen Produkten festgelegt.
Im Vordergrund steht zudem bei den
meisten Produkten der geringe Strom-
verbrauch. Dagegen ist man noch weit
davon entfernt, den gesamten Lebens-
zyklus eines Computers von der Roh-
stoffgewinnung bis zur Verschrottung
nach ökologischen Kriterien zu gestalten.
Ein weiteres zentrales Problem ist die
Einhaltung von Umweltstandards in den
stark zergliederten und globalisierten
Zulieferketten. Die direkten Zulieferer
2008 startete die europäische
Kampagne procureITfair, an der
sich Organisationen aus Deutsch-
land, Österreich, Niederlanden,
Tschechien, Polen, Spanien,
Ungarn, China und Indien betei-
ligen. Im Rahmen der Kampagne
werden Kriterien für eine sozial-
ökologische Beschaffung von
Computern entwickelt. Öffentliche
Einrichtungen wie Universitäten
und Gemeinden sollen diese
Kriterien bei der Anschaffung
von Computern berücksichti-
gen. Dadurch wird der Druck auf
Markenunternehmen erhöht, die
Bedingungen in der Produktion
von Computern nachhaltig zu
verbessern. Die Kampagne wird
von dem Projekt PC global von
WEED geleitet.
Mehr Informationen:
- Unsichtbare Kosten. Ungleiche
Verteilung ökologischer Risiken in
der globalen Computerindustrie,
Broschüre.
- Der Weg eines Computers. Von
der globalen Produktion bis zur
Verschrottung. Materialien für die
Bildungsarbeit, Bildungs-CD.
- Digitale Handarbeit. Chinas
Weltmarktfabrik für Computer,
Dokumentarfilm.
Die Materialien können unter
www.weed-online.org, weitere
Informationen: www.pcglobal.org
bestellt werden.
von FSC unterzeichnen einen Brief,
in dem sie sich verpflichten, die in
der Europäischen Union und anderen
Ländern verbotenen toxischen Stoffe
wie Blei zu vermeiden. Darüber hinaus
wird ihnen empfohlen weitere gesetzlich
nicht verbotene Stoffe zu ersetzen bzw.
diese müssen bei Verwendung deklariert
werden. Doch wer kontrolliert die Einhal-
tung? Und warum schaffen Unterneh-
men wie FSC nicht eine größere Trans-
parenz über ihre Zulieferketten, so dass
auch unabhängige Gewerkschaften und
Organisationen die Einhaltung überprü-
fen können? Da von den ökologischen
Risiken die Menschen betroffen sind, die
in dieser Umwelt arbeiten und leben,
müssen neben ökologischen Kriterien
auch soziale Rechte Berücksichtigung
finden.
VerbraucherInnen, die einen Computer
kaufen möchten, der unter Einhaltung
der Kernarbeitsnormen der Internationa-
len Arbeitsorganisation (IAO) hergestellt
wurde, werden heute noch nicht fündig.
Es gibt bislang auf dem Markt keinen
Computer der nach sozial-ökologischen
Kriterien zertifiziert ist und auch eine
Kaufempfehlung kann bislang nicht
ausgesprochen werden.
Dem einzelnen Verbraucher bleibt also
nichts weiter übrig als sich beim Kauf
eines Computers möglichst detailliert zu
erkundigen und auf mangelnde Infor-
mationen über die sozialen und ökolo-
gischen Bedingungen in der Produktion
hinzuweisen. Über ein anderes Macht-
mittel verfügen private und öffentliche
Einrichtungen, die direkt beim Hersteller
nicht nur einen einzelnen Computer,
sondern Hunderte bestellen. Sie können
im Fall einer öffentlichen Ausschreibung
soziale und ökologische Bedingungen in
der Produktion als Vergabekriterien be-
rücksichtigen. Damit schaffen sie einen
konkreten Anreiz, dass Hersteller sich für
die Einhaltung von Arbeitsrechten, öko-
logischen und sozialen Normen in ihren
Zulieferketten sowie bei der Rohstoffge-
winnung einsetzen.
Sarah Bormann arbeitet in der
Projektgruppe PC global. Kontakt:
WEED, Büro Berlin, Eldenaer Str. 60,
10247 Berlin, Tel.: 030/275-82163,
Fax: -96928, [email protected]
Dokumentarfilmvon Alexandra Weltz
im Rahmen des Projekts
PC global von WEED
handarbeitdigitale
Chinas Weltmarktfabrik
für Computer
Dig
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Ch
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brik
für
Com
pute
r
Foto: Peter Wiegel/PIXELIO
energie
Nr. 97/2.0812
Foto: argus/Schwarzbach
13
energie
Alles Kohle oder was?
Auf der internationalen Agenda steht
das Thema Klimaschutz ganz weit
oben. Inzwischen ist unbestritten, dass
die klimaschädlichen Emissionen massiv
verringert werden müssen: Die EU-Staaten
haben sich auf eine Reduzierung um 30
Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber
dem Jahr 1990 geeinigt, die Bundesre-
gierung hat erklärt, um 40 Prozent zu
reduzieren. Und weltweit ist bis 2050 ein
Reduktionsziel von 80 Prozent in der Dis-
kussion. Nur wenn das gelingt, lassen sich
die Auswirkungen der Klimakatastrophe
einigermaßen begrenzen und erreichen,
dass die Temperatur im globalen Mittel
nicht um mehr als zwei Grad Celsius
ansteigt.
Kohle ist Gift fürs Klima
Im Jahr 2005 wurden in Deutschland
insgesamt 873 Millionen Tonnen CO2 in
die Atmosphäre gepustet. Neben Verkehr,
Haushalten und Industrie ist vor allem die
Energiewirtschaft mit 41,5 Prozent bzw.
rund 362 Mio. Tonnen CO2 an diesen
Emissionen überdurchschnittlich hoch
beteiligt. Bis zum Jahr 2020 müssten an-
gesichts der Reduktionsziele der Bundes-
regierung die von der Energiewirtschaft
zu verantwortenden Emissionen auf etwa
280 Mio. Tonnen CO2 gesenkt werden.
Das ist die Ausgangslage für die Energie-
wirtschaft in Deutschland.
Wesentlich verantwortlich für diese hohen
CO2-Emissionen ist die Stromerzeugung in
Braun- und Steinkohlekraftwerken. An der
gesamten Stromerzeugung waren im Jahr
2005 die Braunkohle mit 25 Prozent und
die Steinkohle mit 22 Prozent beteiligt.
Eine Reduzierung der klimaschädlichen
CO2-Emissionen muss neben der Steige-
rung der Effizienz bei der Stromerzeugung
und –anwendung also vor allem bei diesen
Energieträgern ansetzen und deren Anteil
deutlich reduzieren: Betrachtet man die
Energieträger nach ihrem CO2-Gehalt,
dann ergibt sich, dass die Stromerzeu-
gung aus Braunkohle je Kilowattstunde
mindestens 900 g CO2 – bei den meisten
Anlagen aber deutlich mehr als 1000 g
je kWh – verursacht. Moderne Steinkoh-
lekraftwerke liegen bei etwa 750-800
Gramm CO2 je kWh. Demgegenüber setzt
Gas als Energieträger nur ca. 380 Gramm
CO2 je kWh frei, also rund die Hälfte der
Steinkohle und etwas mehr als ein Drittel
der Braunkohle. Doch nur 11 Prozent der
Stromproduktion basierte 2005 auf Gas.
Es kann also keine Frage sein, ob der
Anteil der Braun- und Steinkohle an der
Stromerzeugung reduziert werden muss,
wenn es gelingen soll, die CO2-Emissionen
zur Begrenzung der Klimakatastrophe zu
verringern. Und genau in dieser Situation
planen die großen vier Stromkonzerne
E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE so-
wie einige andere mindestens 19 neue
Kohlekraftwerke in Deutschland zu bauen.
Allein diese neuen Kraftwerke hätten
CO2-Emissionen von insgesamt rund 140
Millionen Tonnen jährlich zur Folge.
Kohle verdrängt Kohle?
Aus Sicht der Stromkonzerne stellen die
neuen Kohlekraftwerke nicht etwa ein
gravierendes Hindernis für den Klima-
schutz dar, sondern vielmehr eine große
Chance. Die neuen Kraftwerke hätten
gegenüber alten Anlagen einen höheren
Wirkungsgrad und würden daher auch
niedrigere CO2-Emissionen je kWh haben.
Vor allem aber versprechen sie, dass diese
Die Situation lässt sich durchaus als grotesk bezeichnen. Während alle vom Klimaschutz reden und die Bundesregierung und internationale Organisationen immer neue CO
2-Reduktionsziele verkünden, plant
die hiesige Energiewirtschaft mindestens 19 neue Kohlekraftwerke. 19 riesengroße Schritte für die Fortsetzung der Klimakatastrophe.
Die Enerigekonzerne wollen 19 neue Kohle-kraftwerke in Deutsch-land bauen...
Nr. 97/2.08
14
energie
neuen Kraftwerke mittelfristig ältere
Anlagen vom Markt drängen würden.
Das soll nach ihrer Argumentation
dadurch erreicht werden, dass mit der
Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels
die Stromkosten in diesen alten Anlagen
steigen werden. Wirtschaftlich wären sie
dann nicht mehr zu betreiben, was zur
Abschaltung führen würde.
Ob es dazu kommen wird, ist jedoch die
große Frage. Denn die alten Kohlekraft-
werke sind überwiegend ebenfalls im
Besitz der großen vier Konzerne und es
ist völlig klar, dass diese mit allen Mitteln
versuchen werden, aus ihren alten
Anlagen so viel Gewinn wie nur irgend
möglich zu erzielen. Das demonstrieren
E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE schon
heute an der Strombörse in Leipzig. Das
Bundeskartell hat die vier Konzerne im
Verdacht, dass sie mit einer Marktmacht
von rund 80 Prozent der deutschen
Stromerzeugung mit vielen Tricks die
Strompreise hochtreiben. Auf diese
Weise gelingt es ihnen nicht nur ihre
Gewinne zu steigern. Sie schaffen es so
auch, den Strom von deutlich teureren
Anlagen noch zu verkaufen. Von diesen
Methoden werden die vier Konzerne,
die nicht dem Klimaschutz sondern ihren
Aktionären verpflichtet sind, mit Sicher-
heit nicht abgehen.
Stromexporte statt Stromlücken
Hinzu kommt, dass die großen Vier nicht
allein für den deutschen Strommarkt
und den hiesigen Strombedarf arbeiten.
Der Strommarkt internationalisiert sich
zunehmend und schon heute gehören
die vier Stromkonzerne zu den großen
Gewinnern dieser Entwicklung.
Deutschland ist nicht nur im Waren- und
Dienstleistungsbereich Exportweltmeis-
ter. Allein im Jahr 2006 haben Kraft-
werke in Deutschland einen Strom-
überschuss produziert und per Saldo
rund 20 Milliarden Kilowattstunden (20
Terawattstunden,TWh) ins europäische
Ausland exportiert. Der Exportüberschuss
entspricht einer Stromproduktion von
vier bis fünf großen Kohleblöcken. Und
selbst im Jahr 2007 haben die Strom-
konzerne noch 14 TWh mehr Strom
exportiert als importiert. (Dabei waren
z.B. die AKW Biblis A und B ganzjährig
und die AKW Brunsbüttel und Krümmel
halbjährig abgeschaltet.)
Kein Wunder also, wenn die Stromkon-
zerne zwar immer gern auf diesen ver-
meintlichen Verdrängungswettbewerb
hinweisen, aber keine konkrete Angaben
über die stillzulegenden Kohlekraftwerke
machen.
Ausdehnung der Stromkapazitäten
Beispiel Vattenfall: Der Konzern erzeugt
schon heute über 80 Prozent seines
Stroms in Kohlekraftwerken – fast aus-
schließlich mit der besonders schädlichen
Braunkohle. Neben einigen kleineren
Anlagen, die mit Gas betrieben werden,
gehören auch die gemeinsam mit E.ON
betriebenen AKW Krümmel (Anteil ca.
670 MW), Brokdorf (Anteil ca. 270 MW)
und Brunsbüttel (Anteil ca. 514 MW)
zum Vattenfall-Konzern. Rund 210 MW
hat Vattenfall durch die Stilllegung des
AKW Stade im Jahr 2002 „verloren“.
Derzeit will das Unternehmen am Stand-
ort Moorburg ein Kohlekraftwerk mit
etwa 1.650 MW bauen. Ob Vattenfall
dafür von der neuen Hamburger Regie-
rung aus CDU und Grünen die Genehmi-
gung erhält, ist derzeit noch offen. Der
Neubau soll ab 2012 das alte Heiz-
kraftwerk Wedel (400 MW) ersetzten.
Außerdem wird Vattenfall in Folge des
mit der Bundesregierung vereinbarten
Atomkonsenses in den nächsten Jahren
das AKW Brunsbüttel abschalten. Mit
anderen Worten: Das geplante Steinkoh-
lekraftwerk in Moorbug bedeutet eine
Expansion des Unternehmens. Wäh-
rend in den nächsten Jahren maximal
rund 1.100 MW abgeschaltet werden,
erweitert Vattenfall mit Moorburg seine
gesamte Stromerzeugungskapazität um
rund 500 MW. Durch den Neubau eines
mit Braunkohle betriebenen Blocks am
Kraftwerk Boxberg steigert Vattenfall
seine Stromerzeugungskapazität um
weitere 675 MW, insgesamt ein Plus von
fast 1.200 MW.
Selbst wenn man unterstellt, dass die
neuen Anlagen im Vergleich zu den
alten Kraftwerken pro Kilowattstunde et-
was weniger CO2 emittieren, wird dieser
geringe Einspareffekt durch die Erhö-
hung der gesamten Kapazitäten und die
Ausweitung des Stromverkaufs mehr als
wettgemacht.
Die Behauptung der Stromkonzerne,
dass der Neubau von „modernen“ Koh-
lekraftwerken insgesamt dazu beitragen
würde, die CO2-Emissionen durch einen
Verdrängungseffekt zu senken, ist reine
Propaganda. Das Gegenteil ist der Fall,
denn die Ausweitung der Stromerzeu-
gungskapazitäten wird die eher geringen
Einspareffekte – wenn sie denn über-
haupt eintreten – überkompensieren und
damit zu einem weiteren Anstieg der
CO2-Emissionen führen. Neue Braun-
kohlekraftwerke sind so dreckig, stellte
kürzlich das Umweltbundesamt in einer
Studie fest, dass die Kurve des CO2-
Ausstoßes im Stromsektor nach oben
ausschlägt, sobald auch nur ein einziges
Neues ans Netz geht.
Übergangstechnologie mit Gas
Wichtig ist auch noch ein weiterer
Aspekt. Der Bau eines Kohlekraftwerks
ist – im Vergleich z.B. zu Gas- und
Turbinenkraftwerken (GuD) - sehr
Hamburg, 12.03.08: Protest gegen das geplante Kohlekraft-werk Moorburg
Nr. 97/2.08
15
energie
kapitalintensiv. So kostet der Bau des
Kraftwerks in Moorburg nach heutigen
Schätzungen rund zwei Milliarden Euro.
Allerdings gibt es einen wichtigen wirt-
schaftlichen Vorteil für diese Kraftwerke
und für die Entscheidung der Strom-
konzerne: Kohle ist auf dem Weltmark
nahezu unbegrenzt verfügbar und damit
extrem kostengünstig. Dadurch hat der
Energieträger bei der Strompreisermitt-
lung nur einen sehr geringen Anteil.
Anders ist dies bei den gasbetriebenen
GuD-Kraftwerken. Die haben vergleichs-
weise geringe Kapitalkosten, dafür aber
ist der Gaspreis höher und mehr Risiken
ausgesetzt. Aber diesen Preisrisiken
stehen im Vergleich zu den Kohlekraft-
werken deutliche Klimavorteile gegen-
über. Denn die Investition in ein Kohle-
kraftwerk lohnt sich aufgrund der hohen
Kapitalkosten nur, wenn das Kraftwerk
über einen möglichst langen Zeitraum
betrieben werden kann. Daher werden
solche Kraftwerke auf eine Betriebsdauer
von ca. 40 Jahren ausgelegt. In der
Folge werden die mit diesem Kraftwerk
verbundenen CO2-Emissionen ebenfalls
für einen sehr langen Zeitraum fixiert,
ein gasbetriebenes GuD-Kraftwerk ist
bereits bei einer Betriebsdauer von 10
– 12 Jahren wirtschaftlich.
Dabei hat es den Vorteil, dass es bei
gleicher Leistung weniger als die Hälfte
CO2 emittiert. Außerdem haben diese
Anlagen einen höheren Wirkungsgrad
als Kohlekraftwerke, was die CO2 Bilanz
zusätzlich verbessert. Damit sind diese
Kraftwerke eine ideale Übergangstech-
nologie für einen Zeitraum, in dem die
erneuerbaren Energien und hier vor
allem die Windenergie (an Land und
Off-Shore) einen immer größeren Anteil
an der Stromerzeugung übernehmen.
Allein im Rahmen des Erneuerbare
Energien Gesetzes ist laut einer Studie
des Bundesumweltministeriums davon
auszugehen, dass der Anteil dieser
Energieträger auf ca. 25 Prozent bis zum
Jahr 2020 anwachsen wird, positivere
Schätzungen erwarten sogar 30 Prozent.
Energiewende ist mehr als erneuerbar
Die längst fällige Energiewende muss
aber nicht nur mit allem Nachdruck die
regenerative Energieerzeugung voran-
treiben. Auch mit mehr Energieeffizienz
lässt sich massiv die Klimabilanz verbes-
sern. Mehr Effizienz bei der Erzeugung
(z.B. in den gasbetriebenen GuD-Kraft-
werken) und bei der Stromanwendung
(z.B. Verbot der Standby-Schaltungen,
Energiesparlampen, grüne IT-Technik)
führt dazu, dass bei gleich bleibenden
Nutzen die Stromerzeugung reduziert
werden kann.
Von großer Bedeutung ist die Kraft-
Wärme-Kopplung (KWK), also die
gleichzeitige Erzeugung von Strom und
Heizenergie. In den heute verbreiteten
Großkraftwerken wird die insgesamt
erzeugte Energie zu 50 – 60 Prozent
gar nicht genutzt, sondern belastet als
Abwärme die Umwelt, z.B. durch das
Einleiten dieser Wärme in die Flüsse.
Dabei ließen sich laut neueren Studien
32 Prozent des gesamten Nutzwärme-
verbrauchs Deutschlands (328 Terawatt-
stunden) durch Kraft-Wärme-Kopplung
erzeugen. Derzeit liegt der Anteil unter
sieben Prozent. Noch besser sieht es bei
der Stromerzeugung aus. 57 Prozent der
aktuellen Stromerzeugung Deutschlands
(351 Terawattstunden) könnten künftig
über Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopp-
lung erzeugt werden. Derzeit werden
gerade mal elf Prozent des Stroms auf
diese Art hergestellt. Auf diese Weise
würde nicht nur eine Ressourcenscho-
nung in großem Stil umgesetzt. Gleich-
zeitig würden 50 Millionen Tonnen CO2
pro Jahr eingespart.
Doch dieser Weg passt nicht in das
Denken der großen Stromkonzerne:
Anlagen mit KWK sind vor allem klein
und dezentral, müssen verbrauchernah
errichtet und betrieben werden und
erfordern einen intensiven Ausbau von
Nah- und Fernwärmeversorgungsnetzen,
einen kompletten Umbau der Energie-
erzeugungs- und Versorgungsstrukturen
also. Und der ist erforderlich, wenn es
darum geht, die Klimakatastrophe zu
begrenzen und eine zukunftsfähige Welt
zu gestalten.
Dirk Seifert ist Energiereferent bei
ROBIN WOOD in Hamburg
Tel.: 040/38089221
Nr. 97/2.08
Nr. 97/2.0816
Streit ums Netz Geht es um die Stromversorgung und den Klimaschutz, dann steht meist die Produktion von Strom im Rampenlicht. Umweltverbände und Verbraucherorganisationen verweisen aber schon seit Jahren auf einen wichtigen Baustein für die Erneuerung der Energieversorgung: Die Stromverteilernetze. Was bis-lang eher eine Fachbebatte war, hat E.ON mit seiner überraschenden Ankündigung, die Übertragungs-netze verkaufen zu wollen, auf die politische Agenda gesetzt.
energie
Als E.ON, die Nummer Eins unter den Stromkonzer-
nen in Deutschland, Ende Februar 2008 Verkaufs-
pläne für seine 10.600 Kilometer Übertragungsnetze
und einen Teil seiner Kraftwerkskapazitäten bekannt
gab, sorgte das für erheblichen Wirbel. Während
Verbraucherschutzorganisationen den überraschenden
Schritt begrüßten, fühlte sich die Bundesregierung
verraten. Was war passiert? E.ON steht unter Druck,
weil die Europäische Kommission mehrere Kartell-
rechtsverfahren gegen den Düsseldorfer Stromgiganten
betreibt. Hohe Strafen wegen Monopolbildung wollte
der Konzern aber unbedingt vermeiden. Dieser Druck
führte nun zu einem Deal zwischen E.ON und der
Kommission, der vorsieht einige E.ON-Unternehmens-
teile z.B. die Netze auszugliedern, um eine Einstellung
der laufenden Verfahren zu erreichen.
Ein Affront für die Bundesregierung und allen voran
die Kanzlerin. Denn sie hatte bislang unermüdlich die
Stromkonzerne gegen das Bestreben der Kommission
unterstützt, die Stromproduktion und den Netzbetrieb
voneinander zu trennen. Gemeinsam mit anderen
europäischen Staaten wie Frankreich wollte sie das
Modell des „voll integrierten“ Unternehmens verteidi-
gen. Die Kontrolle über die Netze wurde bislang als die
Machtbasis der jeweiligen „nationalen“ Großkonzerne
gesehen, um die dominante Position im Strommarkt
abzusichern. Doch offenbar hat sich die politische Öko-
nomie der Stromwirtschaft verändert: Aus Sicht der
Stromkonzerne hat sich der Wert und die Bedeutung
der Stromnetze deutlich verringert.
Mit Höchstspannung zu Rekordprofiten
Jahrelang hatten die Energiekonzerne mit den Strom-
autobahnen milliardenschwere Extraprofite gemacht
und kaum in die Übertragungsnetze investiert. Allein
2006 betrugen die Einnahmen der Energieversorger
aus den Netzgebühren über 21 Milliarden Euro, inves-
tiert wurde aber nur ein Zehntel davon. Möglich war
diese Abzocke der KundInnen u.a. weil die Bundes-
republik als einziges EU-Land trotz des liberalisierten
Strommarkts auf eine Regulierung der Netzentgelte
verzichtet hatte. Erst nach der lange überfälligen Um-
setzung einer EU-Richtlinie zur Einführung einer staat-
lichen Entgeltkontrolle senkte die Bundesnetzagentur
im vergangenen Jahr die Netzentgelte. Nun wird den
Stromriesen nur noch eine Rendite von rund 7,5 Prozent
zugestanden. Aus Sicht der Konzerneigentümer viel zu
wenig, da die Vorstände bei anderen Unternehmensteilen
von durchschnittlichen Renditen um 15 Prozent ausgehen.
Stromnetz bedeutet im übrigen nicht gleich Stromnetz.
Das Netz hat insgesamt in Deutschland eine Länge von
knapp 1,7 Millionen Kilometern. Die Transport- und
Verteilsysteme sind dabei für unterschiedliche Zwecke in
vier Spannungsebenen gegliedert - vergleichbar mit dem
Straßennetz: Es gibt „Autobahnen“ (Höchstspannungs-
oder Fernübertragungsnetz), „Bundesstraßen“ (Hoch-
spannungsnetz), „Landstraßen“ (Mittelspannungsnetz)
und „Ortsstraßen“ (Niederspannungsnetz). Den weitaus
größten Teil des Netzes macht - mit einer Länge von mehr
als einer Million Kilometern - das Niederspannungsnetz
oder auch Verteilnetz aus. Es wird von rund 900 Stadtwer-
ken und kommunalen Versorgern betrieben. Nur 40.000
Kilometer entfallen auf das Höchstspannungsnetz, über
das auch der Handel mit dem Ausland abgewickelt wird.
Dieses Fernübertragungsnetz soll nach dem Willen der
EU-Kommission von den Konzernen abgetrennt werden
– auch „Entflechtung“ oder „Unbundling“ genannt. In
Deutschland teilen sich das Fernübertragungsnetz bisher
E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Während das Netz
von E.ON von Nord nach Süd verläuft, konzentriert sich
Vattenfall auf den Osten, RWE auf den Westen und EnBW
auf den Südwesten.
Der Betrieb des Stromnetzes war für die Konzerne in den
letzten Jahren eine lukrative Profitquelle. Seit der Libe-
ralisierung der Strommärkte Ende der 80er Jahre haben
die Konzerne nur noch dann in die Netze investiert,
wenn gefährliche Engpässe drohten oder bereits Schäden
entstanden waren. Inzwischen sind die Netze Schrott und
gefährden die Versorgungssicherheit. Die 220 kV-Leitungs-
masten sind im bundesweiten Mittelwert am Ende ihrer
Nutzungsdauer angelangt, ebenso die Transformatoren.
Das belegt ein Bericht der Bundesnetzagentur von Januar
2008. Laut Bericht sind 220 kV-Masten im bundesweiten
Durchschnitt knapp 50 Jahre alt, die 380 kV Masten und
Transformatoren rund 30 Jahre alt. Jetzt, wo die Entgelte
reguliert werden und die Konzerne um hohe Investitionen
für den notwendigen Netzausbau nicht mehr herum
kommen, versucht der Energieriese E.ON die Netze abzu-
stoßen. Auch Vattenfall erwägt, sich eventuell von seinem
Stromnetz zu trennen.
Foto: argus/Schwarzbach
energie
Nr. 97/2.08
Die Stromriesen blockieren zunehmend den Ausbau der
erneuerbaren Energien mit ihrer bisherigen Kontrolle der
Stromnetze. So mussten in Schleswig-Holstein im Januar
und Februar dieses Jahres mehrfach für längere Fristen
Windkraftwerke abgeschaltet werden, weil E.ON be-
hauptete, dass das Stromnetz die Kapazitäten nicht mehr
aufnehmen könne. Während E.ON mit seinen Atom– und
Kohlekraftwerken weiter Kasse machte, mussten die
Ökostromproduzenten erhebliche Einnahmeverluste hin-
nehmen. Schon seit Jahren verschleppen E.ON und die an-
deren Konzerne den längst fälligen Ausbau der Netze, um
den wachsenden Ökostromanteil bundesweit aufnehmen
und verteilen zu können. Und je mehr regenerativer und
dezentral erzeugter Strom in den nächsten Jahren hinzu-
kommt, umso mehr wird die Kontrolle und Untätigkeit der
Stromriesen auch zum Problem für den Klimaschutz.
Strategien der Globalisierung
Ziel der EU-Kommission bei der „Entflechtung“ von
Produktion und Netz, das so genannte „Unbundling“,
ist vorgeblich die Schaffung von mehr Wettbewerb im
EU-Binnenmarkt. Als Konsequenz davon verspricht die
Kommission sinkende Stromkosten für Industrie und Haus-
halte. Dass die Strommarktliberalisierung bereits in der
Vergangenheit in dieser Hinsicht nicht erfolgreich war, ficht
die Kommission nicht an. Denn im Gegenteil - die Preise
steigen. Energie-Kommissar Andris Piebalgs plant aktuell
mit einer neuen EU-Richtlinie, dem dritten Energiepaket,
die europäischen Strommärkte weiter zu liberalisieren. In
diesem Kontext wird die „Entflechtung“ vorangetrieben.
Dabei stieß er auf hartnäckigen Widerstand der Bundes-
regierung und der Konzerne. Aufgrund des Gegendrucks
einiger anderer Staaten forcierte die Wettbewerbskom-
missarin Nelie Kroes daraufhin die Kartellverfahren – quasi
Plan B, um den Druck auf die Konzerne zu erhöhen. Es
wäre nun zu kurz gegriffen, E.ON quasi als Verlierer in der
Auseinandersetzung mit der Kommission anzusehen. Denn
dass die Kommission mit ihrer Anti-Kartell-Politik gegen
die Marktmacht der Konzerne vorgeht, wie häufig zu lesen
war, ist bei genauerem Hinsehen nur die halbe Wahrheit.
Denn jenseits der Wettbewerbsrethorik verfolgt die
Kommission die Strategie durch die weitere Liberalisierung
transnationale Fusionen und Aquisitionen zu erleichtern
und somit aus „nationalen Champions“ „Euro-Champi-
ons“ und schließlich starke Global Player werden zu lassen.
Statt des ominösen „Wettbewerbs“ nimmt die Konzent-
ration zu – was schließlich exakt das Ziel ist. Zur Zeit gibt
es noch etwa 10 große Stromkonzerne in der EU – viele
Prognosen gehen davon aus, dass es in wenigen Jahren
nur noch fünf sein könnten. Bei genauem Hinschauen
zeigt sich also, dass die Ziele von EU und Bundesregierung
gar nicht so verschieden sind. Beide wollen international
agierende Global Player – lediglich über den Weg dorthin,
also mittels entflochtener oder vollintegrierter transnatio-
naler Konzerne, gibt es Differenzen.
Für diese neue Ausrichtung als Global Player ist E.ON
nun bereit, das Stromnetz aufzugeben. Im Gegenzug
erwartet der Konzern die Zustimmung der Kom-
mission für die weitere Expansion. E.ON plant die
Übernahme von bedeutenden Stromerzeugungska-
pazitäten in Spanien, Italien und Frankreich sowie in
Polen und der Türkei und braucht dafür die Zustim-
mung der EU-Kommission.
Stromnetze demokratisch kontrollieren!
Die konkreten Zukunftspläne für die E.ON-Netze
sind noch in der Schwebe. „Es gibt mehrere Interes-
senten“, heißt es inoffiziell bei E.ON. Als Käufer der
Stromnetze kommen vor allem Investoren in Frage,
die an einer niedrigen, aber stabilen Rendite interes-
siert sind. Das könnten zum Beispiel Finanzinvestoren
wie Pensionsfonds sein oder Infrastrukturfonds, die
Gelder sicher und langfristig anlegen wollen. Interesse
hat auch Gazprom signalisiert. Zuletzt hatte E.ON die
Variante einer einheitlichen bundesweiten privaten
Netz AG ins Spiel gebracht, die die Netze der großen
vier Energiekonzerne zusammenführt.
Mit Blick auf die Energiewende und den Klimaschutz
ist die Übernahme der Netze durch die öffentliche
Hand von großer Bedeutung. Doch davon will Angela
Merkel nichts wissen. Der Bund der Energieverbrau-
cher, der Bundesverband der Verbraucherzentralen,
die Linkspartei, die Jusos, die Grüne Jugend, Attac
und auch ROBIN WOOD fordern aber genau das.
So spricht sich Hermann Scheer, SPD-Bundestagsab-
geordneter und Gründer von EUROSOLAR, für ein
gemeinsames Bund-Länder-Unternehmen aus. Attac
will hingegen eine stärkere demokratische Kontrolle.
Welche konkreten Formen dafür in Frage kämen, ist
Gegenstand der nun beginnenden Auseinanderset-
zung. Ob das Aufsichtsgremium eines öffentlichen
Netzunternehmens auf Länderebene aus von Bürge-
rInnen gewählten VertreterInnen besteht oder ob ein
so genanntes „stake-holder“-Unternehmen besser
wäre, bei dem Verbraucherschützer, Sozial- und
Umweltverbände mit im Aufsichtsrat sitzen – ver-
schiedene Möglichkeiten sind denkbar. Klar ist aber:
für eine soziale und sichere Stromversorgung und
eine tatsächliche Energiewende ist die demokratische
Kontrolle einer öffentlichen Netzinfrastruktur ein
wichtiger Faktor.
Alexis Passadakis ist Politikwissenschaftler und im
Koordinierungskreis von Attac Deutschland.
Er ist aktiv in der Kampagne gegen
die Stromkonzerne
Weitere Infos:
www.attac.de/energiekonzerne
www.stromnetze-demokratisch-kontrollieren.de
17
energie
Nr. 97/2.0818
Die Asse bringt‘s an den TagIm Südosten Niedersachsens findet derzeit ein makabres Schauspiel statt. Mit dem Erz-bergwerk Schacht KONRAD in Salzgitter soll 2013 ein erstes atomrechtlich genehmigtes Atommüll-Endlager in Betrieb gehen. Gleichzeitig wird für das nur 20 Kilometer entfernte Salzbergwerk ASSE II im Kreis Wolfenbüttel der vollständige Kollaps vorausgesagt. Dort wurde, zu Forschungszwecken wie es heißt, von 1967 - 1978 Atommüll eingelagert, der jetzt abzusaufen droht.
„Schon seit geraumer Zeit zerbricht
man sich im Bundesforschungsminis-
terium den Kopf über die Frage, wo
und wie man den im Bundesgebiet
anfallenden Atommüll so beseiti-
gen soll, dass sich keine schädlichen
Auswirkungen ergeben“, konnte man
am 5. März 1964 in der Wolfenbüt-
teler Zeitung lesen, deshalb werde
in Bonn jetzt ernstlich erwogen, das
ASSE-Bergwerk zur Atommüllgrube
zu machen. Das Salzbergwerk ASSE II
stand kurz vor der Stilllegung. Andere
Salzbergwerke in der Region waren
längst abgesoffen. Entsprechend
entsetzt waren die Anwohner. Zu gut
wussten sie um Probleme wie Instabi-
lität, Wasser-Zuflüsse und die Existenz
stark wasserlöslichen Carnallits mitten
im Steinsalz.
Erste Proteste zeigten zunächst Erfolg:
Im Herbst 1964 lehnte der Kreistag die
geplante Einlagerung einstimmig ab.
Dennoch kaufte der Bund die Anlage
und begann im April 1967 mit der
Atommüll-Einlagerung. Aber auch
wenn viele Menschen sich mit dem
Atommüll arrangierten, verstummte
die Kritik nie ganz. Und schon 1978
legte ein Braunschweiger Wasserbau-
ingenieur die unabhängige Studie
„Gefährdung der Biosphäre durch
mangelnde Standsicherheit und das
Ersaufen des Grubengebäudes“ vor,
die genau all jene Probleme beschrieb,
die bis heute bei ASSE II brisant sind.
Sperrmüll von 600 Atomkraftwerken
1976 entschied der damalige nie-
dersächsische Ministerpräsident
Ernst Albrecht, dass alle Anlagen zur
Behandlung und Lagerung aller radio-
aktiven Abfälle in einem „Nuklearen
Entsorgungszentrum“ in Gorleben
gebaut werden sollten. Dass er
trotzdem mit Schacht KONRAD einen
zweiten Standort benannte, hatte den
einfachen Grund: Man ging damals
davon aus, dass allein in Westdeutsch-
land mehrere hundert Atomkraftwerke
gebaut werden würden. Bei einer
damals angenommenen Laufzeit von
15 Jahren wären ab Ende des Jahr-
hunderts viel Material aus dem Abriss
stillgelegter Reaktoren angefallen. Die
sollten im Schacht KONRAD einge-
lagert werden. Entscheidend für die
Auswahl von KONRAD war denn auch,
dass der Schacht ein besonders breites
Förderwerk hatte, nicht etwa geolo-
gische Kriterien.
Gegen KONRAD gab es von Beginn
an Kritik und Widerstand von Bür-
gerinitiativen, aber zunehmend auch
aus Betrieb und Gewerkschaft. Als
1982 ein Planfeststellungsverfahren
eingeleitet wurde, demonstrierten
10.000 Menschen, als 1991 die Plan-
unterlagen auslagen, wurden 289.391
Einwendungen erhoben, die 1992/93
spektakuläre 75 Tage lang öffentlich
erörtert wurden.
Allerdings hatte sich inzwischen die
Brisanz des Lagers verändert. Ange-
sichts der Verzögerungen in Gorleben
und da der prognostizierte Zubau
von Atomkraftwerken ausblieb, sollte
KONRAD nun sämtliche Abfälle mit
geringer Wärmeentwicklung aufneh-
men.
Dass KONRAD 2002 schließlich
genehmigt wurde, war ein Ergeb-
nis SPD/Grüner-Ausstiegspolitik. Im
Gegenzug für die Vereinbarung von
Restlaufzeiten für die Atommeiler
hatte Rot-Grün der Atomindustrie im
Atomkonsens von 2000 die zügige
Genehmigung von KONRAD verspro-
chen, aber darauf verwiesen, dass
die Genehmigung ja beklagt werden
könne. Genau das taten Kommunen
und stellvertretend die Landwirtsfa-
milie Traube - und erlebten eine böse Gemeinsam aktiv gegen einstürzende und absaufende Endlagerstätten
19
energie
Überraschung. Die Gerichte überprüften
nicht die Sicherheit und Eignung der
Anlage, sondern sprachen den Klägern
rundheraus das Recht ab, diese Fragen
überhaupt prüfen zu lassen. Im Ergebnis
bedeutet das: Bei der Planfeststellung
eines Atommüll-Endlagers sollen An-
wohnerInnen weniger Rechte haben, als
z.B. im kommunalen Straßenbau. Wenn
Politiker jetzt behaupten, die Gerichte
hätten die Sicherheit von KONRAD
bestätigt, ist das ein Schlag ins Gesicht
der Menschen vor Ort, die für die Klagen
sehr viel Geld aufgebracht und dabei
nicht zuletzt dem SPD/Grünen-Finger-
zeig auf den Klageweg vertraut haben.
Umso heftiger waren im vergangenen
Jahr die Proteste, als das KONRAD-Urteil
vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt
wurde.
So viele Menschen wie nie zuvor betei-
ligten sich während des letzen Jahres an
Protesten gegen KONRAD. Bestärkt wird
der Widerstand durch die akute Entwick-
lung in der ASSE II. Wie eng die beiden
Standorte zusammen hängen, wird vie-
len Menschen erst jetzt deutlich, seit die
Auseinandersetzung um die havarierte
Altlast ASSE II Wellen schlägt. „Das eine
Fass kriegen sie nicht dicht“, schimpfte
ein Kollege, „und hier wollen sie gleich
daneben das nächste aufmachen“.
Atommüll fluten, damit er nicht absäuft
Seit 2001 hat der Betreiber die Pro-
bleme bei der ASSE II nach und nach
zugegeben. Vorsichtig begann sie mit
Veranstaltungen, auf denen das Ausmaß
der Probleme häppchenweise vorgestellt
wurde. Das dann vorgelegte Schlie-
ßungskonzept ist von entwaffnender
Schlichtheit: Der Atommüll soll geflutet
werden, damit er nicht absäuft. Das
leuchtet indes vielen Menschen nicht
ein. So entstand die Forderung nach
einem „Optionsvergleich“, der vor allem
auch die Alternative der Rückholung
der in ASSE II liegenden rund 125.000
Atommüll-Fässer prüft. Dazu sei keine
Zeit, meint der Betreiber heute alarmis-
tisch, obwohl der genug Zeit gehabt
hätte: Schließlich ist seit 1988 bekannt,
dass täglich 11,5 Kubikmeter Wasser
aus unbekannten Quellen in die Asse
eindringen. Inzwischen ist eine Klage
eingereicht, die ASSE II nach Atomrecht
zu schließen, d.h. mit einer verbindlichen
Beteiligung der Öffentlichkeit.
Anfang 2008 wurde auf Forderungen
aus der Kommunalpolitik ein sogenann-
tes „ASSE-II-Begleitgremium“ eingerich-
tet. Hier sollen die Interessen aus der
Region gebündelt und die erforderliche
öffentliche Information sichergestellt
werden. Drei unabhängige Wissen-
schaftler konnten für eine Arbeitsgruppe
Optionenvergleich benannt werden, de-
ren offizieller Auftrag ist aber zunächst
nur, die Plausibilität des Flutungskon-
zeptes zu überprüfen.
Doch während über die geplante Flutung
des Atommülls über Tage noch diskutiert
wird, wird sie unter Tage in der ASSE II
bereits durch massive Baumaßnahmen
vorbereitet. Genehmigt durch Betriebs-
pläne in denen steht, es müsse aber alles
rückbaubar sein.
Würde sich die im KONRAD-Verfahren
entwickelte Rechtsprechung durch-
setzen, würde die Benennung eines
Standortes zukünftig zugleich auch seine
Genehmigung bedeuten. Konzeptio-
nelle Abwägung der Genehmigungsbe-
hörde gibt es dann ebenso wenig, wie
Eingriffsmöglichkeiten von Betroffenen.
Eine schwere Hypothek für alle, die
einem neuen Standortsuchverfahren
das Wort reden. Ließe sich die Flutung
des Atommülls in ASSE II durchsetzen,
kann man zukünftig auf jede weitere
Sicherheitsdiskussion verzichten und
den Atommüll wahlweise im Steinhuder
Meer oder Bodensee versenken.
PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen,
die in der Sicherheitsdiskussion wieder
ernst genommen werden wollen, wer-
den nicht umhin kommen, das eklatante
Missverhältnis zwischen wissenschaft-
licher Prognose und Wirklichkeit bei
ASSE II zu klären. Zumal ja Anwohne-
rInnen und KritikerInnen mit ihren Pro-
gnosen durchaus richtig lagen. Lag es an
politischen Vorgaben, waren die Wissen-
Nr. 97/2.08
schaftlerInnen schlichtweg gekauft oder
war die Wissenschaft ein Zerrspiegel, der
die ExpertInnen daran gehindert hat, die
banale Wirklichkeit zu erkennen?
Für den Herbst lädt Sigmar Gabriel zum
Endlager-Hearing nach Berlin. Die Erwar-
tungen, dass es dabei Antworten auf
diese Fragen gibt, sind begrenzt. Im letz-
ten Jahr haben die vier bundesdeutschen
Endlagerstandorte ihre Kooperation ver-
stärkt. Sie wollen die real-existierenden
Erfahrungen ins Zentrum der Diskussion
rücken, statt nur über spekulative Pro-
gnosen zu reden. Die ASSE bringt’s eben
an den Tag.
Peter Dickel ist Vorstandsmitglied der
Arbeitsgemeinschaft Schacht KON-
RAD e.V. und beschäftigt sich seit
1978 mit ASSE II und
Schacht KONRAD
Mehr Infos: www.ag-schacht-konrad.de
und www.asse2.de
Protest von ROBIN WOOD im November 2007 am Förderturm vom Atommüllager ASSE II, in das täglich 12.000 Liter Wasser strömen
Foto: ROBIN WOOD
energie
Nr. 97/2.0820
Atomkonzerne machen mobil
Mit allen Tricks sucht die Atomwirtschaft eine Zukunft. Ziel: neue Verhältnisse nach der Bundestagswahl 2009.
Es waren Bilder wie aus einem
Hollywood-Streifen: Ausfallende
Ampeln verursachten Chaos auf
den Straßen, Züge blieben stehen,
Aufzüge stecken. Büros und Läden
schlossen, weil die Computeranlagen
ausfielen. Wie verletzlich unsere Zivili-
sation ist, haben die Bilder aus Miami
gezeigt, als in Florida Ende Februar ein
massiver Stromausfall das öffentliche
Leben lahm legte.
Eine gute Gelegenheit dachten sich
da die Strategen in der PR-Abteilung
Foto: argus/Dott
Die vielbeschworene „Stromlücke“ ist reine Propaganda der Atomstromlobby
von RWE und ließen den Konzernchef
Jürgen Großmann in der Bild-Zeitung
ähnlichen Szenarien ausmalen:
„Hier drohen im europäischen Netz
mehrtägige Stromausfälle schon in
diesem Jahr, die auch Deutschland
hart treffen können.“ Ins gleiche Horn
blies Großmanns Kollege Wulf Berno-
tat von E.ON in einem Interview mit
der Welt am Sonntag: „Ich bin kein
Freund von Pessimismus und Schwarz-
malerei, aber es könnte in bestimmten
Situationen eng werden, zum Beispiel
wenn im Sommer Windenergie fehlt
und Kraftwerke wegen Kühlungs-
problemen zurückgefahren werden
müssen.“ Auf die Nachfrage, wie das
denn verhindert werden könne, kam
dann die Antwort, auf die das alles
zielt. Bernotat: „Am einfachsten und
günstigsten durch eine Verlängerung
der Laufzeiten für Kernkraftwerke.“
Es ist nicht neu, dass sich die Atom-
lobby jedes Argumentes bedient,
um die Vorzüge ihrer Technologie zu
preisen, ob es passt oder nicht. Aber
derzeit treiben sie es besonders dicke.
Das zeigt der Fall Florida: Verschwie-
gen wurde nämlich in der ganzen
Debatte, wie der Blackout von Miami
ausgelöst wurde: Ein AKW musste
nach einer Störung in einem Um-
spannwerk heruntergefahren werden.
„Als das geschah, wurde das Strom-
netz in ganz Florida gestört“, so ein
Sprecher des Energieunternehmens
„Power & Light“, was zum Ausfall
von sechs weiteren Kraftwerken und
damit zum Blackout führte.
energie
21Nr. 97/2.08
Boykott des Ausstiegs: Um den Betriebszeitraum zu strecken, lassen die Stromkonzerne alte Reaktoren nur noch mit halber Leistung laufen
Auch hierzulande haben die Ereignisse
des letzten Sommers gezeigt, dass die
Atomenergie in Sachen Versorgungs-
sicherheit längst nicht mehr zu den
zuverlässigen Technologien zählt. Nach
den Bränden in Brunsbüttel und Krüm-
mel, den Dübel-Problemen in Biblis und
diversen anderen Störfällen waren zeit-
weise bis zu sieben Reaktoren vom Netz.
Trotzdem gingen nirgends die Lichter
oder die Klimaanlagen aus.
Erstaunlich: Selbst in dieser Situation hat
die Bundesrepublik weiter Strom expor-
tiert. Durch den Ausfall der Atomkraft-
werke verminderte sich die Strompro-
duktion nach Angaben des Bundesamtes
für Strahlenschutz zwar um insgesamt
27 Terrawattstunden. Trotzdem wurde
noch eine Strommenge von 14 Terra-
wattstunden ans Ausland geliefert. Das
zeigt, dass auch das Gerede von der
bald aufbrechenden „Stromlücke“ nichts
als Propaganda ist. Der Zuwachs an
erneuerbaren Energien entspricht derzeit
jährlich ungefähr der Kapazität eines
AKW.
Doch Blackout und Stromlücke sind nur
zwei Beispiele für den großen Strauß an
PR-Behauptungen, den die Atomlobby
derzeit mit aller Vehemenz über der
Republik verteilt: Vorneweg werden die
Reaktoren natürlich weiter als Klima-
retter gepriesen. Darüber hinaus sollen
sie angeblich für billigen Strom sorgen,
obwohl die Strompreise in diesem Land
schon lange nichts mehr mit den Erzeu-
gerkosten zu tun haben.
Und schließlich wird die weltweite
Renaissance der Atomkraft immer lauter
betont, dabei hat sich die Zahl der
tatsächlichen Baustellen auch fünf Jahre
nach Einführung dieses Argumentes
nicht wesentlich erhöht. Ankündigungen
sind die eine Seite, die solide finanzierte
Umsetzung etwas völlig anderes. Der
Energieexperte Lutz Mez von der FU
Berlin: „Die Internationale Atomenergie-
Behörde (IAEA) nennt für Europa derzeit
zwei Reaktorblöcke, die sich im Bau
befinden. Olkiluoto-3 in Finnland gilt als
das Vorzeigeprojekt, im August 2005
wurde mit dem Bau begonnen, 2009
sollte es ans Netz gehen. Bereits jetzt hat
es so viele Pannen gegeben, dass mit
einer Inbetriebnahme frühestens 2012
gerechnet wird. Seit Dezember 2007
wird offiziell ein weiterer Reaktor in
Flamanville gebaut. Auch dieser Reaktor
soll angeblich 2012 ans Netz gehen.“
Und auch die Medien in dieser Republik
haben sich auf eine bestimmte Deu-
tung der Wirklichkeit festgelegt und
berichten derzeit landauf und landab
von drohenden Stromlücken, AKW als
Klimaschutz und der Renaissance der
Atomkraft. Vor allem wirtschaftsnahe
Blätter sind kaum noch zu stoppen, aber
selbst die als eher atomkritisch geltende
Süddeutsche Zeitung betete unter der
Überschrift „Weg mit dem Atom-Tabu“
alle aktuellen Pseudo-Argumente her-
unter.
Atomkonsens auf der Abschussliste
Der lange vorbereitete und nun mit
großer Vehemenz geführte Angriff auf
die öffentliche Meinung in der Republik
hat also begonnen. Atomkraft soll im
nächsten Jahr Wahlkampfthema werden.
Denn in den Jahren 2009 und 2010 wird
über die Zukunft der Atomkraftwerke
neu entschieden werden. Und da ein
großer Reaktor pro Tag einen Rein-
gewinn von einer Million Euro erwirt-
schaftet, haben die vier Stromkonzerne
natürlich großes Interesse daran, dass es
nicht doch noch eines Tages zu den im
Jahr 2000 im so genannten Atomkon-
sens vereinbarten Stilllegungen kommt.
Die ganze Absurdität dieser Verabredung
zwischen Energiemultis und damaliger
rot-grüner Bundesregierung wird derzeit
sichtbar: Eigentlich hätten in dieser Le-
gislaturperiode vier Atomkraftwerke ab-
geschaltet werden sollen: Biblis A und B,
Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel. Die
vereinbarten Reststrommengen gingen
zur Neige und die Anträge der Betrei-
ber auf Laufzeitverlängerung wurden
vom Bundesumweltminister abgelehnt.
Trotzdem geht wohl vor der nächsten
Wahl im Herbst 2009 kein Reaktor vom
Netz. Und dies liegt kurioserweise daran,
dass die betroffenen AKW so störanfällig
sind.
Im Atomkonsens wurden keine zeitlichen
Fristen bis zum Abschalten der Meiler
festgelegt, sondern Strommengen, die
pro Kraftwerk noch produziert werden
dürfen. Und wenn ein Reaktor stillsteht,
dann produziert er keinen Strom und
sein Rest-Kontingent bleibt erhalten.
Biblis und Brunsbüttel sind auf diese
Weise schon über die Wahl gerettet. Und
das AKW Neckarwestheim 1 wird seit
Monaten nur noch mit halber Leistung
gefahren, um den Betriebszeitraum zu
strecken.
Wie dreist die Stromkonzerne diese Poli-
tik zur Verhinderung des Atomausstiegs
inzwischen betreiben, zeigt ein Zitat aus
der Berichterstattung der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung über die angeblich
drohende „Stromlücke“. Da heißt es:
„Die Chefs von E.ON, RWE, Vattenfall
und ENBW sicherten derweil im Kanzler-
amt zu, man werde kein Kernkraftwerk
vor der Wahl im Herbst 2009 schließen.
Sie würden vielmehr so betrieben, dass
die jeweils zugestandene Reststrom-
menge einen Betrieb über den Wahlter-
min hinaus erlaube.“ Welch ein Segen!
Elf Jahre werden bei der nächsten Bun-
destagswahl vergangen sein, seit die rot-
grüne Regierung 1998 angetreten ist,
um den Atomausstieg zu organisieren.
Elf Jahre, in denen mit Obrigheim und
Stade nur die beiden kleinsten Reaktoren
abgeschaltet wurden. Die 17 Großanla-
gen strahlen weiter um die Wette. Seit
einem Jahrzehnt gibt es in diesem Land
angeblich eine Ausstiegs-Politik – auch
die Große Koalition hält ja offiziell daran
energie
fest – nur ausgestiegen wurde bisher
nicht. Für die AKW-Betreiber ist das eine
relativ komfortable Situation, haben
sie sich doch ihre Zustimmung zum
angeblichen Ausstieg mit einer Menge
Zugeständnissen seitens der damaligen
Bundesregierung abkaufen lassen.
Jetzt hoffen die Stromkonzerne dar-
auf, dass es nach der Wahl 2009 eine
Mehrheit für Union und FDP gibt und
die Laufzeiten für die immer älter
werdenden Reaktoren wieder völlig
frei gegeben werden. Doch selbst
wenn es zu dieser Wunschkonstellation
der Atomlobby nicht kommt, wird es
massiven Druck auf die kommende
Bundesregierung geben, den Betrieb der
AKW zu verlängern. Denn nach dem
Reststrommengen-Modell müssten in
der nächsten Legislaturperiode sieben
Reaktoren vom Netz gehen. Zu den
bereits genannten in Biblis (A + B), Neck-
arwestheim und Brunsbüttel kommen
dann noch Philippsburg 1, Ohu 1 und
Esensham hinzu.
Einmischen für den Ausstieg
Es ist also davon auszugehen und derzeit
schon deutlich spürbar, dass im kom-
menden Bundestagswahlkampf 2009
der große politische Kampf um die
Laufzeiten erst richtig losgehen wird. Bei
einer schwarz-gelben Mehrheit ist relativ
sicher mit dem Versuch zu rechnen, die
Laufzeiten aufzuweichen. Doch selbst in
diesem Fall wird das kein Automatismus,
Foto: argus/Schwarzbach
Nr. 97/2.0822
wenn die gesellschaftliche Gegenwehr
gut organisiert ist.
Und bei anderen Wahlausgängen?
Umweltminister Sigmar Gabriel spricht
ab und zu davon, dass es im Bundestag
keine Mehrheit für die Verlängerung
der Laufzeiten gibt und bildet damit
rhetorisch eine rot-rot-grüne Anti-Atom-
Koalition. Sowohl SPD als auch Grüne
und Linkspartei wollen im Augenblick
mindestens an den derzeit im Atom-
gesetz festgelegten Reststrommengen
festhalten. Ob dies für die SPD auch
noch nach der Wahl zutrifft, wird sich
erst noch zeigen müssen, vor allem,
wenn es zu einer Neuauflage der großen
Koalition oder zu einer Ampelkoalition
mit Grünen und FDP kommt. Die Atom-
lobby wird nichts unversucht lassen, die
SozialdemokratInnen von ihrer derzei-
tigen relativ klaren Anti-Atom-Haltung in
kleinen Schritten wegzuführen.
Eine entscheidende Rolle fällt dabei
der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG
BCE) mit ihrem Vorsitzenden Hubertus
Schmoldt zu. Die Pro-Atom-Gewerk-
schaft soll einerseits insgesamt im DGB
für eine atomfreundlichere Haltung
werben, aber auch ihren Einfluss auf
die sozialdemokratischen Funktionäre
nutzen, um die Interessen der Stromkon-
zerne zu vertreten. Schmoldt ist stellver-
tretender Aufsichtsratsvorsitzender von
E.ON. Damit ist er mindestens genauso
interessengeleitet wie der Ex-Wirtschafts-
minister und RWE-Aufsichtsrat Wolfgang
Clement, der sich wegen seiner Angriffe
auf das energiepolitische Konzept von
Andrea Ypsilanti kurz vor der Hessen-
wahl in seiner Partei unbeliebt gemacht
hat. Doch Schmoldt stellt es geschickter
an als Clement. Er wählt nicht den Weg
über die Öffentlichkeit, sondern macht
intensive Lobbyarbeit hinter verschlos-
senen Türen.
Die vier großen Stromkonzerne sind der-
zeit intensiv bemüht von ihrem Image-
Allzeittief wegzukommen. Investitionen
in erneuerbare Energien, der angekün-
digte Verkauf des E.ON-Stromnetzes,
Sozialstromtarife und der vorläufige Ver-
zicht auf weitere Preiserhöhungen sollen
den Ansehensverlust bremsen und damit
politische Handlungsspielräume zurück-
holen. Die neue Riege der Vorstandsvor-
sitzenden (Jürgen Großmann bei RWE,
Hans-Peter Villis bei EnBW und Tuomo
Hatakka bei Vattenfall) ist bemüht, die
beschädigten Drähte zur Politik wieder
instand zu setzen. Statt medienwirk-
samer aber wenig effektiver Energiegip-
fel, setzt man nun auf stille Diplomatie
unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Das Jahr 2008 dient der Atomlobby zur
Vorbereitung für den großen Kampf im
nächsten Jahr. Die Anti-AKW-Bewegung
sollte Ähnliches tun. Und zwar nicht nur
die in Initiativen organisierten Atom-
kraftgegnerInnen, sondern alle, die es
nach Krümmel-Brand, Kinderkrebsstudie
und tausenden von lockeren Dübeln
nicht mehr länger hören können, wie
ernsthaft über eine Zukunft mit Atom-
kraft diskutiert wird. Wer den Glauben
daran, dass es der Atomkonsens schon
richten wird, bisher noch nicht verloren
hatte, sollte das schleunigst tun und
die Sache wieder selbst in die Hand
nehmen. Die Debatte ist eröffnet. Jede/r
AtomkraftgegnerIn kann sich daran aktiv
beteiligen, in Diskussionen, Leserbrie-
fen, Stromwechselpartys, Aktionen und
Demonstrationen. Es ist an der Zeit!
Jochen Stay lebt im Wendland, ist aktiv bei X-tausendmal quer, www.ausgestrahlt.de und „Atomausstieg
selber machen“ und kommt gerne als Referent zu Veranstaltungen (Anfra-
gen an [email protected])
www.atomausstieg-selber-machen.de
23
energie
Die Menschen in den Ländern des Südens werden viel stärker unter den Folgen der globalen Erder-wärmung zu leiden haben als der reiche Norden
Nr. 97/2.08
Klimaschutz - nur mit Gerechtigkeit
Während unser energie- und ressourcenintensive Lebensstil eine der Hauptursachen für den Klimawandel ist, sind vor allem die Menschen in den Ländern des Südens von seinen Folgen betroffen. Sie haben nichts zum Problem beigetragen und können den Klimawandel folglich auch nicht stoppen oder abmildern. Der Klimawandel wird damit zu einer Gerechtigkeitsfrage zwischen Nord und Süd und geht weit über eine Umweltproblematik hinaus.
Die globale Erderwärmung führt
schon jetzt nicht nur zu erhöh-
ten Durchschnittstemperaturen. Die
zusätzliche Energie in der Atmosphäre
entlädt sich in Stürmen, Starknieder-
schlägen oder Hurrikanen. Regen-
und Trockenzeiten verschieben sich,
und Dürren treten verstärkt auf.
Klimawandel verstärkt Armut
Eine der Folgen der Erderwärmung
ist die Verschiebung von Klima- und
damit Anbauzonen für Feldfrüchte.
Während bei einer geringen Zunahme
der globalen Mitteltemperatur um
2 bis 3°C die Getreideerträge in den
gemäßigten Breiten zunehmen, wer-
den sie in den meisten tropischen und
subtropischen Regionen sinken, da die
Pflanzen bereits in ihrem Temperatur-
optimum wachsen. Gerade die Armen
haben aber nicht die Möglichkeit,
schlechte Ernten mit Vorräten aus
dem Vorjahr oder durch finanzielle
Rücklagen zu überbrücken. Zudem
sind sie nicht gegen Ernteschäden
versichert. Genausowenig sind sie in
der Lage ihre Anbauweise oder ihre
Feldfrüchte schnell zu verändern.
Denn ihr Zugang zu Wissen über neue
Anbaumethoden sowie zu anderen
Nahrungspflanzen ist durch geringe
Mittel, Bildung und Medienverfüg-
barkeit sehr begrenzt. Als „Anpas-
sung“ an den Klimawandel bleibt
ohne Unterstützung nur die Kinder
von der Schule zu nehmen, weil das
Schulgeld fehlt oder ihre Arbeitskraft
auf den Feldern benötigt wird. Oder
die Menschen wandern einfach in die
wachsenden Elendsviertel der Städte
energie
Nr. 97/2.0824
Bischof Desmond Tutu warnt vor einer Klima-Apartheid: „Wäh-rend sich die Rei-chen schützen...
Foto: argus/Ross
ab, die ihnen keine Chancen auf ein
würdiges Leben bieten.
An diesem Beispiel wird bereits deutlich,
dass die negativen Folgen des Klima-
wandels vor allem in Verbindung mit
Armut dramatisch wirken. Klimawandel
ist die Spitze des Eisberges der globalen
Ungerechtigkeit!
Trotz aller Klimaschutzpolitik – der
Klimawandel selbst wird sich nicht mehr
abwenden, sondern nur noch begrenzen
lassen. Neben der Herausforderung, eine
emissionsarme Wirtschaft zu gestalten,
müssen wir die Folgen des Klimawan-
dels bewältigen. Der globale Ausstoß
an Treibhausgasen muss innerhalb der
nächsten zehn Jahre rapide abnehmen.
Als Hauptverursacher des Klimawandels
haben die reichen Industrienationen
nicht nur die moralische Pflicht die
Entwicklungsländer zu unterstützen und
mit den betroffenen Menschen soweit
möglich Anpassungsmaßnahmen zu
entwickeln und umzusetzen. Vor allem
stehen wir gemäß Verursacherprinzip in
der Pflicht für Anpassungsmaßnahmen
und für nicht abzuwendende Schäden
aufzukommen. Die Berechnung der
Schäden durch den Klimawandel ist aber
schwierig. Welcher Sturm ist „natürlich“,
welcher durch den Klimawandel ausge-
löst oder verstärkt? Was haben einzelne
Regionen genau an Veränderungen zu
erwarten?
Finanzierung von Anpassungs-maßnahmen
Erste Schätzungen gehen davon aus,
dass zusätzlich zur jetzigen Entwick-
lungsfinanzierung bis zu 90 Milliarden
US $ pro Jahr nötig sein werden, um die
Folgen des Klimawandels zu verhin-
dern bzw. abzumildern. Die Anpassung
an den Klimawandel sollte eng an die
Entwicklungszusammenarbeit angeglie-
dert sein, um bestehendes Know-how
zu nutzen. Allerdings müssen neue und
zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt
werden, eine Umleitung von Entwick-
lungshilfe darf nicht die Lösung sein.
Zudem ist zu überlegen, inwiefern nicht
nur Staaten, sondern auch Konzerne
– z.B. die Energiekonzerne - in die Pflicht
genommen werden können.
Von diesem Prinzip geht auch der
Anpassungsfonds unter dem globalen
Klimaschutzabkommen aus, der seit De-
zember 2007 in Bali nach langjährigen
Verhandlungen endlich seine Arbeit
aufnehmen kann. Er wird gespeist aus
einer zweiprozentigen Abgabe auf Emis-
sionsrechte aus dem Clean Development
Mechanism (CDM). Dieser ermöglicht es
den Unternehmen oder Nationalstaaten
ihre Klimaschutz-Verpflichtungen auch
in Entwicklungs- und Schwellenländern
zu erfüllen. So zahlen auch Konzerne für
die Anpassung.
Bisher sind etwa 26 Millionen US $ im
Fonds, bis 2012 werden insgesamt 160
bis 950 Mio. US $ aus der Besteuerung
der Zertifikate erwartet. Allein Groß-
britannien gibt 26 Mio. wöchentlich
für den eigenen Küstenschutz aus. So
fürchtet Bischof Desmond Tutu, dass es
zu einer Klima-Apartheid kommen wird.
Während sich die Reichen schützen,
lernen die Armen schwimmen. Wird
der Fonds nicht schnellstens auch aus
anderen Quellen gespeist, würden die
Reichen der Welt die globale Unge-
rechtigkeit auf diesem Planeten weiter
verstärken und noch mehr Hunger und
Leid in der Welt säen.
Der Kampf um die Macht über die Finanzmittel …
Dem auf Bali 2007 etablierten Fonds
für Anpassungsmaßnahmen gingen
Foto: Spekking/Wikipedia
25
energie
Nr. 97/2.08
..., lernen die Armen schwimmen.“
Überflutung im Tal des Tana Rivers in Kenia
rung, etwa der Bau von Deichen, kann
nicht wertschöpfend angelegt werden.
Andererseits wird auch der Anpassungs-
fonds allein nicht zu einer transparenten,
armutsorientierten und effizienten
Verteilung und Anwendung der Mittel
führen. Korruption sowie wachstums-
orientierte Entwicklungsprioritäten auf
Kosten der Armen sind aus anderen
Politikfeldern und Ländern bekannt. Des-
halb ist eine effektive Beteiligung durch
die Bevölkerung unabdingbar. Es muss
sichergestellt werden, dass die Bedürf-
nisse der am stärksten Betroffenen als
erstes befriedigt werden und dass ihre
Erfahrung und ihr Wissen voll berück-
sichtigt werden, um Fehlsteuerungen zu
vermeiden.
… gefährdet Fortschritte in der internationalen Klima-schutzpolitik
Trotz dieser Bedenken ist der bestehende
Anpassungsfonds unter dem Dach der
Klimarahmenkonvention längst über-
fällig und muss unbedingt ausgebaut
werden. Denn der Vorstoß der Weltbank
gefährdet den Fortschritt in der inter-
nationalen Klimaschutzpolitik! Die volle
Unterstützung der Industrieländer für die
Entwicklungsländer und deren volle Mit-
sprache bei der Verwendung der Mittel
ist nicht nur gerecht, sondern wird auch
Vertrauen schaffen! Ohne dieses werden
Schwellenländer nicht bereit sein selbst
emissionsarme Wirtschaftspfade zu
beschreiten. Abermals wäre ein Stillstand
bei den internationalen Verhandlungen
vorprogrammiert.
Die Optionen zur Anpassung an den
Klimawandel dürfen allerdings nicht
darüber hinwegtäuschen, dass Klima-
schutz nötiger denn je ist! Eine Abkehr
unseres auf Ausbeutung basierenden
Wirtschaftens ist unbedingt notwendig!
Energie- und Automobilkonzerne, die
diesen Wandel aus Profitstreben heraus
blockieren und sich lediglich mit mehr
oder weniger effektiven PR-Aktionen
für den Schutz des Planeten einsetzen,
handeln hochgradig unethisch.
Umwelt- und Entwicklungsorganisati-
onen, Kirchen und andere gesellschaft-
liche Akteure, müssen Klimaschutz und
Anpassung in den Blick nehmen und
auch die (finanzielle) Verantwortung
unserer Wirtschaft und Staaten für die in
den Ländern des Südens sich längst ab-
spielende Klimakatastrophe einfordern.
Klimaschutz ist nicht nur eine Frage
des technischen Umbaus, sondern vor
allem eine Frage sozialer Gerechtigkeit.
Nur dann kann globaler Klimaschutz
gelingen.
Anika Schroeder ist Diplom Umwelt-wissenschaftlerin und Referentin
für Klimawandel und Entwicklung bei MISEREOR, http://www.misereor.
de/themen/klimawandel.html
www.klima-und-gerechtigkeit.de
starke Machtkämpfe zwischen Indus-
trie- und Entwicklungsländern voraus.
Im Gegensatz zu anderen Fonds haben
die Entwicklungsländer im Aufsichtsgre-
mium die Mehrheit. Das ist ein großer
Erfolg der Entwicklungsländer. Denn der
„Finanzierungsmechanismus für den
globalen Umweltschutz“ der Weltbank
(Global Environmental Faciliy: GEF) hatte
sich massiv dafür eingesetzt, dass sie
den Fonds verwalten dürfe. Dies hätte
den Geberländern die Entscheidungs-
macht über die Verwendung der Mittel
gegeben und nicht denen, für die der
Fonds aufgelegt wurde und die von den
Auswirkungen der Klimakatastrophe
direkt betroffen sind.
Der GEF verwaltet bereits zwei andere
Fonds des internationalen Klimaschutz-
abkommens zur Unterstützung von
Entwicklungsländern bei der Anpassung
und klimafreundlichen Entwicklung.
Im Anpassungsfonds kommt ihm nun
lediglich die Rolle eines Sekretariats zu,
und selbst diese Funktion soll periodisch
geprüft werden. Für die Weltbank und
viele Geberstaaten war dies eine schwere
Niederlage.
Doch die Weltbank gibt nicht so schnell
auf. Unterstützt durch Japan, die USA
und Großbritannien bewirbt sie derzeit
eigene neue Klimafonds zur Anpassung
und zur Bekämpfung des Klimawandels
über Technologietransfer und Wald-
schutz. Die Kontrolle über diese Fonds-
Mittel hätten dann wieder diejenigen,
die das Geld zur Verfügung stellen und
die für die Katastrophe verantwortlich
sind. Die drei Staaten haben bereits
erhebliche finanzielle Zusagen gemacht
und fordern andere Länder auf sich zu
beteiligen.
Zwar beteuert die Weltbank, dass ihre
Fonds nicht in Konkurrenz zu den Fonds
unter dem Klimaschutzabkommen
stehen. Dies ist aber zu bezweifeln, weil
Finanzierer solche Fonds vorziehen, in
denen sie allein über die Verwendung
der Mittel entscheiden. Besonders
bedenklich ist, dass Japan die Mittel aus
Entwicklungstöpfen nehmen will. Groß-
britannien stellt das Geld nur für Kredite
zur Verfügung. Damit droht eine Neuver-
schuldung der Entwicklungsländer, denn
Maßnahmen zum Schutz der Bevölke-
Foto: argus/Aid/Griffiths
Nr. 97/2.08
merk-würdiges
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Fernsehgeräte
Statistisch gibt es in jedem Haushalt mehr als einen Fernse-
her und jeder von ihnen verbraucht durchschnittlich 90 kWh
Strom im Jahr. Um aber weiter Geräte verkaufen zu können,
bemüht sich die Industrie neue Produkte anzubieten. Seit
einigen Jahren zeichnet sich ein Trend zu flachen Bildschirmen
ab. Daneben geht die Entwicklung zu neuen Technologien, zu
LCD- oder TFT-Fernsehern, zu Plasmabildschirmen oder auch
zu Video-Beamern.
Der Energieverbrauch dieser Techniken ist höchst unterschied-
lich. LCD und TFT Bildschirme gelten als zukunftsweisend in
Wasserbetten
Wasserbetten sind groß in Mode. Sehr bequemes Liegen,
als Voraussetzung für einen guten Schlaf und gesund-
heitliche Vorteile für einen strapazierten Rücken, sind die
Dinge, die der Kunde von seiner neuen Liegestatt erwartet.
Energetische Betrachtungen geraten dabei leider oft in den
Hintergrund.
Denn Wasserbetten haben einen entscheidenden Nachteil:
Damit man in diesen Betten nicht friert, müssen sie beheizt
werden und das nicht nur im Winter, sondern das ganze
Jahr über. Pro Bettstelle wird eine elektrische Heizung mit
ca. 300 W Leistung vorgehalten, um die ca. 600 Liter Was-
ser auf Temperatur zu bringen.
Dabei werden nicht nur die sehr umstrittenen elektromag-
netischen Felder im sensiblen Schlafbereich erzeugt, sondern
auch erhebliche Umweltbelastungen durch den hohen
Stromverbrauch. Pro Jahr benötigt ein solches Bett ca.
1000 kWh an elektrischer Energie. Zum Vergleich: Ein guter
Bildqualität und Energieeffizienz. Ihr Stromverbrauch liegt
bei gleicher Bildschirmgröße unterhalb der herkömmlichen
Röhrengeräte. Plasmafernseher und Video-Beamer dagegen
sind nicht nur sehr teuer, sie verbrauchen auch sehr viel Strom:
rund 4 bis 5 mal mehr als gleich große LCD Fernseher.
Neben der Technik spielt die Bildschirmgröße eine wichtige
Rolle beim Energieverbrauch. Je größer der Bildschirm, desto
höher wird die Stromrechnung. Dabei haben große Bildschirme
nicht per se auch eine bessere Bildqualität. Die Anzahl der vom
Sender übermittelten Bildpunkte ist immer gleich. Das kann
auf einem großen Bildschirm Unschärfen
zur Folge haben, die dann wieder mit
aufwändiger und oft energieintensiver
Technik korrigiert werden müssen.
Auch die 100-Hertz-Antiflimmertechnik
hält nicht immer, was sie verspricht,
verbraucht aber rund 30 Prozent mehr
Energie. Schauen sie sich vor dem Kauf
insbesondere schnell bewegte Bilder
kritisch an. Generell gilt: Schalten Sie
Ihren Fernseher immer vollständig aus,
wenn Sie ihn nicht benutzen, am besten
mit einem schaltbaren Netzstecker
oder einer schaltbaren Steckerleiste. So
vermeiden Sie viel unnötigen Stand-by
Verbrauch.
...und ein fernsehfreier Tag in der Woche
spart immerhin rund 12 kWh im Jahr.
Foto: Anne Bermüller/Pixelio
Kühlschrank verbraucht etwa 170 kWh, ein Herd 400 kWh
im Jahr. Damit verbraucht ein Wasserbett alleine etwa so viel
Strom wie ein sparsamer Zwei-Personen Haushalt.
Aus Umweltsicht kann ein Wasserbett daher nicht empfohlen
werden. Wenn Sie aber schon eines haben, sollten Sie die
folgenden Tipps beachten:
> Wählen Sie die niedrigste Wassertemperatur, die Ihnen
noch angenehm ist.
> Schalten Sie die Heizung tagsüber ab und erwärmen Sie
das Wasser erst gegen Abend. Hierbei kann eine Zeitschaltuhr
hilfreich sein.
> Denken Sie daran, die Heizung ganz abzustellen, wenn Sie
das Bett länger nicht benutzen, z.B. im Urlaub.
> Versuchen Sie das Bett zu dämmen. So können Sie den
Bettkasten unter der Matratze mit geeigneten Materialien
füllen. Decken Sie tagsüber die Matratze von oben möglichst
vollständig mit der Bettdecke ab. Zusätzlich sollten Sie eine
Tagesdecke verwenden.
Werner Brinker, Darmstadt
26
Nr. 97/2.08
internes
Bayreuth
Johannes Krug, 0921/5087165
Berlin
Donnerstag, 20 Uhr (14-tägig)
im „Verwaltungsgebäude“ des RAW-
Tempels, Revaler Str. 99, 10245 Berlin-
Friedrichshain
Braunschweig
Donnerstag, 20 Uhr
Ort bitte erfragen bei
Thomas Erbe: 0531/2505865
Bremen
Geschäftsstelle: 0421/598288
Dienstag, 19 Uhr, (14-tägig,
gerade Wochen)
Treffpunkte
Hier erfahren Sie, wann und wo die Aktiven von ROBIN
WOOD sich treffen. Schauen Sie doch mal bei uns vorbei!
Freiburg
Bei uns können sich alle Interessier-
ten aus Baden-Württemberg melden:
c/o Erik Mohr: 0761/4894617 oder
0172/7413995, [email protected]
Greifswald
Birger Buhl, Tel.: 03834/513138
Hamburg-Lüneburg
jeden 2. und 4. Mittwoch,
18.30 Uhr in der Pressestelle,
Nernstweg 32, 22765 Hamburg-Altona
Kathrin Scherer: 04131/206160
Kassel
jeden 1. Donnerstag im Monat, 17 bis
19 Uhr im Umwelthaus Kassel, Infos bei
Klaus Schotte: 0561/878384
Köln
Montag, 20.30 Uhr
Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3
Leipzig
Sebastian Vollnhals, c/o Infoladen Libelle,
Kolonnadenstr. 19, 04109 Leipzig
Tel.: 0341/2246650
Rhein-Main
Termine erfragen bei:
Rhein-Neckar
jeden 2. und 4. Dienstag um 19 Uhr
im ASV, Beilstraße 12, Mannheim
Juliane Boß: 06221/589251
München
jeden 2. und 4. Mittwoch, 20 Uhr
„Im Werkhaus“, Leonrodstr. 19
Tel.: 089/168117
27
Neues Projekt: ROBIN WOOD
gibt zusammen mit dem Verein
„Mieter helfen Mietern“ in Ham-
burg Tipps zum Stromwechsel.
Interessierte können sich jeden
2. und 4. Donnerstag im Mo-
nat von 17 bis 18 Uhr über den
Wechsel ihres Stromlieferanten
kostenlos und ausführlich beraten
lassen. MitarbeiterInnen von
ROBIN WOOD werden in der Ge-
schäftstelle des Mietervereins in
der Bartelsstraße 30 (Nähe U-/S-
Bahn Sternschanze) im Hambur-
ger Schanzenviertel alle Fragen
rund um den Anbieterwechsel
beantworten.
Bayreuther Umwelt-tag 2007: ROBIN WOOD wirbt auf Plakatwänden für den Wechsel zu Ökostrom-Anbietern
tatorte
Nr. 97/2.0828
Karlsruhe, 25.02.08: 14 AktivistInnen von ROBIN WOOD besetzten die Zufahrt zu einem Kohlekraftwerk bei Karlsruhe. An
diesem Standort plant der Stromriese EnBW die Kapazität des schon vorhandenen Kohlekraftwerks zu verdoppeln und somit
weitere fünf Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich in die Luft zu blasen. Aus Protest dagegen richteten sich AktivistInnen auf zwei
sogenannten Dreibeinen sechs Meter über der Straße neun Stunden lang ein und entrollten ein Banner mit der Botschaft: „Keine
fossile Steinzeitenergie!“ ROBIN WOOD fordert, dass EnBW die rund eine Milliarde Euro, die für den Ausbau des Kraftwerks aus-
gegeben werden sollen, lieber in erneuerbare Energien investieren sollte. Stattdessen wurde am 28. Februar sogar der vorzeitige
Baubeginn des Klimakillers genehmigt. EnBW-KundInnen, die diese verantwortungslose Unternehmenspolitik nicht unterstützen
wollen, sind aufgerufen, zu einem Ökostromanbieter zu wechseln.
Hamburg-Moorburg, 12.03.08: Nicht nur das Klima,
auch Umwelt und Gesundheit werden durch die
geplanten 19 neuen Kohlekraftwerke schwer belastet:
Flüsse werden aufgeheizt, die Feinstaubbelastung wird
steigen. In Hamburg-Moorburg ist eins der größten
Steinkohle-Kraftwerke Deutschlands geplant. Bei
den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und der
grünen GAL war das ein wichtiger Verhandlungspunkt.
ROBIN WOOD-AktivistInnen forderten vom Energiekon-
zern Vattenfall sowie von der Politik, auf den Bau des
Klimakillers zu verzichten. Auf der schon bestehenden
Baustelle für das zukünftige Kraftwerk befestigten sie
an Strommasten ein großes Transparent mit der Auf-
schrift „Kohle macht krank!“ Um die Proteste gegen
Kohlekraft zu unterstützen, hat ROBIN WOOD ein
neues Faltblatt zum Thema erstellt, das mit regionalen
Einlegern versehen werden kann.
Kohle killt Klima
Karlsruhe
29
tatorte
Nr. 97/2.08
Faules Ei Bahnprivatisierung –
Große Koaliton gegen große Mehrheit
Das Holdingmodell zur Bahnprivatisierung ist beschlossen. Am 21. April
stimmte der SPD-Parteirat für ein „Holdingmodell light“: 24,9 Prozent des
Bereichs Güter- und Personentransport sollen unter dem Dach der Deutschen
Bahn AG an die Börse gehen. Der Rest der Anteile an der DB AG, darunter
die gesamte Infrastruktur, bleibt im Eigentum des Bundes. „Light“ beschönigt
jedoch die Folgen der Entscheidung. Das Holdingmodell ist der Einstieg in den
Ausverkauf der Bahn. Eine wirksame Begrenzung auf 24,9 Prozent wird es auf
lange Sicht nicht geben. Es gibt kein ordentliches Gesetzgebungsverfahren,
sondern nur einen Vertrag zwischen DB AG und Bund. Die Befürworter der Pri-
vatisierung frohlocken, dass schon beim jetzigen Aktienpaket die Mechanismen
des Kapitalmarktes für die gesamte Unternehmenspolitik greifen werden.
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren – auf diese einfache Formel lässt
sich die Bahnpolitik der großen Koalition bringen. Die vermeintliche kurzfri-
stig vergrößerte Leistungsfähigkeit wird mit massiven, mittel- und langfristig
wirkenden Verschlechterungen erkauft. Diese werden den Steuerzahlenden,
den Beschäftigten und der Bahnkundschaft aufgebürdet. Insbesondere leidet
die Substanz der Bahn aufgrund der heruntergefahrenen Investitionen und
des Fahrens auf Verschleiß. Dazu kommen Immobilienverkäufe, vergrößerte
Rückstellungen und nicht bilanzierte öffentliche Zuschüsse in Milliardenhöhe,
zu denen sich der Bund auch gegenüber einem teilprivatisierten Unternehmen
verpflichtet.
Siebzig Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind gegen jede Privatisierung
und wollen eine Bahn in öffentlicher Hand. Das hat eine von unserem Bünd-
nis im März in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Emnid-Instituts
ergeben. Die große Koalition stellt sich mit ihrer Entscheidung zur Bahnprivati-
sierung gegen die große Mehrheit der Bevölkerung.
Zwei Jahre hat ROBIN WOOD im Bündnis „Bahn für Alle“ intensiv gegen die
Privatisierung gestritten. Wir haben nicht alles, aber sehr viel erreicht: Das
Schienennetz bleibt vollständig in öffentlicher Hand, das Transport-Aktienpa-
ket fällt in der ersten Tranche deutlich kleiner aus. Vor allem aber haben wir
erreicht, dass die negativen Folgen der Privatisierung in aller Munde sind und
Medien und Politik die Interessen möglicher Käufer höchst aufmerksam ver-
folgen. Die DB-Führung hat ihren Börsenprospekt schon druckfertig. Ob und
wann sie ihn herausgibt ist noch offen.
Berlin
Nürnberg
HamburgROBIN WOOD aktiv im Bündnis „Bahn für Alle“
Am 3. März spannten wir anlässlich des SPD-Parteirats ein Trans-
parent mit der Aufschrift „Hört die Signale – Stopp Börsenbahn“
vor dem Willy-Brandt-Haus. Davor tanzte das „Kellenballett“ der
Berliner Bahn-Aktiven. In zahlreichen Städten gab es kurz vor
Ostern Aktionen: In Nürnberg bekamen Reisende ein Stück vom
leckeren Bahnkuchen, in Hamburg fuhren riesige Ostereier als
Börsengeschenke durch den Hauptbahnhof, in Dresden postulier-
ten Hasen „Der Zug ist noch nicht abgefahren“, in Mainz startete
eine Rollköfferchen-Polonaise. Ende März veröffentlichten wir auf
einer buchstäblich überlaufenden Pressekonferenz unsere aktuelle
Umfrage und lieferten Hintergrundinformationen zur bevorste-
henden Bilanzpressekonferenz der DB AG und dem sozialdemo-
kratischen Entscheidungsprozess.
Fotos: ROBIN WOOD
verkehr
Nr. 97/2.0830
Elbe in Gefahr
Mit der Deutschen Einheit atmete
die Elbe auf, die Verschmutzung
hatte ein Ende, zumindest in ihrer
schlimmsten Ausprägung. Die Fische
kamen wieder zurück und selbst
die Menschen wagen immer öfter
ein Bad in der Elbe, Elbe-Badefeste
etablieren sich seit 2002. Doch die
Freude darüber wird mehr und mehr
getrübt. Die Wasserstraßenplaner
legen an Elbe und Saale Hand an.
Große Europaschiffe sollen ganzjährig
fahren können. 1992 wurde die erste
„wissenschaftliche Prognose“ über
den künftigen Güterverkehr auf der
Elbe erstellt: Millionen Tonnen sollten
2015 transportiert werden, eine Ver-
dreifachung gegenüber 1992. Seither
wurde viel Geld investiert. Insgesamt
300 Millionen Euro in die Häfen
entlang von Elbe und Saale. Jährlich
kommen für für Unterhaltung und
Verwaltung der Bundeswasserstraßen
Elbe und Saale 40 Mio. Euro hinzu,
darin enthalten sind auch die Gelder
für die laufenen Baumaßnahmen. Jähr-
lich werden 100 000 Tonnen schwere
Schottersteine an den Ufern der Elbe
verkippt, sie wird eingeengt und ver-
tieft, angeblich um die Schiffbarkeit zu
verbessern. Durch die Eintiefung der
Elbe - seit ihrer „Regulierung“ vor über
100 Jahren hat sie sich zwischen Tor-
gau und Magdeburg um rund 2 Meter
eingegraben - wird den Auenwäldern
das Wasser abgegraben. Und jedes
Jahr fällt der Wasserstand in Fluss und
Aue weiter - eine fatale Entwicklung.
80 Mio. Euro für einen nutzlosen Saale-Elbe-Kanal?
Das Absurde: Je mehr Schotter - im
doppelten Sinne - in Elbe und Saale
versenkt wird, um so weniger Güter-
schiffe fahren auf den Flüssen. Derzeit
wird nur noch 1 Mio. Tonnen auf der
Elbe transportiert. Es handelt sich also
um ein umgekehrtes Verhältnis: Je
mehr Geld in die Wasserstraßen Elbe
und Saale gesteckt wurde, um so we-
niger wurde auf dem Wasser transpor-
tiert. Doch die Hoffnung der Wasser-
straßenplaner stirbt zuletzt. Jetzt soll
ein neuer Kanal für den ganzjährigen
Saale-Elbe-Verkehr mit Europaschiffen
(1350 Tonnen Ladung) gebaut werden,
der Saale-Elbe-Kanal. Kosten: 80 Mio.
Euro. Ausgangspunkt ist der Hafen
Halle. Erst in den 90er Jahren für 30
Mio.Euro ausgebaut und modernisiert,
Aktion von PRO ELBE: Die Elbe ist ein flacher Fluss, Herr Tiefensee!
Fotos: E. Paul Dörfler
Da auf der Saale kaum noch Güterschiffe fahren, soll ein Kanal bis an die Elbmündung gebaut werden. Doch auch auf der Elbe fahren nur we-nige Güterschiffe: Denn Saale und Elbe fehlen für einen rentablen Gütertransport die nötigen Wassermengen
Die größten zusammenhängenden Auenwälder Mitteleuropas, die letzten ihrer Art, wurzeln heute noch an den Ufern der Mittelelbe. Noch! Ein kleines Relikt unserer ehemaligen Urwälder blieb wie durch ein Wunder erhalten. Deshalb und weil die Elbe noch nicht zur technisch perfekten Wasserstraße ausgebaut war, hat die UNESCO diese Auenwälder schon 1979 als erstes Biosphärenreservat ganz Deutschlands anerkannt. Derweil wird an der Unterelbe die nächste Fluß-vertiefung geplant, damit die größten Schiffe der Welt jederzeit den Hambur-ger Hafen anlaufen können.
verkehr
hat in den letzten zwei Jahren dort kein
Schiff mehr angelegt. Für diesen derzeit
einzigen Hafen an der Saale soll nun
der Saale-Elbe-Kanal gebaut werden.
Das Problem: Die Schiffe können auch
nach dem Kanalbau die meiste Zeit des
Jahres nicht fahren, denn die am Kanal
anschließende Elbe ist nicht tief genug.
So wird entweder ein „Geisterkanal“
entstehen, wie der „Spiegel“ treffend
getitelt hat, oder die Elbe muss weiter
vertieft werden. So wäre der Saalekanal
der Einstieg zur Kanalisierung der Elbe.
Den Auenwäldern wird dies mit Sicher-
heit nicht bekommen.
Dass der Güterschiffahrt in Zukunft das
Wasser noch knapper zu werden droht,
weil wir nach allen Erkenntnissen der
Klimaforscher mit höheren Tempera-
turen und anhaltenden Trockenzeiten
zu rechnen haben, stört die Kanalplaner
wenig. Die Bundesanstalt für Wasserbau
geht in den Planungsunterlagen für den
Saalekanal - das Raumordnungsverfah-
ren wurde im April 2008 eröffnet - von
einer „Trendfreiheit“ in Sachen Klima
und Wasser bis 2050 aus. Der Klima-
wandel schlägt also, ginge es nach den
Wasserstraßenbehörden, um Elbe und
Saale einen Bogen.
20 Verbände und Initiativen rufen
deshalb den Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück in einer Petition auf, den
Kanalplanern das Geld zu entziehen. Wir
können es uns nicht leisten, für einen gi-
gantischen Kanal, den niemand braucht,
Steuermillionen und unsere Natur zu
opfern.
Bekunden Sie Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück Ihren Widerstand gegen die
Saale-Elbe-Kanalpläne! Unterzeichen Sie
noch heute: http://www.elbe-saale-ka-
nal-nein.de
Ökonomisch und ökologisch nicht vertretbar: Geplante Elbvertiefung bei Hamburg
Vor gut sechs Jahren hat Hamburg
die weitere Vertiefung der Unter- und
Außenelbe beantragt. 2007 sollte die
Öffentlichkeit an den Planungen beteiligt
und bereits mit vorgezogenen Teilmaß-
nahmen begonnen werden. Doch der
Zeitplan ist ins Stocken geraten. Die of-
fizielle Begründung dazu: Das Vertrauen
in das Verfahren und in Deichsicherheits-
fragen solle erhöht und das Planfest-
stellungsverfahren vereinfacht werden.
Tatsächlich macht den Planern Probleme,
dass es für die Vertiefung der Unterelbe
auf etwa 60 Kilometern Länge um rund
50 Zentimeter keinen stichhaltigen Be-
darf gibt, wie aktuelle Zahlen belegen.
2007 haben 6501 Containerschiffe Ham-
burg angelaufen. Lediglich 4,55 Prozent
dieser Schiffe hatten tatsächlich einen
größeren Tiefgang als 12,80 Meter und
konnten die Unterelbe nur tideabhängig
befahren. Wenn die Elbe weiter ausge-
baggert wird, sollen Schiffe mit einem
Tiefgang von 14,50 Meter den Hambur-
ger Hafen jederzeit anfahren können.
Tatsächlich haben 2007 bereits 587
dieser Super-Post-Panmax-Schiffe mit
einer Transportkapazität zwischen 7000
und 10.000 TEU den Hamburger Hafen
ohne Probleme angelaufen.
Obwohl der Containerumschlag seit
der letzten Elbvertiefung 1999 von 3,7
auf rund zehn Millionen TEU (2007)
zugenommen hat, drohen die Planer,
dass ohne erneute Elbvertiefung ein
Umschlagsverlust von rund zwei Milli-
onen TEU und damit die Vernichtung
von Arbeitsplätzen zu erwarten sei. Für
Herbert Nix vom Hamburger „Förderkreis
Rettet die Elbe e.V.“ sind die Kalkulati-
onen der Planer nicht aufgegangen und
Nr. 97/2.08
die aktuellen Zahlen über Tiefgänge
und Umschlagsmengen belegten, dass
es keinen echten Bedarf für ein erneutes
Ausbaggern der Elbe gibt. „Die ge-
plante Elbvertiefung entbehrt jeglicher
ökonomischer Grundlage und muss aus
ökologischen Gründen unterbleiben,“
fordert er. Denn Elbvertiefung und das
Vernichten von Flachwassergebieten sind
verantwortlich dafür, dass der Sauer-
stoff im Wasser knapp wird. Herbert
Nix verwundert es deshalb nicht, dass
trotz relativ verbesserter Wasserqualität
immer häufiger Sauerstofflöcher in der
Unterelbe auftreten und Fischsterben
gemeldet werden.
Auch größte Containerschiffe können den Hamburger Hafen schon heute erreichen
31
Mit dem ROBIN WOOD-Floß gegen den Ausbau der Elbe
Foto: argus/Frischmuth
Ernst Paul Dörfler engagiert sich
seit vielen Jahren für den Schutz
der Elbe, www.elbeinsel.de
Infos zur Elbvertiefung aus
„Waterkant“, Heft 1/2008
www.waterkant.info
32
wald
Briefe für Karibus und Regenwald
Berlin, 31. Januar 2008: Nur sehr zöger-
lich ließ sich die diplomatische Vertreterin
der kanadischen Botschaft bewegen, das
Berliner Botschaftsgebäude zu verlassen
und zu der kleinen ROBIN WOOD-Insze-
nierung vor der Eingangstür zu kommen.
Doch schließlich stand sie da, recht
stumm, doch mit aufgesetzt freundlicher
Miene, zwischen lebensgroßen Plüsch-Ka-
ribus, ROBIN WOOD-Transparenten und
Pressefotografen. Stumm und freundlich
nahm sie auch die mit rund viereinhalb-
tausend Unterschriften versehenen Pro-
testbriefe entgegen. Und ziemlich wort-
karg versprach sie dann, alle diese Briefe
sofort an den Premier der kanadischen
Provinz British Columbia weiterzuleiten.
Noch hat Provinzchef Gordon Campbell
nicht auf die Forderung nach einem
umfassenden Schutz der Regenwäldern
im bergigen Osten seiner Provinz geant-
Foto: Valhalla Wilderness Society
Nr. 97/2.08
wortet. Campbell hatte im Oktober
letzten Jahres einen Schutzplan für die
nur in dieser Region lebenden Bergkari-
bus angekündigt. Doch dieser Plan war
mehr als halbherzig. Denn: Zum unver-
zichtbaren Lebensraum dieser akut vom
Aussterben bedrohten Tiere gehören auch
die Regenwäldern in den Tälern mit ihren
eindrucksvollen, bis zu 80 Meter hohen
Baumgiganten. Doch diese Wälder tau-
chen im Schutzplan der Regierung kaum
auf. Die Forstindustrie kann dort weiter-
holzen wie bisher.
Dass der Premier bislang nicht geantwor-
tet hat, kann sogar ein gutes Zeichen
sein. Denn normalerweise reagiert er re-
lativ prompt mit einem freundlichen, aber
recht nichts sagenden Schreiben. Mög-
licherweise rumort es bereits innerhalb
der Regierung. Die Valhalla Wilderness
Society, unsere Partnerorganisation vor
Ort, hat jeden-
falls bei ihren
Gesprächen und
Diskussionen
den Eindruck
gewonnen, dass
der internatio-
nale Protest durchaus von der Provinz-
regierung registriert worden ist. Es gäbe
sogar Anzeichen, dass über einzelne
Punkte des völlig unzureichenden
Karibu-Schutzplans die Diskussion noch
einmal neu eröffnet werden könnte.
Denn auch aus dem Umweltministerium
kommen mittlerweile kritische Stim-
men, die darauf hinweisen, dass selbst
die wenigen zum Schutz vorgesehenen
Regenwaldgebiete überwiegend Wald-
flächen seien, die in den letzten Jahr-
zehnten abgeholzt wurden. Bergkaribus
brauchen aber für ihr Überleben alte,
über 140-jährige Wälder.
Vielleicht ist es aber auch nur pures
Wunschdenken, dass die zunehmende
Kritik bereits Wirkung bei der Provinz-
regierung zeigt. Wir haben daher ein
weiteres Paket an Gordon Campbell
geschnürt - mit den rund neunhundert
Protest-Unterschriften, die noch nach
unserer Aktion bei uns eingegangen
sind. Und wir haben eine Brief beigelegt,
der eine baldige Antwort des Premiers
anmahnt.
Rudolf Fenner, Hamburg
Fotos: Stephan Röhl
wald
Nr. 97/2.08 33
„Der Waldzustand in Deutschland hat
sich 2007 gegenüber dem Vorjahr
weiter verbessert“, ließ Forstminister
Seehofer per Presseerklärung verlauten.
Da hat er wohl seine Scheuklappen
noch etwas enger als sonst angelegt.
Denn diese Aussage beruht allein
auf den Zahlen für stark geschädigte
Bäume. Die haben sich nach den
Dürreschäden des überaus trockenen
Sommers 2003 tatsächlich etwas erholt.
Doch die Gesamtschäden in den Kronen
der Waldbäume liegen – nach Seeho-
fers eigener Statistik – im Jahr 2007
sogar höher als im Jahr zuvor: Nur 30
Prozent der Waldbäume erscheinen
äußerlich noch gesund. Die Fieberkurve
des siechen Waldes zeigt unverändert
nach oben. Besonders schlecht geht es
dabei den Laubbäumen: Nur 15 Prozent
der Buchen und 14 Prozent der Eichen
haben noch keine Schadsymptome. Ein
dramatischer Trend! Hochgerechnet aus
den Daten der letzten zweiundzwan-
zig Jahre würden schon in etwa zehn
Jahren keine gesunden Buchen und
Eichen in Deutschlands Wäldern mehr
zu finden sein.
Dass Seehofer beim Thema Waldster-
ben nicht so genau hinschauen will,
hat Methode in seinem Ministerium.
Schließlich ist es auch zuständig für eine
der Hauptursachen des Waldsterbens:
die hohen Stickstoff-Emissionen aus der
landwirtschaftlichen Tierproduktion.
So wurden die aktuellen Daten zum
Waldsterben diesmal statt im Rahmen
einer Pressekonferenz lediglich mit einer
Presseerklärung ins Internet gestellt.
Prompt ging die Meldung fast unter
im allgemeinen Nachrichtengerausche.
Überhaupt wird das Ministerium künf-
tig nur noch einmal innerhalb einer
Legislaturperiode über den Zustand des
Waldes ausführlich berichten. Dies hat
das Ministerium Ende vergangenen Jah-
res mit einer Gesetzesänderung unter
dem Schlagwort „Bürokratieabbau“
im Kabinett durchgesetzt. Allerdings
wird dieser Waldbericht nun doch
gesondert publiziert. Denn ursprünglich
war sogar geplant, ihn im allgemeinen
Landwirtschaftsbericht zwischen den
Ausführungen zur Lage in der Land-
und Fischereiwirtschaft untergehen zu
lassen.
Immerhin: Durchgesetzt, und zwar
sowohl beim Bundesministerium als
auch bei den Landesforstministerien,
hat sich die Einsicht, dass es doch
wohl unverzichtbar ist, die Schäden in
den Wäldern auch künftig jedes Jahr
bundesweit zu erfassen. Dies war die
Hauptforderung von ROBIN WOOD, die
auch mit einer E-Mail- und Postkarten-
Protestaktion an Seehofer im vergan-
genen Jahr unterstrichen wurde. Denn
wenn keiner mehr den Fieberverlauf des
kranken Waldes dokumentiert, dann
verliert jeder Bericht über den Zustand
des Waldes seine Aussagekraft – egal
ob er nun jährlich oder nur alle vier
Jahre geschrieben wird.
Rudolf Fenner, Hamburg
Vom Schweigen
im Walde
Wunderbaum – Schadstufe vier*
Wer kennt ihn nicht, den „Wunderbaum“, diese zwölf
Zentimeter kleine Papp-Edeltanne, die seit knapp fünf-
zig Jahren muffende Raumluft mit Vanille-, Apfel- oder
gar Kokosnuss-Aroma zu optimieren versucht? Vor
allem Auto- und BeifahrerInnen dürften ihn kennen,
denn am Rückspiegel vor der Windschutzscheibe, bau-
melt dieser notorische „Lufterfrischer“ am allerliebsten.
ROBIN WOOD bietet jetzt eine zeitgerechte, wenn
auch geruchsfreie Version dieses Wunderbaums an, die
auch den aktuellen Zustand unseres nach frischer Luft
schnappenden deutschen Waldes berücksichtigt. Das
ideale Geschenk für unverbesserliche Auto-Maniacs in
Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.
Das Angebot ist limitiert. Rund 200 Exemplare – von
einer Münchener Agentur für ROBIN WOOD kreiert
– sind für eine Spende von mindestens 3,00 Euro pro
Stück in der ROBIN WOOD-Geschäftsstelle zu bekom-
men. Bitte keine Zahlungen im Voraus. Ein Spenden-
vordruck wird der Sendung beigelegt.
[email protected] oder Telefon.: 0421/598288
* Bei der Erfassung der
Waldschäden fallen abge-
storbenen Bäume unter die
Kategorie Schadstufe vier
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Nr. 97/2.0834
Derzeit findet Holz in Deutschland fast ausschließlich Verwendung in der Innenaus-stattung. In skandinavischen Ländern ist das anders. In Finnland etwa waren und sind Holzhäuser in aufwendiger Blockhausarchitektur traditionell ein Privileg vermögender Familien und der Kirchen. Und so findet man dort noch heute oft über 200 Jahre alte Häuser, Speicher und Kirchen in Holzbauweise. Dass die nachwachsende Natur-Ressource Holz auch in Deutschland eine Zukunft als Konstruktionsbaustoff haben könnte, zeigt ein siebengeschossiges Mehrfamilienhaus in Berlin. Nur acht Wochen nach Baubeginn feierten die Bauherren – die Baugruppe e3 – am 16. November 2007 Richtfest.
„Raus aus dem verstaubten Winkel“
Einer der Bauherren ist Carsten
Probst. Nachdem die erste Pro-
jektgruppe „kollabiert“ war, stieß der
Schriftsteller und Architekturkritiker
zu der zweiten Gruppe, die sich aus
einigen der Ideengeber und neuen
Interessenten zusammengefunden
hatte: „Für mich und meine Frau
gab es mehrere Gründe, warum wir
dieses Projekt so ansprechend fanden.
Zunächst einmal war es günstiger
– allerdings auch risikoreicher –, das
Haus nicht als fertiges Projekt von
einem etablierten Bauunternehmer
übernehmen zu müssen. Und dann
bietet das Haus durch seine einzel-
nen Konstruktionselemente ein hohes
Maß an gestalterischer Freiheit. Es gibt
praktisch sieben Etagen, die alle einen
anderen Grundriss haben. Eine Partei
zieht mit Kindern ein, ich selbst brauche
viel Platz zum Arbeiten. Es war spannend
zu sehen, wie die örtlichen Möglich-
keiten, die Vorgaben der Behörden und
die Wünsche der Bauherren aufeinander
abgestimmt wurden.“
Die Idee zu diesem ungewöhnlichen
Projekt hatten im Juli 2005 eine Handvoll
desillusionierter Wohnungssucher, die
eben nicht nur familienfreundlichen,
sondern auch bezahlbaren Wohnraum
Fotos: Kaden-Klingbeil/B. Borchardt/Berlin
Ein Haus mit sieben Stock-werken aus Holz wurde im Zentrum von Berlin gebaut
Nr. 97/2.08
grü
ne b
eru
fe
suchten. Kein einfaches Unterfangen im
Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die
Vision der Bauherren machte auch die
Suche nach einem Architekten mit ent-
sprechendem Know how nicht einfach:
„Wir wollen ein Haus in Holz. Voll öko
und alles. Aber nicht schratig, sondern
modern. Und mitten in der Stadt,“ so
die Bauherren auf Ihrer Website.
Als Partner wählten die Bauherren die
Architekten „Kaden und Klingbeil“ in
Berlin. Tom Kaden und Tom Klingbeil be-
nutzen bereits seit 12 Jahren Holz auch
im Konstruktionsbereich. Tom Kaden:
„Es spricht in der Konstruktion eigentlich
alles für den Werkstoff Holz. Zum einen
handelt es sich um einen natürlichen,
nachwachsenden Rohstoff, der zudem
den Vorteil hat, dass er enorme Mengen
CO² bindet. Zum anderen erfüllt Holz
Multifunktionen. Holz ist in einer Ebene
Konstruktions- und Dämmstoff zugleich.
Für Holz spricht außerdem die extrem
kurze Bauphase. Wir haben den Rohbau
des siebenstöckigen Holzhauses in nur
acht Wochen Bauzeit errichtet. Möglich
wird diese kurze Bauphase dadurch, dass
Holzteile sich extrem gut vorfertigen
lassen.“
Schade findet es Carsten Probst, dass
der maßgebliche Werkstoff Holz in der
Außenfassade des Hauses kaum sichtbar
wird. „Das Haus wurde aus brandschutz-
technischen Sicherheitsvorhaben stark
verkapselt. Das wäre eigentlich nicht
nötig gewesen. Wenn es sich bei dem
Bauplatz nicht um ein Haus in einer be-
bauten Straße gehandelt hätte, sondern
um eine grüne Wiese, dann wäre die
Holzoptik sicherlich besser zur Geltung
gekommen.“ Die Vorbehalte der zukünf-
tigen Nachbarn in Sachen Holzhaus und
Brandschutz „Gefährdet ihr uns gleich
mit?“ wurden mittlerweile ausgeräumt.
Das Haus ist nach Auskunft der Bau-
herren besser vor Bränden geschützt ist
als seine steinernen Nachbarn.
Von den Vorteilen, die der Werkstoff
Holz im Außenbereich bietet, zeigte sich
auf der Richtfeier Dirk Alfter, Vorstands-
vorsitzender des Holzabsatzfonds,
überzeugt: „Die Planer und Bauherren
dieses ersten Siebengeschossers in Holz-
bauweise beweisen eindrucksvoll, dass
die Vision vom ,Nachhaltigen Bauen’
Wirklichkeit werden kann. Für Deutsch-
land und Europa ein echtes Leuchtturm-
projekt! Für künftige Bauherren und
Planer Vorbild und Beleg zugleich: Beim
Bauen in der Stadt kann der nachwach-
sende, innovative Baustoff Holz einen
bedeutenden Beitrag zum Klima- und
Umweltschutz und zur Steigerung der
Lebensqualität der Menschen leisten.“
Dieser Meinung schloss sich Bundestags-
Vizepräsident Wolfgang Thierse in sei-
nem Grußwort an: „Ich freue mich, dass
in meiner unmittelbaren Nachbarschaft
ein solch einmaliges Projekt verwirkli-
cht wird. Wie hier in der Esmarchstr. 3
entdecken mehr und mehr Menschen,
dass Bauen und Leben in Gemeinschaft
nicht nur Kosten spart, sondern auch die
soziale Bindung, das gesellschaftliche
Miteinander und somit den persönlichen
Lebensalltag eines jeden Projektbeteilig-
ten bereichern kann.“
Das von „seinem“ Holzhaus eine Si-
gnalwirkung ausgeht, dass hat Carsten
Probst schon während der Bauzeit erlebt:
„In diesem alten Berliner Bezirk haben
nach der Wende nicht alle, aber einige
potente Bauherren größere Bausünden
begangen. Da haben wir städtepla-
nerisch sicherlich einen neuen Akzent
gesetzt. Und das Medienecho während
der Bauzeit war so groß, dass es schon
Beschwerden über die ständigen Stö-
rungen von den Bauleuten gab.“
Bis sich der Werkstoff Holz im Außen-
bereich aber wirklich durchsetzt, wird
es allerdings noch einige Zeit brauchen.
Architekt Tom Kaden: „Selbst Fachleute
konservieren noch einige Vorurteile in
Sachen Holzkonstruktion. Die Stabili-
tät von Holzhäusern ist zum Beispiel
wesentlich höher, als viele glauben.
Die Berliner Feuerwehr ist von unserem
brandschutztechnischen Konzept absolut
überzeugt.“ Er glaubt an eine große
Zukunft für den Konstruktionsstoff Holz
– auch in Deutschland: „Holz muss den
verstaubten Winkel des suburbanen
Raums verlassen und zurückkehren in die
Innenstädte.“
Annette Lübbers ist freie Journa-
listin und wäre am liebsten mit ins
siebenstöckige Holzhaus eingezogen
Kontakt: [email protected]
perspektiven
Als Architekten für ihr Holz-haus wählten die Bauherren um Carl Probst (ganz rechts) Tom Kaden und Tom Klingbeil (4. u. 5. v.l.), die seit 12 Jahren mit Holz bauen
Carsten Probst bedauert nur, dass aus Brandschutzgründen das Holz in der Fassade stark verkapselt werden muss
Foto: F. P. Jäger
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Nr. 97/2.0836
tropenwald
Zellstoff aus Brasilien...Vor 40 Jahren vertrieb der brasilianische Zellstoff-Konzern Aracruz-Celulose die In-digenen von ihrem Land und legte dort Eukalyptusplantagen an. Bis heute kämpfen Quilombolas, Nachfahren afrikanischer Sklaven in Brasilien, und indigene Gemein-schaften, wie die Tupinikim- und Guarani-Indianer, um ihr Land. Seit 2005 unterstützt ROBIN WOOD sie dabei. In den Auseinandersetzungen geht es nicht nur um Land-rechtskonflikte und Menschenrechte, sondern auch um Regenwaldzerstörung und die ökologischen Folgen von Eukalyptusmonokulturen.
Hauptabnehmer des Zellstoffs ist der riesige US-Konzern Procter
und Gamble (P&G), der auch in Eu-ropa und Deutschland seine Produkte herstellt und vertreibt. Mit zahlreichen Aktionen, Besetzungen, Gesprächen und Briefwechseln forderte ROBIN WOOD vom Konsumgüterriesen P&G für die Herstellung von Tempo-Taschentücher und Hygienepapier keinen Zellstoff mehr von Aracruz-Celulose zu beziehen. Im März 2007 verkaufte P&G sein Hygienepapierge-schäft an den schwedischen Konzern Svenska Cellulosa Aktiebolaget (SCA).
An der Rohstoffsituation hat sich bis-her nicht sehr viel geändert. Doch was ist seit dem in Brasilien passiert?
... ein ewig währender Kampfstoff?
Bis 2003 besaßen die Quilombolas noch nie Landrechte. Erst dann wurde der Quilombola-Kommune Linharinho im Norden des Bundesstaats Espirito Santo zum ersten Mal über 9000 Hektar Land zugesprochen. Dort hat-ten sie gelebt, bis der Konzern Arac-ruz ihre Dörfer zerstörte und auf über 80 Prozent dieser Fläche Eukalyptus-monokulturen anpflanzte. Bis heute weigert sich Aracruz den Quilombolas ihr Land zurückzugeben. Deshalb be-setzten sie im Juli 2007 das Land und fordern die Herausgabe von Aracruz. Die Quilombolas in Linharinho wollen sobald wie möglich mit dem Wieder-aufbau ihrer Dörfer beginnen.
Zur gleichen Zeit besetzten auch die Tupinikim und Guarani-Indianer ihr Land. Ihre Dörfer Olho d´Água und Córrego d´Ouro hatten sie schon einmal wiederaufgebaut. Direkt an-schließend, im Januar 2006, wurden die beiden Ortschaften jedoch von der Polizei und Mitarbeitern von Aracruz bei einem blutigen Übergriff gegen die Indigenen völlig zerstört. Jetzt forderten die Indigenen vom brasili-
anischen Justizminister endlich eine klare Aussage und eine eindeutige Entscheidung zu den Landrechts-fragen, mit denen er sich bisher zurückgehalten hatte. Ende August 2007 unterschrieb der brasilianische Justizminister Tarso Genro endlich die beiden Dekrete 1463 und 1464 und erklärte damit die insgesamt 18.070 Hektar zu indigenem Land, das an die Tupinikim- und Guarani-Indiander zu-rückgegeben werden muss. Vor dieser Entscheidung waren nur 7.061 Hektar demarkiert, 11.000 Hektar befanden sich im „Besitz“ von Aracruz.
Die Unterschrift des Justizministers war der wichtigste Schritt in der
Noch im Januar 2006 wurden im Auftrag von Aracruz zwei Ortschaften der Indigenen völ-lig zerstört und die Einwohne-rInnen gewaltsam vertrieben
ROBIN WOOD engagiert sich dafür, dass bei der Herstel-lung von Hygienepapier auf den Einsatz von Zellstoff verzichtet wird, für den Menschen von ihrem Land vertrieben wurden
tropenwald
Demarkation des Landes und mit der Anerkennung von Präsident Lula wurde die Entscheidung bestätigt und abge-schlossen. Jetzt können die Grenzlinien gesetzt werden.
Die Tupinikim- und Guarani-Indianer haben auf dem zurückgewonnenen Land sofort mit dem Wiederaufbau ihrer alten Dörfer begonnen. Im Dezember 2007 wohnten bereits vier Familien der Guarani in dem neu aufgebauten Dorf Olho d´Água. Der Wiederaufbau des Dorfes Córrego d´Ouro wird das nächste Projekt sein.
Die Indigenen haben zudem eine Baumschule mit heimischen Baumarten angelegt, um ihr Land wieder aufzufors-ten. Die ersten Schritte sind getan, aber es liegt noch sehr viel Arbeit vor ihnen. ROBIN WOOD unterstützt die Indigenen sowohl beim Wiederaufbau ihrer Dörfer als auch bei einem Aufforstungsprojekt.
Die Tupinikim und Guarani-Indianer haben durch ihren Kampf ein wichtiges Zeichen im Landrechtsstreit gegen Aracruz-Celulose gesetzt. Und sie haben zugesichert, weitere Gemeinschaften wie z.B. die Quilombolas in ihrem Kampf zu unterstützen. Sie werden also weiterkämpfen für die Demarkation von Land, eine gerechte Landreform und die Verteidigung von kleinbäuerlicher Land-wirtschaft gegen zerstörerische Eukalyp-tusmonokulturen.
Die Rückgabe des Landes an die Indi-genen ist ein Ergebnis ihres Zusammen-halts und ihrer Entschlossenheit für ihr Land zu kämpfen, von dem sie gewalt-sam vertrieben wurden. Ihr Mut, um die Zukunft ihrer Kinder zu kämpfen, und nicht zuletzt auch die starke Unterstüt-zung von Organisationen sowohl in als auch außerhalb von Brasilien haben diesen Erfolg möglich gemacht.
Bisher hat SCA seinen Rohstoffliefe-ranten nicht gewechselt und bezieht für Tempo-Taschentücher, Bounty-Küchen-rolle und andere Produkte weiterhin Zellstoff aus Eukalyptusplantagen von Aracruz. ROBIN WOOD fordert von SCA seine eigenen ökologischen und sozialen Kriterien bei der Rohstoffbeschaffung
anzuwenden. Der Konzern muss seinen Zellstofflieferanten wechseln und die Re-cyclingproduktion (zur Zeit nur „Danke“- Toilettenpapier) wieder ausbauen.
Jule Naundorf (jule_naundorf@web.
de) und Steph Grella (treeactivist@
gmx.de) sind in der Tropenwald-
gruppe von ROBIN WOOD aktiv.
Nach langen Auseinander-setzungen haben die Indigenen ihr Land endlich vom brasi-lianischen Justizminister zugesprochen bekommen
Nr. 97/2.08 37
Die Guarani- und Tupinikim-Indianer haben sofort mit dem Aufbau ihrer zerstör-tem Dörfer begonnen. Die BewohnerInnen sind gerade dabei dort eine Baumschule anzulegen
Foto: FASE
strömungen
Nr. 97/2.0838
Gerechtigkeit
durch Umweltschutz Erhöhtes Krebsrisiko in der Nähe von AKWs, Feinstaubbelastung an Hauptverkehrsstraßen, Lärm- und Kerosinbelastung durch Flughäfen – dass Umweltbelastungen räumlich nicht gleich verteilt sind, ist ziemlich offensichtlich. Mit zunehmender sozialer Polarisierung in Deutschland wird deutlich, was in den USA schon lange bekannt ist und in der Environ-mental Justice-Bewegung mündete: Sozial Schwache sind von Umweltbelastungen häufig stärker betroffen als Andere. Die Forschung zur sozialen Verteilung der Belastungen steht in Deutschland allerdings erst am Anfang und kann nur einzelne Belege liefern.
Dass auch innerhalb einer Wohl-
standsgesellschaft die Menschen
je nach Bildungsgrad und sozialem
Status unterschiedlich von Umwelt-
schäden betroffen sind und unter-
schiedliche Möglichkeiten haben,
mit diesen Belastungen umzugehen,
macht ein Blick in die USA deutlich.
Dort sind viele Bevölkerungsgruppen
in mehrerer Hinsicht benachteiligt. Die
nicht-weiße Bevölkerung ist häufig
weniger gut gebildet und deutlich
stärker von Armut betroffen.
In den 1980er Jahren wurde immer
deutlicher, dass sie auch verstärkt Um-
weltbelastungen ausgesetzt sind. Bei-
spielsweise sind Industrieanlagen, die
belastende Emissionen oder Abwässer
produzieren, häufiger in Wohngebie-
ten der sozial benachteiligten Gruppen
zu finden als in den Wohlstands-
vierteln. Die Bürgerrechtsbewegung
prangerte diese ungleichen Lebens-
verhältnisse an – es entwickelte sich
die Environmental Justice Bewegung.
1994 wies US-Präsident Clinton die
Bundesbehörden und Ministerien an,
Umweltgerechtigkeit in ihrem Zustän-
digkeitsbereich zu kontrollieren und zu
fördern. Die oberste Bundesbehörde
EPA (Environmental Protection Agency)
etablierte eine Working Group Envi-
ronmental Justice und schuf spezielle
Programme. Das erklärte Ziel dieser
Politik: keine gesellschaftliche Gruppe
soll einer übermäßigen Umweltbe-
lastung ausgesetzt sein. Mittlerweile
hat sich in den USA ein tiefgehender
wissenschaftlicher Diskurs darüber
entwickelt, dass Umweltschäden,
aber auch Umweltschutzmaßnahmen
bestimmte Regionen und Gruppen
stärker treffen als andere.
Die soziale Polarisierung ist in Deutsch-
land nicht so ausgeprägt wie in den
USA, doch kommt die Bundesregie-
rung in ihrem Armuts- und Reich-
tumsberichts 2005 zu dem Ergebnis,
dass Alleinerziehende, Menschen mit
niedrigem Bildungsniveau und Mig-
ranten stärker von Armut betroffen
sind. Sowohl das Armutsrisiko als auch
die Sozialhilfequote liegen für diese
Gruppen deutlich über dem Bundes-
durchschnitt. Differenziert nach Alter
sind v.a. Kinder und Jugendliche von
Armut betroffen. Frauen tragen ein
höheres Armutsrisiko als Männer und
Foto: argus/UNEP/Doto
Smog 2000 in Italien: Sozial schwächere Bevölkerungsgruppen leiden stärker unter Umweltbelastungen
39
strömungen
grundsätzlich wird die Kluft zwischen
Arm und Reich immer gravierender.
Der Armuts- und Reichtumsbericht ana-
lysiert zwar nicht direkt das Bildungsni-
veau armer Bevölkerungsgruppen, belegt
aber, dass eine hochwertige Ausbildung
das Risiko der Erwerbslosigkeit deutlich
vermindert. Weiter legt der Bericht dar,
dass der Gesundheitszustand der armen
Bevölkerung vergleichsweise schlecht
ist. Zu den häufigen Krankheiten zählen
Herzinfarkt, Verengung der Herzkranz-
gefäße, Bluthochdruck, Fettleibigkeit,
Diabetes, chronische Bronchitis, chro-
nische Rückenschmerzen – Krankheiten
die sich teilweise auf Lärm- und Staub-
belastungen zurückführen lassen. Die
soziale und räumliche Spaltung ist in
Deutschland immerhin schon so weit
ausgeprägt, dass die Bundesregierung
1999 das Programm „Die soziale Stadt“
als Gegenmaßnahme ins Leben gerufen
hat (www.sozialestadt.de).
Die systematische Erforschung, in wie-
weit Umweltbelastungen und umweltbe-
dingte Erkrankungen von sozialen Fak-
toren - wie Ausbildung, Einkommen und
ethnische Zugehörigkeit - abhängen,
ist in Deutschland noch unzureichend.
Professor Werner Maschewsky – einer
der wenigen Umweltgerechtigkeitsexper-
ten in Deutschland - kommt in seinen
Recherchen zur Situation in Hamburg
zu dem Schluss, dass großtechnische
Anlagen wie Kraftwerke, Müllverbren-
nungsanlagen und Raffinerien räumlich
ungleichmäßig verteilt sind und ihre
Anzahl deutlich mit sozialen Indikatoren
wie hohe Arbeitslosigkeit und Anzahl
der Sozialhilfeempfänger korreliert. Fast
alle Umweltprobleme, die die Gesund-
heit beeinträchtigen, treten in sozial
benachteiligten Stadtteilen auf.
Zukünftig sollten bei der Datenerhebung
zur Umweltbelastung grundsätzlich
auch soziale Faktoren erfasst werden.
Teilweise können aber auch vorhandene
Umwelt- und Sozialdaten genutzt und
miteinander verknüpft werden. Der
Berliner Senat hat kürzlich sowohl einen
aktuellen Sozial- und einen (Verkehrs)-
Lärmatlas veröffentlicht. Würden die
Daten miteinander verknüpft, könnten
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gezielt
bei besonders belasteten Gruppen
zur Verbesserung ihre Lebensqualität
eingesetzt werden. Dass es sich bei
den besonders belasteten Gruppen
sehr wahrscheinlich um Menschen mit
geringem Einkommen, geringem Bil-
dungsstand und niedrigem Sozialstatus
handelt, legen zahlreiche Einzelstudien
nahe, die belegen konnten, dass diese
Personengruppen häufig an verkehrs-
reichen Straßen leben. Eine Umwelt-
schutzmaßnahme wäre somit gleichzei-
tig eine soziale Maßnahme.
Das Umweltbundesamt hat Gerechtig-
keitsaspekte im aktuellen Kinder-Um-
welt-Survey aufgegriffen. Die Auswer-
tung der erhobenen Daten ist noch nicht
abgeschlossen aber erste Ergebnisse
zeigen, dass Kinder aus sozial schwachen
Familien stärker mit Blei, Kinder aus
oberen sozialen Schichten stärker mit
langlebigen Pflanzenschutzmitteln belas-
tet sind. Daten bezüglich des Wohnum-
feldes und der Schadstoffbelastung aus
Haushaltschemikalien werden derzeit
noch ausgewertet.
Aber viele Fragen zur sozialen Ver-
teilung von Umweltbelastungen sind
noch offen: Sind arme und weniger
gebildete Menschen stärker mit Pestizi-
den und Chemikalien belastet, weil sie
erstens weniger gut informiert sind und
zweitens seltener ökologisch produ-
zierte Lebens- und Körperpflegemittel,
Kleidung und Spielzeug kaufen? Werden
in Deutschland vom Klimawandel außer
den Alten und Kranken noch weitere
Bevölkerungsgruppen stärker betroffen
sein? Wer wird von der Bahnprivati-
sierung und von der Reduzierung des
ÖPNV-Angebots im ländlichen Raum
besonders betroffen sein? Und wer
profitiert am meisten von ökologisch
schädlichen Subventionen, wie die Ent-
fernungspauschale?
Vom Gebäudesanierungsprogramm
beispielsweise profitieren bisher noch
die Eigenheimbesitzer. Mieter, die ihren
Energiebedarf über bauliche Ände-
rungen, wie Wärmeisolierung und den
Einbau neuer Fenster, senken wollen,
können darüber nicht frei entscheiden
und haben auch keine Handhabe, ihren
Vermieter dazu zu verpflichten. Ebenso
wenig können sie sich für eine Heizener-
gieversorgung aus erneuerbaren Quellen
Nr. 97/2.08
entscheiden. Dabei könnten Energiespar-
maßnahmen und die Unabhängigkeit
vom zukünftig deutlich teurer wer-
denden Öl und Gas vor allem die sozial
schwachen Haushalte entlasten – für
Geringverdiener sind 100 Euro eben
mehr als für Wohlhabende.
Entscheidend ist aber auch, dass Ener-
giesparkonzepte an die Möglichkeiten
der sozial Schwachen angepasst werden.
So bietet die Caritas Frankfurt Hartz-
IV-EmpfängerInnen eine kostenlose
Energieberatung und stellt Energiespar-
lampen und Steckerleisten kostenlos zur
Verfügung, weil deren Anschaffung für
viele Haushalte eine zu hohe Belastung
wäre. Der BUND Berlin hat die erste
türkischsprachige Energiesparbroschüre
herausgegeben.
Dass Umweltschutz vor allem die Lebens-
situation von benachteiligten Gruppen
deutlich verbessern kann, sollte von den
Umweltverbänden zukünftig stärker
betont werden. Warum machen wir
bei Forderungen nach einem besseren
Schutz vor Chemikalien, Feinstaub und
Verkehrslärm nicht stärker deutlich, wem
dieser Schutz zugute kommt? Wenn eine
geringere Lärmbelastung die Lernfähig-
keit von Kindern verbessern kann und
somit ihre Chancen auf Bildung und
Wohlstand erhöht; wenn eine pestizid-
freie Ernährung und die Reduzierung der
Feinstaubbelastung die Gesundheit v.a.
von sozial schwachen Personengruppen
verbessert und Energiesparmaßnahmen
indirekt ihr Einkommen erhöht, dann
tragen diese Maßnahmen zu mehr
Gerechtigkeit bei und bewirken, dass
benachteiligte Gruppen stärker gesamt-
gesellschaftlich partizipieren können.
Letztendlich ließe sich mit dem Fokus auf
Umweltgerechtigkeit klar und anschau-
lich vermitteln, dass Umweltschutz
nicht das Bonbon ist, das man vergeben
kann, wenn sozial und ökonomisch das
Optimum erreicht ist, sondern dass auch
in einer scheinbar naturfern agierenden
Gesellschaft die Grenzen für soziales und
wirtschaftliches Handeln von der natür-
lichen Lebensgrundlage gesetzt werden.
Annette Littmeier ist Geografin
und arbeitet für den Deutschen
Naturschutzring in Berlin, Kontakt:
40 Nr. 97/2.08
internes
Neuer ROBIN WOODVorstand 2008Ich bin Sara-Ann Lamp-
mann, 25, und neben
meinem umweltpoli-
tischen Engagement
studiere ich Psychologie
in Dresden. Das letzte
Jahr Vorstandsarbeit
hat mir viel Einblick in
den Verein gebracht
und nun freue ich mich
auf die Zusammenar-
beit mit meinen neuen
VorstandskollegInnen!
Ich bin Jana Flemming und beende
z.Z. mein Studium der Sozialwissen-
schaften in Berlin. Dabei setze ich
mich kritisch mit den Beziehungen
zwischen Gesellschaft und ‚Natur‘
auseinander. Damit das alles nicht
zu theoretisch bleibt, versuche ich
diese Verhältnisse auch direkt zu
beeinflussen. Deshalb bin ich seit
2004 bei ROBIN WOOD aktiv. Auf
die Arbeit im Vorstand bin ich ge-
spannt und freue mich, den Verein
so noch näher kennen zu lernen.
Ich bin Udo Sorgatz, 38 Jahre alt
und selbstständiger Ingenieur in
Braunschweig. Zu ROBIN WOOD
bin ich 2002 über die Anti-
Atom-Bewegung gekommen.
Den Vorstand begreife ich als
Servicestelle, die zwischen den
Delegiertenversammlungen die
notwendigen Entscheidungen
trifft und Diskussionsprozesse
fördert.
Christof Neubauer, 22,
kletter- und jonglierbegabtes
Säugetier. Baum-, fassaden-
und hängemattenbewoh-
nendes, faultierähnliches,
nachtaktives Lebewesen. Seit
5 Jahren im ROBIN WOOD
Universum zu den Themen
Energie und Verkehr aktiv. Ein
sehr ambitioniertes Wesen,
das davon redet, die Welt
retten zu wollen. Natürliche
Umgebung: Berlin.
Mein Name ist Jürgen Mumme, 36,
und ich arbeite z.Z. als Koordina-
tor beim Bündnis „Bahn für alle“.
Dadurch, dass ich bei ROBIN WOOD
Erfahrungen sowohl als Aktivist als
auch als Hauptamtlicher gesammelt
habe, sehe ich meine Aufgabe im
Vorstand vor allem in einer inte-
grierenden Rolle. Ich freue mich auf
eine spannende Zeit.
Ich bin Florian Kubitz, 30,
aus Hamburg und arbeite
bei einer Solarfirma. ROBIN
WOOD habe ich 2001 bei
einer Castor-Aktion kennen
gelernt, seit 2005 arbeite
ich in der Hamburger Regi-
onalgruppe mit. Ich freue
mich sehr, dass ich in den
Vorstand gewählt wurde.
Mein Name ist Sebastian Volln-
hals und ich bin in der Regional-
gruppe Dresden-Leipzig-Cottbus
zu Hause. Neben Umweltschutz
beschäftige ich mich mit Antimi-
litarismus und Antispeziesismus.
Als Vorstand werde ich dafür
eintreten, dass unser Verein auch
weiterhin das Ziel nicht aus den
Augen verliert: Wir wollen die
Welt retten!
Mein Name ist Janina
Chemnitz, 22, und ich
wohne in Tübingen, wo
ich eine Ausbildung zur
Hebamme mache. Da es
in Tübingen keine Regio-
nalgruppe gibt, freue mich
auf die Vorstandsarbeit,
die sich mit meinen derzei-
tigen Rahmenbedingungen
kreativ und kontinuierlich
vereinbaren lässt.
bücher
Nr. 97/2.08
Edgar A. Göll, Christine
Henseling
Mobilisierung von Um-
weltengagement – wie
Unterstützungsmöglich-
keiten für Umwelt- und
Naturschutz erschlossen
werden können
Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (Hrsg.)
Zukunftsstudien 32
Verlag Peter Lang Europä-
ischer Verlag der Wissen-
schaften, 2007
138 Seiten, 19,80 Euro
ISBN 978-3-631-56276-5
Christian Offer, Frankfurt
Umweltengagiert
Der Leiter des Instituts für Zukunftsstudien
und Technologiebewertung, IZT, in Ber-
lin, Edgar Göll, ist ein energischer Verfechter
einer gerechteren Weltwirtschafts- und
Sozialordnung, in der seiner Meinung nach
Umwelt- und Naturschutz wichtige Pfeiler
der Neuordnung darstellen. Göll beschäftigt
sich schon seit seinem Sozialwissenschafts-
studium Ende der 1970er Jahre mit den
politisch-strukturellen Voraussetzungen für
gesellschaftliches Engagement. Der Schritt
war also für ihn klein, die notwendigen
Schritte herauszufinden, die zu erfolgreichen
Umwelt- und Naturschutzprojekten führen.
Unterstützung suchte er sich bei der Soziolo-
gin Christine Henseling, die am IZT schon seit
2003 zu Fragen von ökosozial nachhaltigem
Konsum und Bürgerengagement forscht.
Präsentiert werden in ihrem Buch „Mobilisie-
rung von Umweltengagement “ die Ergeb-
nisse einer qualitativen Studie zur Motivation
in der Bevölkerung, sich für Umweltthemen
zu engagieren, die vom deutschen Umwelt-
ministerium in Auftrag gegeben wurde.
Das Buch beschreibt anschaulich, aber in
recht wissenschaftlicher Sprache, wie Um-
weltorganisationen dabei unterstützt wer-
den können, die Bereitschaft der Menschen
zu erhöhen, sich stärker für Umwelt und
Natur einzusetzen. Literatur wurde ausge-
wertet, gute Beispiele aus anderen Ländern
betrachtet und Interviews mit ExpertInnen
geführt. Die Autorin und der Autor stell-
ten sich die Frage, warum Umwelt bisher
gegenüber Themen wie Sport, Kirche oder
Soziales bestenfalls eine mittelmäßige Un-
terstützung erfährt. Warum gibt es bisher
eine große Kluft zwischen dem potenziellen
und dem tatsächlichen gesellschaftlichen
Umweltengagement?
Christine Henseling und Edgar Göll stellen
die Arbeit mit so genannten Fokusgruppen
vor. Sie haben mit Hilfe dieser Methode ihre
Studie erarbeitet und empfehlen sie für die
Mobilisierung von Umweltengagement in
Vereinen und Verbänden. In einer Fokus-
gruppe diskutieren (Experten-)Gruppen
jeweils über ein vorgegebenes Thema. Das
Ergebnis kommt durch den Gruppenprozess
zustande, es fließen also nicht nur Einzel-
meinungen sondern auch der Diskussions-
prozess ins Resultat ein. Im Buch wird die
Methode in neun ausführlich beschriebenen
41
Schritten erläutert, so dass man sie direkt
für die eigenen Ziele anwenden kann.
Das Buch enthält eine übersichtliche tabel-
larische Zusammenfassung der Ergebnisse
der Sozialstudie. Aus den Tabellen lässt sich
ablesen, in welchen Umweltbereichen sich
die Deutschen engagieren, wie stark das En-
gagement in den unterschiedlichen sozialen
Milieus ausgeprägt ist (z.B. bürgerliches
Milieu vs. Arbeitermilieu) und welche Mo-
tivation für die Menschen dahinter steckt,
sich für die Umwelt stark zu machen.
Zu interessanten Ergebnissen kommt die
Studie auch bei der Frage, welche Um-
stände einem größeren Umweltengagement
in Organisationen bisher entgegen stehen.
So wurde zum Beispiel von der Fokusgruppe
der „Neuen Ehrenamtlichen“ ein Manko
in der Betreuung Neuer in den Umwelt-
gruppen gesehen. Ihre Kritik richtete sich
hauptsächlich gegen die inneren Strukturen
in den Organisationen, die als „verkrustet“
und abschreckend bezeichnet wurden. Vor
allem junge Leute mit neuen Ideen würden
sich durch diese Umstände häufig ausge-
bremst oder sogar ausgegrenzt fühlen.
Wichtig war für die Ehrenamtlichen außer-
dem, dass ihr Engagement von den Haupt-
amtlichen gebührend anerkannt wird und
sie in wichtige Entscheidungen einbezogen
werden. Punkte, die auch bei ROBIN WOOD
immer wieder heiß diskutiert werden,
jedoch vor allem wegen der praktizierten
Basisdemokratie weniger problematisch sind
als in einigen anderen Umweltverbänden.
Dieses Buch liest sich leider nicht einfach
schnell nebenbei. Mit gutem Gewissen
zu empfehlen ist es nur denjenigen, die
mit einer akademischen Ausdrucksweise
vertraut sind und idealerweise schon ein
bisschen Erfahrung in Projektmanagement,
Verbandsorganisation oder Campaigning
mitbringen. Dann aber kann man sich
schnell einlesen und die Erkenntnisse prak-
tisch umsetzen. Für alle, die schon länger in
einer Umweltorganisation aktiv sind und in
Zukunft mehr tragende Aufgaben über-
nehmen möchten, ist die Lektüre aber fast
schon ein Muss, weil sie durch die vielen
Literaturhinweise und Umsetzungstipps die
oft zähe Verbands- und Organisationsarbeit
erleichtern kann.
titel
Nr. 97/2.0842
Was hat Klimaschutz mit nachhaltiger Ernährung zu tun? Und wie können Städte und Ge-meinden dafür gewonnen werden, in kommunalen Kindergärten und Krankenhäusern nur noch zertifizierte Bioprodukte zu verwenden? Brigitte Biermann aus Hagen hat untersucht wie zum Beispiel in Wien soziale, ökologische und ökonomische Aspekte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ernährung zusammenwirken. Mit ihr sprach Christiane Weitzel.
? Nachhaltige Ernährung bedeutet in Wien, dass mittlerweile 30 Prozent der Lebensmittel in den Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen und Kindergärten zertifizierte Bioprodukte sind. Wer hat diese Entwicklung angestoßen?
! Die Idee Bioessen anzubieten, ist in
einer Großküche eines Wiener Kranken-
hauses entstanden. Eine Küchenleiterin
hat sich dafür stark gemacht, weil sie
der Meinung war, dass gesund machen
ohne gesunde Nahrungsmittel nicht
ginge! Und sie bekam Rückendeckung
von oben, von der Leitung der Umwelt-
verwaltung aller Wiener Krankenhäuser.
Die BSE-Krise 2001 war der Anstoß für
die Großküche nur noch Biofleisch aus
der Region zu verarbeiten. Die Küchen-
MitarbeiterInnen waren von der Qualität
des Fleisches begeistert und konnten
weitere Großküchen für einen Umstieg
gewinnen. Neben dem Fleisch wurde
nun auch immer mehr mit anderen
Produkten aus Bioqualität gekocht.
? Welche Schwierigkeiten tauchten beim Umstieg auf Bioprodukte auf?
! Die Großküchen stellten fest, dass sie
sich erst mal auf Biolebensmittel ein-
stellen mussten. Also auf eine andere
Lagerung oder dass der Strudelteig
mit Biomehl anders behandelt werden
muss. Die motivierte Küchenleiterin
hat aber über diese Startschwierig-
keiten hinweggeholfen, neue Rezepte
probiert und weitergegeben, Ver-
kostungen für PolitikerInnen und für
MitarbeiterInnen anderer Großküchen
organisiert.
Die MitarbeiterInnen der ersten Groß-
küche waren so engagiert, dass sie
zur Erprobung neuer Herstellungsme-
thoden viele Überstunden geschoben
haben. Waren Bioprodukte erst einmal
eingeführt, wollten die Küchen nicht
mehr auf sie verzichten!
Zur Öffentlichkeitsarbeit gehörte auch
der Besuch eines Hofs in der Umge-
bung Wiens, der Biofleisch produziert.
Ein Verantwortlicher der Stadt, der erst
das Projekt als Bioschmäh verun-
glimpfte, war nach diesem Ausflug
begeistert und hat die Umstellung auf
Bioprodukte tatkräftig unterstützt.
? Welche Besonderheiten in Wien haben beim Umstieg auf gesundes Bioessen geholfen?
! Die Stadt Wien hatte sich zu einem
ehrgeizigen Klimaschutz-Programm
verpflichtet. Dies umfasst auch das
städtische „ÖkoKauf“-Projekt, das
1999 ins Leben gerufen wurde. Darin
ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass
zum Schutz des Klimas nur Recycling-
papier in städtischen Einrichtungen
benutzt werden darf.
Gleichzeitig hatte Wien eine kleine
Studie veröffentlicht, in der klar belegt
ist, dass Biolebensmittel klimaverträg-
licher sind als konventionell erzeugte.
Bioschmäh und Ökostrudel
Die Stadt Wien bietet in ihren kommunalen Kitas und Krankenhäusern nur noch zertifiziertes Bioessen an
Nachhaltige Ernährung Netzwerk-Politik auf dem Weg zu nachhaltiger
Gemeinschaftsverpflegung
Brigitte Biermann
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bücher
Mit Unterstützung der Grünen beschlos-
sen die in Wien regierenden Sozialde-
mokraten, in allen städtischen Schulen,
Kitas, Altenheimen und Krankenhäuser
den Bioanteil in den angebotenen
Menüs auf 30 Prozent zu erhöhen. Ein
Ergebnis politischer Diskussionen war,
dass nicht parallel ein teureres Bioessen
neben den konventionellen angeboten
werden sollte, sondern alle Gerichte
einen Bioanteil enthalten müssten. Sonst
könnten sich zum Beispiel Kinder aus
finanziell schwächeren Familien das
gesündere Bioessen nicht leisten.
Günstig für Wien ist auch, dass zur
Stadt große landwirtschaftliche Flächen
gehören, die in Wassereinzugsgebie-
ten liegen, und die sowieso schon von
Öko-Betrieben bewirtschaftet werden.
Also sind die Wege der Produkte zu den
VerbraucherInnen kurz und die Men-
schen aus der Region profitieren von
dem steigenden Bedarf an Bioprodukten.
? Sind mit der Umstellung auf Bio die Essen teurer geworden?
! Die Grünen berechnete 2002, dass alle
Eltern Mehrkosten von 0,12 Euro täglich
für das Schulessen aufbringen mussten.
Die Großküchen der Krankenhäuser
haben die Kosten für die Essen konstant
gehalten, in dem sie den Fleischanteil
leicht reduziert haben. Das ist gesünder
und gut fürs Klima außerdem! Die Kran-
kenhäuser stehen natürlich unter einem
großen finanziellen Druck. Zur Aufklä-
rungsarbeit hat deshalb auch gehört,
den Verantwortlichen klar zu machen,
dass wenn ein Krankenhausbett pro Tag
5000 Euro kostet, nicht bei den täg-
lichen Kosten von 4 oder 3,20 Euro fürs
tägliche Essen gespart werden sollte.
Hilfreich für das Projekt war, dass wenn
gespart oder gekürzt werden sollte, die
Küchen oder Schulen die PolitikerInnen
daran erinnern konnten, dass sie den
politischen Auftrag haben, das Klima-
schutzprogramm umzusetzen und dass
Bioessen ein fester Bestandteil davon ist.
? Was ist denn neben engagierten Leuten in den Küchen und politischer Unterstützung noch notwendig, damit städtisch geförderte Kantinen und Mensen nachhaltigere Speisen anbieten können?
! Das Küchenpersonal braucht Gestal-
tungsmöglichkeiten, um nach und nach
andere, also regionale und biologische
Produkte einzusetzen. Die Umstellung
darf nicht nur von oben verordnet sein,
sondern muss sich an die praktischen
Möglichkeiten vor Ort anpassen. Auch
die Hersteller und Zulieferer brauchen
Zeit und neues Wissen, um mitzuma-
chen.
Gleichzeitig muss die Politik gute Argu-
mente dafür haben, dass verbesserte
Speisen großen Nachhaltigkeitszielen
dienen. Solche Argumente sind z.B.
Klimaschutz, Gesundheit oder lokale
Wirtschaftsförderung, also Themen, die
in der betroffenen Gemeinde bereits
oben auf der politischen Agenda stehen.
? Was müssen Kommunen neben engagierter Bildungs- und Öffentlich-keitsarbeit noch tun, um erfolgreich auf Bioessen umzusteigen?
! Ganz wichtig ist es kulturelle Beson-
derheiten und Traditionen zu beachten,
damit die Leute mitziehen und ein Pro-
jekt nachhaltige Wirkung entfalten kann.
In Österreich gehört Fleisch zu einer
kompletten Mahlzeit unbedingt dazu.
Der „Dinkelbratling“ hat in Österreich
ein ganz schlechtes Image.
Ich habe ein ähnliches Projekt in Ferrara,
Italien, untersucht. Dort sollte die
Ernährung in den städtischen Schulen,
Kindergärten und -krippen auf Biopro-
dukte umgestellt werden. Gleichzeitig
haben die Eltern, die lokalen Gesund-
heitsbehörden und die Einrichtungen dis-
kutiert, wie viel Fleisch Kinder überhaupt
brauchen und dass es wichtig sei, den
Anteil von Hülsenfrüchten zu erhöhen.
Als in Ferrara der Anteil an Biokost in ei-
nigen Einrichtungen 40 % erreicht hatte,
steigerte er sich von allein weiter: Für
den Caterer, der in Ferrara die Schulen
mit Essen versorgt, war es zu aufwändig
zwei Produktlinien vorzuhalten und so
bot er in den Schulen fast vollständig
Bioprodukte an. Mittlerweile profitiert
diese Firma nicht nur in Ferrara davon,
dass sie ihr Angebot erweitert hat.
? Wie sieht die Zukunft des Projekts in Wien aus?
! 2003 hat Wien beschlossen, dass bis
zum Ende der Legislaturperiode 2005 in
allen öffentlichen Einrichtungen der Stadt
ein Bio-Anteil von 50 Prozent erreicht sein
soll. Bei der Beschaffung wird vor allem
auf Bioprodukte aus Österreich gesetzt,
um der eigenen Bio-Landwirtschaft neue
Impulse zu setzen. Wien konnte sich
ein so ehrgeiziges Ziel setzen, weil die
Kindergärten zum Beispiel heute bei gleich
bleibenden Kosten einen Bioanteil von 40
Prozent garantieren können. Das liegt an
den großen Mengen Bioprodukten, die
Wien mittlerweile abnimmt.
43Nr. 97/2.08
Brigitte Biermann
Nachhaltige Ernährung: Netzwerk-Politik
auf dem Weg zu nachhaltiger Gemein-
schaftsverpflegung
Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit 33
oekom Verlag, 2007
333 Seiten, 39,90 Euro
ISBN 978-3-86581-072-4
Brigitte Biermann hat diese Untersuchung im Rahmen ih-rer Promotion an der FernUni-versität Hagen durchgeführt
44 Nr. 97/2.08
jug
en
dse
ite Die Vielfalt des Lebens entdecken
Jedes Jahr verschwinden über 10.000 Tier- und Pflanzenarten für immer von der Erdoberfläche. Nun fragt ihr euch sicher: Was kann ich dagegen unternehmen? Auf dieser Seite stellen wir euch drei Initiativen vor, in denen Jugendliche sich für den Schutz der biolo-gischen Vielfalt engagieren. Macht ihr mit?
IgnorantProtozoan
Music by Tim HubenerWords by Tim Hubener und David Adu-Appeagyei
Moderate h = 160
: 44
Leadgita.
1
BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH
BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB
] 44
Schlagzeug
1 ^ ^ ^ ^
; 44
Bass
1
: 44
Rhythmus.
1
Leadgita. 4
BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH
BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH
Schlagzeug
4 BB B B B BB B B B GB B BU ^ B̂ B̂ B
^ ^ B̂ ^B^ ^ B̂ B̂ B
^ ^ B̂ ^
Bass
4 Q B B BL B B B BD B B B B BD B B B B B BHL
Rhythmus.
4
BBB BBB BBB BBB BBB BBB BBB BDBBD BBB BBB BBB BBB BBBH
Werde Teil der großen Naturallianz!
Auf www.naturallianz.de des Bundes-
Umweltministeriums gibt es eine breite
Palette von tollen Mitmachaktionen,
spannenden Materialien, Filmen und
Events, die ihr euch nicht entgehen las-
sen solltet. Das „LIVE NATURE“-Konzert
mit Bob Geldof und das Kinderkunst-
Festival mit seinen mobilen Kunstkontai-
ner sind nur zwei Beispiele von vielen.
Schaut mal rein!
Tag der Artenvielfalt wird 10!
Am 14. Juni 2008 findet der zehnte GEO-Tag der Artenvielfalt statt. An diesem Tag be-
weisen junge und alte Menschen, wie wichtig ihnen die Lebensvielfalt vor der eigenen
Haustür ist und warum wir alle uns zusammentun sollten, um sie zu erhalten. Viele Ein-
zelpersonen und Gruppen haben in der Vergangenheit kleine und große Aktionen rund
um das Thema biologische Vielfalt durchgeführt, die Öffentlichkeit wachgerüttelt oder
der Natur geholfen, indem sie Daten zum Schutz von Naturgebieten sammelten. Thema
der diesjährigen Natur-Reportagen ist „Vielfalt in Schutzgebieten“. Unter der Internet-
adresse www.geo.de/GEO/natur/oekologie/tag_der_artenvielfalt findet ihr die Berichte
von den bisherigen Aktionen und könnt euch für eure Veranstaltung anmelden.
Schulprojekte von BioFrankfurt
Zwölf Institutionen in Frankfurt am Main haben sich zum Netzwerk für Biodiver-
sität, BioFrankfurt, zusammengeschlossen. In ihrer Kampagne für die biologische
Vielfalt der Rhein-Main-Region gibt es nun ein großes Bildungsprogramm mit
Workshops, einem Schul-Netzwerk und einem Kreativ-Wettbewerb. 26 Schüle-
rInnengruppen haben Poster, Spiele oder Songs eingereicht. Am 23. April wur-
den die Sieger auf einer Abendveranstaltung feierlich gekürt, auf der die Kölner
Funk-Reggae-Band Sisters auftrat. 200 bis 500 Euro Preisgeld waren ausgelobt.
Die Sieger durften am 18. Mai gemeinsam mit dem Rapper Samy Deluxe auf der
UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt auftreten. Auf www.biofrankfurt.de findet
Ihr weitere Aktionen - zum Beispiel einen Fotowettbewerb mit tollen Preisen! Dort
könnt ihr euch auch Filme, eine Ausstellung und Fotos über die Naturvielfalt im
Rhein-Main-Gebiet anschauen.
Foto: Malten/Senckenberg
Poster von Stella Fangauf, Eugenia
Kriwoscheja, Nina Budel, Klasse 12,
Friedrich-Dessauer-Gymnasium,
Frankurt a. M.
Spiel der Klasse 6a der Friedrich-Ebert-
Schule in Schwalbach
„Viele sind so ignorant
und haben das noch nicht erkannt,
weil wegsehen viel zu einfach geht.
Man tut einfach so, als ob man nicht
versteht.
...Also wach jetzt endlich auf
und fang an, dich zu bewegen.
In was für einer Welt
sollen deine Kinder leben?“
Song von Julian Rasch, Leon Torchalla,
David Adu-Appeagyei, Tim Hubener,
Kl. 10, Wöhlerschule, Frankfurt a. M.
45
internes
Tour de Natur: 27. Juli – 9. August 2008
Aktiv: Jung + Alt radeln gemeinsam für den Erhalt unserer
Umwelt. Wir essen biologische Produkte, vegetarisch und
regional erzeugt und sparen damit jede Menge CO2 ein. Wir
betreiben Aufklärungsarbeit über alle Medien, Diskussions-
veranstaltungen und Marktplatzaktionen.
Umweltbewegt: Wir bewegen uns, um andere zu bewe-
gen. Wir sind uns einig, dass wir unseren Lebensstil drastisch
verändern müssen, wenn unser Globus auch zukünftige
Generationen versorgen können soll.
Unaufhaltsam: Wir fahren zu den umstrittensten deutschen
Verkehrsprojekten wie A 4/A 44/A 49 und dem Ausbau
von Elbe und Saale, um mit spektakulären Aktionen deren
Unsinnigkeit öffentlich zu machen und die Verantwortlichen
zu benennen.
Die Tour de Natur startet am 27. Juli
in Gießen und führt über Marburg,
Treysa und Borken nach Kassel. Nach
einem Aktionstag geht die Fahrt weiter
u.a. über Eschwege und Eisleben zum
Zielort Magdeburg. Dort wird die Tour
de Natur am 9. August ankommen.
Mehr Infos: UmweltHaus Kassel,
Klaus Schotte, Tel. 0561/878384
www.tourdenatur.net
Nr. 97/2.08
A 44: Gewonnen - und doch verloren!
Die ROBIN WOOD Gruppe Kassel ist seit vielen Jahren Mitglied
der Aktionsgemeinschaft Verkehr Nordhessen (AVN). Nun gab
es einen wichtigen Termin vor dem Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) in Leipzig. Das Gericht akzeptierte die in letzter Minute
vom Land Hessen ausgeräumten Mängel des Planfeststellungs-
beschlusses zum Weiterbau der Autobahn 44 bei Hess. Lichtenau
und erklärte den Bau in der jetzt vorliegenden Fassung doch
noch für rechtmäßig. Der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) hatte im Auftrag der AVN geklagt.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 17.05.2002 den
ersten Planfeststellungsbeschluss für die Nordumfahrung von
Hess. Lichtenau wegen Missachtung zentraler Vorschriften des
Naturschutzrechts beanstandet hatte, war auch der im Dezem-
ber 2005 erlassene Folgebescheid fehlerhaft. Als die Haltung des
Gerichts dem Land Hessen während der Gerichtsverhandlungen
bewusst wurde, kehrte es in höchster Not und quasi in letzter
Minute am Ende der zweitägigen mündlichen Gerichtsverhand-
lung den Tenor der naturschutzrechtlichen Beurteilung vollstän-
dig um. Nur aufgrund dieser Planänderungen hatte die vom
BUND erneut eingelegte Klage letztlich keinen abschließenden
Erfolg.
Auch wenn das Land die A 44 nunmehr in einem weiteren
Abschnitt bauen darf, setzen ROBIN WOOD und AVN weiter-
hin darauf, dass die Verkehrsprobleme nicht durch eine Natur
und Landschaft zerstörende Autobahn, sondern mittels LKW-
Durchfahrtsverboten in den Ortslagen und den Bau von Ortsum-
gehungen gelöst wird. Im Sommer wird die Tour de Natur in
Nordhessen wieder bunt und kreativ für eine alternative Ver-
kehrspolitik demonstrieren.
Mehr Infos unter: www.avn.cooltips.de
Klaus Schotte, ROBIN WOOD Regionalgruppe Kassel
Utopisches Gärtnern
„Mit der Sense in der Hand...“:
Sommerworkcamp vom 3.-
13.8.08 auf unserem Waldgar-
tengelände in der Nähe von
Verden/ Niedersachsen. 11 Tage
zelten, arbeiten, Sonne genie-
ßen! Hast du Lust? Mehr über
uns findest du unter:
www.allmende.de.vu oder ruf
uns einfach an: 04231-905030.
Wir freuen uns auf dich!
Allmende e.V.
Gemeinschaftlicher Permakultur-
garten für Verden
Artilleriestr. 6, 27283 Verden
anzeigen
impressum
post
Nr. 98/3.0846
Nummer 98/3.08
Magazin
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Erscheinungsweise vierteljährlich
Redaktion: Sabine Genz, Angelika Krumm, Annette
Littmeier, Christian Offer, Regine Richter,
Dr. Christiane Weitzel (V.i.S.d.P.)
Verantwortlich für Layout, Satz, Fotos und Anzeigen
ist die Redaktion
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
Lindenallee 32, 16303 Schwedt
Postfach 10 04 03, 16294 Schwedt
Tel.: 03332/2520-10, Fax: -11
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
zu beziehen über: ROBIN WOOD e.V.,
Geschäftsstelle, Postfach 10 21 22, 28021 Bremen,
Tel.: 0421/59828-8, Fax: -72
[email protected], www.robinwood.de
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins ist
im Mitgliedsbeitrag enthalten
Gesamtherstellung: Druckhaus Bayreuth,
www.druckhaus-bayreuth.de
Rollenoffsetdruck, Auflage: 11000
Das ROBIN WOOD-Magazin erscheint auf 100% Altpa-
pier augezeichnet mit dem Blauen Engel
Titelbild: argus/Andrews
Spendenkonto: ROBIN WOOD e.V., Postbank Hamburg,
BLZ: 20010020, Konto: 1573-208
Afrika: Ersatzteiltausch!
96/1.08, Verkehr: Auf Crash--Kurs
Die Taiga retten!
Die nordischen Wälder sind
stark bedroht. Und unser
verschwenderisch hoher Papier-
verbrauch ist einer der Haupt-
gründe dafür. Die Schülerinnen
und Schüler der Klasse 8c des
Gymnasium Bondenwald in
Hamburg waren so schockiert
darüber, wie diese Taigawälder
ausgebeutet werden, dass sie im
Rahmen ihres Erdkundeunter-
richts auf verschiedenen Folien
einen Appell zum Schutz der
Taiga entworfen haben. Einen
der tollen Entwürfe haben wir
hier abgedruckt. ROBIN WOOD
möchte sich an dieser Stelle
ganz herzlich bei den Schüle-
rInnen für ihr Engagement zum
Schutz der Wälder bedanken!
anzeigen
Kleine Ergänzung zur Ihrem Artikel über
den Verkehr in Ghana: Ich bin Ende der
90er Jahre selbst mal 3 Wochen mit öffent-
lichen Verkehrsmitteln durch Ghana gereist
und erfuhr, dass die ghanaische Regierung
immerhin versucht(e), mehr Verkehrssicher-
heit durch die Einführung einer Art TÜV zu
schaffen. Da sich aber z.B. die vielen Taxi-
fahrer die notwendigen Reparaturen nicht
leisten können, wird ein defektes Ersatzteil
oft nur vorüber gehend gegen ein neues
oder wenigstens funktionsfähiges ausge-
tauscht und nach der Inspektion wieder
eingebaut. - Immerhin schafft das Arbeit in
den Autowerkstätten.
Heidi Wenke
ROBIN WOOD e.V.GeschäftsstellePostfach 10 21 22
28021 Bremen
Erstmalig ab dem
O 01.06.2008 O
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