Ronja Sakata Japanischlehrerin, Japanexpertin und ... · einem Love-Hotel gönnen.»...

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Ronja, kannst du mir einen Tipp geben, wie ich dieses Interview japanisch korrekt beginne?Wenn man sich zum ersten Mal sieht, begrüsst man sich mit «hajimemashite», was so viel heisst wie «nice to meet you». Du könntest dann «hajimemashō» sagen, was «lass uns anfangen» bedeutet.Dann lass uns anfangen! Du bist Japan­expertin und bietest Japanischkurse und einen Japanspaziergang durch Zürich an. Woher kommt deine Faszination für dieses Land?Schon mit zwölf Jahren wusste ich, dass ich irgendwann nach Japan will. Schuld waren die Teeniebücher von Federica de Cesco, zum Beispiel «Die Lichter von Tokio». Als ich dann Lebensmittelingenieurin studierte, bewarb ich mich bei einem japanischen Konzern für ein Auslandspraktikum. Auf mirakulöse Weise hat es geklappt! Und nach zwei Wochen lernte ich beim Firmenfest unter einem Kirschblütenbaum meinen jetzigen Mann kennen.Gibt es eine Fettnäpfchenanekdote aus deiner Zeit in Japan, als du noch keine Expertin für japanische Kultur warst?Während des Praktikums im Lebensmittel-labor musste ich mich ganz in Weiss kleiden. Also kaufte ich mir neue weisse Turnschuhe. Als meine Gastmutter die Schuhe in meinem Zimmer sah, war sie entsetzt. Ich konnte damals noch nicht flie send Japanisch, aber mir fi l der Begriff ür «neu» ein. Sie verstand,

Ronja Sakata Japanischlehrerin, Japanexpertin und Kulturvermittlerin

«In Japan musst du das Eis selbst brechen»Sie hat ihr Herz früh an die japanische Kultur verloren. Heute ist Ronja Sakata Nipponkennerin mit einer Mission: Sie möchte Reisen in das ostasiatische Land zum entspannten Genuss mit Spass und fröhlichen Begegnungen machen. Deshalb hat die 42-Jährige ein Buch geschrieben, das einem dabei hilft, Fettnäpfchen zu umgehen und die Herzen der Japaner zu erobern.

INTERVIEW: SABINE ZAUGG BILDER: RONJA SAKATA UND YULIA SKOGOREVA

dass die Schuhe ungetragen waren, und hat sich wieder beruhigt. Nicht ohne mir einzu-schärfen, die Schuhe immer im Eingangs-bereich der Wohnung zu lassen. Das ist eine der wichtigsten Regeln in Japan: Schuhe bleiben draussen! Japaner sterben innerlich fast, wenn diese Regel gebrochen wird.Mittlerweile hast du einen Japanratgeber geschrieben. Warum?Ich möchte, dass Japanreisende eine lässige Zeit haben. Das bedingt, dass man versteht,

Aufgeschlossen. Wer mit ein paar Brocken Japanisch auf die Leute zugeht, erlebt Hilfs-bereitschaft und offene Herzen.

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worum es geht, und so eine entspannte Sicherheit gewinnt. Man sollte die wichtigs-ten Regeln kennen, sich aber nicht verun-sichern lassen durch Fehltritte, die Touristen nun mal zwischendurch machen.Es geht auch um die Sprache, die besonders in Japan ein Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis und Kennenlernen ist. Japaner lieben es, wenn man mit ein paar Brocken Japanisch auf sie zugeht. Sie selbst sprechen meist kein Englisch und sind viel zu schüch-tern, um den ersten Schritt zu wagen. Du musst in Japan selbst das Eis brechen.Wir denken ja, in Japan sei alles kompliziert. Ist es wirklich so, oder machen wir uns da unnötig Sorgen?Wir machen uns defin tiv unnötig Sorgen! Alles ist gut ausgeschildert und in den Hauptstädten meist auch in alphabetischer Schrift ngeschrieben. Mit einer Prepaid-Transportkarte kannst du unbeschwert Zug fahren, weil es den richtigen Betrag auto-matisch abbucht. Zugbeamte helfen gerne weiter, wenn du Fragen hast. Japan entspricht dem Schweizer Bünzligefühl: Alles ist sicher, pünktlich und überwacht. Es kann dir nichts passieren!Wo lauert für Touristen die grösste Gefahr, etwas falsch zu machen?Laut schnäuzen ist sehr unanständig. Die Nase wird höchstens geräuschlos abgeputzt. Die Schuhe lässt man in Wohnungen, in Tempeln, in Kleidergeschäften vor der Umkleidekabine oder auch in bestimmten Restaurants in einem

dafür vorgesehenen Bereich stehen. Die Stäb-chen darf man nicht in den Reis stecken, das ist ein Beerdigungsritual und im Restaurant defin tiv ein No-Go. Wenn man die Stäbchen nicht mehr braucht, legt man sie unterhalb des Tellers auf ein Stäbchenbänkchen oder auf den Tellerrand, mit den Spitzen nach links.Was denken Japaner über westliche Tou­risten? Eilt uns ein bestimmter Ruf voraus?Die meisten halten uns für Amerikanerinnen oder Amerikaner. Die Unsicherheit gegenüber Fremden ist gross, besonders auf dem Land. Sie wissen nicht, was sie von dir erwarten sol-len, und rechnen nicht damit, dass du Japa-nisch kannst. Umso erstaunter sind sie, wenn du ein paar Worte in ihrer Sprache sprichst und offen auf sie zugehst. Dann verlieren sie ihre Scheu schnell. Und wenn man dann noch zusammen lacht, hat man ihr Herz gewonnen.Gibt es so etwas wie ein Patentrezept, wie man sich in Japan korrekt verhält?Meine Japanischlehrerin, bei der ich vor mei-nem Praktikum Unterricht hatte, sagte mir

«Ich finde, man sollte sich einen Aufenthalt in einem Love-Hotel gönnen.»

Interkulturell. Ronja lebt mit ihrem Mann Ken und Tochter Mika in Zürich. Japanische Traditionen pflegen sie auch zu Hause.

INTERVIEW

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damals: «Alles, was hier bei uns höfli h ist, ist auch in Japan höfli h.» Das ist sicher ein guter Leitsatz.Du gibst heute ebenfalls Japanischkurse. Mit welchen rudimentären Sprachkenntnis­sen kann man als Ausländer punkten?Auf meinen Spickkärtchen, die man zu mei-nem Buch dazuerhält, stehen die wichtigsten Wörter. Mit «konnichiwa» (guten Tag), «gomenasai» (Entschuldigung), «arigatou» (Danke) und «oishii» (fein) kann man super punkten! Japanisch ist keine schwierige Spra-che, man muss sich nur getrauen, sie anzu-wenden.In deinem Buch widmest du dem Thema Restaurantbesuch 20 Seiten. Was sollte man wissen, bevor man sich in ein japanisches Restaurant begibt?Ich empfehle allen, sich in die kleinen Restau-rants zu wagen. Am besten fragt man nach der Empfehlung des Kochs. Er wird sich geehrt fühlen. Wenn man etwas gar nicht essen kann, sagt man mit verzagter Stimme «chotto» (tschotto; ein bisschen) und zeigt darauf. Damit ist sonnenklar, dass diese Speise dich überfordert. Wer sich echte Bewunderung holen will, der bastelt aus der Papierverpackung der Essstäbchen ein Stäb-chenbänkchen. Das gibt Extrapluspunkte! Sushi und Ramen sind bei uns bekannt. Welche Gerichte sollte man noch probieren?Es gibt so viel Leckeres! Ich liebe Okonomi-yaki. Das ist eine Art Rösti aus Kohl mit einem Topping aus japanischem Ketchup, Algenpulver und Fischfl cken.Wohin geht man nach einem Restaurant­besuch?Japanerinnen und Japaner lieben natürlich Karaokebars. Oder sie hängen in den zahlreichen kleinen Bars ab. In Städten gibt es auch Clubs. Da kenne ich mich aber weniger aus.

Und was ist mit Love­Hotels?Die Regierung fi det sie nicht mehr zeitge-mäss, doch ich glaube nicht an deren Ausster-ben. Viele japanische Paare nutzen sie, aber man spricht nicht offen darüber. Japaner decken sogar die Nummernschilder ihres Autos ab, damit sie nicht erkannt werden. Ich fi de, man sollte sich einen Aufenthalt in einem Love-Hotel gönnen. Es ist eine tolle Gelegenheit, in einem speziell gestylten Zim-mer zu übernachten. In meinem Buch gibt es ein ganzes Kapitel darüber.Du bist mit einem Japaner verheiratet. Habt ihr mit kulturellen Unterschieden zu kämpfen?Nicht wirklich. Japaner und Schweizer passen eigentlich sehr gut zusammen. Beide mögen Sicherheit, Pünktlichkeit und Ordnung. Japa-ner sind in der Öffentlichkeit sicher zurück-haltender mit dem Austausch von Zärtlichkei-ten als wir.Ihr habt eine gemeinsame Tochter. Welche Werte aus beiden Kulturen möchtest du ihr mit auf den Weg geben?Sie soll selbst auswählen, welche Werte sie später mitnimmt. Mir sind Familienwerte sehr wichtig. Wir stellen wie alle Familien mit Töchtern immer Anfang März zum Hinamat-suri (Mädchenfest) eine dreistöckige Platt-form mit vielen bedeutungsvollen Figuren auf. Mit weissen Baumwollhandschuhen, damit es keine Fingerabdrücke gibt. Ich fi de es zudem wertvoll, dass sie auch Japanisch spricht. Welchen Tipp hast du für Japanbesucher, die im Sommer an die Olympischen Spiele in Tokio reisen?Geniesst Japan und besucht die kleinen Bars und Restaurants in den Seitengassen, ihr werdet sie lieben!Welchen Ort muss man in Japan unbedingt gesehen haben?Sicher Tokio, Kyoto und Osaka. Aber auch auf dem Land gibt es so viele wunderschöne Orte zu entdecken. Am besten ist ein Mix aus Bekanntem und Unbekanntem. Man sollte keine Angst haben, abseits der ausgetretenen Pfade zu reisen. In Japan geht man nicht so schnell verloren.Und wie verabschiedet man sich auf Japanisch?Man bedankt sich und verabschiedet sich mit «mata ne» (bis bald). «Sayonara» (auf Wieder-sehen) sagt man eher weniger, weil es sehr dramatisch klingt und impliziert, dass man sich für eine sehr lange Zeit nicht sehen wird. Und man verbeugt sich natürlich.Also dann, mata ne! Und arigatou!

è ronjasakata.com

Entspannt nach Japan reisenDas Buch von Japanexpertin Ronja Sakata führt Reisende mit Humor und Insiderwissen in die japanische Kultur ein. Man lernt, wie man entspannt Zug fährt, sich im Restaurant die volle Punktzahl holt und mit wenigen Japanischkennt-

nissen offen auf Einheimische zugehen kann. Es kann als E-Book, Taschen- oder Hörbuch auf ihrer Website bestellt werden. Zusätzlich erhält man Zugang zu praktischen Spick-kärtchen für schnelle Hilfe unterwegs.Übrigens: Wir verlosen auf unserer Facebook-Seite demnächst ein japanisches Überraschungspaket von Ronja Sakata.è facebook.com/globetrottermagazin

Ronja Sakata (42) lebt mit ihrem Mann und ihrer gemeinsamen Tochter in Zürich. Zusammen mit dem Containercafé Kumo6 am Bucheggplatz hat sie den Japanspaziergang inklusive Waldbaden ins Leben gerufen (das «Baden im Wald» oder «Shinrin-Yoku» stammt natürlich aus Japan). Sie liebt es, Menschen mit ihrer Faszination für Japan anzustecken, und lehrt die Sprache in einem 13-wöchigen Onlinekurs.

Ausprobieren. Japan ist ein Paradies für Foodies. Es gibt viel mehr als nur Sushi – zum Beispiel Süssigkeiten wie hier frischgebackene Crêpes in der Tüte.

Ausziehen. Pantoffeltausch beim Toilettengang: raus aus den Hauspantoffeln, rein in die Toiletten-pantoffeln. Und danach wieder zurückwechseln.

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