RUNDLAGEN DES VERWALTUNGSRECHTS...der öffentlichen Verwaltung zur Erfüllung einer bestimmten...

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Johannes Pogoda ([email protected]) – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Stand: 2011-01-31 1 GRUNDLAGEN DES VERWALTUNGSRECHTS

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GRUNDLAGEN DES VERWALTUNGSRECHTS

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A. Verwaltung • Teil der vollziehenden Gewalt

• Begriff

o Verwaltung im organisatorischen Sinn

Gesamtheit der Stellen, die überweigend materielle Verwaltungstätigkeit ausüben

o Verwaltung im formellen Sinn

gesamte von den Verwaltungsbehörden ausgeübte Tätigkeit ohne Rücksicht auf den materiellen Gehalt dieser Tätigkeit

o Verwaltung im materiellen Sinn

negativ definiert: diejenige Staatstätigkeit, die nicht Gesetzgebung, nicht Rechtsprechung und nicht Regierungstätigkeit ist

positiv definiert: Verwirklichung der Staatszwecke für den Einzelfall unter Einsatz hoheitlicher Mittel oder unter Herbeiführung für den Bürger verbindlicher Entscheidungen

• Arten

o Eingriffsverwaltung

Verwaltung greift in die Rechte des Bürgers ein, indem sie ihm Verpflichtungen oder Belastungen auferlegt

kein Übertragungsverbot für Aufgaben der Eingriffsverwaltung an Private solange sichergestellt ist, dass die Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden

o Leistungsverwaltung

Verwaltung gewährt dem Bürger Leistungen oder Vergünstigungen

o Gewährleistungsverwaltung

solche Bereiche, in denen die Verwaltung die von ihr bislang wahrgenommenen Aufgaben nicht mehr selbst erfüllt sondern durch Private wahrnehmen lässt

o Gesetzesakzessorische Verwaltung

Vollzug von Gesetzen durch die Verwaltung; Verwaltung wird also aufgrund der gesetzlichen Grundlage eingreifend oder leistend tätig

o Gesetzesfreie / nichtgesetzesakzessorische Verwaltung

Verwaltung wird ohne gesetzliche Grundlage tätig

grds nicht verfassungswidrig, sofern es sich um Leistungsverwaltung handelt; bei Eingriffsverwaltung ist eine entsprechende Grundlage aufgrund des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes und dem Parlamentsvorbehalt immer notwendig

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B. Verwaltungsrecht als Teil des öffentlichen Rechts I. Abgrenzungstheorien

• grds auf den Zweck abzustellen, der mit der Verwaltungstätigkeit verfolgt wird, und auf den Gesamtzusammenhang

1. Subordinationstheorie • Verhältnis von Über- und Unterordnung zwischen Bürger und Staat

• zum Rechtsverhältnis gehörige, staatliche Maßnahmen oder Rechtsakte ÖR Natur

2. Sonderrechtstheorie • ÖR Streitigkeit, sofern streitentscheidende Vorschriften ÖR

o falls streitentscheidende Normen privat- und ÖR, dann kann Kläger wählen >>> jeweilige Gericht hat dann die Normen der anderen Gerichtsbarkeit gem § 17 II GVG entsprechend zu berücksichtigen

• Rechtsvorschriften ÖR, wenn sie ausschließlich in jedem denkbaren Anwendungsfall einen Träger der öffentlichen Gewalt berechtigen oder verpflichten

3. Interessentheorie • Vorschrift ÖR, wenn sie dem öffentlichen Interesse dient

• Vorschrift privatr, wenn sie dem Individualinteresse des einzelnen Bürgers dient

II. Zweistufentheorie • Anwendungsbereich

o Klage auf Gewährung einer Subventionen

o Zulassung zu einer kommunalen öffentlichen Einrichtung

• Prämissen

o Formenwahlfreiheit der Verwaltung

Verwaltung frei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hinsichtlich der Rechtsnatur

o Verwaltung kann ÖR Entscheidungen auch durch privatr Handeln umsetzen

• Verfahrensabschnitte

o 1. Frage des Ob: Entscheidung der Verwaltung, ob sie handelt

muss ÖR sein

o 2. Frage des Wie: Entscheidung der Verwaltung, wie sie handelt

bei Subventionen privatr (Darlehensvertrag nach § 488 BGB)

• Subventionen meint idF nur rückzahlbare Zuschüsse und Darlehen

• str, da

o einheitlicher Vorgang wird in zwei verschiedene Rechtsverhältnisse aufgeteilt

o ÖR Entscheidung hinsichtlich Bewilligung enthält idR zumindest implizit Aussagen hinsichtlich der Subventionshöhe, -dauer etc

o BVerwG: Darlehenssumme kann trotz unwirksam gewordenem VA nicht nach ÖR zurückgefordert werden, dies muss nach privatr Regeln erfolgen

bei Benutzung von kommunalen öffentlichen Einrichtungen privatr oder ÖR

• kommunale öffentliche Einrichtung: Einrichtung, die von der Gemeinde im öffentliche Interesse unterhalten und durch Widmungsakt ihren Einwohnern zugänglich gemacht wurde

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o öffentliche Einrichtung kann auch von rechtlich selbstständiger juristischer Person des Privatrechts betrieben werden, solange die Gemeinde zumindest einen bestimmenden Einfluss ausüben kann

• im Zweifel ÖR

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C. Rechtsbindung der Verwaltung I. Theorien zur Normenkollision

1. Nichtigkeitstheorie • rechtswidrige Normen grds im Zeitpunkt ihrer Rechtswidrigkeit auch nichtig

• nachfolgende normverwerfende Gerichtsentscheidung lediglich als deklaratorische ex-tunc-Wirkung

2. Vernichtbarkeitstheorie • rechtswidrige Normen nicht automatisch nichtig, erst wenn sie vom Gesetzgeber oder einem zuständigen

Gericht für nicht erklärt wurden

II. Prüfungskompetenzen von Amtswaltern • Mögliche Verfahrensweisen bei Vermutung der Rechtswidrigkeit seitens des Beamten

o Nichtanwendungspflicht des Beamten

mit Art. 20 III GG unvereinbar

o Anwendungspflicht des Beamten

mit Art. 20 III GG unvereinbar

o Aussetzungs- und Vorlagepflicht des Beamten

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D. Organisation der Verwaltung I. Träger der Verwaltung

1. Unmittelbare Staatsverwaltung • Bundes- / landeseigene Behörden (Verwaltungsträger: Bund / Land)

o unmittelbare Bundesverwaltung

o unmittelbare Landesverwaltung

2. Mittelbare Staatsverwaltung • rechtsfähige Verwaltungseinheiten, die rechtlich selbstständig und mglw auch gegenüber Bund / Land mit

eigenen Rechten ausgestattet sind jedoch dem Staat zugeordnet werden und auch in ihn eingegliedert sind (Verwaltungsträger sind die rechtsfähigen Verwaltungseinheiten selbst)

o mittelbare Bundesverwaltung

o mittelbare Landesverwaltung

3. Einzelne Verwaltungsträger

a. Juristische Person des ÖR • fiktive, durch Gesetz oder staatlichen Hoheitsakt ins Leben gerufene Rechtsgebilde mit eigener

Rechtspersönlichkeit, die selbst Träger von Rechten und Pflichten sind und auch klagen können bzw verklagt werden können und deren Rechtsgrundlage ÖR Natur ist

aa. Körperschaften des ÖR • Durch staatlichen Hoheitsakt ins Leben gerufene, mitgliedschaftlich verfasste, aber vom Mitgliederwechsel

unabhängige Rechtsträger zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben

bb. Anstalten des ÖR • Zusammenfassung personeller und sächlicher Mittel zu einer Organisationseinheit in der Hand eines Trägers

der öffentlichen Verwaltung zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe

cc. Stiftungen des ÖR • Organisatorisch verselbstständigte, rechtsfähige Institutionen mit dem Zweck der Verwaltung eines Bestandes

an öffentlichem Vermögen

dd. Beliehene • Natürliche oder juristische Personen des ZR, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einzelne

hoheitliche Aufgaben wahrnehmen

II. Organe der Verwaltung

1. Behörde

a. Behörde im materiellen / funktionellen Sinn • jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt

b. Behörde im formell-organisatorischen Sinn • organisatorische Einheiten, durch die juristische Personen des ÖR Verwaltungsaufgaben erfüllen

2. Amt und Amtswalter • Amt: Aufgabenbereich der öffentl Vw, der einer Person übertragen ist

• Amtswalter: natürliche Person, die ein entsprechendes Amt ausübt

3. Organ und Organwalter • Organ: organisatorisch selbstständige Einrichtung, die in eine juristische Person eingegliedert ist und die für

diese Zuständigkeiten und Befugnisse wahrnimmt

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• Organwalter: natürliche Person, die für ein Organ handelt

III. Verwaltungsaufbau

1. Bundesverwaltung

a. Unmittelbare Bundesverwaltung • Oberste Bundesbehörden: keiner anderen Bundesbehörde untergeordnet; zuständig für das gesamte

Bundesgebiet

• Bundesoberbehörden: einer obersten Bundesbehörde nachgeordnet und in Ausnahmefällen Bundesmittel- und Bundesunterbehörden übergeordnet; zuständig für das gesamte Bundesgebiet

• Bundesmittelbehörden: einer obersten Bundesbehörde nachgeordnet und den Bundesunterbehörden übergeordnet; zuständig nur für einen Teil des Bundesgebiets

• Bundesunterbehörden: einer Bundesmittelbehörde nachgeordnet

b. Mittelbare Bundesvw • insb die rechtlich selbstständigen juristischen Personen des ÖR, die Aufgaben der Bundesvw wahrnehmen und

Aufsicht durch den Bund unterliegen

o Bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des ÖR

2. Landesvw

a. Unmittelbare Landesvw • Allgemeine Landesverwaltung

o für alle Vwaufgaben zuständig, die nicht den Sonderbehörden obliegen

o Oberste Landesbehörden: Ministerpräsidenten, Landesministerien, Landesrechnungshöfe

o Landesoberbehörde: einer obersten Landesbehörde nachgeordnet; verfügt evtl über einen Vwunterbau in Form von unteren Sonderbehörden

o Obere / Höhere Landesbehörden = Landesmittelbehörden: Regierungspräsidien, Bezirksregierungen, Regierungen

o Untere Landesbehörden: Landratsämter

• Sonderbehörden

o zuständig für ganz bestimmte Vwaufgaben

o Oberste Landesbehörde: Ministerpräsidenten, Landesministerien

o Höhere Sonderbehörde: obersten Landesbehörde nachgeordnet und unteren Sonderbehörden übergeordnet (= Landesmittelbehörde)

o Untere Sonderbehörde (= untere Landesbehörde)

b. Mittelbare Landesvw • juristische Personen des ÖR, die Aufgaben der Landesvw ausführen und der Aufsicht durch das Land

unterliegen

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E. Handlungsgrundsätze der Vw I. Grundsatz der Bestimmtheit, Vorhersehbarkeit und Messbarkeit des Vwhandelns

• Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips des GG (Art. 20 III, 28 I 1) und in § 37 I VwVfG ausdrücklich für die Vw normiert

• desto belastender eine staatliche Maßnahme, desto höher sind die Anforderungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit des in Rede stehenden Rechtsakts

II. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit • Grundsatz folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten

• jegliches belastendes staatliches Handeln muss dem Grundsatz entsprechen

• Verhältnismäßigkeit nicht zu prüfen, sofern das Verhalten der Vw in diesem Fall vom Gesetz exakt festgeschrieben wurde

• Prüfung: Verhältnis von der Vw ergriffenem Mittel (= konkrete Vwmaßnahme) und dem damit verfolgten Zweck

o Legitimer Zweck

Zweck auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet oder es besteht ein staatlicher Schutzauftrag

Vw darf lediglich den Zweck verfolgen, den auch der Gesetzgeber damit verfolgte

o Geeignetheit

Angestrebte Zweck kann mit der Maßnahme zumindest gefördert werden

o Erforderlichkeit

kein milderes Mittel, das den gleichen Erfolg mit der gleichen Sicherheit und vergleichbarem Aufwand herbeiführte

o Angemessenheit

kein erkennbares Missverhältnis von einigem Gewicht zwischen dem verfolgten Zweck und der ergriffenen Maßnahme

Kriterien

• Schwere des Eingriffs (Ausmaß & Ausgestaltung des Eingriffs (Kompensation, Ausnahmen, Übergangszeit, Zahl der Betroffenen), betroffener Persönlichkeitsbereich)

• Gewichtung der Gemeinwohlgründe, die für die Eingriffe sprechen

III. Willkürverbot, Gleichbehandlungsgrundsatz • folgt aus Art. 3 I iVm dem Rechtsstaatsprinzip

a. Ungleichbehandlung zweier Personenkreise • Ungleichbehandlung zweier gleicher Gruppen / Gleichbehandlung zweier ungleicher Gruppen ohne

ausreichende Rechtfertigung durch die gleiche Hoheitsgewalt

• Verbot wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln

• GR-Berechtigter kann das Unterscheidungsmerkmal praktisch nicht beeinflussen

b. Rechtfertigung 2 Prüfungsmaßstäbe möglich

aa. Willkürverbot Sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ausreichend

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bb. Neue Formel Anwendung, wenn:

• personenbezogene Ungleichbehandlung (genus proximum (Oberbegriff))

• sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung (differentia specifica)

• Verhältnismäßigkeit

o Legitimer Zweck

o Geeignetheit

o Erforderlichkeit

o Angemessenheit

IV. Grundsatz von Treu und Glauben und Verbot unzulässiger Rechtsausübung • Grundsatz der aus § 242 BGB folgt und nicht nur Anwendung beim Handeln der Vw sondern auch bei

Handlungen von Bürgern findet

V. Grundsatz des Vertrauensschutzes • abgeleitet aus Rechtsstaatsprinzip und Grundrechten

• Verbot eines zwar vom Gesetz gedeckten Handeln der Vw, das jedoch schutzwürdiges Vertrauen des nachteilig betroffenen Bürgers enttäuscht, wobei das Vertrauens des Bürgers höher zu bewerten sein muss, als das öffentliche Interesse, das die Behörde mit der Maßnahme verfolgt

VI. Koppelungsverbot • Verbot Handlungen der Vw von Gegenleistungen des Bürgers abhängig zu machen, die in keinem sachlichen

Zusammenhang mit dem Vwhandeln stehen

VII. Gebot des Gemeinwohlbezugs • folgt aus dem Demokratieprinzip aus Art. 20 I GG, demnach muss jegliches staatliches Handeln dem gesamten

Volk und somit dem Gemeinwohl dienen

• Vorliegen von nachvollziehbaren Gemeinwohlgründen genügen, um einen Verstoß gegen diesen Grundsatz entsprechend auszuschließen

VIII. Effizienzgebot • Vw muss ihre Aufgaben möglichst effizient wahrnehmen

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F. Gesetzmäßigkeit der Vw I. Gebundene und nichtgebundene, gesetzesfreie und gesetzesabhängige / -akzessorische Vw

• Gebundene Vw

o Gesetze, die der Vw keinen Entscheidungsspielraum gewähren >>> Tatbestand erfüllt, bestimmte Maßnahme zu treffen

• Nichgebundene Vw

o Gesetze, die der Behörde die Befugnis einräumen, selbst zu entscheiden, ob bzw wie sie handelt (= Gesetze mit behördlichem Entscheidungsspielraum)

• Gesetzesfreie Vw

o Behörden werden ohne gesetzliche Grundlage tätig und verfügen dementsprechend über einen weitreichenden Entscheidungsspielraum

• Gesetzesabhängige / -akzessorische Vw

o Vw führt mit der jeweiligen Maßnahme nur ein Gesetz aus

II. Behördliches Ermessen • Behörde wird beim Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen eine Wahlmgl zwischen verschiedenen vom

Gesetz als rechtmäßig anerkannten Verhaltensmöglichkeiten gewährt

1. Arten • Entschließungsermessen

o Behörde steht es frei, überhaupt tätig zu werden

• Auswahlermessen

o Behörde hat die Wahl zwischen mehreren Verhaltensweisen für den Fall ihres Tätigwerdens

• Intendiertes Ermessen

o Dem Gesetz kann entnommen werden, wie das Ermessen auszuüben ist und welches Ergebnis für den Normalfall gewollt ist >>> sofern keine besonderen Umstände ersichtlich, die für eine andere Entscheidung sprechen, braucht Vw keine Ermessenserwägungen anzustellen (materieller Aspekt) und ihre Entscheidung auch nicht zu begründen (formeller Aspekt)

2. Grundlage des Ermessens • Ermessen kann nur durch Gesetz eingeräumt werden

o durch Gesetz expressis verbis

o aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes

o durch einzelne gesetzliche Umschreibungen

o durch Sollvorschriften

Vw muss tätig werden, sobald Tatbestand erfüllt ist; Vw darf jedoch in Ausnahmefällen von der vorgeschriebenen Rechtsfolge absehen >>> Vw hat nur Ermessen, sofern ein Sonderfall vorliegt

Sofern Vw die in der Sollvorschrift vorgesehene Rechtsfolge anordnet, muss Vw lediglich Möglichkeit eines Ausnahmefalles in Erwägungen gezogen haben und die Ablehnung der Ausnahme kurz darlegen, um der materiellen Pflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung und ihrer formellen Begründungspflicht aus § 39 I 3 VwVfG zu genügen

3. Grenzen des Ermessens und gerichtliche Kontrolle von Ermessensentscheidungen • § 40 VwVfG: Behörde hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck ihrer Ermächtigung auszuüben und dabei

gesetzlichen Grenzen zu wahren

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o Behörde in ihrem Ermessen auch dahingehend begrenzt, dass überhaupt erst der Tatbestand erfüllt sein muss, damit die Vw handeln kann

• § 114 S. 1 VwGO: Kontrollbefugnis der Gerichte auf die Wahrung von § 40 VwVfG beschränkt >>> keine Entscheidung darüber, ob es eine zweckmäßigere Entscheidung gegeben hätte

a. Fallgruppen möglicher Ermessensfehler • Ermessensnichtgebrauch / Ermessensunterschreitung

o Behörde stellt keinerlei Ermessenserwägungen an, obwohl von Gesetzes wegen mgl

• Ermessensüberschreitung

o Behörde trifft eine Entscheidung, die außerhalb des gesetzlich abgesteckten Rechtsfolgenrahmens liegt

• Ermessensfehlgebrauch

o Zweckverfehlung

Behörde beachtete den Zweck der gesetzlichen Ermessenseinräumung nicht oder nicht hinreichend

o Abwägungsdefizit

Behörde hat nicht alle Umstände des Falles miteinbezogen, die nach der Sachlage und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen gewesen wären

o Ermessensmissbrauch

Behörde stellt sachfremde (missbräuchliche) Erwägungen an

• Verstoß gegen Grundrechte oder allgemeine Rechtsgrundsätze

o Grundrechte oder allgemeine Rechtsgrundsätze ge- / verbieten ein bestimmtes behördliches Verhalten >>> siehe insbesondere Handlungsgrundsätze der Vw

• Ermessensreduzierung auf Null

o Behörde kann unter bestimmten Voraussetzungen von vornherein trotz eigentlichem Ermessensspielraum nur eine einzige rechtmäßige Entscheidung treffen

b. Konsequenzen von Ermessensfehlern • Anfechtungsklage

o gegen belastende Ermessensentscheidungen bei VA

Ermessensfehler führt zur Rechtswidrigkeit des VA

Belastung des VA führt dann dazu, dass der VA aufgehoben werden muss (Ausnahmen: Ermessensreduzierung auf Null; Kläger wurde nicht in seinen Rechten verletzt; Vw hätte objektiv und ohne jeden Zweifel im Ergebnis trotzdem so entschieden)

• Verpflichtungsklage

o Kläger verlangt von Behörde Erlass eines VA und wird abgewiesen

Ablehnende Entscheidung ermessensfehlerhaft, dann darf das Gericht die Behörde grds nicht zum Erlass des beantragten VA verpflichten, da Behörde Ermessensspielraum hinsichtlich der Entscheidung und kann somit mglw auch rechtmäßig >>> Gericht verurteilt Behörde zu einer erneuten Prüfung hinsichtlich des Antrags auf Erlass eines VAs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts

III. Unbestimmte Rechtsbegriffe • Abgrenzung hinsichtlich behördlichem Entscheidungsspielraum

o normative Ermächtigungslehre

Ermittlung eines Entscheidungsspielraums durch Auslegung der Norm

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o restriktive Rspr

Behörden verfügen grds über keinen Entscheidungsspielraum

Arg: Art. 19 IV GG gewährt einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte >>> je dichter die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Entscheidungen, desto effektiver der Rechtsschutz

• unbestimmte Rechtsbegriffe ohne behördlichen Entscheidungsspielraum

o behördliche Entscheidung gerichtlich voll überprüfbar, da nur eine Entscheidung richtig

• unbestimmte Rechtsbegriffe mit behördlichem Entscheidungsspielraum

o behördliche Entscheidung gerichtlich nur begrenzt überprüfbar: Vw muss Ermessensspielraum überschritten haben

o der restriktiven Rspr folgend eher der Ausnahmefall >>> unbestimmter Rechtsbegriff gewährt damit nicht automatisch der Vw ein Ermessen; dieses muss erst besonders begründet werden

o Fallgruppen

Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen

• Ausnahmen von der Annahme eines Ermessens: Verstoß gegen Verfahrensvorschriften oder –grundsätze (jedoch Rügepflicht des Prüflings, damit dem Verstoß sofort Abhilfe geschaffen werden kann, außer Verstoß offensichtlich und deswegen auch bewusst); Prüfer ging von unzutreffendem Sachverhalt aus; Prüfer ließ sich von sachfremden Erwägungen leiten; allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze wurden nicht beachtet; willkürliche Entscheidung

Beamtenrechtliche Eignungs- und Leistungsbeurteilungen

• Beurteilung eines Beamten oder Soldats für bestimmte Dienstposten oder Aufgaben

Höchstpersönliche Akte wertender Erkenntnis

• Behördenentscheidung, die aufgrund des persönlichen Eindrucks unter Berücksichtigung der besonderen fachlichen Erfahrung des Amtswalters getroffen wird

• Indiz: Entscheidung erfolgte durch ein Gremium, welches weisungsunabhängig, staatsfrei und nach besonderen Kriterien zusammengesetzt ist

Prognose- und Risikoentscheidungen (insbesondere im Umwelt- und Wirtschaftsrecht)

• Zwangsläufige Ungewissheiten und Unwägbarkeiten erfordern Entscheidungsspielraum

o Grenzen des Entscheidungsspielraums und gerichtliche Kontrolle der Wahrung des Entscheidungsspielraums

Beurteilungsausfall

• Behörde verkennt einen ihr zustehenden Entscheidungsspielraum

Beurteilungsüberschreitung

• Behörde trifft Entscheidung, die außerhalb des gesetzlich abgesteckten Rahmens liegt

Beurteilungsfehlgebrauch

• Entscheidung ist mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Einräumung des Entscheidungsspielraums nicht vereinbar

• Behörde hat entscheidungserhebliche Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend beachtet

• Behörde hat sachfremde Erwägungen angestellt

• Beurteilungsreduzierung auf Null

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o Nur eine einzige behördliche Entscheidung richtig und zweckmäßig zugleich

• Verstoß gegen Grundrechte oder allgemeine Rechtsgrundsätze

o Folgen von Beurteilungsmängeln

siehe Konsequenzen bei Ermessensfehlern

IV. Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung • grds kein Anspruch auf eine Entscheidung der Behörde, sofern ihr ein Ermessen oder Beurteilungsspielraum

hinsichtlich der Vornahme der Entscheidung eingeräumt ist (Ausnahme: Reduzierung des Spielraums auf Null) >>> Anspruch gilt lediglich der Fehlerfreiheit der Entscheidung bzgl Ermessens- und Beurteilungsspielraum (Voraussetzung: Norm dient zumindest auch dem Interesse des Bürgers) >>> Geltendmachung über § 113 V 2 VwGO: Bescheidungsklage (Unterfall der Verpflichtungsklage)

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G. Subjektives öffentliches Recht und Vwrechtsverhältnis I. Das subjektive öffentliche Recht

1. Unterscheidung zwischen objektivem öffentlichen und subjektivem öffentlichen Recht • objektive Recht: Summe aller geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze

o Umstand, dass der Staat zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, rechtfertigt noch nicht, dass der Bürger einen Anspruch gegen den Staat auf dieses Verhalten hat

• subjektive Recht: Norm, die nicht nur objektive Rechtspflichten statuiert

o mögliche Konstellationen: Bürger gegen Staat bzw seine Untergliederungen; Staat gegen Bürger; Träger öffentlicher Einrichtungen untereinander

• Abgrenzung nach der Schutznormtheorie

o Rechtsvorschrift gewährt dann ein subjektives öffentliches Recht, wenn sie zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen zu dienen bestimmt ist >>> folgende Voraussetzungen für Annahme eines subjektiven öffentlichen Rechts

Bestehende Norm, die die Vw zu einem bestimmten Verhalten berechtigt oder verpflichtet

Norm besteht zumindest auch im Interesse des Bürgers

• Drittschützende Norm

o BVerwG: nur dann der Fall, wenn die in Rede stehende Vorschrift einen bestimmten und abgrenzbaren (individualisierbarer und nicht übermäßig weiter Kreis) Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt

2. Bedeutung der Grundrechte • Abwehrrechte

o Schutz des Bürgers vor gezielten aber auch vor faktischen staatlichen Eingriffen in die Rechte des Bürgers, wenn diesen eine gewisse Erheblichkeit oder Relevanz zukommt

• Leistungsansprüche

o Ansprüche des Bürgers auf staatliches Handeln oder auf Teilhabe an der Gewährung staatlicher Leistungen

• Schutzpflichten als Berechtigung

o Staat verpflichtet, Bürger vor Eingriffen der in den Grundrechten enthaltenen Rechtsgüter durch Dritte zu schützen

o Voraussetzungen für eine sich daraus mglw ergebende Berechtigung

Staat traf überhaupt keine Schutzvorkehrungen

Staat traf nur gänzliche ungeeignete Regelungen und Maßnahmen zum Schutz

Staat traf Schutzvorkehrungen, die gänzlich ungeeignet sind oder völlig unzureichend sind, um das gebotene Schutzziel zu erreichen

II. Das Vwrechtsverhältnis • wird gebildet durch vwrechtliche Beziehung zwischen mind 2 Rechtssubjekten, wobei sich die

Rechtsbeziehungen aus der Anwendung von Normen auf einen konkreten Sachverhalt ergeben müssen (also ein konkretes Rechtsverhältnis erforderlich)

1. Erscheinungsformen • kurzzeitige Vwrechtsverhältnisse

o entstehen ad hoc und haben beschränkten, überschaubaren Sachverhalt zum Gegenstand

• Dauervwrechtsverhältnisse

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o auf längere Dauer angelegt und haben eine Vielzahl von Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten zum Gegenstand

2. Rechtsnachfolge im Vwrechtsverhältnis • str, wann ein Bürger generell in die ÖR Rechte und Pflichten eines anderes Bürgers eintreten kann (zT

spezialgesetzlich geregelt für einzelne Fälle)

o Nachfolgefähigkeit von Rechten und Pflichten

zu klären, ob das in Rede stehende Recht bzw Pflicht überhaupt auf eine andere Person übergehen kann (Ausschluss des höchstpersönlicher Rechte und Pflichten)

o Nachfolgetatbestand

Rechtsgrundlage für die konkrete Rechtsnachfolge

• Gesamtrechtsnachfolge

o Erbfall (§ 1922 BGB)

o Firmenübernahme (§ 25 HGB)

o Vermögensübertragung (§ 174 ff. UmwG)

o hinsichtlich der ÖR Rechte und Pflichten erfolgt der Übergang in unmittelbarer oder aber in analoger Anwendung dieser Vorschriften

• Einzelrechtsnachfolge

o Abtretung ÖR Forderungen nach §§ 398 ff. BGB analog

o hM: sachbezogene Rechte und Pflichten folgen kraft ihres dinglichen Charakters dem Eigentum an der Sache >>> Rspr: rechtsgeschäftliche Erwerber einer Sache rückt auch in die verfahrensrechtliche Position seines Rechtsvorgängers ein, sofern dieser aufgrund der Veräußerung der Sache das Verfahren nicht mehr fortführen kann

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HANDLUNGSFORMEN DER VERWALTUNG

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H. § 35 VwVfG: Verwaltungsakt • jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines

Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (Legaldefinition aus § 35 S. 1 VwVfG)

o häufig vorkommende VA: Verfügung, Entscheidung, Anordnung, Bescheid

• Funktion und Bedeutung des VA

o Handlungsinstrument der Vw, durch das sie die Rechtsbeziehungen zu den Bürgern einseitig autoritativ und verbindlich im Einzelfall konkret regelt

o rechtswidrige VA ebenfalls bestandskräftig und zu befolgen, solange nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angegriffen

o Behörden vollstrecken VA selbst, sofern Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt

o VA auch zwischen 2 Verwaltungsträgern mgl

• Arten des VA

I. Voraussetzungen des § 35 S. 1 VwVfG

1. Behörde § 1 IV VwVfG: jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt

• Stelle, die befugt ist, im eigenen Namen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben

• Gesetzgebungs-, Regierungs- und Rsprorgane handeln ausnahmsweise als Behörde, wenn sie Vwaufgaben erfüllen, nicht aber, wenn sie in ihrer spezifischen Funktion tätig werden

• Behörde im funtionellen Sinne

o jede organisatorisch selbstständige Instanz, wenn und soweit ihnen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung nach außen durch Gesetz zugewiesen sind

• Behörde im organisatorischen Sinne

o alle in die staatliche Verwaltungshierarchie eingeordneten Organe und Vollzugsorgane nichtstaatlicher Verwaltungsträger

2. Hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts • Verfügung und Entscheidung stellen Unterformen der hoheitlichen Maßnahme dar

a. Maßnahme • jedes zweckgerichtete Handeln mit Erklärungscharakter

o Handeln iS eines Tuns

b. hoheitlich • Subordinationstheorie

o ÖR, wenn Verhältnis von Über- und Unterordnung

• Sonderrechtstheorie

o ÖR, wenn durch die Vorschrift ausschließlich ein Träger der öffentlichen Gewalt berechtigt oder verpflichtet wird

• Interessentheorie

o ÖR, wenn es im öffentlichen Interesse ist

>>> jedenfalls ÖR, wenn Behörde im öffentlichen Interesse in einem Über-Unterordnungsverhältnis aufgrund von Normen tätig wird, die ausschließlich einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet

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3. Regelung • Verbindliche und unmittelbare Setzung von Rechtsfolgen,

o unmittelbare Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten für einen Bürger

o Feststellung oder Verneinung von Rechten, Pflichten oder Rechtssachen eines Bürgers

• Zweckrichtung: Zweck muss die Herbeiführung einer verbindlichen Rechtsfolge sein

• Rechtserfolg: Behördliche Maßnahme muss verbindliche Rechtsfolge tatsächlich angeordnet und auch gesetzt haben

• Abzugrenzen gegenüber behördlichem Handeln, das keinen Regelungscharakter aufweist, durch lebensnahe Betrachtungsweise (Schwerpunkt des Verwaltungshandelns)

o Realakte: rein tatsächliche Verwaltungshandlungen, die nicht auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichtet sind

o vorbereitende Maßnahmen und Teilakte: besitzen aufgrund ihres Vorbereitungscharakters noch keinen Regelungscharakter

o rechtserhebliche behördliche Willenserklärungen ohne Anordnungscharakter

4. Einzelfall • zu bejahen bei § 35 S. 1 VwVfG:

o konkret-individuelle Regelung

bestimmter Sachverhalt, bestimmte Person

o abstrakt-individuelle Regelung

Vielzahl von Sachverhalten, bestimmte Person

• zu bejahen bei § 35 S. 2 VwVfG: konkret-generelle Regelung >>> Allgemeinverfügungen ebenfalls VA

o Unterfall von § 35 S. 1 VwVfG, welcher ebenfalls alle Tatbestandsvoraussetzungen (also auch das Kriterium der Einzelfallregelung) zu erfüllen hat

o zT besondere Vorschriften

nach § 28 II Nr. 4 VwVfG kein Anhörungserfordernis

nach § 39 II Nr. 5 VwVfG kein Begründungserfordernis im Falle der öffentlichen Bekanntmachung

o § 35 S. 2 Alt. 1 VwVfG: Personenbezogenen Allgemeinverfügungen

unbestimmte Zahl von Sachverhalten, nach allgemeinen Kriterien bestimmter oder (nicht notwendig individuell) bestimmbarer Personenkreis (mehr als 1 Merkmal zur Abgrenzung der Personengruppe regelmäßig erforderlich

zu unterscheiden von Sammelverwaltungsakten, bei denen Behörde mehrere gleichlautende VA an mehrere Einzelpersonen richtet

o § 35 S. 2 Alt. 2 VwVfG: Sachbezogene Allgemeinverfügungen

VA, welcher die ÖR Eigenschaften von Sachen regelt

keine Regelung von Rechten und Pflichten von Personen, sondern Bestimmung des rechtlichen Zustands von Sachen

o § 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG: Benutzungsregelnde Allgemeinverfügungen

VA, der die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit iS einer unbestimmten Vielzahl von Personen regelt

• zu verneinen bei abstrakt-genereller Regelung

o unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten und Personen

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• Abgrenzung erfolgt anhand der von der Vw gewählten äußeren Form ihres Handelns; sofern diese nicht feststellbar ist, erfolgt sie anhand des Regelungsinhalts

o formell eine abstrakt-generelle RV, materiell jedoch konkret-individuell >>> abstrakt-generelle RV im Ergebnis, da Vw die Form der RV wählte

5. Tatsächliche und beabsichtigte Außenwirkung • jedes mit Rechtsfolge nach außen gerichtetes, verwaltungsexternes Handeln

o Bürger oder sonstige Rechtsperson tatsächlich unmittelbar rechtlich betroffen; rein faktische Betroffenheit nicht ausreichend

o intendierte Außenwirkung erforderlich, tatsächliche Außenwirkung genügt nicht >>> Regelung nach ihrem objektiven Sinngehalt dazu bestimmt, Außenwirkung zu entfalten

o Innerdienstliche Weisungen

keine Klagemgl sofern Person ausschließlich als Amtswalter getroffen, da keine Außenwirkung

Mgl zur Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, sofern Maßnahme sich ihrem objektiven Sinn nach gegen den Adressaten als selbstständige Rechtsperson richtet und ihn somit gewollt in seiner persönlichen Rechtsstellung trifft >>> Außenwirkung vorhanden >>> VA

Mgl zur allgemeinen Leistungsklage oder Feststellungsklage, sofern Maßnahme ihrem objektiven Sinn nach auf Regelung eines vw-internen Bereichs gerichtet, jedoch trotzdem in persönliche Rechtsstellung des Adressaten eingreift

II. Arten von VA • befehlender VA

o enthält Ge- oder Verbote, die zu einem bestimmten Verhalten verpflichten

• rechtsgestaltender VA

o begründet, ändert oder beendet ein konkretes Rechtsverhältnis

• feststellender VA

o stellt ein Recht oder eine rechtlich erhebliche Eigenschaft einer Person oder Sache fest, welche/s sowieso schon von Gesetzes wegen gilt

• begünstigender VA

o begründet oder bestätigt ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil

• belastender VA

o wirkt sich für den Betroffenen nachteilig aus >>> VA, der in Rechte eingreift, aber auch VA, der die Gewährung einer Vergünstigung ablehnt

• VA mit Dritt- oder Doppelwirkung

o VA begünstigt den einen und belastet zugleich den anderen

• repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt

o generelles Verbot durch den Gesetzgeber, für das die Vw durch VA aber in Ausnahmefällen eine Befreiung gewähren kann

• präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

o Gesetzgeber erachtet ein Verhalten als schädlich und sieht deswegen für die Ausübung des Verhaltens gewisse Voraussetzungen vor, bei deren Vorliegen ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Ausübung besteht (beim repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt besteht eben gerade kein Gewährungsanspruch)

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• Mitwirkungsbedürftiger VA

o VA bedarf des Antrags oder der Zustimmung des Betroffenen

• Mehrstufiger VA

o VA bedarf der Mitwirkung anderer Behörden

str, ob Mitwirkungsakt der anderen Behörden ebenfalls einen VA darstellt

• Abgrenzung danach, ob Mitwirkungsbehörde bestimmte Aspekte und Fragen des mehrstufigen VA selbstständig und ausschließlich prüft und entscheidet (falls ja >>> eigenständiger VA)

• Gebundener VA

o VA muss erlassen werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind

• Nichtgebundener VA

o Behörde verfügt beim VA-Erlass über Spielraum hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein VA erlassen wird

• Vollstreckbarer VA

o sofern der Betroffene der ihm auferlegten Verhaltenspflicht nicht freiwillig nachkommt, kann der VA von der Behörde zwangsweise durchgesetzt werden

• Nichtvollstreckbarer VA

o VA begründet keine Verhaltenspflichten und kann deshalb seinem Inhalt nach nicht zwangsweise durchgesetzt werden

• VA mit Dauerwirkung

o VA begründet oder verändert inhaltlich ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom VA abhängiges Rechtsverhältnis

• Zusage

o eine von der Behörde abgegebene hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen zu einem späteren Tun oder Unterlassen

o gesetzlich nicht geregelt

• Zusicherung

o Unterfall der Zusage, der den Erlass oder Nichterlass eines VA verspricht

o in § 38 VwVfG gesetzlich geregelt

o nach hM selbstständiger VA, da nach § 38 I VwVfG eben auch nur wirksam, wenn schriftlich erteilt

o Problem der Verbindlichkeit von Zusagen, die ein rechtswidriges behördliches Verhalten versprechen

verbindlich, wenn

• tatsächliches Vertrauen des Adressaten der Zusage auf deren Einhaltung

• Vorrang des Vertrauensschutzes vor dem öffentlichen Interesse an der Nichteinhaltung; insbesondere, wenn Bürger im Vertrauen auf die Einhaltung

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Dispositionen traf, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten rückgängig zu machen wären

• Vorbescheid

o Behörde entscheidet durch diesen VA abschließend und verbindlich über einzelne Zulässigkeits- oder Genehmigungsvoraussetzungen größerer Projekte

• Teilgenehmigung

o entscheidet über einzelne Teile eines größeren Vorhabens; hierbei können einzelne genehmigte Teile bereits realisiert werden

• Vorläufiger VA

o VA, durch den die Behörde vor der abschließenden Sachverhaltsermittlung eine bestimmte Regelung unter dem Vorbehalt einer neuen Regelung auf Grundlage des vollständig ermittelten Sachverhalts trifft

• Vorsorglicher VA

o abschließende Regelung, die unter dem Vorbehalt steht, dass eine ihrer rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen von einer anderen, hierfür zuständigen Behörde festgestellt wird

III. Existenz, Erlass, Wirksamkeit, Bekanntgabe und Bestandskraft von VA

1. Existenz • VA – unabhängig davon, ob rechtmäßig, rechtswidrig oder nichtig – wurde irgendeiner Person

bekanntgegeben, so ist er in der Welt und rechtlich existent

2. Erlass, Wirksamkeit und Bekanntgabe • Erlass

o eA: VA erlassen, wenn er den Geltungsbereich der Behörde verlassen hat

o aA: erlassen, wenn bekanntgegeben

• Wirksamkeit

o VA nach § 43 I 1 VwVfG demjenigen gegenüber wirksam, dem er bekanntgegeben wurde

o Konsequenzen eines wirksamen VA

VA muss befolgt werden

Begünstigte darf von ihm Gebrauch machen

Behörde darf den VA zwangsweise durchsetzen, sofern die in den einzelnen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind

Bindungswirkung

• Erlassende Behörde und betroffener Bürger, dem der VA bekanntgegeben wurde, sind an die im VA enthaltene Regelung gebunden

Tatbestandswirkung

• Alle anderen Behörden, Träger öffentlicher Gewalt sowie grds auch alle Gerichte sind bei ihren Entscheidungen an die im VA getroffene Regelung gebunden

Feststellungswirkung

• sofern Vorschriften anordnen, dass diesem VA eine Feststellungswirkung zukommt, so sind alle Träger öffentlicher Gewalt an die tragenden tatsächlichen wie rechtlichen Feststellungen im VA gebunden

Äußere Wirksamkeit

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• VA ist als solcher für denjenigen, dem er bekanntgegeben wurde, maßgeblich nach § 43 I VwVfG

Innere Wirksamkeit

• die im VA enthaltene Regelung für denjenigen, dem der VA bekanntgegeben wurde, verbindlich

o Möglichkeiten zur Aufhebung eines wirksamen VA

behördliche Rücknahme (§ 48 VwVfG maßgeblich)

behördlicher Widerruf (§ 49 VwVfG maßgeblich)

durch Aufhebung im Vorverfahren gem §§ 72 f. VwGO oder durch das Gerichtsurteil gem § 113 I 1 VwGO

durch Zeit- oder Fristablauf (zB § 36 II Nr. 1 VwVfG)

durch Änderung der Gesetzesgrundlage

• Bekanntgabe

o Eröffnung des VA gegenüber dem Betroffenen

o Bekanntgabe im Rechtssinn nur dann, wenn

die für die Bekanntgabe zuständige Behörde

in amtlicher Eigenschaft

wissentlich und willentlich (= Bekanntgabewille)

den Inhalt des VA dem Betroffenen gegenüber eröffnet und

der VA dem Adressaten zugegangen ist

o Form der Bekanntgabe

maßgebliche Vorschriften: §§ 37 II-IV, 41 VwVfG

§ 41 I 1 iVm § 37 II 1 VwVfG: wenn keine besondere Form vorgeschrieben, dann elektronisch (§ 3a I VwVfG zu beachten), mündlich oder in jeder anderen geeigneten Form

• Sonderformen

o § 41 II VwVfG: postalische Übermittlung

o § 41 III VwVfG: öffentliche Bekanntgabe

jedenfalls dann öffentliche Bekanntgabe, wenn die Bekanntgabe jedermann zugänglich ist

o § 41 V VwVfG: Zustellung als zu beurkundende Übergabe eines Schriftstücks; nur erforderlich, wenn gesetzlich besonders angeordnet

o Folgen einer fehlerhaften Bekanntgabe

eA: unwirksamer VA

aA: Wirksamkeit des VA richtet sich nur nach § 43 VwVfG; wirksam, solange § 43 I gewahrt wird und kein Nichtigkeitsgrund iSv § 44 VwVfG vorliegt

• liegt keine Bekanntgabe im rechtlichen Sinne vor, dann NichtVA

• Bekanntgabe erfolgte unter Verstoß gegen entsprechende Bekanntgabevorschriften: nur nichtig, wenn ein Nichtigkeitsgrund aus § 44 VwVfG vorliegt; ansonsten VA nur rechtswidrig, nicht aber nichtig

o §§ 70 I, 74 I VwGO: gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen beginnen für jeden Rechtsbehelfsführer gesondert mit der Bekanntgabe des VA ihm gegenüber zu laufen

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Dritte, denen der VA nicht bekanntgegeben wurde, können spätestens nach Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkt an, zu dem sie von der Existenz des VA Kenntnis haben oder Kenntnis haben müssen, nicht mehr Widerspruch oder Anfechtungsklage erheben (Begründung: Treu und Glauben)

3. Bestandskraft • rechtswidriger, aber wirksamer VA muss grds befolgt werden

• gegen einen rechtswidrigen VA kann sich der Betroffene mit den im Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfen wehren >>> unternimmt er nichts, so erwächst der VA trotz Rechtswidrigkeit in Bestandskraft

IV. Rechtmäßigkeit eines VA

1. Bestimmung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage • falls auf Rechtsverordnung oder Satzung gestützt, muss diese auf ein formelles Gesetz zurückgeführt werden,

da Ermächtigungsgrundlage letztendlich immer ein formelles Gesetz sein muss

2. Formelle Rechtmäßigkeit des VA

a. Zuständigkeit der erlassenden Behörde

aa. Örtliche Zuständigkeit • meint den räumlichen Tätigkeitsbereich der Behörde

• Spezialgesetze, ansonsten § 3 VwVfG

bb. Sachliche Zuständigkeit • geregelt in speziellen Gesetzen

• instantielle Zuständigkeit: Welche Behörde innerhalb eines mehrstufigen Behördenaufbaus zuständig?

• funktionelle Zuständigkeit: Welcher konkrete Amtswalter innerhalb der Behörde für bestimmte Aufgabe zuständig?

b. Verfahren und Verfahrensvorschriften – §§ 10-34 - insbesondere §§ 20-29 VwVfG • § 10 VwVfG schreibt vor, dass das Verfahren grds nichtförmlich, sondern nur einfach, zweckmäßig und zügig

durchzuführen ist; hierbei sind die Vorschriften hinsichtlich eines nichtförmlichen Verfahrens aus §§ 11-34 VwVfG zu beachten

• besondere Verfahren

o §§ 63-71 VwVfG regeln das förmliche Verwaltungsverfahren; nach § 63 II VwVfG §§ 11-34 VwVfG entsprechend anzuwenden, wenn nicht speziell geregelt

o §§ 72-78 VwVfG regeln das Planfeststellungsverfahren; nach § 72 I VwVfG §§ 11-34 VwVfG entsprechend anzuwenden, wenn nicht speziell geregelt

o nur durchzuführen, wenn gesetzlich angeordnet

c. Form • Formvorschriften der Fachgesetze maßgeblich

• ansonsten § 37 II-IV VwVfG

• Ordnungsgemäße Bekanntgabe nach § 41 VwVfG

• Begründung gem § 39 VwVfG

o Begründung lediglich bei schriftlichen oder elektronischen bzw schriftlich oder elektronisch bestätigte VA erforderlich

• Rechtsbehelfsbelehrung

o §§ 45 f. VwVfG

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d. Sofern Fehler: Nichtigkeit des VA gem § 44 VwVfG aufgrund eines Fehlers bei der formellen Rechtmäßigkeit

e. Sofern Fehler: Heilbarkeit des Fehlers bei der formellen Rechtmäßigkeit nach § 45 VwVfG

f. Bekanntgabe des VA nach § 41 I VwVfG • grds individuell nach § 41 I VwVfG

o formlos

mündlich / schriftlich / konkludent

o förmliche Zustellung nach dem VwZG

durch die Post

• § 3 VwZG: Postzustellungsurkunde

• § 4 VwZG: Einschreiben

• § 5 IV VwZG: gegen Empfangsbekenntnis (nur bei Behörden und Anwälten mgl)

durch die Behörde selbst

• § 5 I-III VwZG: gegen Empfangsbekenntnis

• Ausnahme: öffentliche Bekanntgabe nach § 41 III VwVfG

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a. Tatbestandsmäßigkeit des VA mit der Ermächtigungsgrundlage • Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage

o nur zu prüfen, sofern kein formelles Gesetz vorhanden, welches zum Erlass eines entsprechenden VAs ermächtigt

o Eingriffsvw

sofern ein Eingriff vorliegt, muss entsprechend dem Parlamentsvorbehalt und der Wesentlichkeitstheorie eine formelle Ermächtigungsgrundlage existieren

o Leistungsvw

Erörterung der Frage, ob überhaupt ein besonderes formelles Gesetz erforderlich ist >>> str, ob auch Leistungsverwaltung ein formelles Gesetz als Ermächtigungsgrundlage benötigt

b. Anderen materiellen Anforderungen gewahrt • Ermächtigungsgrundlage gewährt (k)ein Ermessen

• fehlerhafte Ermessensausübung

• Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes gem § 37 I VwVfG

• Befolgung des VA rechtlich und tatsächlich mgl (Nichtigkeit nach § 44 II Nr. 4-6 VwVfG)

o Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, wonach eine rechtlich zwar mögliche, tatsächlich oder rechtlich jedoch unmögliche Maßnahme nicht auferlegt werden darf

• Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit höherrangigem Recht

o Formelle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

Gesetzgebungskompetenz

Verfahren

Form

o Materielle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

insbesondere Vereinbarkeit mit dem GG und allgemeinen Verfassungsprinzipien; bei Rechtsverordnungen und Satzungen auch mit dem zum Normerlass ermächtigenden Gesetz

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• VA-befugnis

o str, ob und inwieweit der formelle Gesetzgeber die Behörde ermächtigt haben muss, sich gerade der Handlungsform des VAs zu bedienen

o soweit allein schon die Inanspruchnahme der Handlungsform VA für den Bürger mit Belastungen verbunden ist – jedenfalls im Bereich der Eingriffsvw, bedarf es einer gesetzlichen VA-Befugnis

o Voraussetzungen für entsprechende VA-Befugnis

Im formellen Gesetz wurde der Inhalt der Vwtätigkeit in einer Weise geregelt, dass sie dem Vorbehalt des Gesetzes genügt

Formellen Gesetz kann entnommen werden, dass das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger gerade in bezug auf die in Rede stehende Fallgestaltung subordinationsrechtlich ausgestaltet ist

• Tatbestandsmäßigkeit des VA: Vereinbarkeit des VA mit der verfassungskonform auszulegenden Ermächtigungsgrundlage

o VA muss von der formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und ggf auch von den zu ihrer Ausführung ergangenen Rechtsverordnungen und Satzungen gedeckt sein

• Beachtung der Grenzen des Ermessens- oder Beurteilungsspielraums

• Übereinstimmung des VA mit sonstigem höherrangigem Recht

o Vorrang von höherrangigem Recht

o Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt

o nur überprüfbar, sofern ein Entscheidungsspielraum seitens der Behörde besteht

V. Rechtswidriger VA • VA rechtswidrig, sofern Behörde bei Erlass gegen Rechtsnormen mit Außenwirkung verstößt

• VA nur nichtig unter den Voraussetzungen von § 44 VwVfG

o Prüfungsreihenfolge: § 44 III >>> § 44 II >>> § 44 I

• Nichtigkeitsfolgen

o gem § 43 III VwVfG unwirksam, Behörde hat kein Recht zur Durchführung und Bürger braucht ihn nicht zu befolgen

o nach § 42 I VwGO anfechtbar

o Möglichkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage gem § 43 I VwGO

o Möglichkeit der behördlichen Nichtigkeitsfeststellung gem § 44 V VwVfG

1. Teilrechtswidrigkeit / -rücknahme • § 113 I 1 VwGO lässt die teilweise Aufhebung eines nur teilweise rechtswidrigen VAs durch das Gericht explizit

zu

• § 48 I 1 VwVfG lässt die teilweise Rücknahme eines rechtswidrigen VAs durch die Behörde zu

• Voraussetzungen der Teilrechtswidrigkeit bei gleichzeitigem Bestand des restlichen, rechtmäßigen VAs

o Teilbarkeit des VA: Rest-VA muss noch eine sinnvolle Regelung darstellen

o Bei Ermessens- / Beurteilungsspielraum seitens Behörde: Rest-VA vom mutmaßlichen Willen der Behörde gedeckt >>> Wille der Behörde objektiviert und gesetzeskonform danach auszurichten, wie sich eine vernünftige, rechtlich denkende und sachlich entscheidende Behörde verhalten hätte

2. Heilung und Unerheblichkeit bestimmter Verfahrens- und Formfehler (§§ 45 f. VwVfG) • VA kann trotz formeller Rechtswidrigkeit materiell rechtmäßig sein; ausgeschlossen ist dies bei der Nichtigkeit

des VA nach § 44 VwVfG

• Heilung von Verfahrens- und Formfehlern gem § 45 VwVfG

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o sofern Behörde eine der abschließend aufgezählten Verfahrens- oder Formvorschriften missachtet, kann die Behörde dies durch das Nachholen der entsprechenden Förmlichkeit bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des vwgerichtlichen Verfahrens heilen

• Unerheblichkeit bestimmter Verfahrens- und Formfehler nach § 46 VwVfG

o erfolgte keine Heilung nach § 45 VwVfG und Behörde würde den VA lediglich aufheben, um ihn dann gleich wieder unter Beachtung der entsprechenden formellen Vorschriften zu erlassen, dann besteht kein Anspruch auf Aufhebung, wenn

Rechtswidrigkeit des VA auf die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, über die Form oder über die örtliche Zuständigkeit gestützt und

Verstoß gegen diese Vorschriften die Entscheidung aber in der Sache offensichtlich nicht beeinflusste

• Offensichtlich: Einfluss auf die Sachentscheidung ist eindeutig – nach jeder Betrachtungsweise auszuschließen

• gegeben bei gebundenen Entscheidungen

3. Umdeutung rechtswidriger VA nach § 47 VwVfG • Voraussetzungen

• Rechtswidrigkeit des VA

• gleiche Zielrichtung von ursprünglicher und neuer Regelung des VAs

• kein Widerspruch zur erkennbaren Absicht der Behörde

• keine ungünstigeren Rechtsfolgen für den Bürger

• Rücknehmbarkeit des ursprünglichen VAs

• keine Umdeutung eines gebundenen VAs in einen ErmessensVA

• Anhörung des Bürgers bei einer behördlichen Umdeutung (alternativ kann auch das Gericht den VA umdeuten)

VI. Nebenbestimmungen zu VA • alle erdenklichen Arten von VA-Nebenbestimmungen sind in § 36 II legal definiert

• Rechtsnatur

o Teil eines VA, hängen jedoch gleichzeitig von diesem ab (Akzessorietät)

o rechtswidrige Nebenbestimmungen sind mit Ausnahme der Einschlägigkeit von § 44 VwVfG trotzdem gültig und wirksam

• Zulässigkeit von Nebenbestimmungen

o sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen findet § 36 VwVfG Anwendung

§ 36 I regelt die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen in 2 Konstellationen für den Fall, dass die Behörde keinen Entscheidungsspielraum beim Erlass eines VA hat, auf den der Bürger einen Anspruch hat

• Alt. 1: Zulassung der Nebenbestimmung durch eine spezielle Rechtsvorschrift

• Alt. 2: Nebenbestimmung stellt sicher, dass die gesetzlichen VA-Voraussetzungen erfüllt sind

§ 36 II regelt alle übrigen VA

• liegt im behördlichen Ermessen, ob eine Nebenbestimmung ergeht oder nicht – unabhängig davon, ob der VA belastend oder begünstigend für den Betroffenen ist

§ 36 III erklärt solche durch Nebenbestimmungen auferlegten Pflichten für unzulässig, die mit der im VA enthaltenen Regelung in keinem sachlichen Zusammenhang stehen (= Koppelungsverbot)

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• Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen

o 1. A: Anfechtungsklage dann statthaft, wenn Nebenbestimmung als selbstständiger VA oder als abtrennbarer Teil eines VA qualifiziert werden kann (Arg: § 113 I 1 VwGO: „soweit“)

o 2. A: Auflagen und Auflagenvorbehalte können gesondert angefochten werden; alle anderen Nebenbestimmungen erfordern eine Verpflichtungsklage – sofern Behörde über Ermessens- / Beurteilungsspielraum verfügt, Bescheidungsklage bzw Verpflichtungsklage mit Bescheidungsantrag nach § 113 V 2 VwGO

o 3. A: alle Nebenbestimmungen zu einem rechtlich gebundenen VA können isoliert mit der Anfechtungsklage angefochten werden; ansonsten Verpflichtungsklage mit Bescheidungsantrag

o 4. A: grds alle Nebenbestimmungen anfechtbar mit der Anfechtungsklage; außer die isolierte Aufhebung wäre offenkundig und von vornherein erfolglos – in diesem Fall wird es regelmäßig an der fehlenden Klagebefugnis nach § 42 II VwGO fehlen

o 5. A: ausschließlich auf Erlass des VA ohne Nebenbestimmung gerichtete Verpflichtungsklage (ggf mit Bescheidungsantrag)

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I. Aufhebung von VA nach §§ 48-50 VwVfG • auf Antrag oder durch Eigeninitiative der Behörde

• nicht bestandskräftige, als auch bestandskräftige (also unanfechtbare) VA aufhebbar

• Möglichkeiten der VA-Aufhebung

o gerichtliche Aufhebung durch Anfechtungsklage nach § 113 I 1 VwGO

o behördliche Aufhebung im Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO

o behördliche Aufhebung gem §§ 48 ff. VwVfG

§ 48 – Rücknahme: Aufhebung eines rechtswidrigen VAs

• § 48 I 1: Rücknahme eines rechtswidrigen belastenden VAs

• § 48 I 1, II-IV: Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden VAs

§ 49 – Widerruf: Aufhebung eines rechtmäßigen VAs

• § 49 I: Widerruf eines rechtmäßigen belastenden VAs

• § 49 II-IV: Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs

maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Rechtswidrigkeit: grds der Erlass des VA

• 1. Ausnahme: nach VA-Erlass erfolgte Änderung der Sach- oder Rechtslage wirkt aus besonderen Gründen auf den VA-Erlass zurück

• 2. Ausnahme: VA ist auf laufende behördliche Geldleistungen gerichtet; Voraussetzungen für den VA fallen nach einiger Zeit weg >>> Aufhebung des VA für die Zeit vom Wegfall der Voraussetzung an nach § 48 VwVfG

maßgeblich für die Frage der Belastung durch den VA: Sicht des Betroffenen bzw. des VA-Adressaten

• Sonderfall: VA mit Drittwirkung

o begünstigender VA mit belastender Drittwirkung >>> Vorschriften für begünstigende VA anzuwenden, da Sicht des Adressaten entscheidend

o belastender VA mit begünstigender Drittwirkung >>> Vorschriften für belastende VA maßgeblich

o nichtige VA können nicht aufgehoben werden; Nichtigkeit kann nur jederzeit von der Behörde nach § 44 V VwVfG festgestellt werden

I. § 48 I 1 VwVfG: Rücknahme rechtswidriger belastender VA • Rücknahme kann ganz oder teilweise, ex-nunc oder ex-tunc erfolgen >>> liegt im Ermessen der Behörde

• Adressat eines rechtswidrigen belastenden VAs, der noch nicht bestandskräftig ist, hat einen strikten Rücknahmeanspruch

• Adressat eines rechtswidrigen belastenden bestandskräftigen VA hat nur dann strikten Rücknahmeanspruch, wenn die Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist >>> ansonsten nur Anspruch auf ermessensfehlerfreie Rücknahmeentscheidung

II. § 48 VwVfG: Rücknahme rechtswidriger begünstigender VA • Zulassung einer freien unbeschränkten Rücknahme begünstigender VA in vielen Fällen mit dem Grundsatz des

Vertrauensschutzes nicht vereinbar

1. § 48 II VwVfG: Rücknahmeverbot

a. VA iSv § 48 II 1? • nur bei Geldleistungen oder teilbaren Sachleistungen ist eine vom Vertrauen des Begünstigten abhängige

teilweise Rücknahme des VA mgl

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• bei unteilbaren Leistungen: Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 48 I 1

• bei nur eingeschränktem schutzwürdigen Vertrauen in den VA-Fortbestand vollständige Rücknahme nur unter Gewährung eines dem Vertrauen entsprechenden Ausgleichs (§ 48 III) >>> ansonsten muss von einer VA-Rücknahme abgesehen werden

• falls kein VA iSv § 48 II 1, dann Rücknahme nur nach § 48 I 1, III mgl

b. Vertraute der Begünstigte tatsächlich auf den Bestand des VA? Inwieweit hat er vertraut? • Normalfall: Begünstigte vertraute auf den vollen Bestand des VA

• soweit der Begünstigte auf den Bestand des VA gar nicht vertraute, darf – muss aber nicht der VA zurückgenommen werden

c. Inwieweit ist das Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Rücknahmeinteresse schutzwürdig nach § 48 II 1?

• Ausschlusstatbestand des § 48 II 3: Begünstigte darf sich in 3 Fällen nicht auf sein Vertrauen berufen

o Nr. 1: Erwirkung des VAs durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung

o Nr. 2: Erwirkung des VAs durch Angaben, die wesentlich unrichtig oder unvollständig waren; unabhängig vom Verschulden des Begünstigten

o Nr. 3: Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des VA

o grds Rechtsfolge: Rücknahme nach § 48 II 4 mit ex-tunc-Wirkung

• Vermutung des § 48 II 2: Vertrauen idR schutzwürdig, soweit der Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückteilig machen kann (= Vertrauensbetätigung)

o kein Verbrauch, sofern sich gewährte bei wirtschaftlicher (nicht bei rechtlicher) Betrachtungsweise noch im Vermögen des Begünstigten befindet

o ebenfalls kein Verbrauch, wenn Vermögensdispositionen zu einer Vermögensvermehrung führten

o trotz der Vermutung bedarf es trotzdem der Überprüfung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach § 48 II 1

• Fehlen einer nach § 48 II 2 relevanten Vertrauensbetätigung

o lediglich Überprüfung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach § 48 II 1

d. Rücknahmebefugnis • soweit eine Rücknahmebefugnis besteht, muss der VA nicht zurückgenommen werden, da hinsichtlich der

Rücknahme ein Ermessen seitens der Behörde besteht

2. § 48 I 1, III VwVfG: Rücknahme

a. Rücknahme nach § 48 I 1 • Rücknahme mgl, wenn VA keine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt

• Entscheidung hinsichtlich Rücknahme wiederum nach Ermessen der Behörde unter besonderer Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und der in § 48 II 2, 3 genannten Kriterien

• im Falle der Rücknahme mglw Ausgleichsanspruch nach § 48 III

b. Ausgleichsanspruch nach § 48 III • Ausgleichsanspruch besteht, sofern trotz schutzwürdigen Vertrauens der VA nach § 48 I 1 zurückgenommen

wurde

o prüfen, ob Begünstigte tatsächlich auf VA-Bestand vertraute, und, inwieweit dieses schutzwürdig ist

definitiv nicht schutzwürdig, sofern ein Ausschlussgrund des § 48 II 3 vorliegt

o § 48 III 1 begrenzt den Ausgleichsanspruch

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auf das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen: ersatzfähig demnach nur das negative Interesse (= Vertrauensschaden) >>> Bürger finanziell so zu stellen, wie er stünde, der VA nicht erlassen worden wäre

auf den Betrag des positiven Interesses als Maximum >>> Bürger darf nicht besser gestellt werden, als er stünde, wenn VA keinen Bestand hätte

o Festsetzung des Ausgleichsanspruchs nur auf Antrag des Betroffenen innerhalb der Jahresfrist nach § 48 III 5 = VA

3. Rücknahmefrist des § 48 IV VwVfG • Fristbestimmungen des § 48 IV gelten nur für begünstigende VA: ergibt sich aus dem Verweis in § 48 I 2,

wonach für die Rücknahme belastender VA keine Fristen gelten

• § 48 IV sieht Jahresfrist vor >>> Rücknahmebescheid muss vor Fristablauf dem Bürger bekanntgegeben worden sein

o Beginn der Jahresfrist, wenn

zuständige Sachbearbeiter die VA-Rechtswidrigkeit tatsächlich erkannt hat und

die für die Ausübung des Rücknahmeermessens relevanten Tatsachen kennt

• nach § 48 IV 2 jedoch keinerlei Fristen für eine Rücknahme aufgrund § 48 II 3 Nr. 1

4. Behördenzuständigkeit nach § 48 V VwVfG • ausgehend vom Verweis auf § 3 VwVfG regelt § 48 V lediglich die örtliche Zuständigkeit

• grds Ausgangsbehörde zuständig; sofern diese jedoch fälschlicherweise eben gerade nicht zuständig war, jene Behörde zuständig, die für den Erlass des Ausgangsbescheides zuständig gewesen wäre

III. § 49 I: Widerruf rechtmäßiger belastender VA • Widerruf erfolgt ganz oder teilweise; jedoch nur mit ex-nunc-Wirkung

• Widerruf liegt im behördlichen Ermessen, jedoch ausgeschlossen, wenn

o VA gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste

o Widerruf aus anderen Gründen, die sich zB aus Spezialgesetzen ergeben können, unzulässig ist

IV. § 49 II, III VwVfG: Widerruf rechtmäßiger begünstigender VA • Widerruf nur dann zulässig, wenn mind. einer der in § 49 II abschließend aufgezählten, 5 Widerrufsgründe

vorliegt, oder, wenn die Voraussetzungen von § 49 III erfüllt sind

1. Widerruf gem § 49 II 1 • Nr. 1: Widerruf in spezieller Rechtsvorschrift zugelassen

o reine Existenz eines solchen Widerrufsvorbehalt nicht ausreichend; bedarf vielmehr sachlicher Gründe, die mit Sinn und Zweck des Widerrufsvorbehalts und des konkreten VAs im Zusammenhang stehen

• Nr. 2: im VA enthaltene Auflage wird nicht rechtzeitig erfüllt

o Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet jedoch, dass wegen Nichterfüllung einer Auflage nicht gleich der gesamte VA widerrufen wird (Widerruf als ultima ratio) >>> zunächst Durchsetzung der Auflage versuchen unter evtl Androhung eines Widerrufs

• Nr. 3: Änderung der Sachlage nach VA-Erlass sowie Berechtigung der Behörde zum VA-Nichterlass und Gefährdung des öffentlichen Interesses (rechtliche wie fiskalische Interessen) bei ausbleibendem Widerruf

o Änderung der Sachlage ua durch Veränderung der äußeren Umstände oder des Verhaltens des Betroffenen, nicht aber durch veränderte Rspr oder Veränderung der rechtlichen Grundlage

• Nr. 4: Änderung von Rechtsvorschriften, behördliche Berechtigung zum VA-Nichterlass, kein Gebrauchmachen des Begünstigten vom VA sowie kein Leistungsempfang aufgrund des VA und Gefährdung des öffentlichen Interesses im Falle des ausbleibenden Widerrufs

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o anwendbar auch bei Erlass / Aufhebung von Rechtsvorschriften mit ex-nunc-Wirkung; Änderung von Verwaltungsvorschriften fällt jedoch weder unter § 49 II noch unter § 48

o wirkt die Änderung der Rechtslage auf den Zeitpunkt des VA-Erlass zurück und nach veränderter Rechtslage rechtswidrig, dann wird VA rückwirkend rechtswidrig >>> kein Fall von § 49 II, sondern Fall von § 48

o Gericht erklärt die Rechtsgrundlage mit ex-tunc-Wirkung für nichtig, so kommt ebenfalls nur eine Rücknahme nach § 48 in Betracht

• Nr. 5: Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl

o als eine Art Notstandsklausel eng auszulegen und nur in Extremfällen anwendbar

• Widerruf nach Nr. 3-5 gewährt Entschädigungsanspruch, jedoch nur insoweit, wie das Vertrauen des Betroffenen auf den VA-Fortbestand schutzwürdig ist

• Widerruf nur innerhalb eines Jahres möglich nach § 49 II 2 iVm § 48 IV

2. Widerruf gem § 49 III • § 49 III gilt nur für die dort explizit genannten VA

• Widerruf zulässig, wenn

o Nr. 1: gewährte Leistung nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung verwendet wird

o Nr. 2: im VA erhaltene Auflage nicht erfüllt wird

• Widerruf nach § 49 III grds auch mit ex-tunc-Wirkung mgl: Betroffenen muss dann Leistung entsprechend zurückgewähren nach § 49a; etwaiges Vertrauen des Betroffenen auf den VA-Fortbestand bei der behördlichen Ermessensausübung jedoch zu berücksichtigen

• Widerruf nach § 49 III nur innerhalb eines Jahres mgl (§ 49 III 2 iVm § 48 IV)

V. Erstattungspflicht nach § 49a VwVfG • Bürger muss die Leistungen, die aufgrund eines nachträglich mit ex-tunc-Wirkung zurückgenommen /

widerrufenen VAs erbracht wurden, zurückerstatten nach § 49a I 1

• Ansprüche des Bürgers auf Rückgewähr von aufgrund eines VAs an die Verwaltung Geleistetem richten sich nach anderen Vorschriften

• § 49a unanwendbar – auch nicht analog

o Aufhebung von VA durch ein Gericht oder durch die Behörde im Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO

o Aufhebung von VA mit ex-nunc-Wirkung

o Erbringung von Leistungen erfolgte nicht aufgrund eines VAs

VI. Rechtsschutz

1. VA im 2er Verhältnis (Bürger-Staat) • Aufhebung von VA liegt grds im Ermessen der Behörde außer

• rechtswidriger, belastender, noch nicht bestandskräftiger oder rechtswidriger, belastender, bestandskräftiger aber unerträglicher VA >>> strikter Aufhebungsanspruch

• belastender, beim Erlass rechtmäßiger VA, der nach wesentlicher Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage weder dem Widerspruch noch der Anfechtungsklage zugänglich ist noch ein Anspruch auf Verfahrenswiederaufnahme nach § 51 VwVfG bestand >>> Anspruch auf Widerruf

2. VA mit Dritt- / Doppelwirkung

a. Subventionen • Möglichkeiten, um gegen einen Subventionsbescheid vorzugehen

o Aufhebungsantrag bei der Behörde

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maßgeblich hinsichtlich der Belastung wiederum die Sicht des Adressaten des Subventionsbescheides

Aufhebung ausgeschlossen, sofern schutzwürdiges Vertrauen seitens des Adressaten vorliegt

o Widerspruch nach § 68 I VwGO

Aufhebungspflicht, sofern VA wirklich rechtswidrig und der Dritte dadurch in seinen Rechten verletzt ist; etwaiges schutzwürdiges Vertrauen des Adressaten unbeachtlich

o Anfechtungsklage nach § 42 I VwGO

VA rechtswidrig und Dritte in seinen Rechten verletzt >>> Aufhebung des VAs durch Gericht; etwaiges schutzwürdiges Vertrauen des Dritten wiederum unbeachtlich

o Rücknahme und Widerruf im Rechtsbehelfsverfahren nach § 50 VwVfG

Rücknahme eines rechtswidrigen VAs nach § 50 iVm § 48 I 1

Widerruf eines rechtmäßigen VAs nach § 50 iVm § 49 II 1

Prüfungsschema für § 50 VwVfG

• Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen den VA durch einen Dritten – bloße Anfechtbarkeit genügt nicht

• Zulässigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs

• Anhängigkeit des Rechtsbehelfsverfahrens – Verfahren darf noch nicht abgeschlossen sein

• Begründetheit des Rechtsbehelfs (str)

• beabsichtigte behördliche Aufhebung des VA nach §§ 48 f. hilft dem eingelegten Rechtsbehelf im Ergebnis ab

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J. § 51 VwVfG: Wiederaufgreifen des Verfahrens • Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen die Behörde über die Aufhebung oder Änderung eines

unanfechtbaren VAs entscheiden muss und räumt zu dessen Durchsetzung dem Bürger einen entsprechenden Anspruch ein

• Vorschrift gilt nur für bestandskräftige / unanfechtbare VA

• Vorschrift regelt nicht explizit, unter welchen Voraussetzungen der VA aufgehoben werden muss – lediglich, unter welchen Voraussetzungen sich die Behörde nochmals mit dem VA befassen muss

I. Prüfungsschema

1. Zulässigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens

a. Unanfechtbarkeit des in Rede stehenden VA

b. Vortrag des antragstellenden Bürgers, aus dem sich die Mgl ergibt, dass einer der in § 51 I genannten Gründe für eine Wiederaufnahme tatsächlich vorliegt

c. § 51 II: Kein grobes Verschulden des Antragstellers hinsichtlich der Nichtgeltendmachung der Gründe für eine Wiederaufnahme zu einem früheren Zeitpunkt

d. § 51 III: Beachtung der 3-Monatsfrist

2. Begründetheit des Antrags auf Verfahrenswiederaufnahme

a. § 51 I Nr. 1: Nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen • Änderung der tatsächlichen, nicht aber der rechtlichen Umstände, auf denen der VA beruht; Fallbeispiele

o Gewinnung neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse

o Gericht erklärt eine Norm für ungültig

b. § 51 I Nr. 2: Vorliegen neuer Beweismittel • neuen Beweismittel müssen sich dabei auf alte Tatsachen beziehen, die beim Erlass des VA schon existierten,

dem Betroffenen aber nicht bekannt waren oder von ihm nicht bewiesen werden konnten und deshalb beim VA-Erlass nicht berücksichtigt wurden

• nur dann gegeben, wenn feststeht, dass die Behörde eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung getroffen hätte, wenn sie schon damals das neue Beweismittel berücksichtigt hätte

• behördliche Ermessensentscheidung: Antrag auf Verfahrenswiederaufnahme schon dann begründet, wenn Behörde mglw eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung getroffen hätte

c. § 51 I Nr. 3: Gründe zur Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend § 580 ZPO

d. Ergebnis • liegt ein Grund für eine Wiederaufnahme vor, so ist der Antrag begründet und der Antragsteller hat einen

Anspruch auf erneute Prüfung des VAs

3. Begründetheit des Antrags auf VA-Aufhebung • str, welcher Maßstab anzulegen ist

o maßgeblich sind sämtliche für den VA-Erlass einschlägigen Rechtsvorschriften >>> VA voll überprüfen

o maßgeblich sind §§ 48 f. >>> grds Ermessen der Behörde, ob sie den VA aufhebt, wenn er sich nunmehr als rechtswidrig erweist; idR jedoch ermessensfehlerhaft, wenn Aufhebung eines rechtswidrigen VAs abgelehnt wird

o Behörde an die Wiederaufgreifensgründe aus § 51 I gebunden >>> VA muss nur dann aufgehoben werden, wenn er in Ansehung des einschlägigen Wiederaufgreifensgrund rechtswidrig ist oder rechtswidrig geworden ist

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II. Begünstigende VA mit belastender Drittwirkung • zT wird eine entsprechende Anwendung von § 50 VwVfG gefordert mit der Konsequenz, dass sich der

Begünstigte nicht auf die in § 50 genannten Vertrauensvorschriften berufen kann

• § 50 setzt fehlende VA-Bestandskraft voraus

• unmittelbare Anwendung von §§ 48 II, III, 49 II, VI VwVfG jedoch nicht möglich; geboten ist jedoch eine analoge Anwendung von §§ 48 III, 49 VI >>> Begünstigten steht im Falle der VA-Aufhebung ein Ausgleichsanspruch zu, soweit sein Vertrauen auf den VA-Bestand schutzwürdig ist

III. Wiederholende Verfügung und Zweitbescheid

1. Wiederholende Verfügung • wiederholende Verfügung: existiert ein bestandskräftiger VA mit einem bestimmten Inhalt; Bürger beantragt bei

der Behörde die VA-Aufhebung /-Abänderung; Behörde lehnt es ab, den angegriffenen VA rechtlich zu überprüfen und insoweit nochmals in der Sache zu entscheiden, stattdessen verweist sie auf den existierenden VA

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VERWALTUNGSPROZESSRECHT

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K. § 42 I Alt. 1 VwGO: Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie statthaft, zulässig und begründet ist.

I. Sachentscheidungsvoraussetzungen Die Klage müsste zulässig sein.

1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs • aufdrängende Sonderzuweisung durch Gesetz

• ansonsten § 40 VwGO

o ÖR Streitigkeit

Subordinationstheorie

Sonderrechtstheorie

Interessentheorie

Zweistufentheorie

o nicht verfassungsrechtlicher Art

Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

• jedenfalls dann verfassungsrechtliche Streitigkeit, wenn Streitbeteiligten unmittelbar am Verfassungsleben teilnehmen und es im Kern um die Anwendung und Auslegung von Verfassungsrecht geht

o unmittelbar am Verfassungsleben Teilnehmende: Beteiligte, die ihre rechtliche Existenz aus dem Verfassungsrecht ableiten

• Ausnahmen

o Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines formellen Gesetzes >>> formelles Gesetz unmittelbar angegriffen >>> materiell verfassungsrechtliche Streitigkeit

o keine abdrängende Sonderzuweisung durch Gesetz

§ 40 I 1, 2 VwGO ermöglicht eine abdrängende Sonderzuweisung, wonach o. g. Streitigkeiten durch Bundes- / Landesgesetz auch Gerichten, die nicht zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören, zuweisen können

• bei fehlender Eröffnung des Vwrechtswegs nach § 17a II 1 GVG ans zuständige Gericht zu verweisen

2. Statthaftigkeit Grundsatz: Klageart richtet sich nach Klageziel

• Anfechtungsklage auf gerichtliche Aufhebung des VAs gerichtet; dazu muss grds erstmal ein nicht erledigter VA bestehen, der mglw auch nichtig ist (Konsequenz aus § 43 II 2 VwGO)

3. Klagebefugnis nach § 42 II VwGO • Geltendmachen durch den VA in seinen Rechten verletzt zu sein

o Möglichkeitstheorie: Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Mgl einer Rechtsverletzung ergibt

Adressatentheorie: grds befugt, wer Adressat eines belastenden VA ist, da zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG beschränkt

o Schutznormtheorie: Norm drittschützend, wenn sie neben dem Schutz von ÖR Interessen zumindest auch dazu bestimmt ist, den Interessen einzelner Personen zu dienen und die Mgl zur Durchsetzung dieser Interessen gewährt

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4. Erfolglos, jedoch ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren nach § 68 I 1 VwGO: WIDERSPRUCH • Mgl der Vw zur nochmaligen Überprüfung des VA und eventuellen Rücknahme aufgrund Unzweckmäßigkeit

oder Rechtswidrigkeit

• kein Erfordernis eines Vorverfahrens, wenn nach § 68 I 2 VwGO entbehrlich

• Prüfungsschema Widerspruch siehe L. §§ 68 ff. VwGO: Widerspruch

5. Klagefrist nach § 74 I 1 VwGO • innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids oder sofern Widerspruch entbehrlich

binnen eines Monats nach VA-Bekanntgabe

• Fristbeginn nur sofern Widerspruchsbescheid mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehen nach § 58 I VwGO, ansonsten Jahresfrist gem § 58 II VwGO; zu beachten: lediglich fehlende Pflichtbestandteile der Rechtsbehelfsbelehrung lösen zwangsläufig die Jahresfrist aus, bei zusätzlichen aber falschen Angaben in der Rechtsbehelfslehrung nur, wenn abstrakt geeignet, die Widerspruchseinlegung in irgendeiner Art zu ändern, dann auch andere nicht-obligatorische Bestandteile

• Fristberechnung

o eA: § 57 VwGO iVm § 222 ZPO >>> §§ 187 ff. BGB anwendbar

o aA: § 31 VwVfG iVM §§ 187 ff. BGB einschlägig

6. Zuständigkeit

a. Sachliche Zuständigkeit • nach § 45 VwGO grds VG 1. Instanz

• § 47 I VwGO normiert OVG-Zuständigkeiten für spezielle Normenkontrollverfahren

• § 48 VwGO normiert weitere OVG-Zuständigkeiten für einzelne Angelegenheiten

• § 50 VwGO normiert entsprechende BVerwG-Zuständigkeiten

b. Örtliche Zuständigkeit nach § 52 VwGO / § 2 BbgVwGG • § 52 VwGO

o Prüfungsreihenfolge: Nr. 1, 4, 2, 3, 5

• § 2 I Nr. 2 BbgVwGG: VG in Frankfurt (Oder) zuständig für FF, BAR, MOL, LOS

7. Beteiligungsfähigkeit • geregelt durch § 63 VwGO

• § 61 VwGO regelt, ob die nach § 63 VwGO Beteiligten auch rechtlich am Prozess beteiligt sein dürfen

o § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO: natürliche Personen

o § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO: juristische Personen

o § 61 Nr. 2 VwGO: nicht vollrechtsfähige Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann

abstrakte Betrachtungsweise

• beteiligtenfähig, sobald ihr in demjenigen Rechtsverhältnis überhaupt Rechte zustehen können

konkrete Betrachtungsweise

• beteiligtenfähig nur, wenn Vereinigung im konkreten Fall das von ihr behauptete Recht tatsächlich zustehen kann

• vorzugswürdig, da abstrakte Betrachtungsweise § 42 II VwGO mit § 61 Nr. 2 VwGO vermengt

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o § 61 Nr. 3 VwGO: durch Landesrecht können Abweichungen in der Weise getroffen werden, dass einzelne Behörde anstatt ihres Rechtsträgers beteiligtenfähig ist >>> Prozessstandschaft für die jeweilige Körperschaft, der sie angehört

8. Prozessfähigkeit nach § 62 VwGO • rechtliche Fähigkeit, selbst oder durch einen Bevollmächtigten wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu

können

o Kläger prozessunfähig und nicht ordnungsgemäß vertreten, Klage unzulässig, soweit nicht der gesetzliche Vertreter die Erhebung genehmigt

o Beklagter prozessunfähig oder nicht ordnungsgemäß vertreten, Klage deswegen nicht unzulässig sondern Prozesshandlungen sind (schwebend) unwirksam

9. Ordnungsgemäße Klageerhebung nach §§ 81 f. VwGO

10. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis • Gerichte dürfen nur in Anspruch genommen werden, sofern Kläger hieran ein von der Rechtsordnung

anzuerkennendes Interesse hat

o Nicht gegeben in folgenden Fallgruppen

Kläger kann Ziel einfacher als durch Klageerhebung erreichen

Klage sinn- und nutzlos

Klageerhebung missbräuchlich, da ausschließlicher Zweck, Beklagten zu schädigen

Kläger verwirkte sein dem Grunde nach bestehendes Klagerecht durch Untätigbleiben

11. Klagehäufung nach § 44 VwGO

II. Begründetheit nach § 113 I 1 VwGO Anfechtungsklage ist begründet, wenn der Kläger zu dieser passiv legitimiert ist, der VA rechtswidrig ist und / oder der Kläger in seinen Rechten verletzt ist.

1. Passivlegitimation nach § 78 I VwGO • § 78 I Nr. 1 VwGO regelt nach

o hM die Passivlegitimation (Bestandteil der Begründetheit)

Passiv legitimiert, der gegen den sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach materiellem Recht richtet

o aA die passive Prozessführungsbefugnis (Bestandteil der Zulässigkeit)

Befugnis des Beklagten den Prozess auch im eigenen Namen führen zu dürfen

Argumentation

• Wort: „Klage ist zu richten gegen...“

• Syst: enger Zusammenhang mit anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des 8. Abschnitts der VwGO

o Passivlegitimation und Prozessführungsbefugnis regelmäßig identisch

• § 78 I Nr. 2 VwGO ermöglicht einzelnen Bundesländern die Mgl, Behörden die Beklagteneigenschaft zuzusprechen (so auch in Bbg: § 8 II BbgVwGG)

o Passiv legitimiert sind dort ebenfalls Rechtsträger der Behörden, jedoch sind Behörden selbst prozessführungsbefugt >>> Klage gegen Behörde selbst zu richten

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2. Rechtmäßigkeit des VAs

a. Bestimmung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage • falls auf Rechtsverordnung oder Satzung gestützt, muss diese auf ein formelles Gesetz zurückgeführt werden,

da Ermächtigungsgrundlage letztendlich immer ein formelles Gesetz sein muss

b. Formelle Rechtmäßigkeit des VA

aa. Zuständigkeit der erlassenden Behörde (1) Örtliche Zuständigkeit

• meint den räumlichen Tätigkeitsbereich der Behörde

• Spezialgesetze, ansonsten § 3 VwVfG

(2) Sachliche Zuständigkeit • geregelt in speziellen Gesetzen

• instantielle Zuständigkeit: Welche Behörde innerhalb eines mehrstufigen Behördenaufbaus zuständig?

• funktionelle Zuständigkeit: Welcher konkrete Amtswalter innerhalb der Behörde für bestimmte Aufgabe zuständig?

bb. Verfahren und Verfahrensvorschriften – §§ 10-34 - insbesondere §§ 20-29 VwVfG • § 10 VwVfG schreibt vor, dass das Verfahren grds nichtförmlich, sondern nur einfach, zweckmäßig und zügig

durchzuführen ist; hierbei sind die Vorschriften hinsichtlich eines nichtförmlichen Verfahrens aus §§ 11-34 VwVfG zu beachten

• besondere Verfahren

o §§ 63-71 VwVfG regeln das förmliche Verwaltungsverfahren; nach § 63 II VwVfG §§ 11-34 VwVfG entsprechend anzuwenden, wenn nicht speziell geregelt

o §§ 72-78 VwVfG regeln das Planfeststellungsverfahren; nach § 72 I VwVfG §§ 11-34 VwVfG entsprechend anzuwenden, wenn nicht speziell geregelt

o nur durchzuführen, wenn gesetzlich angeordnet

cc. Form • Formvorschriften der Fachgesetze maßgeblich

• ansonsten § 37 II-IV VwVfG

• Ordnungsgemäße Bekanntgabe nach § 41 VwVfG

• Begründung gem § 39 VwVfG

o Begründung lediglich bei schriftlichen oder elektronischen bzw schriftlich oder elektronisch bestätigte VA erforderlich

• Rechtsbehelfsbelehrung

o §§ 45 f. VwVfG

dd. Sofern Fehler: Nichtigkeit des VA gem § 44 VwVfG aufgrund eines Fehlers bei der formellen Rechtmäßigkeit

ee. Sofern Fehler: Heilbarkeit des Fehlers bei der formellen Rechtmäßigkeit nach § 45 VwVfG

ff. Bekanntgabe des VA nach § 41 I VwVfG • grds individuell nach § 41 I VwVfG

o formlos

mündlich / schriftlich / konkludent

o förmliche Zustellung nach dem VwZG

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durch die Post

• § 3 VwZG: Postzustellungsurkunde

• § 4 VwZG: Einschreiben

• § 5 IV VwZG: gegen Empfangsbekenntnis (nur bei Behörden und Anwälten mgl)

durch die Behörde selbst

• § 5 I-III VwZG: gegen Empfangsbekenntnis

• Ausnahme: öffentliche Bekanntgabe nach § 41 III VwVfG

c. Materielle Rechtmäßigkeit

aa. Tatbestandsmäßigkeit des VA mit der Ermächtigungsgrundlage • Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage

o nur zu prüfen, sofern kein formelles Gesetz vorhanden, welches zum Erlass eines entsprechenden VAs ermächtigt

o Eingriffsvw

sofern ein Eingriff vorliegt, muss entsprechend dem Parlamentsvorbehalt und der Wesentlichkeitstheorie eine formelle Ermächtigungsgrundlage existieren

o Leistungsvw

Erörterung der Frage, ob überhaupt ein besonderes formelles Gesetz erforderlich ist >>> str, ob auch Leistungsverwaltung ein formelles Gesetz als Ermächtigungsgrundlage benötigt

bb. Anderen materiellen Anforderungen gewahrt • Ermächtigungsgrundlage gewährt (k)ein Ermessen

• fehlerhafte Ermessensausübung

• Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes gem § 37 I VwVfG

• Befolgung des VA rechtlich und tatsächlich mgl (Nichtigkeit nach § 44 II Nr. 4-6 VwVfG)

o Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, wonach eine rechtlich zwar mögliche, tatsächlich oder rechtlich jedoch unmögliche Maßnahme nicht auferlegt werden darf

• Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit höherrangigem Recht

o Formelle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

Gesetzgebungskompetenz

Verfahren

Form

o Materielle Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

insbesondere Vereinbarkeit mit dem GG und allgemeinen Verfassungsprinzipien; bei Rechtsverordnungen und Satzungen auch mit dem zum Normerlass ermächtigenden Gesetz

• VA-befugnis

o str, ob und inwieweit der formelle Gesetzgeber die Behörde ermächtigt haben muss, sich gerade der Handlungsform des VAs zu bedienen

o soweit allein schon die Inanspruchnahme der Handlungsform VA für den Bürger mit Belastungen verbunden ist – jedenfalls im Bereich der Eingriffsvw, bedarf es einer gesetzlichen VA-Befugnis

o Voraussetzungen für entsprechende VA-Befugnis

Im formellen Gesetz wurde der Inhalt der Vwtätigkeit in einer Weise geregelt, dass sie dem Vorbehalt des Gesetzes genügt

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Formellen Gesetz kann entnommen werden, dass das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger gerade in bezug auf die in Rede stehende Fallgestaltung subordinationsrechtlich ausgestaltet ist

• Tatbestandsmäßigkeit des VA: Vereinbarkeit des VA mit der verfassungskonform auszulegenden Ermächtigungsgrundlage

o VA muss von der formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und ggf auch von den zu ihrer Ausführung ergangenen Rechtsverordnungen und Satzungen gedeckt sein

• Beachtung der Grenzen des Ermessens- oder Beurteilungsspielraums

• Übereinstimmung des VA mit sonstigem höherrangigem Recht

o Vorrang von höherrangigem Recht

o Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt

o nur überprüfbar, sofern ein Entscheidungsspielraum seitens der Behörde besteht

3. Rechtsverletzung • Verletzung des Klägers in eigenen, subjektiven öffentlichen Rechten

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L. §§ 68 ff. VwGO: Widerspruch I. Zulässigkeit

1. § 40 I VwGO analog: Eröffnung des Vwrechtswegs • nur zulässig, sofern nachfolgende Klage nach § 40 I VwGO eröffnet wäre

o nachfolgende Prozess eine ÖR Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ohne abdrängende gesetzliche Zuweisung

2. Statthaftigkeit des Widerspruchs • statthaft, sofern gegen einen VA gerichtet

• bei Unwirksamkeit des VA nach § 43 II VwVfG, Widerspruchsverfahren einzustellen

3. § 42 II VwGO analog: Widerspruchsbefugnis • Widerspruchsführer durch den VA beschwert

o Anfechtungswiderspruch nach § 68 I VwGO: widerspruchsbefugt, wenn angegriffene VA mglw rechtswidrig und der Widerspruchsführer dadurch mglw in seinen Rechten verletzt wird ODER

Möglichkeitstheorie: Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Mgl einer Rechtsverletzung ergibt

• Adressatentheorie: grds befugt, wer Adressat eines belastenden VA ist, da zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG beschränkt

Schutznormtheorie: Norm drittschützend, wenn sie neben dem Schutz von ÖR Interessen zumindest auch dazu bestimmt ist, den Interessen einzelner Personen zu dienen und die Mgl zur Durchsetzung dieser Interessen gewährt

o Verpflichtungswiderspruch nach § 68 II VwGO: Widerspruchsführer mglw einen Anspruch auf Erlass des abgelehnten VA

4. § 11 VwVfG: Beteiligungsfähigkeit des Widerspruchsführers • beteiligungsfähig nach § 11 VwVfG natürliche und juristische Personen, Behörden sowie nicht vollrechtsfähige

Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann

o abstrakte Betrachtungsweise

beteiligtenfähig, sobald ihr in demjenigen Rechtsverhältnis überhaupt Rechte zustehen können

o konkrete Betrachtungsweise

beteiligtenfähig nur, wenn Vereinigung im konkreten Fall das von ihr behauptete Recht tatsächlich zustehen kann

vorzugswürdig, da abstrakte Betrachtungsweise § 42 II VwGO mit § 61 Nr. 2 VwGO vermengt

5. § 12 VwVfG: Handlungsfähigkeit

6. § 70 VwGO: Form • schriftlich oder zur Niederschrift

o Identität des Widerspruchseinlegenden muss feststellbar sein

7. § 70 I VwGO: Widerspruchsfrist • nach § 70 I VwGO binnen eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei Ausgangs- /

Widerspruchsbehörde einzulegen

o Fristberechnung

eA: § 57 VwGO iVm § 222 ZPO >>> §§ 187 ff. BGB anwendbar

aA: § 31 VwVfG iVM §§ 187 ff. BGB einschlägig

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o Fristbeginn nur, sofern VA schriftliche, ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthielt >>> andernfalls Jahresfrist gem §§ 70 II, 58 I, II VwGO; zu beachten: lediglich fehlende Pflichtbestandteile der Rechtsbehelfsbelehrung lösen zwangsläufig die Jahresfrist aus, bei zusätzlichen aber falschen Angaben in der Rechtsbehelfslehrung nur, wenn abstrakt geeignet, die Widerspruchseinlegung in irgendeiner Art zu ändern, dann auch andere nicht-obligatorische Bestandteile

o § 73 I 2, II VwGO regelt die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde

• bei Fristversäumnis mglw Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO

II. Begründetheit • Anfechtungswiderspruch

o begründet, sofern

angegriffene VA rechtswidrig und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt

Ermessens- und Beurteilungsspielraum besteht, Widerspruchsführer in seinen Rechten beeinträchtigt und der VA nicht zweckmäßig ist (Ergebnis der Zweckmäßigkeitskontrolle aus § 68 I 1 VwGO)

• Verpflichtungswiderspruch

o § 113 V 1 VwGO analog: Anspruch auf Erlass des beantragten VA

o Erlass des beantragten VA zweckmäßig und im rechtlichen Interesse des Widerspruchsführers

Zweckmäßigkeit nur zu prüfen, sofern Behörde Ermessens- und Beurteilungsspielraum hatte

III. Ergebnis • Entscheidung durch Ausgangsbehörde

o Widerspruch zulässig und begründet >>> Abhilfebescheid gem § 72 VwGO oder Rücknahme nach § 48 VwVfG

o Widerspruch nicht zulässig oder nicht begründet >>> grds nächsthöherer Behörde vorzulegen nach § 73 I 2 Nr. 1 VwGO, welche dann einen Widerspruchsbescheid erlässt (Ausnahmen zur Vorlage bei nächsthöherer Behörde in §§ 73 I 2 Nr. 2, 3, 73 I 3 VwGO

• Entscheidung durch Widerspruchsbehörde

o Widerspruch zulässig und begründet >>> VA durch Erlass eines positiven Widerspruchsbescheides aufheben nach § 73 I 1 VwGO oder Ausgangsbehörde zur Rücknahme nach § 48 VwVfG anweisen, wenn sie Aufsichtsbehörde gegenüber der Ausgangsbehörde ist

o Änderung zum Nachteil des Widerspruchsführers mgl (str)

hM: grds mgl

• +++ §§ 48 I 2, II-IV, 49 II-IV, VI VwVfG gestatten Aufhebung eines begünstigenden VAs

• --- Grundsatz des Vertrauensschutzes