SALZBURGER FESTSPIELE 27. JULI – 30. AUGUST 2011 · Igor Strawinsky (1882–1971) • Le...

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SALZBURGER FESTSPIELE 27. JULI – 30. AUGUST 2011 Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken Luigi Nono Stephan Balkenhol, Großes Kopfrelief, Frau, 1991, © VBK, Wien, 2011 • Courtesy of Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg/Paris

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Page 1: SALZBURGER FESTSPIELE 27. JULI – 30. AUGUST 2011 · Igor Strawinsky (1882–1971) • Le Rossignol• Lyrisches Märchen in drei Akten • Text von Igor Strawinsky und Stepan Stepano-

SALZBURGER FESTSPIELE27. JULI – 30. AUGUST 2011

Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken Luigi Nono

Stephan Balkenhol, Großes Kopfrelief, Frau, 1991, © VBK, Wien, 2011 • Courtesy of Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg/Paris

Page 2: SALZBURGER FESTSPIELE 27. JULI – 30. AUGUST 2011 · Igor Strawinsky (1882–1971) • Le Rossignol• Lyrisches Märchen in drei Akten • Text von Igor Strawinsky und Stepan Stepano-

Die Sache MakropulosLeos Janácek

Auf seltsame Art scheint einem oft das Nahe besonders fremd. Viel lieber richtet der mittel-europäische Musik-, speziel-ler: der Opernfreund seinen

Blick über die Alpen nach Italien, um dort von Monteverdi bis Verdi fündig und aufs Reichhaltigste bedient zu werden. Oder er geht nach Deutschland, um sich in Wagner zu vertiefen oder an Strauss zu berauschen. Selbst die Beschaffung französischer Fein-kost scheint beliebter als die Grenzüber-schreitung ins Slawische, sozusagen gleich um die Ecke von Wien, nach Böhmen oder Mähren. Gewiss: Smetanas Verkaufte Braut oder dessen Vaterland, Dvoráks Rusalka oder dessen Achte und Neunte Symphonie sind populär. Aber wer hätte von den Bran-denburgern in Böhmen bis zur Teufelswand, einschließlich Dalibor und Libussa, je eine andere Oper Smetanas, von den komischen Opern bis zur Teufelskäthe je ein weiteres Bühnenwerk von Dvorák erlebt? Von Namen wie Bohuslav Martinu, Zdenek Fibich oder Josef Bohuslav Foerster zu schweigen.

Um den Mähren Leos Janácek ist es in-sofern besser bestellt, als wenigstens zwei seiner Bühnenwerke, Jenufa und Katja Ka-banowa, dazu noch Das schlaue Füchslein, heute in den Kanon oft gespielter Meister-werke aufgenommen sind, seine beiden Streichquartette, seine Sinfonietta oder die Glagolithische Messe in den Konzertsälen durchaus regelmäßig erklingen. Seit lan-gem währt derartige Beliebtheit freilich auch noch nicht, und so kann die Ankündi-gung eines Janácek-Zyklus an der Wiener Staatsoper, der im Juni mit Katja Kabanowa beginnen wird, durchaus noch als eine be-sondere Nachricht gelten.

Freilich: Salzburg hat Wien hier schon einiges voraus. Denn seit Claudio Abbados und Klaus Michael Grübers ingeniöser Deutung von Janáceks letzter Oper, Aus einem Totenhaus, 1992 im Großen Fest-spielhaus, folgten noch zwei weitere Neu-inszenierungen: 1998 war es Katja Kabano-wa, die szenisch und musikalisch Maßstäbe setzte in Christoph Marthalers Inszenie-rung und Sylvain Cambrelings passgenauer Partiturausdeutung mit der Tschechischen Philharmonie. Und drei Jahre später dann in der Felsenreitschule Jenufa in Bob Swaims filmrealistischer Szenerie, mit Sir John Eliot Gardiner am Pult. Wenn nun, im Sommer 2011, als eigenständiger Akzent der Intendanz von Markus Hinterhäuser, wieder in einer Regie von Christoph Mar-thaler und unter der musikalischen Leitung von Esa-Pekka Salonen, Janáceks vorletz-tes Musiktheaterwerk, Die Sache Makropu-los, aufgeführt wird, schließt sich in schö-ner Konsequenz ein kleiner Kreis. Dass die Wiener Philharmoniker bei dreien dieser vier Opern den Orchesterpart übernom-men haben, sollte als ideal gelten: idioma-tischer Einklang mit einer im besten Sinne altösterreichischen Klangkultur.

Wobei im Falle Janáceks nicht eine kunst-voll musikantische, gleichsam zünftig auf-spielende und auszuspielende Klangaus-

Leoš Janácek (1854–1928) • Vec Makropulos (Die Sache Makropulos) • Oper in drei Akten • Text von Leoš Janácek nach der gleichnamigen Komödie von Karel Capek (1890–1938) • In tschechischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Esa-Pekka Salonen • Regie: Christoph Marthaler • Bühnen-bild und Kostüme: Anna Viebrock • Licht: Olaf Winter • Dramaturgie: Malte Ubenauf • Choreinstudierung: Jörn H. Andresen • Angela Denoke (Emilia Marty), Brandon Jovanovich (Albert Gregor), Peter Hoare (Vítek, Rechtsanwaltsgehilfe), Jurgita Adamonyte

. (Krista, seine Tochter), Johan Reuter (Jaroslav Prus), Aleš

Briscein (Janek, sein Sohn), Jochen Schmeckenbecher (Dr. Kolenatý, Rechtsanwalt), Linda Ormiston (Aufräumefrau/Kammerzofe), Peter Lobert (Maschinist), Ryland Davies (Hauk-Šendorf) • Wiener Philharmoniker • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • Koproduktion mit dem Teatr Wielki, Polnische Nationaloper • Neuinszenierung • Großes Festspielhaus: 10., 13., 18., 25. und 30. August 2011Karten in den Preiskategorien von € 95,– bis 330,– verfügbar

Angela Denoke und Christoph Marthaler bei Proben zu Katja 1998 in Salzburg, Foto: Ruth Walz

richtung gefragt, sondern die sehr eigene Einheit von Wort und Musik, Sprachklang und Melos entscheidend ist. In kaum einem anderen Werkkosmos ist die Bedeutung und Betonung der „Sprechmelodie“ so stil-prägend wie bei Janácek. Mag sein, dass das die breite Rezeption dieser Opern be-hindert. Ihrer Intensität und emotionalen Wirkung wird, wer je Janácek gehört hat, sich niemand verschließen können.

Auch in der Sache Makropulos steht eine starke, große, eigentlich monströse Frauen-gestalt im Mittelpunkt einer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kühn zusammen-spannenden Handlung: Emilia Marty alias Elina Makropulos alias Ellian MacGregor alias Eugenia Montez – alle mit den Ini- tialen E. M. Karel Capeks dem Libretto zugrunde liegende Komödie ist eine sur-reale, makabre Justizgeschichte um einen Erbschaftsprozess. In diesen greift die gefeierte Sängerin Emilia Marty ein, weil sie um das Geheimnis weiß.

Sie selbst umgibt das Geheimnis des Ewi-gen: ewiger Jugend, ewigen Lebens. Über 300 Jahre ist sie schon auf der Welt, gebo-ren als Elina Makropulos, Tochter des Leibarztes von Rudolf II. Auf Befehl des Kaisers musste dieser ein Elixier erfinden, welches Leben verlängern konnte. Er pro-bierte es an seiner Tochter aus, die in Ohn-macht fiel, aber buchstäblich von den Toten wiederauferstand. Seither ist sie, eine Art weiblicher Ahasver, gezwungen, das Re-zept von Epoche zu Epoche zu erneuern, in immer neuen „E. M.“-Konstellationen auf-zutreten. Nun aber will Emilia Marty, durch ihre ewige Jugend von den Männern um-schwärmt, ihrem endlosen Leben ein Ende setzen.

Für Janácek, der dem unabdingbaren Kreislauf der Natur, der Einheit von Leben und Tod schicksalsergeben vertraute, muss-te das Thema der Unsterblichkeit, der leiblichen Unversehrtheit ein besonderer, kreativer Stachel sein. Mit Konsequenz treibt er das Geschehen in den dramati-schen, die Identität enthüllenden Schluss-monolog von Emilia/Elina/Ellian/Elena. Alle Charakterisierungskunst einer wand-lungsfähigen Sopranistin ist da gefordert. Gefühl und Kalkül müssen in perfekter Ba-lance gehalten sein, Seele und Seelenlosig-keit, heiße Leidenschaft und kalte Un-menschlichkeit fordern das starke Profil einer Singschauspielerin. Angela Denoke, mit Janáceks Idiom eng vertraut, hat die Rolle in Krzysztof Warlikowskis mit den Elementen großen Kinos spielender Insze-nierung in Paris schon einmal triumphal durchlebt, wird sie nun in Salzburg neu er-arbeiten.

Janáceks lakonische und doch immer blü-hende Tonsprache wirkt in dieser 1926 ur-aufgeführten Oper noch prägnanter, knap-per, motivisch dichter. Packende Unmittel-barkeit und schroffe Modernität schließen sich nie aus. In ihrer Wechselwirkung sind sie vielmehr Ingredienzien eines zeitlos gültigen, bezwingend wahrhaftigen Musik-dramas.

Karl Harb

Janáceks Werke wurden in Salzburg in maßgeblichen Produktionen gezeigt: Aus einem Totenhaus, Jenufa und Katja Kabanowa sind in bester Erinnerung. Intendant Markus Hinterhäuser hat für den Som-mer Die Sache Makropulos programmiert, deren packender Plot sich um Fragen nach ewigem Leben und immerwährender Alterslosigkeit dreht. In der Hauptrolle: Angela Denoke, die umjubelte Katja von 1998; Regie führt Christoph Marthaler, der gefeierte Regisseur der Katja Kabanowa. Am Pult der Wiener Philharmoniker: der finnische Dirigent Esa-Pekka Salonen.

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Igor Strawinsky (1882–1971) • Le Rossignol • Lyrisches Märchen in drei Akten • Text von Igor Strawinsky und Stepan Stepano-witsch Mitusow (1878–1942) nach dem Märchen Die Nachtigall von Hans Christian Andersen (1805–1875) • Julia Novikova (Die Nachtigall), Julia Lezhneva (Die Köchin), Antonio Poli (Der Fischer), Andrei Bondarenko (Der Kaiser von China), Andrè Schuen (Der Kammerherr), Yuri Vorobiev (Der Bonze), Maria Radner (Der Tod) • Peter Iljitsch Tschaikowski (1840–1893) • Iolanta • Lyrische Oper in einem Akt • Text von Modest Iljitsch Tschaikowski (1850–1916) nach dem Schauspiel König Renés Tochter von Henrik Hertz (1797–1870) • Anna Netrebko (Iolanta, blinde Tochter von König René), John Relyea (René, König der Provence), Piotr Beczala (Graf Vaudémont, ein burgundischer Ritter), Evgeny Nikitin (Ibn-Hakia, ein maurischer Arzt), Alexey Markov (Robert, Herzog von Burgund), Antonio Poli (Alméric, Waffenträger von König René), Yuri Vorobiev (Ber- trand, Pförtner des Schlosses), Maria Radner (Martha, Iolantas Amme) ••• In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Ivor Bolton • Choreinstudierung: Jörn H. Andresen • Mozarteumorchester Salzburg • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • Konzertante Aufführungen • Großes Festspielhaus: 15. und 20. August 2011

Zwei lyrische russische Opern werden luxuriös besetzt als konzertante Doppelvorstellung im Großen Festspielhaus dargeboten.

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Le Rossignol / IolantaIgor Strawinsky /Peter I. Tschaikowski

Mimì, Manon, Juliette, Lucia, Violetta und Adina haben in den letzten Jah-ren ein wenig vergessen lassen, dass Anna Netreb-

ko die Pracht ihrer Stimme und das Charis-ma ihrer Persönlichkeit immer wieder auch Figuren aus dem Opernrepertoire ihrer russischen Heimat geliehen hat. In Werken von Glinka, Rimski-Korsakow und Prokof-jew wurde sie nicht zuletzt am St. Peters-burger Mariinski-Theater bejubelt. 2009 kehrte sie in einer neuen Rolle – als Iolan-ta in Tschaikowskis gleichnamiger Oper – dorthin zurück. Mit dieser „ihr wie ange-gossen sitzenden“ Partie (so urteilte Die Welt) gastiert Anna Netrebko nun auch in zwei konzertanten Aufführungen in Salz-burg. Tschaikowski komponierte seine letz-te Oper Iolanta 1891 nach einem dänischen Theatertext, dessen „poetische Qualität, Originalität und Vielfalt an lyrischen Mo-menten“ ihn beeindruckten: Iolanta, die Tochter des mittelalterlichen Königs René, ist blind. Sie lebt von der Außenwelt abge-schirmt, ohne von ihrer Behinderung zu wissen. Eben dieses Wissen aber betrach-tet der maurische Arzt Ibn-Hakia – von der Unzertrennlichkeit des Körperlichen und Geistigen überzeugt – als Voraussetzung für eine mögliche Heilung der Prinzessin. Der König schreckt davor zurück, seine Tochter über ihre Blindheit aufzuklären; als Retter aber naht Graf Vaudémont: Zusammen mit

der Liebe weckt er in Iolanta die Sehn-sucht, das Licht zu erblicken.

Als Vaudémont kehrt der polnische Te-nor Piotr Beczala nach Salzburg zurück. Wer ihn an der Seite von Anna Netrebko in Gounods Roméo et Juliette erlebte, weiß um das vokale Glück, das die beiden Iolanta-Aufführungen versprechen.

Tschaikowskis hochromantische Oper kombiniert der Doppelabend mit einem Werk, das bereits am Beginn der musikali-schen Moderne steht. Wie Iolanta verar-beitet auch Strawinskys Opernerstling Le Rossignol (1908/14) einen Märchenstoff. Neben einer echten spielt in Hans Chris-tian Andersens Vorlage eine künstliche Nachtigall eine zentrale Rolle. Das Mär-chen formuliert den Gedanken, dass die Natur einer Imitation menschlicher Her-kunft, sei sie auch noch so perfekt, immer überlegen ist. Strawinsky inspirierte es zu einer farbenprächtig orchestrierten, auch groteske und düstere Elemente einbezie-henden Partitur. In der koloraturenreichen Titelpartie gibt die junge Russin Julia Novikova ihr Festspieldebüt.

Neben seinen traditionellen Aufgaben in den Mozart-Matineen hat sich das Mozar-teumorchester Salzburg in den vergange-nen Jahren auch als hervorragendes Opern-orchester bewährt. Die beiden russischen Kurzopern Iolanta und Le Rossignol spielt es unter der Leitung seines Chefdirigenten Ivor Bolton.

Anna Netrebko und Piotr Beczala in Roméo et Juliette 2010 – im Sommer 2011 singen sie in Iolanta, Foto: Hermann, Clärchen & Matthias Baus

Julia NovikovaFoto: TACT International Art Management

Mit dem Young Singers Project haben die Salzburger Festspiele 2008 eine hochka-rätige Plattform zur Förderung des sängerischen Nachwuchses geschaffen. Bei internationalen Vorsingen werden junge Sänger und Sängerinnen für das YSP

ausgewählt, um im Rahmen einses Stipendiums in Salzburg mit Festspielkünstlern zu arbeiten. Der Unterricht umfasst nicht nur musikalische Aspekte, sondern auch szenische Proben, Bewegungsunterricht, Sprachcoaching und die Erweiterung des Repertoires; vier Meisterklassen, geleitet von bedeutenden Festspielkünstlern, sind öffentlich. In einem Abschlusskonzert stellen sich die jungen Sänger dem Publikum vor. Das Young Singers Project wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von Credit Suisse.

Christa Ludwig leitet auch diesen Sommer wieder eine Meisterklasse des YSP, Foto: Philipp Horak

THE NESTLEAND SALZBURG FESTIVALYOUNG CONDUCTORS AWARD

THE NESTLEAND SALZBURG FESTIVALYOUNG CONDUCTORS AWARD

Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award“ ist eine Initiative von Nest-lé und den Salzburger Festspielen in Zusammenarbeit mit dem Gustav Mahler Jugendorchester. Gesangs- und Instrumentalwettbewerbe gibt es sonder Zahl.

Schwieriger gestalten sich die Möglichkeiten für hochbegabte junge Dirigenten, sich in Wettbewerben zu messen. Dieser besonderen Form der Nachwuchsförderung wollen sich Nestlé und die Salzburger Festspiele annehmen. Zugleich ist dies ein weiteres Projekt in der langen und intensiven Partnerschaft zwischen Nestlé und den Salzburger Festspielen sowie deren Jugendförderung.

In der Festspielsaison 2011 wird der mit E 15.000,– dotierte Preis zum zweiten Mal vergeben; auch in der Folge soll jährlich ein junger Dirigent ausgezeichnet werden. Der Award-Gewinner von 2010, David Afkham, wiederum wird bei den Eröffnungsfeierlich-keiten 2011 dirigieren.

Preisträgerkonzertdes Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award 2011Felsenreitschule, Samstag, 13. August 2011, 20.00 UhrDer Preisträger dirigiert das Gustav Mahler JugendorchesterKarten in den Preiskategorien von € 60,– bis 150,– verfügbar

YoUNG SINGeRS PRoJeCtEIN KULTURENGAGEMENT DER CREDIT SUISSE

David Afkham, der Gewinner des Young Conductors Award 2010, dirigierte vergangenen Sommer das Gustav Mahler Jugendorchester, Foto: Wolfgang Lienbacher

Öffentliche MeisterklassenGroße Universitätsaula: 30. Juli (Matthias Goerne), 4. (Michael Schade), 7. (Alfred Brendel), 14. August (Christa Ludwig), jeweils 15.00 UhrZählkarten für die Meisterklassen im Kartenbüro der Salzburger FestspieleAbschlusskonzert des Young Singers Project – ein Kulturengagement der Credit SuisseStiftung Mozarteum, Großer Saal: Donnerstag, 25. August 2011, 18.00 UhrMitglieder des Young Singers Project • Mozarteumorchester SalzburgDirigent: Ivor Bolton • Karten in den Preiskategorien von € 25,– bis 65,– verfügbar

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Giuseppe Verdi (1813–1901) • Macbeth • Oper in vier Akten • Text von Francesco Maria Piave, mit Ergänzungen von Andrea Maffei, nach William Shakespeare • In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Riccardo Muti • Regie: Peter Stein • Bühnenbild: Ferdinand Wögerbauer • Kostüme: Annamaria Heinreich • Licht: Joachim Barth • Choreografie: Apostolia Tsolaki • Choreinstudierung: Thomas Lang • Zeljko Lucic/Sebastian Catana (12.8.) (Macbeth), Dmitry Belosselsky (Banco), Tatiana Serjan/Elisabete Matos (12.8.) (Lady Macbeth), Giuseppe Filianoti (Macduff), Antonio Poli (Malcolm, König Duncans Sohn), Anna Malavasi (Kammerfrau der Lady Macbeth), Gianluca Buratto (Arzt), Andrè Schuen (Diener von Macbeth) • Wiener Philharmoniker • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • NeuinszenierungFelsenreitschule: 3., 6., 9., 12., 16., 19., 22. und 24. August 2011

MacbethGiuseppe Verdi

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Salvatore Sciarrino (*1947) • Macbeth – Tre atti senza nome (2001/02) • Klangforum Wien • Dirigent: Jonathan Nott • Vokalensemble NOVA • Einstudierung: Colin Mason • Otto Katzameier, Anna Radziejewska, Richard Zook, Sonia Turchetta, Thomas Mehnert • Konzertante AufführungenKollegienkirche: 4. und 5. August 2011 • Karten von E 15,– bis 65,– verfügbar

Im Rahmen des Fünften Kontinents steht Salvatore Sciarrinos Dreiakter Macbeth auf dem Programm, der die archetypischen Triebe der Machtausübung musikalisch erkundet und ein Gegenstück zu Verdis Version des Shake-speare-Stoffes bildet. „Es geht in diesem Werk nicht um einige bestimmte Tote, um einige bestimmte Massaker,

sondern um alle Toten, um alle Massaker, auf die sich die Menschheit gründet“, erläutert der sizilianische Komponist. In Salzburg sind Sciarrino und seine „Musik der Stille“ längst wohlbekannt: 2006 wurde der Komponist mit dem ersten Salzburger Musikpreis ausgezeichnet; 2008 war ihm die Festspiel-Reihe Kontinente gewidmet und feierte die Aufführung seiner Oper Luci mie traditrici einen fulminanten Erfolg.

Zudem finden sich in Sciarrinos „drei namenlosen Akten“ auch mannigfache andere Bezüge, etwa zu Mozarts Don Giovanni – der in Claus Guths vieldiskutierter Deutung ebenfalls in diesem Sommer zu sehen und zu hören ist.

Im kommenden Sommer kehrt Peter Stein an die Stätte seines Triumphs zurück: Die Felsenreitschule eroberte er als Regisseur und Schauspielleiter mit Shakespeares Römerdramen. Nun erarbeitet Peter Stein in der mit einem neuen Dach ausgestatteten

ehemaligen Sommerreitschule Giuseppe Verdis Macbeth. Über seine Vorbereitung gemeinsam mit Riccardo Muti sprach der Regisseur mit Karin Kathrein.

Peter Steins Beziehung zur Oper ist eine schöne, aber keineswegs konfliktfreie Liebesgeschichte: Sie begann in den siebziger Jahren prompt mit einer spektakulären Absage [Wagners Ring für Bayreuth]. Es folgte eine „grauenhafte“ Episo-

de, die zu dem festen Entschluss „Nie wieder!“ führte [Rheingold in Paris]. Diesem Vorsatz blieb er zehn Jahre treu. Mitte der achtziger Jahre lieferte allerdings eine Ein-ladung nach Cardiff den zündenden Funken, und eine Zeit-lang gab der große Theatermann sogar der Oper den Vor-zug. Er arbeitete mit Dirigenten wie Pierre Boulez und Kirill Petrenko, Claudio Abbado und Ingo Metzmacher und findet für sie ungewohnt positive Worte. Zwar lagen vor seinen Zusagen zu Operninszenierungen auch immer wieder Stolpersteine, doch nach intensiver Vorbereitung schwärmt Stein nun voll Enthusiasmus von seiner Zusam-menarbeit mit Riccardo Muti.

Es bedurfte allerdings eines weiteren Anlaufs, denn Muti hatte ihm die Oper schon zwei Mal vorgeschlagen, einmal sogar zur Eröffnung der Mailänder Scala. Doch Stein, der naturgemäß zunächst von Shakespeares Tragö-die des Machthungers ausging, stieß sich vor allem an ei-nem Hexenballett, auf das der Dirigent nicht verzichten wollte. Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser glaubte nun freilich fest daran, nach entsprechend einfühlsamer Vorarbeit die beiden Künstler erfolgreich zusammenfüh-ren zu können. So entwarf Stein schließlich einen Vier-stufen-Plan. „Nachdem ich sehr genau an dem Text und der Partitur gearbeitet hatte“, erzählt er, „gab mir Muti die Möglichkeit, die Partitur aus seiner Sicht kennenzulernen, indem er sie mir in Italien am Klavier vorgespielt und vorgesungen hat. Sechs Stunden ohne jede Pause. Das war wunderbar, wie er das gemacht hat. Ich hab nur gele-gentlich unterbrochen und Fragen gestellt.“

Gemeinsam wurde eine eigene Fassung erarbeitet. „Muti ist dabei in erstaunlicher Weise auf meine Vorschläge ein-gegangen. Sie zielten zunächst darauf ab, ein möglichst theatralisches, auch Shakespeare nahes Opernereignis zu entwerfen, in einer härteren Spielweise, die vom Konven-tionellen abweicht. Das will Muti auch musikalisch, und da habe ich ihn bestärkt. Es existieren ja zwei Fassungen der Oper, und ich habe empfohlen, den Schluss der ersten Fassung zu nehmen. Er war damit einverstanden – und das bedeutet, dass sich der Schluss ganz rasch vollzieht: Mac-beth stirbt auf und nicht wie in der zweiten Fassung hinter der Bühne, und die Oper endet dann ruckzuck mit ein paar Takten mit der rechtmäßigen Krönung Malcolms. Im Übrigen bildet die zweite Fassung weitgehend unsere Basis.“

Mit einer weiteren Veränderung: Verdi hat ja seinen in Florenz uraufgeführten Macbeth später für Paris umgear-beitet, dabei vor allem den dritten Akt in wesentlichen Teilen neu gestaltet und das für die französische Opern-bühne unerlässliche Ballett eingefügt. Eine für Stein beson-ders ausgeprägte Hürde. „Daher habe ich für den dritten Akt vorgeschlagen, das Ballett um eine Szene nach vorne zu versetzen und quasi als Ouvertüre des dritten Aktes zu gestalten. So kann der Beginn mit der Hexenszene durch-gezogen werden, ohne dass sie von dem Ballett unterbro-chen wird. Wenn Macbeth beim Anblick seiner von den Hexen beschworenen Nachfolger ohnmächtig wird, wer-den ohnehin wieder irgendwelche Elfen gerufen, um ihn aufzurichten. Das gehört dazu. Da muss ich mir etwas ein-fallen lassen.“

In der nächsten Phase der Zusammenarbeit stellte Stein dem Dirigenten in München seine Arbeit vor. „Da haben wir ein riesiges Modell der Felsenreitschule aufgebaut, und ich führte Muti mit kleinen Figuren minutiös die kom-

plette Inszenierung vor. Dann ging ich vor allem auf die Probleme ein: musikalischer Art, akustischer Art, die Pro-bleme des Chors in der großen Breite, die Probleme der Distanzen, die natürlich auch für den Klang eine starke Bedeutung haben. Schließlich habe ich vorgeschlagen, den Streifen vor dem Orchestergraben, den Gang zwischen Toscanini-Hof und Karl-Böhm-Saal, für die Darstellung zu nutzen. Dass etwa der Chor dort stationiert sein kann, dass die Flüchtlinge aus Schottland auf dieser Straße singen.“

Stein erklärte „zwei Stunden lang, jedes Detail, auch je-des musikalische Detail“, und Muti akzeptierte. „Die wun-derbare Musik dient ja dem Drama richtiggehend, aber es gibt schon auch Schwierigkeiten, besonders bei den langen Arien. Da retten sich meine Kollegen gern in Geschäftig-keitstheater. Das widerstrebt mir völlig. Es ist die Form. Der Sänger muss die Faszination herstellen, mit der Musik, mit seiner Stimme, seiner Persönlichkeit. Das ist das Ent-scheidende. Mir bleibt als Regisseur trotzdem noch genug zu tun. Der Frauenchor etwa tritt nicht als Hexen auf, son-dern als Wald, als Gebüsch, in dem die Hexen arbeiten. Außerdem muss ich rund 30 Männer vom Chor bitten, fechten zu lernen, weil ich einen Kampf haben will. Der kommt ja vor im Stück.“ So wünscht er sich prinzipiell vom Chor viel Bewegung, „die die Impulse und rhythmischen Elemente der Musik auf der Bühne sichtbar werden lässt“.

Für die Phase drei der Vorbereitung hat Peter Stein Muti gebeten, zu den ersten zwei Tagen der szenischen Proben-arbeit mit den Sängern nach Salzburg zu kommen, um mit ihnen die Partitur einmal durchzugehen. „So ähnlich wie mit mir. Damit er in meiner Gegenwart die Dinge sagt, die ihm wichtig sind, ich die meinen erkläre und wir sozusagen gemeinsam auftreten. Und mit Phase vier beginnt dann die Probenarbeit“.

Bühnenbildentwurf von Ferdinand Wögerbauer zu Macbeth

Peter SteinFoto: Gunnar Lüsch/Berliner Ensemble

Salvatore Sciarrino, Foto: Marion Kalter/akg-images

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Herr Loy, Sie haben immer wieder Werke von Richard Strauss inszeniert: Ariadne auf Naxos, Arabella, Der Rosenkavalier sowie Intermezzo. Weshalb jetzt Die Frau ohne Schatten?

Ich habe mich den Werken von Richard Strauss zunächst immer über die Dichtun-gen von Hugo von Hofmannsthal genähert. Seine genauen Zeichnungen von Charakte-ren, ihre Positionen innerhalb bestimmter Milieus, ihr Dasein, das sich zwischen Anpassung und dem Wunsch, sich zu „ver-wandeln“ bewegt, wie Hofmannsthal sa-gen würde, decken sich sehr mit meinen Interessen als Regisseur. Letztlich sind die Werke, die ich bislang von Strauss insze-niert habe, Kammerspiele – ganz beson-ders Intermezzo, zu dem der Komponist selbst ein gelungenes Libretto verfasste. An der Einladung von Salzburg hat mich gereizt, wieviel „Kammerspiel“ in der Frau ohne Schatten zu finden ist.

Das Stück ist musikalisch und inhaltlich sehr komplex: einerseits ein mythologisch aufgeladenes Märchen, andererseits ein psychologisches Sozialdrama. Eine Inszenierung kann den inflationären szenischen wie gedanklichen Aspekten des Stückes kaum gerecht werden. Wie nähern Sie sich diesem Werk?

Ich suche bei den Stücken, die ich insze-niere, immer nach einer Identifikations- figur, die mir den Einstieg in das Stück erleichtert. Bei der Frau ohne Schatten wurde es die Kaiserin. Eine Figur, die zu Beginn eine fast stumme, beobachtende Rolle spielt, die wie ein stilles Kind Ein-drücke sammelt und dann in dem Moment, in dem sie fühlt, dass von ihr Entscheidun-gen erwartet werden, geradezu eine weib-liche Christusfigur wird. Ich denke, dass man das Stück nur begreifen kann, wenn man der Kaiserin folgt. Sie stellt einen ungeheuren Anspruch an sich im Augen-blick der Erkenntnis, die für sie automa-tisch mit der Verantwortung zu handeln verbunden ist. Nun gilt es einen Kontext zu finden, in dem sich der Weg dieser Figur auch für ein heutiges Publikum er-schließt.

Bei der Beschäftigung mit der Rezeption des Werkes stieß ich auf die ungeheure Geschichte, dass Karl Böhm 1955 Sänger der Wiener Staatsoper überreden konnte, in ungeheizten Sälen mitten im Winter und ohne Honorar die erste Schallplatten-aufnahme der Frau ohne Schatten einzu-spielen. In einem Wien, auf dem noch die Schatten des Zweiten Weltkrieges und der Zeit davor lagen, traf als Kaiserin die jun-ge Leonie Rysanek auf Elisabeth Höngen als Amme, einen Star der 40er. Vergange-nes und Zukünftiges begegneten sich in

einer aufgerissenen Gegenwart. Vor die-sem Hintergrund soll sich auch unsere Version des Dramas um Menschen, die Schuld und Verantwortung erkennen ler-nen, abspielen.

Der Schatten als solcher ist ein kultur-geschichtliches bzw. archetypisches Motiv, dessen Verlust in Märchen und Literatur vielfach thematisiert wurde. In Adelbert von Chamissos Peter Schlemihl wird der Titelheld geächtet, weil der Verlust seines Schattens mit dem Verlust des wesenhaft Menschlichen gleichzusetzen ist. In Die Frau ohne Schatten ist es ähnlich; und doch viel weitreichender.

Einen Schatten zu besitzen wird in dem Stück gleichgesetzt mit der Fähigkeit, Kin-der zu zeugen oder zu gebären. Das Mär-chen handelt nun von einem schattenlosen Feenwesen, das fern der Menschen auf-wächst, in einer nahezu irrealen Bezie-hung mit einem Mann lebt, der sie in Selbst- und Eifersucht vor Menschen ver-borgen hält. Ihr wird von ihrem gottähn-lichen Vater eine Reise zu den Menschen zugemutet, um sich einen Schatten zu er-werben. Sie erinnert mich bei den Erfah-rungen, die sie machen muss, an Indras Tochter aus Strindbergs Traumspiel. Es ist eine schmerzvolle Reise, die jedoch für die Kaiserin glücklicher endet als für Indras Tochter. Es ist eine utopische Geschichte mit dem wünschenswerten Inhalt, dass nur Leben in die Welt setzen darf, wer um die Würde und Kostbarkeit des Lebens weiß.

Die Schlussapotheose, in der die Ehe von Mann und Frau zum Zweck der Kinderzeugung und -aufzucht als höchster Daseinszweck und Heil-mittel gegen Gefühle von Sinnlosigkeit und Niedergeschlagenheit heraufbeschworen wird, mutet anachronistisch bzw. reaktionär an. Wie gehen Sie damit um?

Die Kaiserin und die übrigen Prota- gonisten machen während des Stückes Erfahrungen, die sie an Grenzen des Ertragbaren bringen. Die Stimmen der Ungeborenen verfolgen und mahnen sie wie die Stimmen von Verstorbenen; sie müssen erfahren, dass nur Zukunft hat, wer sich mit Vergangenem auseinander-setzt. Die Hoffnung auf eine neue Welt, in der Menschen sich mündig und verant-wortungsvoll begegnen, wird am Ende der Oper von Strauss in der Tat so üppig und mit einer derartigen „Fülle des Wohllauts“ dargestellt, dass einem angst und bange wird vor soviel Herrlichkeit. Hier suche ich ein Bild, das zeigt, wie sich eine durch Schrecken klüger gewordene Welt wieder in einer selbstgefälligen und nahezu mons-trösen Behaglichkeit einrichtet.

Die Frau ohne Schatten liegt Christian Thielemann am Herzen wie wenige andere Opern. Kein Wunder also, dass er im Sommer 2011 in Bayreuth pausiert, um mit diesem inhaltlich wie musika-lisch höchst vielschichtigen Werk sein Operndebüt bei den Salz-burger Festspielen zu geben. Richard Strauss widmet sich Chris-tian Thielemann auch auf dem Konzertpodium: Nach Liedern und Szenen aus Arabella mit Renée Fleming, die das Salzburger Publikum schon 2007 mit den Vier letzten Liedern betörte, durch-wandert Thielemann mit den Wiener Philharmonikern die mo-numentale Partitur der Alpensinfonie (7./8. August).

Im ersten der fünf Konzertprogramme, die die Wiener Philhar-moniker 2011 gestalten, setzt sich der große Dirigent und Kom-ponist Pierre Boulez erstmals mit Mahlers „Märchen-Kantate“ Das klagende Lied auseinander – „mein erstes Werk, in dem ich mich als ‚Mahler‘ gefunden“, wie der Komponist selbst anmerk-te. Außerdem dirigiert Boulez die Lulu-Suite und die Konzertarie Der Wein des Mahler-Verehrers Alban Berg. Die Vokalsolisten des Abends sind Anna Prohaska, Dorothea Röschmann, Elisa-beth Kulman und Johan Botha (28./31. Juli).

Riccardo Muti stellt seinen Rang als einer der besten Verdi-Dirigenten unserer Zeit nicht nur im Macbeth, sondern auch mit

der Messa di Requiem unter Beweis. Neben den Wiener Phil-harmonikern steht ihm dafür ein exzellentes Sängerquartett – Krassimira Stoyanova, Olga Borodina, Saimir Pirgu und Ildar Abdrazakov – zur Verfügung (14./15. August).

Mariss Jansons leitet die Wiener Philharmoniker in zwei Meis-terwerken der klassischen Moderne: Strawinskys Petruschka und Ravels „poème choréographique“ La Valse. Das Erste Klavierkonzert von Franz Liszt bietet ein Wiedersehen mit dem bravourösen Pianisten Lang Lang (20./21. August).

In die Nähe der Konzertreihe Mahler-Szenen führt auch das letzte Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst (25./27. August): Auf dem Programm stehen Schuberts d-Moll-Streichquartett „Der Tod und das Mäd-chen“ in Mahlers Bearbeitung für Streichorchester sowie Zem-linskys Lyrische Symphonie in sieben Gesängen, die nach Gedich-ten des bengalischen Dichters und Gelehrten Rabindranath Tagore entstand und an Mahlers Lied von der Erde anknüpft. Die Solisten der Aufführung sind Christine Schäfer und Michael Volle, der umjubelte Dr. Schön der Lulu-Produktion von 2010.Karten für die Konzerte mit Pierre Boulez, Christian Thielemann und Franz Welser-Möst verfügbar

Wiener Philharmoniker

Richard Strauss (1864–1949) • Die Frau ohne Schatten • Oper in drei Akten • Text von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) • In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Christian Thielemann • Regie: Christof Loy • Bühnenbild: Johannes Leiacker • Kostüme: Ursula Renzenbrink • Licht: Stefan Bolliger • Dramaturgie: Thomas Jonigk • Choreografische Mitarbeit: Thomas Wilhelm • Choreinstudierung: Thomas Lang • Stephen Gould (Der Kaiser), Anne Schwanewilms (Die Kaiserin), Michaela Schuster (Die Amme), Wolfgang Koch (Barak, der Färber), Evelyn Herlitzius (Sein Weib), Markus Brück (Der Einäugige), Steven Humes (Der Einarmige), Andreas Conrad (Der Bucklige), Thomas Johannes Mayer (Der Geisterbote), Rachel Frenkel (Die Stimme des Falken), Peter Sonn (Erscheinung eines Jünglings), Christina Landshamer (Ein Hüter der Schwelle des Tempels), Maria Radner (Eine Stimme von oben), Hanna Herfurtner, Christina Landshamer, Lenneke Ruiten, Martina Mikelic, Rachel Frenkel, Maria Radner (Dienerinnen/Stimmen der Ungeborenen) • Wiener Philharmoniker • Konzert-vereinigung Wiener Staatsopernchor • Salzburger Festspiele Kinderchor • Neu-inszenierung • Großes Festspielhaus: 29. Juli, 1., 4., 11., 14., 17. und 21. August 2011Karten in den Preiskategorien von € 225,– bis 370,– verfügbar

Gabi Vogt, „Anna-Lea” aus Galerie des ancêtres (2006–2010)

Die Frau ohne SchattenMit der 1919 an der Wiener Staatsoper uraufgeführten Frau ohne Schatten zeigen die Salzburger Festspiele die vierte gemeinsame Arbeit von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Christof Loy führt nach Armida und Theodora zum dritten Mal bei den Festspielen Regie. Wie sehr sich in der Frau ohne Schatten die Hoffnung auf eine bessere Welt verbirgt, erläutert er im Gespräch mit dem Dramaturgen der Produktion, Thomas Jonigk.

Richard Strauss

Christian Thielemann Foto: Bayreuther Festspiele

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Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) • Le nozze di Figaro • Opera buffa in vier Akten KV 492 • Text von Lorenzo Da Ponte (1749–1838) nach La Folle Journée, ou Le Mariage de Figaro von Pierre-Augustin Beaumarchais (1732–1799) • In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Robin Ticciati • Regie: Claus Guth • Bühnenbild und Kostüme: Christian Schmidt • Licht: Olaf Winter • Dramaturgie: Ronny Dietrich • Choreografie: Ramses Sigl • Choreinstudierung: Jörn H. Andresen • Simon Keenlyside (Il Conte Almaviva), Genia Kühmeier (La Contessa Almaviva), Marlis Petersen (Susanna), Erwin Schrott (Figaro), Katija Dragojevic (Cherubino), Marie McLaughlin (Marcellina), Franz-Josef Selig (Bartolo), Patrick Henckens (Basilio), Malin Christensson (Barbarina), Oliver Ringelhahn (Don Curzio), Adam Plachetka (Antonio), Uli Kirsch (Cherubim) • Orchestra of the Age of Enlightenment • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • Haus für Mozart: 27., 30. Juli, 4., 11. und 13. August 2011 • Karten in den Preiskategorien von € 120,– bis 370,– verfügbar

Le nozze di Figaro / Don Giovanni / Così fan tutteWolfgang Amadeus MozartLorenzo Da Ponte

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Man konnte leidenschaftlich dafür oder empört dage-gen sein – kalt ließ dieser Da-Ponte-Zyklus, den Re-gisseur Claus Guth zwi-

schen 2006 und 2009 für den neu erbauten Mozart-Schauplatz entwickelte, bislang wohl niemanden. Und das ist eigentlich der beste Beweis für die Qualität einer Theaterarbeit.

Als im Mozartjahr mit Figaro der erste Baustein der Trilogie herauskam, gingen die Meinungen heftig auseinander. Am Pult stand damals Nikolaus Harnoncourt, und der hatte nicht nur seine ganz dezi-dierten Vorstellungen bezüglich der Tem-pi, sondern wollte auch auf zwei Arien im vierten Akt, die sonst immer gestrichen werden, nicht verzichten. Da half die ex-quisite Besetzung – unvergesslich: Christi-ne Schäfer als Cherubino, Anna Netrebko als Susanna – wenig. Man habe dem Stück jegliche Komödiantik ausgetrieben, hieß es, das sei kein „toller Tag“ und kein pi-kantes Liebesgetändel mit witzigen Ver-kleidungen und Verwechslungen mehr, sondern ein tristes Beziehungsdrama im Stil von Ingmar Bergman, und an Stelle einer sommerlich duftigen Gartenszene sehe man ein auf dem Kopf stehendes Stie-genhaus, Herbstlaub und jede Menge schwarzer Rabenvögel. Die aufgeschlosse-ne Fraktion der Kritiker konstatierte frei-lich schon damals, dass diese Interpreta-tion mit ihrem „alptraumhaften Irrgarten der Gefühle“, angesiedelt in einem „Schloss der verlorenen Seelen“, dem populären Werk so „unbarmherzig“ wie „hellsichtig“ auf den Grund zu gehen suche.

Die beiden Wiederaufnahmen unter Da-niel Harding 2007 und 2009 brachten dann gewissermaßen die Rückkehr zur musika-lischen „Normalität“, und im wachsenden Kontext mit den beiden anderen Stücken erhielt die Inszenierung auch wieder mehr Leichtigkeit. Als „Spiel mit den unbe-grenzten Möglichkeiten des Eros“ inter-pretiert Claus Guth den Figaro, wobei der „Spielmacher“ Cherubino am Ende aller-dings sterben muss. Einer, der das Leben aller mit seinen erotischen Machenschaf-ten ständig durcheinanderwirbelt, kann nicht dauerhaft geduldet werden.

Was von ihm bleibt, ist der Eros-Engel, eine hinzuerfundene, vom Tänzer Uli Kirsch verkörperte Symbolgestalt, die 2009 in transformierter Weise in Così fan tutte wieder auftauchte: als Persönlich-keitsanteil des zynischen, vollkommen desillusionierten Don Alfonso, der die jungen, unerfahrenen Paare zu einem Spiel verführt, bei dem niemand gewinnen kann. Im Zusammenhang des Da-Ponte-Zyklus ist Così fan tutte für Claus Guth der Ge-genpol zum Figaro, „die Perversion des Spiels mit den Möglichkeiten. Hier trium-phiert der Determinismus; das Stück führt die Berechenbarkeit der Gefühle vor, und wenn man sich diese Entwicklung im bio-grafischen Kontext von Mozarts Leben anschaut, ist das eine sehr bittere Ge-schmacksnote.“

Für diesen Sommer will Claus Guth mit einer fast durchwegs neuen Besetzung den Charakter der Versuchsanordnung noch stärker herausarbeiten. Weil die Figuren hier schablonenhaft wirken und psycholo-gisch nur glaubhaft werden können, wenn sie unmittelbar aus der konkreten Persön-lichkeit der Darsteller entwickelt sind, will er den gesellschaftlichen Hintergrund der beiden reichen Damen Fiordiligi und Dorabella, der ohnehin nirgendwo zu ver-orten ist, diesmal weitgehend ausklam-mern.

Bruch mit der opernkonventionIm Bühnenraum zu Così fan tutte zeigt sich übrigens, wie genau die Konzepte für die drei Werke gedanklich miteinander verschränkt sind; hier gibt es sowohl die für den Figaro konstituierende Freitreppe als auch den dunklen, schmutzigen Wald, der für unkontrollierbare Triebhaftigkeit steht. Und der sorgte 2008, bei der ersten

Produktion des Don Giovanni, für helle Aufregung.

Kein elegantes Mantel- und Degen-Stück war da zu erleben, sondern die erbärmli-che existenzielle Grenzsituation eines in seiner Obsession gefangenen Menschen, dessen Leben unaufhaltsam verrinnt. Sel-ten waren Eros und Thanatos so unauflös-lich verknüpft, und selten waren die Kon-sequenzen, die die Begegnung mit diesem jenseits aller Normen agierenden Titelhel-den für alle anderen Personen hat, so dras-tisch sichtbar. Am deutlichsten im Fall von Donna Anna. „Das Motiv der Tochterliebe ist zu schwach, um ihre Musik zu rechtfer-tigen“, hat Wolfgang Hildesheimer tref-fend angemerkt. In Claus Guths Inszenie-rung erscheint sie denn auch nicht als verwirrtes Mädchen, sondern als autono-me junge Frau, die kurz vor der vorbe-stimmten Ehe noch einen leidenschaftli-chen Ausbruchsversuch wagt – und unwei-gerlich gerät sie mit in den Sog von Don Giovannis Höllenfahrt.

Die ganz spezifische Intensität, die Mo-zart in der Klangwelt dieser Oper be-schwört, die Rastlosigkeit, die hier domi-niert, findet ihre szenische Entsprechung im Todeskampf, den Don Giovanni durch-lebt, nachdem er zu Beginn im Duell mit dem Komtur verwundet wurde. Und so ist es nur konsequent, dass man in diesem Fall – unter Berufung auf die sogenannte „Wiener Fassung“ des Werkes – auf das moralisierende Schluss-Ensemble verzich-tet. Ein klarer Bruch mit der Opernkon-vention des 18. Jahrhunderts, der zugleich die zukunftsträchtigen Aspekte der Parti-tur zutage fördert: Hier hebt Mozarts Dramma giocoso ab in Richtung romanti-sche Oper.

Revolution im orchestergrabenDer Werkstatt-Modus, in dem dieser Zyk-lus über insgesamt sechs Jahre immer wieder überprüft und weiter entwickelt werden konnte, hat das Leading Team, zu dem auch die Dramaturgen Ronny Diet-rich und Andri Hardmeier gezählt werden müssen, immer wieder aufs Neue inspi-riert. „Es war eine große Verlockung für uns, von Jahr zu Jahr an den Stücken wei-ter zu forschen“, sagt Claus Guth, dem der Figaro mit seinen ausgeprägt spielerischen Anteilen in dieser Zeitspanne am meisten ans Herz gewachsen ist.

In diesem Sommer wird der neue Da-Ponte-Zyklus nun erstmals komplett zu erleben sein, als großes Panorama von Lebenskonzepten jenseits des Möglichen, in denen das ewige Thema von Eros und Thanatos auf ganz unterschiedliche Weise durchdekliniert wird. Neben zahlreichen Veränderungen in der Besetzung – etwa Simon Keenlyside als Figaro-Graf und Ge-nia Kühmeier als Gräfin, Gerald Finley als Don Giovanni sowie Erwin Schrott nicht nur als Leporello, sondern auch als Figaro – wird es im musikalischen Bereich eine Neuerung geben, die einer kleinen Revolu-tion gleichkommt. Im Orchestergraben des Hauses für Mozart sitzen diesmal nämlich nicht ausschließlich die Wiener Philhar-moniker; sie musizieren weiterhin Don Giovanni unter dem Dirigat von Yannick Nézet-Séguin, während für die beiden an-deren Opern zwei prominente Original-klang-Ensembles aufgeboten sind: Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkow-ski, 2006 bereits mit Mitridate im Resi-denzhof gefeiert, übernehmen Così fan tutte, und das Orchestra of the Age of En-lightenment gibt unter dem jungen Senk-rechtstarter Robin Ticciati mit Figaro sein Salzburger Mozart-Debüt.

Wird das veränderte Klangbild, das auf-grund der tieferen Stimmung und der an-deren Artikulationsfähigkeit der Instru-mente hier entsteht, auch szenische Kon-sequenzen haben? „Mit Sicherheit“, schmunzelt Claus Guth; „aber was sich daraus konkret ergibt, werden wir natür-lich erst bei der Arbeit erfahren. Ich bin schon sehr gespannt!“

Monika Mertl

Der Da-Ponte-Zyklus in der Interpretation von Claus Guth und seinem Ausstatter Christian Schmidt geht in diesem Sommer erstmals komplett über die Bühne des Hauses für Mozart. Ein Work in Progress, weitab von vertrauten Konzepten, das im Lauf von sechs Jahren zu vielfältigen neuen Einsichten geführt hat. Drei der bekanntesten Mozart-Opern erweisen sich auf diesem Weg auch für heutige Verhältnisse als brisant.

Wie Mozart heute polarisieren kann

Le nozze di Figaro – ein „Spiel mit den unbegrenzten Möglichkeiten des Eros“ – 2009, Foto: Karl Forster

Robin Ticciati, Foto: Chris Christodoulou

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Le nozze di Figaro / Don Giovanni / Così fan tutte

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Der Da-Ponte-Zyklus in der Interpretation von Claus Guth und seinem Ausstatter Christian Schmidt geht in diesem Sommer erstmals komplett über die Bühne des Hauses für Mozart. Ein Work in Progress, weitab von vertrauten Konzepten, das im Lauf von sechs Jahren zu vielfältigen neuen Einsichten geführt hat. Drei der bekanntesten Mozart-Opern erweisen sich auf diesem Weg auch für heutige Verhältnisse als brisant.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) • Così fan tutte ossia La scuola degli amanti Dramma giocoso in zwei Akten KV 588 • Text von Lorenzo Da Ponte (1749–1838) • In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Marc Minkowski • Regie: Claus Guth • Bühnenbild: Christian Schmidt • Kostüme: Anna Sofie Tuma • Licht: Olaf Winter • Dramaturgie: Andri Hardmeier • Choreografie: Ramses Sigl • Choreinstudierung: Jörn H. Andresen • Maria Bengts-son (Fiordiligi), Michèle Losier (Dorabella), Alek Shrader (Ferrando), Christopher Maltman (Guglielmo), Anna Prohaska (Despina), Bo Skovhus (Don Alfonso) • Les Musiciens du Louvre · Grenoble • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • NeueinstudierungHaus für Mozart: 5., 7., 15., 19., 21. und 26. August 2011Karten in den Preiskategorien von € 120,– bis 370,– verfügbar

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) • Don Giovanni • Dramma giocoso in zwei Akten KV 527 • Text von Lorenzo Da Ponte (1749–1838) • In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln • Musikalische Leitung: Yannick Nézet-Séguin • Regie: Claus Guth • Bühnenbild und Kostüme: Christian Schmidt • Licht: Olaf Winter • Dramaturgie: Ronny Dietrich • Choreografie: Ramses Sigl • Choreinstudierung: Jörn H. Andresen • Gerald Finley (Don Giovanni), Franz-Josef Selig (Il Commendatore, Donna Annas Vater), Malin Byström (Donna Anna, Don Ottavios Verlobte), Joel Prieto (Don Ottavio), Dorothea Röschmann (Donna Elvira, Dame aus Burgos), Erwin Schrott/Adrian Sâmpetrean (23.8.) (Leporello, Don Giovannis Diener), Christiane Karg (Zerlina, Bäuerin, Masettos Braut), Adam Plachetka (Masetto, Bauer) • Wiener Philharmoniker • Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor • Neueinstudierung • Haus für Mozart: 18., 20., 23., 27. und 29. August 2011 Karten in den Preiskategorien von € 120,– bis 370,– verfügbar

Wie Mozart heute polarisieren kann

Le nozze di Figaro – ein „Spiel mit den unbegrenzten Möglichkeiten des Eros“ – 2009, Foto: Karl Forster

Yannick Nézet-Séguin, Foto: Marco Borggreve Marc Minkowski, Foto: Petra Coddington

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Salzburger Festspiele 2011

„Nachdenken über Musik“Das programmatische Herzstück der Konzerte 2011 bilden die Reihen Der Fünfte Kon-tinent und die Mahler-Szenen. Die Kontinente stellen im fünften Jahr ihres Bestehens exemplarische Kompositionen der letzten Jahrzehnte einander gegenüber. Neben Luigi Nonos Tragedia dell’ascolto Prometeo präsentiert Der Fünfte Kontinent zwei Musikthea-terwerke: Morton Feldmans rätselhafte Oper Neither nach einem Text von Samuel Beckett und Macbeth von Salvatore Sciarrino. Nach dem großen Erfolg von Jagden und Formen im Kontinent Rihm 2010 ist Sasha Waltz erneut mit einer Choreografie zu Gast: Continu basiert auf Edgard Varèses kraftvollem Orchesterwerk Arcana sowie Musik von Claude Vivier und Iannis Xenakis. Am Programm stehen außerdem John Cages von japanischen Zen-Gärten inspiriertes Werk Ryoanji, Karlheinz Stockhausens epochaler Zyklus der Kla-vierstücke I bis XI mit Marino Formenti sowie sein elektronisches Spätwerk Cosmic Pulses und zwei Streichquartette von Giacinto Scelsi. Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas ist mit in vain und seinem Streichquartett Nr. 3 vertreten.

Der neunteilige Zyklus der Mahler-Szenen setzt sich mit dem Jahresregenten 2011 aus-einander, der wegweisend für die Musik des 20. Jahrhunderts wurde. „Was man in den Mahler-Szenen hören und erleben kann, ist ein ganzer Komplex von Musik, der Mahlers Werke in besonderen Konstellationen zeigt: sei es Das Lied von der Erde in der Klavier-fassung mit András Schiff oder die Vierte Symphonie in einer Fassung für Kammer- ensemble vom Schönberg-Schüler Erwin Stein; sei es das Phänomen der Soldatenlieder bei Mahler, die mit Ullmanns Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke verbunden werden … Das ist meine Art, mit Gustav Mahler umzugehen“, erläutert Markus Hinterhäuser. Detaillierte Infos unter www.salzburgerfestspiele.at

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Haben Sie heute schon Musik gehört?Ich habe Die Winterreise geübt, zwei Stunden. Das ma-

che ich oft so: Zwischen Terminen und Besprechungen verschwinde ich auf eine der Probebühnen. Da bin ich dann ganz allein, wie exterritorial.

Die Winterreise ist ja Musik und text. Was hat die Musik der Literatur und der bildenden Kunst eigentlich voraus?

Ich würde nicht sagen, dass die Musik der Literatur oder der bildenden Kunst etwas voraus hat, sie hat an-dere Mitteilungsmöglichkeiten: sie folgt den Gesetzen einer außerordentlich abstrakten Grammatik, sie ist an einen zeitlich sehr definierten Ablauf gebunden. Der Klang entsteht und vergeht und ist in keiner Weise wie-derholbar. Vielleicht ist Musik ja wirklich, wie Ferruccio Busoni es ausdrückte, „klingende Luft“.

Sie ist an den einmaligen ton gebunden …Ja, es ist der einmalige Ton. Und das Hören von Musik

hat viel mit Erinnerung zu tun. Der Hörer kommt häufig mit einer sehr persönlichen Disposition in eine Auffüh-rung. Er sucht sich bestimmte Konstellationen, eine be-stimmte Musik, eine bestimmte Situation, die aus der Erinnerung abgerufen werden kann oder – wie Handke sagt – wiederholt werden kann. Nicht im Sinne der Wie-derholung, sondern der Wieder-Holung. Erinnerung heißt: Man erinnert sich an bestimmte Tonfolgen, an be-stimmte rhythmische Folgen, an eine Form, die gegeben ist. Irgendwann in der Musikgeschichte ist allerdings der Punkt erreicht, wo diese Parameter der – nennen wir es – „empirischen Erinnerung“ nicht mehr funktionieren: Man kann gewisse Tonfolgen, Formen, Rhythmen nicht mehr erinnern. Die Codes zur Entschlüsselung der Par-tituren werden deutlich andere; der Hörer ist sehr viel mehr allein gelassen und auf für ihn neue, suggestive und atmosphärische Eindrücke angewiesen.

es wäre der Sinn von Konzerten, diese töne immer wieder neu anzuschlagen … Doch gehen wir vom einzelnen Konzerterlebnis zu Festspielen im Allge-meinen über: Was verbinden Sie mit diesem Begriff „Festspiele“. Ist das noch ein zeitgemäßer Begriff?

Ich würde nicht die Begrifflichkeit in Frage stellen. Das Zeitgemäße muss sich durch die Programmatik er-schließen. Festspiele leben grundsätzlich von einer an-deren Situation als Häuser, die das ganze Jahr über Oper, Schauspiel oder Konzerte veranstalten; sie leben von einer Situation, die zeitlich begrenzt ist. – Und Festspie-le sollten zu einer anderen Herausforderung aufrufen: Außergewöhnliches in Form und Inhalt, Konstellationen künstlerischer und gedanklicher Art, die tatsächlich für ein Festspiel gedacht sind. Solche programmatischen Si-tuationen sind Aufforderungen zur Reflexion, zum Nach-denken über die Mitteilungsmöglichkeiten der Kunst.

Die Kombination einzelner Programmpunkte erzeugt also etwas, was es im normalen Aufführungsbetrieb so nicht gibt?

So sollte es sein. Natürlich entstehen dadurch auch Momente, die es dem Publikum nicht immer leicht ma-chen, die in vielfacher Hinsicht – intellektuell und emo-tional – eine große Anforderung stellen. Und der künst-lerisch Verantwortliche übernimmt dann die Aufgabe eines „Navigators“, der den Besucher durch Haupt- und

Nebenwege einer solchen programmatischen Land-schaft führt. Das ist aber keine Frage irgendeiner Wissenschaft: Man sollte niemandem vorschreiben, wie er Dinge zu hören oder zu erleben hat.

Aber lenken kann man es doch.Ja, man kann eine sanfte Steuerung vornehmen, und

die wird auch sehr gerne angenommen.

Was unterscheidet denn die Salzburger Festspiele von anderen?

Es ist nicht zu leugnen, dass die Salzburger Festspiele weltweit immer noch die stärkste Ausstrahlung haben. Das hat mit der Geschichte der Festspiele zu tun, und es hat auch mit dem – nennen wir es großzügigen – Format der Festspiele zu tun: Es gibt kein vergleichbares Fest-spiel auf der Welt, das Oper, Schauspiel und Konzert in dieser Größenordnung bietet.

Aber nur die Menge kann es ja nicht sein.Nein, nicht nur die Menge. Es ist die Stärke der eige-

nen Geschichte, die Singularität, die Salzburg viele Jah-re geprägt hat. Diese gibt es in dieser Form nicht mehr, aber die Kraft, die den Festspielen allemal noch imma-nent ist, die Ausstrahlung – auch auf die Künstler –, ist immer wieder erstaunlich. Es ist ja auch bezeichnend, dass die wesentlichen Festspiele, wie eben Salzburg, Lu-zern, auch Aix-en-Provence oder Glyndebourne, abseits der Metropolen stattfinden. Diese Dialektik zwischen Intimität und Welt, zwischen Provinzialität und Offen-heit, dieses Spannungsverhältnis ist bemerkenswert.

Die Salzburger Festspiele kümmern sich in der Regel um die Kunst, die Musik, die wir aus europa kennen. Würde es Sinn machen, sich etwas mehr der Weltkunst zu öffnen, der Kunst anderer Kulturen?

Ich hab’ das ja in den neunziger Jahren im Rahmen des Zeitfluß-Festivals mit Tomas Zierhofer immer wieder gemacht. Mittlerweile bin ich da aber ein bisschen zu-rückhaltender geworden. Zurückhaltend in dem Sinn, dass ich nicht alle musikalischen Sprachen in ein Fest-spiel wie Salzburg für selbstverständlich integrierbar halte. In dem einen oder anderen Fall, in dem es pro-grammatisch Sinn macht, kann man ja darüber nachden-ken, aber niemals sollten diese musikalischen Sprachen als eine Art Fremdkörper oder gar als eine „kolonialisie-rende Vereinnahmung“ empfunden werden.

Wenn Sie Programm machen, müssen Sie immer auch an das Publikum denken …

Ich habe zwar eine Vorstellung von meinem Publikum, allerdings ist die Frage der Kenntnis des Publikums im Falle Salzburg ein wenig vermessen. Wir verkaufen für fünf Wochen 220.000 Karten und haben eine unüber-schaubare Menge an Besuchern aus der ganzen Welt. Im Grunde genommen habe ich also keine Ahnung, wen das Programm anspricht, das ich mir ausgedacht habe. Au-ßerdem herrscht eine außerordentlich starke Publikums-Fluktuation: Die Menschen, die in der ersten Woche da sind, sind bestimmt nicht in der vierten Woche da, und jene, die in der letzten Woche zu Gast sind, haben die zweite Woche nicht miterlebt. In dieser ständigen Fluk-tuation von Menschen, Bedürfnissen und Ansprüchen muss ich versuchen, eine Geschichte zu erzählen, die über den gesamten Zeitraum der Festspiele erfahrbar ist.

Wenn Sie nun eine Abfolge sämtlicher Streich-quartette von Schostakowitsch programmieren, wie stellen Sie sich den Hörer vor?

Ich stelle ihn mir als jemanden vor, der bereit ist, die-se ungeheure Abfolge von Leben, von Lebensentwick-lung, von kompositorischer Entwicklung, die diesen 15 Streichquartetten eingeschrieben ist, mitzuerleben, der bereit ist, sich auf so eine Reise einzulassen. Das Publi-kum ist ein starker Seismograf für Aufrichtigkeit. Es merkt sehr schnell, ob man es ernst nimmt, auch im Sin-ne einer Forderung.

Das Publikum wird oft unterschätzt, und dabei will es sich doch herausfordern und offen-sichtlich auch konfrontieren lassen – da leistet dieses Riesenfestival auf bestimmten Gebieten ganz Außerordentliches und nimmt die Kunst sehr ernst.

Hoffentlich ist das so. Die Kunst nehme ich ganz be-stimmt sehr ernst und ich nehme ganz bestimmt die Menschen, die ich einlade, sowohl die Musiker als auch das Publikum, sehr ernst. Ein Beispiel sind die Kammer-musik-Konzerte oder auch die Szenen: Die Mahler- Szenen etwa sind weit entfernt davon, eine zyklische Auf-führung dieses gar nicht so riesigen Werkes von Mahler vorzunehmen. Ich könnte ganz einfach die neun Mahler-Symphonien programmieren, auch sämtliche Lieder auf-führen, das wäre überhaupt kein Problem. Aber das ist nicht das, was ich möchte.

Ich habe unlängst in einem Interview gesagt, „Mahlers Musik verändert den Herzschlag“. Wenn man das ernst nimmt und versucht, diese Veränderung des Herzschlags irgendwie erlebbar zu machen, dann hat man plötzlich ganz andere Möglichkeiten, mit dem Kosmos Gustav Mahler umzugehen.

Dieses – wie Alfred Brendel es nennt – „Nachdenken über Musik“ bietet sich mir auch in der Reihe Kontinente und in deren Spiegelungen im Gesamtprogramm. Es ist ein Privileg von Festspielen, an einem Abend den Macbeth von Verdi mit zwei ganz großen Meistern wie Riccardo Muti und Peter Stein erleben zu können und am nächsten Abend den Macbeth von Sciarrino – eine Konstellation, die man anderswo in dieser Form ganz sicher nicht hören wird. Oder Luigi Nonos Prometeo in der Umgebung der letzten drei Schubert-Sonaten, des Streichquintetts von Schubert …

Wenn so ein Abend nun gelingt und der einmalige ton erklungen ist, ist dann das ereignis Beethoven gewesen oder der interpretierende Künstler?

Was mich wirklich glücklich macht ist, wenn folgende Situation entsteht: Eine heterogene Ansammlung von Menschen, mit ihren unterschiedlichen Tagesabläufen, Dispositionen und – davon sprachen wir ja am Anfang – mit ihren Erinnerungen an Musik, kommt an einem bestimmten Termin zusammen, um zu hören. Das Schöns- te ist, wenn aus dieser Heterogenität etwas Homogenes, wenn der ganze Saal ein Ohr, ein einziges Hören wird – dann stimmt es. Dann stellt sich nicht die Frage, ob Pollini oder Beethoven das Ereignis war. Dann entsteht etwas, das mit Verständigung zu tun hat, wo man – um nochmals mit Peter Handke zu sprechen – eines Sinnes ist: der Interpret, das Publikum, der Veranstalter. Man verlässt diesen Raum und ist, zumindest für eine kurze Zeit, in diesem Leben verändert.

Die Festspielsaison 2011 hat Markus Hinterhäuser mit einem Zitat des italienischen Komponisten Luigi Nono überschrieben: „Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken“ – womit die eigentliche Aufgabe der Kunst umrissen ist. Mit Jochen Jung sprach der Intendant der Salzburger Festspiele über den Sinn von Konzerten, sein Programm zum Abschied – und über die Grammatik der Musik.

Gustav Mahler, 1907© akg/Imagno/Moriz Nähr

Luigi NonoFoto: SZ Photo/picturedesk.com

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erkundung einer Welt im HörenMarkus Hinterhäuser, in den vergangenen vier Jahren Konzertchef der Festspiele und 2011 deren Intendant, ist es seit jeher dar-um gegangen, die gewohnten Bahnen des Hörens, der Wahrnehmung und des Den-kens über Musik zu erweitern. Schon seine Arbeit für das Zeitfluß-Festival im Rahmen der Festspiele, das er zwischen 1993 und 2001 gemeinsam mit Tomas Zierhofer-Kin gestaltete, stand unter diesem Zeichen. In den vergangenen Festspielsommern ist Hinterhäuser als Verantwortlicher für das Konzertprogramm jedoch noch einen ent-scheidenden Schritt weitergegangen.

Zeitgenössische Musik bildete hier nicht bloß programmatische Inseln innerhalb ei-nes traditionell fundierten Reigens gängi-ger Veranstaltungen. Und sie fungierte auch nicht als Kontrapunkt zum Gewohn-ten, etwa in Form von „Sandwich“-Konzer-ten, bei denen ein modernes Stück bezie-hungslos zwischen Bekömmliches gesteckt wird. Sondern sie trat in den umsichtig komponierten Gesamtprogrammen in ei-nen echten Dialog mit ihrem jeweiligen Umfeld, das dadurch ebenso in einem ver-änderten Licht erschien. Die Kontinente und Szenen wurden zu den bestimmenden Leitlinien, in denen es nicht nur darum ging, Komponisten des 19. Jahrhunderts bzw. der Gegenwart möglichst umfassend zu porträtieren, sondern vor allem darum, Zusammenhänge aufzuzeigen, die sonst oft im Verborgenen liegen. Und dies wirkte bis in die traditionellen Orchesterkonzerte, Liederabende, Solisten- und Kammerkon-zerte hinein. Denn, so Hinterhäuser, „manchmal sind es gerade die kleinen Um-wege, die dann doch ins Zentrum führen und die sehr erhellend sein können.“

eine Zentralfigur der Moderne2011 ist das grundsätzlich nicht anders, auch wenn das Konzertprogramm in die-sem Jahr eine nochmalige Verdichtung bie-tet. Zum einen ist schon Gustav Mahler, dem heuer die Szenen gewidmet sind, eine Zentralfigur der Moderne. Zum anderen überrascht der Kontinent dieses Mal mit einer ungewöhnlichen Ausrichtung. Um zunächst bei Mahler zu bleiben: Hier verdeutlicht jedes der Konzerte dessen enorme musikgeschichtliche Wirkung, etwa seine Bedeutung für die Wiener Schule rund um Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern, aber auch für Dmitri Schostakowitsch, dem zugleich ein Streich-quartett-Zyklus mit dem Mandelring Quar-tett gilt. In den Kammer- und Solistenkon-zerten setzen sich wie in den vergangenen Jahren die Programmlinien rund um Konti-nent und Szenen fort, ebenso wie bei den Liederabenden, wo ebenfalls einmal Werke von Mahler und Schostakowitsch neben-einandergestellt werden – interpretiert von Matthias Goerne und Leif Ove Andsnes. Mahlers eigene Werke erklingen eher nur ausnahmsweise in der gewohnten Form, etwa die Zweite Symphonie (mit dem Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela unter Gustavo Dudamel) oder die Siebente

(mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle), ansonsten aber in Fas-sungen, die aufhorchen lassen: Die Vierte Symphonie in der Bearbeitung für Kammer-ensemble des Schönberg-Schülers Erwin Stein, Das Lied von der Erde mit Klavier statt Orchester. Und neben der Konfronta-tion von Mahlers Musik mit Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Alfred Schnittke, Charles Ives oder Karl Amadeus Hartmann (u.a. mit der Camerata Salzburg unter Kent Nagano) geht der Blick auch in Richtung von Komponisten, die für Mahler wichtig waren, Schubert etwa – oder die geniale Erste Symphonie des früh verstorbenen, von Mahler hoch geschätzten Hans Rott. Hinterhäuser: „Das ist ein symphonischer Koloss, der im Zusammenhang mit Mahler wirklich interessant ist. Merkwürdiger-weise hat er dieses Stück als Dirigent nie aufgeführt, obwohl er genügend Gelegen-heiten dazu gehabt hätte.“

Rückschau und AusblickBei den Kontinenten hat sich Markus Hin-terhäuser heuer nicht für einen einzigen Komponisten entschieden – wie übrigens schon bei der fünften Ausgabe von Zeitfluß vor zehn Jahren, wo ebenfalls eine Art Zu-sammenschau programmiert wurde. Eine ähnliche Situation gibt es nun wieder, wo-bei der Rückblick unter dem Titel Der Fünfte Kontinent nicht nur die letzten vier Jahre, sondern auch die frühere Festival-reihe umfasst. Luigi Nonos Prometeo, der damals am Beginn von Zeitfluß stand, ist heuer noch einmal zu erleben – und zwar in der größtenteils selben Besetzung wie 1993; die Tragedia dell’ascolto steht am Be-ginn dreier bedeutender Musiktheaterwer-ke der jüngsten Musikgeschichte. Salvatore Sciarrino, im Jahr 2008 selbst Mittelpunkt eines Salzburger Kontinents, ist mit seinem Macbeth vertreten – übrigens in unmittel-barer zeitlicher Nachbarschaft mit der gleichnamigen Verdi-Oper. Morton Feld-mans Oper Neither schlägt wiederum den Bogen zurück zu einer Zeitfluß-Ausgabe, während zwei Streichquartette von Gia-cinto Scelsi den Protagonisten des ersten Kontinents von 2007 in Erinnerung rufen. Daneben stehen große Namen, die für die Salzburger Festspielprogramme der letzten Zeit allesamt eine Bedeutung hatten – wie John Cage, Edgard Varèse, Gérard Grisey, Georg Friedrich Haas, Karlheinz Stockhau-sen, Claude Vivier oder Iannis Xenakis. „Ich glaube sagen zu können, dass jetzt ein Punkt erreicht ist, wo die Frage nach der Berechtigung von zeitgenössischer Musik bei einem Festival wie den Salzburger Fest-spielen einfach nicht mehr gestellt werden darf. Das ist völlig selbstverständlich ge-worden“, resümiert Markus Hinterhäuser.

Daniel Ender

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DER FüNFTE KONTINENT sponsored by Roche

Markus Hinterhäuser, Foto: Luigi Caputo

Morton FeldmanFoto: Manfred Melzer/Bildarchiv IMD

Edgard VarèseFoto: Bettmann/Corbis

Karlheinz StockhausenFoto: akg-images

John CageFoto: Erich Hartmann/Magnum Photos

Karten für diverse Konzerte auf An-frage im Kartenbüro oder online über www.salzburgfestival.at verfügbar

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Immer noch SturmPeter Handke

Jenseits der Grenze

Das Buch der Namen • Mit Jens HarzerEdmundsburg: 13. August, 19.30 Uhr • Karten: € 10,–

Unheimliche Heimat • Mit Klaus Amann und Marina Jamritsch Edmundsburg: 14. August, 19.30 Uhr • Karten: € 10,–

Über die Dörfer ins Neunte Land • Mit Wim Wenders und Fabjan Hafneredmundsburg: 15. August, 19.30 Uhr

Peter Handke (*1942) • Immer noch Sturm • Regie: Dimiter Gotscheff • Bühnenbild: Katrin Brack • Kostüme: Ellen Hofmann • Musik: Sandy Lopicic • Dramaturgie: Beate Heine • Mit Bibiana Beglau, Bernd Grawert, Jens Harzer, Matthias Leja, Gabriela Maria Schmeide, Oda Thormeyer, Tilo Werner u.a. • Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg • Uraufführung • Perner-Insel, Hallein: 12., 17., 18., 23., 24., 26., 27. August 2011 • Karten zu E 15,– bis 95,– • Busshuttle ab Reichenhaller Straße

Das Pathos der Stimmlosen • Mit Hans Höller und Thomas Oberender Im Anschluss: Falsche Bewegung (1975), Regie: Wim Wenders, Buch: Peter HandkeEdmundsburg: 16. August, 19.30 Uhr • Karten: € 10,–

W.G. Sebald • Jenseits der Grenze • Mit Markus Boysen und Malte HerwigEdmundsburg: 18. August, 19.30 Uhr • Karten: € 10,–

Der Autor als Regisseur: Die linkshändige Frau • Mit Peter Stephan Jungk und Heide SchlüpmannEdmundsburg: 19. August, 19.30 Uhr • Karten: € 10,–

Peter Handke • Die Wiederholung • Mit Gert VossSalzburger Landestheater: 20. August, 19.30 Uhr • Karten: € 35,–

Peter Handke, Foto: Martin Vukovits

Vom 13. bis 19. August wird sich die Edmundsburg zu einem Ort „Jenseits der Grenze“ verwandeln – Lesungen, Gespräche und Filmaufführungen bilden ein Begleitprogramm zu Handkes literarischer Welt.

Hans Höller: Handkes Theaterstück geht von ei-nem Traum aus, der für sein ganzes Schriftstel-lerleben wichtig geworden ist. Am 13. Jänner 1963 schrieb der Zwanzigjährige, der in Graz Jus studierte, seiner Mutter nach Griffen, er habe von seinem Onkel Gregor geträumt. Im Traum, den er gleich nach dem Aufwachen für die Mut-ter aufschreibt, sei er, als Gregor, im Krieg von seinem Feldlager aufgestanden und desertiert. Er wusste, dass er auf der Flucht seinen Bruder Hans treffen würde, der mit ihm gehen sollte. Dieser Traum enthält bereits bis in Details Handkes literarischen Mythos, der auf die Fa-miliengeschichte der Mutter zurückgeht. Zwei Brüder der Mutter, Kärntner Slowenen, sind als zwangsrekrutierte Wehrmachtssoldaten im Hitlerkrieg gefallen, und diese Tragödie bildet das Zentrum von Handkes immer wieder neu abgewandeltem Familienmythos. – In Immer noch Sturm ‚träumt‘ Handke für diese beiden Brüder eine andere Geschichte, in der sie als slowenische Widerstandskämpfer gegen den NS-Staat erscheinen.

thomas oberender: Eine bizarre Idee, seine ei-genen Vorfahren in einer Art Geisterbeschwö-rung hervortreten zu lassen. Herbeigerufen durch einen Erzähler behalten sie dennoch eine eigene Realität – in einer Zeitreise, die nicht nur linear abläuft, die in Schleifen, Brüchen, kom-plexen Überlagerungen von verschiedenen Zeit-ebenen funktioniert: der politischen und der natürlichen Zeit, der Zeit der Landschaften. In ihrer filigranen Hermetik, in ihrer dramatischen Form ist sie beispiellos.

Hans Höller: Ich glaube auch, dass die besonde-re Form dieses Stücks darin liegt, wie es die Viel-falt der Formen der Zeiterfahrung theatersprach-lich darstellt. Das erscheint einem ganz unge-wöhnlich für ein politisches Drama, erinnert eher an den modernen Zeitroman. Auch die „Hermetik“, von der Sie sprechen, ist ja für ein geschichtliches Familiendrama nichts Selbstver-ständliches. Alles ist hier mehrdeutig, hat ver-borgene Bedeutungen. Der Apfelbaum, gleich im ersten Bühnenbild, der im Fortschreiten der Zeit geradezu seismografisch auf die Geschichte reagiert, ruft die vielen Apfelszenen und mytho-logischen Anspielungen in Handkes Werk in Er-innerung. Aber das Obstbaubuch des Onkel „Gregor“ hat es in Handkes Familie wirklich ge-geben und es ist dort wie ein Schatz aufbewahrt worden. Viele literarische Gestalten tragen bei Handke den Namen des einen der im Krieg ge-fallenen Brüder der Mutter, aber „Gregor“ ist ‚zufällig‘ auch der Name von Kafkas „Gregor“, von dessen familiärem Scheitern sich Handkes Werk jedes Mal wieder neu absetzt, in diesem letzten Stück eben mit „Gregor“, der sich gegen die NS-Zwangsherrschaft erhebt und zu den Par-tisanen geht.

thomas oberender: Der große Impuls – auch in Immer noch Sturm – ist es zu zeigen: Die Kärnt-ner Slowenen waren einmal Sieger. Einmal hat dieses Volk die Tat gewagt. Einmal hat es sich befreit, und zwar als eines der ganz wenigen in Europa hat sich ein Volk wirklich zum Wider-stand entschieden. Dieser Geste will Handke in dem Stück – neben seiner Familiengeschichte – auch historische Gerechtigkeit widerfahren las-sen. Darin manifestiert sich zugleich auch die Tragödie, denn Handke zeigt, dass die Tat auch in die Schuld führt. Die Menschen, die damals für die Freiheit gekämpft haben, waren Men-schen, die getötet haben, die töten mussten und die das wiederum als eine Tragödie ihres Lebens

erfahren. Handke sagt das ganz unmissverständ-lich: Menschen, die eigentlich Bauern sind, die Pflanzen säen, die zum Leben bringen, kommen durch die Läufe der Geschichte in eine Situation, da sie um ihre Sprache und um ihre Würde kämpfen mussten – und darin natürlich das Schicksal ihrer Beherrscher teilten, spiegelbild-lich.

Hans Höller: Immer noch Sturm gedenkt der Op-fer des Befreiungskampfes, und das Stück kommt nicht davon los, dass durch den bald danach ein-setzenden Kalten Krieg alles wie vergeblich ge-wesen ist. Ja, es zeigt auch die Entstellungen, die der Kampf auf der Seite des Widerstands mit sich brachte, die tödliche Disziplin in den eige-nen Reihen. Wenn Ursula, selbst Partisanin, den Eltern von der namenlosen Verzweiflung eines jungen Partisanen vor seiner Hinrichtung be-richtet, liegt in diesem Bericht ein äußerster Ausdruck der Verzweiflung, ein Entsetzen, das nur selten in der Literatur – vielleicht in Heiner Müllers Wolokolamsker Chaussee – zu einer sol-chen Sprachgewalt finden konnte.

thomas oberender: Wenngleich der Ernst der Sache fast erdrückend ist, das Stück hat etwas Befreiendes, Erhebendes. Es ist in einer so fili-granen Weise verästelt und verzweigt und er-schließt sich nicht beiläufig. Ambivalent ist auch die Rolle des Autors, diese alte Figur vom Tricks-ter: Er ist zugleich Autor und Schauspieler in dem Stück; er spielt mit, spielt vor, führt in ge-wissem Sinne Regie, wird aber auch das Opfer von seinem Traumspiel und diesem Blick auf sich selbst. Was ist das für ein Schriftsteller, hin-ter dem wir nicht zu Unrecht Handke selber ver-muten dürfen?

Hans Höller: Handkes eigene Biografie als Kind eines Soldaten der deutschen Wehrmacht und einer slowenischen Mutter wird hier zum Gleich-nis der familiären und politischen Konflikte in Kärnten. Aber seine Person und sein Werk und die schöne Zweisprachigkeit dieses Stücks ver-weisen auch auf die Idee einer rettenden Aufhe-bung dieser sprachlichen und kulturellen Gegen-sätze, und das Stück selbst wird, davon bin ich überzeugt, zur längst fälligen politischen Lösung dieses Konflikts beitragen.

Wenn der Autor selbst auf der Bühne zur lite-rarischen Figur wird, wiederholt sich letztlich etwas, was sein fragendes Schreiben von Beginn an bestimmt: sich selber im Erzählen gegenüber-treten zu können, mehr über sich zu erfahren und sich auf befreiende Weise mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Ich-Thematik, die Handke so oft zum Vorwurf gemacht wurde, ist Teil der politischen Komplexität des Stücks, in-sofern es Ich-Geschichte und Historie ver-schränkt und den subjektiven Bedingungen und Möglichkeiten des Handelns nachgeht.

thomas oberender: Es ist auch Teil der Kom-plexität dieses Stückes, dass es nicht nur die Ge-schichte von Helden erzählt – es waren ja auch nicht alle Helden in dieser Familie –, sondern dass es auch die Kehrseite, nämlich die der Tra-gödie, mitteilt. Mit diesen Ambivalenzen ent-lässt das Stück den Zuschauer. Denn es zelebriert eben nicht die naive Wiederherstellung von Herrlichkeit, sondern zunächst die große Feier eines Traums, der auch Züge eines Alptraums in sich trägt und mit einer gewissen Melancholie am Ende feststellt, dass die Glücksmomente, diese kurzen Phasen, in denen sich all das ge-lohnt hat, vorüber sind – und wie es weitergeht, ist völlig ungewiss.

In seinem neuesten Stück Immer noch Sturm versammelt Peter Handke seine Vorfahren unter einem Apfelbaum auf dem Jaunfeld und komponiert ein berührendes Familiendrama vor dem Hintergrund der Partisanenkämpfe der Kärntner Slowenen gegen die Nationalsozialisten. Das Handke

,sche „Ich“ trifft auf

seine Großeltern und deren Kinder: auf die eigene Mutter, seine Tante und Onkel. Die Familien-mitglieder begleiten den Erzähler bis in die Träume, fliehen ihn wieder, schweigen – und stimmen schließ-lich einen polyphonen „Gesang auf das Leben“ an. Anlässlich der Uraufführung von Immer noch Sturm bei den Salzburger Festspielen sprachen Schauspielchef Thomas Oberender und der Germanist Hans Höller über Handkes tief bewegende Zeitreise.

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Die vier HimmelsrichtungenRoland Schimmelpfennig

Wir danken unseren Sponsorenund Freunden für ihre Treue.Helga Rabl-StadlerPräsidentin der Salzburger Festspiele

Die Salzburger Festspiele danken all ihren Sponsoren und Mäzenen, vor allem auch dem starken Verein der Freunde und den öffentlichen Sub-ventionsgebern: Bund, Land, Stadt und Tourismusförderungsfonds.Mit Nestlé haben wir den Young Conductors Award erfunden, den wir seit dem Vorjahr verge-ben. Audi hatte die einmalige Idee, eine Festspielauf-führung pro Saison nach Ingolstadt einzuladen. Siemens ermöglicht durch die Siemens Festspielnächte am Kapitelplatz eine Öffnung der Salzburger Festspiele. Uniqa verbindet ihr Enga-gement in den ehemaligen kommunistischen Ländern mit dem Engage-ment für die Festspiele dort. Credit Suisse bringt als Global Player Gäste aus der ganzen Welt zu uns und unterstützt zudem das Young Singers Project. Montblanc sponsert seit der Gründung 2002 das Young Directors Project. A. Lange & Söhne ermöglicht die Realisierung einer Oper zu Pfingsten. Und dank Roche können wir die Festspielfenster für die zeitgenössische Musik weit öffnen. Der Gastorches-ter-Zyklus wird in den nächsten Jahren von der Borusan Holding unterstützt. Die Verwirkli-chung der Residenzen des Simón Bolívar Symphony Orchestra und des West-Eastern Divan Orchestra wird durch die Unterstützung von Herrn Dr. h.c. Erich Schumann (1930–2007) ermöglicht.

Foto: Salzburger Festspiele/Luigi Caputo

Roland Schimmelpfennig (*1967) • Die vier Himmelsrichtungen • Regie: Roland Schimmelpfennig • Bühnenbild/Kostüme: Johannes Schütz • Dramaturgie: Ulrich Beck • Ulrich Matthes (Ein Mann), Kathleen Morgeneyer (Eine junge Frau), Sven Lehmann (Ein kräftiger Mann), Almut Zilcher (Eine Frau) • Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin • Uraufführung • Salzburger Landestheater: 30., 31. Juli, 2., 3., 4., 5. und 6. August 2011 • Karten in den Preiskategorien von € 10,– bis 120,– verfügbar

Man achtet (fast) immer auf ihn. Es können die schönsten Frauen, die wildesten Jungs auf der Bühne stehen. Kaum hat man sie wahrgenommen, schaut man wieder, was Matthes macht. Der Schauspieler Ulrich

Matthes hat dieses Unbeschreibliche, das auch Männer, die mit den Blicken bevorzugt den Frauen nachjagen, dazu bewegt, die Augen auf ihn zu richten, sobald er die Bühne betritt. Dieses Verdichtete, Konzentrierte, im Ausschreiten Kluge, Beherrschte, vielleicht auch Berechnete, das nie bloß Manier, nie bloß ein leeres Versprechen, sondern immer auch ein Lauern auf den Moment ist, in dem er Verborgenes loslassen kann: die Lust an der Auflösung. Hingabe. Die Lust, sich in Zustände fallen zu lassen, die jenseits des Spektrums gewohnter Gemütslagen warten. Wenn man in einer Aufführung einen seiner Partner be-wundert, der es weit treibt beim Spielen, wird man am Ende der Szene einen Matthes erlebt haben, der noch wei-ter ging beim Eintauchen in menschliche Schwächen und Abgründe und dabei immer wieder den Schauspieler vor-kehrt, der uns alles, was er spielt, nur vormacht, um uns ein Abbild vom Wesen des Menschen zu zeigen. Er hat die inneren Welten des Menschlichen so weit ausgeschritten, dass er sich beim Spielen nicht ins blinde Umhertasten stürzen muss, um die Leute zu bannen, sondern zurückkeh-ren kann ins Vertraute, wie es dem zum Wiederholen ver-dammten Schauspieler auferlegt ist. Dieses Vertraute lässt er beim Spiel mit den Partnern wie nie geschaut aufleuch-ten, indem er ihnen in jeder Szene den Kampf anträgt, der nur einen Sieger kennt. Es ist selten ein andrer als er.

Wie macht er das? Was ist sein Geheimnis? Man ahnt es, wenn man sich anhört, wie er über Theater redet. Wenn man erlebt, wie er sich von keiner der Verirrungen des Metiers, an denen andre verzweifeln, davon abbringen lässt, den Glauben an die Botschaft des spielenden Men-schen wie eine Religion hochzuhalten. Selbst in den Mani-festationen des Schwachsinns, die wir oft auf der Bühne verkörpert sehen, kann er den glitzernden Funken des Andren erkennen, der uns daran erinnert, dass ein Schau-spieler mehr zu erzählen hat als das, was die Regie ihm an Maske, Verstellung und Handicap aufzwingt. Den offenen, neugierigen, alles Verzerrte durchdringenden Blick, den er dem Theater als Zuschauer entgegenbringt, wendet der Kluge und Listige auch beim Spielen an. Man kann diesen Schauspieler nicht dazu verführen, den Glauben an das zu verraten, was für ihn das Unverzichtbare ist: die Würde, die Schönheit, die Klugheit, die zu hoher Form veredelte Handwerkskunst, die zur gemeinsten Entblößung bereite Wahrheitsliebe des Menschen. Da sich der Sinn des Fest-spiels darin erfüllt, das Besondere zu zeigen, war es nur eine Frage der Zeit, wann Ulrich Matthes auf einer Salz-burger Bühne erscheint.

Michael Eberth

Die Festspielsaison im Landestheater beginnt mit einer Uraufführung des neuen Stückes von Roland Schimmelpfennig in seiner eigenen Regie. Die vier Himmelsrichtungen erzählt die Geschichte von vier Menschen, die in einer Groß-stadt aus allen Himmelsrichtungen aufeinander-treffen, wobei sich die schicksalhaften Verbindun-gen ihrer Lebensläufe und ihrer tödlichen Ver-wicklungen durch raffinierte Perspektivwechsel und Rückblenden erst ganz zum Schluss offen-baren. Die Aufführung bringt nicht nur das Fest-spieldebüt des zur Zeit meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatikers, Roland Schimmelpfen-nig, als Bühnenautor und Regisseur – erstmals ist auch der gefeierte Schauspieler Ulrich Matthes in Salzburg zu erleben; an seiner Seite Kathleen Morgeneyer, Almut Zilcher und Sven Lehmann.Ulrich Matthes ist ein durch und durch bezwin-gender Schauspieler – „einer unserer Besten“, wie die FAZ konstatierte. Seit 2004 festes Ensemble-mitglied am Deutschen Theater in Berlin, reüssierte er dort etwa unter Jürgen Gosch in Wer hat Angst vor Virginia Woolf? oder als Onkel Wanja. Zuletzt war er 2010 in Schimmel-pfennigs Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottesin der Regie von Martin Kusej zu sehen. Bekannt ist Matthes aber auch aus Film und Fernsehen: Er spielte beispielsweise in Christian Schwochows Novemberkind, in Volker Schlöndorffs Der neunte Tag oder Oliver Hirschbiegels Der Untergang. Und er wurde mit zahlreichen Preisen bedacht: „Schauspieler des Jahres“ wurde er gleich mehrfach.

Ulrich Matthes – hier in Roland Schimmelpfennigs Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes 2010 am Deutschen Theater Berlin – ist im Sommer erstmals zu Gast bei den Salzburger FestspielenFoto: Arno Declair

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Am Ende wird nichts gewon-nen sein. Seinsgewissheit nicht, keine Welt. Auch, oder vielleicht gerade weil diese Welt sich so dienstfertig kolo-

nisieren lässt, sie sich widerstandslos in ihre Um- und Neuschöpfung ergibt. Ein Mensch allein bezwingt sie. Ein Mensch, der allerdings wie kein anderer vor ihm ist. Der begabt, weise, rast- und ruhelos, der potent ist von vornherein, der omni-potent sein wird, als schließlich Teufels-schwingen ihn noch weiter bis hinter die Grenzen des menschlich Machbaren tra-gen. Die Rede ist von Faust.

Faust spielt mit der Welt, als wäre sie ein Modell aus buntem Bastelzeug und Bausteinen. Und er sitzt davor wie ein Kind, das jedem „Geht nicht“ ein „Geht doch“ trotzig entgegenschleudert. Weshalb soll rot, weswegen gelb, grün, eckig oder massiv bleiben, was rot, gelb, grün, eckig und massiv ist? Nur weil es ihm derart zuerst erschienen war? Kurz nur wird dieses Kind Faust die einfache Beschäfti-gung mit den Dingen und Ideen befriedi-gen – bald schon genügt sie ihm nicht mehr. Er will mehr. Er will die Welt in Besitz nehmen, sie bestimmen, dominie-ren, er will sie verwandeln, erschaffen: auf dass das Meer Land, der Mensch Gott werde!

Am Ende dieser wahnwitzigen Aneig-nung aber wird keine „Schöne, neue Welt“

sein. Auch wenn die Katastrophe, der Welten-Gau ausbleibt – nach der Aldous Huxleys berühmte Dystopie Brave new world erst beginnt, um sich mit den nächs-ten, hybriden Menschen-Neuentwürfen tiefer noch in die eigene Auslöschung zu verstricken –, springt er dem Leser doch zwischen jeder Zeile ins vorausahnende Gewissen. Eines Tages wird sich die Natur zurückholen, was ihr der verteufelte Faust gewaltsam entriss, der Mensch erkennen, dass Zerstörung schuf, wozu die absolute Freiheit der Gedanken und Gestaltung ihn instand setzte. Das diesseitige Ende des großen Faust-Epos könnte apokalyptischer gar nicht sein. Erstaunt stellt man fest: Des Deutschen liebstes Buch ist grandios vor allem in seiner Klage über den Zu-stand der Welt.

Nach vielen, vielen Jahrzehnten, in de-nen Goethes Faust als Ode an den ver-nünftig und mutig fortschreitenden Men-schen gelesen wurde, können wir heute gar nicht anders, als seine „Kulturleistun-gen“ – seinen Kreationismus, seine Anver-wandlungen der Natur, der unwissenden oder andersgläubigen oder schlicht schwä-cheren, übrigen Menschen, die Entfesse-lungen der Wissenschaften wie auch der Ökonomie – als die desaströsen Anma-ßungen eines Menschen zu begreifen, sein eigener Maßstab sein zu wollen. Ein Maß-stab wiederum, der eben keinerlei Maß kennt. Und machen wir uns nichts vor:

auch in dem so anrührend und ernsthaft an der Eingeschränktheit seines Wissens und Lebens verzweifelnden Faust des ers-ten Teils ist der nur an sich Selbst be-rauschte Faust schon enthalten. Das ist keine „stille“, keine kleine, feine Liebesge-schichte, die ohne irgendeines Zutun schei-tert. Auch dieser erste Teil ist bereits ein Abgesang. Ein Abgesang auf die Liebe – so wie der zweite Teil sich schließlich zu ei-nem Abgesang auf die ganze Zivilisation emporschwingen wird.

Wider den verteufelten Fortschritt Vielleicht musste die Zeit, musste unsere Zeit erst kommen, um das düster Visionäre Goethes ganz zu erfassen. Heute, da der Fortschrittsgläubigkeit ihre Spitze abge-brochen ist, steht es in seinem ganzen Entsetzen vor uns. „Vielleicht ist das Jahr-hundert eines jugendlichen, ja pubertären Optimismus zu Ende gegangen“, schrieb Bernd Ulrich kürzlich (Die Zeit, 12/2011) – und meinte damit den 11. März 2011! „Von Zweifeln geplagt war er [der Optimismus] schon länger und floh doch immer wieder in die nächste Stufe des Fortschritts. Die-ser Fortschritt glaubte, dass alle Probleme, auch die von der Technik verursachten, früher oder später technisch gelöst werden könnten. Die Vorstellung der Selbstbe-grenzung, des Verzichts auf bestimmte Technologien, die ganze Idee der Unbe-herrschbarkeit kam im Denken des Main-

streams vor, doch scheute man die prakti-schen Konsequenzen.“

„Japans Lehre für die Welt“ hatte Die Zeit Ulrichs Text übertitelt – kaum Phanta-sie ist nötig, um sich vorzustellen, dass es schon vor über 200 Jahren nach der post-humen Veröffentlichung des Faust II einen ähnlich lautenden Leitartikel gegeben ha-ben könnte, freilich mit „Goethe“ anstatt „Japan“ im Titel. Und auch in wieder 200 Jahren werden Artikel mahnen und weite-re Bücher mit weiteren Schreckens- geschichten vom Menschen und seiner todesängstlichen Übereilung geschrieben worden sein. Faust wird uns nahe kom-men, solange der Mensch lebt und wirken will und also auch höher hinaus wird stre-ben wollen als die Menschen vor ihm. Immer wieder werden Lebens-Läufe auf-genommen werden und Rasende nicht erst in den Augenblicken, da sie nicht mehr können, die ohnmächtigen Momente der Leere in sich aufsteigen fühlen, die einem erzwungenen Einhalten wie jetzt nach den Ereignissen in Japan dann zwangsläufig nachfolgen. Die faustische Fortschritts-tragödie wird den Menschen wohl immer begleiten. Womit noch eines leider wahr-scheinlich würde: „Goethes Lehre für die Welt“ wird sich nicht überkommen – und sein Faust also auf immer nicht nur der Deutschen liebstes Buch bleiben?

Benjamin von Blomberg

Faust/Klang • Deutschland, 1926/2011, 106 Minuten • Regie: Friedrich Wilhelm Murnau • Filmmusik kompiliert und komponiert von Tobias Schwencke • Mit dem Ensemble Resonanz • Kompositionsauftrag der Freunde der Salzburger Festspiele • UraufführungGroße Universitätsaula: 29. Juli, 20.00 Uhr • Karten: € 25,–

Faust, … ein gefesselter Prometheus?! • Eine literarisch-musikalische Reise vom Himmel durch die Welt zur Hölle • Mit Klaus Maria Brandauer & Lars VogtSalzburger Landestheater: 31. Juli, 11.00 Uhr

Daniel Kehlmann • Geister in Princeton • Szenische Lesung • Einrichtung: Christopher Hampton • Mit Peter Jordan, Claudius Körber, Thomas Limpinsel, Martin Reinke, Nicolas Rosat, Maik Solbach, Bettina Stucky, Stefan Suske, Felix Vörtler, Franz Xaver ZachSalzburger Landestheater: 1. August, 19.30 Uhr • Karten: € 20,–

Johann Wolfgang von Goethe/Jon Fosse • Faust • In einer Version von Jon Fosse • Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel • Lesung und Gespräch • Mit Jon Fosse, Sebastian Rudolph, Hinrich Schmidt-Henkel, Eirik Stubø, Patrycia Ziolkowskarepublic: 5. August, 20.00 Uhr • Karten: € 20,–

Margarete Mitscherlich • Die Radikalität des Alters • Gespräch • Mit Margarete Mitscherlich und Patrycia Ziolkowska • Moderation: Thomas Oberenderrepublic: 8. August, 20.00 Uhr

Unterhaltungsmusik zur Suche nach erkenntnis • Konzert • Auftragskomposition in 12 Teilen • Mit Gustav, Ben Becker und kleinem EnsembleKompositionsauftrag der Freunde der Salzburger Festspielerepublic: 10. August, 20.00 Uhr • Karten: € 25,–

Faust I & IIJohann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) • Faust I & II • Der Tragödie erster und zweiter Teil • Regie: Nicolas Stemann • Bühne: Thomas Dreißigacker • Kostüme: Marysol del Castillo • Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel • Video: Claudia Lehmann • Dramaturgie: Benjamin von Blomberg • Mit Philipp Hochmair, Barbara Nüsse, Josef Ostendorf, Sebastian Rudolph, Birte Schnöink, Patrycia Ziolkowska u.a. • Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg • NeuinszenierungPerner-Insel, Hallein: 28., 30. Juli, 6., 7., 14., 15., 20. und 21. August 2011 • Karten in den Preiskategorien von € 40,– bis 80,– verfügbar • Busshuttle ab Reichenhaller Straße

Nicolas Stemann, zuletzt 2008 mit Friedrich Schillers Räubern zu Gast in Salzburg, inszeniert in dieser Saison die deutsche Tragödie schlechthin: An vier Wochenenden bringt er beide Teile von Goethes Faust als Marathon-Vorstellungen auf der Perner-Insel in Hallein her-aus. In den Hauptrollen sind u.a. Philipp Hochmair, Sebastian Rudolph und Patrycia Ziolkowska zu sehen. Goethes Menschheitsparabel wirkt gerade in der jüngsten Vergangen-heit in ihrer Brisanz verstörender und aktueller denn je.

Am tag nach der Faust-Premiere startet die Programmreihe Auf eigene Faust mit Filmvorführungen, Gesprächen, einem Konzert mit Gustav und Ben Becker sowie Lesungen – wie etwa von Daniel Kehlmanns Stück Geister in Princeton oder Jon Fosses Version von Goethes Faust.

Auf eigene Faust

Filmstill aus Murnaus Faust von 1926, Courtesy of Kino International

Sebastian Rudolph, Foto: Krafft Angerer Patrycia Ziolkowska, Foto: Jeanne Degraa Philipp Hochmair, Foto: Georg Tedeschi

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Der Hamlet, mit dem du seit der Premiere rund um die Welt gastierst, löst so einhellig Jubel aus, als hättet ihr den Nerv der Epoche berührt. Was passiert mit einem Schauspieler, der einen so außergewöhn-lichen Hype auslöst?

Ich freue mich erst mal darüber, dass das, was wir machen, über Berlin hinaus anerkannt wird. Wo wir auch hinkommen: Wir werden gefeiert, als seien wir das Größte, was es jemals gegeben hat.

Beschreiben die Leute, was sie an der Aufführung fasziniert?

In Moskau haben sie gesagt, was ich als Hamlet mache, ist die Verkörperung eines total modernen Typus von Mensch. Sowas hätte es noch nie gegeben. Sie haben mich gefragt, ob mir bewusst ist, welche Aus-wirkungen das auf die Leute hat, die es sehen.

Kann es sein, dass dieser total moderne Mensch der narzisstische Performer im Sinn der Popkultur ist?

Es hat eher damit zu tun, dass ich beim Spielen bereit bin, viel von mir preiszuge-ben. Es beeindruckt die Leute, jemandem zuzuschauen, der nicht nur seine Fähigkei-ten ausstellt. Sie haben das Gefühl, sie gucken mir ins Herz. Ich habe ja das Glück, dass ich phänotypisch eher unkon-ventionell bin. Dass ich nicht aussehe wie jemand, dem man nicht gönnt, was ihm gelingt, weil man wegen seiner Attraktivi-tät auf ihn neidisch ist. Ich entspreche ja keinem Schönheitsideal. Zumindest im Gesicht nicht. Ich bin eine eher seltsame Erscheinung. Ich habe diesen Körper, der zwar nicht durchtrainiert, aber doch ir-gendwie definiert ist, und einen etwas zu weiblichen Po. Eigentlich das griechische Ideal.

Wenn man in Berlin einen Hamlet spielt, in dem sich eine Generation unter dem Aspekt eines veränderten Männerbilds wiederer-kennt, dann ist man an der Spitze.

Wenn es nach mir gegangen wäre, wär das schon viel früher passiert. Ich bin froh darüber, dass es so kam, wie es gekommen ist, aber ich wollte von Anfang an Hamlet spielen. Als Schauspieler muss man ein Haus bauen, ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen und Hamlet spielen. Es kam auch im richtigen Moment. So, wie ich ihn jetzt spiele, hätte ich ihn vor fünf Jahren nicht spielen können.

In allen Figuren, die ich in der letzten Zeit von dir gesehen habe, hat ein Mann damit zu kämpfen, dass ihm der Glaube an die Liebe abhanden kommt. Der Schauspieler Lars Eidinger scheint seine Regisseure in diesem Typus besonders zu überzeugen.

Den Schlüssel zu diesen Figuren habe ich in den Stücken von Sarah Kane gefun-den. In Gesäubert exerziert sie an Carl und Rod durch, was es heißt, jemand die Zun-ge, die Arme und Beine abzuschneiden, ihm also jede Möglichkeit zu nehmen, sich auszudrücken, und dann zu sagen: Und jetzt zeig dem anderen, dass du ihn liebst. Damit fragt sie, was in so einem Moment noch möglich ist. Ob sich das überhaupt erfahren lässt: Liebe. Oder ob es eine Verheißung ist, die sich nur im Transzen-denten einlöst. Wenn ich mich mit ihren Stücken beschäftige, wird mir klar, dass meine Vorstellung von Liebe von romanti-schen Bildern geprägt ist, die die Erfül-lung ins Jenseits verlagern, dass ich sie aber nie im Moment erlebe. Der größte Liebesbeweis ist der Satz: Ich würde für dich sterben. Diesen Satz führt Sarah Kane dadurch ad absurdum, dass sie Rod im Sterben sagen lässt: „Das kann es nicht

sein“. Dem Satz stellt sie die Frage ent-gegen: Was kannst du mir jetzt geben? Versprechungen bringen mir nichts. Ich will jetzt geliebt werden!

Mir fällt auf, dass der romantische Traum, an dem unsereins trotz aller Abstürze fest-hält, in deiner Generation einer tiefen Er-nüchterung gewichen ist. Woran liegt das?

Wir leben mit dem Gefühl, uns von uns selbst entfremdet zu haben, darum wollen wir uns im Jetzt spüren. Die Romantiker konnten sich an ihrer Sehnsucht berau-schen. Sie waren weniger auf die Erfül-lung fixiert. Wir wollen die Verheißungen der Liebe im Jetzt eingelöst haben. Wir wollen eine Antwort auf die Frage finden, ob es das überhaupt gibt: Liebe.

So lang du dich in einer Liebe geborgen fühlst, stellst du dir diese Frage nicht. Du stellst sie dir, wenn du aus dem Paradies vertrieben bist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die im Glück einer Liebe geborgen sind. Es ist ein Ideal. Es ist et-was, was sich im wirklichen Leben nicht einstellt.

Hast du Vorbilder? Marlon Brando.

Und unter den Lebenden? Gert Voss.

Fährst du nach Wien, um ihn spielen zu sehen?Auch.

Ihr seid euch ähnlich.Er hat sich unsre Dämonen angeschaut

und hat gesagt, er sei sich vorgekommen wie in einem Zoo, in dem die Raubtiere freigelassen wurden.

Was steht dir an Rollen bevor?Thomas Ostermeier will mit Gert Voss

und mir Maß für Maß bei den Salzburger Festspielen machen. Voss soll den Herzog spielen, ich den Angelo. Ich hatte noch nie das Glück, mit einem der älteren Kollegen wie Voss oder Bierbichler oder Thieme zu spielen, um mir von ihnen etwas abzu-gucken. Das empfand ich immer als Defi-zit. Drum freue ich mich total darauf, dass ich in Salzburg mit Voss spielen kann.

In dem Porträt, das Die Zeit über dich gebracht hat, sagt Thomas Ostermeier, du hättest auf einer Probe „Papa“ zu ihm gesagt. Spiegelt das eure Beziehung?

Ich kann mich nicht daran erinnern, fin-de es aber nachvollziehbar. Man sucht Menschen, die beurteilen können, was man zu machen versucht. Thomas ist der-jenige, der mich am genauesten reflektiert. Er gibt mir den Raum, in dem ich so krea-tiv sein kann, wie ich es bin. Ich kann ja nicht alles aus mir selbst holen. Es müssen sich zwei Fantasien so ergänzen, dass et-was entsteht, was keiner am Anfang für möglich hielt. Das ist die Qualität von Thomas. Er kann etwas entstehen lassen, was sich durch Anweisung oder Dirigieren nicht erreichen lässt. Ich merke das, wenn ich mit anderen Regisseuren arbeite. Bei Thomas spüre ich, dass er mir total ver-traut. Auch wenn ich mich mal vertue. Er guckt mir genau zu und weiß immer, wann er mich so bestätigen muss, dass es weiter geht. Was ich mache, mach ich nur, um ihm zu gefallen.

Auszug aus dem Band EIDINGER von Michael Eberth, aus der Reihe

Backstage, Verlag Theater der Zeit, März 2011 (150 Seiten, € 15,–)

Eine tief bewegende, in aller Welt umjubelte Inszenierung von Shakes-peares Hamlet brachte Thomas Ostermeier 2008 in der Neuüber-setzung von Marius von Mayenburg mit Lars Eidinger in der Titelrolle heraus. Nun realisiert das überzeu-gende Team für die Salzburger Festspiele einen weiteren Schritt in seinen Shakespeare-Erkundungen. Im Landestheater inszeniert Oster-meier Maß für Maß mit Gert Voss und Lars Eidinger in den Haupt-rollen. Mit dem „Schauspieler des Moments“ (Die Zeit) Lars Eidinger sprach Michael Eberth.

Maß für MaßWilliam Shakespeare

William Shakespeare (1564–1616) • Maß für Maß • In der Übersetzung von Marius von Mayenburg • Regie: Thomas Ostermeier • Bühnenbild: Jan Pappelbaum • Kostüme: Ulrike Gutbrod • Musik: Nils Ostendorf • Licht: Urs Schönebaum • Dramaturgie: Peter Kleinert • Mit Lars Eidinger, Stefan Stern, Gert Voss u.a. • Koproduktion mit der Schaubühne am Lehniner Platz • Neuinszenierung • Salzburger Landestheater: 17., 19., 21., 22., 25., 27. und 28. August 2011 • Karten in den Preiskategorien von € 10,– bis 120,– verfügbar

Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) • Jedermann • Regie: Christian Stückl • Bühne und Kostüme: Marlene Poley • Musik: Markus Zwink • Martin Reinke (Gott der Herr/Armer Nachbar), Ben Becker (Tod), Peter Jordan (Teufel/ Jedermanns guter Gesell), Nicholas Ofczarek (Jedermann), Elisabeth Rath (Jedermanns Mutter), Robin Sonder-mann (Ein Schuldknecht), Britta Bayer (Des Schuldknechts Weib), Robert Reinagl (Der Koch), Birgit Minichmayr (Buhlschaft), Felix Vörtler (Dicker Vetter), Thomas Limpinsel (Dünner Vetter), Sascha Oskar Weis (Mammon), Lina Beckmann (Gute Werke), David Supper (Knecht), Riederinger Kinder (Die Spielansager) • Ars Antiqua Austria, Leitung: Gunar Letzbor • Wiederaufnahme • Domplatz (bei Schlechtwetter im Großen Fest-spielhaus): 27., 28. Juli, 2., 6., 9., 15., 16., 19., 20., 22., 26. und 29. August 2011

Max Reinhardt (1873–1943) / William Shakespeare (1564–1616) • Sommer-nachtstraum • Picknick, Theater- und Filmaufführung im Park von Schloss Leopoldskron • Mit Schauspielstudie-renden der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung Schauspiel und Regie: Antonia Labs, Theresa Palfi, Sina Reiß, Tobias Roth, Janina Schauer, Daniel Sträßer, Esther Vorwerk u.a. • Eine gemeinsame Produktion der Salz-burger Festspiele und der Universität Mozarteum Salzburg • Neuinszenie-rung • Schloss Leopoldskron (bei Schlechtwetter in der Kunstgärtnerei Doll): 7., 9., 11. und 15. August 2011In Zusammenarbeit mit dem Salzburg Global Seminar • Der Abend wird von Do & Co und der Kunstgärtnerei Doll begleitet.

Busshuttle ab Reichenhaller StraßeBirgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek im Jedermann 2010, Foto: H. und C. Baus

Lars Eidinger, Foto: Gerald von Foris Gert Voss, Foto: privat Thomas Ostermeier, Foto: Dominik Giegler

Page 16: SALZBURGER FESTSPIELE 27. JULI – 30. AUGUST 2011 · Igor Strawinsky (1882–1971) • Le Rossignol• Lyrisches Märchen in drei Akten • Text von Igor Strawinsky und Stepan Stepano-

SALZBURGER FESTSPIELE • 27. Juli bis 30. August 2011 Stand: 31. März 2011 • Änderungen vorbehalten /Subject to change

Mozart-Matineen mit dem Mozarteumorchester Salzburg • In Zusammenarbeit mit der * Stiftung Mozarteum Salzburg / ** Universität Mozarteum Salzburg • M: Mahler-Szenen • LA: Liederabend • SK: Solistenkonzert • KK: Kammerkonzert • YSP: Young Singers Project • YDP: Young Directors Project*** YDP-Spielplan: YDP 1, Teisenberggasse 11, 15.00, 18.00, 21.00 • YDP 2, Museum der Moderne Mönchsberg, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 • YDP 3, Große Universitätsaula, 14.00–16.30, 19.00–21.30 • YDP 4, Villa KARIN, 20.00 • YDP 5, republic, 20.00

FELSENREITSCHULE STIFTUNG MOZARTEUM –GROSSER SAAL /ST. PETER*

KOLLEGIENKIRCHE /GROSSE UNIVERSITÄTSAULA (A)

LANDESTHEATER/ LEOPOLDS-KRON (L) / EDMUNDSBURG (E)

PERNER-INSEL, Hallein /republic (r)

HAUS FÜR MOZARTGROSSES FESTSPIELHAUS/ DOMPLATZ (D)

TagDate

TagDate

Jedermann (D) • 20.30 Le nozze di Figaro • 20.00 Mahler-Szenen 1 19.30

Jedermann (D) 17.30Wiener Philharmoniker1 (M 2) 21.00 Faust I & II • 17.00

LA Goerne/Andsnes Auf eigene Faust ·Die Frau ohne Schatten • 18.00 (Mahler-Szenen 3) 19.30 Faust-Film & Musik (A) 20.00

Mozart-Matinee 1 11.00 YSP Meisterklasse (A) 15.00Le nozze di Figaro 19.00 KK Jansen 19.30 Kontinent 1 – Prometeo 20.30 Die vier Himmelsrichtungen • 19.30 Faust I & II 17.00

Wiener Philharmoniker1 Mozart-Matinee 1 11.00 Auf eigene Faust · Brandauer 11.00(Mahler-Szenen 2) 21.00 Kontinent 1 – Prometeo 20.30 Die vier Himmelsrichtungen 19.30

Die Frau ohne Schatten 18.00 Simón Bolívar Orchestra 1 20.00 KK Goerne/Belcea Quartet 19.30 Auf eigene Faust · Kehlmann 19.30

Jedermann (D) 20.30 SK Uchida 20.00 Die vier Himmelsrichtungen 19.30

Simón Bolívar 2 (M 4) 20.00 Macbeth • 19.30 Die vier Himmelsrichtungen 19.30

YSP Meisterklasse (A) 15.00Die Frau ohne Schatten 18.00 Le nozze di Figaro 19.00 Mahler-Szenen 5 19.30 Kontinent 2 – Macbeth 20.30 Die vier Himmelsrichtungen 19.30

SK Sokolov 21.00 Così fan tutte • 18.00 Kontinent 2 – Macbeth 20.30 Die vier Himmelsrichtungen 19.30 Auf eigene Faust · Fosse (r) 20.00

Jedermann (D) 17.30 Mozart-Matinee 2 11.00LA Beczala/Gerhaher/Schiff Faust I & II 17.00(Mahler-Szenen 6) 20.30 Macbeth 19.30 Die vier Himmelsrichtungen 19.30

Wiener Philharmoniker 2 21.00 Così fan tutte 15.00 Kontinent 3 – Continu 20.00 Mozart-Matinee 2 11.00 YSP Meisterklasse (A) 15.00 Sommernachtstraum (L) • 19.00 Faust I & II 17.00

Accademia di Santa Cecilia 17.00 Auf eigene Faust ·Wiener Philharmoniker 2 21.00 Mahler-Szenen 7 19.30 Mitscherlich (r) 20.00

Accademia di Santa Cecilia 17.00Jedermann (D) 20.30 Macbeth 19.30 Kontinent 4 20.30 Sommernachtstraum (L) 19.00

Die Sache Makropulos • 20.00 KK Dichterliebe/Pierrot lunaire 20.30 Auf eigene Faust · Gustav (r) 20.00

Die Frau ohne Schatten 18.00 Le nozze di Figaro 19.00 SK Mullova/Bezuidenhout 19.30 Kontinent 5 – Neither 20.30 Sommernachtstraum (L) 19.00

SK Volodos 21.00 Macbeth 19.30 Camerata 1 (Mahler-Szenen 8) 19.30 Immer noch Sturm • 19.00

Le nozze di Figaro 15.00 Mozart-Matinee 3 11.00 Konzert für Kinder (A) 15.00Die Sache Makropulos 21.00 Young Conductors Award 20.00 Kontinent 6 20.30 Jenseits der Grenze · Harzer (E) 19.30

Wiener Philharmoniker 3 11.00 ORF Radio-Symphonieorchester Mozart-Matinee 3 11.00 YSP Meisterklasse (A) 15.00 Jenseits der Grenze · Die Frau ohne Schatten 18.00 (Mahler-Szenen 9) 20.00 Kontinent 7 19.30 Amann/Jamritsch (E) 19.30 Faust I & II 17.00

Wiener Philharmoniker 3 11.00 Sommernachtstraum (L) 19.00Le Rossignol/Iolanta 15.00 Jenseits der Grenze · Faust I & II 17.00Jedermann (D) 20.30 Così fan tutte 19.00 KK Aimard/Zehetmair Quartett 19.30 Wenders/Hafner (E) 19.30

Jedermann (D) 17.00 YDP 1 *** SK Lang Lang/Repin/Maisky 20.30 Macbeth 19.30 Beilharz · Bernhard-Film 17.00 Kontinent 8 (A) 20.30 Jenseits der Grenze · Höller (E) 19.30

YDP 1, 2 *** Die Frau ohne Schatten 18.00 LA Denoke 20.00 c-Moll-Messe (St. Peter)* 20.00 Maß für Maß • 19.30 Immer noch Sturm 19.00

Don Giovanni • 15.00 Jenseits der Grenze · YDP 1, 2, 3 ***Die Sache Makropulos 20.00 Schostakowitsch-Zyklus 1 16.00 Boysen/Herwig (E) 19.30 Immer noch Sturm 19.00

Jedermann (D) 17.00 Macbeth 15.00 Jenseits der Grenze · Jungk (E) 19.30 YDP 1, 2, 3, 4 ***West-Eastern Divan Orchestra 20.30 Così fan tutte 19.00 Schostakowitsch-Zyklus 2 16.00 Maß für Maß 19.30

Wiener Philharmoniker 4 11.00 Mozart-Matinee 4 11.00 YDP 1, 2, 3, 4, 5 ***Jedermann (D) 17.00 Don Giovanni 15.00 Faust I & II 17.00Le Rossignol/Iolanta 20.30 Gustav Mahler Jugendorchester 20.00 Jenseits der Grenze · Voss 19.30

Wiener Philharmoniker 4 11.00 Mozart-Matinee 4 11.00 YDP 2, 3, 4, 5 ***Die Frau ohne Schatten 18.00 Così fan tutte 19.00 Camerata 2 19.30 Maß für Maß 19.30 Faust I & II 17.00

Jedermann (D) 17.00 YDP 3, 4, 5 ***LA Quasthoff/Aimard 20.30 Macbeth 19.30 Maß für Maß 19.30

YDP 1, 2, 5 ***SK Grubinger 20.00 Don Giovanni 18.00 KK Hagen Quartett 19.30 Immer noch Sturm 19.00

YDP 1, 2, 3, 4 ***SK Pollini 20.00 Macbeth 19.30 Camerata 3 19.30 Immer noch Sturm 19.00

Wiener Philharmoniker 5 11.00 YDP 1, 2, 3, 4 ***Die Sache Makropulos 20.00 SK Yo-Yo Ma/Stott 20.30 Abschlusskonzert YSP 18.00 Maß für Maß 19.30

Jedermann (D) 17.00 Così fan tutte 15.00 YDP 2 ***Chicago Symphony 1 20.30 KK Batiashvili/Brendel/Fellner 19.30 Immer noch Sturm 19.00

Wiener Philharmoniker 5 11.00 Mozart-Matinee 5 11.00Chicago Symphony 2 20.00 Don Giovanni 18.00 Preisträgerkonzert** 19.30 Maß für Maß 19.30 Immer noch Sturm 19.00

Berliner Philharmoniker 1 20.00 SK Say 20.30 Mozart-Matinee 5 11.00 Maß für Maß 15.00

Jedermann (D) 17.00Berliner Philharmoniker 2 20.30 Don Giovanni 18.00

Die Sache Makropulos 20.00

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Spielplan352x255.qxp 31.03.2011 8:02 Uhr Seite 1

KARteNBÜRo der SALZBURGeR FeStSPIeLe5010 Salzburg • Postfach 140 • Telefon +43-662-8045-500 Telefax +43-662-8045-555 • [email protected] • www.salzburgfestival.at

Impressum • Herausgeber: Salzburger Nachrichten • Redaktion und Gestaltung: Salzburger Festspiele – Margarethe Lasinger, Christiane Klammer, Christian ArseniGrafik: Walter Brand • Inserate: Salzburger Festspiele – Karin Zehetner Druck: Druckzentrum Salzburg Redaktionsschluss: 12. April 2011 • Änderungen vorbehalten

Global Sponsors of the Salzburg Festival

Young Directors Project 2011YDP 1 • SIGNA • Das ehemalige Haus • Dänemark/Schweden/Österreich • Kon-zept/Regie: Signa und Arthur Köstler, Thomas Bo Nilsson • teisenberggasse11: 16., 17., 18., 19., 20., 23., 24., 25. August, jeweils 15.00, 18.00, 21.00 Uhr • Karten um € 22,– (Jugendliche) und € 40,– auf Anfrage

YDP 2 • Lundahl & Seitl • Symphony of a Missing Room • London, Großbritan-nien/Stockholm, Schweden • Konzept und Regie: Christer Lundahl und Martina Seitl • Kostüme: Jula Reindell • Mit Rachel Alexander, Lisette Drangert, Moa Hanssen, Genevieve Maxwell, Colin McLean, Pia Nordin • Museum der Moderne Mönchsberg: 17., 18., 19., 20., 21., 23., 24., 25., 26. August, jeweils 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 Uhr • Karten um € 22,– (Jugendliche) und € 40,– auf Anfrage

YDP 3 • Ontroerend Goed • A Game of You • Gent, Belgien • Von und mit Ale-xander Devriendt, Joeri Smet, Sophie

De Somere, Nicolaas Leten, Maria Dafneros, Charlotte De Bruyne, Aurélie Lannoy, Kristof Coenen, Eden Falk, Kwint Manshoven • Große Universitäts-aula (eingang über den Innenhof): 18., 19., 20., 21., 22., 24., 25. August, jeweils halbstündlich 14.00–16.30, 19.00–21.30 Uhr • Karten um € 22,– (Jugendliche) und € 40,– auf Anfrage YDP 4 • Poste Restante • the Dinner Club – Salzburg Classes • Stockholm, Schweden • Konzept und Regie: Linn Hilda Lamberg, Stefan Åkesson, Erik Berg • Villa Karin: 19., 20., 21., 22., 24., 25. August, 20.00 Uhr

YDP 5 • The TEAM • Mission Drift • New York, USA • Regie: Rachel Chavkin • Musik: Heather Christian • Bühnenbild: Nick Vaughan • Kostüme: Brenda Abbandandolo • Licht: Jake Heinrichs • Sounddesign: Matt Hubbs • republic: 20., 21., 22., 23. August, 20.00 Uhr • Karten um € 22,– (Jugendliche) und€ 40,– verfügbar

YoUNG DIReCtoRS PRoJeCt powered by MontblancDas YDP Programm wird zur Gänze von Montblanc International ge-sponsert. Zusätzlich stiftet Montblanc den mit € 10.000,– dotierten Preis und den exklusiven Montblanc Max-Reinhardt-Pen für die beste Regie.Verleihung YDP-Award: 24. August 2011, 11.00 Uhr, republic.

Symphony of a Missing Room von Lundahl & Seitl, Foto: John Gripenholm

Zehn Jahre – zehn tageSeit 2002 findet im Rahmen der Salzburger Festspiele das Young Directors Project statt – ein Wettbewerb für junge, internationale Theaterregisseure und ihre Ensembles. Und ebenfalls seit 2002 er-möglicht Montblanc durch die großzügige finanzielle Unterstützung dieses Projekt. Das zehnjährige Bestehen feiern wir in diesem Jahr mit einer besonderen Ausrichtung des Programms. Wir zeigen fünf Inszenierungen, die sich mit dem Eintauchen des Zuschauers in die Aufführung beschäftigen und dem Theater dafür, im wahrsten Sinne, neue Räume eröffnen. Die Produktionen sind ab 16. August im Zeit-raum von zehn Tagen zu sehen.