Schlepper Umbruch 1 2012x - Heyde Wehrhain · PDF filesich der Deutz-Sechszylinder F6L 514;...

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Heute würde man das ganze Manöver,das sich hinter der Geschichte diesesTraktors verbirgt, unter „Marketing-Maßnahme“ verbuchen. Früher gabes das moderne Wort noch nicht, dochim Prinzip geschah Ende der 1960erJahre das Gleiche, was heute bei Fiat,Lancia und Chrysler passiert: Fahr-zeuge aus fremder – aber zum Konzerngehörender – Produktion bekommenLogo und Namen einer Marke ver-passt und sollen so höhere Verkaufser-folge erzielen: Eine damals schon frag-liche und – wie der weitere Verlauf derGeschichte belegt – erfolglose Maß-nahme. Denn vom D 800 setzte Fahrnach aktuellem Wissensstand gerademal 55 Traktoren ab...Der D 800 ist eigentlich ein Deutz Deca110, also ein Deutz, den der KHD-Konzern (dem Fahr schon seit 1962 zu-nächst zu 25 Prozent und ab 1968mehrheitlich gehörte) für den südame-rikanischen Markt baute. Genauer: Erbauer war die Deutz Argentina S.A,die ab 1960 am Standort Haedo Trak-toren fertigte. Unter der Haube des Deca 110 fandsich der Deutz-Sechszylinder F6L 514;der Deca hatte im Unterschied zumFahr 10 PS mehr. Der Schlepper warschon optisch für die Großfelderbe-wirtschaftung in Südamerika gebaut –er war mit 100 PS satt motorisiert undstellte mit seinen vergleichsweise gi-gantischen Ausmaßen alle europäi-schen Schlepper in den Schatten,hinkte ihnen aber gleichzeitig technischdeutlich hinterher. Zur Erinnerung: Den deutschen Bauernwurde zu dieser Zeit gerade die 06er-Baureihe präsentiert. Deutz stelltedaher erst gar keine Anstrengungenan, mit dem Koloss auch auf dem europäischen Markt Erfolge zu erzielen– das Standardwerk „Alle Traktorenvon Deutz“ berichtet von einem Deca,der auf der DLG-Schau in Hannover

gezeigt wurde und später zu Vorfüh-rungen über die Dörfer tingelte – zumehr reichte es aber nicht. Warum nun, gut sechs Jahre nach demEnde der Schlepperproduktion imHause Fahr, der Name wieder für kurzeZeit auf einem Schlepper prangte, er-klärt man sich bei den rührigen Fahr-Schlepper-Freunden in Gottmadingenso: „Es ging damals darum, den gutenNamen der Fahr-Schlepper zu nutzen“,beschreibt Dieter Rath, zweiter Vorsit-zender der Schlepper-Freunde, die Beweggründe hinter dieser Aktion underläutert, wie aus dem Deca 110 einFahr wurde: „Man hat die Haube vomFahr D 60 verwendet und ansonstenkomplett auf den Deca zurückge -griffen.“ Mit roter Farbe und den passendenSchriftzügen auf Typenschild undHaube war der „neue“ Fahr dann fer-tig; seine „Außenseiterrolle“ im Pro-duktprogramm lässt sich heute aneinem eindeutigen Indiz festmachen:Das bestens sortierte Archiv der Fahr-Schlepper-Freunde besitzt kein Mate-rial zum D 800...Was damals in der KHD-Konzernbilanzsicherlich nicht auf der Habenseite vermerkt wurde, wendet sich heute insGegenteil um: Der Mißerfolg des großen Fahr macht heute jedes der 55überlebenden Exemplare zu einemechten Hingucker. Die Reifengrößen:vorne 11.00-16, hinten 245-32, mehrmuss man nicht hinzufügen!Lars Heyde aus Schlieben (östlich vonLeipzig) besitzt einen der wenigenD 800, die nach Europa kamen – unddas auch erst im Oldtimer-Stadium. Erbekam ihn von einem belgischenHändler, der ihn wiederum aus Argen-tinien importierte. Da Heyde einenHang zu kräftigen Maschinen hat – erbesitzt auch einen in der ehemaligenDDR (!) genutzten John Deere 5020 –begeisterte er sich sofort für den Fahr.

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Das Phantom: Ein Deutz namens Fahr,

den es in Deutschland nie gab

Die Geschichte dieses Schleppers ist nicht ganz leicht zu durch-schauen: Eigentlich hat ihn jemand anders hergestellt, als das Typen-schild ausweist, eigentlich war die dort angegebene Firma gar keinSchlepperproduzent mehr, eine eigenständige Entwicklung war er erstrecht nicht, und wirklich zuordnen lässt er sich der Firma auf dem Typenschild auch nicht. Doch auf dem Papier ist der Fahr D 800 vorallem eines: Der letzte, größte und stärkste Schlepper, der unter demNamen Fahr jemals angeboten wurde.

Komplizierte Abstammung: Als derD 800 in Argentinien gebaut wurde, entstanden bei Fahr in Deutschlandlängst keine Traktoren mehr.

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Durch den „desolaten Zustand“ desSchleppers hielt sich die Begeisterungaber vorerst in Grenzen: Fahrbereit warer zwar, doch die Pumpe war fest, Federn gebrochen, die Bremsgestängefehlten. Die erste vorsichtige Probe-fahrt bot dann auch wenig Anlass zurFreude, wie sich Heyde heute erinnert:„Ich hatte echt Angst, weil sich dasDing so unglaublich schlecht fuhr. DieLenkung sprach erst nach zwei voll-ständigen Lenkradumdrehungen an.“

Schon auf ersten Metern mit demD 800 von 1968 kündigte sich weiteresUngemach an: „Wenn ich schaltenwollte, knirschte es vernehmlich im Ge-triebe, und alles saß im fünften Gangfest.“ Bei der Inspektion fiel ihm danndas Lager der unteren Getriebewelleentgegen – der stolze Argentinierwollte seinem bislang optimistischenBesitzer wohl wirklich die Laune ver-derben. Kurzerhand machte sich Heyde an dieRestaurierarbeiten und war überrascht,wie leicht sich Ersatzteile auftreibenließen: „Im Fahr sind fast nur DIN-Teileverbaut, die Beschaffung war eigent-lich kein Problem.“ Die Bremswellenwurden erneuert, alle Getriebe- undLenkprobleme behoben, und inzwi-schen gewöhnen sich Fahrer und Fahr-zeug langsam aneinander: „Wenn ichheute mit dem Schlepper unterwegsbin, macht es schon ein bisschenSpaß...!“ Alexander Bank

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Verhaltene Freude: Beim Eintreffen desD 800 in Schlieben hielt sich die Begeis-terung bei Lars Heyde zunächst in Gren-zen. Und auch die Sitzqualität ließ zuwünschen übrig...

Farbe für den Fahr: Die Lackierarbeitenerledigte Lars Heyde selbst.

Sorgenkind: Vor der Restaurierung muss -te sich der Fahr mit einem „Eingang- Getriebe“ begnügen – außer dem fünftenließ sich kein Gang mehr schalten...

Kontakt:Lars Heyde

Tel. 0172-1602880

Nichts für die Realteilung: Der mächtige Fahr verlangt nach großen Ackerparzellen... Fotos: Heyde

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