SCHUL SONDERDRUCK VERWALTUNGS BLATT für ... r die Lehrkräfte eine große...

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SCHUL VERWALTUNGS BLATT SONDERDRUCK für Niedersachsen Amtsblatt des Niedersächsischen Kultusministeriums für Schule und Schulverwaltung 1. März 2014 · Heft 3 · 101 - 156 · 66. Jahrgang Verlag Hahnsche Buchhandlung Marktstraße 12 · 31224 Peine Sonderdruck Ausgabe 3-2014 Thema das Monats Schulische Bildung von Kindern beruflich Reisender

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SCHULVERWALTUNGSBLATT

SONDERDRUCK

für NiedersachsenAmtsblatt des Niedersächsischen Kultusministeriums für Schule und Schulverwaltung

1. März 2014 · Heft 3 · 101 - 156 · 66. Jahrgang

Verlag Hahnsche BuchhandlungMarktstraße 12 · 31224 Peine

SonderdruckAusgabe 3-2014

Thema das MonatsSchulische Bildung von Kindern beruflich Reisender

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Thema das MonatsSchulische Bildung von Kindern aus Familien beruflich Reisender

Kinder und Jugendliche gehen in der Regel täglich in die-selbe Schule und erhalten im festen Klassen- oder Kursver-band von denselben Lehrkräften Unterricht in den ver-schiedenen Schulfächern. Die Lehrkräfte bemühen sich,diese Schülerinnen und Schüler trotz des festen Rahmensdes kollektiven Unterrichts individuell zu fördern und dieindividuelle Lernentwicklung zu dokumentieren. Das stelltfür die Lehrkräfte eine große Herausforderung dar und ge-lingt nicht immer. Es gibt eine Gruppe von Schülerinnenund Schülern, bei denen individuelle Förderung und dieDokumentation der individuellen Lernentwicklung die vonallen anerkannte Kernaufgabe von Schule ist. Das sind dieKinder beruflich Reisender.

Der Begriff „Beruflich Reisende“ gehört zum Verwal-tungsdeutsch und bedarf der Erläuterung. Ge-

meint sind damit unter anderem Schaustel-ler, Binnenschiffer, Zirkusleute und

Marktkaufleute. In der Regelwird das Gewerbe als Fa mi -

lien betrieb seit mehre-ren Generationen be -

trieben.

Wie viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche aus Familienberuflich Reidender stammen, ist nicht genau bekannt. Mangeht von 3.000 Schülerinnen und Schülern bun desweit aus.400 von ihnen wohnen in Niedersachsen. Noch einmal diegleiche Zahl aus anderen Bundesländern kommt aus Familien,die während eines Jahres auf einem Fest in Niedersachsen mitihrem Geschäft bzw. ihrem Zirkus gastieren.

Das Leben dieser Familien ist oft dadurch geprägt, dass sievon einem Winterstandort spätestens im März aufbrechen,um die verschiedensten Feste und Märkte in Niedersachsen,Deutschland und dem europäischen Ausland zu besuchen.Manche lassen ihre Kinder dann von Verwandten am Winter-standort betreuen, viele nehmen sie aber mit auf die Reise.Die daraus resultierende besondere Lebens- und Lernsituationerfordert gezielte Bildungsmaßnahmen, damit das Recht aufBildung und die Erfüllung der Schulpflicht für diese Kindergesichert werden können.

Wenn man in zehn von zwölf Monaten unterwegs ist, besuchtman nicht eine, sondern bis zu 30 verschiedene Schulen. Da-zwischen gibt es die Reisetage, an denen ein Schulbesuchnicht möglich ist. Der Lernweg des einzelnen Kindes ist alsodurch zeitliche Lücken (Reisezeit) und Schulwechsel geprägt.Damit ist die Kontinuität des Lernweges weder zeitlich nochinhaltlich gewährleistet. Um dem Lernen auf der Reise ge-recht zu werden, haben alle Bundesländer ein über die Lan-desgrenzen gültiges Konzept der Beschulung eingeführt.

Die Schule am Winterstandort fungiert in der Regel als„Stammschule“. Hier werden die Kinder in der Sta-tistik geführt. Für die Reisezeit wird ein individu-eller Lernplan für das Kind erstellt. Wenn dasKind im Winter zurückkommt, werden eventuell

vorhandene Lernlücken durch eine gezielteFörderung geschlossen. Natürlich erhalten

Kinder aus beruflich reisenden Familienwie jedes andere Kind Zeugnisse und Ab-schlüsse durch ihre Stammschule.

Die Schulen, die auf der Reise besucht wer-den, werden „Stütz punktschulen“ genannt.Sie sind verpflichtet, die schulpflichtigen Kin-der und Jugendlichen, die in der Nähe gastie-ren, aufzunehmen. Diese Schulen unterrichten

die reisenden Kinder nach den mitgegebenenLernplänen und dokumentieren Inhalte und Ergebnis-

se in einem bundes einheitlichen Schul tagebuch. Es in-formiert die Stammschule am Ende des Aufenthalts über

die Lernerfolge.

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Die Schulkarrieren von Rebecca und SonjaRebecca Bötticher und Sonja Armbrecht haben viel gemein-sam. Sie sind in Niedersachsen geboren, sie gehen zurzeit inHannover zur Schule, und sie sind Schaustellerkinder. Rebec-cas Eltern haben einen Ausschank und Imbiss sowie ein Spiel -geschäft: Dartscheibenwurf. Bei Sonjas Eltern bekommt manCrêpes, kann Autoscooter fahren und Enten angeln.

Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Rebecca, 17, gehtdas ganze Jahr über zu derselben Schule, der Wilhelm-Raabe-Schule, einem Gymnasium, und zwar in die 10. Klasse. Sonja,14, ist dagegen nur in den Wintermonaten Januar und Fe -bruar in ihrer Stammschule in Hannover, der Südstadtschule,an der sie die 8. Klasse des Realschulzweigs besucht. Einengroßen Teil des Jahres ist sie unterwegs, bundesweit, da woihre Eltern ihr Geschäft aufbauen, und besucht vor Ort die je -weilige Stützpunktschule. Schulisch also leben Rebecca undSonja in zwei verschiedenen Welten.

Rebecca wohnt in der Woche in Hannover mit ihrer Großmut-ter in einem Haus. Sie hat ihren festen schulischen Freundes -kreis, und manche Lehrerinnen und Lehrer wissen gar nicht,dass sie aus dem Schaustellermilieu stammt. Am Wochenendeallerdings wechselt sie in ihre andere Welt und fährt zu ihremzweiten Zuhause, nämlich dorthin, wo ihre Eltern ihr Geschäfthaben. Wenn das in Stuttgart ist, hat Rebecca zum Beispielvier Stunden Bahnfahrt vor sich. „Manchmal finde ich es schonschade, am Wochenende nichts mit meinen Schulfreundinnenmachen zu können“, sagt sie. Außerdem ist es für sie mitunterschwer, bei der Wochenend-Pendelei die nötige Zeit für Haus -aufgaben zu finden. Wenn sie ein bisschen im Geschäft hilft,hat sie mitunter Lernkärtchen hinter den Preisschildern desGeschäfts versteckt.

Sonja hat ganz andere Probleme, die sich aus dem häufigenOrts- und Schulwechsel ergeben. Jede Stadt ist anders, jedeSchule ist anders, von Lehrkräften und Mitschülerinnen undMitschülern ganz zu schweigen. Die Frage für sie lautet im-mer: Lassen sich die Sesshaften auf uns, die vorübergehendAnwesenden, ein? Das kann sehr unterschiedlich laufen.In einer kleinen Stadt fühlte sich Sonja einmal inder Realschule, an die sie eigentlich gehen sollte,so wenig willkommen, dass sie lieber zur Hauptschuleals Stützpunktschule ging, um dort die Aufgaben zuerledigen, die ihr die Stammschullehrkräfte gegeben hat-ten.

Wie ist das überhaupt mit der Mitarbeit im normalen Un-terricht, wenn man nur zu Besuch da ist? „Ganz oft sitzeich in einer Klasse und bearbeite ganz andere Aufgaben alsdie anderen.“ Aber das sei für sie gar nichts Merkwürdi-ges, da sie seit der ersten Klasse nichts anderes gewöhntsei. Wichtig sei für sie während der Zeit unterwegs,dass sie in den Hauptfächern Deutsch, Mathematikund Englisch gut mitkomme und ihre Stammschul-

Aufgaben zuverlässig erledige. Für die Fächer, in denen dieMitarbeit eine große Rolle spiele und wenige Leistungs -kontrollen stattfinden, nehme sie dagegen oft auch am Un-terricht der Stützpunktschulen teil.

So verschieden die schulische Situation von Rebecca und Son-ja auch ist, sie sind beide in zwei Welten zu Hause, der Schul-welt und der Schaustellerwelt. In der einen sind sie relativnormale Teenager, in der anderen füllen sie als gelegentlicheHilfe im elterlichen Geschäft und als Juniorchefin eine Er -wach senenrolle aus. „Wir sind den Kunden gegenüber andereUmgangsformen gewöhnt: lächeln, freundlich sein, sich höf -lich ausdrücken“, sagen die beiden. Mich hat mal ein Lehrergefragt: „Warum redest du wie eine Erwachsene?”

Wie sehen die Zukunftspläne von Rebecca und Sonja aus? Fürbeide ist 2016 das Jahr, in dem die Weichen neu gestellt wer-den. Rebecca macht dann ihr Abitur und will Modedesignstudieren. Sonja dagegen will mit dem Realschulabschluss inder Tasche direkt in das elterliche Geschäft einsteigen. Aberbeide fühlen sich im Schaustellermilieu zu Hause und könnensich ein Leben als abhängig Beschäftigte nicht vorstellen. DieSchausteller, die seien eine große Familie, in der man sichauf gehoben fühlt und die sogar eine eigene Sprache spricht:„Ach scheft das latscho!“ (= Ach ist das schön!)

Sesshaft oder auf Achse

Foto: Sonja (links) und Rebecca an der Kröpcke-Uhr in Hannover.Hier können sich die beiden Töchter beruflich Reisender nicht immerverabreden. Öfter noch begegnen sie sich auf dem Festplatz.

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SVBl 3/2014 NICHTAMTLICHER TEIL F

Die Arbeit der Stammschule

Die Stammschule ist für die Bildung der Kinder aus beruf -lich reisenden Familien verantwortlich. Sie ist die Schule,die das Kind während der reisefreien Zeit über einen län-geren Zeit raum besucht. In der Regel ist dies eine Schuleam Winterstandort und/oder am Hauptwohnsitz des be ruf -lich Reisenden.

Sonja Armbrechts Stammschule ist die Südstadtschule inHan nover, eine Haupt- und Realschule. Hier liegt die kom-plette Schülerakte von Sonja, hier bekommt sie wie alle an-deren auch zweimal im Jahr ihr Zeugnis. Vor allem wird sievon hier kontinuierlich mit Unterrichtsmaterial und Aufgabenversorgt, wenn sie unterwegs ist. Denn eine der Aufgaben derStammschule ist es, individuelle Lernpläne für die FächerDeutsch, Mathematik und Fremdsprache(n) zu erstellen undsie als Bestandteil des Schultagebuchs mit auf die Reise zugeben.

Als Stammschule ist die Südstadtschule zugleich eine Sam-melstelle für Berichte aus den Stützpunktschulen. Auf ihrenLehrberichts-Formularen notiert die Klassenlehrerin oder derKlassenlehrer der Schule, die die Schülerin oder der Schülerunterwegs besucht, welche Themen in den verschiedenenFächern während der Besuchszeit behandelt wurden und wel -cher Lernstand dabei erreicht wurde. Da steht zum Beispiel„Multiplikation und Division von Dezimalbrüchen“ in Mathe-matik oder „Mikroskopieren (Aufbau & Funktionsweise des Mi -kroskops“) in Biologie. Zusätzlich formulieren die Lehrkräfte„ergänzende Empfehlungen und Hinweise für die nächsteSchule“ sowie Bemerkungen zum Arbeits- und Sozialverhalten.

Die Arbeit der StammschuleDie Südstadtschule ist eine kleine Grund-, Haupt- und Re-alschule, die sich das Motto „persönlich – partnerschaftlich –sozial“ gegeben hat. „Wir sind im Grundschulbereich drei -zügig, danach im Haupt- und Realschulbereich einzügig undbieten so ein überschaubares Umfeld für die Kinder beruflichReisender“, sagt Ursula Schmidt-Lamontain, die Schulleiterin. Besonders wichtig sei bei den Kindern beruflich Reisender derenge Kontakt zu den Eltern. Da gehe man als Klassenlehrerinzum Kennenlernen auch mal auf den Festplatz. Und danachhabe man die Mobilfunk-Nummern der Eltern und könne soständig in Kontakt bleiben. Die meisten Schausteller-Elternseien sehr am schulischen Erfolg ihrer Kinder interessiert, be-tont Frau Schmidt-Lamontain. „Schließlich sollen sie späterzum Teil sehr große Geschäfte übernehmen, und dazu kannman eine gute Schulbildung als Grundlage gut gebrauchen.“ Und wie sieht es mit der Arbeitshaltung bei den Schülerinnenund Schülern selbst aus? Die meisten wollten auch selbsteinen ordentlichen Schulabschluss machen. Deshalb werdenviele in Klasse 10 „sesshaft“ und gehen ein ganzes Jahr zuderselben Schule, um unter einheitlichen und insofern bes -seren Bedingungen zu lernen. Schmidt-Lamontain: „Sie kom-men dann bei der Verwandtschaft, Großeltern oder Tante undOnkel, unter.“Als Stammschulleiterin hat Frau Schmidt-Lamontain aller -dings nicht nur mit Musterschülern zu tun. Über einen ihreroffiziellen Stammschüler laufen regelmäßig aus den verschie -denen Stützpunktschulen ähnlich lautende Bemerkungen ein.Der Schüler nehme am Unterricht der 7. Klasse teil und seikontaktfreudig und offen. Aber weiter heißt es auch „teil-weise unaufmerksam“ und „Ablenkung von Mitschülern“.

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Die Arbeit der Stützpunktschule

Stützpunktschulen sind die Schulen, die die Schülerinnen undSchüler während der Reisezeit besuchen. Sie liegen gewöhn-lich in der Nähe des Festplatzes und stellen sich besonders aufdie Betreuung von Kindern beruflich Reisender ein.

Die Südstadtschule in Hannover ist nicht nur die Stamm-schule von Sonja Armbrecht, sondern auch die Stützpunkt -schule für all die Kinder beruflich Reisender, die sich an-lässlich von Festen in Hannover aufhalten. Da kommt eine be-trächtliche Zahl von Kindern zusammen, die natürlich nichtnur aus Niedersachsen, sondern auch aus anderen Bundeslän-dern mit anderen Curricula und anderen Lehrbüchern stam-men. „Zum Schützenfest hatten wir schon 30 Kinder bei unshier in der Schule“, berichtet Ursula Schmidt-Lamontain. Vielevon ihnen kommen immer wieder, weil es in Hannover vielegroße Feste gibt, für die sich die Anreise der Schaustellerlohnt: Frühlingsfest, Schützenfest, Oktoberfest, aber auchMasch seefest und Weihnachtsmarkt. Die ersten drei gehörenzu den 20 größten Volksfesten Deutschlands und ziehen je -weils mehr als hundert Geschäfte und zwischen ein und zweiMillionen Besucher an.

deren Fächern beteiligen sie sich am normalen Unterricht, soin Sport, Kunst, Werken, Religion. Manche legen sogar Wertdarauf, den Unterricht der Klasse komplett mitzumachen.„Eine Schülerin hat mir gesagt, sie mache die Aufgaben derStammschule lieber zu Hause, damit sie bei uns das volle Pro-gramm mitnehmen kann“, sagt Frau Schmidt-Lamontain.

Die Stammschule tritt spätestens dann wieder in Erscheinung,wenn dort eine Klassenarbeit geschrieben wird. Die kommtper E-Mail an die Stützpunktschule des reisenden Kindes, wirddiesem unter vergleichbaren Bedingungen „vorgesetzt“ undzur Korrektur und Bewertung wieder an die Stammschule zu -rückgeschickt.

Die Bereichslehrkraft und der Schulwagen Das dritte Element des Unterstützungssystems für die Kinderberuflich Reisender neben Stammschule und Stützpunkt -schule ist die Bereichslehrkraft. Sie arbeitet in einem fest-gelegten regionalen Bereich und nimmt dort Koordinierungs-,Beratungs- und Betreuungsaufgaben wahr. Sie berät und un-terstützt Eltern, Kinder und Lehrkräfte bei allen Fragen rundum den Schulbesuch.

Ralf Küper ist seit mehreren Jahren eine von diesen Bereichs -lehrkräften, mit der Zuständigkeit für Stadt und Region Han-nover sowie einige angrenzende Gebiete. Er betreut insgesamtetwa 60 Stammschülerinnen und Stammschüler in seinemZu ständigkeitsgebiet. Aber er kümmert sich auch um die vie-len anderen, die sich anlässlich von Festen zeitweise in Han-nover aufhalten. Für diese Gruppe ist er unter anderem derVermittler zu den Stützpunktschulen und kündigt dort derenEintreffen an.

Außerdem berät Ralf Küper Kinder und Schulen bei typischenProblemen im Schulalltag. Ein Thema in der Grundschule sinddie verschiedenen Schriften, die in den verschiedenen Schulenunterrichtet werden und die die Kinder beim Schulwechselver wirren. Ein weiteres Thema sind Aufgaben, die Schulenstellen, ohne für die Bearbeitung durch ihre reisenden Schü-lerinnen und Schüler sorgen zu können. „Was soll ein Schülertun, wenn die Aufgabe lautet: ‚Beschreibe den Versuch!‘, aberder Schüler den Versuch gar nicht sehen kann?“

Ein weiteres Problem sind immer wieder die Klassenarbeiten.Da geht es mitunter um die praktische Organisation: „Wiekann man gewährleisten, dass die Arbeit, die von der Stamm-schule zugeschickt wird, unter den gleichen Bedingungen ander Stützpunktschule geschrieben wird?“ Da geht es aber

Wer regelmäßig wiederkommt, der kennt sich auch in derStützpunktschule aus und wird von den Lehrkräften und denMitschülerinnen und Mitschülern gut aufgenommen. Zu der8. Klasse, in der Sonja Armbrecht als einzige Stammschülerinsitzt, gehören insgesamt fünf Kinder beruflich Reisender, auchwenn die anderen nur periodisch dabei sind.

Zwar bringen die Gastschüler in den Stützpunktschulen ihreSchulbücher und Unterrichtsinhalte in Deutsch, Fremdspra -che(n) und Mathematik von der Stammschule mit. Aber in an-

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auch um mögliche Ersatzleistungen, die anstelle der Arbeit fürdie Bewertung herangezogen werden können. Küper: „DieSchulen haben da gewisse Spielräume.“

Ralf Küper ist von Hause aus Förderschullehrer und gewöhnt,sich um jedes einzelne Kind zu kümmern. Die nachmittäglicheZusatzunterstützung bei Hausaufgaben, aber auch bei beson-deren Lernschwierigkeiten ist ihm ein be sonderes Anliegen. Fürdiesen Zweck gibt es speziell in Hannover den Schulwagen.

Der Schulwagen ist ein ehemaliger Schaustellerwagen, der in-nen als Schulraum eingerichtet worden ist, einschließlich ein -gebauter Toiletten für Mädchen und Jungen. Dieser Schulwa-gen wird immer dann auf den Schützenplatz in Hannover ge-bracht, wenn ein großes Fest eine größere Zahl von Schul -kindern nach Hannover führt. Jeden Nachmittag ist dann je-mand da, um die Kinder zu betreuen, zuerst vor allem dieGrundschülerinnen und Grundschüler, danach die Älteren. „Esist besser, die beiden Gruppen zu trennen, denn die Kleinensind einfach zu laut“, erzählt Küper. Er wird unterstützt voneiner pädagigischen Mitarbeiterin, so dass mitunter zweiGruppen parallel arbeiten können. „Bei schönem Wetter hal-ten wir uns mit den Kindern gern vor dem Wagen auf. WIirhaben dafür Stühle und Tische gespendet bekommen.“

Stammschule, Stützpunktschule, Bereichslehrkraft – dreiSäulen des Unterstützungssystems, die dafür sorgen sollen,dass die Kinder beruflich Reisender dieselben Chancen fürgute Bildung haben wie die anderen Kinder. Aber noch isteiniges zu tun, damit die klare Struktur allen Betroffenengeläufig ist – und damit auch die Handlungsmöglichkeiten,die dieser Rahmen bietet.

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Hintergrundinformation zur Gruppe derSchausteller unter den beruflich ReisendenSchaustellerunternehmen sind traditionelle Familienunter neh -men. Sie sind vor allem mit Fahrgeschäften (27 %), Verkaufs-geschäften nach Schaustellerart (überwiegend Süßwaren, 27 %), Imbissbetrieben (17 %) und Ausspielungen (16 %) aufden deutschen Volksfesten und Weihnachtsmärkten unter-wegs, und das im Durchschnitt bereits seit 65 Jahren, also indritter Generation. Die deutschen Schaustellerunternehmen be -treiben durchschnittlich 2,25 unterschiedliche Geschäfte. DieSchaustellerunternehmen beschäftigen einschließlich der In-haber und der mitarbeitenden Familienangehörigen durch-schnittlich 4,6 feste Mitarbeiter. Davon sind durchschnittlich2,1 Personen Familienangehörige. Im Durchschnitt beschickendie Unternehmen mit ihrem wichtigsten Geschäft 21,4 Ver-anstaltungen pro Jahr. Insgesamt stehen die Schausteller (ohneTage für Auf- und Abbau) durchschnittlich an 141,7 Tagen proJahrauf Volksfesten und Weihnachtsmärkten.

(Quelle: Deutscher Schaustellerbund e.V., Jahresbericht 2013)

Neuer Erlass in VorbereitungZum Beginn des nächsten Schuljahres soll ein neuer Erlass inKraft treten, der die Bedingungen für die Beschulung vonKindern und Jugendlichen aus Familien beruflich Reisender anallgemein bildenden Schulen weiterentwickelt und die beson-deren Lernumstände dieser Schülergruppe mit dem daraus ent -stehenden Unterstützungsbedarf stärker in den Blick nimmt.

Die Vorgaben der KMK Länderkonferenz mit – dem System der Stamm- und Stützpunktschulen– dem Schultagebuch mit Lernvorgaben und als Nachweis

der Schulpflichterfüllung und – den Bereichslehrkräften zur besonderen Unterstützung der

schulpflichtigen Kinder aus Familien beruflich Reisender

werden als Grundlage auch des neuen Erlasses dienen, derdamit grundsätzlich den bundesweit geltenden Standardsent sprechen wird. Insbesondere sollen die Aufgaben der Be -reichslehrkräfte, die in der Praxis eine zunehmende Bedeu-tung erlangen, umfassender beschrieben werden. Für den Aus -bau des Unterstützungssystems der Beschulung von Kindernund Jugendlichen aus Familien beruflich Reisender werden dieRessourcen für besonders häufig frequentierte Stützpunkt -schulen und die Bereichslehrkäfte erhöht.

Im vorliegenden Schulverwaltungsblatt findet sich die Aus -schreibung von vier Stellen von Bereichslehrkräften für dieBetreuung der Kinder beruflich Reisender, und zwar für dieRegionen Ostfriesland, Cuxhaven und Osterholz, Weserberg-land sowie Oldenburg (vgl. S. 122). Für den Beratungsauftragstehen je Region bis zu zehn Wochenstunden zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Beschulung von Kindern und Ju-gendlichen aus Familien beruflich Reisender sind unter www.nibis.de (Bildungsthemen / Schwerpunktthemen / BeruflichReisende) mit einer Auflistung der Bereichslehrkräfte und ihrerKontaktdaten sowie www.schule-unterwegs.de zu finden.

Was man auch wissen sollte...