SEELISCHE GESUNDHEIT AM ARBEITSPLATZ - graz.at · Gesundheit und Leistungsfähigkeit von...

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SEELISCHE GESUNDHEIT AM ARBEITSPLATZ Foto: istock © LoveTheWind Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz

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Das Thema seelische Gesundheit hat sowohl gesellschaftlich als auch in der Arbeitswelt einen zentralen Stellenwert. Die Weltgesund-heitsorganisation (WHO) bringt es auf den Punkt: „Im 21. Jahrhundert gibt es keine Gesundheit – ohne psychische Gesundheit.“ Sie definiert psychosoziale Gesundheit als „Zustand des Wohlbefindens, in dem die und der Einzelne ihre bzw. seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbe­lastungen bewältigen, produktiv und frucht­bar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu ihrer bzw. seiner Gemeinschaft beizutragen“.

Für immer mehr Menschen ist das jedoch nicht mehr der Fall. So vielfältig die Gründe für diese Entwicklung sein mögen, zweifellos spielt der Arbeitsplatz eine wichtige Rolle für den Erhalt und die Förderung der seelischen Gesundheit. Daher müssen Dienstgeber und Führungskräfte gerade den psychisch relevanten Faktoren am Arbeitsplatz hohen Stellenwert beimessen und etwaigen Belas-tungsfaktoren proaktiv begegnen.

Der Führungsstil beeinflusst die Motivation, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Beschäftigten. Gesundheitsförderliche Führung ist mit ausschlaggebend, wie gut Mitarbeitende mit Belastungen und Anforderungen des Arbeitsalltags umgehen können. Somit ist Führungsverhalten eine wesentliche Ressource für Gesundheit in Organisationen.

Zu den zentralen Aufgaben von Führungs-kräften im Rahmen von betrieblichen Präven-tions-, Behandlungs- und Rehabilitationspro-grammen gehören

■■ die Schaffung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen;

■■ das Führen von Präventions- und Stufen-plangesprächen bei wahrgenommenen Auffälligkeiten;

■■ das Eingreifen bei Verstoß gegen die Arbeitssicherheit;

■■ die Zusammenarbeit mit internen und externen Hilfseinrichtungen;

■■ das Vorbildverhalten im eigenen Umgang mit Belastungssituationen.

FÜHRUNG UND SEELISCHE GESUNDHEIT

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Auf 4 Handlungsfelder der psychischen Gesundheitsfaktoren haben Führungskräfte zentralen Einfluss.

PSYCHOSOZIALE RISIKEN

■■ Tätigkeit selbst: häufiger Kontakt mit herausfordernden KundInnen, emotionale Belastungen, Über-/Unterforderung …

■■ Arbeitsorganisation: unflexible Zeit-einteilung, wenig Planbarkeit, fehlende Pausenkultur …

■■ Arbeitsumgebung: schlechte Beleuchtung, enge Arbeitsräume ...

■■ Soziales Klima am Arbeitsplatz: Konflikte, fehlende Unterstützung, mangelnde Führungskultur …

GESUNDHEITSFÖRDERLICHE FÜHRUNG

■■ Konkrete und wertschätzende Rückmel-dung (auch ehrliche und offene Kritik)

■■ Regelmäßige, konstruktive MitarbeiterIn-nengespräche (im Gespräch bleiben)

■■ Klare Arbeitsaufträge und ausreichende Informationsflüsse

■■ Strukturierte und plan- und verstehbare Arbeitsabläufe

■■ Realisierbare Ziel- und Zeitpläne■■ Einbeziehen der Mitarbeitenden bei

Neustrukturierungen von Arbeitsabläufen und bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes

AUFGABENTÄTIGKEIT

■■ Unterschiedliche tätigkeitsbe-dingte Belastungen erkennen

■■ Faire Arbeitsverteilung berück-sichtigen

■■ Über- und Unterforderung vermeiden

ARBEITSORGANISATION

■■ Interne Stressoren vermeiden (z. B. Doppelgleisigkeiten, permanente Unterbrechungen ...)

■■ Die Arbeitsorganisation rhythmisieren

FÜHRUNGSKULTUR & ARBEITSKLIMA

■■ Erbrachte Leistungen anerkennen■■ Ein respektvolles Miteinander

und gegenseitige Unterstützung fördern

ARBEITSUMGEBUNG

■■ Ein entsprechendes Arbeitsumfeld schaffen

■■ Lärm, Hitze, Kälte, Ergonomie ... beachten

Gesundheitsorientierte Führung stellt sich der Herausforderung, Leistungs- und Gesundheitszielezu verbinden und berücksichtigt daher das Spannungsfeld von Fordern und Fördern. Der Effekt: Psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz werden verringert.

GESUNDHEITSORIENTIERTE FÜHRUNG

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Ist das auffällige Verhalten einer Mitar-beiterin bzw. eines Mitarbeiters nur eine vorübergehende Laune oder ein ernstzuneh-mendes Warnsignal? Sind ihre bzw. seine ständigen Streitereien böser Wille, Mangel an Selbstbeherrschung oder eine Erkrankung? Handelt es sich bei der deutlich nach lassenden Leistung um eine Verweigerung oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Kann eine Erkrankung der Grund für den Rückzug der bzw. des bislang im Team eingebundenen Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiters sein?

Im Umgang mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden herrscht oft Verunsicherung: Kann oder muss ich das, was ich wahrnehme, ansprechen? Und wenn ja, wie? Ist die Person nur in einer momentanen Krise oder steckt mehr dahinter? Wichtig ist es, auffällige Veränderun-gen möglichst frühzeitig anzusprechen und auch ExpertInnen beizuziehen. Die da hinter liegenden Themenstellungen erfordern oft professionelle Unterstützung.

WENN DIE SEELESOS FUNKT

ANERKENNUNG. Wir nehmen uns die notwendige Zeit für führen, fördern, fordern.

ERSTE ANZEICHEN KÖNNEN SEIN

■■ Unverrichtete Arbeit, weniger Produktivität, mehr Überstunden■■ Geringere Arbeitsqualität (Fehlerhäufigkeit)■■ Rückgang der KundInnenfreundlichkeit und nachlassendes Service■■ Probleme bei der Arbeit im Team und bei der Zusammenarbeit

zwischen den Abteilungen■■ Veränderungen der gewohnten Verhaltensweisen einer Person■■ Veränderungen der Gefühlslage (Niedergeschlagenheit, Gereiztheit)■■ Erhöhung der krankheitsbedingten Abwesenheiten

AUSZUG AUS DEN FÜHRUNGSGRUNDSÄTZEN DER STADT GRAZ.

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BEOBACHTBARE VERÄNDERUNGEN SIND U. A.

■■ Nachlassen der Konzentration und Merkfähigkeit und verrin-gerte Arbeitsgeschwindigkeit. Dadurch entsteht zusätzlich belastender Zeitdruck.

■■ Veränderungen im Sozialver-halten, hauptsächlich durch Rückzug und innere Verunsiche-rung. Bei manchen psychischen Krankheiten geschieht eher das Gegenteil, wie Gereiztheit und Spannungen mit dem kollegialen Umfeld. Erkrankte gelten dadurch oft als schwierige Mitarbeitende.

■■ Flexibilität und Kreativität nimmt gerade bei niedergeschlagenen Personen ab und stattdessen tritt vermehrt grüblerisches Verhalten und Entscheidungsunfähigkeit auf.

■■ Bei aufgebrachten, ruhelosen Personen werden nicht bewäl-tigbare/utopische Ideen und Vorhaben auftreten.

■■ Die Kritikfähigkeit ist herabge-setzt: Das Kritisieren der Arbeits-leistung oder des Verhaltens wird erkrankungsabhängig als Bestrafung, Abwertung oder Feindseligkeit empfunden.

PSYCHISCHE AUFFÄLLIGKEITEN

WICHTIG

■■ Eine psychische Erkrankung kann jeden Menschen treffen.

■■ Eindeutige Ursachen für psychische Erkrankungen gibt es nicht.

■■ Psychische Erkrankungen sind unter Einsatz diverser Methoden behandelbar, genauso wie körperliche Erkrankungen.

■■ Je früher eine Therapie beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung nicht chronisch wird.

■■ Nicht immer handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Manchmal ist es nur eine nachvollziehbare, nicht krankheitswertige Reaktion auf die Bedin-gungen/Umstände. Im Gespräch mit der betroffenen Person kann sich herausstellen, dass es genügt, für eine bestimmte Zeit die Arbeitsbedingungen zu verändern.

GROBEINTEILUNG & MERKMALE

■■ Menschen, die sich sonderbar und exzentrisch verhalten – oft leben sie isoliert (Paranoide, Schizophrene ...). Alles wird von ihnen entsprechend eines speziellen Rasters gefiltert und hochselektiv oder verzerrt wahrgenommen und häufig fehlinterpretiert.

■■ Menschen, die voller Tatendrang und spektakulärer Ideen und innerer Unruhe sind (Manische Psychotiker ...). Sie haben kaum willentliche Kontrollmöglichkeiten über Impulse, Reaktionsmuster, Beziehungs-gestaltung.

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■■ Menschen, die dramatisch, launisch oder hoch emotional wirken und bei Kritik extrem reagieren (Border- liner, narzisstische oder antisoziale Persönlichkeitsgestörte ...). Ihre Reaktionsmöglichkeiten auf externe und interne Informationen sind eingeschränkt.

■■ Menschen, die ängstlich, furchtsam oder niedergeschlagen wirken und ein sehr eingeschränktes Vermögen besitzen, auf Veränderungen flexibel zu reagieren (Zwanghafte, Depressive ...). Sie suchen nach sozialen Umgebungen, in denen sie möglichst nicht auffallen.

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Die Auflistung dient nur einer groben Orientierung und ist nicht für Diagnosezwecke geeignet.

ANGSTSTÖRUNG

Der Übergang von der normalen Angst zur behandlungsbedürftigen Krankheit ist fließend. Die Angst davor, dass die Symptome auftreten könnten, die Angst vor der Angst, ist stark ausgeprägt. Die betroffene Person zieht sich zunehmend beruflich wie privat aus ihrem sozialen Umfeld zurück und vermeidet angst-auslösende Situationen. Manchmal entstehen regelrechte Panikattacken.

BIPOLARE STÖRUNG

Die Erkrankten pendeln zwischen depressiven-gedrückten und manischen-euphorischen Phasen. Ihr Suizid-Risiko ist hoch. Die de pressiven Phasen sind deutlich länger als die manischen und lassen sich oft nicht klar voneinander abgrenzen.

DEPRESSION

Diese wird oft auch als Burnout bezeichnet und wirkt dadurch weniger stigmatisierend.Eine Depression kann sich unterschiedlich auswirken. Allerdings gibt es Symptome, die fast immer und meistens gemeinsam auftreten und zumindest zwei Wochen andauern sollten.

SYMPTOME DER ANGST

■■ Vermeidung der angstaus- lösenden Situation: Meeting s, KundInnenkontakt ...■■ Vermindertes Selbstwertgefühl:

Die Betroffenen sind unsicher und verunsichert, fühlen sich minderwertig. Daraus kann sich eine Depression entwickeln.

■■ Körperliche Symptome: Schwindel, Herzrasen, Erröten, Unruhe, Magen-/Darm- probleme, Schlafstörungen ...

SYMPTOME DER MANIE

■■ Überbordende Euphorie■■ Übersteigerte Aktivität■■ Herabgesetztes Schlafbedürfnis■■ Sprunghaftigkeit in Gedanken

und im Handeln, wenig Kontinuität■■ Provoziert Konflikte mit anderen■■ Rededrang erhöht, mischt sich

überall ein■■ Übersteigertes Selbstwertgefühl■■ Umsetzung riskanter und wenig

durchdachter Unternehmungen

SYMPTOME DER DEPRESSION

■■ Innere Leere und Traurigkeit; fehlende Lebensfreude■■ Schlafstörung; herabgesetzter oder gesteigerter Appetit■■ Schwindendes Interesse; kaum Interesse an Sexualität■■ Antriebslosigkeit; Vermeidung sozialer Aktivitäten■■ Konzentrationsschwäche: Vergesslichkeit und Flüchtigkeitsfehler■■ Schuldgefühle und Selbstanklagen: Sehen sich nicht als Erkrankte, sondern als

Versager; fühlen sich wertlos und als Belastung für andere Achtung: Nicht immer ist die typische Bedrücktheit vorhanden. Es gibt auch Formen derDepression, die mit erhöhter Agitiertheit oder verschiedenen körperlichen Leiden (ohne Befund) wie Rückenschmerzen, Übelkeit, Herzrasen ... einhergehen.

Es ist NICHT die Aufgabe von Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen, psychische Erkrankungen zu erkennen oder gar zu diagnostizieren.

HÄUFIGE PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN

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UMGANG MIT PSYCHISCH BELASTETEN MITARBEITERINNEN UND MITARBEITERN

Die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat großen Einfluss auf das Arbeits-klima und die Produktivität einer Abteilung. Eine wesentliche Aufgabe als Führungskraft ist es, die im Haus Graz geltenden Führungsgrund-sätze im Arbeitsalltag umzusetzen.

Gute Führung bedeutet, dass Sie auf gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen achten. Sie sind sich bewusst, dass Gesundheit eine wesentliche Grundlage für engagierte Arbeit und hohe Leistung ist. Und Sie sind sich auch darüber bewusst, dass die psychische Gesundheit gleich bedeutsam wie die körperliche Gesundheit ist.

Zahlreiche Studien belegen eine Zunahme von psychischen Erkrankungen. Insbeson-dere in Zeiten vielfältiger Umorganisationen und damit verbundener Veränderungen haben Menschen mitunter Schwierigkeiten, im Arbeitsalltag Schritt zu halten.

Nicht alle Belastungen am Arbeits-platz können reduziert und nicht alle psy chischen Erkrankungen verhindert werden. Ein rechtzeitiges Ansprechen und Handeln in Form einer strukturierten Hilfe kann aber dazu beitragen, langfristige oder chroni-sche Erkrankungen zu verhindern, Gesundheit zu fördern und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

Die vorliegende Interventionskette soll Sie unterstützen, die notwendigen Schritte einzuleiten.

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INTERVENTIONSKETTE

HINSEHEN

Sie bemerken Veränderungen oder Auffälligkeiten bei einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter (z. B.: Abfall der Arbeitsleistung, häufiges Fehlen, Stimmungsänderungen, Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug, Aggression, körperliche Veränderungen …).

Teilen Sie nach Möglichkeit Ihre Beobachtungen mit anderen. Er/Sie ist halt so: Mitunter existieren die auffälligen Verhaltensweisen schon länger und wurden übersehen bzw. wenig beachtet. Vielleicht hat sich die soziale Umgebung auch an die Verhaltensmuster gewöhnt.

INITIATIVE ERGREIFEN

Schaffen Sie möglichst rasch einen passenden und störungsfreien Rahmen für das Gespräch. Je früher das passiert, desto schneller kann Hilfe eingeleitet werden. Ein Nicht-Ansprechen führt dazu, dass die betroffene Person länger oder sogar dauerhaft leidet.

Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor. Berücksichtigen Sie die Situation. Sie werden Geduld, Flexibilität und Verständnis aufbringen müssen.

Teilen Sie dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin Ihre Wahrnehmungen mit. Begründen Sie Ihre Vermutung mit konkreten Beispielen oder Beobachtungen. Werten, interpretieren oder verallgemeinern Sie nicht. Üben Sie keinen Druck aus.

Machen Sie klar, dass Sie sich Sorgen machen. Bieten Sie möglichst konkrete Unterstützungs-möglichkeiten zu einer Besserung der Arbeitsplatzsituation an.

Fragen Sie nach, ob die betroffene Person Hilfe benötigt. Weisen Sie auf interne oder externe Unterstützungsangebote hin.

Manche Betroffene bestreiten das dargelegte Verhalten, weichen aus oder erklären ihr Verhalten mit äußeren Gegebenheiten oder verwirrendem Bedingungsgefüge. Leisten Sie keine Überzeugungsarbeit und lassen Sie sich nicht zu sehr involvieren. Bleiben Sie in Ihrer Rolle als Führungskraft.

Ziel des ersten Gesprächs ist es, die betroffene Person mit beobachteten Veränderungen/Tatsachen klar, aber behutsam zu konfrontieren und ihr die Möglichkeit zu geben, über Probleme am Arbeitsplatz zu reden.

H INSEHENINITIATIVE ERGREIFENLEITUNGSFUNKTION WAHRNEHMENFÜHRUNGSVERANTWORTUNGEXPERTINNEN UND EXPERTEN HINZUZIEHEN

1 Überarbeitete Quelle: H-I-L-F-E–Konzept für Unternehmen: www.psz.co.at

Wenn Sie als Führungskraft vermuten, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin psychisch instabil oder belastet ist, so setzen Sie das Prinzip H.I.L.F.E.1 ein.

STUFE 1

STUFE 2

GRUNDSÄTZLICHES

■■ Handeln Sie bei einer psychischen Beeinträchtigung sinngemäß so, wie Sie es bei einer körperlichen Beeinträchtigung tun würden.

■■ Verständnis, Wertschätzung und eine berechtigte Leistungserwartung schließen sich nicht gegenseitig aus. Klarheit und Konsequenz ist auch für psychisch Belastete hilfreich.

■■ Eine überfürsorgliche und behütende Haltung wirkt sich genauso negativ auf das Krankheitsbild aus wie das ausschließliche Bestehen auf der erforderlichen Leistung.

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LEITUNGSFUNKTION WAHRNEHMEN

Wenn sich der Gesamtzustand nach dem ersten Gespräch nicht verbessert (Zeitraum etwa 3 bis 4 Wochen), führen Sie ein zweites Gespräch. Die Vorgehensweise entspricht der des ersten Gesprächs und dient zur weiteren Einschätzung der Situation.

Versuchen Sie gemeinsam Lösungswege für die Arbeitssituation und das Verhalten zu finden, damit der/die Betroffene am Arbeitsplatz verbleiben kann (z. B.: Arbeitsaufteilung im Team überdenken, eine bessere Balance zwischen Anforderung und Leistungsfähigkeit herstellen, betriebsinterne Hilfsmöglichkeiten in Anspruch nehmen).

FÜHRUNGSVERANTWORTUNG

Wenn die Situation nach wie vor andauert (Zeitraum etwa 3 bis 4 Wochen):■■ Vereinbaren Sie konkrete Arbeits- und Verhaltensziele■■ Dokumentieren Sie Vereinbarungen und auch die Leistungs- und Verhaltensveränderungen■■ Empfehlen Sie professionelle Unterstützung■■ Reflektieren Sie Ihre etwaige eigene Mitwirkung bzw. Ihre Führungsrolle

Vermitteln Sie Ihre Verantwortung für die Belange des Dienstgebers bzw. einen optimalen Arbeitsablauf. Trotz Krise sollen Sie angemessene Forderungen nach Arbeitsleistung stellen. Wichtig ist es, die Balance zwischen Unter- und Überforderung zu finden.

EXPERTINNEN UND EXPERTEN HINZUZIEHEN

Sie können zu jedem Zeitpunkt der Interventionskette interne Fachleute einbeziehen. So bekommen Sie und auch die betroffene Person Unterstützung. Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner können helfen, die Arbeitsbelastung an die Situation anzupassen, Arbeits-psychologinnen und Arbeitspsychologen können behilflich sein, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern, die Interne Krisenprävention und -intervention (Seite 80) kann bei lösungs-orientierter Herangehensweise unterstützen.

(EIGEN-) VERANTWORTUNG DER DIENSTNEHMERiNNEN

Alle Beschäftigten der Stadt Graz müssen sich so verhalten, dass Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte nicht Situationen ausgesetzt sind, die geeignet sind, deren seelische Gesundheit am Arbeitsplatz zu gefährden.

Von eigener Erkrankung Betroffene müssen, innerhalb der Grenzen der Zumutbarkeit, alles Erkennbare tun, um rasch wieder gesund zu werden. Nicht nur im Interesse des Dienstgebers (möglichst rasche Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit), sondern auch zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen, die einspringen bzw. vertreten müssen und daher Mehrbelastungen ausgesetzt sind.

VERHALTEN BEI EIGENER (SEELISCHER) ERKRANKUNG

Darüber hinaus sind alle Beschäftigten im Falle der eigenen (seelischen) Erkrankung zu Folgendem verpflichtet:■■ Er oder sie darf kein Verhalten setzen, das ärztlichen Anordnungen zuwiderläuft, so dass der

Krankheitsverlauf negativ beeinflusst oder verzögert werden könnte.■■ Er oder sie hat auf die allgemeine Lebenserfahrung und die üblichen Verhaltensweisen im

Krankenstand Bedacht zu nehmen (keine Nebenjobs, kein nächtelanges Feiern etc.). Dabei ist es unerheblich, ob der Arzt/die Ärztin bestimmte Tätigkeiten ausdrücklich untersagt hat oder nicht.

Von direkt Betroffenen wird daher erwartet, dass sie alle erforderlichen Unterstützungsmöglichkeiten (wie zumutbare Psychotherapien, klinisch-psychologische Behandlungen ...) in Anspruch nehmen.

PRINZIP H.I.L.F.E. FÜHRT ZU EINER STABILEN/POSITIVEN VERÄNDERUNG

■■ Geben Sie dem/der Betroffenen eine Rückmeldung über den positiven Verlauf und bleiben Sie in Kontakt.

PRINZIP H.I.L.F.E FÜHRT ZU KEINER VERÄNDERUNG

■■ Geben Sie eine Rückmeldung über den negativen Verlauf.■■ Ziehen Sie weitere Personen offiziell hinzu (analog Stufenplan Betriebliche

Suchtprävention, S. 40–45).■■ Informieren Sie die betroffene Person, dass Sie dies aus Fürsorgepflicht tun und

leiten Sie gegebenenfalls disziplinarische Maßnahmen ein.

STUFE 4

STUFE 3

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IN AKUTEN KRISENSITUATIONEN

WÄHRENDDESSEN … UND DANACH

Nützen Sie die Chance, eventuell krank-heitsfördernde Faktoren in der Dienststelle festzustellen. Diese könnten nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für andere Mitarbeitende bedeutend sein. Hier spannt sich der Bogen von Arbeitsanweisungen, Kommunikationsvorgängen bis hin zum Sozial verhalten aller.

Klären Sie bzw. lassen Sie die anderen Mitarbeitenden darüber aufklären, welche Umgangsformen bei der Rückkehr des/der Betroffenen günstig sind.WAS SIE TUN SOLLEN

■■ Ruhe bewahren.■■ Bleiben Sie klar und akzeptieren Sie den momentanen Zustand Ihres Mitarbeiters/

Ihrer Mitarbeiterin. Versuchen Sie die Person zu beruhigen und nicht etwaige Wahnideen auszureden. Sprechen Sie die Person ruhig an und ermuntern Sie ihn/sie ruhig zu atmen.■■ Wenn Sie das Gefühl haben, dass sie nicht gut für sich sorgen kann,

führen Sie die betroffene Person (eventuell mit einer Begleitperson) zum Hausarzt/zur Hausärztin oder zu einer Hilfseinrichtung (S. 83).

■■ Lehnt die ersichtlich akut erkrankte und gefährdete/gefährdende Person jede Hilfe ab, sollten Sie sich nicht scheuen, die Rettung zu rufen.

■■ Im Falle einer akut bedrohlichen Situation – wie ein angekündigter Suizid oder eine gefährliche Drohung – kann es notwendig werden, die Polizei zu rufen.

WAS SIE NICHT TUN SOLLTEN

■■ Hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Dies wird meistens bemerkt und (miss-)interpretiert.

■■ Witze über psychische Erkrankungen oder Sarkasmus sind demütigend und krankheitsfördernd.

■■ Zuschreibungen tätigen: Will ja gar nicht arbeiten, Drückt sich nur erfolgreich, Handelt sich Sonderrechte aus usw.

Der/die rückgekehrte Betroffene sollte umge-hend über etwaige Veränderungen aufge-klärt werden. Der/die RückkehrerIn muss nicht übergeschont werden, sondern soll die Möglichkeit bekommen, sinnvoll und adäquat eingesetzt zu werden. Auch sollen sich die anderen Mitarbeitenden nicht im Umgang mit dem/der Betroffenen überfordern lassen und ausgemachte Grenzen auch ziehen dürfen.

Denken Sie daran, dass die Führungsprin-zipien der Stadt Graz auch für psychisch erkrankte und wiedergenesene Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter gelten.

Wahnvorstellungen, Desorientierung und Ähnli-ches können auftreten. Von einer Depression Betroffene wirken dagegen verzweifelt, sind in vielen Belangen los (hoffnungslos, Sinnlosigkeits-gefühle, antriebslos usw.), äußern unter Umstän-den auch – zumeist verdeckt – Suizid gedanken und Resignation, sind eventuell aggressiv sich selbst gegenüber oder – bei Männern häufiger – aggressiv gegenüber anderen. In solchen Fällen sollten Sie handeln, da ein psychiatrischer Notfall vorliegt!

Zwar entwickeln sich viele psychische Erkrankungen erst allmählich. Aber gerade psychotische Schübe können – auch bedingt durch spezielle auslösende Situationen am Arbeitsplatz – für Außenstehende rasch und scheinbar unvermittelt auftreten.

Psychotische Zustände äußern sich für gewöhn-lich durch Erregung, motorische Unruhe und nicht selten in Begleitung von Panikattacken oder Aggressionen.