Semantik I

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Einführung in die LinguistikButt & Co.

Do. 12:15 - 13:45Fr. 12:15 - 13:45

Infos etc.http://ling.uni-konstanz.de

=> Studium => Lehrveranstaltungen

⇒Einführung in die Linguistik

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Organisatorisches

447 Klausur geschrieben

Sie sollten mindestens 40% haben um eine Chance haben, den Kurs zu bestehen.

30 Leute haben diese Grenze nicht geschafft.

Prozentsatz Note ca. Anzahl der Leute85-100 1 70 75-84,5 2 13065-74,5 3 9450-64,5 4 10040-49,5 5 27

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Semantik I

Page 4: Semantik I

SemantikDie Semantik ist die Theorie der sprachlichen Bedeutung.

Im Detail geht es um:

• Ambiguitäten (lexikalische und strukturelle)

• Beziehungen zwischen Wörtern (z.B. Synonymie)

• Satzbedeutung— Ermittlung von Wahrheitswerten (ist ein Satz wahr?)

— Identifikation von Referenten in der Welt

— Diskursverständnis

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Semantik

Guter Text:

Semantik: Eine Einführung von Sebastian Löbner

N.B. Ein grosser Teil des Materials auf diesen Folien geht zurück auf die Skripte von Wilhelm Geuder (Einf. in die Ling. 2001), Ingrid Kaufmann und Barbara Stiebels.

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• Auf der Ebene des Wortes in Zusammenspiel damit, was in der Syntax für Zusammensetzungen möglich sind.

Ambiguität

Eine Ambiguität liegt vor, wenn ein Satz oder ein Wort mehrdeutig ist.

Mehrdeutigkeiten können auf verschiedene Weisen entstehen.

• Auf der Ebene des Wortes (lexikalische Ambiguität)

• Auf der Ebene der syntaktischen Zusammensetzung (es muss keine in sich ambigen Worte geben).

Page 7: Semantik I

Lexikalische AmbiguitätEine Ambiguität liegt vor, wenn ein Satz oder ein Wort mehrdeutig ist.

Sie spazierte zur Bank.

Sie spielte ein Klavier.

GeldinstitutPlatz zum Sitzen

Musik produzierenEwas schauspielerisch darstellen

setzte sich, und genoss das Panorama.

und hob 100 Euro ab.

Eine Ambiguität kann oft erst durch weitere Informationen im Kontext aufgelöst werden.

und wurde für die gute Darstellung eines unbelebten Objekts hoch gelobt.

und wurde für die gelungene Musik gelobt.

Page 8: Semantik I

Lexikalische AmbiguitätEin Wort, das mehrdeutig ist, ist polysem.

Polysemie: Ausdruck mit verschiedenen Bedeutungen, die alle auf eine Grundbedeutung zurückgeführt werden können (etymologisch gleiche Wurzel).

Weitere Beispiele:Ton: 1) Musik (falscher Ton, hoher Ton)

2) Redeweise (ungehöriger Ton)3) Linguistik (Ton/Akzent auf Silben)4) Farbe (kräftiger Ton)

Horn:

1) Teil von Tieren (spitze, gebogene Hörner)2) Material (Brille aus Horn)3) Musik (Hörner im Orchester)

5) Material (Tontauben)

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Lexikalische Ambiguität

Ambiguität kann aber auch durch Homonyme entstehen.

Homonyme sind Wörter, die zwar verschieden sind, aber gleich ausgesprochen werden (Homophone) oder gleich geschrieben werden (Homographe).

“How is bread made?”“I know that!” Alice cried eagerly. “You take some flour—”“Where do you pick the flower?” the White Queen asked. “In a garden, or in the hedges?”“Well it isn’t picked at all,” Alice explained: “it’s ground—”“How many acres of ground?” said the White Queen.

Alice in Wonderland, Lewis Carroll

von “to grind”

mit Deutsch “Grund” verwandt

Homophone

Homo-graphe

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Lexikalische Ambiguität

Homonymie: formgleiche, nichtverwandte (nicht etymologisch verwandt) Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung.

Weitere Beispiele:Homophonie:

Mohr/Moor Homographie: Ténor/Tenór

Um zu entscheiden, ob Wörter polysem oder homonyn sind, muss man die etymologische Geschichte der Wörter kennen(aber das ist kein muttersprachliches Wissen, also ist diese Unterscheidung keine sehr natürliche).

Beispiel: Schloß (auf dem Berg, zum Wohnen)vs. Schloß (an der Tür zum Abschließen) ?

Page 11: Semantik I

Lexikalische/Strukturelle Ambiguität

Warum sind solche Sätze ambig?

Fruit flies like a banana.

Visiting relatives can be dangerous.

AV

N Modal V A

N NV

V P

D N

Einzelne Worte sind mehrdeutig, weil sie verschiedenen Wortarten zugeordnet werden können.

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Lexikalische/Strukturelle Ambiguität

Weiterhin ist die Struktur des Englischen so, dass beide möglichen Wortarten gut in eine mögliche syntaktische Struktur passen.

VisitingA N Modal V A

relatives can be dangerous

I’

IP

INPi AP

V’VP

relatives ist der Kopf, visiting ein Adjunkt

ti

t=trace (Spur von erfolgter Bewegung),Subskript sagt welche XP sich bewegt hat.

Page 13: Semantik I

Lexikalische/Strukturelle Ambiguität

VisitingV N Modal V A

relatives can be dangerous

I’

IP

INP

V’

VPi

APV’

VP

visiting ist der Kopf, relatives das Komplement (Argument)

ti

Hier haben wir eine VP, die als Subjekt fungiert.

Page 14: Semantik I

Strukturelle Ambiguität

Man muss aber nicht unbedingt mehrdeutige Wörter haben, um ambige Sätze zu erzeugen.

Shankar sah den Affen mit dem Fernrohr.

Frage: Wer hat das Fernrohr?

1. Möglichkeit (Lesart): der Affe hat das Fernrohr.

2. Möglichkeit (Lesart): Shankar hat das Fernrohr.

Hier handelt es sich um eine rein strukturelle Ambiguität, denn die 2 Lesarten kommen durch 2 verschiedene syntaktische Analysemöglichkeiten zustande.

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Strukturelle Ambiguität1. Lesart: der Affe hat das Fernrohr

Shankar sah den Affen mit dem FernrohrN [+Past] P D

I’

IP

I PP

V’

VP

NPi

ND

NP

V N

PP ist Adjunkt von NP: der Affe hat das Fernrohrti

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Shankar sahN [+Past]

I’

IP

V’

NPi

V

Strukturelle Ambiguität2. Lesart: Shankar hat das Fernrohr

den Affen mit dem FernrohrP D

I PP

VP

ND

NP

N

PP ist Adjunkt von VP (das Sehen passiert mit dem Fernrohr)

ti

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Strukturelle Ambiguität

Die strukturelle Ambiguität mit PPs ist allgemein als “PP-attachment” bekannt.

Shankar sah den Affen mit dem Fernrohr.

Sie stellt ein riesiges Problem für die Computerlinguistik dar, da man im Prinzip unendliche viele PPs als Adjunkte haben kann, und jede weitere PP die Ambiguität um einen Faktor von 2 erhöht.

2 Lesarten

Shankar sah den Affen mit dem Fernrohr auf der Mauer. 4 Lesarten

Shankar sah den Affen mit dem Fernrohr auf der Mauer vor dem Fenster.

8 Lesarten

...

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Strukturelle Ambiguität

Strukturelle Ambiguitäten bereiten auch Schwierigkeiten für das menschliche Verarbeiten von Sätzen (parsing).

The

Ein bekanntes Beispiel:

Stefan

Der erste Satz ist ein sogenannter “garden path”.

The horse ridden past the barn fell.

“raced” kann intransitiv oder transitiv (Partizip) sein, “ridden” nur transitiv

Deutsches Beispiel (aber hier setzen wir meist Komma, oder haben eine desambiguierende Intonation):

horse raced past the fell.barn

versucht das Rennen aufzugeben zögerte.

Page 19: Semantik I

Parsing ProblemeTrotz eindeutiger Strukturen sind manche Sätze schwer zu verarbeiten.

The man the girl likes is here.

The man the girl the boy knows likes is here.

Derjenige, der denjenigen, der das getan hat, anzeigt, erhält eine Belohnung.

Relativsätze sind rekursiv und somit infinit oft zu gebrauchen.

Derjenige, der denjenigen, der das Schild, das an der Straße, die nach Weimar führt, stand, umgeworfen hat, anzeigt, erhält eine Belohnung.

Obwohl die Relationen immer lokal sind hat der Mensch trotzdem große Verarbeitungschwierigkeiten.

Page 20: Semantik I

Rekursivität bei Relativsätzen

The man the girl likes is here.

The man the girl the boy knows likes is here.

Relativsätze sind rekursiv und somit infinit oft zu gebrauchen.

S -> NP VP

VP -> V (AP)

VP -> V (NP)

NP -> (D) AP* N

NP -> (D) AP* N S

NP-Regel bis jetzt:

NP-Regel neu (mit Relativsatz)

AP -> ADV* A

Page 21: Semantik I

Lokalität

The man the girl likes is here.

The man the girl the boy knows likes is here.

Relativsätze sind rekursiv aber die Relationen sind sehr lokal, d.h., die Worte, die miteinander in Beziehung stehen sind nicht weit weg voneinander entfernt.

Obwohl die Relationen immer lokal sind hat der Mensch trotzdem große Verarbeitungschwierigkeiten.

The man is here the girl likes the man

The man is here the girl likes the man the boy knows the girl

Page 22: Semantik I

Lokalität

Derjenige, der denjenigen, der das getan hat, anzeigt, erhält eine Belohnung.

Relativsätze sind rekursiv aber die Relationen sind sehr lokal, d.h., die Worte, die miteinander in Beziehung stehen sind nicht weit weg voneinander entfernt.

Derjenige, der denjenigen, der das Schild, das an der Straße, die nach Weimar führt, stand, umgeworfen hat, anzeigt, erhält eine Belohnung.

Derjenige erhält eine Belohnung

der denjenigen anzeigt

der das Schild umgeworfen hat

Derjenige erhält eine Belohnung

das an der Straße stand

der denjenigen anzeigt

die nach Weimar führt

Page 23: Semantik I

MetaphernDie Bezeichnung “garden path” beim Parsing kommt von to lead somebody down the garden path und bedeutet “jemanden irreführen”.

Diese Art von semantischer Bedeutung hat sehr wenig mit den Details der syntaktischen Struktur zu tun, stellt aber auch ein Art von Ambiguität dar.

Hier wird also ein Ausdruck geprägt, der auf eine reelle Gegebenheit (oder ein Bild) in der Welt zurückgreift, diese aber nur abstrakt meint. Das ist eine Metapher.

Also: jemanden im Garten verloren lassen gehen =

jemanden irreführen

Page 24: Semantik I

Metaphern

John is a snake in the grass.

Bei Metaphern gibt es immer eine wörtliche und eine übertragene Interpretation (bildhafter Vergleich, Ähnlichkeitsbeziehung).

Wörtlich: John ist eine Schlange, die sich gerade im Grass befindet.

Metaphorisch: John ist nicht zu trauen.

Page 25: Semantik I

Abweichung von wörtlicher BedeutungDer bildhafte Vergleich (übertragene Interpretation) stellt eine Abweichung von der wörtlichen Bedeutung dar.

Du bist ein Elefant im Porzellanladen.

Wörtlich: Du bist ein Elefant, der gerade in einem Porzellanladen ist.

Metaphorisch: Du bist extrem ungeschickt.

Page 26: Semantik I

Abweichung von wörtlicher BedeutungMetonymie ist eine Begriffsübertragung, die voraussetzt, dass ein semantischer Zusammenhang zwischen den tatsächlichen Referenten und dem gewählten Ausdruck besteht.

Das Jägerschnitzel am Ecktisch hat noch nicht bezahlt.

Ich liebe Goethe.

Komm, lass uns noch ein Glas trinken.

Tatsächlicher Referent: Mensch im Restaurant

Gewählter Ausdruck: Das Ding, das der Mensch gegessen hat.

Tatsächlicher Referent: Goethes Werke

Gewählter Ausdruck: Der Author der Werke (Goethe, der Mensch).

Tatsäch. Ref.: Inhalt des Glases

Gewählter Ausdruck: Objekt, das den Inhalt enthählt.

Page 27: Semantik I

Idiome“Eingefrorene” Ausdrücke mit einer bestimmten Bedeutung, die aber nicht unbedingt zugänglich ist (man muss sie auswendig lernen).

Du bist ins Fettnäpfchen getreten.

Was ist überhaupt ein Fettnäpfchen?

Er hat was auf dem Kerbholz.

Oder ein Kerbholz?

Er stand unter ihrer Fuchtel.

Oder eine Fuchtel?

Page 28: Semantik I

Metapher vs. MetonymieDer Unterschied zwischen Metapher und Metonymie (und Idiomen) bereitet erfahrungsgemäß Schwierigkeiten.

Metapher MetonymieWie sind die folgenden Beispiele einzuordnen?

Es brennt mir unter den Fingernägeln.

Etwas auf die Goldwaage legen.

Das Weiße Haus macht Schlagzeilen.Den Faden verlieren.

Er isst seinen Teller auf.

Die Kinder fressen mir die Haare vom Kopf.

Unter einer Decke stecken.Das Eis brechen.

Italien hat beim Fußball gewonnen.

Wir sind Papst.

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Metapher vs. MetonymieDer Unterschied zwischen Metapher und Metonymie (und Idiomen) bereitet erfahrungsgemäß Schwierigkeiten.

Idiom MetonymieWeitere Beispiele?

Metapher

Die Arschkarte ziehen. Sie hat einen Braten in der Röhre

Er ist ein Schlitzohr.Ein Brett vor dem Kopf haben.Den Löffel abgeben

Die Uni streikt.

Die Nummer 27 hat gewonnen.

Hier steppt der Bär

Lügen haben kurze Beine.

Die Zeitung schreibt viel Mist.