Skrjabin Vortrag Mit Folienangaben

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Jürgen Stolzenberg (Halle)

Esoterik in der Musik der Moderne: Alexander N. Skrjabin

Öffentlicher Abendvortragim Rahmen der Tagung

„Aufklärung und Esoterik - Wege in die Moderne“, 9.-12. März 2010

11. März, 20:00 h, Händelhaus Halle

Als Alexander Nikolajewitsch Skrjabin am 27. April 1915 völlig unerwartet im Alter von 43

Jahren an einer Blutvergiftung starb, hinterließ er ein Werk, das von den Zeitgenossen als eine

der bedeutendsten Leistungen der Musik der Moderne gewürdigt wurde. Die zahlreichen im

ersten Jahrzehnt nach dem Tode Skrjabins in Russland erschienenen Monographien zu Leben

und Werk bieten hierfür die Belege. Seit der Mitte der 20er Jahre indessen galt Skrjabin als

„Feind des Sozialismus“, und sein Werk wurde als Ausdruck bourgeoiser Dekadenz verurteilt

(Schibli, 349). Eine Rehabilitierung Skrjabins setzte in den 40er Jahren ein. Die europäische

Rezeption erfolgte nur zögernd. Erst 1969 erschien in England eine zweibändige Skrjabin-

Monographie. Im Zuge einer verspäteten internationalen Skrjabin-Renaissance erschien 1983

die erste umfassende Einführung in Leben und Werk Skrjabins in deutscher Sprache.

Versucht man, die herausragende Bedeutung von Skrjabins Werk in einem ersten Zugriff zu

umreissen, dann lässt sich das Folgende sagen: Unter dem Eindruck und im Ausgang von dem

Werk Chopins, Liszts und Wagners gelangte Skrjabin, insbesondere in den Klaviersonaten

und Orchesterwerken der letzten Jahre, zu einer bis dahin unerreichten Differenzierung und

Intensität des musikalischen Ausdrucks und, zeitlich parallel zu Arnold Schönberg, doch

völlig selbständig und auf eine ganz andere Weise, zur Überschreitung der Grenzen der

Tonalität. Damit ist das Entscheidende noch nicht gesagt. Das Entscheidende – und nicht nur

für das Thema dieser Tagung – ist darin zu sehen, dass Skrjabins Werk sich unter einer

zunehmenden Konzentration auf Ansichten und Ideen ausgebildet hat, die der Tradition

neuzeitlicher Esoterik zuzuordnen sind. Wie kein anderes verkörpert das Werk Skrjabins die

Esoterik in der Musik der Moderne.

I.

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Was ist damit gemeint? Das Erste und Naheliegendste, was zu tun ist, ist zu klären, ob und

wenn ja auf welche Weise die bekanntlich zwar nicht unumstrittenen, in heuristischer Absicht

aber durchaus bewährten, von Antoine Faivre vorgeschlagenen vier zentralen Komponenten

der Esoterik als Denkform auch das Denken Skrjabins prägen. Diese Komponenten sind

bekanntlich das Denken in Entsprechungen, sodann die Idee einer belebten Natur, ferner die

Annahme von Imagination und Mediationen als Mittel der Entdeckung jener Entsprechungen

und schließlich die Erfahrung der Transmutation.

Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Alle vier Komponenten lassen sich in Skrjabins

Denken nachweisen. So verstand Skrjabin sein künstlerisches Schaffen als eine genaue

Analogie zu kosmischen Prozessen. Die Idee der belebten Natur entspricht der für das Denken

Skrjabins zentralen Annahme eines universalen Weltwillens, dessen Wirken sich in der

gesamten Natur darstellt und objektiviert. Die Musik ist für Skrjabin unmittelbarer Ausdruck

dieses Weltwillens. Die Imagination als Organ der Entdeckung von Entsprechungen und

Vermittlungen zeigt sich zum einen in der Einsicht in jene Analogien, zum anderen liegt sie

der Kunst und dem künstlerischen Schaffen, und insbesondere der Musik, zugrunde. Als

Instanz der Mediation eines ausgezeichneten, ‚absoluten’ Wissens sah Skrjabin sich in eigener

Person an. Die Erfahrung der Transmutation schließlich, der Verwandlung des Menschen

aufgrund der Teilhabe an einem ‚absoluten Wissen’, hat Skrjabin als das eigentliche Ziel

seines kompositorischem Werks verstanden. Seine Realisierung sollte es in einem kollektiven

Ritual in der Form eines alle Kunstformen vereinigenden synästhetischen Mysteriums finden,

das am Ende auch die Grenze zwischen Kunst und Wirklichkeit aufheben sollte. Am Ende

seines Lebens arbeitete Skrjabin jedoch an einem anderen Projekt, der sog. „Vorbereitenden

Handlung“ (Acte préalable), mit der das eigentliche Mysterium vorbereitet werden sollte.

Lassen sich auf diese – noch recht äußerliche und auch interpretationsbedürftige – Weise

einige der Grundüberzeugungen Skrjabins zentralen Elementen der Esoterik als Denkform

zuordnen, sieht man sich sogleich an weiter reichende Fragen verwiesen. Sie betreffen den

konzeptuellen Zusammenhang dieser Elemente sowie die philosophischen,

kunsttheoretischen, ästhetischen und esoterischen Traditionen und Diskurse, in denen sich das

Denken Skrjabins ausgebildet hat. Hier fällt die Antwort naturgemäß weniger leicht. Im

Folgenden kann nur der authentische Kern dieser Konstellation berücksichtigt werden.

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Skrjabin war kein systematisch ausgebildeter Philosoph, er war aber doch mehr als ein

„ungeschulter Liebhaber-Philosoph“, wie der Musikwissenschaftler Leonid Sabanejew ihn

charakterisierte (Schibli). Skrjabin war ein Philosoph aus Passion, der über eine erstaunliche

konzeptuelle und argumentative Kompetenz verfügte. Dies geht mit hinreichender

Deutlichkeit aus umfangreichen philosophischen Raisonnements hervor, die Skrjabin in den

Jahren 1904-1906 zur Selbstverständigung und zum eigenen Gebrauch in mehreren

tagebuchartigen Heften niedergeschrieben hat. Sie sind 1924 aus dem Nachlass in deutscher

Übersetzung unter dem tendenziösen und eher unpassenden Titel Prometheische Phantasien

veröffentlicht worden. Anhand der Lektüre zentraler Werke der Philosophie des 18. und 19.

Jahrhunderts, im intensiven Kontakt mit Freunden und inspiriert durch zahlreiche

Diskussionen in philosophischen Gesellschaften, deren Mitglied er war, zu denen in den

letzten Jahren Kontakte zu theosophischen Kreisen hinzukamen, entwickelte Skrjabin eine

weltanschauliche Konzeption, in der den skizzierten esoterischen Elementen eine konstitutive

Bedeutung zukommt.

II.

Um Sie nun nicht gleich zu Beginn mit metaphysischen oder gar esoterischen Spekulationen

allzu sehr zu beschweren, möchte ich Ihnen, gleichsam als Introduktion, eine erst vor kurzem

in deutscher Übersetzung veröffentliche Erinnerung des Neukantianers Boris Focht an ein

Gespräch mit Skrjabin aus dem Jahre 1910 vorstellen. Es dokumentiert Skrjabins Sympathie

mit dem Grundprinzip der Philosophie Fichtes, das bekanntlich in dem Satz „Ich bin“

formuliert ist. Sein Gehalt besteht in der Idee einer absoluten, substratlosen Tätigkeit, durch

die das Subjekt des Denkens in cartesianischer Evidenz seine eigene Wirklichkeit gewahrt

und die zugleich als Ursprung aller Realität zu denken ist.

Das Gespräch fand im Hause des berühmten Dirigenten und Förderers Skrjabins, Sergej

Kussevitzky, statt. Ohne Umschweife kam man gleich zur Sache, und das war die Frage, auf

welche Weise das Grundprinzip des Seins gedacht werden müsse: ob als etwas substanzial für

sich Bestehendes, oder, wie Skrjabin dafürhielt, als eine absolute produktive Tätigkeit, die auf

eine gleichsam performative Weise durch ihren unbedingten Vollzug sich selbst und alle

Realität ursprünglich erzeugt. Genau so verstand Skriabin Fichtes Grundgedanken. Focht

zeigte sich einverstanden.

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Hocherfreut setzte sich Skrjabin daraufhin an den Flügel: „Schauen Sie mal, wie ich dies in

der Musik ausdrücke!“ Und nun, so berichtet Focht, spielte Skrjabin „mit außerordentlicher,

erschütternder Kraft das nur sich selbst behauptende, alles andere vorerst entschlossen

wegwerfende ‚Ich bin’.“ – „Nun, was sagen Sie?“ – „Ehrlich gesagt“, antwortete Focht, „es

ist viel stärker und wahrscheinlich im gewissen Sinne sogar verständlicher und begreiflicher

als bei Fichte.“ Auch damit zeigte sich Alexander Nikolajewitsch einverstanden.

Boris Focht hat keine Angaben über die musikalische Gestalt des Fichteschen „Ich bin“

gemacht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Skrjabin ein Thema aus seiner 3. Sinfonie

vorspielte, die er bereits einige Jahre zuvor komponiert hatte. Sie trägt den Titel Le Poème

divin – Göttliche Dichtung. Ihr liegt die Idee der Befreiung des Menschen aus religiösen

Zwängen (1. Satz: Luttes) wie auch die Überwindung rauschhafter sinnlicher Genüsse (2.

Satz: Voluptés) hin zu einem gottgleichen, sich selbst genießenden freien Spiel, dem Jeu

divin, zugrunde (3. Satz: Jeu divin) (Schibli, 215f.). Die Introduktion wird unter der

Vortragsbezeichung „divin, grandiose“ mit einem Thema eröffnet, das Skrjabin selber als

Ausdruck kraftvoller Selbstbestätigung verstand. Die assoziative Nähe zur Philosophie

Fichtes belegen nicht nur zeitgleich zur Arbeit an dieser Sinfonie entstandene umfangreiche

Tagebuchnotizen, sondern auch das Zeugnis des Schwagers und Biographen Skrjabins, Boris

de Schloezers. Auf die während eines abendlichen Vorspiels gemachte Bemerkung Skrjabins,

dass in diesem Thema „viel Kraft und Größe“ stecke – „etwas, das sich ein für allemal

bestätigt“, antwortete Schloezer: „Dieses Thema scheint zu sagen: Ich bin.“ „Diese

Definition“, so berichtet Schloezer, „gefiel ihm außerordentlich, und seither haben wir das

Thema der Introduktion nie anders bezeichnet als so.“ (Schibli, 217) Hören Sie dieses Thema

aus der 3. Sinfonie in c-Moll, op. 43 (Schibli 216):

3. Sinfonie, 1. Satz, Thema und WiederholungDann leere Folie

Die Formel „Ich bin“ stellt so etwas wie ein Leitmotiv im Denken und im Werk Skrjabins dar.

Sie ist Ausdruck der Affirmation schöpferischer Tätigkeit. Sie findet sich später noch einmal

an einer prominenten Stelle, am Ende der für Skrjabins Gesamtwerk zentralen Dichtung

Poème de l’extase – nun als Ausdruck des sich selbst genießenden göttlichen Weltwillens.

Darauf wird zurückzukommen sein.

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III.

Zuvor ist noch ein zweiter Gedanke vorzustellen. Ihm kommt im Blick auf das

Selbstverständnis Skrjabins und die Art seines Denkens eine entscheidende Bedeutung zu. Er

betrifft das Verhältnis zwischen dem Bewusstsein „Ich bin“, „welches“, wie Skrjabin

ausführt, „wir in uns selbst begreifen“ (Lob. 80), und seiner universalen Bedeutung, die ihm

von Skrjabin ebenso zugeschrieben wird. Auf die Frage Fochts, wie die Logik dieses

Verhältnisses genauer zu verstehen sei, antwortet Skrjabin das Folgende: „Ich bin der

Auffassung, dass das Sein als absolute Tätigkeit im gewissen Sinne mit der persönlichen

Tätigkeit eines Künstlers […] übereinstimmt und ihm gleich ist. Jedenfalls ist es so im

Musikschaffen, das mir besonders nahe und verständlich ist.“ (Lob. 81)

Von Interesse ist hier die Logik des Gedankens. Das Argument oder besser der Argumenttyp,

der der geäußerten Auffassung zugrunde liegt, ist offenbar ein Schluss per analogiam.

Geschlossen wird von der individuellen Erfahrung einer freien produktiven Tätigkeit – die

Skrjabin hier mit der „persönlichen Tätigkeit eines Künstlers“ identifiziert –, auf jene absolute

Tätigkeit, die als Prinzip allen Seins und Lebens verstanden wird. Die Evidenz, die diesen

Schluss leitet, besteht in der Intuition eines universalen Einheitszusammenhangs von allem,

was lebt, der angemessen nicht nach dem Modell eines Kausalmechanismus, sondern eines

lebendigen, sich selbst gestaltenden und erhaltenden Organismus zu verstehen ist. Dieser

Gedanke – der Gedanke, dass die Grundverfassung der Welt in Analogie zur menschlichen

schöpferischen Tätigkeit zu verstehen sei, ist Skrjabins ‚ursprüngliche Einsicht’ zu nennen.

An ihr hat er ein Leben lang festgehalten. „Der Mensch kann die ganze Welt, das ganze All

aufbauen, indem er sich selbst beobachtet und erkennt.“ (PP 68) Dies ist nur eine der

prägnantesten Formulierungen dieser Einsicht und der ihr zugrundeliegenden Denkform.

Auf diese Denkform gilt es eigens aufmerksam zu machen. Blickt man nämlich von hieraus

auf die beiden eingangs genannten Charaktere esoterischen Denkens zurück – das Denken in

Analogien und die Annahme einer belebten Natur –, dann ist im Falle Skrjabins präziser von

einer Spielart einer ‚aufgeklärten Esoterik’ zu sprechen. Denn die Idee der Entsprechung

zwischen dem individuellen Tätigkeitsbewusstsein und der universal wirksamen,

welterzeugenden Tätigkeit ist das Resultat eines Analogieschlusses, der seinen Ausgang in

erkenntniskritischer Einstellung von der Evidenz des Selbstbewusstseins nimmt. Skrjabins

These, dass die Welt als Ganze als ein stets sich erneuernder schöpferischer Akt zu begreifen

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sei, erhebt daher nicht den Anspruch einer objektiv gültigen Erkenntnis, sondern ist Ausdruck

eines kritisch reflektierten Deutungsaktes. Er bezieht seine Legitimation aus dem

Agnostizismus gegenüber der Welt, wie sie jenseits des Bewusstseins an sich ist. Im Rekurs

auf die Domäne des Bewusstseins geht er vielmehr von dem aus, was, wie Skrjabin es

ausdrückt, uns nahe und verständlich ist, und dies ist die unbedingte produktive Tätigkeit, und

überträgt sie per analogiam auf die Grundverfassung des Seins als Ganzen. Das ist die eine,

hermeneutische Seite. Die andere, hierzu komplementäre Seite ist nicht weniger bedeutsam;

sie ist eine kulturkritische Seite. Sie wendet sich gerade im Namen dessen, was uns nahe und

verständlich ist, gegen die aufgeklärte Rationalität und das Weltbild der neuzeitlichen

Naturwissenschaft, die die Ereignisse in der Welt als einen – für das eigene bewusste Leben

bedeutungslosen, „entzauberten“, gesetzlich objektivierbaren Kausalzusammenhang

präsentiert. Skrjabins Denkform, so wie sie bisher sichtbar geworden ist, lässt sich daher

zusammenfassend als eine hermeneutische Metaphysik begreifen, die die Grundverfassung

der Welt aus dem Prinzip eines sinnstiftenden schöpferischen Selbstbewusstseins zu verstehen

sucht. Diese Denkform enthält Konzepte, die der Tradition ‚aufgeklärter Esoterik’ zuzuordnen

sind.

IV.

An dieser Stelle ist der Name Arthur Schopenhauers zu nennen. Denn es war Arthur

Schopenhauer, der formal dasselbe Argument per analogiam an einer zentralen Schaltstelle

seiner Metaphysik, der Begründung seines Konzepts des Weltwillens, in Einsatz gebracht hat,

das in eine direkte Verbindung zu Skrjabins Überlegungen zu bringen ist.

Auch Schopenhauer geht von einer unmittelbaren Evidenz des individuellen

Selbstbewusstseins aus. Im Blick steht ebenfalls eine unbedingte, sich selbst und ihre

Gegenstände realisierende Tätigkeit, die Schopenhauer konkret als Wille bezeichnet. Auf die

durchaus vorhandene Nähe zu Fichtes Konzept eines reinen Willens muß hier nicht

eingegangen werden. Das, was uns ‚das Nächste und Verständlichste’ ist, um die Wendung

Skrjabins aufzunehmen, ist Schopenhauer zufolge unser Wille. Schopenhauers zweite

Prämisse besteht in dem Hinweis darauf, dass der Wille sich in den Bewegungen unseres

Leibes unmittelbar objektiviert. Bewegungen des Leibes sind nichts andres als objektivierte

Willensakte. Der entscheidende Schritt besteht nun darin, dass Schopenhauer diesen

Zusammenhang von Willensakten und Bewegungen des Leibes zur Grundlage seiner

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Metaphysik macht, und dies geschieht ganz offensichtlich mit einem Argument per

analogiam. Der Zusammenhang von Wille und Leib wird von Schopenhauer nämlich – ich

zitiere – als „Schlüssel zum Wesen jeder Erscheinung der Natur und aller Objekte […], die

nicht unser eigener Leib“ sind, angesehen; und dies geschieht so, dass wir sie, so

Schopenhauer, „nach Analogie [unseres eigenen] Leibes beurteilen und daher annehmen“,

dass unabhängig von der Art, wie sie uns im Modus einer theoretisch-wissenschaftlichen

Vorstellung erscheinen mögen, ihnen „ihrem inneren Wesen nach“ dasselbe eignet, „als was

wir an uns Wille nennen“ (157, Hvh.v.Vf.). Das ist das ‚Schlüsselargument’ der

Schopenhauerschen Metaphysik des Willens. Es ist offenkundig ein Analogie-Argument, mit

dem die Idee der Entsprechung zwischen dem individuellen Willen und dem Wesen der

gesamten Natur begründet wird. Die Kraft, so führt Schopenhauer denn auch aus, welche eine

Pflanze treibt, ist dieselbe wie die, durch welche ein Kristall anschießt, welche sich in

chemischen Reaktionen und Wahlverwandtschaften zeigt, welche die Magnetnadel zum

Nordpol zieht, und die auch im Phänomen der Gravitation wirksam ist – diese Kraft und die

Formen ihrer Äußerung finden sich, so Schopenhauer, „nach Analogie“ dessen erklärt, was

uns „unmittelbar so intim und besser als alles Andere“ bekannt ist und was „Jedem das

Realste“ (158) ist – und das ist das Bewusstsein des Willens und seine Objektivierung in den

Bewegungen des Leibes. Auch die Metaphysik Schopenhauers ist somit eine hermeneutische

Metaphysik zu nennen, die Elemente einer ‚aufgeklärten Esoterik’ enthält.

„Der Wille ist gewissermaßen die Innenseite des Seins“ – so lautet eine von mehreren

Aufzeichnungen Skrjabins, die ganz offensichtlich ein Referat von Schopenhauers Konzept

des Weltwillens darstellt, das Skrjabin sich für seine Zwecke zu eigen machte. Schopenhauers

Hauptwerk, Die Welt als Wille und Vorstellung, befand sich in russischer Übersetzung in

Skrjabins Privatbibliothek (Lob. 63f.).

Die Frage, was mit dem, was Skrjabin den „Vorgang des freien Schöpfungsaktes“ (PP, 69)

genannt hat, genauer gemeint ist, ist mit dem bisher Gesagten noch nicht beantwortet. Die

Antwort auf diese Frage führt in das Herzstück von Skrjabins Überlegungen

V.

Zunächst ist auch hier noch Schopenhauer leitend. Mit Schopenhauer geht Skrjabin nämlich

davon aus, dass der Wille seinem Begriff und Wesen nach zwar von den Formen seiner

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Objektivierungen unterschieden ist, dass seine Wirklichkeit aber nur in diesen von ihm selbst

erzeugten Formen besteht. Mit Schopenhauer begreift Skrjabin auch Zeit und Raum als

Formen des principium individuationis, das heisst, als diejenigen Bedingungen, unter denen

der eine und identische Wille sich unter der Form der Vielheit und Unterschiedenheit

objektiviert und konkretisiert. Aufgrund des Monismus des Willensprinzips gilt, dass der

Wille in allen Formen seiner Objektivierung nur sich selbst zu realisieren bestrebt ist. Dem

entspricht das Bestreben, nicht nur vielfältige und unterschiedliche, sondern zunehmend

qualitativ höherstufige Manifestationen seiner selbst zu erzeugen, in denen er seine

produktive Tätigkeit in zunehmender Deutlichkeit zur Darstellung bringt. Unter diesen

Prämissen ist leicht abzusehen, worin das letzte Ziel dieses Prozesses besteht: Es ist die

höchste und vollständige Realisierung der produktiven Tätigkeit des Willens selbst. Diese

Stufe bezeichnet Skrjabin als Ekstase: „Ekstase ist höchste Steigerung der Tätigkeit, Ekstase

ist ein Gipfel.“ (PP, 72) Im Zuge der Antwort auf die Fragen „Wie ist Ekstase möglich?“ oder

„Wie wird höchste Steigerung der Tätigkeit möglich?“ (ebd.) greift Skrjabin noch einmal auf

Schopenhauers Beschreibung der Dynamik des menschlichen Willens zurück, die auch der

Dynamik des Weltwillens zugrunde liegt. Es ist die leicht nachvollziehbare Stufenfolge eines

Strebens, das aus der Erfahrung eines Mangels resultiert, seiner Erfüllung und dem neuen

Streben nach Befriedigung, die jedoch bald wieder als Mangel erfahren wird und eine neue

Sequenz einleitet (vgl. PP, 81). Doch enthält dieser Rückgriff näher besehen eine radikale

Schopenhauer-Kritik. Denn die letzte Stufe besteht eben nicht, wie Schopenhauer es vorsieht,

in der gänzlichen Verneinung des Willens, dem die Haltung der Weltverneinung und Askese

entspricht, sondern in der aufs Höchste gesteigerten Selbstbestätigung des Willens. Dies ist

die für alles Folgende entscheidende Pointe von Skrjabins Theorie der schöpferischen

Tätigkeit.

Aus dem Wirken des Weltwillens leitet Skrjabin zunächst die Idee einer Kosmogonie und

einer Weltgeschichte ab, die in jener Ekstase an ihr Ziel kommt. „Die Geschichte des

Weltalls“, so lautet die Formulierung Skrjabins, erscheint unter dieser Perspektive als Prozess,

in dem der Wille sich selbst begreift. Da der Wille das welterzeugende Prinzip ist, liegt es

nahe, ihm die Prädikate des Göttlichen zuzusprechen. „Die Geschichte des Weltalls, die [so

Skrjabin] die ganze Geschichte der Menschheit in sich begreift“, kann daher als ein

„innerschöpferischer Vorgang“ (80) bezeichnet werden, der „die Evolution Gottes“ (84)

darstellt. Und so kann die Ekstase als das „letzte Ziel“ dieser Evolution auch als „göttliche

Synthese“ bezeichnet werden (86). Ihr Gehalt ist das Selbstbewusstsein des Willens, Prinzip

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aller Erscheinungen der Welt zu sein. Als solches ist es nicht etwa eine unendliche Erkenntnis

aller materialen Gehalte, sondern, wie Skrjabin ausführt, eine über alle materiale Gehalte

hinausreichende, sich selbst durchsichtige Einheit von Leben, Denken und Tun – „reine

Schöpferkraft“ (107). Genau dies drückt der „freudige Ruf ‚Ich bin’“ aus, mit dem die

Dichtung Poème de l’extase endet. Sie ist nun genauer vorzustellen.

VI. Die Dichtung Poème de l’extase

Der im Jahre 1906 in Genf in russischer und französischer Sprache veröffentlichte, von Ernst

Moritz Arndt ins Deutsche übersetzte, ca. 370 Zeilen umfassende dichterische Text ist die

ausführlichste Gestaltung der Ekstaseidee. Er enthält wesentliche Elemente, die in den

theoretischen Reflexionen Skrjabins nicht oder nur in Ansätzen enthalten sind. Sie

konkretisieren nicht nur den Begriff und das Wirken des welterzeugenden Willens, sondern

auch den der Ekstase. Das Erste und für seine Funktion als Vorlage einer musikalischen

Darstellung Wichtigste ist darin zu sehen, dass der Wille, der hier nur als „Geist“ bezeichnet

wird, nicht als eine abstrakte Instanz konzipiert ist, sondern als eine quasi-personale, erotische

göttliche Gestalt, die die Welt im Streben nach Selbstverwirklichung und Selbstgenuss

erzeugt, um die Welt und sich selbst am Ende in einen ekstatischen Taumel von Freiheit und

Seligkeit hineinzureißen. Das geschieht nach einem dreimal ausgetragenen kosmischen

Kampf, in dem die erwähnte Grundstruktur des Willens, das Streben nach Erfüllung aus der

Erfahrung eines Mangels, seine Erfüllung und das erneute Streben als grundierendes Schema

erkennbar ist.

Während der Geist sich zuerst spielend und träumend eine reine Lust- und Zauberwelt

erschafft und eindringende Schreckensgestalten leicht vertreiben kann, stürzt er sich in einem

zweiten Teil im Bewusstsein der „Kraft des göttlichen Willens“ (Z. 82f) in rauschhaft-

kastrophische Kämpfe, die er kraft seines Willens triumphierend besteht. Das lähmende, auch

von Schopenhauer beschriebene Gefühl der Langeweile treibt ihn erneut in den Kampf, in

dem er sich nun als „Macht des Willens, des einen, freien, immer schaffenden, alles

belebenden, in vielen Gestalten spielenden“ und liebenden erkennt (Z. 209ff). An dieser Stelle,

im Verhältnis des Goldenen Schnitts zum gesamten Gedicht (Schibli, 310), spricht der Geist in

direkter Rede; es sind die Worte, die Skrjabin der etwa gleichzeitig entstandenen 5.

Klaviersonate vorangestellt hat:

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FOLIE

„Ich rufe euch zum Leben, oh geheimnisvolle Kräfte!Versunken in den finsteren Tiefendes Schöpfergeistes, ängstlicheSchatten des Lebens, euch bringe ich Mut.“

Es ist genauer besehen ein Aufruf zu einem weltumspannenden Aufstand, der sich gegen den

Willensgeist selber richten soll, um durch seinen finalen Kampf und Sieg – in einem

„Flammenmeere, das das Weltall erfasst“ – sich selbst endgültig zu behaupten und die von

ihm im Liebeskampf überwundene Welt zur Einheit, Freiheit und zu einem, wie esim Text

heisst, „alles umfassenden Gefühl der Seligkeit“ zu führen. Dann, so endet der Text, hallt das

Weltall vom freudigen Ruf „Ich bin!“.

Man hat die Dynamik von Kampf und Sieg, die Skrjabin als einen Akt der Verneinung im

Sinne der Überwindung von Widerständen und auch als einen Wechsel von zentrifugalen und

zentripetalen Strebungen beschreibt, auf Mitteilungen der Geheimlehre Helena Blavatskys

bezogen, die Skrjabin, wie erwähnt, kannte und schätzte, sowie auf ihre Hinweise auf die

Esoterik des Ostens. Der Kampf zwischen den Kräften der Ruhe und der aktiven Verneinung

erscheint Blavatsky als das „Alpha und Omega“ der östlichen Esoterik; so werden, wie

Blavatsky ausführt, im sanskritischen „Rig Veda“ die beiden Pole als Sat – als unendliche,

ewige Ruhe – und Asat – deren Verneinung – bezeichnet. Des weiteren beschreibt Blavatsky

die Gestalt des Satans als eine aktive schöpferische, zentrifugale Energie und als Verneinung

der „weissen Gottheit“ bzw. des Lichts der Wahrheit, deren Funktion es ist, das reine Licht

erst sichtbar zu machen (Schibli, 311). Ein anderes, von Blavatsky unter Verweis auf die

„brahmanischen Bücher“ und altindische Lehren mitgeteiltes Motiv ist die Idee der

Schöpfung als Lust, Spiel und Unterhaltung des schöpferischen Gottes, die mit Skrjabins Idee,

dass die Welt das Spiel der freien Phantasie des schaffenden Geistes sei, übereinstimmt.

So suggestiv diese Bezüge auf den ersten Blick sein mögen, so ist ihre Funktion doch wohl

eher im Sinne einer dichterisch-imaginativen Symbolisierung von Ideen zu verstehen, die

Skrjabin ursprünglich aus anderen theoretischen Quellen bezog. So finden sich in seinen

Aufzeichnungen wiederholt Analysen des idealistischen Begriffs der schöpferischen

Tätigkeit, in denen Skrjabin betont, dass deren Objektivierung logisch an die Notwendigkeit

einer Unterscheidung von Sphären gebunden sei; diese Analysen werden ausdrücklich

methodisch auf dem Wege der eingangs beschriebenen „Selbstbeobachtung“ durchgeführt,

und hier finden sich überdies die wenig poetischen Termini der Fichteschen Philosophie von

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Ich und Nicht-Ich sowie Fichtes Unterscheidung der zentrifugalen und zentripetalen Tätigkeit

als Grundlage der Selbstreflexion des Ich in Anwendung. Und schließlich ist ja auch der

finale freudige Ruf „Ich bin“ ein poetisiertes Fichte-Zitat. So darf man auch mit Blick auf

diesen Sachverhalt wohl von einer ‚aufgeklärten Esoterik’ sprechen. Sie stellt den

konzeptuellen Rahmen für das bekanntlich in der Frühromantik aufgebrachte, von Skrjabin

neu interpretierte Programm einer neuen Mythologie bereit. Dem gilt die Dichtung Poème de

l’extase und ihre musikalische Darstellung durch das gleichnamige Orchesterstück, sowie die

erwähnte 5. Klaviersonate und die sinfonische Dichtung Prométhée. Poème du feu, op. 60.

Mit der freundlichen Unterstützung unseres Gastes möchte ich mich nun zunächst der 5.

Klaviersonate mit einigen Bemerkungen zuwenden. PIANIST AUF BÜHNE!

VII. Die 5. Klaviersonate (Poème de l’extase)

Die Sonate – Skrjabin schrieb sie im Jahre 1907 während der Arbeit an dem Orchesterstück

Poème de l’extase in wenigen Tagen nieder –, beginnt auf eine im Wortsinn unerhörte Weise:

Aus einem formlos-chaotischen, fast geräuschhaft wirkenden Triller in tiefer Lage werden

einzelne Glissando-Tongruppen in sich steigernder Intensität hinausgeschleudert. Der

Gedanke, dass diesem Ereignis die Idee des Ausbruchs jener „in den finsteren Tiefen

versunkenen geheimnisvollen Kräfte“, von denen der Motto-Text spricht, zugrunde liegt, ist

suggestiv und naheliegend. Wie das klingt, soll jetzt noch nicht verraten werden. Zu den

zentralen Motiven und Themen der Sonate ist in der gebotenen Kürze das Folgende zu sagen.

Nach einer mit einer Fermate gedehnten Pause setzt unter der Vortragsbezeichnung languido

– sehnsüchtig – das folgende Thema ein, dessen Seufzermotive und unaufgelöste dissonante

Akkorde die träumende Sehnsucht des selbstverliebten Geistes symbolisieren mögen:

T 13-24

Dem Wort der Dichtung vom „Höhenflug der Begeisterung“ entspricht die Idee eines

gleichsam schwerelos fliegenden, übermütig–verzückten Tanzes, die mit dem folgenden

Thema musikalisch zum Ausdruck gebracht wird und sich in der Folge als Hauptthema

erweisen wird:

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T 47-58

Eng zusammengehörig sind drei daran anschließende Motivgruppen, deren

Ausdruckscharakter auf die Ideen von Selbstbehauptung und eine geheimnisvolle, atemlose

Spannung verweist. Die Anweisungen lauten hier imperioso bzw. quasi trombe imperioso –

wie Trompeten gebieterisch – und misterioso affanato:

T 96-116

Nach einem meditativ verträumten Intermezzo – hier lautet die symbolistische

Vortragsbezeichnung accarezzevole – liebkosend, was sich auf das erotische Verhältnis des

Geistes zur Welt beziehen lässt – setzt ein Allegro fantastico ein – ein delirischer Tanz –,

presto tumoltuoso esaltato zu spielen:

T 140-152

Ein gewisser Abschluss wird mit der Wiederkehr der Eruption der Einleitung erreicht, so, als

habe der delirische Tanz nun wirklich jene verborgenen Kräfte zum Leben erweckt.

Diese Motive werden in dem, was man die Durchführung nennen kann und in der das

eigentliche Kampfgeschehen ausgetragen wird, auf höchst kunstvolle Weise miteinander

verbunden, wobei insbesondere das Sehnsuchtsmotiv des Anfangs eine Metamorphose zu

einem extatisch jubelnden Siegesmotiv erfährt. Hier lautet die Vortragsbezeichnung dann

auch estatico:

T 433-439

Wenn am Ende die Musik con una ebbreza fantastica – mit fantastischer Trunkenheit und

vertiginoso con furia – schwindelnd mit Wut – und unter leuchtenden Flammen – luminosità

– in einen delirischen Taumel stürzt, dann ist dies offenkundig die musikalisch-symbolische

Darstellung jener Extase, von der der Text des Poème spricht. Das ist jedoch nicht das Ende

des Stücks. Es endet mit der Wiederholung der eruptiven Gesten des Anfangs, die nunmehr

als Anzeige eines neuen und erhöhten Lebens zu verstehen sind: „Eine neue Welle des

Schaffens beginnt, neues Leben, neue Welten!“, so hat es Skrjabin in seinen Aufzeichnungen

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notiert. SPIELEN! Skrjabin hielt die 5. Sonate für das beste Werk, das er bis dahin für

Klavier geschrieben hatte. (Kelkel, Abs., 145).

LEERE FOLIE

Ein Vergleich mit dem gleichnamigen Orchesterstück kann dieses Urteil in einem

entscheidenden Detail vielleicht bestätigen. Während die Sonate mit der ins Offene, über sie

selbst hinaus weisenden Geste endet, findet das Orchesterstück in einem vom gesamten

Orchester im dreifachen Forte vorgetragenen triumphalen C-Dur Akkord sein Ende, und dies,

nachdem über einem 53 Takte lang ausgehaltenen Orgelpunkt auf dem Ton C das von den

Trompeten hinausgeschmetterte Hauptthema – das von Skrjabin sogenannte Thema der

Selbstbehauptung –, als strahlende Siegesfanfare zu einer feierlich-extatischen Apotheose

gesteigert worden ist. Man muss sich fragen, ob nicht gerade dieser Schluss, den Sie gleich

hören werden, zu affirmativ ist und die finale Selbstbehauptung im reinen C-Dur vor dem

Hintergrund einer hochdifferenzierten Chromatik nicht nur harmonie- und satztechnisch

schon überwunden, sondern auch der Sache nach als aufgesetzt und eigentümlich unwahr

erscheint. Erinnert man sich an das eingangs zitierte Gespräch, dann symbolisiert der

affirmative C-Dur-Schluß eher den von Skrjabin abgelehnten Gedanken des Seins als etwas

„Fertiges und Abgeschlossenes“, anstatt, wie es der Schluss der Klaviersonate zum Ausdruck

bringt, ein ewig sich entwickelndes schöpferisches Tätigsein. Hören Sie selbst:

Poème de l’extase, S. 176 maestoso bis Schluss.

Dann LEERE FOLIE

VIII. Prometheus. Poème du feu, op. 60

Zwei Jahre später, im Jahre 1910, legte Skrjabin eine in seiner Brüsseler Zeit entstandene

Partitur vor, die das Orchesterstück Poème de l'Extase noch einmal überbieten sollte, das

Poème du feu, Prométhée. 1914 erschien eine Einführung, die für eine Aufführung des Werks

in London am 1. Februar 1913 verfasst worden war. Sie stammte von der englischen

Theosophin Rosa Newmarch. Dort konnte man das Folgende lesen:

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„Nach der theosophischen Lehre waren die Menschenrassen zu Beginn noch nicht

vom Feuer des Prometheus erleuchtet, waren physisch unvollendet, denn sie besaßen

nur Schatten von Körpern; sie waren sündlos, weil ohne bewusste Persönlichkeit, in

theosophischen Worten: ohne „Karma“. Die Gabe des Prometheus befreite sie aus

diesen Umständen. Das Feuer weckte die bewusste Schaffenskraft des Menschen auf

[...]. Die Fortgeschritteneren verstanden den Wert dieser Gabe und nutzten sie im

Sinne des höheren spirituellen Plans; sie wurden die ‚Arharts’ oder die Weisen der

folgenden Generationen; die weniger Hochstehen aber verkehrten sie in rohem

materiellen Gebrauch, was Leiden und Böses mit einschloss.“ (Schibli, 228 f.)

Skrjabin hatte keinen Einfluss auf den Text, billigte ihn aber als Einführung. In der Tat pflegte

Skrjabin in Brüssel Beziehungen zu theosophischen Kreisen, u.a. zu dem Maler Jean Delville,

seit 1905 Professor an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Brüssel. Delville

entwarf das Titelbild der Prometheus-Partitur, die 1913 erschien:

Titelbild Prometheus

Das Bild zeigt eine siebenseitige Lyra, aus der der Kelch einer Lotusblüte herauswächst, im

Hinduismus und Brahmanismus unter anderem Symbol für Reinheit, Schöpferkraft und

Erleuchtung; darunter zwei ineinander verschlungene gleichseitige schwarz-weiße Dreiecke,

die einen fünfzackigen Stern bilden, das alte Symbol Luzifers, von dem sich das Emblem der

theosophischen Gesellschaft ableitet; im Zentrum das von Flammen der Weisheit umkränzte

androgyne Antlitz des Titanen Prometheus, über ihm die glühende Sonne, unter ihm das

Erdenrund, dem Prometheus das Feuer brachte. (Schibli, 227)

Auch wenn Skrjabin in Brüssel Kontakte zu einer geheimen Kultgesellschaft mit dem Namen

„Söhne des Feuers der Weisheit“ pflegte, die die Gestalt des Prometheus verehrte, kann von

theosophischen Quellen der Anschauungen Skrjabins nicht ernsthaft gesprochen werden. Es

lässt sich leicht zeigen, dass Skrjabin die Gestalt des Prometheus vor allem als symbolischen

Ausdruck seiner eigenen Theorie des Schöpferischen verstand: „Prometheus ist ein Symbol“,

so zitiert ihn einer seiner Biografen, „das in allen alten Lehren begegnet. Das ist die aktive

Energie des Universums, das schöpferische Prinzip, es ist Feuer, Licht, Leben, Kampf,

Kräftigung, Weisheit.“ (Schibli, 228) Eben dies war schon die Grundidee der dritten Sinfonie

und des Poème de l'extase.

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Die sinfonische Dichtung Prométhée ist ein Werk der Superlative. Das gilt nicht nur im Blick

auf den exorbitanten Orchesterapparat, der neben einem Klavierpart als Symbol für den

individualisierten Willen am Ende einen melismatisch singenden Chor als Sinnbild der

befreiten Menschheit und eine den sakralen Charakter der Musik symbolisierende Orgel

vorsieht, sondern auch im Blick auf eine revolutionäre Neuerung, deren Quellen bis in die

Antike zurückreichen und in theosophischen und esoterischen Strömungen über Isaac Newton

und Athanasius Kircher bis in die Neuzeit und Moderne wirksam sind. Gemeint sind die

analogischen Beziehungen zwischen Ton und Farbe. Skrjabin ist der erste Komponist, der

eine synästhetische Verbindung von Tönen und Farben in einem Musikwerk realisierte und

damit die Grenzen des rein Musikalischen überschritt. Skrjabin bezog Farbwerte nicht auf

einzelne Töne, sondern auf Tonarten. Im Ausgang von der subjektiven Assoziation

bestimmter Tonarten mit Farben – wie Fis-Dur mit blau, D-Dur mit gelb, sonnig, golden, F-

Dur mit dunkelrot – ordnete Skrjabin die Farben des Farbenspektrums in Analogie zu den

Tonartenverwandtschaften im Quintenzirkel an.

Farben- und Quintenzirkel

Im Erstdruck der Partitur des Prometheus notierte Skrjabin an jeder Stelle der Partitur

handschriftlich die ihm vorschwebenden Farben.

Partitur mit Eintragungen

So findet man zu den ersten Takten des Stücks die Eintragungen

“Mysteriöses Halbdunkel, grünlich-violett, flackernd, düstere, bleierne Schattierung, roter

Glanz, wieder Grün, etwas reiner das Bleierne“ (Lob. 271) Ihre Realisierung sollte diese

Farbensinfonie durch ein Farbenklavier, ein Clavier à lumière finden, das in der Partitur unter

der Bezeichnung luce in einem herkömmlichen fünflinigen System zweistimmig notiert ist.

Die obere Stimme folgt dem Wechsel der Akkorde bzw. Tonarten, dem jeweils ein

Farbwechsel entspricht. Die untere Stimme ist vom harmonischen Geschehen unabhängig und

hat eine programmatisch-esoterische Bedeutung: Sie erstreckt sich über verschieden lang

ausgehaltene Orgelpunkte und den jeweiligen Tönen entsprechende Farben. Die Reihe dieser

Orgelpunkte ergibt über die über den Ton fis aufgebaute siebenstufige Tonleiter mit

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chromatischen Zwischentönen, die freilich als solche nicht erklingen. Dieser Farbtonleiter hat

Skrjabin eine theosophisch-symbolische Bedeutung zugesprochen:

„Die zweite Stimme entspricht der Involution und Evolution der Rassen. Am Anfang

ist Geistigkeit – blaue Farbe -, dann geht es durch andere zur roten – der Farbe der

Materialität -, und kehrt dann wieder zur Blauen zurück.“ (Schibli, 242, siehe Kritik

Lederer-Aufsatz)

Die Farben bzw. das farbige Licht erhält damit eine eigenständige semantische Qualität. Da

die ihnen zugesprochene symbolische Bedeutung dem intendierten Gehalt des musikalischen

Geschehens entspricht, repräsentiert die Ebene der Farbenkomposition eine selbstbezügliche

Binnenreflexivität des musikalischen Werks als Ganzen. So sind die Farben im Wortsinne

Reflex des musikalisch intendierten Gehalts.

Die Realisierung des Luce-Parts erwies sich als problematisch. Die Moskauer Uraufführung

im Jahre 1911 fand mangels eines geeigneten Instruments ohne Farbeffekte statt. Mit einem

befreundeten Elektroingenieur am Moskauer Technikum baute Skrjabin ein eigenes

Lichtklavier, das er in einer Privataufführung im Musikzimmer seiner Wohnung vorführte. In

einem Kreis auf einem runden Tisch aufgestellte farbige Lampen wurden mittels einer

Klaviatur zum Leuchten gebracht.

Skrjabins erstes Farbenklavier

Schwer vorstellbar, dass diese Kammersinfonie für farbige Glühbirnen den erwünschten

Effekt erzielte. Erst moderne Licht- und Lasertechnik vermochte den synästhetischen

Visionen Skrjabins näher zu kommen.

LEERE FOLIE

Um Ihnen einen Eindruck zwar nicht von den Farben, aber von der Musik des Prometheus zu

vermitteln, möchte ich Ihnen die Hauptthemen aus dem Beginn und Ausschnitte aus dem

wiederum extatischen Schlussteil vorstellen. Das kann allerdings nicht geschehen, ohne eine

weitere revolutionäre Neuerung zu erwähnen, mit der Skrjabin Musikgeschichte geschrieben

hat. Prometheus ist das erste Werk, das das Gesetz der Tonalität gleichsam methodisch außer

Kraft setzt. Organisierendes Zentrum ist nicht mehr eine Grundtonart und der ihr

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entsprechende Grundakkord, sondern ein sechstöniger, durch Quartschichtung erzeugter

dissonanter Akkord. Er wird nicht mehr aufgelöst, sondern bildet als Klangzentrum die

Keimzelle aller melodischen, harmonischen und polyphonen Strukturen. Indem auf diese

Weise jeder Teil zugleich das Prinzip des Ganzen repräsentiert und Teil und Ganzes sich

einander wechselseitig bedingen, erscheint Skrjabins satztechnische Innovation als Ausdruck

seines ganzheitlich-korrespondenzlogischen Denkens, ein Gedanke, dem hier nicht weiter

nachgegangen werden kann. Aufgrund seiner harmonischen Vieldeutigkeit und tonalen

Unbestimmtheit nannte Skrjabin den Prometheus-Akkord den „mystischen Akkord“. Mit

einem solchen mystisch-dissonanten Quart-Akkord beginnt die sinfonische Dichtung. Aus

diesem über vier Takte im Tremolo und Pianissimo ausgehaltenen ‚unbestimmten’ Akkord

steigt in den gestopften Hörnern wie aus dem urzeitlichen Chaos eine Melodielinie auf, die

ganz aus Tönen dieses Akkordes gebildet ist. Skrjabin nannte dieses Thema das Thema des

Prometheus und deutete es als „Idee des schöpferischen Prinzips“. Das zweite

charakteristische Gebilde ist ein schneidendes Trompetenmotiv aus staccato gespielten

Quartakkorden (T 21) und einer charakteristisch rhythmisch aufsteigenden Linie – nach

Skrjabins Deutung das „Thema des Willens“. Ein drittes Motiv erklingt in den Flöten unter

der Vortragsbezeichnung contemplatif (T 26) – für Skrjabin das Thema der Vernunft bzw. das

Thema des menschlichen Bewusstseins, das in der Folge Karriere machen wird. Es wird

sodann markant vom Soloklavier aufgenommen (Takt 30) und in die aus der 5. Klaviersonate

bekannten Glissando-Gesten des Aufflugs überführt (T 33 und 41). Dann nimmt das äußerst

turbulente Spiel seinen Lauf, dessen Dramaturgie in den Grundzügen aus dem Poème de

l'Extase bekannt ist.

Prometheus: (1.) Anfangund Rimington-Farbklavier und moderne Installationen

Dann LEERE FOLIE

Das zu Beginn nur kontemplativ und verhalten von der Flöte intonierte sog. Vernunftthema

trägt am Ende den Sieg davon. Der folgende Ausschnitt setzt dort ein, wo dieses Thema unter

der Vortragsbezeichnung sublime, ma dolce von 8 Hörnern und den tiefen Streichern kraftvoll

intoniert wird und mit dem bekannten imperialen Thema des Klaviers alterniert.

Prometheus (2.) MUSIK (1 Min.)

Dem folgt ein bizarrer Feuertanz, den das Klavier aufführt, und der sich unter den

Vortragsanweisungen de plus en plus lumineux et flamboyant – immer leuchtender und

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flammender – immer mehr steigert. Der symbolisch gemeinte Kommentar aigu, fulgurant –

hitzig, blitzend – lässt den Klavierpart als musikalische Darstellung von züngelnden Flammen

und Blitzen erscheinen. In Übereinstimmung hierzu verkündete das Poème de l'Extase am

Ende: „Ein Flammenmeer erfasst das Weltall“.

Auf dem Fortissimo-Höhepunkt dieses infernalischen Feuertanzes setzt im pianissimo, aber

extatique, wie es in der Partitur heisst, der Chor ein – Sinnbild der befreiten und neu

erschaffenen Menschheit. Unter einem blendenden Lichtblitz, einem eclat éblouissant, singt

der Chor die Vokalfolge E, A, O, HO, A, O, HO. Ob mit dieser vielleicht doch nicht rein

zufälligen Vokalfolge die theosophische Gestalt des Oeahoo – von Helena Blavatzky unter

anderem als Symbol für den einigen „Ursprung von allem“ und einer „ewig lebendigen

Einheit“ gedeutet, gemeint ist und symbolisch die Funktion einer Beschwörungsformel

übernimmt oder nicht, mag hier dahingestellt sein (Lob, 292 ff.)

Prometheus (3.) MUSIK - CHOR

Die wiederholten Eintragungen flot lumineux – feurig-leuchtende Welle – und dans un vertige

– im Taumel – lassen keinen Zweifel daran, dass die finale Extase und, so sieht es das Poème

de l'Extase vor, der alles erfassende Weltenbrand musikalisch inszeniert werden. Das

bestätigen die handschriftlichen Eintragungen Skrjabins in der Partitur. Da ist von einem

„Tanz mitten in den Feuern“ die Rede – „grün, blau, lila“ –, von „schrecklichen Flammen“,

die sich losreisen, von blendend weißen „Flammenzungen“ und schließlich, zu den letzten

Takten, von dem „Brand, der die ganze Welt umfasst“ (Lob, 283).

Prometheus (4.) Musik bis Schluß

IX. Das Mysterium und die Vorbereitende Handlung

Das alles sollte aber nur Vorbereitung sein, Vorbereitung zu einem letzten, alles bisher

Geschaffene überbietenden Werks, das Skrjabin Mysterium nannte. Mit ihm beschäftigte sich

Skrjabin seit 1904 bis zu seinem Tode. Es sollte ein Gesamtkunstwerk werden, das alle

Künste unter der Leitung von Wort, Musik und Tanz wie in einem kontrapunktischen Gewebe

vereinigen und auch alle Arten von Sinnesempfindungen mit einbeziehen sollte. Darüber

hinaus sollte es nun auch die Grenzen der Kunst überschreiten. Als kollektives Ritual sollte es

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die Idee der alles beherrschenden Kraft des schöpferischen Geistes im Leben selber wirksam

werden lassen. Die Idee einer neuen Mythologie findet sich damit in das Projekt eines neuen

Mysteriums transformiert, und die in Skrjabins Werk immer schon präsente Idee der Erlösung

sollte ihre finale Realisierung finden, indem das Leben sich aus seiner gegenwärtigen

Daseinsform zur einer höheren Daseins- und Bewusstseinsstufe verwandeln sollte. Sie sollte

in Form eines dithyrambischen Tanzes in einer extatisch vollzogenen Identifikation mit dem

Prinzip des all-einen und all-mächtigen schöpferischen Geistes erreicht werden. Der Ort des

Geschehens sollte ein riesiger, amphitheatralisch angelegter runder Raum sein, der nur

Mitwirkende, keine Zuschauer aufnehmen sollte. Diese sollten in hierarchisch gegliederten

Abteilungen von den Eingeweihten, darunter Skrjabin selber, bis zu den Profanen um das

Zentrum herum gruppiert werden. (wörtlich Schibli, 337 u. pp 16 ff.) Im Anschluss an die

Geheimlehre Helena Blavatzkys sollte die Aufführung 7 Tage dauern, und es sollte eine Art

kosmische Erinnerungsgeschichte vom Chaos über die Folge von sieben Menschheitsrassen –

auch dies im Anschluss an Blavatzky – vorgeführt werden. Die gegenwärtige Stufe sah

Skrjabin als die fünfte, arische, Stufe an. Die Zeit von der fünften zur finalen siebten Stufe

sollte das Mysterium gleichsam in einem Zeitraffer zusammenfassen und auf diese Weise den

Eintritt des erlösenden Endes beschleunigen.

Bereits im Sommer 1913 hatte Skrjabin jedoch mit der Arbeit an einem anderen Projekt

begonnen, eine von ihm sog. Vorbereitende Handlung, deren Inhalt mit den Mysterium-

Plänen identisch ist – mit der entscheidenden Ausnahme der apokalyptischen Transmutation

des Lebens. Der Text ist unvollendet in einer ersten und einer zweiten, ebenfalls unvollständig

überarbeiteten Fassung erhalten, von der musikalischen Komposition existieren 53 Blätter mit

nur flüchtigen Skizzen. Mit Bezug auf diesen konzeptionellen Wandel Skrjabins liegt der

Gedanke nicht fern, dass Skrjabin dem Mysterium-Projekt über ein Jahrzehnt in der Art einer

Vision anhing, mit der er nicht, wie es in der Literatur heisst, am Ende wie mit einer

Lebenslüge scheiterte (s. Schibli), sondern die eher den Status einer den Schaffensprozess

beflügelnden regulativen Idee als den einer tatsächlich zu erreichenden Realität hatte.

Versteht man den konzeptionellen Wandel so, dann erscheint auch das letzte, unvollendete

Werk Skrjabins als Ausdruck einer aufgeklärten Esoterik. Denn das, was Skrjabin der

Moderne auf dem Weg zu sich selbst mitgegeben hat, das ist das leidenschaftliche Plädoyer

für die Bestimmung des Menschen zur Freiheit, Autonomie und Kreativität sowie die

Überzeugung, dass die Natur und auch die Weltgeschichte unter diesen Ideen begriffen

werden können. Skrjabin hat diese Überzeugung nicht als eine wissenschaftliche Erkenntnis,

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sondern als einen Deutungsakt verstanden, ohne den der Mensch sich selbst und seinen Platz

im Universum nicht zureichend verstehen kann. Eben dies ist das Erbe der europäischen

Aufklärung und ihrer Folgen in der idealistischen Philosophie der Geschichte und der Natur.

Dass Skrjabin auf esoterische Vorstellungen und Symbole zurückgriff, ist aus der

Frontstellung gegenüber dem entzauberten und dissoziierten Weltbild der neuzeitlichen

Wissenschaft zu verstehen. „Die Welt erscheint uns als Einheit, wenn wir die Dinge auf diese

Weise betrachten. Die Wissenschaft entzweit die Dinge nur, alles in ihr ist Analyse und nicht

Synthese“, so hat Skrjabin seinen antirealistischen und antinaturalistischen Symbolismus

einmal zum Ausdruck gebracht. Dass er sich mit dieser seiner Überzeugung in völliger

Übereinstimmung mit den avantgardistischen Strömungen seiner Zeit, insbesondere mit dem

literarischen Symbolismus eines Wjatscheslaw Ivanov, Andrej Belyj und Alexander Blok und

ebenso mit den an den Deutschen Idealismus anschließenden Ideen des überaus

einflußreichen russischen Philosophen Wladimir Solowjev einig wusste, kann und soll hier nur

erwähnt werden.

Das letzte Wort, das zugleich zum zweiten Teil des heutigen Abends überleitet, soll der

Komponist Skrjabin haben. Hören Sie zum Schluss ein Klavierstück aus der letzten

Komposition Skrjabins, den Préludes op. 74. Das zweite Prélude trägt die Überschrift très

lent, contemplatif. In dieses Stück sind Skizzen zur Musik der Vorbereitenden Handlung

eingegangen, so der Anfang, ferner ein viertöniges chromatisch absteigendes Motiv und ein

ostinates Bassmotiv aus zwei Quinten, die im Abstand eines Tritonus alternieren – keine

Extase, sondern ein selbstvergessenes Meditieren auf jenem geheimnisvollen Weg, der nach

innen führt.

Prélude Nr. 2 aus den Préludes opus 74

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