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Jahre 150 Sozialdemokratie an der Saar Dialo g 21 Joachim Heinz Hans-Joachim Kühn

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Jahre150

Sozialdemokratiean der Saar

Dialog 21Stiftung Demokratie SaarlandBismarckstraße 99 · 66121 Saarbrücken · Telefon (0681) 906260 · Telefax (0681) 9062625www.stiftung-demokratie-saarland.de · E-Mail: [email protected]

Joachim HeinzHans-Joachim Kühn

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STIFTUNG DEMOKRATIE SAARLANDDIALOG 21

Joachim Heinz, Hans-Joachim Kühn

150 JahreSozialdemokratiean der Saar

Begleitheft zur gleichnamigenvon Joachim Heinz und Hans-Joachim Kühnunter Mitwirkung von Bernd Rauls, Carmen Oschmann und Rudolf Strummerarbeiteten Ausstellung

Saarbrücken 2013

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Dialog ist eine Reihe der Stiftung Demokratie Saarland.Die Reihe kann bezogen werden von der Stiftung Demokratie SaarlandBismarckstraße 99, 66121 Saarbrücken,Telefon (0681) 906260, Telefax (0681) 9062625

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InhaltInhaltInhaltInhaltInhalt

Seite

Vorwort Friedel Läpple 7

Grußwort Heiko Maas 9

Einführung 11

150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar – Erläuterungen 13

Eröffnungstafel 41

Die Gründungsphase 43

Die Anfänge der SPD-Saar 46

(Anti-)Sozialistengesetze 49

Aufschwung und terra incognita 52

Saarabien 55

„Zerbrecht die Sklavenfessel, macht Euch frei!“ 58

Reichstagswahl am 12. Januar 1912 61

Das Saargebiet entsteht – (1920 bis 1935) 64

Die SPD-Saar in den 20er Jahren… 67

Die Arbeiterkulturbewegung 70

Die Arbeiterwohlfahrt 73

Die SPD-Saar vor 1933 76

Nie zu Hitler 79

Die Einheitsfront gegen Hitler 82

Die Saar im Dritten Reich: Ausgrenzung und Kriegswirtschaft 85

Die Saar im Dritten Reich: Verfolgung und Widerstand 88

Demokratischer Neubeginn: Die SPS 91

Errungenschaften und Krise der SPS 94

Der Kampf um das Saarstatut 97

Der Weg nach oben 100

Die SPD an der Regierung 103

Gesichter der Saar-SPD von 1952 bis heute 106

Zeittafel zur Geschichte der SPD an der Saar 111

Abbildungsnachweis 118

Literatur in Auswahl 122

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Bismarckstraße 99, 66121 Saarbrücken,Telefon (0681) 906260 , Telefax (0681) 9062625

DamitunsereDemokratielebendigbleibt…

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VorwortVorwortVorwortVorwortVorwortFriedel LäppleFriedel LäppleFriedel LäppleFriedel LäppleFriedel Läpple

Am 23. Mai 2013 wird die deutsche Sozialdemokratie150 Jahre alt: An eben diesem 23. Mai 1863 wurde inLeipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegrün-det, in dessen kontinuierlicher Linie die Sozialdemo-kratische Partei Deutschlands steht.

Wie kein anderer Landesverband ist die Geschichte derSozialdemokratie an der Saar durch Sonderentwicklun-gen geprägt. Dies ist der Hintergrund für die Stiftung Demokratie Saarland, die sichseit ihrer Gründung den Grundwerten der Sozialdemokratie und der Arbeiterbewe-gung verbunden fühlt, diese einzigartige Geschichte in gebührender Art und Weise inErinnerung zu rufen. So soll im Rahmen einer auf fünf Bände angelegten Schriftenrei-he die Geschichte der Sozialdemokratie an der Saar von den Anfängen bis zur Gegen-wart auf wissenschaftlicher Grundlage beschrieben werden. Darüber hinaus wird eine23 Tafeln umfassende Ausstellung Zeugnis ablegen über die Geschichte der ältestendemokratischen Partei in unserem Bundesland. Das vorliegende Begleitheft zur Aus-stellung gibt in aller Kürze präzise Erläuterungen zu zeitgeschichtlichen Hintergrün-den und zu den auf den Tafeln verwendeten Abbildungsmaterialien.

Mit dieser Ausstellung wollen wir einem interessierten Publikum Entstehung undEntwicklung der Sozialdemokratie in Saarregion, Saargebiet und Saarland anschau-lich vor Augen führen. Anhand zahlreicher zeitgenössischer Bilder, Fotografien, Tabel-len, Grafiken und Textdokumenten werden einzelne Details optisch ansprechend prä-sentiert. Die Ausstellung zeichnet einzelne Stationen des besonderen saarländischenWeges im Kampf der sozialdemokratischen Bewegung um soziale Gerechtigkeit, Frei-heit und Demokratie nach.

Ich danke den Ausstellungsmachern: Joachim Heinz und Dr. Hans-Joachim Kühn, diefür die Inhalte verantwortlich zeichnen. Mein Dank gilt aber auch der übrigen Redak-tion Rudolf Strumm, Bernd Rauls und insbesondere Carmen Oschmann, die die Aus-stellung grafisch gestaltet hat.

Es würde mich sehr freuen, wenn die gelungene Präsentation an vielen Orten inner-halb und außerhalb unserer Region gezeigt würde. Unser Ziel ist es insbesondereauch bei einem jungen Publikum, das Bewusstsein für eine große Tradition wach zurufen, für die es sich auch in Zukunft zu engagieren lohnt.

Friedel LäppleFriedel LäppleFriedel LäppleFriedel LäppleFriedel LäppleStiftung Demokratie Saarland

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GrußwortGrußwortGrußwortGrußwortGrußwortHeiko MaasHeiko MaasHeiko MaasHeiko MaasHeiko Maas

Am 23. Mai diesen Jahres feiert die Sozialdemokrati-sche Partei Deutschlands ihr 150jähriges Jubiläum. Indem Zeitraum seit 1863 hat die SPD sämtliche Höhenund Tiefen der deutschen Geschichte, mit zwei Welt-kriegen, der NS-Herrschaft, dem Kalten Krieg bis hinzur Deutschen Einheit miterlebt. In all diesen Jahrenhat sich die Sozialdemokratie zum Wohle der Menschenin unserem Land stark gemacht. Damals wie heutegelten für uns dabei Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Handlungsmaßstäbe.Auch die Entwicklung und die Geschichte der Sozialdemokratie an der Saar wurdenvon ganz besonderen historischen Ereignissen geprägt, welche mit der Rolle desSaarlandes in den vergangenen 150 Jahren zusammenhängen. Vor diesem Hinter-grund freue ich mich ganz besonders und bin sehr stolz darauf, dass es im Jubiläums-jahr der SPD erstmals eine Ausstellung mit dem Titel „150 Jahre Sozialdemokratie ander Saar“ geben wird.

Auf 23 Tafeln wird die Wanderausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“erstmals alle wesentlichen Facetten der saarländischen Sozialdemokratie einschließ-lich der Arbeiterkulturbewegung darstellen. So erhalten die Besucher Informationenüber die Gründungsphase und die Anfänge der SPD Saar, die Zeit des ersten Welt-kriegs, die Entstehung des Saargebiets und die schweren Jahre der Sozialdemokratenin der NS-Herrschaft unter Hitler. Weiterhin zeigt die Ausstellung, wie sich die SPDSaar als mitgliederstärkste Partei im Saarland nach dem zweiten Weltkrieg entwickelthat und stellt dem Besucher dabei die entscheidenden Personen von damals undheute vor.

Damit eine solch umfassende Ausstellung gezeigt werden kann, bedarf es einer Viel-zahl von engagierten und tatkräftigen Helferinnen und Helfern. Aus diesem Grundmöchte ich allen an der Ausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ Betei-ligten, sowie den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern recht herzlich fürihren Einsatz und das mit eingebrachte Herzblut danken. Ohne Sie wäre das allesnicht möglich gewesen. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle der StiftungDemokratie Saarland und der Historischen Kommission der SPD Saar für ihre Arbeitdanken.

Heiko MaasHeiko MaasHeiko MaasHeiko MaasHeiko MaasLandesvorsitzender der SPD Saar

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EinführungEinführungEinführungEinführungEinführungMit der Ausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ wird erstmals ein Ge-samtüberblick über die wesentlichen Phasen der saarländischen Sozialdemokratiegegeben, deren Geschichte über viele Jahre Sonderentwicklungen gegenüber derGeschichte der reichs- und bundesdeutschen Sozialdemokratie unterworfen war.

Bis 1933 waren neben der SPD auch die freien Gewerkschaften und die Arbeiterkultur-bewegung Teil der deutschen sozialistischen Arbeiterbewegung, sodass auch auf die-se Organisationen in angemessenem Umfang einzugehen war. Bernd Rauls und Ru-dolf Strumm gehörten wie Carmen Oschmann zum Ausstellungsteam, das die Konzep-tion und die Entstehung von Ausstellung und Begleitheft in vielen Besprechungenunterstützend begleitet hat, wobei Carmen Oschmann der Dank für die graphischeGestaltung der Ausstellung gilt. Dank gebührt auch vielen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern folgender Archive und Bibliotheken, die mit Kompetenz und Hilfsbereitschaftbei der Beschaffung von Fotos und anderen Abbildungsmaterialien wesentlich zumGelingen der Ausstellung beigetragen haben: Landesarchiv Saarbrücken, StadtarchivSaarbrücken, Archiv des Landtags des Saarlandes, Saarbrücker Zeitung, HistorischesMuseum Saar, Internationales Institut für Sozialgeschichte Amsterdam, Archiv der so-zialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek. Herrn Konsul a. D.Harry Walter, Neuss, gilt der Dank für zwei Abdruckgenehmigungen.

Dank gilt auch der Stiftung Demokratie Saarland, ohne deren Finanzierung hättenAusstellung und Begleitheft nicht verwirklicht werden können. Das Begleitheft bildetdie Ausstellungstafeln jeweils auf drei Seiten nach, so dass Besucher/innen der Aus-stellung sich auch später nochmals deren Inhalte genau vor Augen führen können.Das Begleitheft zur Ausstellung kann kein Geschichtsbuch über 150 Jahre Entwick-lung der Sozialdemokratie an der Saar sein. Es gibt in aller Kürze präzise Erläuterun-gen zu zeitgeschichtlichen Hintergründen und zu den auf den Tafeln verwendetenAbbildungsmaterialien.

Für weitere Hintergründe sei verwiesen auf die mehrbändige „Geschichte der sozial-demokratischen Bewegung an der Saar von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert“,herausgegeben von Reinhard Klimmt, Wilfried Busemann, Joachim Heinz, Bernd Rauls,Rudolf Strumm. Der Band 3 (Wilfried Busemann, Den eigenen Weg gehen. Die Selbst-findung der Sozialdemokratie an der Saar 1945 bis 1968) erscheint im Sommer 2013.

Saarbrücken, im März 2013

Joachim Heinz Hans-Joachim Kühn

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150 Jahre150 Jahre150 Jahre150 Jahre150 JahreSozialdemokratie an der Saar –Sozialdemokratie an der Saar –Sozialdemokratie an der Saar –Sozialdemokratie an der Saar –Sozialdemokratie an der Saar –Erläuterungen zur AusstellungErläuterungen zur AusstellungErläuterungen zur AusstellungErläuterungen zur AusstellungErläuterungen zur Ausstellung

23. Mai 186323. Mai 186323. Mai 186323. Mai 186323. Mai 1863

Der 23. Mai 1863 gilt als der Gründungstag der Sozialdemokratischen Partei Deutsch-lands; in Leipzig wurde damals auf Vorschlag von Ferdinand Lassalle der AllgemeineDeutsche Arbeiter-Verein (ADAV) gegründet und er selbst zum ersten Präsidentengewählt.

Die Bewegung ist älterDie Bewegung ist älterDie Bewegung ist älterDie Bewegung ist älterDie Bewegung ist älter

Unbestritten ist, dass die ideologischen Wurzeln und auch die personellen Verknüp-fungen des ADAV auf die Revolution 1848/49 zurückgreifen. Die auf Tafel 1 obenabgebildete Traditionsfahne des ADAV,die zum zehnjährigen Gründungsdatum1873 entstand, spielt durch den in derMitte der Fahne abgebildeten Handschlagauf die 1848 von Stephan Born gegrün-dete Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrü-derung an, die den Handschlag als Sym-bol der Stärke und der Einheit verwand-te. Aber auch die im Vormärz im Ausland(Schweiz, Frankreich Belgien, England)entstandenen Vereine wandernder deut-scher Handwerkergesellen und emigrier-ter Intellektueller, wie z.B. Bund der Ge-ächteten, Bund der Gerechten und derBund der Kommunisten gehören zum„Vorhofflimmern1 der deutschen Arbeiter-bewegung und der SPD.

Die Hoffnungen Lassalles, der 1864 anden Folgen von Verletzungen, die er sichbei einem Duell zugezogen hatte, starb,auf ein schnelles Wachstum der neuenPartei erfüllten sich nicht. Zahlreiche Ar-beitervereine in Deutschland, u.a. auchAugust Bebel mit seinem gewerblichen

SPD-Mitgliedsbuch von Wilhelm Lawall, geboren am27. 04. 1908, OV Dudweiler, Beitritt am 01. 07. 1925.Wilhelm Lawall war 1947 Mitglied bzw. stellvertreten-des Mitglied der Verfassungskommission desSaarlandes.

1) Manuel Gogos, Vorhofflimmern – Charisma und Charismatiker der frühen Arbeiterbewegung, in: Anja Kruke/Meik Woyke(Hrsg.) Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung 1848-1863-2013, Berlin 2012, S.16-27

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Bildungsverein in Leipzig, schlossen sich dem ADAV nicht an. Machtkämpfe im ADAVin der Nachfolge Lassalles führten zu Abspaltungen. Autoritäre Führungsstrukturen imADAV schreckten zusätzlich zahlreiche Arbeiter von der Mitgliedschaft ab. Politischspalteten Streitpunkte über die Rolle der Gewerkschaften oder die Frage nach dernationalen Ausrichtung des Deutschen Reiches (mit oder ohne Österreich) die deut-sche Arbeiterbewegung. 1869 entstand in Eisenach mit der von August Bebel undWilhelm Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) eine

zweite sozialdemokratische Partei, dieSpaltung vertiefte sich. Mit der „klein-deutschen“ Gründung des DeutschenReiches 1871 fiel ein wesentlicher Streit-punkt zwischen den konkurrierendenParteien weg. Vor allem aber die Erfah-rungen der Unterdrückung durch staatli-che Behörden, gesetzliche Maßnahmenund Unternehmerwillkür, die für beideParteien gleich waren, ließ den Ruf nachParteieinheit bei den Arbeitern immerdeutlicher werden. Im Mai 1875 wurdeschließlich auf dem Einigungsparteitag inGotha die Sozialistische Arbeiterpartei(SAP) gegründet. Das Gedenkblatt zumGothaer Einigungsparteitag (Tafel 1 Mit-te) greift wieder das Symbol des Hand-schlags auf - Bildmitte oben -, was hiersicherlich auf die konkrete Einigungssi-tuation bezogen ist. Neben der nament-lichen Nennung der Kongressdelegiertensind führende Funktionäre beider Partei-en abgebildet. Friedlich neben einanderin der Bildmitte sind die ideologischenVäter der geeinten Sozialdemokratie ab-gebildet: Karl Marx und Ferdinand Lass-alle. Friedrich Engels fehlt übrigens. Die-ses Bild täuscht eine (ideologische) Ein-

heit vor, die es in Wirklichkeit nicht gab. Marx und Engels hatten heftige Kritik amGothaer Programmentwurf geübt. Für die Parteieinheit erwies sich das Gothaer Pro-gramm allerdings als eine gute Grundlage, der Aufstieg der Sozialdemokratie zurMassenpartei begann. Rückblickend hielt Bebel in seinen Erinnerungen fest: „…eswar kein leichtes Stück, mit den beiden Alten in London sich zu verständigen.“2

Als das Erinnerungsblatt an den 50. Jahrestag der Gründung des ADAV 1903 erschien(Tafel 1 unten), war die SPD zur Massenpartei und die deutsche sozialistische Arbei-terbewegung zur Massenbewegung geworden. Am oberen Bildrand des Erinnerungs-blattes sind die ideologischen Väter Engels, Lassalle und Marx abgebildet sowie die

SPD-Mitgliedskarte von Rudolf Strumm, sen., gebo-ren am 27. 02. 1900, OV Elversberg, Beitritt am 29.08. 1922. Er war von 1929 bis 1935 Vorsitzender des„Arbeiter-Theater-Verein Elversberg“. Von 1945 bis1965 Vorsitzender der AWO-Altenwald, zeitweise Vor-sitzender der SPD Altenwald und Stadtrat in Sulz-bach.

2) August Bebel, Aus meinem Leben. Ungekürzte Ausgabe. Mit einer Einleitung von Brigitte Brandt, Berlin Bonn 1986, S.428.Dort auch die spannend zu lesende Darstellung der Vorgeschichte der Einigung, S.386ff.

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Namen der Gründungsmitglieder des ADAV vom 23. Mai 1863 aufgeführt. Ihrer politi-schen Bedeutung für die Entwicklung der SPD entsprechend sind die Porträts vonWilhelm Liebknecht und August Bebel hervorgehoben. Die Quintessenz des Kommu-nistischen Manifests von 1848, „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ steht in gro-ßen Lettern in der Bildmitte sowohl als historischer Hinweis auf die Wurzeln der SPDals auch als aktuelle Tageslosung, alle Proletarier in der sozialistischen Bewegung zuvereinen, wovon die deutsche Arbeiterbewegung 1903 trotz des schon gewonnenenMassenanhangs noch weit entfernt war. Dass die Arbeiterkultur, insbesondere auchder Arbeitergesang um die Jahrhundert-wende eine große Rolle in der sozialisti-schen Arbeiterbewegung spielte, kommtdurch das Bildnis dreier berühmter Ar-beiterdichter und einem kurzen Auszugaus ihren bekannten Liedern (das Bun-deslied von Georg Herwegh, die Arbei-ter-Marsaillaise von Jakob Audorf und derSozialistenmarsch von Max Kegel) zumAusdruck. Abgerundet wird das Erinne-rungsblatt an den beiden Außenseitenmit Porträts führender Sozialisten aus denAnfangsjahren der Bewegung und amunteren Bildrand mit Porträts 1903 aktu-ell führender SPD-Funktionäre.

Die Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD Saar

Von der Entwicklung der Sozialdemokra-tie in Deutschland, den beiden Partei-gründungen 1863 und 1869 wurde in saar-ländischen Zeitungen zwar berichtet, dasstetig wachsende Industrierevier an Saarund Blies blieb aber selbst weitgehendunberührt von der neuen Bewegung. BisEnde der 1860er Jahre sind einige Streiksund gewerkschaftliche Gründungsversu-che nachweisbar. ADAV und SDAP began-nen zunächst vergebens ihre Fühler im Saarrevier auszustrecken. Über den Versuchhinaus, Namen von vertrauenswürdigen (Berg-)Arbeitern als Ansprechpartner im Saar-revier zu erhalten, ist nichts bekannt. Als eine der ersten bekannten nachweisbarenAktionen gilt eine am 4. August 1872 im Baldes’schen Braustübl in der St. JohannerBahnhofstraße durchgeführte öffentliche sozialdemokratische Versammlung (Tafel 2oben und Mitte). Die Anfänge der sozialdemokratischen Bewegung müssen aber schonfrüher liegen. Immerhin wurde die Versammlung eingeladen von einem Schreiner ausSt. Johann, Ernst Zimmermann, der vorher von der Eisenbahnwerkstätte in St. Johann

Mitgliedsbuch der „Naturfreundeheim - eingetrageneBaugenossenschaft m.b.H.“ zum Bau des Natur-freundehauses Kirkel mit Sitz in Saarbrücken von PaulTrapp, Saarbrücken, Beitritt am 15. 04. 1925.

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entlassen worden war. Er muss zur Durch-führung der Veranstaltung den Kontakthergestellt haben, entweder zum Vor-stand der SDAP oder direkt zu den bei-den Wanderagitatoren, die aus Mainznach St. Johann gekommen waren, aberdarüber wissen wir nichts. Über die Ver-sammlung wurde sowohl in saarländi-schen Zeitungen als auch im „Volksstaat“,der Zeitung der SDAP (Tafel 2 Mitte) aus-führlich berichtet. Die beiden Wanderagi-tatoren - damals eine übliche Methodedie Ideen und Ziele der Sozialdemokra-tie zu verbreiten - Josef Leyendecker undAnton Zierfaß waren sowohl in der SDAPals auch in Gewerkschaftsorganisationenaktiv und überregional bekannt. Der Kor-respondent des „Volksstaats“, der ausSt. Johann berichtete, meldete, dass „dieHerren Leyendecker und Zierfaß“ über dieArbeiterbewegung referierten. „Die Red-ner wiesen nach, wie bei den heutigenZuständen überall das Bedürfnis und dieNothwendigkeit hervortrete, daß die Ar-beiter sich zu Genossenschaften verei-nigten…“ und die Versammlung be-schließt „sofort zur Gründung von Ge-werkschaften zu schreiten …“ Nach dem

Bericht im „Volksstaat“, der von Ernst Zimmermann stammt, erläutert Leyendeckeram Beispiel eines Artikels der liberalen Saarbrücker Zeitung die „Corrumpirtheit derheutigen Presse“ und ging auf „eine hier stattgefundene Maßregelung resp. Entlas-sung ...“ ein; es dürfte unstrittig sein, dass damit die Entlassung Zimmermanns ausder Königlich Preußischen Eisenbahnwerkstätte gemeint war. Der Redner schloss mitden Worten: „Auch hier beginnt die Dämmerung zu weichen“. In der Folgezeit lassensich in St. Johann und Saarbrücken, kaum darüber hinaus, kleinere Aktivitäten einersozialdemokratischen Bewegung belegen.

Die Reichstagswahl 1877Die Reichstagswahl 1877Die Reichstagswahl 1877Die Reichstagswahl 1877Die Reichstagswahl 1877

Zu verstärkten, nachweisbaren Aktivitäten kam es erst 1876/77 wieder. In St. Johann-Saarbrücken hatte sich eine kleine Parteigruppe als Verein konstituiert, dessen Vorsit-zender der schon bekannte Ernst Zimmermann war. Gleichzeitig wurde die Bewegungdurch das erneute Auftreten von Wanderagitatoren belebt. Im Frühjahr 1876 agitierteder Uhrmacher Carl Rudolph Hackenberger in den Saarstädten, wurde aber schon

Teilnehmerkarte vom Jugend-Sport-Fest des „Arbei-ter-Turn- und Sportbundes, Landesverband Saargebiete.V.“ am 8. Juli 1934 in Güdingen von Herbert Veitaus Sulzbach-Altenwald.

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bald wegen „Aufreizung zum Klassenhaß“ angeklagt und zu einem Jahr Gefängnisverurteilt. Hackenberger, der ursprünglich aus Marienburg in Westpreußen stammteund nachweislich dort schon für die Sozialdemokratie tätig war, hatte sich als Vorsit-zender des Arbeiterbildungsvereins Pforzheim und als viel gefragter Wanderrednereinen Namen gemacht. Hackenberger war auch der erste Kandidat, der in einemsaarländischen Reichstagswahlkreis als Zählkandidat für die Sozialdemokratie aufge-stellt wurde. Der inhaftierte Hackenberger wurde im Wahlkreis Saarbrücken zur Reichs-tagswahl vom 11. Januar 1877 aufgestellt und erhielt im gesamten Wahlkreis 324Stimmen, 240 davon im Bereich der späteren Großstadt Saarbrücken. VereinzelteStimmen für Hackenberger wurden aber auch in Bergarbeiterdörfern (Dudweiler, Quier-schied, Püttlingen, Altenkessel und Sulzbach-Altenwald) abgegeben. Dies ließ dieKönigliche Bergwerksdirektion Saarbrücken hellhörig werden, wollte sie doch aufjeden Fall und mit jedem Mittel ein Übergreifen der sozialdemokratischen Bewegungauf die Bergarbeiterbevölkerung verhindern.

Die Freie VolksstimmeDie Freie VolksstimmeDie Freie VolksstimmeDie Freie VolksstimmeDie Freie Volksstimme

Mit dem Zuzug des jungen, aus Braunschweig stammenden, Agitators Harry Kaulitznach St. Johann im Januar 1877 erhielt die sozialistische Bewegung an der Saar eineneue Qualität. So fand unter seiner Leitung im April 1877 erstmals eine öffentliche

Mitgliedskarte der „Einheitsfront für den Status Quo“ mit den Unterschriften von Max Braun (SPD) und FritzPfordt (KPD-Saar).

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Geburtstagsfeier im Gedenken an Ferdinand Lassalle im Saarrevier statt und Kaulitznahm im Mai 1877 als erster Delegierter aus dem Saarrevier für St. Johann an demParteitag der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) teil. Höhepunkt und gleichzeitig An-fang vom Ende dieser Entwicklungsphase der saarländischen Sozialdemokratie stelltdie von Kaulitz und dem inzwischen aus der haft entlassenen Hackenberger gemein-sam verantwortete Herausgabe der ersten sozialistischen Zeitung im Saarrevier, „FreieVolksstimme - Organ für die Bevölkerung des Saar-Gebiets“ dar. Erstmals werden aufTafel 2 unten komplette Seiten dieser Zeitung, Seite 1 und Seite 4 der Nr. 1 vom 1. Juli1877 nachgedruckt. Interessant ist besonders Seite 4. Die Versammlungsankündigun-gen zeigen die große Aktionsdichte der beiden Agitatoren Kaulitz und Hackenberger.Im Zeitraum 30. Juni bis 8. Juli 1877 werden zwei Sitzungen der „Preß-Commission“der „Freie Volksstimme“ und fünf öffentliche Versammlungen angekündigt. Überra-schend ist die hohe Anzahl von Anzeigen lokaler Gewerbetreibender. Zehn Annoncenvon Geschäftsleuten aus St. Johann, Saarbrücken und Malstatt-Burbach sind abge-druckt. Teilweise lassen sich die Geschäftsleute als aktive Sozialdemokraten undMitglieder der „Preß-Commission“ identifizieren. Das Erscheinen der Zeitung „FreieVolksstimme“, aber auch der Versuch der Sozialdemokratie, ihre Versammlungen aufdie Wohnorte der Bergleute auszudehnen, rief den konzertierten Widerstand staatli-cher Behörden und großer saarländischer Arbeitgeber gegen die Sozialdemokratie ander Saar hervor.

Das „Sozialistengesetz“ der SaarindustrieDas „Sozialistengesetz“ der SaarindustrieDas „Sozialistengesetz“ der SaarindustrieDas „Sozialistengesetz“ der SaarindustrieDas „Sozialistengesetz“ der Saarindustrie

Schon im Frühjahr 1877 hatten die Behörden mit Hausdurchsuchungen bei bekanntenSozialdemokraten und der polizeilichen Auflösung sozialdemokratischer Versammlun-gen versucht, die Bewegung zu ersticken. Am 6. Juli 1877 holten die privaten undstaatlichen Arbeitgeber an der Saar bei Anwesenheit des Saarbrücker Landrats vonGeldern zum großen Schlag aus: sie beschlossen das sog. Sozialistengesetz der Saar-industrie (Tafel 3 Mitte). Es war natürlich kein Gesetz im formalen Sinn wie etwa das

Mitgliedsbuch der „Union des Réfugiés Sarrois en France“ (Vereinigung der Saar-Flüchtlinge in Frankreich) vonWilhelm Lawall, Verwaltungssekretär aus Dudweiler. Er war 1935 mit seiner Frau Herta nach Mirande imDepartement Gers in Frankreich emigriert. Die Karte trägt die Unterschrift des Vorsitzenden Karl Mössinger(SPD).

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Bismarck’sche Sozialistengesetz vom Oktober 1878, das durch den Reichstag be-schlossen wurde. Es war eine private Absprache aller bedeutenden Arbeitgeber imSaarrevier, auch der staatlichen, vor allem des Preußischen Bergfiskus, zur kompro-misslosen, vor rechtswidrigen Maßnahmen nicht zurück scheuenden Unterdrückungjeder Art von eigenständiger Arbeiterbewegung oder deren Unterstützung durch Drit-te, z.B. durch die Bereitstellung von Versammlungslokalen. Die Durchsetzung dieserAbsprache wurde auch von staatlichen Behörden (Landrat, Polizeibehörden, Bergbe-hörde) unterstützt; effektive Gegenwehroder gar Rechtsmittel gab es für Betrof-fene nicht, wie sich in der Folgezeit zei-gen sollte. Spiritus rector dieser umfas-senden Unterdrückungsmaßnahmen warder Neunkircher Hüttenindustrielle undReichstagsabgeordnete Carl FerdinandStumm (Tafel 3 unten). Rücksichtslos,egoistisch, seine Marktmacht missbräuch-lich ausnutzend und gewissenlos auchgesetzliche Schranken und Rechte Drit-ter missachtend hat er im Kampf gegendie sozialistische Arbeiterbewegung imSaarrevier die Grundlagen für ein, überseinen Tod hinaus wirksames System derRechtlosigkeit, Ausbeutung und sozialverbrämten Unterdrückung (Wohlfahrts-einrichtungen) initiiert. Die Definitionsmacht darüber, wer als Sozialdemokrat anzu-sehen ist und welche Handlungen durch das sog. Sozialistengesetz der Saarindustriesanktionswürdig sind, behielt er sich vor. „Saarabien“ und „Deutschrußland“ warenweit über die sozialistische Arbeiterbewegung hinaus reichsweit gebräuchliche Syno-nyme für die politische Unterdrückungskultur im „Königreich Stumm“. Alle fünf Re-dakteure der „Freie Volksstimme“ gehörten zu den ersten Opfern der Sozialistenhatzim Saarrevier. Die „Freie Volksstimme“ musste nach der siebten Ausgabe ihr Erschei-nen einstellen. An den beiden Hauptagitatoren wurde ein abschreckendes Exempelstatuiert, sie wurden zu je zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Wirksam aber wardas System. Über viele Jahre fanden sozialdemokratische und gewerkschaftliche Akti-vitäten im Saarrevier fast nur noch im Untergrund statt. Bismarcks Gesetz gegen diegemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie - 1878 bis 1890 - (vgl. Tafel 3oben) fand im Saarrevier kaum noch Sozialdemokraten vor. Die Zeichnung auf Tafel 3oben stammt von Robert Holoch aus dem Jahr 1879. Der Künstler hat Bismarck zahl-reiche Maßnahmen, die vom Reichskanzler gegen politische Gegner, besonders auchdie sozialistische Arbeiterbewegung initiiert waren, bzw. gegen diese wirkten, imwahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben. Neben Polizeispitzeln oder derBestechung von Journalisten durch den Reptilienfond nimmt das Sozialistengesetzmit seinen Möglichkeiten der Ausweisungen von sozialdemokratischen Agitatoren ausihrer Heimatstadt und des kleinen Belagerungszustandes über Zentren der Sozialde-mokratie, eine zentrale Rolle ein.

Quittung über 0,50 Reichsmark (RM) Aufnahmegebührund 0,50 RM Mitgliedsbeitrag für den am 01. 06. 1946dem Ortsverein Otzenhausen der SPD beigetretenenspäteren Nonnweiler Bürgermeister Egon Meier, ge-boren am 02. 01. 1925. Otzenhausen gehörte ab dem1. 8. 1946 zum Saarland, der Ortsverein gehörte zuvorzum Unterbezirk Trier im Bezirk Obere Rheinprovinz.

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Die „Große Streikzeit“Die „Große Streikzeit“Die „Große Streikzeit“Die „Große Streikzeit“Die „Große Streikzeit“

Das Auslaufen des Bismarck’schen Sozialistengesetztes zum 30. September 1890 spieltefür die Sozialdemokratie im Saarrevier wegen der Fortdauer des regionalen „Sozialis-tengesetzes“ nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings gelang der Sozialdemokratieund den freien Gewerkschaften im Windschatten der „Großen Streikzeit“ 1889 bis1893 ein kurzer neuer Aufschwung.

Miserable Lohnverhältnisse, lange Arbeitszeiten, schlechte Behandlung durch die Vor-gesetzten und ein weit verbreitetes System von Bestechlichkeit und Korruption bilde-ten den Nährboden für das massenhafte Aufbegehren der Saarbergleute. Erstmals inder Geschichte des Saarbergbaus nahmen die Bergleute die Durchsetzung ihrer Rech-te selbst in die Hand. Streikrecht, Koalitionsfreiheit, Versammlungs- und Pressefrei-heit, ja, die Behandlung als gleichberechtigter Mensch standen für sie, wie auch fürdie Arbeiter in der Hüttenindustrie an der Saar, bisher nur auf dem Papier. Mit demRechtsschutzverein (RSV) der Saarbergleute und in dessen Schatten dem „Alten Ver-band“, dem freigewerkschaftlichen Bergarbeiterverband (Tafel 4 oben), gelang eserstmals eigenständige Organisationen mit Massenanhang an der Saar zu bilden. DasFoto auf Tafel 4 oben, das die Delegierten des 1. Bergarbeitertages in Halle 1890zeigt, ist von besonderem Interesse für die saarländische Bergarbeiterbewegung, weilnicht weniger als zwölf Delegierte aus dem Saarrevier (elf aus dem preußischen Teilund ein Vertreter aus St. Ingbert) abgebildet sind.

Vorläufiger Ausweis der „Sozialdemokratischen Partei Bezirk Saar“ des Verwaltungsangestellten Josef Hoff-mann, geboren am 06. 08. 1920, OV Sulzbach, Beitritt am 01. 04. 1946.

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Anfangs von der Zentrumspartei in Person des Trierer Kaplans Georg Friedrich Das-bach gefördert, entzogen Zentrum und Katholische Kirche der Bergarbeiterbewegungihre Unterstützung und verteufelte sie als „sozialdemokratisch“, je mehr sie Eigen-ständigkeit und Selbstbestimmung zu wahren versuchte. Wie groß das Verlangenspeziell unter den Bergarbeitern nach einer eigenständigen, unabhängigen Interes-senvertretung war, zeigen die Ergebnisse der Reichstagswahl vom 20. Februar 1890,als Vertreter des Rechtschutzvereins (RSV) als Arbeiterkandidaten - nicht als Kandida-ten der SPD, die aber im Gegensatz zum Zentrum auf die Aufstellung eigener Kandi-daten verzichtete - in den preußischenReichstagswahlkreisen an der Saar kan-didierten und beachtliche Stimmenergeb-nisse erzielten. Der Führer des RSVs, Ni-kolaus Warken, verpasste im WahlkreisSaarbrücken nur knapp die Stichwahlgegen Bergrat Pfaehler, der das Mandatfür die Nationalliberalen mit knapperabsoluter Mehrheit gewann.

Im Windschatten der Bergarbeiterbewe-gung startete auch die SPD einen neuenVersuch, im Saarindustrierevier Fuß zufassen. Mit dem aus Frankfurt/Main insSaarrevier beorderten Metallarbeiter Le-opold Emmel (Tafel 4 unten) schickte derParteivorstand einen erfahrenen Funkti-onär, der mit Hilfe einheimischer Sozial-demokraten versuchte, eine gefestigteStruktur für den Aufstieg der Saar-SPDzu formen. Es gelang zwar, mit der Zei-tung „Bote von der Saar“ über zwei Jah-re hinweg zum zweiten Mal eine saarlän-dische SPD-Zeitung herauszugeben, zahl-reiche Versammlungen mit überregionalbekannten Sozialdemokraten, u.a. mitWilhelm Liebknecht und dem „Roten Pfalzgraf“ Franz Josef Ehrhart und als Höhe-punkt eine Versammlung mit dem Parteivorsitzenden August Bebel im BildstockerRechtsschutzsaal (Tafel 4 Mitte) durchzuführen und ein gewisser, wenngleich auchkein bestimmender Einfluss im RSV konnte durch die Sozialdemokratie errungenwerden. Auch nahm mit dem rührigen Dudweiler Sozialdemokraten Nikolaus Frieserstmals ein Saarländer als Delegierter an einem Parteitag der deutschen Sozialde-mokratie, am Erfurter Parteitag 1891, teil. Eine langfristige Stabilisierung der Partei imSaarrevier misslang aber. Mit dem Niedergang des RSVs und der brutalen Unter-drückung jeglicher Formen autonomer (Berg-)Arbeiterbewegung durch die KöniglicheBergwerksdirektion, den preußischen Behördenapparat und das Arbeitgeberkomiteeunter Führung von Stumm, die die Regelungen des „Sozialistengesetzes“ der Saarin-

Mitgliedskarte der „Sozialdemokratischen Partei Saar“von Heinrich Müller, geboren am 22. 05. 1909, OVGüdingen, Beitritt am 01. 12. 1945.

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dustrie auch weiterhin für gültig erklär-ten und rücksichtslos umsetzten, gingauch der kurze Aufschwung der Sozial-demokratie zu Ende. Die Ansätze dersozialistischen und gewerkschaftlichenBewegung an der Saar wurden zerschla-gen und auf einige wenige Akteure ausHandwerksberufen im Bereich der Städ-te St. Johann und Saarbrücken reduziert.Die Saarregion war für die SPD wieder„terra incognita“, wie Bebel schon 1891in einem Schreiben an den Redakteur desOrgans des RSVs „Schlägel und Eisen“,Peter Braun, formuliert hatte.

Ära StummÄra StummÄra StummÄra StummÄra Stumm

Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhundertswird auch „Ära Stumm“ genannt, weil dersaarländische Hüttenindustrielle reichs-weit, aber auch im Saarrevier den Höhe-punkt seines politischen Einflusses er-reicht hatte. In diesem Zenit deutete sichaber auch der Niedergang seines „patri-

archalischen Despotismus“, des Systems Stumm, an. Zwar blieb das „Sozialistenge-setz“ der Saarindustrie weiter in Kraft und die großen freien Gewerkschaften derBerg- und Metallarbeiter konnten im hoch industrialisierten Saarrevier kaum Mitglie-der gewinnen. Aber in den Saarstädten St. Johann und Saarbrücken bildeten dieHandwerkergewerkschaften, insbesondere im Baubereich (Maurer, Holzarbeiter, Tisch-ler, Zimmerleute), stabile gewerkschaftliche Strukturen. So wurde Ende des 19. Jahr-hunderts in St. Johann ein Gewerkschaftskartell der freien Gewerkschaften gegründet.Auch die Sozialdemokratie konnte ab der Jahrhundertwende, weiterhin mit dem kla-ren Schwerpunkt im Bereich St. Johann-Saarbrücken, wieder Tritt fassen. 1898 wurdein St. Johann ein Sozialdemokratischer Wahlverein gegründet, in St. Ingbert entstand1899 ein sozialdemokratischer Verein.

Osterroth, Böckler und Co.Osterroth, Böckler und Co.Osterroth, Böckler und Co.Osterroth, Böckler und Co.Osterroth, Böckler und Co.

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts trugen Nikolaus Osterroth, ein entlassenerBergmann aus der Pfalz, der spätere DGB-Vorsitzende Hans Böckler, der Ende 1903als Angestellter des Deutschen Metallarbeiterverbandes aus Fürth ins Saarrevier kam(Tafel 6 oben und Mitte) und Hans Portenkirchner, ein Funktionär des Bergarbeiterver-bandes, der ab 1904 das Arbeitersekretariat St. Johann leitete, die Hauptlast beim

SPS-Mitgliedsbuch, Nummer 14335, von HeinzGrandmontagne, geboren am 05. 04. 1922, OV Alt-Saarbrücken, Beitritt am 31. 08. 1954. HeinzGrandmontagne war Geschäftsführer der SAAR MES-SE.

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Aufbau sozialdemokratischer und freigewerkschaftlicher Strukturen. Im August 1903wurde mit Nikolaus Osterroth an der Spitze das Agitationskomitee für das preußischeSaarrevier, die bayrische Saarpfalz und den Wahlkreis Saargemünd gegründet, mankann vom Gründungsdatum des Landesverbands Saar der SPD sprechen. Ab 1905erschien für vier Jahre zum dritten Mal eine saarländische SPD-Zeitung, „Saarwacht“.Trotz all dieser Bemühungen blieben die Erfolge sehr begrenzt, die Zahl der SPD-Mitglieder im Saarrevier vor 1914 blieb deutlich unter 1000.

„Saarabien“ vor Gericht„Saarabien“ vor Gericht„Saarabien“ vor Gericht„Saarabien“ vor Gericht„Saarabien“ vor Gericht

Nach Stumms Tod 1901 hatten der Vorsitzende der Bergwerksdirektion Ewald Hilger(Tafel 5 Mitte) und der Syndikus der Handelskammer Saarbrücken Dr. Alexander Tille(Tafel 6 unten) dessen sozialpolitisches Erbe als Kämpfer gegen sozialdemokratischeUmtriebe übernommen. Hilger, von seinen Gegnern spöttisch „Saarbismarck“ genannt,wurde mit seinen Unterdrückungsmethoden, mit dem System der Schwarzen Listen,Wahlbeeinflussungen und Korruptionspraktiken (Tafel 5 oben und unten, 7 oben) imHilger-Krämer-Prozess bloß gestellt. Zwar gewann er formaljuristisch den Prozessgegen den ehemaligen Bergmann und Sozialdemokraten Karl Krämer, der entlassenworden war, weil er in St. Ingbert eine Versammlung des Bergarbeiterverbandes be-sucht hatte. Als aber der sozialdemokratische Vorwärts-Verlag den Prozessbericht alsBroschüre „Saarabien vor Gericht“ (Tafel 5 Mitte) verbreitet, wurde das Klima derEinschüchterung, der „Stickluft“, die keinen Raum für freies Atmen ließ, wie es derdamals schon renommierte deutsche Soziologe Max Weber ausdrückte, im ganzenReich bekannt und Hilger nahm seinen Abschied vom Vorsitz der BergwerksdirektionSaarbrücken; er verließ das Saarrevier Richtung Oberschlesien, wo er zukünftig seinesozialpolitischen Heilslehren als Direktor der Laurahütte verbreitete.

Die Risse, die das saarabische System vor 1914 erhielt, die kleinen Erfolge der Sozi-aldemokratie auch außerhalb der Großstadt Saarbrücken - so wurden sozialdemokra-tische Vereine gegründet u.a. in Neunkirchen, Illingen, Schiffweiler, Blieskastel undHomburg - brachten das System aber vor 1918 nicht zu Fall.

Reichstagswahl 1912Reichstagswahl 1912Reichstagswahl 1912Reichstagswahl 1912Reichstagswahl 1912

Während die Sozialdemokratie bei der Reichstagswahl im Januar 1912 (Tafel 7 Mitte)einen großen Erfolg errang, 110 Abgeordnete im Reichstag stellte und erstmals auchprozentual die meisten Wählerstimmen aller Parteien errang, blieb das PreußischeSaarrevier für die Sozialdemokratie Diaspora. Die kümmerlichen 7,8 Prozent derStimmen im Wahlkreis Saarbrücken, waren noch das deutlich beste Wahlergebnis inden drei preußischen Saarwahlkreisen. Wesentlich besser, wenn auch deutlich hinterdem Reichsdurchschnitt von 34,8%, waren die Ergebnisse in der bayerischen Saar-pfalz (Tafel 7 unten).

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Das Saargebiet entstehtDas Saargebiet entstehtDas Saargebiet entstehtDas Saargebiet entstehtDas Saargebiet entsteht

Die Entstehung des Saargebietes nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkriegerfolgte in mehreren Schritten. Während die Saarländer bei den Wahlen zur Deut-schen Nationalversammlung in Weimar im Januar 1919 noch mitwählten, verfolgtenfranzösische Politiker zunächst unverhohlen eine Annexionspolitik, die die Saarregionunter der französischen Bezeichnung „Sarre“ bereits als französisches Départementbetrachtete. Die preußisch-deutschen und bayerischen Briefmarken mit der Germaniaund dem Bild König Ludwigs III. zeigen dies durch den Aufdruck „Sarre“ (Tafel 8Mitte) ebenso wie das große Denkmal in Verdun, wo die Saar unter den Namen derfranzösischen Départements rangiert: Freilich konnte die französische Politik dieseharte Linie gegenüber den britischen und amerikanischen Alliierten nicht durchsetzenund das neu gebildete Land an der Saar wurde unter dem Namen Saargebiet derVerwaltung des neu gegründeten Völkerbundes in Genf unterstellt; in der Regierungs-kommission hatte in den ersten Jahren ein Franzose - 1920 bis 1926 Victor Rault -den Vorsitz, was die dominierende Stellung Frankreichs an der Saar deutlich zeigt; inder Regierungskommission war auch ein Saarländer vertreten, so ab 1924 Bartho-lomäus Koßmann. Die französische Währung wurde 1922 schrittweise im Saargebieteingeführt (vgl. die Briefmarken, Tafel 8 Mitte), was die saarländische Bevölkerungvor der im Deutschen Reich nun galoppierenden Inflation bewahrte.

Militärische und paramilitärische EinheitenMilitärische und paramilitärische EinheitenMilitärische und paramilitärische EinheitenMilitärische und paramilitärische EinheitenMilitärische und paramilitärische Einheiten

Der Einsatz französischen Militärs während der „Spartakuskrawalle“ (Tafel 8 oben)und die Stationierung nordafrikanischer Kolonialtruppen als französische Besatzungs-soldaten an der Saar zeugt einerseits nicht gerade von feinem Fingerspitzengefühlder französischen Militärregierung und der Regierungskommission des Völkerbundes,hatte man sich doch noch wenige Jahre zuvor erbittert im Schützengraben gegenüber-gelegen; andererseits lassen sich manche Reaktionen der saarländischen Öffentlich-keit im Umgang mit den ausländischen Truppen nur rassistisch deuten.

SAJ-Mitgliedskarte, Nummer F 62, von Heinz Grandmontagne, Ortsverband „Viktor Adler“ in Saarbrücken,Beitritt am 10. 02. 1955.

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Das Bild, das beim Pfingsttreffen des Rotfrontkämpferbundes 1930 in Neunkirchenentstand (Tafel 8 unten), ist eine der wenigen erhaltenen Photographien, die dieparamilitärisch organisierten Einheiten der verschiedenen Parteien zeigen. Diese hat-ten die Aufgabe des Ordnungsdienstes bei größeren Veranstaltungen; es kam aberimmer wieder, vor allem zwischen Angehörigen des kommunistischen Rotfrontkämp-ferbundes und der nationalsozialistischen Sturm-Abteilung (SA) zu Schlägereien inWirtshäusern und auf der Straße; so konnten auch die tragenden Parteien der Weima-rer Republik (SPD, Zentrum) nicht darauf verzichten, als friedliches Pendant zu dengenannten Institutionen das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold aufzustellen, das es auchim Saargebiet gab, wo sich freilich das Zentrum nicht daran beteiligte.

Die Sozialdemokratische Partei des SaargebietsDie Sozialdemokratische Partei des SaargebietsDie Sozialdemokratische Partei des SaargebietsDie Sozialdemokratische Partei des SaargebietsDie Sozialdemokratische Partei des Saargebiets

Die Niederlage im Ersten Weltkrieg brachte es mit sich, dass die SPD nun schnell dieZiele erreichte, für die sie im Kaiserreich so lange und unermüdlich gekämpft hatte(Demokratie, Achtstundentag, Betriebsräte, Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften, Frau-enwahlrecht, eine moderne Zivilgesellschaft). Es war selbstverständlich, dass sichSozialdemokraten an dem kurzen Zwischenspiel der Arbeiter- und Soldatenräte imNovember 1918 beteiligten, das bis heute erst in Ansätzen erforscht ist. Es ist keinZufall, dass zahlreiche Ortsvereine der SPD an der Saar Ende 1918 oder im Verlauf desJahres 1919 entstanden sind, denn erst jetzt konnte man sich ohne Schikanierungdurch Behörden und Polizei selbst organisieren.

Mitgliedskarte Nummer 202 der „Arbeiter-Wohlfahrt für das Saarland e. V.“, Ortsgruppe Dudweiler, von WilhelmLawall.

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Trotz aller materiellen Not in der Arbeiterschaft bei der Stillung unmittelbarer mensch-licher Grundbedürfnisse - Hunger, Kleidung, Wohnverhältnisse - , besonders in derunmittelbaren Nachkriegszeit und dann wieder verstärkt durch die Arbeitslosigkeit inFolge der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahrekönnen diese Jahre doch auch als Blütezeit der Arbeiterkulturbewegung gelten: GroßeTeile der arbeitenden Bevölkerung engagierte sich aus eigenem Antrieb in Sport- undMusikvereinen (Tafel 10 Mitte) und in der Arbeiterwohlfahrt (Tafel 11), die sich denIdealen einer sozialen und demokratischen Gesellschaft verschrieben und somit zurVerbreitung und Festigung des auf friedlichen Interessenausgleich nach außen undinnen gerichteten Gedankenguts beitrugen.

Als Wermutstropfen in dieser an sich erfreulichen Entwicklung kann die Spaltung derlinken Arbeiterschaft in Kommunisten und Sozialdemokraten gewertet werden. AufKosten der auf Ausgleich bedachten SPD konnte die stärker gegen das katholischeZentrum und die aufkommenden Nationalsozialisten polarisierende KP des Saarge-bietes immer mehr politischen Einfluss gewinnen (Tafel 9 Mitte); die Zerstrittenheitder Arbeiterparteien trug sicher auch zur späten Gründung der Einheitsfront und zurNiederlage gegen den Nationalsozialismus bei.

Die SPD im Saarrevier vor 1933Die SPD im Saarrevier vor 1933Die SPD im Saarrevier vor 1933Die SPD im Saarrevier vor 1933Die SPD im Saarrevier vor 1933

Die SPD verlor nach 1928 mit Beginn der Weltwirtschaftskrise deutlich an Mitgliedernund Wählern. Der 1918/19 vollzogene Einbruch in die Übermacht des Zentrums imSaarrevier ging endgültig verloren. Wenn auch nicht ganz so drastisch wie vor 1914,waren die ländlich und katholisch strukturierten Gebiete der Kreise Merzig, Saarlouisund St. Wendel wieder Diaspora für die Sozialdemokratie. Zentren der SPD bliebenstark evangelisch geprägte Arbeiterbauerndörfer und städtische Strukturen,insbesondere Saarbrücken mit seinen Umlandgemeinden. Zwischen Zentrum und derstark anwachsenden KPD/ Saar verlor die SPD zunehmend Wählerpotential.

Aus dem 1925 im Saargebiet gegründeten Reichsbanner entstand 1932 die „EiserneFront“ (Tafel 12 oben), die kämpferisch-aktionistisch gegen die immer offener auftre-tenden Nationalsozialisten Demokratie, Sozialismus und die Republik verteidigenwollte. Fritz Dobisch war als Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-bundes Saargebiet (ADGB) ein einflussreicher Funktionär im SPD-Vorstand, zeitweiseSPD-Stadtverordneter in Saarbrücken, übernahm er persönlich die Vertretung desADGB in der „Eisernen Front“. Die 1933 anlässlich des 25 jährigen Bestehens derSPD-Zeitung „Volksstimme“ veröffentlichte Kollage der führenden SPD-Funktionärezeigt durch die Hervorhebung des Fotos von Max Braun, seit 1929 Vorsitzender derSaarsozialdemokraten, seine eindeutig dominierende Position. Mit Meta Wodarczak,ab 1933 im Bezirksvorstand der Saar-SPD und Vorsitzende der Frauenkommission,ist nur eine Frau abgebildet, was die starke Unterrepräsentanz von Frauen in der SPDim Saargebiet drastisch verdeutlicht. Max Braun ist es zu verdanken, dass die SPD-Saar in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die nationale, teils nationalistische Ein-

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heitsfront mit den bürgerlichen Parteien von Anfang der 1920er Jahre aufgab und einePolitik der Verständigung und Aussöhnung mit Frankreich vertrat. Auch die Erhaltungder Demokratie als politisches System in Deutschland erhielt für Max Braun zuneh-mend Bedeutung. „Wenn Deutschland eine ‚Hitler-Regierung‘ bekäme, spekulierte erbereits öffentlich im Oktober 1932, ‚dann wäre es noch besser, einer selbständigenRheinlandrepublik anzugehören und das Saargebiet würde es sich überlegen müs-sen, ob es sich dieser anschlösse oder beim Völkerbund verbliebe‘“.3

Der saarländische BAV-Vorsitzende Julius Schwarz (Tafel 12 unten), auch viele Jahrestellvertretender Vorsitzender der Saar-SPD, gehörte zum konservativen, nationalenFlügel der Saar-Sozialdemokraten. Spätere Versuche der Deutschen Front ihn undandere führende Gewerkschafter mit Hinweis auf ihre nationale Treue zum deutschenVaterland von der SPD zu trennen, misslangen eindeutig.

Nie zu HitlerNie zu HitlerNie zu HitlerNie zu HitlerNie zu Hitler

Die Saar-Sozialdemokraten waren, daran ließen sie nie einen Zweifel, deutsche Sozi-aldemokraten; das Votum für die Rückgliederung nach Deutschland in der für 1935geplanten Volksabstimmung war in der gesamten Völkerbundzeit unstrittig - bis zum

Mitgliedskarte des „Touristen-Verein - DIE NATURFREUNDE e. V., Landesleitung Saarland“, Ortsgruppe Dudweiler,von Herta Lawall. Herta Lawall war auch Mitglied der AWO und nach 1945 einige Jahre auch Mitglied des AWO-Landesvorstandes.

3) Zitiert nach Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann, Milieus und Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft imNationalsozialismus , Bonn 1995, S.200.

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30. Januar 1933. Erst nach der Machtein-setzung Hitlers durch ReichspräsidentHindenburg und der gewaltsamen Zer-schlagung der Demokratie in Deutschlandim ersten Halbjahr 1933 führte der Dis-kussionsprozess in der saarländischenSozialdemokratie zu der Entscheidung,eine Rückkehr zu Nazi-Deutschland striktabzulehnen. Dies verkündete der Vorsit-zende der Sozialdemokratischen Parteides Saargebiets Max Braun Anfang Au-gust 1933 in Sulzbach. Auf der großenantifaschistischen Kundgebung der SPDam 27. August 1933 in Neunkirchen (Ta-fel 13, 2 Abb. oben) bekräftigte er dieEntscheidung.

Zunächst versuchte die Saar-SPD denVölkerbund zu einer Verschiebung der Ab-stimmung von 1935 zu bewegen, in derHoffnung, dass Hitler in ein paar Jahrenabgewirtschaftet habe und nicht mehr ander Macht sei. Dann könnte die Abstim-mung frei und unbeeinflusst mit einemklaren Votum zur Rückkehr nach Deutsch-land durchgeführt werden. Angesichts der

raschen Machtstabilisierung des NS-Systems in Deutschland und der fehlenden Be-reitschaft des Völkerbunds sich wegen des kleinen Saargebiets mit der neuen Reichs-regierung anzulegen, war diese Hoffnung nur eine Illusion, die keine reale Grundlagehatte. Es war seitens der SPdS auch die Hoffnung, nicht vor die sehr schwierigeEntscheidung für den Status quo gestellt zu werden.

Am 12. November 1933 hatte sich die Saar-SPD auf einem außerordentlichen Partei-tag von der SOPADE (so nannte sich die SPD im Exil) mit deren Billigung getrennt.Seitdem nannte sie sich „Sozialdemokratische Landespartei des Saargebiete“ (SPdS).

Die unter der Führung der NSDAP im Laufe des Jahres 1933 gebildete Deutsche Frontvertrat eine zunehmend aggressiv gewaltsame Strategie der Ausgrenzung aller Orga-nisationen und Personen, die nicht bedingungslos für die Rückkehr der Saar zu Hitler-deutschland eintraten. Das symbolische Aufhängen von Puppen, denen das Namens-schild „Max Braun“ oder „Status quo“ umhing, wurde vieler Orts im Saargebiet alsDrohung und zur Abschreckung gegen potentielle Status-quo-Anhänger praktiziert.Tafel 13 zeigt in der Mitte eine solche Situation. Am Giebel des früheren „Judenhau-ses“, Besitzer Oppenheimer, in der heutigen Marktstraße in Lebach. Egon Gross, derdas Bild zur Verfügung stellte, datiert die Aufnahme auf vermutlich Ende 1934. Zu

Mitgliedsbuch der „Einheitsgewerkschaft der Arbei-ter, Angestellten und Beamten Saarland“ von WilhelmLawall. Wilhelm Lawall war am 12. 01. 1946 demIndustrieverband (IV) Öffentliche Betriebe und Ver-waltungen, Ortsverwaltung Saarbrücken beigetreten.

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dieser Zeit könnte das Haus schon im Besitz des späteren NSDAP-OrtsgruppenleitersWilli Riehm gewesen sein.

Betreuung der EmigrantenBetreuung der EmigrantenBetreuung der EmigrantenBetreuung der EmigrantenBetreuung der Emigranten

Nach der Machteinsetzung Hitlers flohen zahlreiche Menschen, die politisch oderrassisch verfolgt wurden, aus Deutschland ins Saargebiet. Ein Teil der Emigranten,vornehmlich die politisch Verfolgten, engagierten sich im Abstimmungskampf auf Seitender Status-quo-Bewegung. Aber auch die soziale Betreuung der Emigranten, dieVersorgung mit Essen, Unterkunft, ein wenig Geld oder, was in seltenen Fällen gelang,die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes, stellten die antifaschistischen Organisationenvor fast unlösbare Probleme. Marie Juchacz, selbst Emigrantin (Tafel 13 unten, Auf-nahme ca. 1922), langjährige SPD-Reichstagsabgeordnete und 1919 Mitbegründerinder Arbeiterwohlfahrt in Deutschland, bot in Räumen in der Saarbrücker Bahnhofstra-ße 80, 2. Etage, günstiges Essen und einen Platz zum Verweilen, zum Meinungsaus-tausch und zur Information („Interessante Zeitungen des In- und Auslandes“) an.Mehrere Zeitzeugen haben diese Emigrantenhilfe in ihren Erinnerungen gewürdigt.Neben Margarete Buber-Neumann u.a. auch Karl Retzlaw, der in seiner Autobiografie„Spartacus“ schreibt, „Morgens und mittags ging ich in ein Lokal gegenüber demBahnhof, wo ich wie eilige Reisende morgens Kaffee und mittags einen Teller Kartof-fel-, Linsen- oder Erbsensuppe erhalten konnte. Allerdings musste unkomfortabel imStehen gegessen werden. All dieses änderte sich erst zum besseren als … MarieJuchacz … im Zentrum der Stadt ein Café eröffnete. Hier war es möglich Zeitungen undZeitschriften zu lesen und sich mit Bekannten und auswärtigen Besuchern zu verab-reden. Doch war es nicht ganz gefahrlos, Gestapospitzel fotografierten die Besu-cher…“.

Die Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quoDie Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quoDie Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quoDie Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quoDie Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quo

Nachdem deutlich wurde, dass der Völkerbund an der Abstimmung 1935 festhaltenwird, begann bei den Sozialdemokraten und Kommunisten - dort verbunden mitpersonellen Veränderungen im Führungskader - das Umdenken in Richtung Statusquo: 1935 gegen die Rückgliederung zum faschistischen Deutschland. Dabei verlang-te sie vom Völkerbund im Falle des Erfolgs des Status quo die Zusage einer zweitenAbstimmung, wenn Deutschland vom Nationalsozialismus befreit ist. Anfang Juli 1934(Tafel 14 oben) verkündeten die Kommunisten und die Sozialdemokraten im Saarge-biet die Bildung der Einheitsfront für den Status quo. Gemeinsame Aktionen solltendurchgeführt werden, die Selbständigkeit der beiden Parteien aber erhalten bleiben.Die unüberbrückbaren ideologischen Meinungsunterschiede, die zwischen SPD undKPD auch nach dem 30. Januar 1933 im Saargebiet in unverminderter Schärfe ausge-tragen wurden, sollten für das gemeinsame Ziel zurückgestellt werden.

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Die Status-quo-Bewegung scheiterte mit einer niederschmetternden Niederlage inder Volksabstimmung am 13. Januar 1935. Neben der Schwierigkeit, das Votum dereigenen Anhängerschaft zu vermitteln - die Status-quo-Bewegung erhielt bei der Volks-abstimmung ca. 46.000 Stimmen, während allein SPD und KPD bei der letzten Lan-desratswahl 1932 ca. 120.000 Stimmen erhielten-, misslang der Status-quo-Bewe-gung die Ausweitung der Einheitsfront zu einer saarländischen Volksfront. Die klareStellungnahme insbesondere der katholischen Amtskirche für die Rückgliederung auchzu Hitlerdeutschland, verhinderte eine nennenswerte Ausdehnung der Status-quo-Bewegung auf katholische Kreise. Johannes Hoffmann und Pater Hugolinus Dörr, derüberraschend auf der großen antifaschistischen Kundgebung am 26. August 1934 inSulzbach als Redner für den Status quo auftrat (Tafel 14 Mitte mit dem schwarzen Hut,neben ihm Max Braun) blieben mit wenigen Gefährten mutige Einzelkämpfer im christ-lichen Lager. Der mutige Kampf aller Antifaschisten im Abstimmungskampf 1933/34gehört bis heute zu den wenigen positiven Meilensteinen bis zur Mitte des 20. Jahr-hunderts auf dem steinigen Weg der Saarregion zu einer Politik, die von demokrati-schen Grundsätzen und von europäischer Verständigung getragen war.

Nach der Volksabstimmung 1935 emigrierten viele politisch und rassisch verfolgteSaarländer/innen hauptsächlich ins nahe Frankreich, wie Heinrich Wacker und LuiseSchiffgens (Tafel 14 unten). Für viele Emigranten, die schon aus Deutschland insSaargebiet gekommen waren, ging die Flucht weiter, wie z.B. für Max Bock (Tafel 14unten).

Sozialdemokraten an der Saar im Dritten ReichSozialdemokraten an der Saar im Dritten ReichSozialdemokraten an der Saar im Dritten ReichSozialdemokraten an der Saar im Dritten ReichSozialdemokraten an der Saar im Dritten Reich

Nach der Rückgliederung des Saargebietes an das nationalsozialistische DeutscheReich wurden alle politischen Gegner durch ausgefeilte Überwachungs- und Unterdrü-ckungsmaßnahmen mundtot gemacht, bespitzelt und verfolgt. Da dies bereits für

Beleg der Aufnahmegebühr von 100,— Franken von Helmut Thull aus Uchtelfangen, der am 27. 05. 1955 der„Deutsche Sozialdemokratische Partei“ (DSP) beigetreten war, Helmut Thull war von 1955 bis 1958 SPD-Vorsitzender in Uchtelfangen.

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politisch aufgeklärte Menschen absehbar war, waren viele der exponierten Funktionä-re der Hitlergegner bereits aus dem Land emigriert, fast alle anderen enthielten sichin einer Atmosphäre latenter Angst jeglicher politischer Meinungsäußerung. Man trafsich privat, wirkte aber aus Angst vor Bespitzelung nicht nach außen (Tafel 16 Mitte).Neben der Schikanierung und aktiven Verfolgung bestimmter von den Nazis ausge-grenzter Gruppen wie der Juden (Tafel 15 oben), der Sinti und Roma betraf der auf allepolitischen Gegner gerichtete Hass der Nazis in erster Linie die Kommunisten, dannauch die Sozialdemokraten und Christen. So verdienstvoll und ehrenhaft der Wider-stand der Sozialdemokratie gegen die Naziherrschaft war - die Rede des SPD-Vorsit-zenden Otto Wels vor der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz im Reichstagbleibt ein beeindruckendes menschliches und politisches Zeugnis -, so war dieserWiderstand doch in der Regel nur von einzelnen geleistet, die meist in die Fänge desverbrecherischen Regimes gerieten.

In dieser Ausstellung haben wir das Augenmerk auf zwei Personen gerichtet, diebisher weniger von der Forschung berücksichtigt wurden.

Magdalena Berty (Tafel 16 oben) wurde am 21. Januar 1889 in Merzig geboren. Sieheiratete am 12. September 1922 in Sulzbach Karl Weber und trat im darauffolgendenJahr der SPD bei. Seit 1924 arbeitete sie am Aufbau der Arbeiterwohlfahrt mit und warseit 1926 auch Mitglied des Arbeiter-Samariter-Bundes. Bis zur Volksabstimmung 1935war sie Vorstandsmitglied des Ortsvereins Sulzbach und emigrierte mit ihrem Ehe-mann am 17. Januar desselben Jahres über Forbach ins südfranzösische DepartementGers (Languedoc), wo sie sich bis Anfang September 1936 aufhielt. Von dort ging sienach Spanien und nahm als Röntgenschwester des Internationalen SanitätsdienstesSpanien (SSI) am Spanischen Bürgerkrieg teil. Als sich die Niederlage der republikani-schen Volksfront abzeichnete, verließ Magdalena Weber im April 1938 Spanien undbegab sich nach Frankreich, wo sie sich in Paris, Montauban und Negrepelisse auf-hielt, bevor sie am 26. Juni bis zum 29. Juli 1940 (nach dem Einmarsch der deutschenWehrmacht in Frankreich) im Lager Gurs interniert wurde.

DSP-Mitgliedskarte von Alois Weber, geboren am 06. 08. 1925, Ortsverein Wadrill, Beitritt am 20. 04. 1955.

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Am 18. Mai 1941 wurde sie durch die französische Polizei des Vichy-Regimes festge-nommen und wegen illegaler Betätigung für die Kommunistische Partei, was sie hef-tig bestritt, zu einer Gefängnisstraße von zwei Jahren verurteilt. Nachdem sie in meh-reren französischen Gefängnissen eingesessen hatte, wurde sie im Januar 1942 insMilitärgefängnis nach Toulouse verlegt, von wo sie im Juli 1942 der Gestapo überge-ben und nach Deutschland zurückgeführt wurde. Sommer und Herbst 1942 verbrachtesie in den Gefängnissen Trier und Saarbrücken. Ein Hochverratsverfahren wegen ihresEinsatzes im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner vor dem Volksge-richtshof wurde gemäß eines Erlasses des Reichsjustizministers vom 31. Januar 1942eingestellt. Sie wurde wieder der Gestapo übergeben, die sie am 28. November 1942zu vielen weiteren Spanienkämpferinnen ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrücküberstellte, wo sie - nach einem Zwischenaufenthalt im KZ Auschwitz - am 27. April1945 ermordet wurde.

Julius Strumm (Tafel 16 unten) wurde am 15. Juli 1915 als Sohn der in Frankfurt amMain beschäftigten Hausangestellten Katharina Strumm in Altenwald bei Sulzbach/Saar geboren; hier wuchs er bei seinem Großvater Peter Strumm auf. Er besuchte von1921 bis 1929 die Volksschule. Seine Lehrstelle in einer Dreherei musste er wegenschlechter wirtschaftlicher Verhältnisse vorzeitig aufgeben, fand dann Beschäftigungauf den Gruben Altenwald und Hirschbach, bis er 1933 infolge der Weltwirtschaftskri-se entlassen wurde. 1931 war er dem Bergarbeiterverband beigetreten und gehörtezur Jugendgruppe der Naturfreunde. Bis September 1934 leistete er seinen Dienst imReichsarbeitsdienst (RAD), hielt sich danach bei seinem Großvater auf und nahm amSaarabstimmungskampf teil; dabei wurde er im Dezember 1934 von den Nazis zu-sammengeschlagen. Da er als Emigrant ohne gültige Papiere die französische Grenzeüberschritten hatte, wurde er in Südfrankreich verhaftet und mehrere Monate inter-niert. Bei der nachfolgenden Beschäftigung bei einem Bauunternehmen erlitt er einenUnfall, der einen dreimonatigen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte. Im Mai1936 ging er über die grüne Grenze nach Spanien, wo er bei San Sebastian undOviedo auf republikanischer Seite an der Front war. Im Herbst 1937 kehrte er nachFrankreich zurück.

SPD-Mitgliedskarte von Anna Osterroth, geboren am 04. 01, 1885, OV Saarbrücken-St. Johann, Beitritt 1918.Sie wurde am 01. 05. 1956 von der SPS in die SPD übernommen.

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Am 7. Januar 1938 meldete er sich freiwillig zur französischen Fremdenlegion und tatbis Juli 1940 Dienst im 1. Kavallerieregiment in Sousse in Tunesien. Mittlerweile wurdeihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach seiner freiwilligen Rückkehr ausNordafrika unter Zusicherung von Straffreiheit wurde Julius mit anderen Legionäreninterniert und von der französischen Gendarmerie am 27. Juli 1941 in Chalon-sur-Saône der deutschen Sicherheitspolizei überstellt, die ihn am 24. November 1941wegen Hochverrats anklagte. Das Hochverratsverfahren wegen seines Einsatzes imspanischen Bürgerkrieg vor dem Volksgerichtshof wurde ebenfalls gemäß des Erlas-ses des Reichsjustizministers eingestellt Als Spanienkämpfer blieb er in Schutzhaft inFrankfurt am Main. Am 28. Mai 1942 wurde Julius Strumm von der Gestapo ins Kon-zentrationslager Dachau gebracht. Er starb dort zwei Tage vor seinem 27. Geburtstagam 13. Juli 1942 gegen 21 Uhr. Als Todesursache gab die KZ-Leitung an: „Versagen vonHerz und Kreislauf bei eitriger Rippenfellentzündung“. Die Wahrheit wird wohl andersausgesehen haben.

Die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und KriseDie Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und KriseDie Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und KriseDie Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und KriseDie Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und Krise

An der Saar dauerte das Tausendjährige Reich der Nationalsozialisten nur zehn Jahre.So wie in Saarbrücken (Tafel 17 Mitte) und teils noch schlimmer sah es im ganzenLand aus, vornehmlich im industriellen Kernbereich und im Raum des Westwalls. AmEnde des Zweiten Weltkriegs lagen nicht nur große Teile des Landes in Trümmern, ca.35.000 kriegsbedingte Tote waren zu beklagen, die Infrastruktur war weitestgehendzusammengebrochen und eine Zivilgesellschaft musste und konnte ab der „StundeNull“ wieder von Grund auf neu aufgebaut werden. Dazu leisteten Sozialdemokrateneinen erheblichen Beitrag.

Das Wappen des Saarlandes in der Zeit des autonomen Saarstaates war in denFarben der französischen Trikolore gehalten und wies ein Kreuz auf (Tafel 17 oben). Inder Präambel der saarländischen Verfassung von 1947 war die enge politische undwirtschaftliche Anlehnung an den französischen Nachbarn festgeschrieben und mitabsoluter Mehrheit stellte die aus dem katholischen Zentrum hervorgegangene Christ-liche Volkspartei die stärkste politische Kraft, während die Sozialdemokraten einrundes Drittel der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Nach anfänglichen Richtungs-kämpfen setzten sich in der Sozialdemokratie diejenigen Kräfte durch, die mit RichardKirn und Heinz Braun an der Spitze unter den von der Besatzungsmacht vorgegebe-nen Bedingungen einen Ausgleich mit den früheren Kriegsgegnern und eine verstärk-te Zusammenarbeit in Europa (Tafel 17 unten) anstrebten. Dadurch war es möglich,unter sozialdemokratischer Führung eine Sozialpolitik zu gestalten, die die bundes-deutschen Sozialleistungen weit übertraf.

Der Sozialdemokrat Heinrich Wacker, vor 1935 Geschäftsführer des Werkmeisterver-bandes an der Saar, hatte für 1. Juli 1945 zur konstituierenden Sitzung einer Einheits-gewerkschaft geladen, in der Kommunisten, Christen und Sozialdemokraten gemein-sam die Interessen der Arbeiterschaft vertreten sollten. Nachdem die französische

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Militärregierung am 10. September 1945 die offizielle Genehmigung zur Gründung vonGewerkschaften erteilt hatte, entstanden am 18. November 1945 in Landsweiler-Re-den der Industrie-Verband Bergbau (IV), am 16. Dezember desselben Jahres in Völk-lingen der IV Metall und bald darauf zehn weitere Gewerkschaften. Das Prinzip derEinheitsgewerkschaft verfolgte man aus den Erfahrungen mit dem Dritten Reich, wo-bei man die Machtübernahme der Nazis der fehlenden Einheit der antifaschistischenKräfte zuschrieb. Johannes Hoffmann, der Vorsitzende der CVP, betrieb seit 1946 den

Aufbau einer christlichen Gewerkschaft,von der er sich die Unterstützung seineranfangs nicht unumstrittenen Stellung inseiner Partei erhoffte. Dadurch waren,entgegen der ursprünglichen Absicht, dieGewerkschaften wieder entlang der Par-teigrenzen zersplittert.

Der Landtag beschloß 1951 das Gesetzüber die Errichtung der Arbeitskammerdes Saarlandes, die als Körperschaft desöffentlichen Rechts die Interessen der Ar-beitnehmer in der saarländischen Wirt-schaft bis heute vertritt. In den Anfangs-jahren gehörten die Fortbildungsveran-staltungen für Betriebsräte und die Er-möglichung eines Urlaubsaufenthalts fürArbeiterfamilien zu ihren Tätigkeitsfel-dern. Die Arbeitskammer spielt auch einewichtige Rolle in der Sozialpolitik.

Unter den Erfolgen der SPS ist an ersterStelle die behutsame, aber effektive So-zialversicherungsreform zu nennen, nachder die Landesversicherungsanstalt zumzentralen Versicherungsträger wurde.Natürlich trugen die vergleichsweise ho-

hen Sozialleistungen auch zur Stabilisierung des politischen Systems bzw. der Eigen-staatlichkeit des Saarlandes bei. Nicht zu vergessen sind auch die gewaltigen Leis-tungen beim Wiederaufbau des Landes und der Versorgung der Kriegsopfer; inner-halb weniger Jahre besserten sich die Wohnverhältnisse und die Versorgungslage derBevölkerung in erheblichem Maße. Neben eigenen Produkten konnte man zuneh-mend auch auf französische Konsumgüter zurückgreifen (Tafel 18 oben und Mitte).

Ein Problem, was die SPS unter den vorgegebenen Bedingungen nicht befriedigendlösen konnte, war die von der französischen Regierung verweigerte Mitbestimmungin den Betrieben, besonders in der Montanindustrie. So zeichnete sich im politischenStreit über das Mitbestimmungsgesetz vom Juli 1954 beim Streik im Februar 1955, bei

SPD-Mitgliedsbuch von Kurt Achenbach, geboren am25. 03. 1933, Ortsverein Alt-Saarbrücken, Beitritt am06. 02. 1961. Kurt Achenbach war von 1974 bis 1982OV Schriftführer und von 1982 bis 1992 Stellvertre-tender OV Vorsitzender Alt-Saarbrücken.

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dem die saarländische Polizei nicht gerade zimperlich gegen Demonstranten vorging,eine zunehmende Distanz der Arbeitnehmerschaft zur Saarregierung und zum Saar-staat ab, die sich im Kampf um das Saarstatut deutlich manifestieren sollte.

Der Kampf um das SaarstatutDer Kampf um das SaarstatutDer Kampf um das SaarstatutDer Kampf um das SaarstatutDer Kampf um das Saarstatut

Aufgrund von Entwicklungen in der europäischen Politik und der angestrebten Inte-gration der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Bündnissystem erwies sichdie ungeklärte Frage über den zukünftigen politischen Status des Saarlandes zuneh-mend als störend. So erhielt die saarländische Bevölkerung zwanzig Jahre nach derVolksabstimmung vom 13. Januar 1935 erneut die Gelegenheit, am 23. Oktober 1955über die politische Zukunft ihres Landes abzustimmen (Tafel 19). Das von deutschen

und französischen Politikern 1954 erar-beitete Saarstatut (Tafel 19 Mitte) sah eineEuropäisierung des kleinen Landes an derSaar unter Beibehaltung des wirtschaft-lichen Anschlusses an Frankreich vor; dieWahlmöglichkeit war auf Zustimmungoder Ablehnung des Statuts begrenzt,wobei nicht klar war, was im Falle einerAblehnung passieren würde. Der sprin-gende Punkt war aber der, dass nach demStatut drei Monate vor der Abstimmungkeine Parteien von der Saarregierungmehr verboten werden durften (wie seit1952 die Deutsche SozialdemokratischePartei [DSP, später SPD]).

So kam es alsbald zur Gründung neuerParteien (DPS, CDU und DSP), die sichin einem Wahlbündnis als Heimatbund-parteien zusammenschlossen und alsNeinsager das Statut ablehnten, das vonden bisher staatstragenden Parteien CVPund SPS als Jasagern befürwortet wur-de. Der vierteljährige Wahlkampf wurde

sehr emotional geführt, aber längst nicht mehr so brutal wie 1935, dennoch kam eszu Gewaltausbrüchen und Polizeieinsätzen (Tafel 19 oben) und zu einem tiefen Rissdurch die saarländische Gesellschaft und zahlreiche Familien, der über Jahrzehntefortbestand. Bei dem Referendum am 23. Oktober 1955 lehnten 67,7 Prozent dersaarländischen Bevölkerung das Saarstatut ab. Die französischen Politiker respektier-ten dieses eindeutige Votum und machten den Weg frei für neue Verhandlungen, anderen Ende der Beitritt des Saarlandes als neues Bundesland der BundesrepublikDeutschland zum 1. Januar 1957 stand. Die wirtschaftliche Rückgliederung erfolgte

Mitgliedsbuch der Sozialistischen Jugend Deutschlands„Die Falken“, Landesverband Saar, aus dem jahre1959.

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erst am 6. Juli 1959 (Tag X); diese Übergangsphase vergegenwärtigen Briefmarken derdeutschen Bundespost (u. a. mit dem Bild des Bundespräsidenten Theodor Heuss)und französischer Währungsangabe (für die im Saarland bis dahin gültigen Franken).Man kann sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass im Saarland im 20.Jahrhundert im Verlaufe von anderthalb Generationen siebenmal die gültige Währungwechselte: Reichsmark (bis 1922), Französische Franken (bis 1935), Reichsmark (bis1947), Saarmark (1947), Französische Franken bis 1954, Saarfranken (bis 1959), D-Mark (bis 2001) und seit 2002 Euro (Tafel 19 unten).

Auch auf der Ebene der politischen Parteien ging die Aussöhnung der Kontrahentenbei der Volksabstimmung nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. In der Sozialdemo-kratie traten zahlreiche Mitglieder der SPS, die ihre Selbstauflösung beschloss, zurSPD über, die den neuen Vorstand bereits gewählt hatte. Die exponierten Ja-Sager,zum Beispiel Richard Kirn, Heinz Braun, Angela Stratmann-Braun und Peter Zimmer,zogen sich freilich aus der Politik zurück.

Die Lösung der Saarfrage hat den Wegfrei gemacht zur deutsch-französischenFreundschaft seit 1963. Aus heutiger Sichtkann man festhalten, dass das damalsunterlegene Drittel der Saarbevölkerungschneller als die Mehrheit den Weg nachEuropa anstrebte, den man einige Jahr-zehnte danach mit dem Europa der Va-terländer dennoch beschritt.

Der Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach oben

Als Ministerpräsident Röder 1960/61 ei-ner kleinen Koalition mit der FDP denVorzug gab und die SPD bei der Regie-rungsbildung nicht mehr berücksichtig-te, wurde der Wechsel in die Oppositionals Schock empfunden. Man zeigte sichnicht zuletzt überrascht, weil die SPD inden vergangenen fünf Jahren mit der CDUgut zusammengearbeitet hatte und inkeinem Bundesland größere Gemeinsam-keiten zwischen beiden Parteien existier-ten.

Von 1967 bis 1971 veränderte die SPD Saar nachhaltig ihr Gesicht. Damals wurdenwichtige Voraussetzungen für die späteren Erfolge geschaffen. In dieser Phase dräng-ten junge Politiker an die Spitze, die später als Mitglieder der Landesregierung die

SPD-Mitgliedsbuch von Walter Müller, geboren am 22.04. 1932, OV Hirstein, Beitritt am 01. 02. 1963

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Politik im Saarland gestalten sollten. Der Austausch einer ganzen Funktionärsgenera-tion, der im Verlauf des Landesparteitages 1970 erfolgte, ist unter anderem aber auchdas Resultat von Veränderungen innerhalb der Mitgliedschaft, die den Aufstieg derJungsozialisten überhaupt erst ermöglichten. Die Jungsozialisten bildeten das Herz-stück der innerparteilichen Opposition gegen die etablierte Parteiführung, die seit1955 nahezu unverändert gebliebenen war. Die innerparteiliche Opposition entstandin der Auseinandersetzung um die Novelle des Rundfunkgesetzes im Jahre 1967. Mitmassiver Schelte gegenüber Landesvorstand und Landtagsfraktion traten die saarlän-dischen Jungsozialisten erstmals in Er-scheinung. Ansatzpunkt ihrer Kritik wardas parlamentarische Verhalten einigersozialdemokratischer Landtagsabgeord-neten, die dem bundesweit umstrittenenGesetz zur Privatisierung des Rundfunkszugestimmt hatten. Im Verlauf der weite-ren Entwicklung übernahm die innerpar-teiliche Oppositionsgruppe in wichtigenSach- und Personalfragen wie im Streitum die Schulreform oder bei der Kandi-datennominierung für die Landtagswahl1970 die Meinungsführerschaft und konn-te sich gegen die Spitze von Partei undFraktion entscheidend durchsetzen. Frie-del Läpple wurde schließlich beim Lan-desparteitag 1970 gegen Friedel Regitzmit 153:149 Stimmen als Nachfolger vonKurt Conrad zum Landesvorsitzendengewählt. Zum ersten und bisher einzigenMale in der langen Geschichte der Sozi-aldemokratie wurde damit ein noch am-tierender Juso-Vorsitzender Vorsitzendereines Landesverbandes.

Die Verstärkung der innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD in der zwei-ten Hälfte der 60er Jahre wurde nicht zuletzt hervorgerufen durch einen Strukturwan-del, der die Zusammensetzung der Mitgliedschaft wesentlich veränderte. Im Jahre1973 kommentierte Willy Brandt die Entwicklung seiner Partei in den letzten Jahrenmit den Worten: „Veränderung bedeutet fast immer Spannung.“ Verändert hatte sichdie Zusammensetzung der SPD seit der Verabschiedung des Godesberger Programmsin der Tat: die Berufs- und Altersstruktur war seit Beginn der sechziger Jahre durchden Rückgang des Arbeiteranteils und speziell bei den Neuaufnahmen einem starkenWandel ausgesetzt. Der Arbeiteranteil verringerte sich in der Zeit 1961-1971 bei denneu aufgenommenen Mitgliedern drastisch. Dagegen stieg der Anteil der Angestelltenund Beamten, sowie der Schüler und Studenten. So war 1968 der Anteil der jungenGeneration bei den Mitgliedern auf 180.000 (25,5 %) gestiegen. Man kann feststellen,

SPD-Mitgliedsbuch aus dem Jahr 1968.

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dass die saarländische Sonderentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg die innerpar-teiliche Entwicklung der SPD Saar bis 1970 bestimmt hat. Die frühe Übernahme derSPS wurde von Bonn gesteuert und kann als Beginn eines Anpassungsprozessesverstanden werden, in deren Verlauf sich die SPD Saar zunehmend in die bundespo-litische Entwicklung integrierte. Vor dem Hintergrund der bundespolitischen Kontro-versen zwischen CDU und SPD haftete der saarländischen Bereitschaft zur Kooperati-on mit der regierenden CDU - besonders ausgeprägt beim sogenannten ‚Ministerflü-gel‘ um Friedel Regitz - etwas Überlebtes an.

Der Haupttrend der Entwicklung der Wahl-ergebnisse im Saarland seit 1955 wirddurch die kontinuierlichen Stimmenge-winne der Sozialdemokraten charakteri-siert. Während bei der Landtagswahl 1955SPD und SPS zusammen nur etwa 20 %der Stimmen erreichten, erzielte die SPDSaar bei der Landtagswahl 1985 mit 49,2% fast die absolute Stimmenmehrheit.Zwischenschritte auf dem Weg zur abso-luten Mehrheit 1985 waren die Stimmen-gewinne bei den Landtagswahlen 1960und 1965 von 15,7 % bzw. 10,7 %, dasgute Ergebnis bei der Bundestagswahl1972 (47,9 %) und der Erfolg 1980, beider die CDU erstmals bei einer Landtags-wahl überflügelt werden konnte. Bei al-len Bundestagswahlen seit 1972 erreich-te die Saar-SPD deutlich bessere Ergeb-nisse als die Bundespartei, wobei dieDifferenz im Laufe der Zeit größer wur-de. Die SPD erkannte die Zeichen derZeit und gewann durch das Aufgreifen

von Gedanken der Studenten-, Frauen- und der Friedensbewegung und anderer aktu-eller bundespolitischer Themen immer mehr Rückhalt unter der saarländischen Bevöl-kerung.

Nachdem Oskar Lafontaine 1977 den Vorsitz der SPD Saar von Friedel Läpple über-nommen hatte, errang die SPD 1980 mit 45,4 % ihr bis dahin bestes Landtagswahler-gebnis, scheiterte aber an der Koalition zwischen CDU und FDP. Auf der Basis derLandtagswahlen vom 10. März 1985 war die SPD bei der Regierungsbildung auf kei-nen Koalitionspartner angewiesen. Am 9. April 1985 wurde Oskar Lafontaine zumersten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt. Dem ers-ten Kabinett Lafontaine gehörten folgende Minister an (siehe Tafel 21): Arno Walter(Justiz), Diether Breitenbach (Kultus), Hans Kasper (Finanzen), Ottokar Hahn (Bundes-angelegenheiten), Ministerpräsident Oskar Lafontaine, Jo Leinen (Umwelt), Brunhilde

SPD-Mitgliedsbuch aus dem Jahr 1987.

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Peter (Arbeit), Friedel Läpple (Inneres) und Hans-Joachim Hoffmann (Wirtschaft). Rein-hard Klimmt übernahm den Fraktionsvorsitz im Landtag. Zu den erklärten Zielen derneuen Regierung gehörten die Reduzierung der auf 15 Prozent angestiegenen Arbeits-losenzahlen, die Lösung der Stahlkrise, die Sanierung der miserablen Haushaltslagedes Landes und der Ausbau der Hochschullandschaft bzw. hochschulnaher Forschungs-institute. Die Klage der saarländischen Regierung gegen den Länderfinanzausgleichvor dem Bundesverfassungsgericht war 1992 insofern von Erfolg gekrönt, als dieHaushaltsnotlage des Landes anerkannt wurde und damit Ausgleichszahlungen er-reicht wurden, was den Landeshaushalttemporär entlastete. Dass die Bevölke-rung die Erfolge der Landesregierung an-erkannte, belegen die Ergebnisse dernachfolgenden Landtagswahlen 1990 und1994, bei denen die SPD wiederholt dieabsolute Mehrheit erreichte.

Oskar Lafontaine spielte als Ministerprä-sident des Saarlandes auch eine zuneh-mend wichtige Rolle in der Bundespoli-tik. Er trat bei der Bundestagswahl am2. Dezember 1990 - zwei Monate nachder deutschen Wiedervereinigung - alsKanzlerkandidat der SPD an und war von1995 bis 1999 Vorsitzender der SPD aufBundesebene. Nach der Bundestagswahlim September 1998 übernahm er im 1.Kabinett Schröder den Posten des Bun-desministers der Finanzen. Sein Nachfol-ger im Amt des saarländischen Minister-präsidenten wurde sein langjähriger Weg-gefährte Reinhard Klimmt. Oskar Lafon-taine legte am 11. März 1999 überra-schend alle politischen Ämter nieder; dieSPD Saar verlor daraufhin die Landtagwahl am 5. September 1999. Lafontaine äußer-te sich in der Folgezeit kritisch zum Kurs der rot-grünen Bundesregierung unter Ger-hard Schröder, bevor er 2005 die SPD verließ und in der Partei „Die Linke“ wichtigeFunktionen übernahm.

Das derzeitige SPD-Mitgliedsbuch, etwa seit 1996.

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■ Tafel 1 oben:Tafel 1 oben:Tafel 1 oben:Tafel 1 oben:Tafel 1 oben:

Die GründungsphaseDie GründungsphaseDie GründungsphaseDie GründungsphaseDie Gründungsphase„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Einigkeit macht stark!“ stehtauf der SPD-Traditionsfahne, die im Archiv der Sozialen Demokra-tie der Friedrich-Ebert-Stiftung aufbewahrt wird und an FerdinandLassalle und die Gründung der Deutschen Sozialdemokratie am23. Mai 1863 erinnert.Am 23. Mai 1863 wurde Ferdinand Lassalle in einer Arbeiterver-sammlung in Leipzig zum ersten Präsidenten des AllgemeinenDeutschen Arbeitervereins (ADAV) gewählt; dieses Datum gilt alsoffizielles Gründungsdatum der SPD.

Diese Gründungwar kein Zufalloder spontanesEreignis, sondernhat sich historischentwickelt; sieging auf frühereVersuche zur Bil-dung von autono-men Arbeiterverei-nen zurück.Insbesondere dieBildung der erstendeutschen Mas-senorganisationfür Arbeiter, die All-gemeine Deutsche

Arbeiterverbrüderung, die durch den Buchdrucker Stephan Born1848 gegründet wurde, war eine der Wurzeln der Gründung desADAV. Darauf verweist auch das Symbol des Handschlags, das inder Mitte der Traditionsfahne abgebildet ist und schon von derArbeiterverbrüderung verwandt worden war.

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■ Tafel 1 Mitte:Tafel 1 Mitte:Tafel 1 Mitte:Tafel 1 Mitte:Tafel 1 Mitte:

In der Nachfolge Lassalles, der schon 1864 in einem Duell starb,kam es im ADAV zu Richtungskämpfen und Abspaltungen; großeMitgliedergewinne waren nicht zu verzeichnen. 1869 gründetenWilhelm Liebknecht und August Bebel die zweite sozialistische,die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Nach anfänglichenAuseinandersetzungen zwischen ADAV und SDAP z.B. über dienationale und die Gewerkschaftsfrage, erkannten beide Parteien,dass sie im neu gegründeten Deutschen Kaiserreich und besondersin Preußen gleichermaßen den Unterdrückungsmaßnahmen desKlassenstaates ausgesetzt waren. Diese Erkenntnis förderte denEinigungswillen und so wurde 1875 auf dem Einigungsparteitag

die Sozialistische Ar-beiterpartei (SAP)gegründet. Das Erin-nerungsblatt an denGothaer Parteitagzeigt Marx und Lass-alle nebeneinander;beide wurden in dersozialdemokrat i -schen Bewegung alshervorragende Vor-kämpfer der Arbeiter-bewegung hoch ver-ehrt.Vertreter aus derSaarregion hattenbis zu diesem Zeit-punkt weder imADAV noch in derSDAP eine Rolle ge-spielt. Versuche die-ser beiden Organisa-

tionen Ende der 1860er Jahre Kontakte ins aufstrebende Industrie-revier an der Saar zu knüpfen blieben erfolglos.

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■ Tafel 1 unten:Tafel 1 unten:Tafel 1 unten:Tafel 1 unten:Tafel 1 unten:

Zur 50. Wiederkehr der Gründung der deutschen Sozialdemokratieerschien ein Plakat, das stark die ganze Bandbreite der Sozialde-mokratie und die Einheit der Bewegung symbolisieren soll. Im

Erscheinungsjahrdes Plakats -1913 - sicherlichauch der impli-zierte Hinweisdarauf, diese Ein-heit zu wahren,da die SPD zudieser Zeit ideo-logisch tief zer-stritten war. Invergrößerten Fo-tos in der oberenPlakathälfte sindWilhelm Lieb-knecht und Au-gust Bebel abge-bildet, die derLassal le’schenGründung 1863kritisch gegenü-berstanden, dannaber für Jahrzehn-

te die unumstrittenen Führer der vereinigten Sozialdemokratiewaren. Im Kopf des Plakats sind die Fotos von Friedrich Engels,Ferdinand Lassalle und Karl Marx abgebildet und die Namen derGründungsmitglieder des ADAV aufgeführt. Die Fotos von Marxund Engels wie auch der Schlusssatz aus dem von beiden 1848veröffentlichten Kommunistischen Manifest „Proletarier aller Län-der vereinigt Euch“ im Zentrum des Plakats verweisen darauf,dass die Sozialdemokratie ihre programmatischen und personel-len Wurzeln deutlich vor der Gründung 1863 sieht, so etwa in derRevolution von 1848.

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■ Tafel 2 oben:Tafel 2 oben:Tafel 2 oben:Tafel 2 oben:Tafel 2 oben:

Die Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarDie Anfänge der SPD SaarEine der ersten öffentlichen Versammlungen von Sozialdemokra-ten im Saarrevier fand am 04. August 1872 im Saal der Bierbraue-rei Gebrüder Baldes, Bahnhofstraße in St. Johann, statt. Späterhatte die Gastwirtschaft an der Ecke Bahnhofstraße/Ufergasse denNamen „Baldes Braustübl“ und existierte bis vor wenigen Jahren.Teils bis ins 20. Jahrhundert hatte die Sozialdemokratie großeProbleme, Säle für ihre Veranstaltungen überlassen zu bekom-men. Die Wirte wurden von Behörden und der Polizei unter Druckgesetzt (Saalabtreiberei) und widerriefen die Verträge mit denSozialdemokraten. Mit Erlass des Sozialistengesetzes der Saarin-dustrie verloren einige Wirte in St. Johann-Saarbrücken ihre Kon-zession, weil sie früher ihre Säle für solche Veranstaltungen zurVerfügung gestellt hatten. In Neunkirchen hing „König Stumm“am Werkstor eine Liste von Wirten aus (Hungerliste), deren Gast-stätten seine Arbeiter bei Drohung mit Entlassung nicht besuchendurften, weil z.B. dort eine Gewerkschaftsversammlung stattge-funden hatte.

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■ Tafel 2 Mitte:Tafel 2 Mitte:Tafel 2 Mitte:Tafel 2 Mitte:Tafel 2 Mitte:

Die Anfänge der Deutschen Sozialdemokratie und der Gewerk-schaftsbewegung in der Revolution 1848 und bei der Gründungdes ADAV 1863 hatten organisatorisch im Saarrevier keine Reso-nanz. Die Anfänge der sozialdemokratischen Bewegung liegen inden 1870er Jahren mit dem Schwerpunkt in der stark von Hand-werkern bewohnten Stadt St. Johann. Eine der ersten nachgewie-senen Versammlungen fand am 4. August 1872 im Baldes’schen

Brausaal statt, zu der derSt. Johanner SchreinerErnst Zimmermann zweiWanderagitatoren derSDAP aus Mainz begrüß-te. Vor etwa 300 Zuhö-rern wurde eine Resolu-tion zur Bildung von Ge-werkschaften verabschie-det. Es fanden weitereVeranstaltungen statt,und 1876 wurde der ers-te sozialdemokratischeVerein in St. Johann mitZimmermann als Vorsit-zendem gegründet. ZurReichstagswahl am 10.Januar 1877 wurdeerstmals im Saarrevier im

Wahlkreis Saarbrücken ein SPD-Kandidat aufgestellt. Der Uhrma-cher Hackenberger hatte 1876 auf mehreren Versammlungen in St.Johann und Umgebung gesprochen und war u.a. wegen Beleidi-gung Bismarcks zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden; er wurdeals Kandidat aufgestellt und erhielt gerade einmal 324 Stimmenim gesamten Wahlkreis. Trotzdem verstärkten die Sozialdemokra-ten ihre Anstrengungen, um im Saarrevier Fuß zu fassen. Der Par-teivorstand sandte mit dem 23 jährigen Harry Kaulitz aus Braun-schweig einen neuen Agitator nach St. Johann, der nicht nur zahl-reiche Versammlungen abhielt, sondern mit dem entlassenen Ha-ckenberger auch die erste SPD-Zeitung im Saarrevier herausgab.

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■ Tafel 2 unten:Tafel 2 unten:Tafel 2 unten:Tafel 2 unten:Tafel 2 unten:

Ab 1. Juli 1877 erschien in St. Johann die erste sozialdemokrati-sche Zeitung des Saarreviers, die „Freie Volksstimme. Organ fürdie Bevölkerung des Saar-Gebiets“. Die Zeitung musste nach sie-ben Ausgaben ihr Erscheinen einstellen, da alle Redakteure ent-weder im Gefängnis saßen oder zum Militär eingezogen wordenwaren. Die beiden Initiatoren der Zeitung, Kaulitz und Hackenber-ger, wurden zu je 2_ Jahren Gefängnis verurteilt. Das drastischeUrteil wurde im Vorwärts, dem neuen Zentralorgan der SPD, imWortlaut abgedruckt und damit das Saarrevier als politischbesonders reaktionärer Landesteil bekannt. Als „Deutschrußland“hatte die Freie Volksstimme das Saarrevier in Anspielung an diesozial und politisch rückständigen Verhältnisse im Zarenreich be-nannt. Die Pressekommission der Freien Volksstimme wurde auf-gelöst, einige Sozialdemokraten verließen das Saarrevier aus Angstvor Verfolgung ins benachbarte Ausland oder wurden als auslän-dische Staatsbürger ausgewiesen. Die Zeit der harten Unterdrü-ckung der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bewe-gung im Saarrevier begann.

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■ Tafel 3 oben:Tafel 3 oben:Tafel 3 oben:Tafel 3 oben:Tafel 3 oben:

(Anti-)Sozialistengesetze(Anti-)Sozialistengesetze(Anti-)Sozialistengesetze(Anti-)Sozialistengesetze(Anti-)SozialistengesetzeZwei Attentate auf den Kaiser, mit denen die Sozialdemokratienachweislich nichts zu tun hatte, nahm Reichskanzler Bismarckzum Vorwand, um das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Be-strebungen der Sozialdemokratie“ im Reichstag beschließen zu

lassen. Es verbietetu.a. sozialdemokra-tische Zeitungenund Vereine, die denUmsturz der Staats-und Gesellschafts-ordnung bezwe-cken. Während derzwölfjährigen Dauer(1878-1890) des Ge-setzes können dieSozialdemokratenweiterhin an Reichs-tagswahlen teilneh-men und gewinnentrotz des Verbotsder Partei zuneh-mend an Stimmen.Die Reichstagsfrakti-on übernimmt dieFührung der Partei,und Parteitage wer-den im Ausland ab-gehalten. Auch dieder SPD naheste-

henden Freien Gewerkschaften und ihre Presse werden weitge-hend verboten. Über die Zentren der Sozialdemokratie, z.B. Ber-lin, kann der Belagerungszustand verhängt und die Hauptagitato-ren ausgewiesen werden; zahlreiche Funktionäre wandern nachAmerika aus.

„Bismarck ohne Maske“ erschien 1879 in der sozialis-tischen Zeitschrift „Der wahre Jakob“. Zahlreiche Maß-nahmen Bismarcks im Kampf gegen politische Gegnersind ihm ins Gesicht geschrieben.

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■ Tafel 3 Mitte:Tafel 3 Mitte:Tafel 3 Mitte:Tafel 3 Mitte:Tafel 3 Mitte:

Am 6. Juli 1877 trafen sich die Arbeitgeber des Saarreviers in Saar-brücken, um Maßnahmen gegen die sozialdemokratische Agitati-on zu beschließen. Neben den privaten Arbeitgebern wie etwaStumm, Villeroy & Boch oder der Dillinger Hütte waren auch diestaatlichen Arbeitgeber, die Königliche Eisenbahndirektion Saar-brücken und der preußische Staatsbergbau an der Saar sowie derSaarbrücker Landrat von Geldern anwesend. Das sogenannte So-zialistengesetz der Saarindustrie war natürlich kein rechtlich gül-tig erlassenes Gesetz, sondern ein willkürliches Repressionsmittelder Arbeitgeber im Saarrevier gegen die aufkommende autonomeArbeiterbewegung. Das Sozialistengesetz der Saarindustrie war...• ...15 Monate vor dem Sozialistengesetz Bismarcks im Reichbeschlossen worden und damit auch Ideengeber für dieses.• ...viel repressiver als das Reichsgesetz. So sollten „keine Ar-beiter auf den Werken geduldet werden, welche sich an socialde-mokratischen Agitationen direct oder indirect betheiligen“. DerBesuch in einer Wirtschaft, in der schon einmal eine sozialdemo-kratische Versammlung stattgefunden hatte, konnte als Entlas-

sungsgrund ausreichen.Schutz gegen diese Prakti-ken, die zunehmend reichs-weit an den Pranger gestelltwurden und dem Saarrevierin Anlehnung an die damali-ge soziale und politischeRechtlosigkeit und Pascha-wirtschaft im Orient denSpottnamen „Saarabien“ ein-brachte, gab es für die Ar-beiter nicht.Noch Anfang des 20. Jahrhun-derts wurde es von den Ar-beitgebern an der Saar alsRepressionsmittel, auch ge-gen andere Gruppierungen,etwa gegen evangelische Ar-beitervereine, angedrohtoder angewandt.

Seite 1 des Protokolls der Konferenz derSaararbeitgeber mit dem Beschluss zumSozialistengesetz der Saarindustrie vom 06.Juli 1877

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■ Tafel 3 unten:Tafel 3 unten:Tafel 3 unten:Tafel 3 unten:Tafel 3 unten:

Als Kaiser Wilhelm II. am 24. April 1892 im Saarrevier Carl Ferdi-nand Stumm besuchte, äußerte er Sympathie für das SystemStumm; „…es sei sein Wunsch, dass derartige segensreiche und

glückliche Verhältnis-se überall in derdeutschen Industrieherrschen mögen“.Das sahen nicht nurSozialdemokratenund freie Gewerk-schafter anders, siemussten weiterhinunter Ausnahmezu-stand leben.Insbesondere diegroßen Industriege-werkschaften Bergar-beiterverband undDeutscher Metallar-beiterverband hattenfast ausschließlich„geheime Mitglie-der“. Obwohl odergerade weil Bis-marcks Sozialisten-gesetz ausgelaufen

war, wurde das Sozialistengesetz der Saarindustrie explizit 1894und 1903 erneut bestätigt. Bezugnehmend auf Stumm und seineblindwütigen Attacken auch gegenüber den evangelischen Arbei-tervereinen erklärte der evangelische Superintendent Zillessen „ichbin…ein Feind seines Systems, das sich mir je länger je mehr alsdas System der brutalen Gewalt unter völliger Nichtachtung desunveräußerlichen Rechts jeder anderen Persönlichkeit enthüllt hat.“

„König von Saarabien“ (1891)

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■ Tafel 4 oben:Tafel 4 oben:Tafel 4 oben:Tafel 4 oben:Tafel 4 oben:

AufschwungAufschwungAufschwungAufschwungAufschwungund terra incognitaund terra incognitaund terra incognitaund terra incognitaund terra incognitaIn der großen Streikzeit (1889-1893) gelang erstmals im Saarrevierdie Bildung von Interessenvertretungen der Bergarbeiter auf Mas-senbasis. Sowohl der Rechtsschutzverein der Saarbergleute (RSV)als auch der 1889 reichsweit gegründete Bergarbeiterverband (BAV,„Alte Verband“) hatten zeitweise viele tausend Mitglieder unterden Saarbergleuten. Im Windschatten der Bergarbeiterbewegungversuchte auch die Sozialdemokratie im Saarrevier erneut Fuß zufassen. Sozialdemokratische Reiseagitatoren und Funktionäre desBAV, meist aus Westfalen, versuchten für Partei und GewerkschaftAufbauarbeit zu leisten, was insbesondere auf den Widerstandder christlichen Kirchen, der Zentrumspartei und des preußischenBehördenapparates stieß, die die Sozialdemokratie verteufeltenund die Bergleute in reichstreuem, christlich-konservativem Fahr-wasser halten wollten.

Die Delegierten der 1. Bergarbeiterkonferenz, 15.-19. September 1890 in Halle. Vorne,4. V. links, der Bergmann Jakob Thome aus Altenwald, 1891 stellvertretender Vorsit-zender des BAV.

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■ Tafel 4 Mitte:Tafel 4 Mitte:Tafel 4 Mitte:Tafel 4 Mitte:Tafel 4 Mitte:

Am Sonntag, 25. September 1892, nachmittags 3 Uhr gab es einbesonderes Ereignis für die Saarsozialdemokratie. Der Parteivor-sitzende August Bebel hielt sich, soweit bekannt, zum einzigenMal in seinem Leben im Saarrevier auf, um im Bildstocker Rechts-schutzsaal eine öffentliche Parteiversammlung abzuhalten. Er sprachüber „Ultramontanismus und Socialismus“. Dass nur etwa 500Zuhörer gekommen waren, lag sicherlich an der Warnung katholi-scher Geistlicher davor, diese Versammlung zu besuchen, war aber

auch Ausdruck der meistablehnenden Haltung derSaarbergleute gegenüberder Sozialdemokratie.Dies spiegelt sich auchinnerhalb des RSV, wodie Vergabe des Saalesan die Sozialdemokratieheftig umstritten war.Hatte Bebel 1891 dasSaarrevier noch als „ter-ra incognita“, als weißenFleck für die Sozialdemo-kratie, bezeichnet, gab ersich ein Jahr später ineinem Brief an FriedrichEngels schon optimisti-scher ... „bis zu dennächsten Wahlen haben

wir, hoffe ich, festen Fuß gefasst“. Doch Bebel sollte sich täu-schen. Nach dem Zusammenbruch der Streikbewegung kam dieZeit, die auch reichsweit als „Ära Stumm“ bezeichnet wird. ImSaarrevier wurde das Sozialistengesetz bekräftigt, und im Reichs-tag brachte Stumm die Umsturzvorlage ein, quasi eine Verschär-fung des Bismarck’schen Sozialistengesetztes, in dem er vorschlug,Sozialdemokraten und Anarchisten das Wahlrecht zu entziehenund Agitatoren auszuweisen oder zu internieren. Reichsweit konn-te Stumm sich zwar nicht durchsetzen, doch im Saarrevier konnteer - außer in St. Johann-Saarbrücken - weiterhin mit allen Mittelnjede autonome Arbeiterbewegung unterdrücken.

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■ Tafel 4 unten:Tafel 4 unten:Tafel 4 unten:Tafel 4 unten:Tafel 4 unten:

Vom SPD-Parteivorstand wurde der vorher in Frankfurt/M. tätigeMetallarbeiter Leopold Emmel (1863-1919) ins Saarrevier beordert.Unter seiner Führung erschien mit der Zeitung Bote von der Saar

zum zweiten Mal einsozialdemokrati-sches Presseorganan der Saar. Die Pro-benummer erschienam 27. Dezember1891, am 31. März1894 musste derBote von der Saarsein Erscheinen ein-stellen, nachdemdie Zuschüsse derBerliner Parteikassezu groß geworden

waren. Emmel vertrat auch mehrere Jahre das Saarrevier auf denSPD-Parteitagen. Im Mai 1893 wurde er Vorsitzender des SPD-Agitationskomitees für den Re-gierungsbezirk Trier mit Sitz inSt. Johann. Kandidierte er 1893u.a. im Wahlkreis Saarbrückennoch erfolglos, vertrat er denWahlkreis Mühlhausen/Elsassvon 1907-1919 als Abgeordneterim Reichstag.

Leopold Emmel (1863-1919)

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■ Tafel 5 oben:Tafel 5 oben:Tafel 5 oben:Tafel 5 oben:Tafel 5 oben:

Saarabien vor GerichtSaarabien vor GerichtSaarabien vor GerichtSaarabien vor GerichtSaarabien vor GerichtKorruption und Bestechung gehörten über viele Jahrzehnte zurbetrieblichen Realität des preußischen Staatsbergbaus an der Saar.Schon der Führer des Rechtsschutzvereins, Nikolaus Warken, schriebin seiner Chronik: „Im Jahre 1889 war es im Bergmannsstand uner-träglich… durch Stechereien von Beamten“. Privatarbeiten für Steigerwährend der Schichtzeit bei normaler Schichtentlohnung sowieGeld- und Naturalgeschenke für Steiger waren weit verbreitet. Diesmusste selbst eine amtliche Untersuchung 1890 zugestehen undführte zur Entlassung einiger Steiger. Doch wie der abgedruckteAusschnitt aus dem Vorwärts zeigt, traten Korruption und Beste-chung durch Partiemänner und Steiger immer wieder auf. Die Berg-leute waren diesen Praktiken oft hilflos ausgeliefert, wollten siekeine Lohnreduzierung oder Verlegung an schlechte Arbeitsplätzeriskieren. Andererseits verschafften sich einige Bergleute mit die-ser „Günstlingswirtschaft“ auch handfeste Vorteile.

Auszug aus dem Vorwärts vom 11. Oktober 1908 mit einem Bericht über Beste-chungspraktiken im Saarbergbau

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■ Tafel 5 Mitte:Tafel 5 Mitte:Tafel 5 Mitte:Tafel 5 Mitte:Tafel 5 Mitte:

„Schwarze Listen, Denunziationen und einträgliche Bespitzelun-gen - Gendarme, Schutzmänner und Polizeikommissare erhieltenbeträchtliche Geldprämien, wenn sie mit Eifer und Erfolg die Sozi-aldemokratie bekämpft hatten - gehörten von nun an zur politi-schen Kultur, zum ‚saarabischen‘ Milieu“, heißt es bezugnehmend

auf die Entstehungszeit des Sozia-listengesetzes der Saarindustrie ineinem Standardwerk zur Bergarbei-terbewegung an der Saar. MassiveVerletzungen der Meinungs- undKoalitionsfreiheit, des Vereins- undVersammlungsrechts sowie Wahlbe-einflussung in großem Stil kennzeich-nen das System auch noch im 20.Jahrhundert. Als der wegen des Be-suchs einer Gewerkschaftsveranstal-tung entlassene sozialdemokratischeBergmann Karl Krämer 1903 in zweiFlugblättern das saarabische System

darstellt und zum Beitritt zum BAV auffordert, verklagt ihn derVorsitzende der Bergwerksdirektion Ewald Hilger wegen Beleidi-gung. Der sozialdemokratische Vorwärtsverlag druckt den Prozess-bericht nach, und „Saarabien vor Gericht“ wird in viel tausendfa-cher Auflage im Saarrevier verteilt.Durch die Zeugenaussagen werden dieMissstände im Saarrevier vielfach be-stätigt; das saarabische System, dasnach dem Soziologen Max Weber„Stickluft verbreitet…und zwar nicht nurfür Arbeiter, sondern für jeden, der eswagt, in einer Art politisch tätig zu sein,die diesen Herren missfällt“ wird reichs-weit blamiert. Zu Saarabien gehört auchdie gezielte Zersplitterung der Arbei-terbewegung durch die Bergwerksdirek-tion und die Hüttenindustriellen,insbesondere die Unterstützung derOrganisationen, die Streiks ablehnten.

Ewald Hilger (1859-1934), von1900-1905 Vorsitzender derBergwerksdirektion Saarbrü-cken

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■ Tafel 5 unten:Tafel 5 unten:Tafel 5 unten:Tafel 5 unten:Tafel 5 unten:

So wie die Arbeitgeber des Saargebiets in den 1870er Jahren extraeinen Stenografen angestellt hatten, der die Versammlungen derArbeiterbewegung protokollieren sollte und gleichzeitig den Ar-beitern als personifizierte Drohkulisse und Warnung galt, sich de-vot zu verhalten, gab der Arbeitgeberverband der SaarindustrieAnfang des 20. Jahrhunderts „Schwarze Listen“ in Form von Rund-schreiben, betitelt als „Gewerkschaftliche Nachrichten“ heraus; siewaren „streng geheim und dürfen von dem Empfänger nicht ausder Hand gegeben werden“. Neben Informationen über die Ent-wicklung von Sozialdemokratie und Freien Gewerkschaften wur-den auch Berichte über evangelische Arbeitervereine oder Christli-che Gewerkschaften abgedruckt, galten beide doch in Unterneh-merkreisen als Vorfrucht der Sozialdemokratie. Werksbeamte, aberauch Arbeiter aus der Werkvereinsbewegung, waren die Zuträger.Die Hüttenindustrie im Saarrevier war eines der reichsweiten Zen-tren der antigewerkschaftlichen, jeden Streik ablehnenden, wirt-schaftsfriedlichen Werkvereinsbewegung. Sie wurde ab 1906, nacheinem erfolglosen Streik des Christlichen Metallarbeiterverbandesauf der Burbacher Hütte, gegründet. Vor 1918 waren große Teileder Hüttenbelegschaften Mitglied dieser Vereine, die auch „GelbeGewerkschaften“, als Synonym für Streikbrecher, genannt und sei-tens der Industriellen und dem Arbeitgeberverband der Saarin-dustrie finanziell und ideologisch unterstützt wurden.

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■ Tafel 6 oben:Tafel 6 oben:Tafel 6 oben:Tafel 6 oben:Tafel 6 oben:

Zerbrecht die Sklavenfessel,Zerbrecht die Sklavenfessel,Zerbrecht die Sklavenfessel,Zerbrecht die Sklavenfessel,Zerbrecht die Sklavenfessel,macht Euch frei!macht Euch frei!macht Euch frei!macht Euch frei!macht Euch frei!

Hans Böckler, bekannt als ersterDGB-Vorsitzender nach 1945, begannseine hauptamtliche Gewerkschafts-karriere im Saarrevier. Böckler, vonBeruf Metallschläger, hatte sich aufdie Stelle eines „besoldeten Ge-schäftsführers für die Verwaltungs-stelle St. Johann-Saarbrücken“ desDeutschen Metallarbeiterverbandes(DMV) beworben und trat die StelleEnde 1903 an. Er zog anfangs nachSt. Ingbert, weil in Bayern die Rest-riktionen zur Bildung von Vereinen(Gewerkschaften) nicht so rigidewaren wie in Preußen. Böckler kamin schwieriges Terrain. Obwohl das

preußische Saarrevier vor 1914 reichsweit zu den hoch industriali-sierten Gebieten zählte, wurden im Preußischen Staatsbergbauund in der Hüttenindustrie freieGewerkschaften und Sozialdemo-kraten nicht geduldet. In seiner1906 im Saarrevier veröffentlich-ten Schrift Es werde Licht pran-gerte Böckler die hiesigen Verhält-nisse an. Politische Unterdrückung,soziale Ausbeutung durch den„Humbug aller Prämien und Wohl-fahrtseinrichtungen“. Er rät den Ar-beitern, endlich den Mut zu ha-ben, sich dem DMV anzuschließen:„Zerbrecht die Sklavenfessel,macht Euch frei!“

Hans Böckler (1875 -1951) Aufnah-me ca. 1931

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■ Tafel 6 Mitte:Tafel 6 Mitte:Tafel 6 Mitte:Tafel 6 Mitte:Tafel 6 Mitte:

Um die Wende ins 20. Jahrhundert stabilisierte sich die sozialde-mokratische Bewegung in der Diaspora des Saarreviers auf niedri-gem Niveau und auch nur in wenigen Orten. Nikolaus Osterroth,entlassener Bergarbeiter aus der Pfalz, war einer der Hauptträgerder Bewegung. Er berichtet in seinen unveröffentlichten Erinne-rungen über seine Ankunft in Neunkirchen; „Einige Tage nach un-serer Ankunft starb der Beherrscher Neunkirchens, der berüchtigteKönig Stumm… niemand durfte Sozialdemokrat sein…“ Außer imBereich der späteren Großstadt Saarbrücken gab es nur wenigeOrte mit sozialdemokratischen Ortsvereinen: Dudweiler ca. 1892,Neunkirchen 1907, Illingen und Schiffweiler 1909. Im bayrischenTeil des Saarreviers waren es St. Ingbert 1899, Blieskastel 1910und Homburg 1912. In St. Johann-Saarbrücken hatte die großeAnzahl zugewanderter Handwerker die organisatorische Grundla-ge für Partei- und Gewerkschaftsstrukturen gelegt. So entstandenu.a. 1899 das Gewerkschaftskartell St. Johann; mit dem am 16.August 1903 gegründeten Agitationskomitee für das preußischeSaarrevier, die bayrische Saarpfalz und den Wahlkreis Saargemündunter Vorsitz von Nikolaus Osterroth entstand quasi der erste so-zialdemokratische Landesverband Saar. 1904 entstand das Arbei-tersekretariat St. Johann und ab 1905 erschien die sozialdemokra-tische Saarwacht, Organ für die Interessen des werktätigen Vol-

kes. Die Mitglieder-zahlen der SPD fürdas Saarrevier, 1907224 und 1913 777,davon 130 Frauen,machen die Schwä-che deutlich.

Nikolaus Osterroth(1875-1933), Parteise-kretär im Saarrevierund Redakteur derSaarwacht

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■ Tafel 6 unten:Tafel 6 unten:Tafel 6 unten:Tafel 6 unten:Tafel 6 unten:

Das „System der strengen und der milden Hand“ wurde über Jahr-zehnte im staatlichen Bergbau und in der Hüttenindustrie im Saar-revier gepflegt. „Einrichtungen zum Besten der Arbeiter auf denBergwerken Preußens“, wie eine offizielle Veröffentlichung die„Wohltaten“, wie z.B. das Prämienhaussystem, sozialromantischumschrieb, wurden für dienstliches und privates Wohlverhaltender Arbeiter gewährt. Wer dieses Wohlverhalten nach Ansicht derArbeitgeber nicht zeigte, lernte das System der strengen Hand mitGeldstrafen, Entzug der „Wohltaten“ bis hin zur Entlassung undwirtschaftlichem Ruin kennen. Die Entwicklung kollektiver Gegen-macht durch die Arbeiter und Gewerkschaften wurde sanktioniert,elementare Menschenrechte den Arbeitern vorenthalten. Gefördertwurde die individuelle Ohnmacht der Arbeiter, soziale Abhängig-keit und Ausbeutung. Als Nachfolger Stumm’scher Sozialpolitik sahsich der Syndikus der Saarbrücker Handelskammer Dr. AlexanderTille, der nicht nur Tarifverträge ablehnte, sondern der Streik wieder

als Erpressungansah und wieRaub und Dieb-stahl strafrechtlichverfolgt wissenwollte.

Dr. Alexander Tille(1866-1912)

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■ Tafel 7 oben:Tafel 7 oben:Tafel 7 oben:Tafel 7 oben:Tafel 7 oben:

ReichstagswahlReichstagswahlReichstagswahlReichstagswahlReichstagswahlam 12. Januar 1912am 12. Januar 1912am 12. Januar 1912am 12. Januar 1912am 12. Januar 1912Die Ergebnisse der Reichstagswahlen im preußischen Saarrevierwaren im 19. Jahrhundert niederschmetternd für die SPD. Erstmalstrat (nur) im Wahlkreis Saarbrücken 1877 mit dem inhaftiertenReiseagitator Hackenberger ein SPD-Kandidat an und errang 324Stimmen. Wie trostlos es während des Sozialistengesetzes war,zeigt eine anonyme Zuschrift aus Saarbrücken vom April 1885 andie illegale Zeitschrift „Der Sozialdemokrat“: „Bedaure sehr, dassich das Blatt nicht weiter halten kann, indem meine Existenz zusehr auf dem Spiel steht. Trotzdem man nicht strafbar ist, (beimAbonnement einer sozialdemokratischen Zeitung, J-H.) wird mandoch in Untersuchungshaft genommen…“ So wundert es nicht,dass bei der Wahl 1887 auf Wilhelm Liebknecht, der in allen dreipreußischen Wahlkreisen an der Saar kandidierte, jeweils nur zwi-schen 16 und 37 Stimmen entfielen. Nur einmal gab es für über-parteiliche Arbeiterkandidaten ein besseres Ergebnis, als bei derReichstagswahl 1890 Führer des Rechtsschutzvereins - nicht alsKandidaten der SPD - kandidierten und Nikolaus Warken im Wahl-kreis Saarbrücken mit 33,8% fast in die Stichwahl gekommen wäre.

Bericht aus dem illegalen„Sozialdemokrat“ vom09. April 1885

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■ Tafel 7 Mitte:Tafel 7 Mitte:Tafel 7 Mitte:Tafel 7 Mitte:Tafel 7 Mitte:

Die Reichstagswahl vom 12. Januar 1912 war für die SPD reichs-weit ein großer Erfolg. Bei einer Wahlbeteiligung von 84,5% stimm-ten über 4,2 Millionen Wähler, 34,8% der abgegebenen Stimmen,

für die SPD. Erstmals er-reichte die SPD reichsweitden größten Stimmenan-teil aller Parteien und 110von 397 Abgeordnetensit-zen. Abgesehen von derWahl zur Nationalver-sammlung 1919, die nochganz im Zeichen des re-volutionären Umbruchsvom Kaiserreich zur Re-publik stand und damitunter ganz besonderen,für die Sozialdemokratiegünstigen Bedingungenstattfand (mit 37,9 %Stimmenanteil), gelanges der SPD erst wiederbei der Bundestagswahl1961 mit 36,2%, das Er-gebnis von 1912 bei ei-

ner bundesweiten Wahl zu übertreffen. Die Forderungen auf demWahlplakat weisen aber auch auf die großen Defizite bei Wahlenim Kaiserreich hin. Zum einen gab es vor 1918 kein Frauenwahl-recht, und zum anderen wurde der Preußische Landtag vor 1918nach dem, am Steueraufkommen der Wähler orientierten, Drei-klassenwahlrecht gewählt. Darüber hinaus entsprachen 34,8% Stim-menanteil nur 27,7% der Mandate. Diese Differenz erklärt sichdurch die von der Mehrheit im Reichstag bewusst unterlasseneNeueinteilung der Wahlkreise. In den bevölkerungsmäßig starkanwachsenden industriellen Wahlkreisen, z.B. in Berlin, die zugleichHochburgen der SPD waren, waren deutlich mehr Wähler für dieErringung eines Reichstagsmandats notwendig als in den von denKonservativen dominierten ländlichen Wahlkreisen.

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■ Tafel 7 unten:Tafel 7 unten:Tafel 7 unten:Tafel 7 unten:Tafel 7 unten:

Zu den Reichstagswahlen im Kaiserreich gab es drei Wahlkreise,die den preußischen, und zwei, die den bayrischen Teil des Saar-reviers abdeckten.

Wahlkreis Stimmenanteil 1912 in %228 Saarburg - Merzig - Saarlouis 2,9229 Saarbrücken 7,8230 Ottweiler - St. Wendel - Meisenheim 4,0254 Zweibrücken (mit dem Bezirksamt St. Ingbert) 26,4255 Homburg (mit dem Bezirksamt Kusel) 17,4

Die Darstellung zeigt, dass die Wahlergebnisse im Saarrevier deut-lich hinter dem reichsweiten Ergebnis zurückblieben. Insbesonderedas preußische Saarrevier blieb bis 1918 für die SPD Diaspora.Dies hing bis ins 20. Jahrhundert mit starken Wahlmanipulationenund -beeinflussungen sowohl durch die Arbeitgeber als auch durchVertreter der katholischen Kirche und des Zentrums zusammen.„Das Epizentrum des unternehmerischen Wahlterrors hatte sichbereits… aus Sicht der Wahlprüfungskommission (des Reichsta-ges, J.H.) in das Saarrevier verlagert“, so ein Ergebnis aus einerUntersuchung „Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich“.

Auszug aus dem Wahlflug-blatt für die Reichstagswahl1907

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■ Tafel 8 oben:Tafel 8 oben:Tafel 8 oben:Tafel 8 oben:Tafel 8 oben:

Das SaargebietDas SaargebietDas SaargebietDas SaargebietDas Saargebietentsteht (1920-1935)entsteht (1920-1935)entsteht (1920-1935)entsteht (1920-1935)entsteht (1920-1935)Die schon während des Ersten Weltkriegs in Gang gekommeneSpirale von Geldknappheit, Preissteigerung und Inflation drehtesich immer schneller. Da das Saargebiet noch zum deutschen Zoll-Inland gehörte, war es lukrativ, Luxusartikel und Bedarfsgegen-stände ins Reich zu verkaufen, während die einheimischen Bauernihre Produkte zurückhielten. Dies führte zu sozialen Spannungenzwischen Neureichen und der hungernden Arbeiterschaft. Die Angstvor dem bevorstehenden Winter trieb viele zum Hamstern. In ei-ner großen Demonstration auf dem Saarbrücker Schloßplatz for-derten die Bediensteten der Saarbrücker Eisenbahnwerkstätte bil-lige Kohlen und Kartoffeln sowie Maßnahmen gegen den Schleich-handel. Nachmittags streikte bereits das gesamte Revier. Bei ge-waltsamen Übergriffen wurden zahlreiche Geschäfte ausgeplün-dert. Die französische Militärregierung verhängte den Ausnahme-zustand und ließ die Innenstädte durch Kavallerie räumen. DieSpartakuskrawalle vom Oktober 1919 können als politisch nochindifferentes Aufbegehren der Arbeiterschaft des Saarreviers inschwieriger wirtschaftlicher Situation interpretiert werden. Natio-nale und völkische Untertöne waren dabei bereits deutlich zu ver-nehmen.

französische Kavallerie in Ottweiler

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■ Tafel 8 Mitte:Tafel 8 Mitte:Tafel 8 Mitte:Tafel 8 Mitte:Tafel 8 Mitte:

Sofort nachdem Philipp Scheidemann am 9. November 1918 inBerlin die Republik ausgerufen hatte, kamen Abgesandte der auf-ständischen Matrosen und Arbeiter auch an die Saar, wo zahlrei-che Arbeiter- und Soldatenräte entstanden. Vorsitzender des Ar-beiter- und Soldatenrates Saarbrücken war Valentin Schäfer, derauch jahrelang Vorsitzender der SPD an der Saar war. Die Tätigkeitder Räte beschränkte sich zumeist auf das Hissen der roten Fah-ne, die Kontrolle der Verwaltung und die Entleerung militärischerLiegenschaften. Unmittelbar nach dem Rückzug der deutschen Trup-pen von der Front trafen ab 22. November französische Besat-zungstruppen in den Städten und Gemeinden an der Saar ein, diedie Arbeiter- und Soldatenräte sofort auflösten. Als Folge des ver-lorenen Ersten Weltkrieges bestimmte der Friedensvertrag zu Ver-sailles eine Wiedergutmachung für die während des Kriegs einge-tretenen Schäden im nordfranzösischen Industrierevier um Lilleund Roubaix: Die politische Loslösung des Industriereviers an dermittleren Saar vom deutschen Reich und seinen wirtschaftlichenAnschluss an Frankreich. Das neugebildete Saargebiet wurde ei-ner international besetzten Regierungskommission des Völkerbun-des unterstellt. Nach 15 Jahren sollte die Bevölkerung in einerVolksabstimmung über ihre politische Zukunft entscheiden. Als

parlamentarische Vertretung der Saarländerinnenund Saarländer wurde ein Landesrat geschaffen,der aber nur beratende Funktion hatte. Die Régie

des Mines de la Sarrelöste als französischeGrubenverwaltung denvormals preußischenBergfiskus ab. Sozial-demokratie und Ge-werkschaften bekann-ten sich auch unterden neuen politischenVerhältnissen uneinge-schränkt zur deutschenNation.

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■ Tafel 8 unten:Tafel 8 unten:Tafel 8 unten:Tafel 8 unten:Tafel 8 unten:

Die Spaltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ent-zündete sich an der Einstellung der verschiedenen Flügel der Par-tei zu den Kriegskrediten von 1914 und zum Weltkrieg überhaupt.1917 wurde die U(nabhängige) SPD, aus deren revolutionäremFlügel („Spartakusbund“) im Januar 1919 die Kommunistische Par-tei entstand, gegründet. Wenngleich diese Entwicklung sich imnationalen Rahmen auf Reichsebene vollzog, lässt sie sich dochauch an der Saar bis in die Ortsgruppen der Parteien verfolgen.Ihren größten Wahlerfolg errang die Sozialdemokratische Parteides Saargebietes bei der Wahl zur Nationalversammlung in Wei-mar am 19. Januar 1919, wo sie in allen größeren Industrieortendes Landkreises Saarbrücken über 40 % der Stimmen erreichte.Bei den Wahlen zum Landesrat des Saargebietes nahm die Stim-menzahl der SPD stets ab, während die Kommunisten im gleichenMaße zulegten. Jedoch konnte sie ihre Parteiorganisation im in-dustriellen Ballungsraum des Reviers ausbauen, darüber hinausallerdings nur in evangelischen Ortschaften.

Rotfrontkämpferbund Neunkirchen

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■ Tafel 9 oben:Tafel 9 oben:Tafel 9 oben:Tafel 9 oben:Tafel 9 oben:

Die SPD an der SaarDie SPD an der SaarDie SPD an der SaarDie SPD an der SaarDie SPD an der Saarin den Zwanziger Jahrenin den Zwanziger Jahrenin den Zwanziger Jahrenin den Zwanziger Jahrenin den Zwanziger Jahrenbis zur Weltwirtschaftskrisebis zur Weltwirtschaftskrisebis zur Weltwirtschaftskrisebis zur Weltwirtschaftskrisebis zur WeltwirtschaftskriseDer sprunghafte Anstieg der Mitgliederzahlen der Freien Gewerk-schaften (41.000 im Jahr 1920) und die darauf folgende deutlicheAbnahme (29.000 im Jahr 1927) zeigen, dass ein Klassenbewußt-sein weithin fehlte und die Masse der Arbeiterschaft vor allem anihren eigenen familiären Verhältnissen interessiert war. Folglichorientierte sich die Partei bis 1933 an einem nationalen Programm,wobei sich Max Braun um die deutsch-französische Verständigungund den Frieden in Europa bemühte.„Der Widerstand der Regierungskommission und der Franzosengegen die sozial- und arbeitsrechtliche Angleichung an die Wei-marer Republik, der Streik des Jahres 1923 und das autokratische

Regierungssystemließen die Partei ihredemokratische undsoziale Ideenweltvor allem im Zusam-menhang mit diesensaarländischen Kon-flikten entwickeln.(…) Die saarländi-sche sozialdemokra-tische Partei verfolg-te eine auf die saar-ländischen Verhält-nisse abgestimmtegemässigte sozialis-tische Linie, die (…)

sich damit vom Radikalismus der Kommunisten distanzierte undnicht geeignet war, die Masse der Unzufriedenen in den Wahlen zugewinnen“ [Maria Zenner, 1966, S. 184 und 188].

Karikatur aus der „Saar-Illustrierten“ zur Lohnpolitikder französischen Grubenverwaltung

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■ Tafel 9 Mitte:Tafel 9 Mitte:Tafel 9 Mitte:Tafel 9 Mitte:Tafel 9 Mitte:

Bereits die Wahl zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Janu-ar 1919, die den Mehrheitssozialisten an der Saar 36 Prozent derStimmen einbrachte, zeigte, dass sich die Verhältnisse an der Saarnach dem Zusammenbruch des patriarchalischen Systems starkverändert hatten. Vor allem in den großen Industrieorten mit be-achtlichem evangelischem Bevölkerungsanteil errang die SPD weitüber 50 %, während sie in rein katholischen, ländlich geprägtenBergmannsdörfern nur bis zu 20 % gewann. Auf einen Schlag warsie zur zweitstärksten politischen Kraft nach dem Zentrum gewor-den. Bei den folgenden Wahlen zum Landesrat schnitt die SPDfreilich immer schlechter ab, wobei sie ihre Wähler an die kommu-nistische Partei des Saargebiets verlor, beide sozialistische Partei-en errangen zusammen immerhin ein rundes Drittel der Stimmen.Dabei gingen die Sozialdemokraten von einer ungünstigen Aus-gangslage aus: Zunächst fehlte ihnen an der Saar ein ausgebauterParteiapparat, ein Stamm von ideologisch und parteipolitisch ge-schulten Mitgliedern sowie auch Erinnerungen an große Führungs-figuren früherer Zeit. Dennoch haftete der Zugehörigkeit zur Sozi-aldemokratie in den katholischen Landstrichen an der Saar etwasAnstößiges an, wozu die Kirche ihren Anteil beitrug, während So-zialdemokraten unaufhörlich betonten, sie seien nicht religions-feindlich eingestellt, und Christentum und Sozialismus seiendurchaus zu vereinbaren.

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■ Tafel 9 unten:Tafel 9 unten:Tafel 9 unten:Tafel 9 unten:Tafel 9 unten:

Max Braun (1892-1945) kam als gebürtiger Rheinländer 1923 nachSaarbrücken, um die Leitung der regionalen Tageszeitung der SPDan der Saar, der Volksstimme, zu übernehmen. 1925 wurde erZweiter Vorsitzender der SPD des Saargebiets, bevor er 1929 zumErsten Vorsitzenden gewählt wurde. Von 1932 bis 1935 war erMitglied des Landesrats und spielte nach der Machtergreifung Hit-lers in Deutschland im Abstimmungskampf an der Saar eine wich-tige Rolle als Wortführer der Status-Quo-Bewegung. Maßgeblichsetzte er sich für eine Bündelung der bislang zersplitterten antifa-schistischen Kräfte ein und erreichte Anfang Juli 1934 die Grün-dung der Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialdemokraten.Nach dem Debakel der Volksabstimmung emigrierte Max Braunvor der Eingliederung des Saarlandes ins Deutsche Reich nachFrankreich. Dort leitete er das Office Sarrois, die Organisation so-zialdemokratischer saarländischer Emigranten, und arbeitete fürverschiedene Zeitungen. Im Lutetia-Kreis beteiligte er sich an demvergeblichen Versuch, eine „Deutsche Volksfront“ zu schaffen. Nachder Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht floh er nach Eng-

land; hier war er weiterhinantifaschistisch tätig undarbeitete beim Soldatensen-der Calais. Max Braun starbkurz vor der geplantenRückkehr aus London am 3.Juli 1945. Seine Ehefrau An-gela Stratmann-Braun, dieihn auf allen Lebensstatio-nen begleitete, kehrte allei-ne nach Saarbrücken zurückund übernahm bald den Vor-sitz der Arbeiterwohlfahrt.Sein Bruder Dr. Heinz Braun(1883-1962) gehörte von1947 bis 1955 dem saarlän-dischen Landtag an und fun-gierte von 1947 bis 1951 undvon 1952 bis 1954 als Jus-tizminister.Max und Angela Braun 1935

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■ Tafel 10 oben:Tafel 10 oben:Tafel 10 oben:Tafel 10 oben:Tafel 10 oben:

Die ArbeiterkulturbewegungDie ArbeiterkulturbewegungDie ArbeiterkulturbewegungDie ArbeiterkulturbewegungDie ArbeiterkulturbewegungZur Arbeiterkulturbewegung zählten die Bereiche Sport und Wan-dern ebenso wie die Kultur im engeren Sinne. So gab es FreieTurn- und Schwimmvereine, Arbeiterfußballvereine, den Arbeiter-radfahrerbund, den Arbeiterathletenbund, die Naturfreunde undden Arbeiterschachverein, während sich die Arbeiterwohlfahrt undder Arbeiter-Samartiter-Bund den sozialen Diensten widmete unddas Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold parteiübergreifend als para-militärische Schutztruppe zur Verteidigung der Demokratie fun-gierte. Die einzelnen Vereine, die sich auf Ortsebene durch dieInitiative einheimischer Arbeiter konstituierten, waren in der Regelauf Reichsebene den einschlägigen Dachverbänden angeschlos-sen oder arbeiteten mit ihnen zusammen; so gehörte der FreieTurn- und Schwimmverein Sulzbach zum Arbeiter-Turn- und Sport-bund (zuvor Arbeiter-Turnerbund), dessen Wappen die Initialender Devise „Froh, Frei, Stark, treu“ trug.

Postkarte des Arbeiter-Turnerbundes

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■ Tafel 10 Mitte:Tafel 10 Mitte:Tafel 10 Mitte:Tafel 10 Mitte:Tafel 10 Mitte:

Die Zwanziger und die erste Hälfte der Dreißiger Jahre waren, auchan der Saar, eine Blütezeit der Arbeiterkulturbewegung, die sichnun, der obrigkeitlichen Fesseln des Kaiserreichs ledig, der Entfal-tung der schöpferischen Kräfte des Menschen widmen konnte. DieArbeiter trafen sich in zahlreichen Sport- und Musikvereinen. VieleArbeitergesangsvereine wurden neugegründet oder umbenannt,was auf frühere Richtungskämpfe in den Vereinen bzw. frühereTarnungen zurückverweist: So konnte aus einem evangelischenKirchenchor ein Arbeitergesangverein hervorgehen. Viele Aktivitä-ten konzentrierten sich bis 1935 in den oft „Volkshaus“ oder „Ro-tes Haus“ genannten Gemeinschaftshäusern, in denen auch dieParteisekretariate und Dienststellen der Gewerkschaften unterge-bracht waren. In der Zeit des Saargebietes konnten sich die sozi-aldemokratischen Organisationen unbehelligt entfalten, doch er-reichten die Sozialdemokraten nie die feste Geschlossenheit deskatholischen Sozialmilieus, mit dem sie sich teilweise überschnit-ten.

Aufmarsch der Arbeitersportler zum fünfjährigen Stiftungsfest am 30. Juli 1932 mitdem Spielmannszug des Freien Turn- und Sportvereins Homburg

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■ Tafel 10 unten:Tafel 10 unten:Tafel 10 unten:Tafel 10 unten:Tafel 10 unten:

Der Touristenverein Die Naturfreunde, ursprünglich 1895 in Öster-reich entstanden, wollte den Arbeitern eine alternative zu denbürgerlichen Alpenvereinen bieten und sie auch „aus der Enge derWohnungen, aus dem Dunst der Fabriken und Wirtshäuser hinaus-leiten in unsere herrliche Natur, sie der Schönheit und Freudeentgegenführen“ (Karl Renner, späterer österreichischer Kanzlerund Bundespräsident). Die Naturfreunde lehnten die Rekordsucht,den Leistungs- und Kampfsport ab und entwickelten vielmehr denGedanken des Breitensports. Die 1919 in Sulzbach gegründetenFrohen Wanderer schlossen sich 1921 den Naturfreunden als Orts-gruppe an und wuchsen innerhalb von zehn Jahren auf 800 Mit-glieder an. Sie unterhielten eine eigene Musikgruppe und tagtenim Volkshaus. Die aktive Sulzbacher Ortsgruppe baute auch amNaturfreunde-Haus in Kirkel mit, das 1928 eingeweiht werden konn-te; Hausvater wurde Franz Kindel, bis dahin Vorsitzender der Sulz-bacher Naturfreunde.

Kinder der Mitglieder des „Arbeiter-Theater-Vereins Elversberg“ am 31. Mai 1931 vordem neu erbauten Naturfreundehaus Kirkel

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■ Tafel 11 oben:Tafel 11 oben:Tafel 11 oben:Tafel 11 oben:Tafel 11 oben:

Die ArbeiterwohlfahrtDie ArbeiterwohlfahrtDie ArbeiterwohlfahrtDie ArbeiterwohlfahrtDie ArbeiterwohlfahrtDie AWO des Saargebieteshatte bis zum 25. Juli 1929in dem Partei- und Gewerk-schaftshaus in der Brauer-straße 6-8 in Saarbrückenihren Sitz, bevor sie in eineigenes Gebäude in der Ho-henzollernstraße 45(vormals 37) umzog. DieKünstlerin Käthe Kollwitz(1867-1945) aus Berlin über-trug im Jahre 1930 ihrenHolzschnitt „Mütter wehrendie Not von ihren Kindern“in Sgraffito-Technik an eineWand des Treppenhauses,um das Gebäude durchKunst am Bau aufzuwerten;nach der Zerstörung desWerkes durch die Nationalsozialisten trat ein Mosaik des belgi-

schen Künst-lers FransMasereel anseine Stelle.Seit Sommer1927 gab dieAWO ein ei-genes Mittei-lungsb la t tneben derPa r t e i z e i -tung „Volks-s t i m m e “heraus.

Käthe Kollwitz (rechts) vor ihrem Gemälde,gemeinsam mit dem Architekten Otto Zollin-ger (mitte) und dessen Mitarbeiter Streif(links)

AWO 1934 im Volksabstim-mungskampf

AWO 1930

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■ Tafel 11 Mitte:Tafel 11 Mitte:Tafel 11 Mitte:Tafel 11 Mitte:Tafel 11 Mitte:

Auf Initiative des SPD-Parteivorstandes gründete die Reichstags-abgeordnete Marie Juchacz am 13. Dezember 1919 den Hauptaus-schuß der Arbeiterwohlfahrt als Arbeitsgemeinschaft der SPD. AlsEmigrantin hielt sie sich später von 1933 bis 1935 im Saargebietauf. Hier kam es erst am 13. Februar 1924 zur Gründung einesLandesverbandes der Arbeiterwohlfahrt („AWO Bezirk Saargebiet“).

Angela Braun-Stratmann, dieEhefrau des SPD-Vorsitzenden MaxBraun, wurde zurVorsitzenden ge-wählt und hattedieses Amt biszum 15. Januar1935 inne. DieZahl der Ortsgrup-pen der Arbeiter-wohlfahrt desS a a r g e b i e t e swuchs zunächstlangsam, verdrei-fachte sich aberim Jahre 1927.Die Selbsthilfeor-ganisation der Ar-beiterschaft, inder viele Frauenaktiv waren, küm-merte sich um die

Kindererholung und die Schulspeisungen und führte auch Lebens-mittel-Sammlungen für bedürftige Familien durch. Denn in denzwanziger Jahren herrschte noch vielfach große Armut in den kin-derreichen Arbeiterfamilien an der Saar, die durch die Weltwirt-schaftskrise ab 1929 noch verstärkt wurde. Nun richtete die AWOauch Suppenküchen ein.

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■ Tafel 11 unten:Tafel 11 unten:Tafel 11 unten:Tafel 11 unten:Tafel 11 unten:

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Arbeiterwohlfahrt in guterZusammenarbeit mit dem saarländischen Minister für Arbeit undWohlfahrt Richard Kirn (1902-1988) ihre Arbeit im Sozialbereicherfolgreich fortsetzen. In ihrer Trägerschaft entstanden, teils geför-dert durch die Landesregierung, zahlreiche soziale Einrichtungen,darunter das Kinderheim Nunkirchen, das KindererholungsheimNeuweiler, das Mädchenwohnheim Dudweiler (1953) und das Müt-tererholungsheim Oberthal (1957) sowie Kindergärten in Haus Fur-pach, Ludwigsthal und Schiffweiler. Daneben waren die Haupt-und ehrenamtlichen Helfer/innen der Arbeiterwohlfahrt in der Kran-kenpflege, in Nähstuben, der Strafgefangenenfürsorge und in derFlüchtlingsbetreuung tätig. Den Vorsitz des Bezirks Saar der AWOübernahmen 1946 Thomas Blanc aus Püttlingen, danach wiederAngela Stratmann-Braun; ihr folgte 1951 Else Braun, Gattin desJustizministers Heinz Braun. Die Zahl der Ortsgruppen stieg auf 95im Jahre 1957 an.

Das Müttererholungs- und Kinderheim in Oberthal

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■ Tafel 12 oben:Tafel 12 oben:Tafel 12 oben:Tafel 12 oben:Tafel 12 oben:

Die Saar-SPD vor 1933Die Saar-SPD vor 1933Die Saar-SPD vor 1933Die Saar-SPD vor 1933Die Saar-SPD vor 1933Wie in der Weimarer Republik schon 1931 wurde auch Anfang 1932im Saargebiet die Eiserne Front als Schutztruppe zur Verteidigungder Republik gegen den aufkommenden Faschismus gebildet. Inder Saar-Kampfleitung der Eisernen Front waren neben der Saar-SPD u.a. die freien Gewerkschaften, der allgemeine deutsche Be-amtenbund des Saargebietes, Arbeitersportler, aber auch dieDeutsch-demokratische Partei des Saargebietes vertreten. „Wir Re-publikaner und Reichsbannerleute, wir Freigewerkschaftler undArbeitersportler, wir Sozialisten und Demokraten des Saargebiets… haben … gerungen … für den Brückenpfeiler deutsch-französi-scher und europäischer Verständigung auf saardeutschem Boden“heißt es im Gründungsaufruf vom 6. Februar 1932. Die freien Ge-

werkschaften wurdenrepräsentiert durchFritz Dobisch (1890-1941), den Vorsitzen-den des AllgemeinenDeutschen Gewerk-schaftsbundes Saar,der 1941 im Konzent-rationslager Buchen-wald ums Leben kam.

Fritz Dobisch

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■ Tafel 12 Mitte:Tafel 12 Mitte:Tafel 12 Mitte:Tafel 12 Mitte:Tafel 12 Mitte:

Auf dem Gruppenfoto anlässlich des 25 jährigen Bestehens dersozialdemokratischen Zeitung „Volksstimme“ im Jahre 1933 sindder Landesvorstand, die Landesratsfraktion und Leiter der Agitati-onsbezirke der Sozialdemokratischen Partei des Saargebiets (SPdS)abgebildet. Seiner Bedeutung entsprechend ist das Porträt desLandesvorsitzenden Max Braun - gekennzeichnet mit der Nr. 1 -deutlich vergrößert. Seit 1923 Chefredakteur der Volksstimme, seitAnfang 1929 Vorsitzender der SPdS,. war er die intellektuell undpolitisch dominante Führungsfigur der Saar-Sozialdemokraten.Seine antifaschistische, republikanische Grundhaltung beinhaltetefür ihn wie für die Saar-SPD bis 1933 das klare Bekenntnis derRückkehr des Saargebie-tes zu Deutschland. Ge-rade aus den Erfahrungendes Grenzlandschicksalsdes Saargebietes, das1920 im Versailler Vertragfür 15 Jahre politisch vonDeutschland abgetrenntworden war, hatte MaxBraun in der zweitenHälfte der 1920er Jahrefür die SPdS die Politikder Aussöhnung mitFrankreich als Grundla-ge der europäischenVerständigungspolitikentwickelt. Dem Saar-gebiet kam dabei eineBrückenfunktion „zwi-schen den beiden gro-ßen europäischen Kul-turnationen Deutsch-land und Frankreich“ zu. Die auf Frieden und Verständigung aus-gerichteten außenpolitischen Positionen der Saar-SPD waren kla-re Gegenpositionen zur aggressiven, nationalistischen Kriegspoli-tik der NSDAP, vor der Max Braun vielfach auch in Leitartikeln derVolksstimme warnte.

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■ Tafel 12 unten:Tafel 12 unten:Tafel 12 unten:Tafel 12 unten:Tafel 12 unten:

Julius Schwarz (1880-1949) war als Vorsitzender des freigewerk-schaftlichen Bergarbeiterverbandes (BAV, 1930-35) einer der ein-flussreichsten Politiker im Saargebiet. Zudem war er ab 1929 SPD-

Stadtratsmitglied in Saarbrückenund viele Jahre stellvertretenderVorsitzender der SPdS. 1919-21und 1933 war er Mitglied imPreußischen Landtag. Schwarzwar bodenständiger Gewerk-schafter und Sozialpolitiker undvon Neigung, Interessen undHabitus geradezu der Gegenpolzu Max Braun. Mit der Zerschla-gung der freien Gewerkschaftenim Deutschen Reich, am 02. Mai1933, war es für Schwarz klar,dass auch die Gewerkschaftsver-bände an der Saar in ihrer Exis-tenz bedroht waren. Wie anderefreie Gewerkschaften auch kon-

stituierten sich die freigewerkschaftlichen Bergarbeiter des Saar-gebietes als selbständige Organisation, und Schwarz gab ab Mai1933 die Saar-Bergarbeiter-Zeitung heraus. Die Zustände im nazis-tischen Deutschland wurden darin heftig attackiert.

Julius Schwarz

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■ Tafel 13 oben:Tafel 13 oben:Tafel 13 oben:Tafel 13 oben:Tafel 13 oben:

Nie zu HitlerNie zu HitlerNie zu HitlerNie zu HitlerNie zu HitlerNach anfänglicher Rücksichtnahme auf die Mutterpartei im NS-Staat nahm die SPdS ab Mai 1933 in der öffentlichen Auseinander-setzung mit den Zuständen in Hitlerdeutschland keine Rücksich-ten mehr. Als schwie-rig erwies sich aberdie Stellungnahmezur Frage der Rück-gliederung der Saarzu Deutschland. Bis1933 war auch für dieSaar-SPD völlig un-strittig, dass in derVolksabstimmung1935 nur für dieRückgliederung zuDeutschland votiert werden kann; das demokratische, freiheitli-che Deutschland gab es aber nicht mehr. Deutschland glich nachAuffassung der Antifaschisten einem Gefängnis, war „vom Feindebesetzt“. Anfang August 1933 erklärte Max Braun erstmals öffent-lich, dass es eine Rückkehr zu einem nationalsozialistischenDeutschland für die SPD nicht geben könne. Die Saar-SPD, diesich auf dem Parteitag im November 1933 von der im DeutschenReich verbotenen Mutterpartei trennte und sich in „Sozialdemo-kratische Landespartei des Saargebietes“ umbenannte, versuchte

erfolglos, beim Völ-kerbund eine Ver-schiebung der Ab-stimmung zu erwir-ken, bis die National-sozialisten inDeutschland nichtmehr an der Machtseien.

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■ Tafel 13 Mitte:Tafel 13 Mitte:Tafel 13 Mitte:Tafel 13 Mitte:Tafel 13 Mitte:

Mit der Selbstgleichschaltung der bürgerlich-christlichen Organi-sationen an der Saar und ihrer Unterwerfung unter die Führungs-rolle der NSDAP in der Deutschen Front 1933/34 nahmen auch derpsychische und physische Druck und Terror gegen Rückgliede-rungsgegner ständig zu. Die Terrorskala der Deutschen Front wargroß: Sie reichte von vagen Drohungen wie „Denk an 1935“ überAngriffe auf Flugblatt- und Zeitungsverteiler der antifaschistischenOrganisationen, Diffamierung und öffentliche Bloßstellung vonRückgliederungsgegnern als Separatisten und Vaterlandsverräterbis hin zu Mordanschlägen auf den Führer der Freiheitsfront, densaarländischen SPD-Vorsitzenden Max Braun. Die symbolische Hin-richtung von Rückgliederungsgegnern - oft in Gestalt der Erhän-gung einer Puppe, der das Namensschild ‚Max Braun‘ oder „Sta-tus quo“ umgehängt war - wirkte auch deshalb stark einschüch-ternd auf Gegner des NS-Systems, weil dies den realen Umgangmit politischen Gegnern im NS-Staat symbolisierte, also einemtatsächlichen Hintergrund entsprach. Nach der Bekanntgabe desAbstimmungsergebnisses sah Max Braun, wie er später in seinen

Erinnerungen schrieb, ineiner Demonstration derDeutschen Front seinereigenen Hinrichtung zu.„…Ich hatte diesen Men-schen immer wiedergesagt…’Hitler - das istder Krieg!’. Und bei die-sem grotesken Schau-spiel wurde mir klarer alsje zuvor, dass derselbeHexentanz in gleicherVerruchtheit eines Tagessich über die Grenzenhinweg begeben undnoch wilder und hem-mungsloser gegen Euro-pa und die übrige Weltim Amoklauf losgehenwürde.“

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■ Tafel 13 unten:Tafel 13 unten:Tafel 13 unten:Tafel 13 unten:Tafel 13 unten:

Nach dem 30. Januar 1933 kam auf die antifaschistischen Organi-sationen zunehmend die Aufgabe zu, (politischen) Flüchtlingenaus NS-Deutschland Überlebenshilfe zu leisten. Allein etwa 1000

sozialdemokratische Flüchtlingeaus Deutschland und späterÖsterreich, oft mittellos, warenmit Essen und Unterkunft zuversorgen; nur selten konntenArbeitsmöglichkeiten vermitteltwerden. Unter den prominentenSPD-Flüchtlingen befand sichauch Marie Juchacz (1879-1956),langjährige SPD-Reichstagsab-geordnete und 1919 Mitgründe-rin der Arbeiterwohlfahrt. Sieunterhielt in der SaarbrückerBahnhofstraße eine Begeg-nungsstätte mit Mittagstisch,wo sich Emigranten aufhaltenkonnten, neue Nachrichten aus

Deutschland diskutiert wurden und es zu günstigen Preisen eineMahlzeit gab. Ähnliche Anlaufstellen gab es u.a. in der Arbeiter-wohlfahrt in der Hohenzollernstraße, wo zeitweise Johanna Kirch-ner, 1944 von den Nazis ermordet, arbeitete. Aber auch die saar-ländische Liga für Menschenrechte, die Rote Hilfe der KP und dieNaturfreunde in ihrem Heim in Kirkel betreuten Emigranten.

Marie Juchacz

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■ Tafel 14 oben:Tafel 14 oben:Tafel 14 oben:Tafel 14 oben:Tafel 14 oben:

Die EinheitsfrontDie EinheitsfrontDie EinheitsfrontDie EinheitsfrontDie Einheitsfrontgegen Hitlergegen Hitlergegen Hitlergegen Hitlergegen Hitler„Um Hitler an der Saar zu schlagen, rufen die kommunistischeund die Sozialdemokratische Partei die Arbeiter und das ganzeSaarvolk zur Durchführung von gemeinsamen Aktionsmaßnahmen,gemeinsamen Kundgebungen, Versammlungen und Demonstrati-onen gegen den Faschismus auf“, heißt es im Gründungsaufrufder antifaschistischen Einheitsfront Anfang Juli 1934 an der Saar.Nach der „kampflosen Kapitulation“ der deutschen Arbeiterbewe-gung wollten SPD und KPD das Saargebiet den Nationalsozialis-ten nicht kampflos überlassen. Ihrem Aufruf, am 13. Januar 1935für den Status quo und gegen den Anschluss der Saar an Hitler-

deutschland zu stim-men, folgten nur 8,8%der Abstimmenden.Neben dem ein-schüchternden Terrorder Deutschen Frontsind als weitere Grün-de der Niederlage vorallem die anbiedern-de Haltung der christ-lichen Kirchen gegen-über Hitlerdeutsch-land und die entpoli-tisierende, nur auf das„Gefühl Deutschland“setzende Propagandader Deutschen Front,die jede andere Ent-scheidung als Landes-verrat brandmarkte,anzuführen.

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■ Tafel 14 Mitte:Tafel 14 Mitte:Tafel 14 Mitte:Tafel 14 Mitte:Tafel 14 Mitte:

Die Einheitsfront aus Sozialdemokraten und Kommunisten ver-suchte mit Hunderten von Veranstaltungen, Flugblättern und zahl-reichen Zeitungen die Bevölkerung für das Votum zum Status quozu gewinnen; dabei setzte die Einheitsfront ihre Hoffnung darauf,nach einer positiven Abstimmung für den Status quo werde dieAbstimmung nach dem Ende der NS-Herrschaft wiederholt, unddann wäre der Weg frei für die Rückkehr der Saar zu einem demo-kratischen Deutschland. Zentrale Veranstaltungen der Status quo-Bewegung fanden am 24. August 1934 in Sulzbach und am 6.Januar 1935 auf dem Wackenberg in Saarbrücken statt. Eine großeÜberraschung war der Auftritt von Pater Hugolinus Dörr (1895-1940) in Sulzbach, der gegen die Bischöfe von Trier und Speyerund für den Status quo Stellung nahm. Der Auftritt des katholi-schen Geistlichen lies kurzfristig die Hoffnung bei den Antifaschis-ten aufkommen, die Einheitsfront zu einer saarländischen Volks-front erweitern zu können. Dies misslang allerdings: Nur ein klei-ner Teil des politischen Katholizismus im Umkreis des späterensaarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und eini-

ge christliche Gewerk-schafter sowie die freienGewerkschaften des Saar-gebietes riefen ebenfallszum Votum für den Sta-tus quo auf. Viele Män-ner und Frauen der Ein-heitsfront und der Statusquo-Bewegung musstennach dem 13. Januar 1935ins Exil, etliche bezahltenihr Engagement mit demLeben. Der mutige Kampfdieser Männer und Frau-en hat wesentlich dazubeigetragen, der Welt dasGesicht des anderen, de-mokratischen und fried-lichen Deutschlands zuzeigen.Max Braun und Pater Hugolinus Dörr

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■ Tafel 14 unten:Tafel 14 unten:Tafel 14 unten:Tafel 14 unten:Tafel 14 unten:

Teils schon vor der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnissesam 15. Januar 1935 verlassen neben jüdischen Bewohnern auchzahlreiche, politisch durch das kommende NS-System an der Saar

bedrohte, Antifaschistenihre Heimat oder ihrenersten Fluchtpunkt Saar-gebiet. Zu letzteren ge-hören etwa der ehema-lige Innenminister derWeimarer Republik, Wil-helm Sollmann (1881-1951), der SPD-Reichs-tagsabgeordnete undFunktionär der freienBergarbeitergewerk-

schaft Heinrich Becker (1877-1964), der SPD-Reichstagsabgeord-nete Emil Kirschmann (1888-1948) oder der Frankfurter Funktionärder Deutschen Metallarbeiterverbandes Max Bock (1888-1953). Aberauch viele einfache Mitglieder und Funktionäre der SPdS und derfreien Gewerkschaften des Saargebiets, die sich im Abstimmungs-kampf gegen den Anschluss an Hitlerdeutschland engagiert hat-ten und die teils unmittelbar nach der Verkündung des Abstim-mungsergebnisses von einem na-tionalistisch-faschistischen Mobbedroht wurden, gingen ins Exil.Zu ihnen gehörten u.a. Luise Schiff-gens (1892-1954), die in den 1950erJahren zeitweise Fraktionsvorsitzen-de der SPS im saarländischen Land-tag war, und Heinrich Wacker (1887-1970), Geschäftsführer des Werk-meisterbundes an der Saar und von1933-35 der Führer des Sozialisti-schen Schutzbundes in Saarbrü-cken. Nach 1945 wurde er ErsterVorsitzender der Einheitsgewerk-schaft des Saarlandes.

Luise Schiffgens und Heinrich Wacker (retuschier-te Photomontage)

Max Bock

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■ Tafel 15 oben:Tafel 15 oben:Tafel 15 oben:Tafel 15 oben:Tafel 15 oben:

Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Ausgrenzung und Kriegs-Ausgrenzung und Kriegs-Ausgrenzung und Kriegs-Ausgrenzung und Kriegs-Ausgrenzung und Kriegs-wirtschaftwirtschaftwirtschaftwirtschaftwirtschaftAm 1. März 1935 wurde die Saarregion wieder Bestandteil desDeutschen Reiches. Wer nicht emigriert war, enthielt sich vorsorg-lich jeder politischen Meinungsäußerung. Um die nationalsozialis-tische Herrschaft an der Saar zu etablieren, ernannte Hitler JosefBürckel, den Gauleiter der NSDAP Rheinpfalz, zum Reichskommis-sar für die Rückgliederung des Saarlandes. Das öffentliche Ver-einswesen wurde gleichgeschaltet. 1937 führten die Nationalsozi-alisten die christliche Gemeinschaftsschule ein, in der freilich baldjeder Religionsunterricht entfiel. Die politischen Gegner wurdenverfolgt. Der Hass der Nazis richtete sich vor allem gegen dieKommunisten, traf aber auch Sozialdemokraten und Christen. Derdifferenzierte nationalsozialistische Überwachungsapparat erzeugteeinen starken Anpassungsdruck und hielt die Bevölkerung, vorallem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, dauerhaft in Angstund Schrecken; davon zeugen zahlreiche Verfahren wegen Verge-hen gegen die Heimtücke-Verordnung (Führerwitze, Hören feindli-cher Sender). Während die nationalsozialistische Herrschaft nachaußen mit beeindruckenden Aufmärschen, schmissiger Musik undzackigem Auftreten das Bild eines anständigen, sauberen und star-ken Deutschlands bot, unterdrückte sie nach innen jegliche Äuße-rung andersdenkender Vorstellungen mit massiver Einschüchte-

rung und brutaler Gewalt.Aber auch die sozialpoliti-schen Maßnahmen im NS-Staat zugunsten der Arbeiter-bevölkerung -“Sozialismusder Tat“- führten zu Anpas-sung und politischer Absti-nenz, teils sogar zu partiel-ler Zustimmung zum Regime.

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■ Tafel 15 Mitte:Tafel 15 Mitte:Tafel 15 Mitte:Tafel 15 Mitte:Tafel 15 Mitte:

Die jüdische Bevölkerungsminderheit war, nachdem sie in der Fran-zösischen Revolution als Staatsbürger emanzipiert worden war,im 19. Jahrhundert angewachsen und vielfach als Viehhändler undKleingewerbetreibende tätig. Die jüdischen Gemeinden an der Saarunterhielten 27 Synagogen und 11 Friedhöfe. Mit dem Aufkommendes Nationalsozialismus und ersten Boykottmaßnahmen im Deut-schen Reich wussten die Juden an der Saar, was auf sie zukam.Wer es sich leisten konnte, verkaufte bereits vor oder nach derVolksabstimmung seine Liegenschaften und emigrierte ins Aus-land. Zahlreiche Handelsunternehmen in den saarländischen Ge-meinden wurden 1935 arisiert, darunter viele bis heute alteinge-sessene Geschäfte. Die Nichtanwendung der die jüdische Bevöl-kerung diskriminierenden Reichsgesetze an der Saar lief ein Jahrnach der Rückgliederung (am 29. Februar 1936) aus. Wie im übri-gen Deutschland kam es in der sogenannten „Reichskristallnacht“vom 9. auf den 10. November 1938 zu gewaltsamen Übergriffenauf Juden, ihre Wohnungen, Synagogengebäude und Friedhöfe.Zahlreiche Synagogen gingen in Flammen auf, Teile der jüdischenBevölkerung wurden vom braunen Mob in ihren Häusern aus dem

Schlaf gerissen, durch dieStadt getrieben undschließlich ins Konzentrati-onslager Dachau verbracht.Die Synagogen wurden viel-fach abgerissen, teils ver-kauft oder einer anderenNutzung zugeführt.Schließlich wurden währenddes Zweiten Weltkriegs imOktober 1942 alle noch imSaarland, der Pfalz und inBaden verbliebenen Judenverhaftet und ins Lager Gursin Südwestfrankreich depor-tiert, von wo sie 1944 insKonzentrationslager Aus-chwitz transportiert und er-mordet wurden.

Die brennende Synagoge in Saarbrücken am9. November 1938

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■ Tafel 15 unten:Tafel 15 unten:Tafel 15 unten:Tafel 15 unten:Tafel 15 unten:

Hermann Röchling (1871-1955) übernahm 1898 die Leitung derVölklinger Hütte, deren Mehrheitsanteile nach dem Ersten Welt-krieg an Frankreich gefallen waren. Er gehörte als Vertreter derLiberalen Volkspartei (ab 1924: Deutsch-Saarländische Volkspar-tei) in allen vier Legislaturperioden (1922-1935) dem Landesrat anund setzte sich besonders für den Verbleib des Saargebietes beiDeutschland ein. 1933 gab Hermann Röchling entscheidendenAnstoß zur Gründung der Deutschen Front, des Wahlkampfbünd-nisses für die bedingungslose Angliederung des Saargebietes andas Deutsche Reich zur Saarabstimmung am 13. Januar 1935, undunterhielt enge Verbindungen zu Nationalsozialisten. 1935 wurdeer Mitglied der NSDAP, trat dem Rüstungsbeirat des Reichswehr-ministeriums bei und war bald Mitglied der Aufsichtsräte zahlrei-cher Firmen der kriegswichtigen Montanindustrie. So erhielt ervielfache Titel und Funktionen, u.a. als Wehrwirtschaftsführer. Nachdem Westfeldzug wurde Hermann Röchling zum „Generalbevoll-mächtigten für die Eisen- und Stahlindustrie in Lothringen“ er-nannt, deren Ressourcen er der deutschen Kriegswirtschaft dienst-bar zu machen suchte.

In der saarländischenSchwer indust r ie ,aber auch in Handel,Gewerbe und in derLandwirtschaft, wur-den während desKrieges ca. 60.000bis 70.000 Zwangsar-beiter eingesetzt, beidenen es sich umKr iegsge fangene

oder unter falschen Versprechungen angelockte Zivilpersonen han-delte; sie wurden vielfach in Barackenlagern untergebracht. Ob-wohl es sich meist um junge Arbeitskräfte handelte, kamen vieledurch Unfälle, Hunger, Bomben und Mißhandlung zu Tode. Her-mann Röchling wurde nach den beiden Weltkriegen 1919 und 1947rechtskräftig als Kriegsverbrecher verurteilt und war wesentlichfür den Einsatz der Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirt-schaft während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich.

Treueschwur der Röchling-Arbeiter

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■ Tafel 16 oben:Tafel 16 oben:Tafel 16 oben:Tafel 16 oben:Tafel 16 oben:

Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Die Saar im Dritten Reich:Verfolgung und WiderstandVerfolgung und WiderstandVerfolgung und WiderstandVerfolgung und WiderstandVerfolgung und WiderstandMagdalena Weber, geb. BertyMagdalena Weber, geb. BertyMagdalena Weber, geb. BertyMagdalena Weber, geb. BertyMagdalena Weber, geb. Berty (21. Januar 1898 - 27. April 1945):

Magdalena Berty wurde am 21. Januar 1898 in Merzig geboren. Sieheiratete am 12. September 1922 in Sulzbach Karl Weber und tratim darauffolgenden Jahr der SPD bei. Sie war Vorstandsmitglied

im Ortsverein Sulzbach und ar-beitete bei der Arbeiterwohl-fahrt sowie beim Arbeiter-Sa-mariter-Bund mit. Nach derEmigration ins südfranzösi-sche Departement Gers gingsie 1936 nach Spanien undnahm bis 1938 als Röntgen-schwester des Internationa-len Sanitätsdienstes Spani-en (SSI) am Spanischen Bür-

gerkrieg teil. Als sich die Niederlage der republikanischen Volks-front abzeichnete, begab sich Magdalena Weber im April 1938nach Frankreich. Am 18. Mai 1941 wurde sie durch die französischePolizei des Vichy-Regimes festgenommen und zu einer Gefängnis-strafe verurteilt. Im Juli 1942wurde sie der Gestapoübergeben und nachDeutschland zurückgeführt.Sommer und Herbst 1942verbrachte sie in den Ge-fängnissen Trier und Saar-brücken, bevor sie am 28.November 1942 ins Frauen-Konzentrationslager Ra-vensbrück überstellt wurde,wo sie am 27. April 1945ermordet wurde.

Magdalena („Lenchen“) Weber mit vier Ka-meraden der Internationalen Brigaden (zwei-ter von rechts Hermann Drumm, Bergmannaus Wiebelskirchen)

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■ Tafel 16 Mitte:Tafel 16 Mitte:Tafel 16 Mitte:Tafel 16 Mitte:Tafel 16 Mitte:

Beim Aufbau der von den Nationalsozialisten propagierten „Volks-gemeinschaft“ kam es immer wieder zu sozialen Konflikten, wi-derständigem Verhalten und zu einzelnen Zusammenstößen mitden Repräsentanten des nationalsozialistischen Apparates, ohnedass freilich der Rückhalt des Systems jemals ernsthaft bedrohtwar. Der den Machthabern zur Verfügung stehende Repressions-apparat, der im Einzelfall Exempel statuierte, ließ die Beherrsch-ten aber weitgehend im Unklaren darüber, wie er im Einzelfallzuschlagen würde. So diente er vor allem zur Verbreitung einerlatenten Angst und erzeugte einen Druck zu konformem Verhaltenauch bei denen, die innerlich das System ablehnten. Bereits un-mittelbar nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am15. Januar 1935 trieb eine Welle von Übergriffen die exponiertenFunktionäre der Einheitsfront in die Emigration. Widerstand gegendie NS-Herrschaft konnte von da an nur noch mit bescheidenenMitteln von außen geleistet werden. Aktiver Widerstand, meist imAusland, blieb eine Sache von wenigen Einzelnen; gleichwohl er-regten viele die Aufmerksamkeit der Verfolger bei geringsten öf-

fentlichen Meinungs-äußerungen. GauleiterBürckel betonte er-folgreich die integrati-ve Seite der NS-Arbei-terpolitik und trug sozur äußerlichen Anpas-sung der Arbeiter-schaft bei, die trotzdes geübten privatenZusammenhalts dasAusbluten ihres Mili-eus nicht verhindernkonnten. Auch dieKommunisten schotte-ten sich im linkspro-letarischen Milieu ab;ihre wenigen Wider-standsgruppen blie-ben ohne Resonanz.verbotene Naturfreundegruppe

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■ Tafel 16 unten:Tafel 16 unten:Tafel 16 unten:Tafel 16 unten:Tafel 16 unten:

Julius StrummJulius StrummJulius StrummJulius StrummJulius Strumm (15. Juli 1915 - 13. Juli 1942)

Julius Strumm wuchs in Sulzbach bei sei-nem Großvater auf. Er trat eine Lehrstelle ineiner Dreherei an und war danach auf denGruben Altenwald undHirschbach beschäftigt,bis er 1933 infolge derWeltwirtschaftskrise ent-lassen wurde. 1931 warer dem Bergarbeiterver-band beigetreten undgehörte zur Jugendgrup-pe der Naturfreunde. ImSaarabstimmungskampfwurde er im Dezember1934 von den Nazis zusammengeschlagen, 1935 emigrierte er nachFrankreich. Von Mai 1936 bis Herbst 1937 kämpfte er auf rotspani-scher Seite im Bürgerkrieg, von Januar 1938 bis Juli 1940 diente erin der französischen Fremdenlegion. Trotz Zusicherung von Straf-freiheit wurde Julius im Juli 1941 der deutschen Sicherheitspolizeiüberstellt, die ihn am 24. November 1941 wegen Hochverrats an-klagte. Man konnte ihm zwar nichts nachweisen; dennoch ver-blieb er als Spanienkämpfer in Schutzhaft in Frankfurt/Main. Am28. Mai 1942 wurde Julius Strumm von der Gestapo ins Konzentra-

tionslager Dachaugebracht. Er starbdort - fast 27 Jahrealt - am 13. Juli 1942gegen 21 Uhr. Als To-desursache gab dieKZ-Leitung an: „Ver-sagen von Herz undKreislauf bei eitrigerRippenfellentzün-dung“.

Julius Strumm bei denNaturfreunden und alsFremdenlegionär

Julius Strumm im Naturfreundelager

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■ Tafel 17 oben:Tafel 17 oben:Tafel 17 oben:Tafel 17 oben:Tafel 17 oben:

Demokratischer Neubeginn:Demokratischer Neubeginn:Demokratischer Neubeginn:Demokratischer Neubeginn:Demokratischer Neubeginn:Die SPSDie SPSDie SPSDie SPSDie SPSDer französische Militärgouverneur Grandval betrieb neben demWiederaufbau auch den der saarländischen Montanindustrie, dieFrankreich Reparationen leisten sollte. Der Parteikongress der SPSam 9. März 1947 forderte erstmals „Die Saarindustrie dem Saar-volk!“ Am 17. Mai setzte Grandval feierlich eine Kommission ein,die eine Verfassung für das Saarland ausarbeiten sollte. Bei denWahlen zur verfassungsgebenden Versammlung am 5. Oktober1947, die sich als Landtag konstituierte, errang die SPS 32,8 %der Stimmen und wurde damit zweitstärkste Partei. Die SPS unterRichard Kirn trat in eine Regierungskoalition unter Ministerpräsi-dent Johannes Hoffmann (CVP, 51,2 %) ein und erwies sich als

dauerhaft mitgestaltendepolitische Kraft im Saar-land. Die Politik der Saar-regierung war geprägtvom engen wirtschaftli-chen Anschluss und derpolitischen Anlehnung anFrankreich, von einer kle-rikalen Ausrichtung undeiner hohen sozialen Si-cherung, wobei für letz-teres insbesondere dieSPS einstand. Die Präam-bel der saarländischenVerfassung schrieb dieWirtschaftsunion und eineenge politische Anbin-dung an Frankreich festund stellte vage ein in-ternationales Statut fürdas Saarland in Aussicht.Deckblatt einer Broschüre, die Schülerinnen und

Schülern zur Schulentlassung überreicht wurde

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■ Tafel 17 Mitte:Tafel 17 Mitte:Tafel 17 Mitte:Tafel 17 Mitte:Tafel 17 Mitte:

Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren 35.000 Menschen ausdem Saarland kriegsbedingt ums Leben gekommen; rund 110.000saarländische Männer befanden sich in Kriegsgefangenschaft, von130.000 Wohngebäuden sind 60.000, von 376 Kirchen 262, von600 Schulen 390 und von 56 Krankenhäusern 42 zerstört worden.Von 270 großen Industriebetrieben sind nur 100 völlig unbeschä-digt, von 94 Eisenbahnbrücken sind 25 intakt, von 162 Straßen-brücken 27. Der Bevölkerung fehlte das Nötigste zum Überleben.Zunächst stellte die Bewältigung des Alltags und die Beseitigungder Trümmermassen und anderer Kriegsrelikte die Bevölkerung,die vielfach in Notunterkünften hausen mußte, vor erhebliche Pro-bleme; die Sicherstellung der Ernährung und Reparaturen leichte-rer Gebäudeschäden hatten Vorrang. Politische Parteien (CVP, SPS,KP) wurden erst am 13. Februar 1946 zugelassen. Nach einer inof-fiziellen Gründung der Sozialdemokratische Partei des Saarlandes(SPS) im Hinterzimmer eines Saarbrücker Gasthauses wurde aufdem Gründungsparteitag der SPS am 6. Januar 1946 Richard Kirnzum Vorsitzenden gewählt. Wenige Tage später erfolgte am 10.Januar 1946 die Gründungsversammlung der Christlichen Volks-partei (CVP). Bei den ersten Gemeinderatswahlen im Saarland am15. September 1946 errang die SPS 25,5 % der Stimmen, auf dieCVP entfielen 52,4 %, die Kommunistische Partei des Saarlandes9,1 % und freie Listen 13 %.

Die zerstörte Malstatter Brücke in Saarbrücken

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■ Tafel 17 unten:Tafel 17 unten:Tafel 17 unten:Tafel 17 unten:Tafel 17 unten:

Die sozialdemokratische Partei fühlte sich zunächst der deutschenSozialdemokratie zugehörig und bezeichnete sich in ihren Anfän-gen als „Sozialdemokratische Partei, Bezirk Saar“. Erst auf demParteitag im Juni 1947 verstand sie sich als „organisatorisch vonder Sozialdemokratischen Partei Deutschland getrennt“ und nahmden Namen „Sozialdemokratische Partei Saar“ an. Diese Umbe-nennung war Ausdruck innerparteilicher Diskussionen in den frü-hen Nachkriegsjahren, bei denen sich zwei Lager gegenüberstan-den. Der SPS-Parteivorsitzende Richard Kirn, der Minister für Ar-beit und Wohlfahrt war, und seine Anhänger waren mit dem wirt-schaftlichen Anschluß an Frankreich und einer zukünftigen Auto-nomie des Saarlandes einverstanden. Der Wiederaufbau der saar-ländischen Montanindustrie ohne Reparationen gehörte zu denersten Prioritäten sozialdemokratischer Politik und wurde von derSPS weithin als Bedingung für ihre Zustimmung zur Autonomielö-sung verstanden. Der Streit um die außenpolitische Orientierungder SPS schwelte aber weiter, so dass es 1952 zur (illegalen)Gründung der Deutschen Sozialdemokratischen Partei Saar (DSP,später SPD-Landesverband Saar) kam.

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■ Tafel 18 oben:Tafel 18 oben:Tafel 18 oben:Tafel 18 oben:Tafel 18 oben:

Errungenschaften undErrungenschaften undErrungenschaften undErrungenschaften undErrungenschaften undKrise der SPSKrise der SPSKrise der SPSKrise der SPSKrise der SPSEine organisatorische Vereinheitlichung der Sozialversicherungs-träger war auf Initiative französischer Vertreter vorgesehen undwurde in der Verwaltungskommission heftig diskutiert. Im Juni1947 wurde die Landesversicherungsanstalt (LVA) zum zentralenVersicherungsträger für die Kranken-, Mutterschafts-, Todesfall-,Arbeitsunfall-, Invaliditäts- sowie die Pensionsversicherung; sieregelte hinfort auch die Beziehungen zu Verbänden und Vereini-gungen der Heilberufe, zu den Heilanstalten und Erholungshei-men. Damit fanden ein organisatorisches Chaos und unterschied-liche Beiträge ein Ende. Die saarländische Sozialversicherungsre-form war insgesamt betrachtet eine behutsame Reform, die dasSaarland nicht völlig von der deutschen Sozialversicherungstradi-tion abtrennte und den Versicherten ein relativ hohes Leistungsni-veau bescherte. Die Herausforderung der Kriegsopferversorgungnach 1945 wurde gemeistert. Die Anzahl der Feiertage und die

Leistungen in derFamilienpolitik desSaarlandes lagendeutlich über demStand in der Bun-desrepublik. Dabeiist nicht zu verken-nen, dass die saar-ländische Sozial-politik auch dazudiente, die Eigen-staatlichkeit desLandes zu stabili-sieren.

Wohnverhältnisse

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■ Tafel 18 Mitte:Tafel 18 Mitte:Tafel 18 Mitte:Tafel 18 Mitte:Tafel 18 Mitte:

Zunächst ist generell die Leistung der SPS beim Aufbau einesdemokratischen und sozialen Gemeinwesens an der Saar zu wür-digen. In der Verfassungskommission, in der die SPS mit fünfMitgliedern vertreten war und Richard Kirn den stellvertretendenVorsitz innehatte, trug die SPS Wesentliches zur demokratischenGrundlegung des Saarlandes bei, besteht doch die Verfassungvon 1947 (nach Wegfall der umstrittenen Präambel und weiterenAktualisierungen) im Kern bis heute. Von 1947 bis 1951 und von1952 bis 1954 stellte die SPS in der Regierungskoalition den Mi-nister für Arbeit und Wohlfahrt Richard Kirn, der auch stellvertre-tender Ministerpräsident war, und den Minister für Justiz HeinzBraun, den Bruder des 1945 verstorbenen früheren SPD-Vorsitzen-den Max Braun. So bestimmte sozialdemokratisches Gedanken-gut weitgehend die Justiz- und Sozialpolitik der „Ära Hoffmann“.

Richard Kirn

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■ Tafel 18 unten:Tafel 18 unten:Tafel 18 unten:Tafel 18 unten:Tafel 18 unten:

Da die französische Regierung an einer möglichst ungestörtenKontrolle über die saarländische Montanindustrie interessiert war,gestand der französische Hochkommissar Gilbert Grandval densaarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur sehrgeringe Einflussmöglichkeiten in der Schwerindustrie zu. Durchdie fehlende Mitbestimmung und das oftmals überhebliche Auf-treten französischer Ingenieure und Steiger, das unangenehm andie Zeiten preußischer Herrschaft erinnerte, verspielte die saarlän-dische Landesregierung den verdienten Kredit für ihre moderneSozialpolitik. Im Juli 1954 wurde schließlich nach heftigen Diskus-sionen ein saarländisches Mitbestimmungsgesetz verabschiedet,das sich deutlich am bundesdeutschen Modell orientierte, aberden Gewerkschaften nicht weit genug ging. Zwar zerbrach die Re-gierungskoalition zwischen CVP und SPS nicht primär über diesesGesetz, es hat aber die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteilemit dem herrschenden System an der Saar deutlich verstärkt. Beidem von der IV Metall am 23. Februar 1955 organisierten General-streik kam es in Saarbrücken zu einem rabiaten Einsatz der Poli-zei, die mit Schlagstöcken gegen die friedlich Demonstrierendenvorging.

Saarländische Polizei im Einsatz gegen Demonstranten

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■ Tafel 19 oben:Tafel 19 oben:Tafel 19 oben:Tafel 19 oben:Tafel 19 oben:

Der KampfDer KampfDer KampfDer KampfDer Kampfum das Saarstatutum das Saarstatutum das Saarstatutum das Saarstatutum das SaarstatutDer Volksabstimmungskampf um das Saarstatut begann im Juli1955. Zu diesem Zeitpunkt konnte die seit 1952 existente Deut-sche Sozialdemokratische Partei unter Kurt Conrad (DSP, späterSPD) aus der Illegalität auftauchen, CDU und DPS (DemokratischePartei Saar) wurden neu gegründet und schlossen sich im Spät-sommer zum Deutschen Heimatbund zusammen. Die prodeutschenParteien standen als „Neinsager“ den „Jasagern“ von CVP undSPS gegenüber. Für eine große Irritation sorgte die an die saarlän-dischen Bevölkerung gerichtete Bitte des Bundeskanzlers Adenauer,das von ihm ausgehandelte Statut anzunehmen. Vor allem dievom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen unterstütztenHeimatbundparteien entfalteten eine wahre Propagandaschlachtmit Flugblättern, Aufklebern und Plakaten. Im August 1955 wur-den innerhalb einer Woche 51 Personen, darunter 18 Polizisten,verletzt. Der Unmut großer Teile der Bevölkerung mit der Regie-rung Johannes Hoffmann spiegelte sich in der Parole „Der Dickemuß weg!“ Die Befürworter des Statuts hingegen unterstelltenden Neinsagern wegen ihres nationalistisch geführten Wahlkampfsfaschistisches Gedankengut und verwiesen auf ihre sozialen Er-

rungenschaften.Die Frage nachdem zukünftigenStatus des Saar-landes münztendie Saarländermehrheitl ich ineine Bekundungihres Willens, zumneuen deutschenStaat zu gehören,um.

Polizeieinsatz bei einer Wahlkampfveranstaltung

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■ Tafel 19 Mitte:Tafel 19 Mitte:Tafel 19 Mitte:Tafel 19 Mitte:Tafel 19 Mitte:

Nachdem der Bundestag 1952 das Selbstbestimmungsrecht derSaarländer gefordert hatte, wurden bei der darauffolgenden Land-tagswahl im Saarland ein Viertel der Stimmen ungültig abgege-ben. Im Zuge der Integration der jungen Bundesrepublik ins west-liche Bündnissystem (Montanunion, Europarat, WesteuropäischeVerteidigungsgemeinschaft, NATO) - erwiesen sich die Meinungs-verschiedenheiten über die politische Zukunft des Saarlandes zu-nehmend als Hemmnis. Frankreichs politische Schwierigkeiten (In-dochinakrieg, Freiheitsbestrebungen in Nordafrika und die inflati-onäre Entwicklung des französischen Francs) einerseits und dasbeginnende „Wirtschaftswunder“ in der Bundesrepublikandererseits steigerten die Unzufriedenheit der saarländischen Be-völkerung mit dem wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich. Diefranzösische Nationalversammlung lehnte am 30. August 1954 ei-nen gemeinsamen Plan des Europarats, der Europäischen Vertei-digungsgemeinschaft (EVG) und der Europäischen Politischen Ge-meinschaft (EPG) zur Saarfrage ab. Im Rahmen der Errichtung derWesteuropäischem Union (WEU) und der Integration der Bundes-republik in die NATO verhandelten deutsche und französischePolitiker weiter; am 23. Oktober 1954 unterzeichneten Bundes-kanzler Adenauer und der französische Ministerpräsident Mendès-France ein Saarstatut, das die endgültige Regelung der Saarfrage

bis zu einem künf-tigen Friedensver-trag aufschob, diewi r tschaf t l i cheUnion mit Frank-reich sowie die po-litische Autonomiedes Saarlandes bisdahin festschrei-ben sollte.

Bundeskanzler Adenauer und Ministerpräsident Mendès-France unterzeichnen das Saarstatut

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■ Tafel 19 unten:Tafel 19 unten:Tafel 19 unten:Tafel 19 unten:Tafel 19 unten:

Am 23. Oktober 1955 lehnten 67,7 Prozent der Saarländer dasSaarstatut ab. Die Öffentlichkeit und die maßgeblichen Politikerbewerteten das Abstimmungsergebnis als Willensbekundung derSaarländer für einen Anschluss an die Bundesrepublik Deutsch-land. Nach einjährigen Verhandlungen unterzeichneten am 27.

Oktober 1956 dieAußenminister vonFrankreich undDeutschland, Hein-rich von Brentanound Christian Pine-au, in Luxemburgden „Vertrag zwi-schen der Bundesre-publik Deutschlandund der Französi-schen Republik zurRegelung der Saar-

frage“ (Saarvertrag, Luxemburger Vertrag). Der saarländische Land-tag erklärte seinen Beitritt zur Bundesrepublik, und das Saarlandwurde am 1. Januar 1957 Bestandteil der Bundesrepublik Deutsch-land. Die wirtschaftliche Übergangphase währte bis zum „Tag X“(6. Juli 1959); bis dahin gehörte das Saarland zum französischenZollgebiet und es galt dieFrankenwährung (100 Franken= 0,8507 DM). Der erbittertgeführte Wahlkampf um dasSaarstatut hinterließ noch aufJahre und Jahrzehnte Folge-schäden; so waren ganze Fa-milien zwischen Ja-Sagern undNein-Sagern auf Jahrzehntezerrissen und sprachen nichtmehr miteinander; Freund-schaften zerbrachen.

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■ Tafel 20 oben:Tafel 20 oben:Tafel 20 oben:Tafel 20 oben:Tafel 20 oben:

Der Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach obenDer Weg nach obenBei der Landtagswahl 1965 erreichte die SPD erstmals 40,7 Pro-zent der Stimmen, denn sie konnte sich in der Opposition deutli-cher profilieren als zuvor in der auf weitestgehende Übereinstim-mung angelegten Heimatbund-Koalition. Als eine Zäsur in der Par-teigeschichte kann der Landesparteitag 1970 gelten, bei dem sichFriedel Läpple als neuer Landesvorsitzender mit 153 : 146 Stim-men gegen Friedel Regitz durchsetzte. Durch diesen Generations-wechsel veränderte sich bei der Landtagswahl 1975, zu der dieSPD mit dem Spitzenkandidaten Friedel Läpple antrat, das Partei-ensystem auf Landesebene: Erstmals wurde ein Machtwechsel durcheine SPD/FDP-Koalition denkbar. Ein persönlicher Erfolg Läppleswar die Entscheidung des Bundeskabinetts am 30. Mai 1973 fürden Ausbau der Saar zur Großschifffahrtsstraße. Nachdem OskarLafontaine 1977 den Vorsitz der SPD Saar übernommen hatte,errang die SPD 1980 mit 45,4 % ihr bis dahin bestes Landtags-wahlergebnis, scheiterte aber an der Koalition zwischen CDU undFDP. Nun blieb der neuen Führungsmannschaft nur noch die Mög-lichkeit, zur Ablösung der konservativen Regierung eine eigeneabsolute Mehrheit anzustreben. Der lange Weg in die Staatskanz-lei wurde gefördert durch den gesellschaftlichen Wandel, die Auf-lösung der alten Milieus, die erhöhte Mobilität der Bevölkerung,verstärkten Einfluss der modernen Medien und vor allem das ge-schickte Aufgreifen von Themen, die die Menschen bewegten.

Friedel Läpple,der Vorsitzendeder SPD-Land-t ags f r ak t i onKurt Conrad,SPD- Landesge-schäftsführerPaul Grabe &Ministerpräsi-dent Franz-JosefRöder

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■ Tafel 20 Mitte:Tafel 20 Mitte:Tafel 20 Mitte:Tafel 20 Mitte:Tafel 20 Mitte:

Als ein Vierteljahr nach der Volksabstimmung über das Saarstatutder saarländische Landtag am 18. Oktober 1955 neu gewählt wur-de, wurde die CDU mit 25,4 % die stärkste Kraft und die CVPerreichte immerhin 21,8 %. Zweitstärkste Kraft im Landtag wurdedie aggressiv prodeutsche DPS, die mit der Volksabstimmung ei-gentlich bereits am Ziel ihrer politischen Wünsche war und sich1957, um nicht unterzugehen, als FDP-Landesverband neu for-mierte. Die sozialdemokratischen Stimmen teilten sich die DSP,die bald den Namen SPD-Landesverband Saar annahm (14,3 %),und die SPS, die auf 5,8 Prozent der Stimmen abstürzte. Die Kräf-teverhältnisse der beiden sozialdemokratischen Parteien an derSaar waren mit der Landtagswahl geklärt. Die führenden Personender SPS zogen sich wegen der wenig ehrenhaften Bedingungenzur Übernahme der SPS durch die SPD enttäuscht aus der Politikzurück und ebneten somit den Weg für eine zügige Vereinigungder Genossen in der SPD. Die SPS löste sich auf einem Parteitagam 18. März 1956 auf, ihre Mitglieder traten größtenteils der SPDbei. Zunächst im Rahmen der Heimatbund-Koalition aus CDU, DPSund SPD war die Saar-SPD von 1955 bis 1960 in wechselndenRegierungskoalitionen unter den CDU-Ministerpräsidenten Ney,Reinert und Röder vertreten. Die Wahlergebnisse der SPD steiger-ten sich von den bescheidenen Ansätzen 1955 kontinuierlich biszum Erreichen der absoluten Mehrheit und zur Übernahme ihrerAlleinregierung im Jahre 1985.

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■ Tafel 20 unten:Tafel 20 unten:Tafel 20 unten:Tafel 20 unten:Tafel 20 unten:

War die Politik der Saar-SPD in den 1960er Jahren weitgehenddurch eine Politik des Konsenses zwischen den Parteien geprägt,so änderten sich im Zeitraum zwischen 1967 und 1970 die Struk-turen und Machtverhältnisse. Von 1955 bis 1970 wurden die Parteiund die Landtagsfraktion von Kurt Conrad und seinem Stellvertre-ter Friedel Regitz geführt; die Fraktion dominierte offensichtlichdie Meinungsbildung in der SPD, der Flügelkämpfe fremd waren.Beim Streit um die geplante Privatisierung des Rundfunks tratendie Jungsozialisten 1967 erstmals an die Öffentlichkeit, indem siedas Verhalten einiger Abgeordneter während des Gesetzgebungs-verfahrens kritisierten. Beim Landesparteitag 1968 sprachen sichdie Jusos für eine Trennung von Amt und Mandat aus und empfah-len eine grundsätzliche Neuausrichtung der Parteiarbeit,insbesondere ein intensiveres Eingehen auf die Wünsche der Be-völkerung. Die SPD erkannte die Zeichen der Zeit und gewanndurch das Aufgreifen von Gedanken der Studenten-, Frauen- undder Friedensbewegung und anderer aktueller bundespolitischerThemen immer mehr Rückhalt unter der saarländischen Bevölke-rung.

Pfingsttreffen der Saar-SPD 1977: Parlamentarischer Staatssekretär Alwin Brück, Frie-del Läpple, Willy Brandt, Hajo Hoffmann, SPD-Landesgeschäftsführer Hans-JürgenPetersdorf und Heinz Grandmontagne

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■ Tafel 21 oben:Tafel 21 oben:Tafel 21 oben:Tafel 21 oben:Tafel 21 oben:

Die SPD an der RegierungDie SPD an der RegierungDie SPD an der RegierungDie SPD an der RegierungDie SPD an der Regierung(1985-1999)(1985-1999)(1985-1999)(1985-1999)(1985-1999)Die Lösung der Stahlkrise, die allen europäischen Standorten derSchwerindustrie durch Überproduktion und verstärkte Konkurrenzzu schaffen machte, wurde durch die Zentralisierung und Speziali-sierung der saarländischen Eisenhütten, unterstützt durch sozial-verträgliche Personalentlassungen und Frühpensionierungen, er-reicht. Im Grunde handelte es sich um eine regionale Strukturan-passungsmaßnahme im europäischen Rahmen, bei der das Saar-land 1986 mit Unterstützung der Gewerkschaften und Betriebsrätedie Mehrheit der Anteile des Stahlunternehmens ARBED Saarstahlübernahm. Zu den Schwerpunkten der Regierungsarbeit gehörteauch die Förderung des wirtschaftlichen Strukturwandels, der ge-prägt ist von einer Erhaltung eines konkurrenzfähigen Kerns anindustrieller Produktion hin zur Neuansiedlung vor allem kleinerund mittelständischer Unternehmen, die neue Produkte herstel-len, zur Förderung des Technologietransfers und zur weiteren Er-schließung europäischer Märkte. Ökologische Kriterien sollten stär-ker als bisher berücksichtigt werden, verschiedene Infrastruktur-maßnahmen (Autobahn A8, Saarbahn, Müllentsorgungsprojekte)wurden umgesetzt. Im Schulwesen konnten zur Verbesserung derChancengleichheit von Kindern aller sozialen Schichten die Ge-samtschulen als Regelschulen eingeführt werden.

Die 1986 in der Stahlkrise stillgelegte Völklinger Hütte ist heute ein beeindruckendesIndustriedenkmal und zählt zum Weltkulturerbe

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■ Tafel 21 Mitte:Tafel 21 Mitte:Tafel 21 Mitte:Tafel 21 Mitte:Tafel 21 Mitte:

Bei den Landtagswahlen am 10. März 1985 erreichte die SPD Saarerstmals die absolute Mehrheit (SPD 26 Sitze, CDU 20, FDP 5) undwar nun zur Regierungsbildung auf keinen Koalitionspartner an-gewiesen. Am 9. April 1985 wurde Oskar Lafontaine zum erstenSozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt.Dem ersten Kabinett Lafontaine gehörten folgende Minister an(siehe Abbildung): Arno Walter (Justiz), Diether Breitenbach (Kul-tus), Hans Kasper (Finanzen), Ottokar Hahn (Bundesangelegen-heiten), Ministerpräsident Oskar Lafontaine, Jo Leinen (Umwelt),Brunhilde Peter (Arbeit), Friedel Läpple (Inneres) und Hans-Joach-im Hoffmann (Wirtschaft). Reinhard Klimmt übernahm den Frakti-onsvorsitz im Landtag. Zu den erklärten Zielen der neuen Regie-rung gehörten die Reduzierung der auf 15 Prozent angestiegenenArbeitslosenzahlen, die Lösung der Stahlkrise, die Sanierung dermiserablen Haushaltslage des Landes und der Ausbau der Hoch-schullandschaft bzw. hochschulnaher Forschungsinstitute. Die Klageder Saarländischen Regierung gegen den Länderfinanzausgleichvor dem Bundesverfassungsgericht war 1992 insofern von Erfolggekrönt, als die Haushaltsnotlage des Landes anerkannt wurdeund damit mehr Ausgleichszahlungen und Schuldenerlasse derBanken erreicht wurden, was die finanziellen Nöte der Landesre-gierung eine Zeit lang entlastete. Dass die Bevölkerung die Erfol-ge der Landesregierung anerkannte, belegen die Ergebnisse dernachfolgenden Landtagswahlen 1990 und 1994, bei denen dieSPD wiederholt die absolute Mehrheit erreichte und mehr als 40000Mitglieder im Saarland hatte.

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■ Tafel 21 unten:Tafel 21 unten:Tafel 21 unten:Tafel 21 unten:Tafel 21 unten:

Oskar Lafontaine spielte als Ministerpräsident des Saarlandes aucheine zunehmend wichtige Rolle in der Bundespolitik. Er trat beider Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 - zwei Monate nachder deutschen Wiedervereinigung - als Kanzlerkandidat der SPDan und war von 1995 bis 1999 Vorsitzender der SPD auf Bundes-ebene. Nach der Bundestagswahl im September, bei der GerhardSchröder Bundeskanzler wurde, übernahm er am 27. Oktober 1998den Posten des Bundesministers der Finanzen und gab am 9.November 1998 sein Amt als Regierungschef des Saarlandes auf.Sein Nachfolger im Amt des saarländischen Ministerpräsidentenwurde sein langjähriger Weggefährte Reinhard Klimmt. Oskar La-fontaine legte am 11. März 1999 überraschend alle politischenÄmter nieder, die SPD-Saar verlor darauf hin die Landtagswahl am5. September 1999. Lafontaine äußerte sich in der Folgezeit kri-tisch zum Kurs der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schrö-der, bevor er 2005 sein SPD-Parteibuch zurückgab und in derPartei „Die Linke“ wichtige Funktionen übernahm.

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■ Tafel 22 oben:Tafel 22 oben:Tafel 22 oben:Tafel 22 oben:Tafel 22 oben:

Gesichter der Saar-SPDGesichter der Saar-SPDGesichter der Saar-SPDGesichter der Saar-SPDGesichter der Saar-SPDDie Vorsitzenden der SPD anDie Vorsitzenden der SPD anDie Vorsitzenden der SPD anDie Vorsitzenden der SPD anDie Vorsitzenden der SPD ander Saar von 1956 bis heuteder Saar von 1956 bis heuteder Saar von 1956 bis heuteder Saar von 1956 bis heuteder Saar von 1956 bis heute

Kurt Conrad,Kurt Conrad,Kurt Conrad,Kurt Conrad,Kurt Conrad, Vorsitzender der SPDSaar von 1952 bis 1970Geboren am 19. Oktober 1911 in Hom-burg, gest. 16. Juli 1982 in Homburg.

Conrad arbeitete nach einer Mecha-nikerlehre als Werkmeister, bis er1940 als Soldat eingezogen wurde.Nach seiner Rückkehr aus der Kriegs-gefangenschaft arbeitete er zunächstals Verwaltungsangestellter bei derStadtverwaltung Homburg, wo er bis1956 geschäftsführender Bürgermeis-ter war. Conrad gehört bereits von

1929 bis 1935 der SPD im Saargebiet an. Nach dem zweiten Welt-krieg trat er zunächst der SPS bei, wurde aber bereits 1952 Vorsit-zender der bis 1955 im Saarland verbotenen SPD und beteiligtesich auf der Seite der Heimatbundparteien (SPD, CDU und DPS)am Abstimmungskampf für das Referendum am 23. Oktober 1955.Von 1957 bis 1959 vertrat er den Wahlkreis Homburg im Deut-schen Bundestag und war gleichzeitig auch Mitglied des Europa-parlaments. Vom 10. Januar 1956 bis zum 13. Oktober 1957 warConrad Arbeitsminister und vom 26. Februar 1959 bis 17. Januar1961 Innenminister des Saarlandes.

Friedel Läpple,Friedel Läpple,Friedel Läpple,Friedel Läpple,Friedel Läpple, Vorsitzender der SPD Saar von 1970 bis 1977Geboren am 20. Juni 1938 in Schiffweiler.

Läpple arbeitete nach dem Studium an der Pädagogischen Hoch-schule Saarbrücken und der Universität Tübingen als Sonderschul-

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lehrer und Schulleiter. Er gehörte von1970 bis 1999 dem saarländischenLandtag an. Als Fraktionsvorsitzen-der (1973-1985), Vorsitzender dersaarländischen SPD (1970-1977) undMitglied des SPD-Bundesvorstandes(1973-1979) war Läpple bei der Land-tagswahl 1975 Spitzenkandidat sei-ner Partei, die aber trotz Stimmen-mehrheit der Opposition nicht dieabsolute Mehrheit der Sitze erreichenkonnte. Nach dem Regierungswech-sel an der Saar war Läpple von 1985

bis 1999 saarländischer Innenminister im Kabinett von Oskar La-fontaine. In zwei stark diskutierten politischen Streitschriften (Profitdurch Krankheit und Gesundheit ohne Ausbeutung) beschäftigteer sich in den Siebziger Jahren mit alternativen Modellen zur Re-form des bundesdeutschen Gesundheitswesens.

Oskar Lafontaine,Oskar Lafontaine,Oskar Lafontaine,Oskar Lafontaine,Oskar Lafontaine, Vorsitzender derSPD Saar von 1977 bis 1996Geboren am 16. September 1943 inSaarlouis-Roden.

Oskar Lafontaines politischer Schwer-punkt lag zunächst in der Kommu-nal- und Landespolitik. Von 1970 bis1975 gehörte er dem Landtag an. Inder Landeshauptstadt Saarbrückenwar Lafontaine von 1974 bis 1976zuerst Bürgermeister, dann als Nach-folger 1985 Oberbürgermeister. Beiseiner politischen Arbeit profitierte

er von seiner katholischen Erziehung und der Herkunft aus demArbeitermilieu, ein nicht für seine Partei, aber für das gesamteSaarland identitätsstiftender Hintergrund. Nachdem die SPD 1985die absolute Mehrheit errungen hatte, wurde Lafontaine am 9.April zum ersten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten desSaarlands gewählt. Die SPD konnte auch 1990 und 1994 ihre ab-

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solute Mehrheit verteidigen. Zu Lafontaines Erfolgen gehören dieVerringerung der Arbeitslosigkeit, die Lösung der Stahlkrise unddie Besserung der Landesfinanzen durch eine Teilentschuldung. Erprofilierte sich in dieser Zeit auch in der Friedensbewegung undals Vertreter eines ökologischen Sozialismus. Bei der Bundestags-wahl am 2. Dezember 1990 war er Kanzlerkandidat der SPD undvon 1995 bis 1999 Bundesvorsitzender der SPD. Nach der Bundes-tagswahl im September 1998 übernahm er unter Kanzler GerhardSchröder das Bundesministerium der Finanzen, legte aber im März1999 überraschend alle politischen Ämter nieder. 2005 verließ OskarLafontaine die SPD und trat der neugebildeten WahlalternativeArbeit und soziale Gerechtigkeit bei, die auf seine Initiative hinein Wahlbündnis mit der PDS einging, woraus nach zwei Jahrendie neue Partei Die Linke hervorging. Von 2005 bis 2009 warLafontaine zusammen mit Gregor Gysi Fraktionsvorsitzender derLinksfraktion im deutschen Bundestag, von 2007 bis 2009 einerder beiden Parteivorsitzenden. Seit 2009 leitet er die Fraktion derLinken im saarländischen Landtag, seit Mai 2012 ist er in dieserFunktion auch Oppositionsführer.

Reinhard Klimmt, Reinhard Klimmt, Reinhard Klimmt, Reinhard Klimmt, Reinhard Klimmt, Vorsitzender derSPD Saar von 1996 bis 2000Geboren am 16. August 1942 in Ber-lin.

Der in Osnabrück aufgewachseneReinhard Klimmt kam durch das Stu-dium der Geschichte ins Saarland,wo er 1964 der SPD beitrat und inden folgenden Jahren vielfältigeFunktionen übernahm, zunächst alsVorsitzender der saarländischenJungsozialisten (1970-1975). Seit1975 gehörte er dem saarländischen

Landtag an, wo der von 1985 bis 1998 als Vorsitzender die Land-tagsfraktion der mit absoluter Mehrheit regierenden SPD leitete.Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehörte die berufliche Bildung,die Medienpolitik und die grenzüberschreitende Zusammenarbeitmit Lothringen und Luxemburg. Als enger politischer Weggefährte

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Oskar Lafontaines war er von 1976 bis 1996 Vorsitzender der SPDSaarbrücken. 1996 wurde er Nachfolger Lafontaines als Landes-vorsitzender der saarländischen SPD. Von 1998 bis 1999 amtierteer als Ministerpräsident des Saarlandes und von 1999 bis 2000als Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Klimmtist darüber hinaus Autor und Kunstsammler.

Heiko Maas,Heiko Maas,Heiko Maas,Heiko Maas,Heiko Maas, Vorsitzender der SPDSaar von 2000 bis heuteGeboren am 19. September 1966 inSaarlouis.

Nach einem Jurastudium wurde er1992 Vorsitzender der Jusos. Von Mi-nisterpräsident Oskar Lafontainegefördert, erhielt er 1994 ein Land-tagsmandat und wurde 1996 Staats-sekretär im Ministerium für Umwelt,Energie und Verkehr, in dem er 1998zum jüngsten Minister Deutschlandsaufstieg. Nach langjähriger Arbeit alsOppositionsführer ist er seit 9. Mai

2012 saarländischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr undEnergie sowie stellvertretender Ministerpräsident.

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Zeittafel zur Geschichte der SPDZeittafel zur Geschichte der SPDZeittafel zur Geschichte der SPDZeittafel zur Geschichte der SPDZeittafel zur Geschichte der SPDan der Saaran der Saaran der Saaran der Saaran der Saar1832 - 1848 Auslandsvereine deutscher Handwerker und Intellektueller

1848 Kommunistisches Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels

1863 23. 05.: Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV);Ferdinand Lassalle wird dessen erster Präsident

1869 07. 08.: Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei(SDA) in Eisenach durch August Bebel und Wilhelm Liebknecht

1872 07./08.: Erste SDAP-Versammlungen in St. Johann zur Gründung vonGewerkschaften

1875 22. 05.: Zusammenschluss von ADAV und SDA zur Sozialistischen Arbeiter-partei (SAP)

1876 In St. Johann entsteht ein sozialdemokratischer Wahlverein

1877 01. 07.: „Freie Volkstimme“, erste sozialdemokratische Zeitung erscheint imSaarrevier

1877 04. 07.: Das „Sozialistengesetz der Saarindustrie“ wird beschlossen

1878 19. 10. bis 30. 09. 1890: „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebun-gen der Sozialdemokratie“ (Bismarcks Sozialistengesetz)

1889 14. 07.: Gründung der II. Internationale in Paris und Festlegung des 1. Maials Kampftag der internationalen Arbeiterbewegung für den Achtstundentag

1890 16./17. 11.: Gründungskongress der Generalkommission der Gewerkschaften

1891 19. 10.: Erfurter SPD-Programm verabschiedet

1893 21. 05.: Agitationskomitee für den Regierungsbezirk Trier in Saarbrückengegründet

1898 15. 05.: Sozialdemokratischer Wahlverein für das Saarrevier gegründet

1899 03. 10.: Der Ortsverein St. Ingbert wird als erster sozialdemokratischerVerein im bayerischen Saarrevier gegründet

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1899 Gründung eines Gewerkschaftskartells in St. Johann

1900 18. 02.: Gründung des Arbeitergesangvereins „Bruderbund“ in Saarbrücken

1903 16. 08.: Agitationskomitee für das preußische Saarrevier, die bayerischeSaarpfalz und den Wahlkreis Saargemünd mit Sitz in Saarbrücken gegründet

1903 15. 11.: Hans Böckler beginnt seine hauptamtliche Gewerkschaftskarriere imSaarrevier

1904 In Saarbrücken besteht ein „sozialdemokratischer Frauenbildungsverein“

1913 27. 04.: Erste „Sektion“ des Touristenvereins „Die Naturfreunde“ imSaarrevier in St. Ingbert

1914 04. 08.: Erste Bewilligung der Kriegskredite im Reichstag, auch durch dieSPD

1917 06. 04.: „Unabhängige SPD“ (USPD) als Abspaltung von der(Mehrheits-)SPD gegründet

1918 03. 11.: Beginn der „Novemberrevolution“ in Kiel mit der reichsweitenGründung von Arbeiter- und Soldatenräten, so auch in Saarbrücken unterFührung des SPD-Vorsitzenden Valentin Schäfer

1918 09. 11.: Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann ruft die „freie deutscheRepublik“ aus

1918 15. 11.: Stinnes-Legien-Abkommen

1918 30. 11.: Einführung des Frauenwahlrechts

1919 01. 01.: Gründung der KPD

1919 01. 01.: Sozialdemokratische Tageszeitung „Volksstimme“ wird jetzt inSaarbrücken gedruckt

1919 11. 02.: Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wird Reichspräsident

1919 Gründung der Unterbezirke Merzig, Ottweiler, Saarbrücken-Land, Saarlouisund St. Wendel

1919 SPD beginnt nach einem Parteitagsbeschluss reichsweit mit der „Betriebs-gruppenarbeit“

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1920 10. 01.: Versailler Friedensvertrag tritt in Kraft, Bildung des „Saargebietes“

1920 29. 04.: „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer“ (AsL) inSaarbrücken gegründet

1920 14. 08.: Saarbrücker SPD bildet Großstadtortsgruppe (= Unterbezirk)

1922 24. 09.: M(ehrheits)SPD und Teile der U(nabhängigen)SPD fusionierenzur V(ereinigten)SPD

1922 Im „Restkreis Wadern“ wird ein zum Unterbezirk Trier gehörender„SPD Kreis Wadern“ gegründet

1922 25. 06.: Erste Wahlen zum Landesrat des Saargebietes,die Saar-SPD erringt 6 Sitze

1923 01. 02.: Die pfälzischen Unterbezirke Homburg und St. Ingbert schließensich dem „Bezirk Saarbrücken“ an

1923 07. 09.: Erste bekannte Tagung der Jungsozialisten von der Saar imSPD-Parteibüro, Brauerstraße, in Saarbrücken

1924 In Saarbrücken-Land Gründung der Unterbezirke Obere Saar (06. 01.),Sulzbach (17. 01.), Völklingen (12. 01.)

1924 13. 02.: Die Arbeiterwohlfahrt Saar e. V. wird in Saarbrücken gegründet

1927 Im „oberen Illtal“ gründet die SPD einen „Unterbezirk Illingen“

1929 Max Braun wird Vorsitzender der Saar-SPD

1930 Gründung von 14 „Rote Falken“-Gruppen der „Arbeitsgemeinschaft derKinderfreunde“ im Saargebiet

1930 06. 04.: Unterbezirks-Parteitag Saargebiet gründet im „Ludwigspark“ ein„SPD-Frauenwerbekomitee“

1930 27. 07.: SPD Saargebiet gründet „Kommunalpolitische Vereinigung“,Max Braun wird Vorsitzender

1933 04. 05.: SPD-Vorstand beschließt als SOPADE ins Exil zu gehen,zuerst nach Saarbrücken, dann ab 2. Juni nach Prag

1933 22. 06.: SPD-Verbot im Deutschen Reich

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1933 12. 11.: Die Saar-SPD trennt sich als „Sozialdemokratische Landespartei desSaargebietes“ (SPdS) auf einem Parteitag von der SOPADE

1934 02. 07.: SPdS und KPD-Saar bilden „Einheitsfront gegen Rückgliederungdes Saargebietes an Nazi-Deutschland“

1935 13. 01.: Erste Saarabstimmung

1935 15. 01.: Verkündung des Ergebnisses: 90,4 % der Saarländer stimmen fürden Anschluss an Hitler-Deutschland

1935 01. 03.: Das Saargebiet kommt zu Hitler-Deutschland, Verbot der Saar-SPD

1935 - 1945: Hunderte von Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen aus demSaargebiet gingen ins Exil, leisteten in unterschiedlicher Form Widerstand,viele von Ihnen ließen im Freiheitskampf ihr Leben

1945 19. 04.: Wiedergründung der SPD in Hannover

1945 03.07.: Max Braun stirbt wenige Tage vor seiner Rückkehr ins Saarland inLondon

1945 21.10.: Im Sitzungsaal des Rathauses Völklingen wird die „SP, Bezirk Saar“(wieder-)gegründet

1946 21. 04.: Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED in der sowjetischenBesatzungszone (SBZ = später DDR)

1946 27. 04.: Wiedergründung der „Falken“ in Saarbrücken

1946 09. 05.: Kurt Schumacher wird SPD-Vorsitzender in den drei Westzonen

1946 22. 06.: Die „Volksstimme“ erscheint wieder, gedruckt in Saarbrücken

1946 30. 06.: Richard Kirn wird Vorsitzender der „Sozialdemokratischen Partei,Bezirk Saargebiet“ (SPS)

1947 Die SPS trennt sich von der (westdeutschen) SPD

1947 05. 10.: Wahlen zur „Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes“,die SPS bekommt 17 Sitze

1949 Kurt Schumacher wird SPD-Kanzlerkandidat

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1952 Abspaltung der (prodeutschen) „Deutschen sozialdemokratischen Partei“(DSP) von der SPS. Die DSP wird nicht zugelassen, arbeitet illegal,Kurt Conrad wird Vorsitzender

1955 Zulassung der „Deutschen sozialdemokratischen Partei“ (DSP),Conrad bleibt Vorsitzender

1955 10. 08.: DSP gibt die Tageszeitung „Saarbrücker Allgemeine Zeitung“ (AZ)in Dudweiler heraus

1955 23. 10.: Zweite Saarabstimmung, 67,7 % stimmen mit NEIN, damit gegendas Saarstatut

1955 19. 11.: Die DSP nennt sich „SPD Landesverband Saar“, Kurt Conrad bleibtVorsitzender

1956 18. 03.: Die SPS löst sich in der Festhalle in Sulzbach auf einema. o. Landesparteitag auf

1956 30. 04.:“Volksstimme“ und „AZ“ fusionieren zur „Saarbrücker AllgemeineZeitung“ (AZ)

1959 15. 11.: SPD verabschiedet das Godesberger Programm

1964 15. 02.: Willy Brandt wird Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat

1966 01. 12.: Große Koalition in Bonn, erste Regierungsverantwortung der SPDnach 1945 im Bund

1967 17. 03.: Die Unterbezirke Obere Saar, Sulzbach und Völklingen bildenwieder den Unterbezirk Saarbrücken-Land

1967 15. 04.: Friedel Läpple wird Juso-Landesvorsitzender

1967 27. 04.: Die „Saarbrücker Allgemeine Zeitung“ (AZ) wird eingestellt

1969 21. 10.: Willy Brandt wird zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzlergewählt

1970 11. 10.: Friedel Läpple wird SPD-Landesvorsitzender,

1970 15. 11.: Reinhard Klimmt wird Juso-Landesvorsitzender

1972 14. 12.: Willy Brandt wird als Bundeskanzler wiedergewählt

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1973 31. 10.: „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Ärzte und Apotheker“(AsÄ - heute ASG) im Saarland gegründet

1974 01. 01.: Die Gebiets- und Verwaltungsreform im Saarland tritt in Kraft

1974 Der SPD-Landesvorstand beschließt die Gründung derSPD-Gemeindeverbände

1974 06. 05.: Willy Brandt tritt als Bundeskanzler zurück, Helmut Schmidt wirdam 16. Mai Bundeskanzler

1974 11. 06.: Die Unterbezirke Homburg und St. Ingbert fusionieren zum neuenUnterbezirk Saarpfalz

1977 10. 09.: Oskar Lafontaine wird SPD-Landesvorsitzender

1980 Die SPD-Saar wird stärkste Partei im Landtag und stellt ab 21. Mai denLandtagspräsidenten

1982 01. 10.: Bruch der SPD-FDP-Koalition in Bonn und Sturz vonBundeskanzler Helmut Schmidt

1983 Hans-Jochen Vogel wird Kanzlerkandidat

1985 SPD gewinnt die Landtagswahl, Oskar Lafontaine wird am 9. AprilMinisterpräsident

1987 Hans-Jochen Vogel wird SPD-Parteivorsitzender

1988 30. 08.: Einführung der Frauenquote in der SPD

1989 Gründung der Sozialdemokratischen Partei (SDP) in der DDR

1990 Oskar Lafontaine wird erneut Ministerpräsident

1990 Oskar Lafontaine wird SPD-Kanzlerkandidat

1991 Björn Engholm wird SPD-Parteivorsitzender

1993 Rudolf Scharping wird SPD-Parteivorsitzender

1994 Rudolf Scharping wird SPD-Kanzlerkandidat

1994 SPD gewinnt erneut die Landtagswahl im Saarland, Lafontaine bleibtMinisterpräsident

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1995 Oskar Lafontaine wird SPD-Parteivorsitzender

1996 21. 06.: Reinhard Klimmt wird SPD-Landesvorsitzender

1998 Die SPD gewinnt die Bundestagswahl, Gerhard Schröder wird Bundeskanzler

1998 Oskar Lafontaine wird Bundesfinanzminister

1998 09. 11.: Reinhard Klimmt wird Ministerpräsident des Saarlandes

1999 11. 03.: Lafontaine tritt überraschend als Bundesfinanzminister,Bundestagsabgeordneter und SPD-Parteivorsitzender zurück

1999 Die SPD verliert die Kommunalwahlen und die Landtagswahl im Saarland

1999 29. 09.: Reinhard Klimmt wird Bundesverkehrsminister

2000 15. 11.: Reinhard Klimmt tritt als Bundesverkehrsminister undam 20. Dezember als Landesvorsitzenden zurück

2000 20. 12.: Heiko Maas wird SPD-Landesvorsitzender

2012 CDU und SPD bilden im Saarland nach vorgezogenen Neuwahleneine große Koalition

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AbbildungsnachweisAbbildungsnachweisAbbildungsnachweisAbbildungsnachweisAbbildungsnachweis

Broschüre:Abbildungen auf den Seiten 13 bis 16 und 18 bis 39: Sammlung von RudolfStrumm, Saarbrücken-Altenkessel.Abbildung auf Seite 17: Landesarchiv Saarbrücken, Nachlass Bruch, Nummer 146.

Tafel 0Flugblatt „Die Kandidaten“, aus: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD) Bonn 6/FLBL 004618.Flugblatt „Bundeskanzler“, aus: AdsD 6/FLBL 001247 (Rechteinhaber Herr HarryWalter, Konsul a. D., Neuss).

Tafel 1Abb. oben: Traditionsfahne, aus: AdsD FA065639.Abb. Mitte: AdsD 6/FATB 002570; Abb. unten, aus: AdsD 6/PLKA 026866.

Tafel 2Abb. oben: Stadtarchiv Saarbrücken, AK 2907.

Tafel 3Abb. oben: AdsD.Abb. unten: Landesarchiv Saarbrücken (LA SB)BHV 593.

Tafel 4Abb. oben, aus: Archiv für soziale Bewegungen im Haus der Geschichte desRuhrgebiets an der Ruhruniversität Bochum.Abb. unten: Archiv des Internationaal Institut voor Sociale Geschiedenis,Amsterdam.

Tafel 5Abb. Mitte: LAS B163/ 5G.

Tafel 6Abb. oben: AdsD 6/FOTA 047290; Abb. Mitte, aus: LAS.Abb. unten: Landesarchiv Saarbrücken, B HV 42S.

Tafel 7Abb. Mitte, aus: AdsD KA014126.

Tafel 8Abb. oben: Wolfgang JÄGER und Klaus TENFELDE, Bildgeschichte der deutschenArbeiterbewegung, München 1989, S. 90.Abb. Mitte: Hans-Joachim KÜHN, Beckingen-DüppenweilerAbb. unten: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT

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(Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955,Bonn 31995, S. 100.

Tafel 9Abb. oben: Ludwig LINSMAYER, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932, Symboli-sche Politik, verhinderte Demokratisierung, nationales Kulturleben in einer abge-trennten Region, Saarland-Bibliothek, Band 2, St. Ingbert 1992, S. 203.Abb. Mitte: Jürgen HANNIG (Hg.), Die Saarregion, Zeugnisse ihrer Geschichte, Quellen-leseheft zur Regionalgeschichte, Frankfurt am Main 1995, S. 83, Quelle 60.Abb. unten: Gerhard PAUL, Max Braun. Eine politische Biographie, St. Ingbert 1987,S. 90.

Tafel 10Abb. oben: Hans Joachim TEICHLER und Gerhard HAUK (Hg.), Illustrierte Geschichte desArbeitersports, Bonn 1987, S. 27.Abb. Mitte: Aufmarsch der Arbeitersportler zum fünfjährigen Stiftungsfest inLimbach am 30. Juli 1932 mit dem Spielmannszug des „Freien Turn- und Sportver-eins“ Homburg, aus: Gerhard PAUL, „Mach dich frei!“ Die Arbeiterkulturbewegungder Saargebietszeit, in: Klaus Michael MALLMANN / Gerhard PAUL / Ralph SCHOCK /Reinhard KLIMMT (Hg.) Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen insSaarrevier 1815 - 1955, Bonn 31995, S. 98 - 102, hier: S. 99.Abb. unten: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel.

Tafel 11Abb. oben rechts: Das Haus der Arbeiterwohlfahrt in Saarbrücken, in Festschrift zurEinweihung des Hauses der Arbeiterwohlfahrt in Saarbrücken, 1930, S. 24Abb. oben links: 80 Jahre Arbeiterwohlfahrt Altenwald-Schnappach, Festschrift,Sulzbach 2005, S. 26 und 31.Abb. Mitte: Die Ortsvereine der Arbeiterwohlfahrt 1927, aus: Unterbezirks-Parteitagam 4. und 5. Februar 1928 zu Saarbrücken im Stadtpark Ludwigsberg, in: RudolfSTRUMM (Hg.), Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Kleine Chronik der Arbeiter-wohlfahrt im Saarland für die Jahre 1924 bis 2012, Saarbrücken 2012, S. 6 (ohneSeitenzählung) und in: 80 Jahre Arbeiterwohlfahrt Altenwald-Schnappach, Fest-schrift, Sulzbach 2005, S. 22.Abb. unten: Arbeiterwohlfahrt Saar 1924-1974, Eine Darstellung der Aufgaben undArbeit gestern und heute, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Saar e.V., Saarbrücken1974, S. 44.

Tafel 12Alle Abbildungen privat, Rechteinhaber unbekannt.

Tafel 13Abb. oben rechts, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, NL: M1298-27.Abb. oben links, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand AF: AF 1794 (NachlassSchuler).

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Abb. unten, aus: AdsD 6/FOTA 007074; Abb. Mitte, aus: Privat, Egon Gross, Lebach.

Tafel 14Abb. Mitte, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand AF: AF 1676a (Nachlass Schuler).Abb. unten: Luise Schiffgens, Heinrich Wacker, aus: Archiv Landtag des Saarlandes;Max Bock, aus: AdsD FA 031363.

Tafel 15Abb. oben: Hans-Joachim KÜHN, „Freiheit, Brot Gerechtigkeit!“ Die Arbeiterbewegungan der Saar, Katalog zur Ausstellung der Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken2007, S. 87.Abb. Mitte: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT

(Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955,Bonn 31995, S. 191.Abb. unten: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT

(Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955,Bonn 31995, S. 165.

Tafel 16Abb. oben rechts: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel.Abb. oben links: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel.Abb. Mitte: Gerhard PAUL, Klaus-Michael MALLMANN, Milieus und Widerstand, eineVerhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus, Widerstand undVerweigerung im Saarland 1935-1945, Band 3, Bonn 1995, Abb. 24 (nach S. 320).Abb. unten: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel.

Tafel 17Abb. oben: Hans-Joachim Kühn, Beckingen-Düppenweiler.Abb. Mitte: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einervergangenen Welt, Images d’un monde passé, Echolot. Historische Beiträge desLandesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 44.Abb. unten: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bildereiner vergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträgedes Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 356.

Tafel 18Abb. oben: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einervergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge desLandesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 312.Abb. Mitte: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD) Bonn(Rechteinhaber Herr Harry Walter, Konsul a.D., Neuss).Abb. unten: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bildereiner vergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträgedes Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 267.

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Tafel 19Abb. oben: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT

(Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955,Bonn 31995, S. 259.Abb. Mitte: Ludwig LINSMAYER, Die Geburt des Saarlandes, Zur Dramaturgie einesSonderweges, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarrücken, Band 3,Saarbrücken 2006, S. 186.Abb. unten: 10-, 20- 50- und 100-Saarfranken-Münzen 1954; Briefmarke SammlungHans-Joachim KÜHN.

Tafel 20Abb. oben: Friedel Läpple im Gespräch mit seinem Vorgänger im Amt des Landes-vorsitzenden der SPD Saar, Kurt Conrad, Landesgeschäftsführer Paul Grabe undMinisterpräsident Dr. Franz-Josef Röder im saarländischen Landtag (Oktober 1970),Foto: F. Hartung, in: Franz-Rudolph KRONENBERGER, Herbert MANDELARTZ und Bernd RAULS

(Hg.), Friedel Läpple. Politiker, Saarländer, Demokrat, 15 Jahre Innenminister imSaarland, St. Ingbert 1999, Abb. 7, nach S. 198.Abb. Mitte: Grafik Bernd Rauls.Abb. unten: Pfingsttreffen der SPD-Saar 1977: Parlamentarischer StaatssekretärAlwin Brück, Friedel Läpple, Willy Brandt, Hajo Hoffmann, SPD-Landes-geschäftsführer Hans-Jürgen Petersdorf sowie Heinz Grandmontagne, Foto: W.Wunderlich, in: Franz-Rudolph KRONENBERGER, Herbert MANDELARTZ und Bernd RAULS

(Hg.), Friedel Läpple. Politiker, Saarländer, Demokrat, 15 Jahre Innenminister imSaarland, St. Ingbert 1999, Abb. 15, nach Seite 198.

Tafel 21Abb. Mitte: Friedel LÄPPLE, Glücksmomente. Eine Autobiographie, St. Ingbert, 2009,S.214.Abb. unten: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD)Bonn.

Tafel 22Abb. 1 - 5: Archiv des Landtags des Saarlandes.

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Literatur in AuswahlLiteratur in AuswahlLiteratur in AuswahlLiteratur in AuswahlLiteratur in Auswahl

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Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L ‚Etat Sarrois, Bilder einer vergangenenWelt, Images d‘ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des LandesarchivsSaarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005.

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Ludwig LINSMAYER, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932, Symbolische Politik, ver-hinderte Demokratisierung, nationales Kulturleben in einer abgetrennten Region, Saar-land-Bibliothek, Band 2, St. Ingbert 1992.

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Ludwig LINSMAYER Die Geburt des Saarlandes, Zur Dramaturgie eines Sonderweges,Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarrücken, Band 3, Saarbrücken2006.

Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT (Hg.), Richtigdaheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 31995.

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Gerhard PAUL, Max Braun. Eine politische Biographie, St. Ingbert 1987.

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Bernd RAULS, Die SPD im Saarland. Struktur und innerparteiliche Entwicklung 1955-1985, Hausarbeit zur Erlangung des Grades Magister Artium im Fach Politikwissenschaftder Universität Trier, Trier 1989.

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