Substitution von Methadon, L-Polamidon und Bu- prenorphin ... · Facharbeit zum Thema Substitution...

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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Substitution von Methadon, L-Polamidon und Bu- prenorphin in der Schwangerschaft und Auswir- kungen auf das Neugeborene verfasst von Carmen Martinetz und Elke Terhaer Münster, den 5.4.2005 Carmen Martinetz Schillerstrasse 33 45894 Gelsenkirchen Elke Terhaer Rüpingstrasse 16 48151 Münster

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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesi e und Pflege in der Onkologie

Substitution von Methadon, L-Polamidon und Bu-

prenorphin in der Schwangerschaft und Auswir-

kungen auf das Neugeborene

verfasst von Carmen Martinetz

und

Elke Terhaer

Münster, den 5.4.2005

Carmen Martinetz Schillerstrasse 33

45894 Gelsenkirchen

Elke Terhaer Rüpingstrasse 16 48151 Münster

_____________________________________________________________________________________ Facharbeit zum Thema Substitution von Methadon, L-Polamidon und Buprenorphin in der Schwangerschaft und Auswirkungen auf das Neugeborene Carmen Martinetz, Elke Terhaer – Gelsenkirchen/Münster im April 2005 _____________________________________________________________________________________

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Inhalt

1. Vorwort

2. Zusammenfassung

3. Einleitung

4. Substitutionsmedikamente in der

Schwangerschaft

4.1 (Levo)-Methadon (in L-Polamidon® Lösung

zur Substitution, Methadon Rezeptur)

4.1.1 Allgemeines/Historisches

4.1.2 Wirkungsmechanismus/Wirkung

auf den Menschen

4.1.3 Vorteile von Methadon gegenüber Heroin und

anderen Opioiden

4.1.4 Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

4.1.5 Einstellung auf Levo/Methadon

4.2 Buprenorphin (Subutex®)

4.2.1 Allgemeines

4.2.2 Wirkungsmechanismus/Wirkung

auf den Menschen

4.2.3 Nebenwirkungen/Wechselwirkungen von

Buprenorphin

4.2.4 Einstellung auf Buprenorphin

5. Beikonsum

6. Kooperation

6.1. Grundsätzliches für alle Helfer

6.2 Unterschiedliche Beratungsmöglichkeiten

6.3 Psychosoziale Betreuung

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6.4 Gynäkologische Betreuung

6.5 Hebammenbetreuung

6.6 Die Entbindungsklinik

7. Die Entbindung

7.1 Schmerztherapie unter der Entbindung

8. Substitutionstherapie nach der Entbindung

9. Entzug bei Neugeborenen

9.1 Die Kinder

9.2 Die Therapie

9.3 Die Pflege

10. Nachbetreuung des Kindes

10.1 Kinderarzt

10.2 Sucht und Kinderschutz

10.2.1 Kurz- und Bereitschaftspflege § 33 KJHG

10.2.2 Unterbringung der Kinder in einer Einrichtu ng

oder sonstigen betreuten Wohnform § 34

KJHG

10.2.3 Familienhilfe § 31 KJHG

10.2.4 Dauerpflegestelle § 33 KJHG

10.2.5 Einsatz therapeutischer Hilfen § 27 Abs. 3

KJHG

10.2.6 Begleiteter Umgang § 18 KJHG

10.2.7 Inobhutnahme § 42 KJHG

11. Schlusswort

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1. Vorwort

Wir sind zu unserem Thema gekommen, da bei uns auf den Stationen

des Öfteren Kinder liegen, die unter den Folgen des Drogenkonsums

ihrer Mütter leiden. Die daraus entstehenden Konflikte sind vielfältig und

oft verunsichernd. Nachdem wir die Informationssammlung, Interviews

und die verschiedenen Arten der Substitutionsmedikamente zusammen

erarbeitet haben, hat sich Elke Terhaer mit der umfassenden Versor-

gung und Pflege des Neugeborenen und der Mutter während des Kli-

nikaufenthaltes und der Neugeborenenentzugssymptomatik befasst,

während sich Carmen Martinetz mit dem Kooperationsnetzwerk von der

Schwangerschaft bis zur familiären Betreuung auseinander setzte.

Unser Dank gilt besonders:

- dem über Münster hinaus bekannten Dr.med.Th. Poehlke (Psy-

chiater und Substitutionsarzt),der uns durch die Bereitstellung

von Informationsmaterialien und einem Interview sehr hilfreich

zur Seite stand

- Herrn R. Kirschbaum (Facharzt für Allgemeinmedizin in Gelsen-

kirchen, Amtsarzt), der uns mit einem Interview über das Substi-

tutionsprogramm in Gelsenkirchen einen neuen Blickwinkel er-

öffnete

- Herrn M. Boeckh, der uns bei der schriftlichen Ausarbeitung und

Textformatierung behilflich war

- Und unseren Freunden und Arbeitskollegen, die uns durch Dis-

kussionen immer wieder Anlass gaben, dieses Thema neu zu

überdenken

- Den diskussionsfreudigen Teilnehmern der Fachtagung in Dort-

mund über „Drogenabhängigkeit und Schwangerschaft/ Eltern-

schaft“ im Februar 2005

Münster, 26. April 2005 Elke Terhaer und Carmen Martinetz

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2. Zusammenfassung

Diese Facharbeit versucht die komplexen Zusammenhänge der Substi-

tutionstherapie in der Schwangerschaft und deren Folgen aufzuzeigen

und stellt die aktuellen therapeutischen Möglichkeiten für Kind und Mut-

ter dar.

Angesprochen werden die verschiedenen Substitutionsmedikamente,

Kooperationsnetzwerke, die Schwangerschaftsbetreuung während der

Substitution, die familiäre Betreuung vor, während und nach dem Kli-

nikaufenthalt im Rahmen der Substitutionstherapie und deren Auswir-

kung auf die Familie und das Kind.

3. Einleitung

Lange hatte man sie einfach vergessen. Oder wollte sie nicht sehen -

die Kinder von Drogenabhängigen. Als Drogenabhängiger lebt man

häufig auf der Straße, ist kriminell, ist aus Sicht der Gesellschaft selber

Schuld an seiner Situation und wird entsprechend gemieden. Der Um-

gang mit Drogenabhängigen und in unserem Fall vorwiegend substitu-

ierter Patienten ist entsprechend hoch mit Vorurteilen belastet.

Unsere Facharbeit soll dazu anregen, einen anderen Blickwinkel für

diese Menschen zu bekommen um bewusster und vorurteilsfreier mit

der Erkrankung „Drogensucht“ umgehen zu können.

Denn dieses Thema betrifft nicht nur die Eltern dieser Kinder sondern

vor allem die Kinder selbst und macht deutlich, welches Ausmaß die

Betreuung solcher Kinder annehmen kann.

4. Substitutionsmedikamente in der Schwangerschaft

Bei der Anwendung eines Arzneimittels in der Schwangerschaft und

Stillzeit gelten zusätzlich ganz besonders strenge Vorsichtsmassnah-

men. In die Nutzen-Risiko-Abwägung gehen deshalb nicht nur das

Wohl der werdenden Mutter sondern in ganz besonderem Maße auch

das des Kindes ein. Da für die wenigsten Arzneimittel ausreichende

Erfahrungen mit Schwangeren und stillenden Müttern vorliegen, ist bei

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den meisten Arzneimitteln eine so genannte „eingeschränkte“ Kontrain-

dikation vorgesehen. Damit liegt die Entscheidung über eine Anwen-

dung beim behandelnden Arzt, der für jeden Einzelfall eine gesonderte

Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen muss.

Das besondere Problem dieser Abwägung ergibt sich aus dem Konflikt

zwischen dem Interesse, trotz der Gabe von Arzneimitteln die Schwan-

gerschaft zu einem guten Ende zu führen und dem Anspruch, dass dem

Kind dabei möglichst wenig Schaden zugefügt wird.

Für die Substitutionsbehandlung bei Schwangeren kann Levomethadon

(der Wirkstoff in L-Polamidon® Lösung zur Substitution bzw. der wirk-

same Bestandteil in D-/L-Methadon-Rezepturen) oder Buprenorphin

(Subutex®) eingesetzt werden. [2, S.18]

4.1 (Levo) - Methadon (in L-Polamidon® Lösung zur

Substitution, Methadon Rezeptur)

4.1.1 Allgemeines/Historisches

Methadon ist in Deutschland wohl das bekannteste Substitutionsmittel.

Es ist ein vollsynthetisches Opioid, dessen analgetische Wirkung 1945

von Otto Schaumann entdeckt wurde. Hergestellt wurde die Substanz

bereits 1941 von den Wissenschaftlern Bockmühl und Ehrhart, die im

Rahmen eines Forschungsprogramms schmerzlindernde und gleichzei-

tig krampflösende Substanzen entwickelten. Es erwies sich, dass Me-

thadon eine gute schmerzlindernde Wirkung besitzt, aber nur geringfü-

gig krampflösend wirkt.

Die Firma Hoechst brachte 1965 das Fertigarzneimittel L-Polamidon ®

auf den Markt. Für die Behandlung von Drogen-Abhängigen ist das

Arzneimittel L-Polamidon® Lösung zur Substitution zugelassen. An-

sonsten ist L-Polamidon® in Form von Tropfen oder Injektionslösungen

auch für die Behandlung von starken Schmerzen auf dem Markt.

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Zwischenzeitlich wurde Methadon durch das Betäubungsmittelgesetz in

Deutschland verboten. Seit 1998 ist Methadon jedoch wieder verschrei-

bungsfähig und mittlerweile auch wieder als Fertigarzneimittel, Methad-

dict ® Tabletten verfügbar. Die methadonhaltigen Tabletten werden in

Saft, beispielsweise Orangensaft, aufgelöst. Zusätzlich ist Methadon ®

als Rezeptursubstanz auf dem Markt, wodurch die Möglichkeit besteht,

in Apotheken nach Vorlage eines entsprechenden Betäubungsmittelre-

zeptes, methadonhaltige Rezepturen, herzustellen. Der Vorteil der Re-

zeptur liegt in einer individuellen, auf den einzelnen Konsumenten ab-

gestimmten Dosierung.

4.1.2 Wirkungsmechanismus/Wirkung auf den Menschen

Methadon bindet sich an die Opioidrezeptoren und löst damit ähnliche

Wirkungen aus wie Morphin und Heroin. Heroin wird nach der Injektion

in die Blutbahn aufgrund seiner hohen Lipophilie schnell ins Gehirn auf-

genommen. Dort wird Heroin zu Morphin abgebaut. Durch das hohe

Anfluten der Substanz im Gehirn wird der typische Heroinkick ausge-

löst.

Methadon besteht zu gleichen Teilen aus so genannten „links- und

rechts- drehenden Wirkstoffanteilen“, wobei nur die linksdrehenden ak-

tiv und wirksam sind, die rechtsdrehenden dagegen nicht.

Zu den Wirkungen von Methadon gehört die Analgesie, die im Vergleich

zu Morphin viermal stärker ausgeprägt ist. Wie bei Morphin besteht bei

Methadon ebenfalls eine euphorisierende Wirkung. Diese ist aber im

Vergleich zu Heroin wesentlich geringer, da Methadon nur langsam in

das Gehirn übergeht. Der Abhängige erlebt daher bei der Einnahme

von Methadon auch nicht den typischen „Heroinkick“.

4.1.3 Die Vorteile von Methadon gegenüber Heroin un d anderen

Opioiden

Methadon ist oral gut wirksam und damit für eine Gabe als Lösung oder

in Form von Tabletten geeignet. Die Lösung oder die aufgelösten Ta-

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bletten werden meist einem Saft beigemischt. Durch die rein orale Ver-

abreichung wird die Injektion des Medikaments, die bei dieser speziel-

len Nutzergruppe stets ein hohes Infektionsrisiko z.B. mit HIV oder He-

patitis mit sich bringt, von vornherein ausgeschlossen.

Der Wirkungseintritt von oral aufgenommenem Methadon liegt bei ca.

einer halben Stunde, das Maximum der Wirkung tritt nach etwa vier

Stunden ein. Die Wirkung kann bis ca. 24 Stunden anhalten. Damit wird

der Abhängige stabilisiert und ist in der Lage, einem geregelten Tages-

ablauf nachzugehen. Somit haben mit Methadon substituierte Abhängi-

gen eine gute Chance zur Distanzierung von der Drogenszene und den

damit verbundenen Begleiterscheinungen wie Prostitution und Beschaf-

fungskriminalität.

4.1.4 Neben- und Wechselwirkungen

Bei den Nebenwirkungen kann es sich um Sedierung, Verwirrtheit,

Schlaflosigkeit und vermehrtes Schwitzen handeln. Weitere Wirkungen

sind Bradykardie und antitussive Wirkung. Außerdem tritt eine Atemde-

pression auf. Ferner treten Mundtrockenheit und Beschwerden im Ma-

gen-Darm-Bereich auf, wie Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Viele

Patienten leiden unter einer nachlassenden Libido und Potenzstörun-

gen. Allgemein ist aber zu beobachten, dass Methadon bzw. Levo-

methadon von den meisten Abhängigen relativ gut vertragen wird und

dass die Substanz selbst bei längerer Einnahme im allgemeinen zu kei-

nen nennenswerten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt.

Bei einer Substitution mit Methadon bzw. Levomethadon ist die zusätz-

liche Einnahme anderer Opioide unbedingt zu vermeiden, da sich die

Wirkungen der eingenommenen Opioide addieren und eine gefährliche

Atemdepression auftreten kann. Arzneimittel, die auf das zentrale Ner-

vensystem eine dämpfende Wirkung ausüben, wie Barbiturate und

Benzodiazepine, sind auf Grund der verstärkten atemdepressiven Wir-

kung ebenfalls zu meiden. Auch die antidepressiv wirkenden Monoami-

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noxidasehemmer (MAO-Hemmer) sind bei einer Methadonsubstitution

kontraindiziert. [2, 8]

4.1.5 Einstellung auf Levo/Methadon

Die Umstellung von Heroin auf (Levo)-Methadon ist laut Fachliteratur

seit vielen Jahren in der Praxis erprobt und unproblematisch. Es wur-

den keine Risiken für die Schwangerschaft oder das Ungeborene be-

schrieben. Von Fachleuten wird vermutet, dass Wachstumsstörungen,

Störungen der Plazentadurchblutung und postnatale Entwicklungsstö-

rungen Folge der Einnahme anderer Drogen (so genannter Beikonsum)

bzw. Nikotin sind.

Jedoch entsteht durch den Drogenkonsum der Mütter während der

Schwangerschaft bei dem Neugeborenen ein Entzugssyndrom (NAS).

Bei der Substitution in der Schwangerschaft muss daher berücksichtigt

werden, dass bei der Gabe durch Methadonrazemat durch den Zusatz

von D-Methadon (Mischung aus Levomethadon und den chemischen

Spiegelbild Dextromethadon) die doppelte Substanzmenge von der Le-

ber abgebaut werden muss und dass andere unwirksame Bestandteile

weitere Nebenwirkungen verursachen. In der Schwangerschaft sollte

diese unnötige Substanzbelastung aber vermieden werden, da die un-

reife Leber des Neugeborenen einer zusätzlichen, vermeidbaren Stoff-

wechselbelastung ausgesetzt wird. Für diese Fälle steht mit der L-

Polamidonlösung (Levomethadonhydrochlorid) ein Präparat ohne Zu-

satz von D-Methadon zur Verfügung.

Viele der schwangeren Patientinnen sind politoxikoman (Einnahme ver-

schiedener Drogen gleichzeitig) und in fast allen Fällen besteht ein Ni-

kotinabusus oder regelmäßiger Alkoholkonsum. Um die Risiken für die

Schwangerschaft und das Kind zu minimieren sollte daher möglichst

früh eine Umstellung auf Levo/Methadon durchgeführt werden. Der

Schwangeren muss darüber hinaus immer wieder klar gemacht werden,

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dass Nikotin, Alkohol sowie der Beikonsum anderer Drogen das Kind

schädigen können.

Eine Einstellung auf Methadon erfolgt unter Aufsicht eines Arztes, der

Erfahrungen in der Behandlung Drogenabhängiger besitzt. Die Dosie-

rung orientiert sich am Auftreten von Entzugssymptomen und muss für

jeden Patienten entsprechend seiner jeweiligen individuellen Situation

und seinem subjektiven Empfinden eingestellt werden. Generell gilt,

dass nach Einstellung der Dosis die niedrigst mögliche Erhaltungsdosis

anzustreben ist.

Dosierung: -Polamidon: 5mg Substanz, davon wirksam sind 5 mg

-Methadon:10 mg Substanz, davon wirksam sind 5 mg

[2, 3]

4.2 Buprenorphin (Subutex®)

4.2.1 Allgemeines Buprenorphin ist in Deutschland zur Zeit das neueste Substitutionsmit-

tel und wird seit Februar 2000 verwendet. Der Wirkstoff ist jedoch seit

30 Jahren als Schmerzmittel unter dem Namen „Temgesic“ bekannt.

Buprenorphin ist unter dem Handelsnamen Subutex® als Sublingual-

tablette erhältlich.

4.2.2 Wirkungsmechanismus/Wirkung auf den Menschen

Buprenorphin wirkt partiell als Agonist/Antagonist der Opioidrezeptoren

und ist somit weniger stark wirksam als ein voller µ-Rezeptoragonist wie

z.B. Methadon.

Es sollte daher insbesondere für die erste Substitutionstherapie von

Opioid-Abhängigen mit kürzerer Dauer der Suchterkrankung und weni-

ger verfestigten Suchterkrankungen eingesetzt werden.Buprenorphin

hat eine leichte antidepressive Wirkung und wirkt nicht sedierend. Der

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dadurch entstehende „klare Kopf“ könnte jedoch eine „unerwünschte

Wirkung“ für die Patientinnen sein.

4.2.3 Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Bupre norphin

Bei Patienten mit vorbestehender Beeinträchtigung der Atemfunktion,

bei Niereninsuffizienz, bei Leberinsuffizienz und bei Herzrhythmusstö-

rungen darf Buprenorphin nicht bzw. nur unter bestimmten Vorsichts-

maßnahmen angewendet werden. Es kann zu Schlaflosigkeit sowie

körperlicher Schwäche führen. Die Wechselwirkungen ähneln denen

von Methadon.

In der Schwangerschaft liegen bisher keine hinreichenden Daten für

eine Verwendung von Buprenorphin vor. Das potentielle Risiko für

Menschen ist unbekannt. Eine längerfristige Anwendung während der

Schwangerschaft kann zur Gewöhnung und Abhängigkeit auch des

Kindes sowie nach der Geburt zu Entzugserscheinungen beim Neuge-

borenen führen. Gegen Ende der Schwangerschaft können hohe Dosen

auch nach kurzer Anwendungsdauer eine Atemdepression beim Neu-

geborenen hervorrufen. [2, S.21; 10]

4.2.4 Einstellung auf Buprenorphin

Eine Umstellung von Opiaten oder Methadon auf Buprenorphin kann zu

vorübergehenden leichten Entzugssymptomen führen und sollte in der

Schwangerschaft möglichst stationär oder in ganztägiger Ansprechbar-

keit der Praxis durchgeführt werden. Während der Umstellungsphase

können durch Entzugssymptome Wehen ausgelöst werden, weshalb

bei fortgeschrittenem Schwangerschaftsalter Kontrollen der Wehentä-

tigkeit (CTG) erfolgen sollten. Die Umstellung von Methadon auf Bupre-

norphin in der Schwangerschaft wird nur bei einer Tagesdosis unter 20

mg Methadon empfohlen.

Eine Umstellung vor der 14. Schwangerschaftswoche ist nicht empfeh-

lenswert. In der Frühschwangerschaft sollten möglichst wenig verschie-

dene Substanzen angewandt werden, um gerade auch beim Auftreten

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von Komplikationen mögliche kausale Zusammenhänge darstellen zu

können. Bei Erstsubstitution ist Buprenorphin auch in der Frühschwan-

gerschaft empfohlen. [2, S.21]

5. mögliche Schäden durch Beikonsum

Alkohol FAS (fetales Alkoholsyndrom = Wachstumsverzö-

gerung), Symptome: flaches breites Gesicht, Ner-

venschäden, Herzfehler

Nikotin Durch starken Nikotinkonsum entstehen Sauer-

stoffmangel und Durchblutungsstörungen, was eine

Frühgeburt und Untergewicht des Neugeborenen

zur Folge haben kann.

Amphetamine,

Benzodiazepine Lippen- Kiefer- Gaumenspalten

Barbiturate Fehlbildungen der Finger und des Gesichtes

Kokain Fehlbildungen von Herz, Harntrakt und Gehirn

Crack Chromosomenschäden bei Embryonen, Lähmun-

gen, Verkrüppelungen, Fehlfunktionen des Gehirns

und Herzschwäche beim Kind sowie Tot- und Fehl-

geburten

Bei stabiler Substitutionsdosis ohne Beikonsum hat das Kind die beste

Chance auf einen gesunden Start ins Leben. [3, S.34]

6. Kooperation

Es hat sich in der Erstellung dieser Arbeit gezeigt, dass es wichtig ist,

mit allen für die Betreuung der Schwangeren zuständigen Fachberei-

chen zu kooperieren, um die Hochrisikobelastung des ungeborenen

Kindes so gering wie möglich zu halten. Zu diesen Bereichen gehören:

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• Substituierender Arzt

• Psychosoziale Betreuung (PSB)

• Gynäkologe

• Kinderklinik

• Jugendhilfe/ Familienhilfe

Entsprechende Modelle dazu gibt es mittlerweile in vielen Städten. Sie

haben gezeigt, dass es durchaus Lösungen für die besonderen Prob-

lemstellungen mit schwangeren Drogenabhängigen gibt. Denn während

der Schwangerschaft ist deren Motivation sehr hoch, ihren Lebenswan-

del zu ändern, und in der neuen zukünftigen Rolle als Mutter auch eine

neue Lebensaufgabe zu sehen. Nun müssen sie nicht nur für sich, son-

dern auch für das in ihnen heranwachsende Kind Verantwortung über-

nehmen. Es gilt mittlerweile als allgemein anerkannt, dass in dieser Si-

tuation gute Chancen bestehen, die Sucht der Mutter in den Griff zu

bekommen und gleichzeitig das Kind zu schützen.

Leider war diese Erkenntnis in den vergangenen Jahren nicht überall

verbreitet, so dass immer nur vereinzelte Menschen in verschiedenen

Berufsgruppen zu dieser Problemstellung Engagement zeigten. Man-

cher stieß dabei schnell an Grenzen, da viele Menschen noch nicht er-

kannt hatten, dass das Bild der Drogensucht ein komplexes Krank-

heitsbild umfasst.

Die Sozialarbeiter standen da und fanden nur wenig Verständnis bei

den niedergelassenen Gynäkologen, da diese für gewöhnlich keinen

Kontakt zu Drogensüchtigen haben. Die Gynäkologen standen da und

wussten nichts oder nur wenig über Alternativen, um dem Kind und der

Schwangeren gegen die Sucht und deren Nebenwirkungen auf das Un-

geborene zu helfen. Sie kannten sich nicht aus in der Substitutionsthe-

rapie und deren positive Therapiekonzepte zum Schutz der Schwange-

ren und des Kindes. Der substituierende Arzt wiederum kannte sich

nicht in der Schwangerschaftsvorsorge und deren Möglichkeiten aus,

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die Mutter und Kind während einer Schwangerschaft dringend benöti-

gen. Am Ende landeten die Mütter in den Entbindungskliniken, die Kin-

der litten unter massiven Drogenentzugssyndromen und Pflegepersonal

und Mütter kamen schnell an ihre Grenzen. Häufig führten diese Zu-

stände dazu, dass die Kinder ihren Müttern weg- und aus den Familien

heraus genommen wurden.

Heute muss das Ziel aller Beteiligten sein, all diese Missverständnisse

zu vermeiden und von vornherein ein ganzheitliches Konzept zur Prob-

lemlösung zu erstellen, bei dem alle Professionen möglichst Hand in

Hand arbeiten um die Mutter zu unterstützen und das Kind zu schützen.

Dieses Ziel kann man aber nur dann erreichen, wenn der Informations-

fluss und Austausch unter allen betreuenden Personen gewährleistet

ist. Dazu gehören viele Gespräche untereinander und ein festes Rah-

menkonzept an das sich möglichst alle Berufsgruppen halten.

Die Mutter sollte auch von Anfang an über dieses Konzept und dessen

Zielrichtung möglichst umfassend informiert werden. Denn sie spielt in

diesen Fall die Hauptrolle, muss mit allen anderen kooperieren und zu

jeder Zeit offen und ehrlich sein.

6.1. Grundsätzliches für alle Helfer

• Die Kooperation der Helfer untereinander muss gewährleistet

sein

• Die Kooperation muss den Eltern gegenüber transparent ge-

macht werden

• Die Eltern erhalten immer wieder Informationen und Hinweise

über die schädliche Wirkung von Drogen und Medikamenten auf

ihr Kind in der Schwangerschaft

• Die Teilnahme an den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen

wird kontrolliert

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• Bei starker Gefährdung des ungeborenen Kindes durch das Ver-

halten der Schwangeren ist eine Helferkonferenz unabdingbar

[11]

Nur wenn alle Berufsbereiche zusammen arbeiten ist einen optimale

Versorgung der Schwangeren und somit die Risikobelastung des unge-

borenen Kindes minimiert. Wichtig dabei ist es, dass diese Professio-

nen auch in der Zeit nach der Entbindung miteinander kooperieren und

eine Transparenz untereinander gewährleistet ist. Dazu sollte eine Ent-

bindung von der Schweigepflicht für die einzelnen Fachbereiche durch

die Mutter erreicht werden. Denn nur so sind Kooperation und Transpa-

renz möglich. Natürlich muss auch die Schwangere darüber informiert

und ihr erklärt werden, dass diese Maßnahme nicht der Kontrolle dient,

sondern in ihrem und vor allem dem Interesse des ungeborenen Kindes

geschieht. Sie wird jeder Zeit über alles innerhalb dieser Kooperation

informiert und hat auch Mitspracherecht bei Entscheidungen, soweit

diese nicht das Leben des Kindes gefährden. Um diese Maßnahmen zu

gewährleisten ist es wichtig, möglichst in der frühen Schwangerschaft

(20 SSW) die Patientinnen auf diesen besonderen Weg der Schwan-

gerschaftsbetreuung vorzubereiten.

6.2 Unterschiedliche Beratungsmöglichkeiten

Der schwangeren Drogenabhängigen stehen verschiedene Anlaufstel-

len zur Verfügung. Bei Drogenberatungsstellen, Kinder- und Jugendge-

sundheitsdiensten, Jugendamt, Selbsthilfegruppen, Krankenhäusern

mit Suchtschwerpunkt, sozialmedizinischen und sozialpsychiatrischen

Diensten der Bezirksämter, Erziehungsberatungsstellen, Fachambulan-

zen für Suchtfragen bis hin zu unterschiedlichen Projektprogrammen in

den einzelnen Regionen. So zum Beispiel in den von verschiedenen

Städten eingerichteten Fixerräumen, in denen jederzeit ein in diesem

Milieu eingearbeitetes Fachpersonal über verschiedene Hilfsprogram-

me Informationen geben kann.

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Besonders in der Schwangerschaft sind die werdenden Mütter hoch

motiviert ihre Situation zu hinterfragen und Veränderungen zu zulassen.

Eine fachkompetente Unterstützung bis hin zur Entbindung schafft Res-

sourcen bei den Eltern, die ihnen für die neue Situation mit dem Säug-

ling angemessene Handlungskompetenzen vermitteln. Die schwange-

ren Frauen und ihre Partner werden auf die neue Situationen vorberei-

tet und lernen so adäquaten Umgang mit den vielfachen Anforderungen

für das Leben mit dem Säugling. Dabei reichen die Themen von Ernäh-

rungs- und Erziehungsfragen bis hin zur Problematisierung möglicher

Überforderungssituationen mit dem Kind und einer potenziellen Rück-

fallgefahr. [2, S.66/67]

Die Schwangeren sollten auf spezialisierte, frauenspezifische, psycho-

soziale Beratungsangebote hingewiesen werden, die im Prinzip in allen

Psychosozialen Beratungsstellen zur Verfügung stehen.

6.3 Psychosoziale Betreuung

Die einzelnen Beratungsstellen haben entsprechende Kontaktadressen

von Substitutionsärzten in der Nähe und helfen bei der Kontaktaufnah-

me zu den jeweiligen Ärzten. Denn nur ein fachkompetenter, zugelas-

sener Substitutionsarzt darf eine Substitutionstherapie durchführen.

Diese Ärzte sind speziell in der Suchttherapie geschult und müssen

eine suchttherapeutische Qualifikation nachweisen. Sie sind dazu ver-

pflichtet, alle Daten beim BfArM (Bundesopiumstelle) eingerichteten

zentralen Register zu melden.

Die BtMVV (Betäubungsmittel- Verschreibungsverordnung) und die

BUB Richtlinien (Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersu-

chungs- und Behandlungsmethoden) schreiben vor, dass ein substituie-

render Arzt auf eine psychosoziale Betreuung hinwirken soll, da die al-

leinige Vergabe eines Substituts keine ausreichende Therapie darstellt.

Ein Ausstieg oder eine stabile Substitution kann in der Regel nur er-

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reicht werden, wenn die Patienten es schaffen, ihre Lebenssituation zu

verändern. [2, S.36]

Dies ist letztendlich die Basis für eine Helferkonferenz. Die schwangere

Patientin, der substituierender Arzt und die Mitarbeiter der psychosozia-

len Betreuung treffen sich in regelmäßigen Abständen, um die Therapie

zu stabilisieren. Durch die Schwangerschaft kommen jedoch noch eini-

ge andere Professionen hinzu, die über dieses Schema informiert, und

darin integriert werden müssen. Dies stellt für alle Beteiligte eine große

Herausforderung dar. Die Betreuungsinhalte des Psychosozialen

Dienstes stellten sich bisher aus folgenden Aufgabenbereichen zu-

sammen:

• Selbstversorgung (Wohnen/Wirtschaften)

• Tagesgestaltung

• Persönliche und soziale Beziehungen

• Beschäftigung/Arbeit/Ausbildung

• Suchtverhalten/Beikonsum

[2, S.37]

Mit Beginn der Schwangerschaft jedoch kommen neue Aufgabenberei-

che und Zielsetzungen hinzu wie:

• Sicherung des Kindeswohls

• Steigerung der Erziehungsfähigkeit und Elternkompetenzen

• Entwicklung von Perspektiven

• Vernetzung der einzelnen Berufsbereichen

[11]

Im Interesse des Kindeswohls und des Erhalts der Familie zeigt sich die

Notwendigkeit einer zusätzlichen Begleitung durch eine PsB. Diese

Frauen bzw. Familien befinden sich nicht selten in schwierigen Lebens-

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umständen, die in Folge sozialer Isolation lange unerkannt bleiben. Die

Bandbreite der Probleme umfasst unzumutbare Wohnverhältnisse,

schwierige soziale (Partner) Beziehungen, zusätzliche körperliche

und/oder psychische Erkrankungen, Mangelernährung, z.T. erheblichen

Beikonsum etc., die eine schwere Hypothek für das Kind und die Fami-

lie darstellt. Insgesamt schwierig stellt sich vor allem die partnerschaftli-

che Beziehung dar. Häufig ist kein Vater bekannt oder der Vater selber

drogensüchtig. Daher lassen sie sich häufig in die Pflege nicht einbin-

den. In unserer Arbeit gehen wir daher nur auf die Betreuung durch die

Mutter ein.

Die Chance einer PsB besteht vor allem darin, rechtzeitig Einfluss zu

gewinnen, für die Akzeptanz zusätzlicher Ressourcen (z.B. Kindergar-

ten, Familienhilfe, Elternberatungen etc.) zu werben, diese zu mobilisie-

ren, die Elternfunktion zu stärken und Rückfälle vorzubeugen.

[2, S.36-38]

6.4 Gynäkologische Betreuung

Durch die Mitarbeiter des PsB wird zunächst eine Vertrauensbasis auf-

gebaut um dann eine weitere Vermittlung an einen Gynäkologen herzu-

stellen. Dieser muss dann zunächst einen Gesundheitsstatus erstellen:

1. Ganzkörperuntersuchung

2. Labor:

• Blutbild

• Leberwerte

• Blutzucker

• TPHA-Test (Treponema-pallidum-haemaglutimationstest)

• Hepatitis B- und C-Antikörper (ggf. Impfung gegen Hepati-

tis B)

• HIV-Antikörpertest

• Urinstatus

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3. Begleiterkrankungen (z.B. Depression, HIV- Infektion)

4. Aufklärung über Wirkung von Drogen in der Schwangerschaft

5. Beratung der Schwangeren bezüglich Substitution (falls bisher

noch nicht erfolgt)

6. Aufklärung über Ernährung

7. ggf. Hebammenbetreuung einbinden

Es folgen weitere routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen wie bei jeder

anderen Schwangeren. Der Kontakt zu dem substituierenden Arzt sollte

aber im Schwangerschaftsverlauf gepflegt werden. [11]

6.5 Hebammenbetreuung

Alle schwangeren Frauen können sich schon während der Schwanger-

schaft von einer Hebamme betreuen lassen. Die Hebamme überwacht

während der Vorsorge den Schwangerschaftsverlauf und kann Fragen

dazu und zur Entbindung beantworten. Sie kann bei der Wahl von Ent-

bindungsklinik und Kinderarzt behilflich sein und den Kontakt dorthin in

die Wege leiten.

6.6 Die Entbindungsklinik

Optimal wäre, wenn bereits während der Schwangerschaft Kontakt zu

der Klinik aufgenommen wird, in der die Schwangere die Entbindung

plant. Fragen zur Art der Entbindung, der Verfügbarkeit von Medika-

menten, speziellen Angeboten zur Entbindung und zur Versorgung des

Kindes, können so vorab geklärt werden. Aktuell substituierte Frauen

sollten unbedingt eine Klinik mit angeschlossener Neonatologie aufsu-

chen, damit das Kind im Falle eines Entzuges in unmittelbare Nähe zur

Mutter angemessen behandelt werden kann. Ob ein kindlicher Entzug

stationär behandlungsbedürftig ist, entscheiden die Kinderärzte. Es

können so im Vorfeld bereits folgende Fragen geklärt werden:

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• Mit welchen gesundheitlichen Problemen kann das Neugeborene

belastet sein, die zur stationären Aufnahme in die Kinderklinik

führen?

• Auf welche Probleme sollten sich Mutter/Eltern nach der Entbin-

dung einstellen?

• Erwartungen der Kinderklinik an die Mutter/Eltern zur Zusam-

menarbeit/Kontrakt. (z.B. Aufnahme der Mutter in die Mutter-

Kind-Einheit nur bei Beigebrauchsfreiheit der Mutter)

• Aufklärung über nachgeburtliches Entzugssyndrom/ Behand-

lungsmöglichkeiten und weitere Risiken.

• Ist das Stillen mit der Substitution vereinbar?

• Gespräch über die Suchtsituation, welche Substanzen/ Substitu-

tion.

• Verlangen weitere Erkrankungen wie z.B. Hepatitis B/C, HIV o-

der andere Risiken kinderklinische Maßnahmen?

• Betrachtung des bisherigen Schwangerschaftsverlaufes um eine

Vorstellung davon zu entwickeln, welche vorgeburtlichen Erfah-

rungen das Ungeborene bisher gemacht hat.

• Gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen/Einblick in den Mut-

terpass.

• Was war der schwangeren Frau bisher hilfreich, woran kann sie

anknüpfen?

• Gibt es weitere Kinder? Wo und wie sind diese versorgt? Ggf.

Familiäre Einbindung erkunden.

• Was muss bis zur Entbindung noch bewältigt werden? Bera-

tungsbedarf erkunden.

• Schweigepflichtentbindung für Drogen-, Jugend- und Gesund-

heitshilfe.

• Aktuelles und zukünftiges soziales Unterstützungsnetz/ Koopera-

tion mit Jugendhilfe.

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Außerdem kann der Schwangeren ein Besuch der Neugeborenenstati-

on und angeboten werden, um so die Räumlichkeiten sowie das Stati-

onsteam kennen zu lernen und einen Eindruck über den Stationsablauf

zu erhalten. [2, 11]

7. Die Entbindung

Damit die betreuenden Ärzte/-innen, Hebammen und das Pflegeperso-

nal in jedem Fall übereinstimmend handeln können, z.B. bei einer not-

wendigen Anästhesie oder der direkten Versorgung des Kindes, ist es

wichtig, zur Aufnahme der Entbindung den aktuellen Konsumstatus be-

kannt zu geben. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die Patien-

tin unter der Geburt keine Entzugssymtome entwickelt. Auch die Anga-

be des letzten Beikonsums ist für die erfolgreiche Betreuung des Kin-

des wichtig.

Substituierte Patientinnen sollten von ihrer/ihrem substituierenden Ärz-

tin/Arzt einen Substitutionsausweis mit Angabe des Substitutionsmedi-

kamentes und der aktuellen Tagesdosierung erhalten, der am besten

im Mutterpass aufbewahrt wird.

Opiatabhängige haben unter Umständen eine geringe Schmerztole-

ranz, so dass auch der Einsatz einer angemessenen Anästhesie zu

besprechen ist. Die Erhöhung der Substitutionsdosis zur Schmerzstil-

lung ist nicht zu empfehlen. Es sollte daher eine andere Schmerzmedi-

kation angedacht werden. [2, S.27-29]

7.1 Schmerztherapie unter der Entbindung

Mangelndes Wissen und Unsicherheit in der Schmerztherapie sowie

psychologische Barrieren auf Patienten- und Behandlerseite können

eine effiziente Schmerztherapie bei Abhängigen behindern. Eine unzu-

reichende Schmerztherapie sowie unzureichende Akzeptanz des Fach-

personals für die besonderen Probleme dieser Patienten kann zu ver-

stärktem Drogenkonsum oder bei inzwischen drogenfreien Patienten

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zum Rückfall führen. Es ist daher bei diesen Patienten besonders wich-

tig, eine ausreichende Schmerzlinderung zu erreichen.

Folgende Problemfelder sind dabei zu berücksichtigen:

• Suchtbedingte psychische Störungen wie Verhaltensstörungen,

Angst und Ablehnungsreaktionen,

• mangelnde Kooperationsbereitschaft (Folge: Niedrige Compliance

gegenüber medizinisch begründeten Anordnungen; Stressintole-

ranz)

• Psychische Komorbidität ( Depression, Angst- und Persönlichkeits-

störungen, psychische Erkrankungen) Folge: Interaktionsprobleme

mit dem Fachpersonal, Schmerzverstärkung, unzureichendes An-

sprechen auf Analgetika,

• drogenbedingt gesteigerte neuronale Erregbarkeit mit Konsequen-

zen für die Schmerzausprägung,

• Schmerzverarbeitung (niedrigere Schmerzschwelle, verstärkte

Schmerzempfindung) Folge: Ausgeprägte Hyperalgesie mit erhöh-

tem Bedarf an Analgetika über eine längere Zeit als bei Nicht-

Abhängigen)

• Opioidspezifische Toleranzentwicklung mit Konsequenz für die The-

rapie mit Opioiden. Folge: Verminderte Analgesie durch Opioide,

aber auch verminderte Nebenwirkungen der Opioide bei höheren

Dosierungen,

• Häufig vorliegende Begleiterkrankungen und funktionelle Störungen

wie Organschäden, Infektionserkrankungen wie HIV, Tuberkulose,

Hepatitis A,B,C u.a. Folge: Einschränkungen der verschiedenen Or-

gansysteme bei der adaptierten Stressreaktion, daraus resultierende

Morbidität,

• Unterschiedliches Vorgehen bei der medikamentösen Analgesie bei

Patienten in Substitutionstherapie (mit Levomethadon / Methadon-

razemat; Buprenorphin) und bei ehemals opioidabhängigen „clea-

nen“ Patienten. [1]

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8. Substitutionstherapie nach der Entbindung

Nach der Entbindung ist eine Dosisanpassung des Substitutionsmittels

auf eine der neuen Situation angepasste, stabile Substitutionsdosis mit

der Mutter zu erwägen, da sie nach der Entbindung durch die Hormon-

umstellung zu Depressionen neigen. Dies kommt häufig vor, wenn die

Mutter nach der Entbindung durch eine Verlegung des Kindes von die-

sem getrennt wird. Es kommt dann zu einer schweren psychischen Be-

lastung und sie braucht eine intensive vertrauensvolle Betreuung. Denn

nur wenn in dieser Phase eine kompetente psychosoziale Betreuung

stattfindet, können Missverständnisse direkt aus dem Weg geräumt

werden. Die Mütter fühlen sich sonst überrannt und bevormundet. Doch

genau dies soll möglichst verhindert werden. Das Ziel ist nach wie vor,

dass die Mutter im Anschluss an die Therapie des Kindes mit gutem

Gewissen nach Hause entlassen werden kann. Diese Situation zeigt

auch, wie wichtig eine bereits möglichst früh eingeleitete psychosoziale

Betreuung ist. Denn erst diese Vorbereitungsphase stellt eine Vertrau-

ensbasis her. Durch die subjektiv empfundenen negativen Erfahrungen

mit therapeutischen Einrichtungen könnten die Mütter sonst starke Wi-

derstände entwickeln und müssten dann für Betreuungsmaßnahmen

erst mühsam zurück gewonnen werden. [2, S.32]

Es ist wichtig die Mutter-Kind- Beziehung auch in den Fällen zu fördern,

in denen das Kind auf Grund einer Neugeborenenentzugssymptomatik

in eine neonatologische Abteilung verlegt werden muss. [2]

9. Entzug bei Neugeborenen

Bei über 60% der Neugeborenen opioidabhängiger Frauen werden An-

zeichen des neonatologischen Entzugsyndroms (NAS) beobachtet, das

meist 24-74 Stunden nach der Geburt auftritt.

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Die Begleitung des Drogenentzugs bei Neugeborenen bedeutet einen

hohen Pflegeaufwand und ist für die Pflegekräfte auch psychisch sehr

stark belastend. Die Erkenntnisse im Umgang mit Drogenbabys in die-

sem Teil der Facharbeit gründen sich auf eigener Pflegeerfahrung, dem

Austausch mit anderen Kliniken sowie Fachberichten dazu.

9.1 Die Kinder

Auf den ersten Blick wirken die meisten Neugeborenen drogenabhängi-

ger Mütter wie gesunde und reif geborene Kinder. Der Unterschied zum

gesunden Neugeborenen liegt jedoch darin, dass sie süchtig zur Welt

kommen. Postnatal entwickeln sie ein sogenanntes Entzugssyndrom

(NAS). Klassische Anzeichen dafür sind Myoklonien in Ruhe und bei

Störung, erhöhter Muskeltonus und Reflexe, Schwitzen, Trinkprobleme

die bis zur Sondenernährung führen können, instabile Körpertempera-

tur, verstopfte Nase, Erbrechen, Durchfall und daraus folgende Windel-

dermatitis, anhaltendes schrilles Schreien, kurze Schlafphasen, in sel-

tenen Fällen Krämpfe (Krämpfe wurden in knapp 10% der Fälle beo-

bachtet bei einem mittleren Alter von 10 Tagen) und es kann zu Ta-

chypnoe, Dyspnoe und Apnoen kommen.

9.2 Die Therapie

Wichtig bei der Erstversorgung im Kreissaal ist zu wissen, dass bei der

Versorgung eines atemdepressiven Früh- oder Reifgeborenen einer

substituierten Schwangeren Naloxon® als “Atemstimulans“ immer

dann streng kontraindiziert ist, wenn ein Opiatabusus der Mutter nicht

ausgeschlossen werden kann. Bei jeder chronischen fetalen Opiatex-

position muss damit gerechnet werden, dass Naloxon® Krämpfe auslö-

sen kann. Ansonsten ist die Erstversorgung nicht anders, wie bei ande-

ren Früh- bzw. Neugeborenen.

In den ersten Lebensstunden empfiehlt es sich, Harn und Mekonium-

portionen zur Substanzbestimmung (Beikonsum) zu gewinnen.

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Die Symptomatik bei Methadonentzug tritt meist später, nur selten be-

reits am ersten Lebenstag und gelegentlich erst nach mehr als einer

Woche auf. Der Schweregrad des neonatalen Methadon-

Entzugssyndroms korreliert mit der maternalen Methadondosis dem

maternalen Plasmaspiegel, dem Gestationsalter dem initialen neonata-

len Plasmaspiegel und der Schnelligkeit des Absinkens des Spiegels

beim Neugeborenen (Wird in der Literatur unterschiedlich beschrieben).

Die Symptome des neonatalen Drogenentzuges können abgefangen

bzw. gemildert werden, je eher mit der Ersatztherapie begonnen wird.

Ziel der medikamentösen Therapie ist die Minimierung des kindlichen

Entzugsstresses durch Herbeiführen eines normalen Schlaf-Wach-

Rhythmus, Verbesserung der Nahrungsaufnahme und Unterdrückung

des Tremors und der Irritabilität.

Vergleichende, methodisch anspruchsvolle Studien über Medikamente

bei Drogenentzugssyndrom existieren kaum, so dass bei der Wahl der

Medikamente physiologisch-pharmakologische Erwägungen im Vorder-

grund stehen müssen:

Phenobarbital (Luminal®) ist lediglich geeignet, die zentralnervösen

Symptome zu beeinflussen. Insbesondere bei zusätzlichen gastroin-

testinalen Symptomen werden deshalb Opiatpräparate wie Morphin,

Methadon oder Tinctura Opii empfohlen, die mit der Milchmahlzeit oral

verabreicht werden.

(Laudanum synonym: tinctura opii , im 16. Jahrhundert von Paracel-

sus entwickelt. Der Hauptwirkstoff ist Opium (aus unreifen Kapseln von

Papaver somniferum durch Anritzen gewonnener u. luftgetrockneter

Milchsaft („Lac Papaveris“); bräunliche Masse mit 37 Alkaloiden (v.a.

Morphin, Codein, Narcotin, Papaverin, Thebain, gebunden an organ.

Säuren wie Mekonsäure u.a.).

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Therapeutische Anwendung früher als kräftiges Analgetikum mit hypno-

tischer Komponente, wichtiger Alkaloidlieferant, es enthielt außerdem

verschiedene Gewürze wie Zimt, Nelken, Safran und Wein. Als Heilmit-

tel gegen Magen-Darm-Krämpfe und Diarrhoe angewandt. Das hohe

Suchtpotential des Opiums führt zur körperlichen Abhängigkeit. (Be-

rühmte Konsumenten waren J.W. Goethe, E.T.A. Hoffmann und Edgar

Allan Poe) [7]

Die Dosierung der oralen Morphine richtet sich nach dem Gewicht des

Kindes und der Höhe des Ausprägungsgrades des sogenannten "Fin-

negan-Scores"(wird auf den folgenden Seiten erläutert). Als Standard

wird bisher Opium-Tinktur verwandt. Diese enthält neben Morphin (1

mg/ml) noch Codein (0,5%), Thebain (0,3%, epileptogen), Papaverin

(0,1%) Noscapin (1 %) und Alkohol (>35%).

Therapiebeispiel der Universitätskinderklinik Wien - Medikamente für

das NAS -:

Morphin HCl /Tinct. Opii Methadon

0,4 - 1 mg/kg/d 3 stündlich 2 - 4 mg/d 6 stündlich

Paregoric Diazepam

0,4 - 6,4 ml/kg/d 3 stündlich 0,5 - 2,5 mg/kg/d 8 stündlich

Phenobarbital Chlorpromazin

5 - 16 mg/kg/d 8 stündlich 2,8 mg/kg/d 6 stündlich

Clonidin 3 - 4 µg/kg/d

Eine Monotherapie wird dort bevorzugt und die Medikationsreduktion

erfolgt langsam (Finnigan-Score < 10 für mindestens 24 h). Ein Monito-

ring der Vitalparameter während des Entzugs ist üblich. Bei Verdacht

auf Krampfpotential sollte rechtzeitig ein EEG durchgeführt und ggf. mit

Antikonvulsiva therapiert werden. [5]

Mittels Finnegan Score werden der Manifestationszeitpunkt, sowie

Schwere und Dauer des kindlichen Entzugs sowie Therapienotwendig-

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keit erfasst. Mit Beginn des neonatologischen Entzugsyndroms (NAS)

sind die Vitalfunktionen zu überwachen. Diskrete Symptome werden

durch „supportive care“ (siehe Pflege) gemildert, schwere Entzugssym-

ptome bedürfen einer medikamentösen Therapie mit strenger Indikati-

onsstellung und einheitlichem Vorgehen mit dem Ziel der Annäherung

an ein normales neurologisches Verhalten.

Anleitung zum Drogenentzugscore

Die Symptome sind in folgenden Gruppen gegliedert:

Neurologie, Ernährung, Vegetatives Nervensystem und Atmung.

Obwohl das Medikament die Symptome gut dämpft, wird täglich die

Dosierung in kleinen ml-Schritten gesenkt, um die Gefahr einer Mor-

phinabhängigkeit zu vermeiden.

Der erste Finniganscore sollte in den ersten 2-4 Lebensstunden durch-

geführt werden.

• Finnigan-Score bis 10: 6 x täglich ( alle 4 Stunden)

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• Finnigan-Score ab 10: Kontaktaufnahme mit Pädiater

Man sollte auch darüber nachdenken, welche Ausweichmöglichkeiten

es gibt, wenn starke Unruhezuständen auftreten. In der Literatur wird

eine 10% Chloralhydratlösung empfohlen, welche ebenfalls sedierend

und krampflösend wirkt. Die Chloralhydratlsg. wird dort bis zu 4mal am

Tag – allerdings mit einem Mindestabstand von einer Dreiviertelstunde

zur Morphingabe- verabreicht.

„Opiatentzug in der Schwangerschaft wird mit einem erhöhten Risiko

fetaler Komplikationen einschließlich fetalem Entzugssyndrom in Zu-

sammenhang gebracht. Methadon gilt vielerorts als Mittel der Wahl für

die Stabilisierung der Schwangeren, insbesondere bei Heroinabusus.

Allerdings ist auch diese Strategie nicht gänzlich unumstritten, da u.a.

infolge "Beigebrauch" anderer Suchmittel möglicherweise im Durch-

schnitt die Opiat Gesamtexposition (Methadon und Heroin) in der

Schwangerschaft bei Methadontherapie sogar höher ist, da sich die

einzelnen Opiate potenzieren. Weiterhin wurde eingewendet, dass im

Neugeborenenalter der Methadonentzug symptomatischer und langwie-

riger sein kann als ein Heroinentzug, insbesondere wenn Heroin „nur“

inhaliert wurde. (Meinung darüber ist unterschiedlich in den verschiede-

nen Artikeln zu Substitution in der Schwangerschaft).“ [9, 4]

9.3 Die Pflege

Die Pflege von süchtig geborenen Babys ist sehr aufwändig und ver-

langt aufgrund verschiedener Faktoren vom Pflegepersonal viel Einfüh-

lungsvermögen und gute Nerven. Die schlimmsten Symptome, die es

zu lindern gilt, sind die durch Entzugsschmerzen bedingten lang anhal-

tenden Schreiattacken, in denen uns das Kind auf die ihm einzig mögli-

che Ausdrucksweise zu verstehen gibt, wie schlecht es ihm eigentlich

geht. Herauszufinden, wie unser jeweiliger Patient zu beruhigen ist, ist

die erste Geduldsprobe, die es zu bewältigen gilt. Denn jedes Kind ist in

seiner Art zur Ruhe zu kommen verschieden.

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Einige reagieren auf Körperkontakt und Wärme, sie genießen es im

Tragetuch herumgetragen zu werden und brauchen viel Zärtlichkeit und

Schmuseeinheiten zur Linderung ihrer Schmerzen. Die Kinder bevorzu-

gen oftmals Körpernähe, Kuschelstellungen und Schaukelbewegungen.

Eine einfache aber oft wirkungsvolle Methode ist ein Beruhigungsspa-

ziergang durch die Abteilung. Die Mütter dieser Kinder sollten darin an-

geleitet und bestärkt werden, möglichst viel direkten Hautkontakt zu

ihrem Kind zu halten, Schmusen und känguruhen sind dafür die besten

Methoden.

Sie sollten so viel Zeit wie möglich mit ihrem Kind verbringen oder wenn

möglich sogar in einer Mutter-Kind-Einheit untergebracht werden.

Manche Kinder brauchen aber auch starke Begrenzungen. Sie reagie-

ren auf Berührungen mit Ablehnung – sprich mit verstärkter Unruhe. Bei

diesen Fällen kann die Pflegeperson aus Lagerungshilfen ein Nest

bauen oder das Kind in eine Hängematte legen, welche dem Kind Si-

cherheit geben soll.

Für die Mütter ist oft schwer zu akzeptieren, wenn ihre Kinder einfach in

Ruhe gelassen werden wollen. Auch bei diesen Kindern, die oft nur we-

nig schlafen gilt „minimal handling“. Das heißt zum Beispiel auch, dass

nicht visitiert wird, wenn ein Kind endlich einmal zur Ruhe gekommen

ist. Wichtig ist für Reizabschirmung im Zimmer zu sorgen, was durch

die räumlichen Begebenheiten und den pflegerischen Alltag einer Stati-

on oft ein großes Problem darstellt. Die Kinder sollten auch vor allzu

grellem (Tages)licht geschützt werden, in dem man ihnen ein Tuch über

ihr Bett oder den Inkubator hängt. Es kann versucht werden mit "extra

sanften Pflegemethoden" die Entzugsymptome zu lindern. Gut zu nut-

zen sind dafür Babymassage und Entspannungsbäder, womit auch bei

den sehr häufig auftretenden Blähungen sehr gute Erfolge erzielt wer-

den können. Eine andere Möglichkeit wäre z.B. die Musiktherapie.

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Eine weitere Problematik stellt die Ernährung der Kinder dar. Entweder

ist ihr Saugreflex so stark ausgebildet, dass die Mutter versucht ist, das

Baby ständig zufüttern – was auf der anderen Seite natürlich die Blä-

hungen verstärkt – oder das Kind ist so in seinem Entzug verhaftet,

dass es überhaupt keine Saug- und Schluckkoordination zeigt. Mit viel

Geduld, mit logopädischen Mundtherapien – im schlimmsten Fall mit

einer zeitweiligen Sondenernährung in der ärgsten Entzugsphase – hat

aber jedes Baby die Möglichkeit trinken zu lernen.

Obwohl Stillen im Substitutionsprogramm grundsätzlich möglich ist und

für die Beziehung zwischen Mutter und Kind sehr förderlich wäre, sind

viele Mütter durch ihre Drogenkarriere Hepatitis C positiv, was wieder-

um ein Stillen unmöglich macht. Eine intrauterine Infektion des Kindes

ist dadurch aber nicht zwangsläufig gegeben, da das Hepatitis C – Vi-

rus die Placentaschranke nicht passieren kann. Die Kinder werden pro-

phylaktisch nach der Geburt geimpft. Bis zu einem eindeutig negativ

vorliegenden Befund gelten sie jedoch als infektiös, was für das Pflege-

personal Kittel- und Handschuhpflege bedeutet.

Wie eingangs schon erwähnt, ist die Betreuung von suchtkranken Ba-

bys eine für die Pflege herausfordernde, oft in mehrerer Hinsicht aber

auch sehr belastende Aufgabe. Es ist nicht immer leicht herauszufin-

den, was dem Baby gut tut und manchmal ist viel Kreativität gefragt. Es

gelingt auch nicht immer, sich professionell aus der gerade neu entste-

henden Beziehung zwischen Mutter und Kind herauszuhalten. Zum

Beispiel erlebt uns die Mutter oft als diejenige, die scheinbar besser mit

ihrem Kind umgehen kann und es z.B. schneller beruhigt.

Es darf dabei nicht vergessen werden, dass es psychisch sehr belas-

tend ist, Babys auf diese Weise leiden sehen zu müssen und das oft

stundenlange Schreien zu ertragen. Häufig kommt hinzu, dass manche

Mütter so in ihrer Drogensucht verstrickt sind, dass ihr Tun und Handeln

kaum nachzuvollziehen ist. Das schafft ein zusätzliches Konfliktpotenti-

al zwischen dem Pflegepersonal und den Müttern.

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Einige drogenkranke Mütter sind durch die Verantwortung für ihr Baby

einfach überfordert. Auch die angebotenen Unterstützungen reichen in

einer solchen Situation nicht immer aus, sie vor einem neuerlichen

Rückfall in ihre Suchtgewohnheiten zu bewahren. In dem Fall greifen

andere betreuende Maßnahmen, die wir im späteren Verlauf der Fach-

arbeit noch erläutern. Die Vorstellung, was das für die von uns gepfleg-

ten Kinder bedeutet, ist für uns sehr frustrierend und nur schwer zu ak-

zeptieren. Von uns sollte daher vor allem angestrebt werden, diese

Kinder und deren Mütter vorurteilsfrei zu betreuen.

Motivierend sind für uns die Besuche unserer ehemaligen Patienten/-

innen, die auf unserer Station ihren Drogenentzug durchgemacht ha-

ben. Deren Entwicklung zu aufgeweckten und lebhaften Kleinkindern

führt uns die Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit jedes Mal aufs Neue vor

Augen.

Nach vier bis sechs Wochen sollte der Entzug abgeschlossen sein und

die Kinder – wenn möglich – in die häusliche Pflege entlassen werden.

Bis zu ihrer Entlassung sollten die Kinder ohne Medikamente auskom-

men. [9, 4]

10. Nachbetreuung des Kindes

10.1 Kinderarzt

Im Anschluss an die stationäre Behandlung ist es ratsam, Informationen

über den Substitutionsstatus der Mutter an den behandelnden Kinder-

arzt weiter zu geben. Er kann so Entwicklungsstörungen früher erken-

nen, zuordnen und angemessen behandeln. Insbesondere bei Kindern

HIV-infizierter oder Hepatitis B und C- infizierter Mütter, muss dem

betreuende Kinderarzt das erhöhte Infektionsrisiko des Kindes mitgeteilt

werden, damit eine angemessene Betreuung gewährleistet werden

kann. Die in der Klinik begonnenen Hepatitis A und B- Impfungen müs-

sen komplettiert werden. Der Kinderarzt sollte darauf achten, dass die

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Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahrgenommen werden und bei

Unregelmäßigkeiten oder bei Anzeichen von Verwahrlosung rechtzeitig

den sozialpädagogischen Dienst des Jugendamtes benachrichtigen. [2,

S.33]

10.2 Sucht und Kinderschutz

Ein großer Teil der Kinder wird in die häusliche Pflege natürlich nur ent-

lassen, wenn das soziale Umfeld der Mutter dies zulässt und die, die

Mutter z.B. regelmäßig während des Aufenthaltes ihres Kindes zu Be-

such kommt, keine Unsicherheiten bei der Betreuung zeigt und die

Wohnsituation auch für das Kind in Ordnung ist.

Spätestens bei der Feststellung unkontrollierten Beikonsums, bei

Nichtwahrnehmung der psychosozialen Betreuung oder der kinderärzt-

lichen Untersuchungen oder bei offensichtlichen Verhaltensstörungen

und Entwicklungsrückständen der Kinder sollten z.B. folgende Maß-

nahmen überlegt werden:

• Betreuung des Kindes durch eine ambulante Kinderkrankenschwes-

ter bis zum dritten Lebensjahr, die in den Umgang mit dem Kind

einweist,

• Aufnahme in eine (Tages)-Krippe ab dem dritten Lebensjahr sowohl

als Entwicklungsanreiz für die Kinder als auch zur Entlastung der El-

tern,

• Unterbringung in einem Ganztages- Kindergarten oder falls notwen-

dig Unterbringung in einer heilpädagogischen Tagesstätte.

Der Beikonsum (insbesondere Alkohol!) sollte besonders konsequent

angegangen werden. Ggf. muss überprüft werden, ob eine Take-home-

Regelung aufrechterhalten werden kann. Im Falle einer Take-home-

Regelung von Methadon muss außerdem unbedingt darauf geachtet

werden, dass das Substitut kindersicher verpackt ist. [6]

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Die Jugendämter informieren über:

• gesetzliche Möglichkeiten, die Rechte von Eltern und Kind,

• Hilfen, Einrichtungen und Initiativen sowie soziale Hilfsquellen im

näheren Einzugsbereich,

• Leistungsansprüche, z.B. Sozialhilfe, Erziehungsgeld, Wohngeld,

Unterhaltsvorschuss.

Eine wesentliche Grundlage des sozialpädagogischen Handelns im Ju-

gendamt bietet das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). In diesem

Gesetz finden sich zahlreiche Hilfsangebote und Unterstützungsmög-

lichkeiten für Familien, die sich in einer Not- oder Problemlage befin-

den, aus der sie alleine nicht heraus kommen können. Es gibt ambulan-

te und stationäre Hilfen. Was mit der jeweiligen Hilfe erreicht werden

soll, wird mit allen Beteiligten schriftlich im so genannten Hilfeplan (Hil-

fekonferenz, Zielvereinbarungen) festgelegt. Eltern können von ihrem

Recht gebrauch machen und diese Hilfen beantragen. Insbesondere

drogenabhängige Eltern bzw. deren Kinder sollten diese Hilfen erhalten,

da sie sowohl beim Entgiften notwendig sind als auch anschließend zur

Stabilisierung ihrer Lebensumstände beitragen.

10.2.1 Kurz- und Bereitschaftspflege, § 33 KJHG

Diese Art der Vermittlung ist in der Regel zeitlich auf ein Vierteljahr be-

grenzt. Bei dieser Art der Pflegebegleitung lernt die Mutter die Pflegeel-

tern kennen. Zu diesem Verfahren muss die Mutter allerdings ihre aus-

drückliche Zustimmung geben. Sie muss ein Antrag auf Gewährung

dieser Hilfe für ihr Kind stellen

Nach dem Entzug kommen unterschiedliche Anschlusshilfen in Be-

tracht: z.B. ambulante Betreuung, ambulante Therapie, stationäre Hilfen

für Vater/Mutter/Kind, wenn die Betroffenen bereit sind, diese Forde-

rungen zu akzeptieren.

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10.2.2 Unterbringung der Kinder in einer Einrichtun g oder sonsti-

gen betreuten Wohnform, § 34 KJHG

Es gibt z.B. Familiengruppen, Wohngruppen mit innewohnendem/ in-

newohnenden Erzieher(n), Erziehungsstellen, (therapeutische) Mutter-

Kind-Einrichtungen und Wohngemeinschaften bzw. betreutes Einzel-

wohnen.

Die Unterbringung erfolgt dem Alter der Kinder entsprechend. Die Län-

ge der Unterbringung hängt vom Bedarf ab. Ob diese Hilfe geeignet

oder (weiterhin) notwendig ist, wird in einer so genannten Hilfekonfe-

renz festgestellt, an der alle die mit dem Kind verbundenen Personen

beteiligt sind. Diese Konferenz findet jährlich statt bzw. wenn notwendig

auch zwischendurch. Es ist jedes mal zu prüfen, ob einen Rückführung

in den elterlichen Haushalt möglich ist.

10.2.3 Familienhilfe, § 31 KJHG

Eine ausgebildete pädagogische Fachkraft kommt je nach Bedarf mehr-

fach wöchentlich in die Familie. Ihre Aufgabe ist es, die Familie sowohl

wirtschaftlich als auch emotional zu beraten. Sie stützt und fängt auf,

um Stabilität für das Familiensystem zu erreichen. Die Hilfe wird auf

Antrag des Sorgeberechtigten gewährt (bzw. manchmal auch als Aufla-

ge vom Familiengericht eingesetzt) und dauert meist ein Jahr. Die je-

weiligen Familienhelfer/- innen sind einem privaten und mit Jugendamt

kooperierenden Träger angeschlossen. Einige haben spezielle Kennt-

nisse über Drogenmissbrauch.

10.2.4 Dauerpflegestelle, § 33 KJHG

Ist es aufgrund der Lebensumstände nicht zu verantworten, das Kind in

der Obhut der Eltern zu belassen und das Absehbare ohne Besserung

der Umstände, kann das Kind in eine Dauerpflegestelle vermittelt wer-

den, damit es dort in einem familiären Rahmen mit sicheren Bindungen

und Beziehungen leben kann. Sollte(n) die Sorgeberechtigte(n) damit

nicht einverstanden sein, muss gegebenenfalls im Interesse des Kindes

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ein Antrag auf Entzug de elterlichen Sorge beim Familiengericht gestellt

werden, so dass dann ein Vormund die Einwilligung erteilt.

10.2.5 Einsatz therapeutischer Hilfen, § 27 Abs. 3 K JHG

In Form von Psychotherapie, Ergotherapie, Legasthenietraining oder

auch für alle Angehörigen Paar- oder Familientherapie.

10.2.6 Begleiteter Umgang, § 18 KJHG

Ein begleitender Umgang wird eingesetzt, wenn lange kein Kontakt

zwischen den Familienangehörigen bestand und eine Entfremdung

vorliegt. Außerdem auch bei Verdacht auf Misshandlung bzw. sexuellen

Missbrauch. Ziel ist die Entstehung bzw. Stabilisierung der Beziehun-

gen zueinander.

10.2.7 Inobhutnahme, § 42 KJHG

Eine vorläufige Unterbringung des Kindes in einer Notsituation/Gefahr.

Für diese Zeit übt das Jugendamt das Recht auf Beaufsichtigung, Er-

ziehung und Aufenthaltsbestimmung aus und stellt die gesamte Versor-

gung des Kindes sicher. Bei Nichteinwilligung des Sorgeberechtigten

bzw. Unauffindbarkeit muss gegebenenfalls eine gerichtliche Entschei-

dung herbeigeführt werden. [2, S.58-61]

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11. Schlusswort

Während der Interviews mit Herrn Dr. Poehlke und Herrn Kirschbaum,

der Zusammentragung der Informationsmaterialien und der Bearbeitung

ist uns bewusst geworden, wie aktuell und wie groß dieser Themenbe-

reich ist. Durch die Gespräche über unsere Facharbeit in Fachkreisen

fiel immer wieder auf, dass offenbar ein großes Defizit in der Zusam-

menarbeit der einzelnen Berufsgruppen besteht. Insoweit sind wir zu

der Überzeugung gekommen, dass es wichtig ist, die hier von uns be-

schriebene Art von „Hilfsnetzwerken“ in möglichst vielen Städten zu

schaffen. Denn nur wenn genügend Menschen über diese Projekte in-

formiert werden, kann es zu einem besseren „Coming out“ dieser Kin-

der kommen. Uns ist inzwischen auch klar geworden, dass die Lösung

der Probleme nicht darin bestehen kann, die Kinder aus den Familien

zu nehmen und sie bei Dritten unterzubringen.

Diese Maßnahme kann, neben den erheblichen Kosten, möglicherwei-

se auch deshalb ein Schritt zweiter Wahl sein, da ihre Identitätsfindung

vor dem Hintergrund, dass sie von ihren eigenen Eltern abgelehnt wur-

den, mit zunehmendem Alter ernsthaft gestört werden kann. Nicht sel-

ten werden solche Kinder auch zwischen Eltern und Pflegeeltern oder

Heimen, je nach dem Grad ihrer Störung, hin und her geschoben. Ver-

schiedene Studien belegen, dass diese Brüche und die damit verbun-

dene mangelnde Kontinuität häufig zu Bindungs- und Haltlosigkeit, Ver-

haltensschwierigkeiten und eventuellen Entwicklungsrückständen führt.

Nicht alle drogenabhängigen Eltern sind "schlechte Eltern", so wie nicht

alle anderen Eltern "gute Eltern" sind.

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Literaturverzeichnis

Bücher:

1. Schmerzmanagement bei Opioidabhängigen, Substituierten und

cleanen Patienten, Prof. Dr. med. Jürgen Jage und Dr.med.

Thomas Poehlke, Juni 2003

2. Schwangerschaft – Sucht - Hilfe, Ein Leitfaden zum Casemana-

gement, Charité Campus Virchow-Klinikum, Manuela Nagel und

Jan-Peter Siedentopf April 2004

3. Substitutionshandbuch 2003, Osnabrück e.V. Drogenselbsthilfe

Internet:

4. http://bfg.rodiac.net/pdf/neonat._pflegetag/infos/Gefaehrdungen_

des_Kindes.pdf (22.2.2005)

5. http://drogenhilfe.at/news/contact/dokumente/OADrRohrmeisterN

ASWienDSA.pdf (18.3.2005)

6. http://www.bas-

muenchen.de/positionspapiere/Substitution_Muetter.pdf

(22.2.2005)

7. http://www.drogen-wissen.de/fr_index.html?dr_l.html (18.3.2005)

8. http://www.medicine-

worldwi-

de.de/pharmakologie/drogen/methadon.html?PRINTABLE=1&

(9.1.2005)

9. http://www.oegkv.at/download/2003/0607/herret.pdf (22.2.2005)

Sonstige Schriftstücke:

10. Beipackzettel Subutex ®

11. Checkliste „Drogenabhängigkeit und Schwanger-

schaft/Elternschaft“, Dortmund