Suddeutsche Zeitung.16!05!18

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8/17/2019 Suddeutsche Zeitung.16!05!18 http://slidepdf.com/reader/full/suddeutsche-zeitung160518 1/32 Berlin–DieWiderständegegendieMilch- politik der Bundesregierung nehmen zu. Am Dienstag versammelten sich mehrere Hundert Bauern des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) im mit- telfränkischen Neustadt. Vor dem Wahl- kreisbüro von Bundeslandwirtschaftsmi- nister Christian Schmidt (CSU) demons- trierten sie dafür, dass überschüssige Milchmengen aufgekauft und so der Ver- fall des Preises eingedämmt werden soll. „WirsindextremsaueraufeinenMinister, der uns in eine immer tiefere Verschul- dungtreibtundderdieKriseunnötigindie Länge zieht“, sagte BDM-Chef Romuald Schaber.DerVerbandsiehtsichalsGegen- initiative zum größeren Bauernverband, derdiePolitikderBundesregierungweitge- hendstützt. Gleichzeitig forderte Schleswig-Hol- steinsLandwirtschaftsministerRobertHa- beck (Grüne), die Menge angebotener Milchauchzwangsweisezudrosseln.„Die Milchmenge muss runter, sonst werden reihenweise Betriebe und damit Existen- zen zerstört“, sagte Habeck der  Süddeut- schen Zeitung . „Wenn freiwillige Maßnah- mennichtgreifen,muss die EUalsUltima Ratiokurzfristigeinezeitlichbegrenzteob- ligatorische Mengenbegrenzung beschlie- ßen“ , so Habeck. DerPreis,denBauernvondenMolkerei- enfüreinen LiterMilchbekommen,warin den vergangenen Tagen in einigen Regio- nen auf einen vorläufigen Tiefststand von 19 Cent gefallen. Schon vor wenigen Wochen hatten Discounter wie Aldi und NormaihrePreisefürden Literverkaufter Milchauf46Centgesenkt.DerPreisistin- nerhalbwenigerWochenum30Prozentge- fallen. Die Gründe für den stetig sinken- den Preis sind vielfältig: Das Wirtschafts- embargogegenRusslandunddiesinkende Kaufkraft in China haben zu geringerem Absatz auf diesen wichtigen Märkten ge- führt; andererseits produzieren unter an- deremdie USAundNeuseelandmehrbilli- ge Milch und verdrängen so das Angebot aus Deutschland. Gleichzeitigist im April2015 dieMilch- quoteabgeschafftworden.Diese hattedie MengederinderEuropäischenUnionpro- duzierten Milch über 31 Jahre reguliert. Auch in dieser Zeit schwankte der Milch- preis teils erheblich; seitdem die Menge nicht mehr quotiert wird, sinkt er jedoch stetig. Beim Deutschen Bauernverband wird erwartet,„dassdie Erzeugerpreisein den kommenden Monaten weiter unter Druckseinwerden“.Grunddafürseiendie teils „desolaten“ Abschlüsse zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und den Molkereien. DerBundeslandwirtschaftsministerhat wegen der Krise der Bauern für den 30. MaiPolitiker, Molkereien,Einzelhänd- lerund Bauernvertreterzu einemMilchgip- fel eingeladen. Dort sollen Hilfen für die Milchbauern beschlossen werden, darun- ter Steuererleichterungen, Liquiditätshil- fen und Bürgschaften. Christian Schmidt lehnt es aber kategorisch ab, die Menge derverkauftenMilchwiederzubegrenzen: „Die Lösung der Milchkrise kann nur im Marktselbst unddurchdie Beteiligtener- folgen.“     Seite4 Ganzgeheuerwar denÄrztenihr Experi- ment wohl selbst nicht. Jedenfalls trafen sie jedeMenge Sicherheitsvorkehrungen, bevor sie ihre Patienten dem Drogen- rausch überließen. Ein Psychiater an je- derSeitedesKrankenbetts,dasLichther- untergedimmt und ständiges Nachfra- gen, ob noch alles okay ist: So sicherten sich die Ärzte am Imperial College Lon- donab,alssieihrePatientenmitderKraft derZauberpilzeineineWeltvollerHalluzi- nationen hinüberschubsten. Das Ziel war nicht der Horrortrip im Krankenbett.VielmehrsolltederDrogen- rauschdiePatientenvonihrenDepressio- nenheilen.Unddas,soschreibendieÄrz- teimFachblatt Lancet Psychiatry , gelang in beachtlichem Maße. Eine Woche nach derBehandlunghatten allezwölfPatien- ten, die in der kleinen Pilotstudie den WirkstoffPsilocybinaus Zauberpilzenbe- kamen,deutlichwenigerdepressiveSym- ptome als zuvor; nach drei Monaten galt diesnoch fürjedenzweiten.Dabeiwaren diePatientenwahrlichkeineleichtenFäl- le: Im Durchschnitt litten sie schon seit fast 20 Jahren an mittleren bis schweren Depressionen, alle bisherigen Behand- lungsversuchehattenversagt.„VieleTeil- nehmer hatten dank der Droge ein tiefes Erlebnis“,betontStudienleiterRobinCar- hart-Harris. Zwar hätten manche auch Angst bekommen, als die Halluzinatio- nenbegannen,und einer habeWahnvor- stellungen gehabt. Aber letztlich hätten diePilzedieWahrnehmungderPatienten zum Positiven verändert: „Sie haben LichtinihredunkleWeltgebracht.“ Die Londoner Wissenschaftler gehö- ren zu den wenigen, die es noch wagen, mit bewusstseinserweiternden Drogen zuhantieren. Dabei istdie Hoffnung,mit solchenSubstanzenin dieTiefeder Seele vorzudringen, Jahrtausende alt. Schon SchamanennutztenZauberpilze.Und als derSchweizerChemikerAlbertHofmann 1943 das dem Psilocybin ähnliche LSD herstellte,wollteaucher damit etwasfür das Seelenheil der Menschen tun: 1949 wurde LSD „zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, beson- dersbeiAngst-undZwangsneurosen“zu- gelassen. Nur war bald die Zahl der zer- störten Seelen größer als die der geheil- ten, und so sind die Halluzinogene heute inden meistenLändernverboten. Aber Hofmann könnte doch recht ge- habt haben. In jüngster Zeit häufen sich die Hinweise darauf, dass der Drogen- rausch Ängste und Depressionen min- dernkann.DieSubstanzenwirkenimGe- hirnan dengleichenStellenwie dasHor- mon Serotonin, das Angst und Kummer vertreibt. Und gegen die Volkskrankheit Depressiongibtesbisheutenochzuweni- gewirksameMittel.EtwajederfünftePa- tientsprichtauf keineTherapiean. Ein kontrollierter Behandlungsver- such mit Psilocybin könne sinnvoll sein, sagt Hans Förstl, Direktor der Klinik für Psychiatrie am Münchner Klinikum rechts der Isar. Depressive Menschen könntenso „neueLustam Lebenbekom- men. Sie nehmen Erlebnisse intensiver wahr.“ Aber er warnt auch: Die Substan- zen wurden nicht grundlos verboten. Sie können eine Psychose auslösen, ein Selbstversuch verbiete sich: „Es gibt ei- nenUnterschiedzwischenDrogenalsLife- style und einem Behandlungsversuch in einer ansonsten ausweglosen Situation“, soder Experte.    Ankara– AufAntrag derRegierungspartei AKP will das türkische Parlament die Im- munität von einem Viertel der 550 Abge- ordneten aufheben, um der Justiz eine Strafverfolgung der Parlamentarier zu er- lauben.GegnervonStaatspräsidentRecep Tayyip Erdoğan sprechen von einem Putsch der Regierung gegen das Parla- ment,dervor allemaufdie legaleKurden- partei HDP ziele. Deren Fraktion hat 59 Mitglieder; 50 von ihnen drohen damit Anklagen – unter anderem wegen Terror- unterstützung.    Seiten4 und6 Berlin/Brüssel –DieSPDwillinderAbleh- nungdesumstrittenenPflanzenschutzmit- telsGlyphosathartbleiben.Die ander Ab- stimmunginderBundesregierungbeteilig- ten SPD-Ministerien machten am Diens- tagdeutlich,dass auchdie neue Studieei- nesGremiumsderWeltgesundheitsorgani- sation WHO daran nichts ändere, die das Herbizidals wahrscheinlichnicht krebser- regendeinstuft.DerSPD-Vorsitzendeund WirtschaftsministerSigmar Gabriel sagte: „Auch die neue WHO-Studie hat Zweifel. Ich finde: Safety first, Gesundheit first.“ Deshalb solleman Glyphosat nichtwieder zulassen.AuchdasBundesumweltministe- riumbekräftigteseineAbsicht,dieVerlän- gerungderZulassungdesUnkrautvernich- tungsmittelsinderEuropäischenUnionab- zulehnen. „Für uns hat sich nichts geän- dert“, sagte ein Sprecher. Sollten die bei- denRessortsmitdemLandwirtschaftsmi- nisterium, das für die Zulassung von Gly- phosatist,keineEinigungerzielen,müsste sichDeutschlandbeiderAbstimmungdie- seWocheenthalten.  /   Seite 2 Hamburg–DasLandgerichtHamburghat aufAntragdestürkischenPräsidentenRe- cepTayyipErdoğaneine einstweiligeVer- fügunggegendenZDF-ModeratorJanBöh- mermann erlassen. Das teilte das Gericht amDienstagmit.DabeigehtesumdasGe- dicht „Schmähkritik“, das der 35-Jährige im März in seiner Sendung vorgetragen hatte.BöhmermanndarfdiejenigenPassa- gen des Gedichts nicht wiederholen, die Erdoğan angesichts ihres schmähenden undehrverletzenden Inhaltsnicht hinneh- menmüsse.    Medien DieSeiteDrei FünfWindelnam Tag:DasLeben imAsylbewerberheimistauch für Säuglinge rationiert 3 Meinung DasAngebotan Milch musssinken–nurdashilft gegenden Preisverfall  4 Panorama Sonnengott auf demMeeresgrund: TaucherfindenvorIsrael einen spektakulärenSchatz  8 Feuilleton InMünchenist dieNeuinszenierung  von WagnersMeistersingern gelun- gen– zumindestmusikalisch 9  Wissen 38Jahrelang jeden Tageine SchachtelZigaretten:Wiekommt manvonderSuchtlos? 16 Medien,TV-/ Radioprogramm , Forum&Leserbriefe München· Bayern 28,29 Rätsel&Schach Traueranzeigen   Paris – Mit neuen Streiks, Demonstratio- nenundStraßensperrenversuchenFrank- reichs linke Gewerkschaften dieseWoche, die sozialistischeRegierung in die Knie zu zwingen.AusProtestgegendieReformdes Arbeitsrechts,dieeineLockerungdesKün- digungsschutzesundder35-Stunden-Wo- chevorsieht,blockiertenamDienstagLkw- Fahrer zahlreiche Landstraßen. Seit dem Abend fielen vor allem im Nahverkehr mehralsdieHälfteallerZügeaus,weilTau- sendeEisenbahnerindenAusstandtraten. In den Großstädten demonstrierten Tau- sende,in Pariswareneslaut Polizei11000. Präsident François Hollande schloss Kon- zessionenaus: „DiesesGesetzwird durch- kommen,ichwerdenichtnachgeben“,sag- teer demRadiosenderEurope1. DieRegierunghattevorigeWocheihren umstrittenen Gesetzentwurf nur mit Not in erster Lesung durchs Parlament ge- bracht. Angesichts massiver Widerstände vom linken Flügel seiner eigenen Partei hatte Premierminister Manuel Valls eine Sonderklauselder Verfassunggenutzt, um eineAbstimmungzu umgehen.DieseVor- gehensweise löste prompt eine neue Pro- testwellederReformgegneraus:Allenvor- andie linkenGewerkschaftenCGTund FO riefenfürDienstagundDonnerstagzuwei- terenDemonstrationen auf. Die Streikaktionen kommen einer Machtprobe mitder Regierung gleich. Die Gewerkschaften wollen bis Donnerstag nicht nur Straßenverkehr und Bahnen lahmlegen. Auch Mitarbeiter von Häfen und Flughäfen sollen zeitweise die Arbeit niederlegen.Diean Straßenblockadenbe- teiligten Lkw-Fahrer argumentieren, das geplante Gesetz werde ihre Zuschläge für Überstundenam SteuerundsomitihrEin- kommen drastisch mindern. Laut Umfra- genlehnendreivon vierFranzosendie ge- plante Reform zwar ab, die Zahl der Teil- nehmer an den seit März währenden Pro- test war zuletzt jedoch deutlich gesunken: Nach 390000 Demonstranten Ende März warenvorigeWochenurnoch55000Men- schen gegen die Reform marschiert. Nach Polizeischätzungen waren es am Dienstag imganzenLand68000Teilnehmer.Regie- rungundPräsidentensetzenoffenbardar- auf,dassderWiderstandermüdet. Allerdings eskalierte der Protest, weil sichinParis,RennesundNantesGewalttä- ter unter die Demonstranten mischten. In einem Fall ermittelt der Staatsanwalt so- garwegenversuchtenMordesaneinemPo- lizisten. Im Pariser Villenviertel Montpar- nasse warfen Demonstranten Steine und Molotowcocktails,SondereinheitenderPo- lizei setzten Tränengas ein. Die Polizei nahmlandesweit87 Personenfest. DieBehördenhatten53PersonendieDe- mo-Teilnahme verboten, in mindestens neunFällenerklärteeinGerichtdieVerbo- tefür unrechtmäßig.FürMittwochhatei- ne Polizeigewerkschaft zu einem Protest aufgerufen– ausÄrgerüberdieGewaltak- te gegen die Ordnungskräfte. Hollande, der im März seine Reform nach Protesten entschärft hatte, klang am Dienstag ent- schlossen:„IchmöchtelieberalseinPräsi- dentinErinnerungbleiben,derauchunpo- puläre Reformen angegangen ist – denn alsein Präsident,dernichtsgetanhat.“Bis DezemberwillHollandeentscheiden,ober sich2017 zurWiederwahlstellt. Seite 4 Berlin – Bundestrainer Joachim Löw hat inseinenvorläufigenKaderfürdieFußball- Europameisterschaft in Frankreich drei Debütanten berufen. Joshua Kimmich (FCBayern München),Julian Weigl(Borus- siaDortmund)undJulianBrandt(BayerLe- verkusen) stehen erstmals im Aufgebot, dasvonKapitänBastianSchweinsteigeran- geführt wird. Von der Weltmeistermann- schaft von 2014 sind noch 14 Akteure dabei. Bis zum 31. Mai muss Löw vier der 27 nominierten Spieler für den endgülti- gen EM-Kaderstreichen.    Sport DerTagstartetmit einemMix ausSonnen- schein und Wolken. Im Tagesverlauf von Westen,Südwestenundam Alpenrandein- zelneRegenschauermöglich.ImNordosten undOstenvereinzelteSchauer.Temperatu- ren14 bis21 Grad. Seite13 NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT  WWW .S ÜDD EUT SC HE. DE . JAH RG ANG / . WOC HE / NR. / , EUR O MÜNCHEN, MITTWOCH, . MAI HF Niederlage für Böhmermann Hollande will Massenprotesten trotzen Frankreichs Präsident steht vor schwierigen Tagen: In vielen Städten demonstrieren Zehntausende, um die Reformpolitik der Regierung zu stoppen. Doch der Sozialist schließt ein Entgegenkommen aus XetraSchluss Punkte N.Y. Uhr Punkte Uhr , US-$ Mit Charme und Humor: Bochums neuer Konzertsaal   Die Seite Drei „Die Milchmenge muss runter“ Wegen des Preisverfalls fordert Schleswig-Holsteins grüner Agrarminister die Rückkehr zu einer zeitlich begrenzten Quote HEUTE Die SZ gibt es als App für Tablet und Smartphone: sz.de/plus Licht ins Dunkel  Ärzte setzen Drogenpilze gegen Depressionen ein – mit Erfolg  AKP geht gegen Kurden im Parlament vor Bundestrainer Löw nominiert EM-Kader „Ich finde: Gesundheit first“ SPD-Chef Gabriel will im Streit um Glyphosat hart bleiben 21 ° /5 °  „Ich möchte lieber als Präsi dent in Erin nerung bleiben, der – auch unbeli ebte – Reformen angegangen ist, d enn a ls ein Präsident, der n ichts g etan ha t.“ François  Hollande will an den Veränderungen am Arbeitsges etz festha lten – auch im Ange sicht Tausen der Demon stranten wie hier in Nantes.  FOTO: JEAN-SEBASTIEN EVRARD/AFP SüddeutscheZeitung GmbH, HultschinerStraße 8,81677 München;Telefon 089/2183-0, Telefax-9777; [email protected]  Anzeigen: Telefon089/2183-1010 (Immobilien-und Mietmarkt),089/2183-1020 (Motormarkt), 089/2183-1030(Stellenmarkt, weitereMär kte).  Abo-Service:Telefon089/21 83-80 80,www.sz.de/abo A,B,F,GR,I,L,NL,SLO,SK:€3,40; dkr.26;£ 3,20;kn29;SFr. 4,80;czk96;Ft920 Dax  ▼ - ,% Dow ▼ - ,% Euro ▲ + , (SZ) Giovanni Bottesini war eng mit Giu- seppeVerdibefreundetundhat wiedieser ein Requiem geschrieben. Es ist nicht an- näherndso bekanntgewordenwiedasvon  Verdikomponierte,dafür beherrschteBot- tesini etwas, wovon Verdi nur träumen konnte: den Kontrabass. Bottesini galt zu seiner Zeit als der absolute Star unter den Kontrabassisten.SeinInstrument, eineAr- beitCarloAntonioTestores,war angeblich ausdemHolzjenesBaumes,unterdemSid- dharthaGautamaeinstdieErleuchtungzu- teil wurde, der Stachel aber aus dem Holz des Kreuzes Christi. Wenn es einen gab, dersichBottesiniandieSeitestellendurf- te,so wardas derböhmischstämmigeVir- tuose Franz Simandl, doch da er kein Re- quiemkomponierthat,scheideter ausun- serenheutigenÜberlegungenaus. Esgeht um die letzte Ehre für Jane Little, die als KontrabassistinvielleichtnichtWeltklasse war,diejedoch,alssiejetztmit87starb,im- merhin 71 Dienstjahre beim Atlanta Sym- phonyOrchestrahintersichhatte. WennMeldungenwiediesehierzulande Heiterkeit hervorrufen, so ist Patrick Süs- kinddarannichtunschuldig.Sein„Kontra- bass“,eineÉtudebrillante fürdasTheater, handeltin derHauptsachezwarvoneinem notorischmissgelaunten Kontrabassisten, sorgt aber nebenher auch dafür, dass das InstrumentseinFettabbekommt.DieBass- geige sei, sagt der Nörgler an einer Stelle, dasscheußlichste,plumpsteundunelegan- teste Instrument, das je erfunden wurde, derWaldschratunterseinesgleichen.Der- gleichen ginge auch an einer Geige, einer Flöte oder einem Horn nicht spurlos vor- über,nurdasssich dieseundähnlicheIns- trumentedurchihreEleganz,ihrennatür- lichen Adel den Schmähungen entziehen könnten.WiediedickenMenschen,denen ergleicht,ist derKontrabassnichtbeweg- lichgenug,sichsolcherSticheleienmitEr- folg zu erwehren, und das umso weniger, alserschondurchdasKinderlied„DreiChi- nesenmitdemKontrabass“ineine Sphäre gerückt worden ist, um die symphonische Instrumente üblicherweise einen weiten Bogen schlagen. Dass Jane Little unter den dienstältes- ten Orchestermusikern vor Frances Dar- ger (Geige, 70 Jahre), Richard Horowitz (Pauke,66 Jahre)undFelixResnick(Geige, 65 Jahre) lag, ist das eine. Das andere ist der auch bei Süskind erwähnte Umstand, dassdieBassgeigeralsdiegeheimenHerr- scher des Orchesters gelten, der Dirigent sich also gut mit ihnen stellen sollte. Be- denktmandas, mussman sichnichtmehr darüber wundern, dass Sergei Kussewizki undZubinMehta,ausgezeichneteKontra- bassistenallezwei,alsDirigentenindieGe- schichte eingegangen sind: Sie schützten sich auf diese Weise wohl vor sich selbst. JaneLittleblieb,wohindasSchicksalsiege- stellt hatte, und essprichtfür ihre Profes- sionalität,dasssie ausgerechnetbei „The- re’s No Business Like Show Business“ den Bogenausder Handlegte. Liebe Leserinnen, liebe Leser, wegen eines Streiks in der Druckerei wurde die Ressort-Reihenfolge dieser Ausgabe geändert. Berichteaus München,Bayernundder Regioner- scheinen in reduzierter Form. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis. DAS WETTER TAGS NACHTS 4 190655 802602 3 1 0 2 0

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    Berlin –DieWiderständegegendieMilch-politik der Bundesregierung nehmen zu.Am Dienstag versammelten sich mehrereHundert Bauern des Bundesverbands

    Deutscher Milchviehhalter (BDM) im mit-telfränkischen Neustadt. Vor dem Wahl-kreisbüro von Bundeslandwirtschaftsmi-nister Christian Schmidt (CSU) demons-trierten sie dafür, dass überschüssigeMilchmengen aufgekauft und so der Ver-fall des Preises eingedämmt werden soll.„Wirsindextrem saueraufeinenMinister,der uns in eine immer tiefere Verschul-dungtreibtundderdieKriseunnötigindieLänge zieht“, sagte BDM-Chef RomualdSchaber.DerVerbandsiehtsichalsGegen-initiative zum größeren Bauernverband,derdiePolitikderBundesregierungweitge-hendstützt.

    Gleichzeitig forderte Schleswig-Hol-steinsLandwirtschaftsministerRobertHa-beck (Grüne), die Menge angebotenerMilchauchzwangsweise zu drosseln.„Die

    Milchmenge muss runter, sonst werdenreihenweise Betriebe und damit Existen-zen zerstört“, sagte Habeck der   Süddeut-schen Zeitung . „Wenn freiwillige Maßnah-mennicht greifen,muss die EU alsUltimaRatiokurzfristigeinezeitlichbegrenzteob-ligatorische Mengenbegrenzung beschlie-ßen“, so Habeck.

    DerPreis,denBauernvondenMolkerei-enfüreinen LiterMilchbekommen,warinden vergangenen Tagen in einigen Regio-nen auf einen vorläufigen Tiefststand von19 Cent gefallen. Schon vor wenigenWochen hatten Discounter wie Aldi undNorma ihrePreisefürden Literverkaufter

    Milchauf46Centgesenkt.DerPreisistin-nerhalbwenigerWochenum30Prozentge-fallen. Die Gründe für den stetig sinken-den Preis sind vielfältig: Das Wirtschafts-

    embargogegenRusslandunddiesinkendeKaufkraft in China haben zu geringeremAbsatz auf diesen wichtigen Märkten ge-führt; andererseits produzieren unter an-deremdie USAundNeuseelandmehrbilli-ge Milch und verdrängen so das Angebotaus Deutschland.

    Gleichzeitigist im April2015 dieMilch-quoteabgeschafft worden.Diese hattedieMengederinderEuropäischenUnionpro-duzierten Milch über 31 Jahre reguliert.Auch in dieser Zeit schwankte der Milch-preis teils erheblich; seitdem die Mengenicht mehr quotiert wird, sinkt er jedochstetig. Beim Deutschen Bauernverband

    wird erwartet,„dassdie Erzeugerpreiseinden kommenden Monaten weiter unterDrucksein werden“. Grunddafürseiendieteils „desolaten“ Abschlüsse zwischen

    dem Lebensmitteleinzelhandel und denMolkereien.DerBundeslandwirtschaftsministerhat

    wegen der Krise der Bauern für den30. MaiPolitiker, Molkereien,Einzelhänd-lerund Bauernvertreterzu einemMilchgip-fel eingeladen. Dort sollen Hilfen für dieMilchbauern beschlossen werden, darun-ter Steuererleichterungen, Liquiditätshil-fen und Bürgschaften. Christian Schmidtlehnt es aber kategorisch ab, die MengederverkauftenMilchwiederzubegrenzen:„Die Lösung der Milchkrise kann nur imMarkt selbst unddurchdie Beteiligtener-folgen.“     Seite 4

    Ganzgeheuerwar denÄrztenihr Experi-ment wohl selbst nicht. Jedenfalls trafensie jedeMenge Sicherheitsvorkehrungen,bevor sie ihre Patienten dem Drogen-rausch überließen. Ein Psychiater an je-derSeitedesKrankenbetts,dasLichther-untergedimmt und ständiges Nachfra-

    gen, ob noch alles okay ist: So sichertensich die Ärzte am Imperial College Lon-donab,alssieihrePatientenmitderKraftderZauberpilzeineineWeltvollerHalluzi-nationen hinüberschubsten.

    Das Ziel war nicht der Horrortrip imKrankenbett.VielmehrsolltederDrogen-rauschdiePatientenvonihrenDepressio-nenheilen.Unddas,soschreibendieÄrz-teimFachblatt Lancet Psychiatry, gelangin beachtlichem Maße. Eine Woche nachderBehandlung hatten allezwölf Patien-ten, die in der kleinen Pilotstudie denWirkstoffPsilocybinaus Zauberpilzenbe-kamen,deutlichwenigerdepressiveSym-ptome als zuvor; nach drei Monaten galt

    diesnoch fürjedenzweiten.Dabei warendiePatientenwahrlichkeineleichtenFäl-

    le: Im Durchschnitt litten sie schon seitfast 20 Jahren an mittleren bis schwerenDepressionen, alle bisherigen Behand-lungsversuchehattenversagt.„VieleTeil-nehmer hatten dank der Droge ein tiefesErlebnis“,betontStudienleiterRobinCar-hart-Harris. Zwar hätten manche auchAngst bekommen, als die Halluzinatio-nenbegannen,und einer habeWahnvor-stellungen gehabt. Aber letztlich hättendiePilzedieWahrnehmungderPatientenzum Positiven verändert: „Sie habenLichtin ihredunkleWeltgebracht.“

    Die Londoner Wissenschaftler gehö-ren zu den wenigen, die es noch wagen,mit bewusstseinserweiternden Drogen

    zu hantieren. Dabei istdie Hoffnung,mitsolchenSubstanzenin dieTiefeder Seele

    vorzudringen, Jahrtausende alt. SchonSchamanennutztenZauberpilze.Und alsderSchweizerChemikerAlbertHofmann1943 das dem Psilocybin ähnliche LSDherstellte, wollteaucher damit etwasfürdas Seelenheil der Menschen tun: 1949wurde LSD „zur seelischen Auflockerungbei analytischer Psychotherapie, beson-dersbeiAngst-undZwangsneurosen“zu-gelassen. Nur war bald die Zahl der zer-störten Seelen größer als die der geheil-ten, und so sind die Halluzinogene heuteinden meistenLändernverboten.

    Aber Hofmann könnte doch recht ge-habt haben. In jüngster Zeit häufen sichdie Hinweise darauf, dass der Drogen-

    rausch Ängste und Depressionen min-dernkann.DieSubstanzenwirkenimGe-hirnan dengleichenStellenwie dasHor-mon Serotonin, das Angst und Kummervertreibt. Und gegen die VolkskrankheitDepressiongibtesbisheutenochzuweni-gewirksameMittel.EtwajederfünftePa-

    tientsprichtauf keine Therapiean.Ein kontrollierter Behandlungsver-such mit Psilocybin könne sinnvoll sein,sagt Hans Förstl, Direktor der Klinik fürPsychiatrie am Münchner Klinikumrechts der Isar. Depressive Menschenkönntenso „neueLustam Lebenbekom-men. Sie nehmen Erlebnisse intensiverwahr.“ Aber er warnt auch: Die Substan-zen wurden nicht grundlos verboten. Siekönnen eine Psychose auslösen, einSelbstversuch verbiete sich: „Es gibt ei-nenUnterschiedzwischenDrogenalsLife-style und einem Behandlungsversuch ineiner ansonsten ausweglosen Situation“,soder Experte.  

     Ankara– AufAntrag derRegierungsparteiAKP will das türkische Parlament die Im-munität von einem Viertel der 550 Abge-ordneten aufheben, um der Justiz eineStrafverfolgung der Parlamentarier zu er-lauben.Gegnervon StaatspräsidentRecepTayyip Erdoğan sprechen von einemPutsch der Regierung gegen das Parla-ment,dervor allemaufdie legale Kurden-partei HDP ziele. Deren Fraktion hat59 Mitglieder; 50 von ihnen drohen damitAnklagen – unter anderem wegen Terror-unterstützung.     Seiten4 und6

    Berlin/Brüssel –DieSPDwillinderAbleh-nungdesumstrittenenPflanzenschutzmit-telsGlyphosathart bleiben.Die ander Ab-stimmunginderBundesregierungbeteilig-ten SPD-Ministerien machten am Diens-tagdeutlich,dass auchdie neue Studieei-nesGremiumsderWeltgesundheitsorgani-sation WHO daran nichts ändere, die dasHerbizidals wahrscheinlichnicht krebser-regend einstuft.Der SPD-VorsitzendeundWirtschaftsministerSigmar Gabriel sagte:„Auch die neue WHO-Studie hat Zweifel.Ich finde: Safety first, Gesundheit first.“Deshalb solleman Glyphosat nichtwiederzulassen.AuchdasBundesumweltministe-riumbekräftigteseineAbsicht, dieVerlän-gerungderZulassungdesUnkrautvernich-tungsmittelsinderEuropäischenUnionab-zulehnen. „Für uns hat sich nichts geän-

    dert“, sagte ein Sprecher. Sollten die bei-denRessortsmitdem Landwirtschaftsmi-nisterium, das für die Zulassung von Gly-phosatist,keineEinigungerzielen,müsstesichDeutschlandbeiderAbstimmungdie-seWocheenthalten.   /   Seite 2

    Hamburg–DasLandgerichtHamburghataufAntragdestürkischenPräsidentenRe-cepTayyipErdoğaneine einstweilige Ver-fügunggegendenZDF-ModeratorJanBöh-mermann erlassen. Das teilte das GerichtamDienstagmit.DabeigehtesumdasGe-dicht „Schmähkritik“, das der 35-Jährigeim März in seiner Sendung vorgetragenhatte.BöhmermanndarfdiejenigenPassa-gen des Gedichts nicht wiederholen, dieErdoğan angesichts ihres schmähendenundehrverletzenden Inhaltsnicht hinneh-menmüsse.     Medien

    DieSeiteDreiFünfWindelnam Tag:Das LebenimAsylbewerberheim istauchfür Säuglinge rationiert  3

    MeinungDasAngebotan Milchmuss sinken –nur dashilftgegenden Preisverfall  4Panorama Sonnengott auf demMeeresgrund:Taucherfindenvor Israeleinen spektakulärenSchatz  8FeuilletonIn Münchenist dieNeuinszenierung  von WagnersMeistersingern gelun-gen– zumindestmusikalisch  9 Wissen38Jahrelang jeden TageineSchachtelZigaretten:Wie kommtman vonderSucht los?  16Medien,TV-/ Radioprogramm ,Forum & Leserbriefe München· Bayern 28,29Rätsel & Schach

    Traueranzeigen

     

    Paris – Mit neuen Streiks, Demonstratio-nenundStraßensperrenversuchenFrank-reichs linke Gewerkschaften dieseWoche,die sozialistischeRegierung in die Knie zuzwingen.AusProtestgegendieReformdesArbeitsrechts,dieeineLockerungdesKün-digungsschutzesundder35-Stunden-Wo-chevorsieht,blockiertenamDienstagLkw-Fahrer zahlreiche Landstraßen. Seit demAbend fielen vor allem im NahverkehrmehralsdieHälfteallerZügeaus,weilTau-sendeEisenbahnerindenAusstandtraten.In den Großstädten demonstrierten Tau-sende,in Pariswareneslaut Polizei 11000.Präsident François Hollande schloss Kon-zessionenaus: „DiesesGesetzwird durch-kommen,ichwerdenichtnachgeben“,sag-teer demRadiosenderEurope1.

    DieRegierunghattevorigeWocheihrenumstrittenen Gesetzentwurf nur mit Notin erster Lesung durchs Parlament ge-bracht. Angesichts massiver Widerständevom linken Flügel seiner eigenen Parteihatte Premierminister Manuel Valls eineSonderklauselder Verfassunggenutzt, umeineAbstimmungzu umgehen.DieseVor-gehensweise löste prompt eine neue Pro-testwellederReformgegneraus:Allenvor-andie linkenGewerkschaften CGTund FOriefenfürDienstagundDonnerstagzu wei-terenDemonstrationen auf.

    Die Streikaktionen kommen einerMachtprobe mitder Regierung gleich. DieGewerkschaften wollen bis Donnerstagnicht nur Straßenverkehr und Bahnenlahmlegen. Auch Mitarbeiter von Häfenund Flughäfen sollen zeitweise die Arbeitniederlegen. Diean Straßenblockaden be-

    teiligten Lkw-Fahrer argumentieren, dasgeplante Gesetz werde ihre Zuschläge fürÜberstundenam Steuerund somitihrEin-kommen drastisch mindern. Laut Umfra-genlehnendreivon vierFranzosendie ge-plante Reform zwar ab, die Zahl der Teil-nehmer an den seit März währenden Pro-test war zuletzt jedoch deutlich gesunken:Nach 390000 Demonstranten Ende MärzwarenvorigeWochenurnoch55000Men-schen gegen die Reform marschiert. NachPolizeischätzungen waren es am DienstagimganzenLand68000Teilnehmer.Regie-rungundPräsidentensetzenoffenbardar-auf,dass derWiderstandermüdet.

    Allerdings eskalierte der Protest, weilsichinParis,RennesundNantesGewalttä-ter unter die Demonstranten mischten. Ineinem Fall ermittelt der Staatsanwalt so-garwegenversuchtenMordesaneinemPo-

    lizisten. Im Pariser Villenviertel Montpar-nasse warfen Demonstranten Steine undMolotowcocktails,SondereinheitenderPo-lizei setzten Tränengas ein. Die Polizeinahmlandesweit87 Personenfest.

    DieBehördenhatten53PersonendieDe-mo-Teilnahme verboten, in mindestensneunFällenerklärteeinGerichtdieVerbo-tefür unrechtmäßig. FürMittwochhatei-ne Polizeigewerkschaft zu einem Protestaufgerufen– ausÄrgerüberdieGewaltak-te gegen die Ordnungskräfte. Hollande,der im März seine Reform nach Protestenentschärft hatte, klang am Dienstag ent-schlossen:„Ichmöchtelieberalsein Präsi-dentinErinnerungbleiben,derauchunpo-puläre Reformen angegangen ist – dennalsein Präsident,dernichtsgetanhat.“BisDezemberwillHollandeentscheiden,obersich2017 zurWiederwahlstellt. Seite 4

    Berlin – Bundestrainer Joachim Löw hatinseinenvorläufigenKaderfürdieFußball-Europameisterschaft in Frankreich dreiDebütanten berufen. Joshua Kimmich(FCBayern München),Julian Weigl(Borus-siaDortmund)undJulianBrandt(BayerLe-verkusen) stehen erstmals im Aufgebot,dasvonKapitänBastianSchweinsteigeran-geführt wird. Von der Weltmeistermann-schaft von 2014 sind noch 14 Akteuredabei. Bis zum 31. Mai muss Löw vier der27 nominierten Spieler für den endgülti-gen EM-Kaderstreichen.     Sport 

    DerTagstartetmit einemMix ausSonnen-schein und Wolken. Im Tagesverlauf vonWesten, Südwestenundam Alpenrandein-zelneRegenschauermöglich.ImNordostenundOstenvereinzelteSchauer.Temperatu-ren14 bis21 Grad. Seite13

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    Niederlage für

    Böhmermann

    Hollande will Massenprotesten trotzenFrankreichs Präsident steht vor schwierigen Tagen: In vielen Städten demonstrieren Zehntausende,

    um die Reformpolitik der Regierung zu stoppen. Doch der Sozialist schließt ein Entgegenkommen aus

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    Mit Charme und Humor: Bochums neuer Konzertsaal   Die Seite Drei

    „Die Milchmenge muss runter“Wegen des Preisverfalls fordert Schleswig-Holsteins grüner Agrarminister die Rückkehr zu einer zeitlich begrenzten Quote

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    Licht ins Dunkel Ärzte setzen Drogenpilze gegen Depressionen ein – mit Erfolg 

     AKP geht gegen Kurdenim Parlament vor

    Bundestrainer Löwnominiert EM-Kader

    „Ich finde:Gesundheit first“SPD-Chef Gabriel will im Streit

    um Glyphosat hart bleiben

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     „Ich möchte lieber als Präsi dent in Erin nerung bleiben, der – auch unbeli ebte – Reformen angegangen ist, d enn a ls ein Präsident, der n ichts g etan ha t.“ François Hollande will an den Veränderungen am Arbeitsges etz festha lten – auch im Ange sicht Tausen der Demon stranten wie hier in Nantes.   FOTO: JEAN-SEBASTIEN EVRARD/AFP

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    (SZ) Giovanni Bottesini war eng mit Giu-seppeVerdi befreundetundhat wiedieserein Requiem geschrieben. Es ist nicht an-näherndso bekanntgewordenwiedas von

     Verdikomponierte,dafür beherrschteBot-tesini etwas, wovon Verdi nur träumenkonnte: den Kontrabass. Bottesini galt zuseiner Zeit als der absolute Star unter denKontrabassisten.SeinInstrument, eineAr-beitCarloAntonioTestores,war angeblichausdemHolzjenesBaumes,unterdemSid-dharthaGautamaeinstdieErleuchtungzu-teil wurde, der Stachel aber aus dem Holzdes Kreuzes Christi. Wenn es einen gab,dersichBottesinian dieSeitestellendurf-te,so wardas derböhmischstämmige Vir-tuose Franz Simandl, doch da er kein Re-quiemkomponierthat,scheideter ausun-seren heutigen Überlegungenaus. Esgehtum die letzte Ehre für Jane Little, die alsKontrabassistinvielleichtnichtWeltklassewar,diejedoch,alssiejetztmit87starb,im-merhin 71 Dienstjahre beim Atlanta Sym-phony Orchestrahintersichhatte.

    WennMeldungenwiediesehierzulande

    Heiterkeit hervorrufen, so ist Patrick Süs-kinddarannichtunschuldig.Sein„Kontra-bass“, eineÉtudebrillante fürdasTheater,handeltin derHauptsachezwarvoneinemnotorischmissgelaunten Kontrabassisten,sorgt aber nebenher auch dafür, dass dasInstrumentseinFettabbekommt.DieBass-geige sei, sagt der Nörgler an einer Stelle,dasscheußlichste,plumpsteundunelegan-teste Instrument, das je erfunden wurde,derWaldschratunterseinesgleichen.Der-gleichen ginge auch an einer Geige, einerFlöte oder einem Horn nicht spurlos vor-über, nurdasssich dieseundähnlicheIns-trumentedurchihreEleganz,ihren natür-lichen Adel den Schmähungen entziehenkönnten.Wie diedickenMenschen,denenergleicht,ist derKontrabassnicht beweg-lichgenug,sichsolcherSticheleienmitEr-folg zu erwehren, und das umso weniger,alserschondurchdasKinderlied„DreiChi-nesenmitdem Kontrabass“ineine Sphäregerückt worden ist, um die symphonischeInstrumente üblicherweise einen weitenBogen schlagen.

    Dass Jane Little unter den dienstältes-ten Orchestermusikern vor Frances Dar-ger (Geige, 70 Jahre), Richard Horowitz(Pauke,66 Jahre)und FelixResnick(Geige,65 Jahre) lag, ist das eine. Das andere istder auch bei Süskind erwähnte Umstand,dassdieBassgeigeralsdiegeheimenHerr-scher des Orchesters gelten, der Dirigentsich also gut mit ihnen stellen sollte. Be-denktmandas, mussman sichnichtmehrdarüber wundern, dass Sergei KussewizkiundZubin Mehta,ausgezeichneteKontra-bassistenallezwei,alsDirigentenindieGe-schichte eingegangen sind: Sie schütztensich auf diese Weise wohl vor sich selbst.JaneLittleblieb,wohindasSchicksalsiege-stellt hatte, und es sprichtfür ihre Profes-sionalität,dasssie ausgerechnetbei „The-re’s No Business Like Show Business“ denBogenausder Handlegte.

    Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    wegen eines Streiks in der Druckerei wurde dieRessort-Reihenfolge dieser Ausgabe geändert.

    Berichteaus München,Bayernundder Regioner-

    scheinen in reduzierter Form. Wir bitten Sie umIhr Verständnis.

    DAS WETTER 

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  • 8/17/2019 Suddeutsche Zeitung.16!05!18

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     V iele im Abgasskandal durch VW be-trogeneKundenwerdenindenVerei-nigten Staaten eine Entschädigung

    erhalten – im Gespräch sind 5000 Dollar,betroffene Autos werden auf Wunsch zu-rückgekauft. Außerdem muss VW einenFondszur Kompensationder verursachtenUmweltschäden einrichten. All dies wirdgerade zwischen den amerikanischen Be-hörden,den dortigenSammelklägernund VW verhandelt. Gleichzeitig weigert sich VWaber,die inden USAeinvernehmlicher-zielte Lösung aufDeutschlandzu übertra-gen. Das nennt man „Regulierungs-Arbi-trage“:VWnutztdasGefällederRechtsord-nungen, um seine Verluste zu minimierenund die Vorstandsboni hochzuhalten, auf Kostenvon Verbrauchernund Umwelt.

    Woher diese Ungerechtigkeit gegen-überdeutschenAutokäufern?DasVerbrau-

    cher-und Umweltrechtistbei unszahnlos,weil Instrumente zur Durchsetzung feh-len. Dazu bräuchte man entweder starkeBehörden oder die effektive Bündelungvon Individualrechten. In Deutschlandgibt es weder das eine noch das andere.DasKraftfahrt-BundesamtagiertalsLehr-buchbeispiel für   regulatory capture, alsodieUnterordnungeiner Behördeunter diePartikularinteressenderIndustrie.Diema-nipulierten Autos lässt man weiterfahren.WennUmweltverbändenachdemInforma-tionsfreiheitsgesetz Akteneinsicht bean-tragen, werden ganze Aktenordner ge-schwärzt,um dieBranchezu schützen.

    Aber auch für einzelne Verbraucher istesin Deutschlandweitgehendsinnlos,derÜbermacht von VW entgegenzutreten. Ei-nederwenigenKlagenwurdevomLandge-richt Bochum im März mit dem erstaunli-chen Argument abgewiesen, dassder vor-schriftswidrig überhöhte Abgasausstoßnurein Bagatellmangelsei; derKäuferha-be schlicht auf die Nachbesserungsversu-chevonVWzuwarten.

    In den USA ermöglicht das Instrument

    der Sammelklage eine Bündelung der An-sprüche aller Kunden, sofern diese nichtausdrücklich widersprechen. So wird diein einem komplexen Fall nötige ExpertiseundSchlagkraftgeschaffenund Druckauf dieBeklagtenausgeübt.In Deutschlandistdies nur über organisatorisch aufwendigeAbtretungsmodelle denkbar, die von derInitiativejedeseinzelnenVerbrauchersab-hängen.

    ÜberSammelklagenundandereVarian-ten des kollektiven Rechtsschutzes wirdauch in Europa seit Jahren diskutiert. DieEU-Kommissionhat2013empfohlen, dassalle Mitgliedstaaten Kollektivverfahren

    einführen sollten; viele haben dies auchschon getan. In Deutschland wurde dage-gen ein Gesetzentwurf der Grünen für einauf individueller Initiative beruhendesGruppenverfahren durch die Regierungs-koalition im Bundestag abgelehnt. EineumfassendeStudiedesUmweltbundesam-tes hat jüngst die Ausweitung der Ver-bandsklage vorgeschlagen, bisher erfolg-los. Nur für Kapitalanleger gibt es in

    DeutschlandeineSonderregelung,dasKa-pitalanleger-Musterverfahrensgesetz.Die-seswird jetzt relevant,denn vieleInvesto-ren haben VW wegen der mit dem Abgas-skandalverbundenenFehlinformationderKapitalmärkteauf Schadenersatzin Milli-ardenhöheverklagt.Den VW-KundenundderUmwelthilftdiesesGesetzabernicht.

    DieGegnervonSammelklagenbringenzwei Argumente vor: Erstens seien diese

    oft „missbräuchlich“ – also: unberechtigt– und zweitens viel zu teuer. Die Miss-brauchstheorie wird von der empirischenForschung nicht bestätigt; selbst in denUSAistdieForschungslagekeineswegsein-deutig.ImGegenteil:Erfolgshonorarefüh-ren dort dazu, dass sich Anwälte die aus-sichtsreichen Fälle heraussuchen, in de-nendasFehlverhaltendesBeklagtenoffen-sichtlichist.DaheristVWfürdieKlägeran-wälteeingefundenesFressen.DieSanktio-

    nierungrechtswidrigen Verhaltensist aberkein Missbrauch. Ein Missbrauch derRechtslageliegteherdarin,dassUnterneh-men die mangelhafteRechtsdurchsetzungin Deutschland für profitable Rechtsbrü-che nutzen.

    Es bleibt das Kostenargument: SollenAnwälte mit der Durchsetzung von Ver-braucher- und Umweltinteressen vielGeld, ja Millionenbeträge verdienen? DieIndustrieseitewarntvor einer„Klageindus-trie“.DieseWarnungistsowohlausmorali-scher wie aus ökonomischer Sicht unbe-rechtigt. Schon heute verdienen die gro-ßenAnwaltsfirmen vieleMillionenmit der

    Durchsetzung der ökonomischen Interes-senihrerMandanten.Daranistnichtsaus-zusetzen, weil qualifizierte, kompetenteund harte Arbeit auch einen guten Lohnverdient. Warum aber nur die Vertretungvon Industrieinteressen reich machendarf, nicht aber die von Verbraucher- undUmweltbelangen, istnichtzu verstehen.

    In ökonomischer Hinsicht gilt: Ja, dieRechtsdurchsetzung in einer komplexenIndustriegesellschaftkostet Geld.Derarti-ge Prozesse werden nicht – wie es viel-leicht ein medial verklärtes Bild des An-waltsberufs noch suggerieren mag – vonEinzelkämpfern wie in der Fernsehserie„Liebling Kreuzberg“ geführt, sondernvon hochkarätig besetzten Teams aus Ju-risten, Wirtschaftsprüfern, Steuerbera-tern, Technikern und anderen Experten.Wie bei jeder volkswirtschaftlichen Be-

    trachtungsindhierabernichtnur dieKos-ten zu berücksichtigen, auch der Nutzenmuss in das Kalkül eingehen. Dieser istschwer zu quantifizieren, dürfte aber er-heblich sein. Die Herrschaft des Rechts –anstelle der Willkür bloßer Machtaus-übung durch den wirtschaftlich Stärkeren–ist fürunsereGesellschaftundfür unse-re Ökonomie von grundlegender Bedeu-tung. Wer die Rechtsdurchsetzung ver-nachlässigt, verliert die Zustimmung inder Bevölkerung und setzt auch ökono-misch falsche Anreize: Wenn Unterneh-mendamitrechnenkönnen,selbstbeigra-vierenden Rechtsverstößen ungeschoren

    davonzukommen, entsteht eine Räuber-ökonomie anstelle einer nachhaltigen, ge-ordnetenunddamitaucheffizientenWett-bewerbsordnung. Es greift zu kurz, wennmanRechtsdurchsetzung nurals Kosten-,nichtaberauchals Nutzenfaktorsieht.

    DasBundesjustizministeriumund nunauch die Verbraucherschutzminister derLänder haben schon mehrfach den Ent-wurfeiner voraussichtlichsehr bescheide-nen„Musterklage“fürVerbraucherverbän-de angekündigt. Dieser Vorschlag mussendlich auf den Tisch, damit seine Vor-undNachteileoffendiskutiertwerdenkön-nen.Insbesondereist zufragen,ob dienursehr knapp ausgestatteten Verbraucher-verbände wirklich die richtigen Klägersind, und wie die Finanzierung derartiger Verfahrenermöglicht wird.Eins stehtabermit dem VW-Skandal fest: Für die Durch-

    setzung des Verbraucher- und Umwelt-rechts muss noch viel getan werden. EinedeutscheSammelklageist überfällig.

     

    Es ist die große Überraschung: Kurzvor der europäischen Entscheidungüber eine Wiederzulassung des

    AckergiftsGlyphosathat einGremiumderWeltgesundheitsbehörde WHO seine Risi-koeinschätzung aktualisiert. Fazit des„Joint Meeting for Pesticide Residues“:Kein Krebsrisiko für Menschen durch dasHerbizid im Essen. Im März des Vorjahreshatten KrebsforscherderWHO dasHerbi-zid noch als „wahrscheinlich krebserre-gend im Menschen“ eingestuft. Wie kanndassein?Die Antwortenim Überblick:

     Wasist Glyphosatund wie wirktes?Glyphosat ist eine Chemikalie, die rechtwahllos Pflanzen tötet, indem sie ein En-zym blockiert. Das Gift wird nur über dieBlätteraufgenommenund deshalbvor derAussaatauf denÄckernversprüht,um Un-kraut zu vernichten. Der Bauer spart sichdas Pflügen, die Bodenerosion wird ver-mindert. Glyphosat kann auch kurz vorder Ernte als Reifebeschleuniger einge-setzt werden. Meistens kommt es als Ge-mischin denHandel,oft werden Netzmit-tel hinzugefügt, um die Haftung auf denBlätternzuverbessern.DasMittel„Round-up“ von Monsanto ist so ein Mix. Es gibtgentechnisch veränderte Pflanzen, die ei-ne Glyphosatdusche problemlos aushal-

    ten.Siekönnenjederzeitgespritztwerden.In der EU spielen solche „Roundup rea-dy“-Pflanzenaber derzeitkeine Rolle.

     Warumhat die WHOihr Urteilzu Glypho-sat plötzlichgeändert?Das ist ein Missverständnis. Die WHO hatihr Urteil nicht geändert. Es gibt vielmehrzwei Urteile zu zwei Fragestellungen, fürdie auch zwei getrennte ExpertenteamsvonderWHObeauftragtwurden.DieInter-nationale Krebsforschungsagentur (IARC)beurteilt Stoffe nach ihrem grundsätzli-chenGefahrenpotenzial. Siesagt zumBei-spiel: Rotes Fleisch ist „wahrscheinlichkrebserregend“.Sie gehtabernichtaufdasRisiko ein, mit dem ein Verbraucher kon-kretzurechnenhat,wennerFleischisst.Et-wa:IsteinSteak pro Wocheriskant– odereinspro Tag?So ist esauch beiGlyphosat.DieIARCsagt,dasHerbizidseiwahrschein-lichkrebserregend,und dasJoint Meetingfor Pesticide Residues (JMPR) schätzt dasRisiko für realistische Konzentrationenein,denendieMenschenetwadurchRück-ständein derNahrung ausgesetztsind.

    Gefahr,Risiko– woist derUnterschied?GefahrensindetwasAllgemeines.Bergstei-gen ist gefährlich, auch eine Straße kannsehr gefährlich sein. Welches Risiko manauf einer Straße eingeht und ob man bes-ser darauf verzichtet, sie zu überqueren,istdamitabernichtgesagt.Risikoeinschät-zungen erforderneinenBezugzu denUm-ständen,also zumTempound derZahlderfahrenden Autos auf der Straße. Genausoist es mit Glyphosat. Wie rotes Fleisch hat

    eslautEinschätzungderIARCwahrschein-lichdieFähigkeit,Krebsauszulösen.UnterwelchenUmständendaspassiert,wiehoch

    also das Risiko ist, steht a uf einem ande-ren Blatt. Dafür ist vor allem die Dosis zubeachten. Aus wissenschaftlichen Datenlassen sich Grenzwerte ableiten, die einensicheren Umgang mit einer Substanz er-möglichen.Das zuletztoft kritisierte Bun-desinstitut für Risikobewertung (BfR) hatübrigens deutlich strengere Grenzwertevorgeschlagenals jetzt dasJMPR.

    IstGlyphosatalsogar nicht ungesund?Glyphosat bleibt ein Gift. Die Mengen, dieman in verschiedenen Getränken wie Bieroder Wein gefunden hat, erhöhen abernicht das Krebsrisiko. Auch die bislang imUrin von Menschen gefundenen Mengendeutennichtauf eineBedrohunghin. Dar-insindsichdieeuropäischeBehördefürLe-bensmittelsicherheit Efsa, das BfR in Ber-linundebendasJMPRderWHOeinig.Ei-ne „widerstreitendewissenschaftliche Be-wertung“, wie das UmweltministeriumnochamDienstagerklärte,gibtesgenausowenig wie einen „Dissens“ innerhalb derWHO, wie Heike Moldenhauer vom BUNDbehauptet.

     Aus Südamerika wird von Fehlbildungenberichtet. Wiesinddie zuerklären?EsgibteinigeBerichte,aberkeinesystema-tischenUntersuchungen, die belegenwür-den, dass Glyphosat die Ursache für dieFehlbildungen ist. In den Regionen wirdmeist ein Spektrum weiterer Pflanzen-

    schutzmittel eingesetzt. Auf Feldern mitgentechnisch veränderten, resistentenPflanzen wird Glyphosat zudem ganzjäh-

    riggespritzt,oft sogarmit Flugzeugenausder Luft. Es gibt Dörfer, die inmitten sol-cherFelder liegenund einenTeil derGift-dusche abbekommen. Solche Anwendun-gensindinEuropanichterlaubt.EineRol-lekannauchspielen,welcheRezeptureninden betroffenen Ländern genutzt werden.Glyphosat kommt immer zusammen mitHilfsstoffen zum Einsatz, die den Effektverstärkensollen. SogenannteTallowami-ne helfen dem Hauptwirkstoff zum Bei-spiel,indieZelleneinzudringen.DieseStof-fesindin Deutschlandnichtmehrzugelas-sen.Mit unterschiedlichenRezepturenlie-ßesichaucherklären,warumausSüdame-rika Fehlbildungen gemeldet werden, ausdenUSA, wodas Pestizidebenfallsmassen-hafteingesetztwird,aber nicht.

    Manche Experten gelten Kritikern als zuindustriefreundlich.Wer ist seriös?DieWHObetont,dasssowohldieExpertenderIARCals auchdes JMPRhandverlesenundauf mögliche Interessenskonflikte hinüberprüftwurden.DasJMPRschlossFach-leuteaus derBewertungaus, wennsie mitdenHerstellernderbegutachtetenHerbizi-de in Verbindung stehen. Einige Expertender europäischen Behördefür Lebensmit-telsicherheit EFSA werden hingegen zuRechtwegenihrerNähezurIndustriekriti-siert.

     Wie wirktGlyphosat auf die Umwelt?

    WeildasHerbizidallesGrünvernichtet,lei-den auch Tiere, Insekten und Mikroorga-nismen. IhreLebensgrundlagewird durch

    dasMittelzerstört.Dass GlyphosatdieAr-tenvielfaltaufdemAckerdezimiert,istdes-halb unumstritten. Die Schäden sollendurcheinen verantwortungsvollenEinsatzsogeringwie möglich gehaltenwerden.

    Gibtes Alternativen?Es gibt kein Mittel auf dem europäischenMarkt, das über ein vergleichbares Wirk-spektrumverfügtundfürähnlicheAnwen-dungen zugelassen wäre wie Glyphosat.Andere Unkrautmittel wirken zum Bei-spielnichtsobreit,mancheWildpflanzen-arten können ihnen von Natur aus wider-stehen. Neben Spritzmitteln gibt es nochmechanische Werkzeuge zur Unkrautbe-kämpfung:etwaPflug,GrubberoderEgge.

     Waspassiert, wennGlyphosat keine neueZulassungerhält?AuchwennGlyphosatnichtwieder zugelas-sen werden sollte für den europäischenMarkt, wird die erhoffte Wende in derLandwirtschaftwohlausbleiben.DieLand-wirte kehren wahrscheinlich zu dem zu-rück, wassie gemachthaben,bevorsie auf Glyphosat umstiegen: Mehr mechanischeUnkrautbekämpfung, was sich einerseitsgut auf die Artenvielfalt auf den Äckernauswirken könnte, andererseits aber auchdie Erosion der nährstoffreichen Schich-tenfördert.ZudemwerdenLandwirtehäu-figermitanderenGemischenvonPflanzen-schutzmitteln arbeiten, deren Gefährlich-

    keitfürMenschund Umweltviel schwererabzuschätzen ist als bei Glyphosat. In je-demFallsteigendieKostenfürdieBauern.

     Axel Halfmeier , 48, lehrtBürgerliches Recht,Rechtsvergleichung sowieinternationales Privat-und Verfahrensrecht ander Leuphana UniversitätLüneburg. Er forscht zuInstrumenten des kollekti-ven Rechtsschutzes.FOTO: OH

    Wenn der Streit um das Unkrautvernich-tungsmittel Glyphosat Angela Merkel er-reicht, schlagen mindestens zwei Herzen,ach, in ihrer Brust: Die Wissenschaftlerinin derKanzlerin könnteder Zulassungauf GrundlagedesneuenGutachtensderWelt-gesundheitsorganisation (WHO) wohl zu-stimmen. Politisch aber muss Merkel denWiderspruch des Koalitionspartners SPDberücksichtigen,ohne dabei wiederdie ei-genenLeuteinder Unions-Fraktionzu irri-tieren, die von der Flüchtlingspolitik biszurVerkaufsprämiefürElektroautosohne-hinschondauerndwas zuMurrenhaben.

    In der Europäischen Union der Zulas-sung zustimmen oder sich enthalten, waseiner Ablehnung gleichkäme – das ist dieFrage. Ähnlich wie im Fall des ZDF-Satiri-kers JanBöhmermannstehenwiederzweiSPD-Ministerien(Wirtschaft und Umwelt)gegen ein Unionsministerium, (Landwirt-schaft, CSU) und das CDU-geführte Kanz-leramt. Damals gab bei informeller Stim-mengleichheit der Wille der Chefin denAusschlag–dieJustizwurdezueinemVer-fahren ermächtigt. Die SPD kritisierte dieEntscheidung,nahm sieaberletztlichhin.

    Das wäre diesmal nicht gesichert, denndieSPD-Fraktionhat inihrerjüngstenSit-zung einen klaren Beschluss gefasst, wo-nach die SPD-Minister in der Regierungdaraufhinzuwirkenhaben,dassdie Zulas-sung von Glyphosat nicht verlängert wird.Auf der Unions-Seite hat das reichlich Är-gerhervorgerufen,zumal mandie Auffas-sung vertritt, einigen Forderungen derSPDbereits entgegengekommen zusein.

    Interne Regierungsdokumente zeigenzudem, dass das WirtschaftsministeriumnochvordreiMonateninternfürdieweite-re Nutzung von Glyphosat unter Auflagenplädiert hat. „BMEL und BMWi sprechensich dafür aus, dass DEU dem Genehmi-gungsentwurf zustimmt“, heißt esim ver-traulichen Protokoll einer Ressortbespre-chung mit dem Landwirtschafts- (BMEL)unddem Umweltministerium vomFebru-ar. Davon war nach der Fraktionssitzungvergangene Woche keine Rede mehr, Um-weltministerin Barbara Hendricks undWirtschaftsminister Sigmar Gabriel, inPersonalunionauchVizekanzlerund SPD-Chef, kündigten den Koalitionskompro-misskurzerhandauf.

    SPD-seitig wird nun nicht nur ange-führt, dasses ausunterschiedlichenZwei-genderWHOzweiunterschiedlicheBewer-tungen gebe. Vielmehr heißt es zudem,dass noch eine gefahrenbasierte Einstu-fung von Glyphosat anhängig sei, die beiderEuropäischenChemikalien-AgenturinArbeitund frühestensin einemJahrfertigsei.OhnederenErgebniskönneGlyphosatnichtalsunbedenklichbehandeltwerden.

    Stimmenthaltung in der EU aufgrundvon Meinungsverschiedenheiten in derBundesregierungistnichtsNeues.Schwie-rig wird es immer dann, wenn das deut-scheVotumentscheidendfürdas ErgebnisderAbstimmungist. Derletzteprominen-teFalldieserArtwarderStreitüberdieZu-lassung einer genveränderten Maissorteim Frühjahr 2015. Deutschland enthieltsich, weil CSU und SPD für ein Verbot wa-ren, Merkel und die CDU aber nicht. DerMaiswurdezugelassen, alsKonzession andie Kritiker erhielten die Mitgliedsstaateneine Opt-Out-Option, die es ihnen gestat-

    tet,trotzEU-ZulassungdenAnbauvongen-verändertemMais imeigenenLandzu un-tersagen.   ,

    THEMA DES TAGES2   HF2   Mittwoch, 18. Mai 2016, Nr. 113 DEFGH

    BetrogeneAnlegergenießenSchutz, nichtjedoch Verbraucher unddieUmwelt

    Gefahren, Gift und falsche SchlüsseDie Expertengremien widersprechen sich beim Thema Glyphosat, so stellen es Umweltministerium und Öko-Verbände dar.

    Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die Fachleute sind sich in den wichtigsten Fragen zum Gesundheitsrisiko erstaunlich einig

     Von Amerika lernen

    Der VW-Abgasskandal zeigt: Deutschland braucht dasInstrument der Sammelklage. Von Axel Halfmeier 

    DasUrteilder EuropäischenChemikalien-Agenturistfrühestens 2017 zu erwarten

    Glyphosat tötet alle Pflanzen. Deswegen wird es meist vor der Aussaat versprüht, damit die Nutzpflanzen dann auf den Äckern ungehindert von Unkraut wachsen können. FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAND/DPA

    Saat derZwietracht

    Wie sich die Kanzlerin in der Frageauch entscheidet – es gibt Ärger

     AUSSENANSICHT

    Der Streit um Glyphosat Noch in dieser Woche will die EU über die Neuzulassung des Unkrautmittels entscheiden.Selten war ein Pflanzengift so heftig umstritten. Ist es nun krebserregend oder nicht? Wie schwer sind die Schäden für die Umwelt?

    Deutschland dürfte bei der Abstimmung das Zünglein an der Waage spielen. Das erhöht den Druck auf Berlin umso mehr

  • 8/17/2019 Suddeutsche Zeitung.16!05!18

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    Im Garten von Steven Sloane in Bo-chum hängt ein leeres Baumhaus.SeineKindergehennuninBerlinzurSchule. Kinder hinterlassen Stille,aber ein stummer Garten kann ei-

    nemDirigenten auchgut tun.Er fühltsichwohlin Bochum.Viele würden sicheherinLos Angeles wohl fühlen, wo Sloane gebo-renist.ErerinnertsichaneinesonnigeJu-gend, an den Crestwood Hills Park, an dieRockband,inder erGitarrespielte.Erdiri-giert immer wieder in Kalifornien. Abersein Hauptorchester, sein Lieblingsklang-körpersind dieBochumerSymphoniker.

    Dank Sloane haben die SymphonikerabOktobereinenKonzertsaal.Nichteinenneuen, sondern überhaupt einen. SeitihremGründungsjahr1919spielendie Bo-chumerMusikerdort,wo geradeein RaummiteinerBühnefreiist,oderhalteineroh-neBühne.ZumBeispielimSchauspielhausan der Königsallee, einem legendärenHaus zwar, aber mit Sprechtheaterakus-tik,bei der,wiedie Musikersagen,„einemdie Notenvor die Füße fallen“. Oderi n derJahrhunderthalle in Stahlhausen, die malGebläsemaschinen beherbergte. . .

    „We always got the crumbs“, sagt Sloa-ne. Er spricht gut deutsch und übersetztsich selbst aus dem Englischen. „Wir ha-benimmerdieKrümelgekriegt.“Oderum-gekehrtaus demDeutschenins Englische.„Ich bin ein Ruhri. I am a Ruhri.“ Oder ersagtSachenwie:„AnewZweckforcelebrat-ing a church.“ Der neue Konzertsaal ist aneineentweihteKircheangebaut.

    Sloane ist ein fantastischer Ruhri, ihmistetwasgelungen,woran seineVorgängereinJahrhundertlanggescheitertwaren,eswar ein Jahrhundert voller Waffen, Ze-chen,Tauben, Zigaretten,ClausPeymann.Deutscher Alltag. Vielleicht klappte es so

    lange nicht mit dem Konzertsaal, weil Bo-chum ein gespaltenes Verhältnis zur Kul-tur pflegt. Es gibt ein Foto aus dem Som-mer 1945: Bochum-Ehrenfeld, alles nochin Trümmern, nur das Schauspielhauswird schon wieder aufgebaut, ein TempelderHohenKunst.

    DasFehleneinerSpielstättefürdaseige-neOrchesterstörtehierhingegenlangenie-manden. Es störte nur das Ensemble undvielleicht noch jene stumm leidenden Zu-hörer,überschaubaran derZahl, deneneswehtut,wenn MusikernihreNoten vordieFüße fallen. Es gab jedenfalls bereits vorSteven Sloane Konzertsaalpläne, sogarBaupläne,aberes wurdenieetwasdaraus.Kein Geld. Unterm Strich: kein Bock. DieSymphoniker sindnichtder VfL.

     VfL-FanSloane hat sich durchgebissen,zum Teil durchgebettelt, vor allem aberhat er sich durchdirigiert. So hat er nichtnur den Bochumern, sondern, zwinker,zwinker, auch den Hamburgern undMünchnern eine schöne Lektion erteilt:So, Leute, kommt man an einen Konzert-saal!

    Die Bochumer jedenfalls finden ihreSymphoniker auf einmal sehr gut und in-teressant.DerStadtratunddasLandNord-rhein-Westfalen stehen nun selbstver-ständlich hinter dem „Projekt Konzert-saal“, daswar nicht immerso klarersicht-lich, aber nun, da alles gut gegangen ist,warumnicht?Ein Wahl-Bochumeraus LosAngeles hat das Biest namens deutscherAlltagbezwungen.Dasist eineinteressan-teÜbung,jenseitsderFrage,wie vielKlas-sikein Landbraucht.

    DasWundervonBochumhat38Millio-nen Euro gekostet. Zum Vergleich, dieHamburgerhabensichgeradeeineElbphil-harmoniefür 789Millionen Eurogegönnt.DieMünchnerwollenihren akustischner-vigenGasteigumbauen,waszwischen300und 400 Millionen Euro kosten darf, vonden Kosten für einen neuen Konzertsaaldannnochsehr zuschweigen.

    DasZeichenallergrößterZuneigungimRuhrgebiet: Mehr als ein Drittel des Gelds

    inBochumkam vonSpendern.Das Ergeb-nis sieht gut aus, irgendwie pottschick. InBochum dreht sich vieles um das kulina-risch anspruchsvolle Weggehviertel Ber-mudadreieck. Sobald man dem ent-kommt,RichtungKönigsallee,strecktsichdie schlanke, kartoffelfarbige Marienkir-che gen Himmel, entweiht, aber gepflegt.Diese Kirche dient nun als Foyer. Wo derAltar war, entsteht die Kassentheke, undobenhängteineschwereGlockemiteingra-viertem Spruch:„In Christusalles wieder-herstellen.“ Sloane ist Jude und glaubtnichtanGott,aberermag dieseGlocke.Siewird nun zur Pausenglocke, gestimmt auf denTonB.

    Nebenan:DerKonzertsaal,dessenWän-dederartkurvenfeinverlaufen,das essichwie eine unaufdringliche Umarmung an-fühlt. Das Bochumer Publikum soll nachhundert Jahren Klangverzerrung akus-tisch umarmt werden. Auch die Musikerwollen umarmt werden auf ihrer Bühne,dieendlichgroßgenugistfüralle,220Qua-

    dratmeter, und trotzdem intim im Ver-gleichzu vielen Häusern dieserWelt.Nochriechtes hiernachHolz undBohrlöchern.

    StevenSloanegelangall dies,in demerauf die Bochumer Bevölkerung gnadenlosCharme ausübte, auch auf Menschen, dienicht viel Ahnung von klassischer Musikhaben. Mehr als 50000 Bochumer habendenBauunterstützt.AmEndehatteSloaneaber auch Glück. Gegen die Bezirksregie-rung Arnsberg, die den Bochumer Stadt-haushalt genehmigt beziehungsweise

    nicht genehmigt, hilft kein Charme. DerKampf im Revier verlief zum Teil drama-tisch. Sloane ist ein Mann, der jeden TagSport treibt, Crosstrainer, 16-Kilo-Han-teln, er trägt Lederjacken, Ohrstecker, er

    ist der Typ Zupacker, der das Kind in sichnochnichtgetötethat.Sein Lächelnist nieroutiniert.

    Weihnachten 2008 sei ganz düster ge-wesen. „AnmanchenTagenbin ichaufge-wacht und habe im Dunkeln gesagt: Es istvorbei,what’s next?“

    Die Bezirksregierung Arnsberg hattedenBauderBochumerSymphonieineinerZeitausgebremst,in derSloanekeineLustmehrverspürte,bisansEndeseinerKarrie-re in erbärmlicher Akustik zu dirigieren.Er ist schließlich auch in Amsterdam ge-fragt, in New York, in Leeds, in Stavanger.Außerdem verspürte er keine Lust mehraufs Klinkenputzen. Es gibt auch nicht soviele Klinken in Bochum, die man putzenkann.Sloanehattebereitsmehrals siebenMillionen Euro Spenden zusammenge-kriegt, der beeindruckte Stadtrat hatte15Millionen Euro Zuschuss versprochen,undnun: Nothaushalt.

    Ein großer Steuerzahler hatte Bochumverlassen,Nokia.EinVorvorvorgängerSte-

    venSloaneshatteimJahr1959,dawarSloa-ne noch ein Säugling in Los Angeles, einMemorandum an den Bochumer Stadtratverfasst: „Die seit 1956 im Rat diskutierteAbsicht, dem Städtischen Orchester stattder bisherigen Provisorien eine angemes-sene Unterkunft zuzuweisen, darf nichtaufgegeben werden.“ Damals wollte manfür die Symphoniker das Parkhaus imStadtparkerweitern.Dannginges denBo-chumer Zechen nicht gut, und das Park-hausbliebein Parkhaus.

    Als Sloane 1994 den Dirigentenpostenin Bochum übernahm, ging es wiederumdemOrchesterbereitssoschlecht,dassauf der Bühne oft mehr Menschen saßen alsim Publikum.Es gab Pläne, die BochumerausGnademit denDortmundernzufusio-nieren. Sloane hätte den Job in Dortmundbekommen, aber er lehnte ab. Die Bochu-merhattenihngerührt,siehattenihn zumAmtsantritt mit Plakaten begrüßt, auf-gehängt überall in der Stadt: „Please wel-comeMr.Sloane!“

    „Wir sind zusammengewachsen“, sagter. Deswegen kann er diesen Musikernauch nicht einfach Goodbye sagen. EinsderPlease-welcome-PlakatehängtnochinderehemaligenZechePrinzRegentim Sü-denBochums.Hierprobendie Symphoni-ker. Müssen sie. Noch. Die Geiger klagen,dass sie beim Spielen sichselbst nicht hö-ren,siehörennurdieanderen.WennsieimAudimaxspielen,hörensieumgekehrtnursich selbst. Trotzdem ist dieses OrchesterunterSloaneimmerbessergeworden. DerDeutsche Musikverleger-Verband hat dasBochumer Konzertprogramm zweimal alsdasbesteder Saisonausgezeichnet.

     Vor einigen Wochen dirigierte Sloane

    einsseinerletztenKonzerteimSchauspiel-haus.Erzog sichin derfremdenUmkleideum, die ihm als Dirigentenzimmer zuge-wiesen worden war, aß saure Gummibär-chenauf dem Flur, am Tagdanach fuhrensienachAmsterdamundspieltendasselbeProgramm im legendären Concertge-bouw: „Für uns war das wie Tag undNacht.“ Das Amsterdamer Publikum aber,das die Bochumer Nacht nicht kennt, ap-plaudierte einem Orchester, das mittler-weileinternational gutmithaltenkann.

    In Bochum leben trotzdem Menschen,die den Bau der Philharmonie verhindernwollten.Es gab den VersucheinesBürger-begehrens mit der Begründung, Bochumbrauchesoetwasnicht.EinVaterbeschwer-te sich, die Stadt finde kein Geld für einenneuen Sonnenvorhang für die Schule sei-nes Sohnes, 600 Euro, während die Sym-phoniker Millionen kriegen. Es ist aberauch so, dass die Stadt erst kürzlich einneuesGymnasiumgebauthat,für32Milli-onenEuro.

    EineZeitlangschickteSloaneseineMu-siker mit Sparschweinen ausgestattet un-ters Volk. Samstagsmusik in der Fußgän-gerzone. Sie spielten im Kolpinghaus, vordem C& A, bei Spielplatzeinweihungen.Der Golfclub Stiepel richtete ein Turnieraus, zur Preisverleihung gab es Blechblä-ser, und die Musiker bekamen einen TeildesPreisgeldes.SloanedirigiertedenSpiel-mannszug der Maiabendgesellschaft. Al-lesfür dieKonzerthaus-Stiftung.Arbeitenfür den Arbeitsplatz. Sloane holte HerbertGrönemeyer für ein Benefizkonzert insRuhrstadion,klingelteBochumeraus demSki-Urlaub. „Einer gab 100000 Euro undwargenervt. Heute ister stolz.“

    Die größte Summe gab Norman Faber,ein Lotto-Unternehmer. Sloane hoffte auf einpaar TausendEuro, vielleichtfünf.Fa-ber gab fünf Millionen. „Ich musste michan seinem Tisch festhalten“, sagt Sloane.Faber stellte Bedingungen: Der Konzert-saal soll im Stadtzentrum gebaut werden,und er spendet nur, wenn auch anderespenden.DieBedingung,dassseinNameir-gendwoprange,stellteFabernicht.DieFas-sade wird nun der Name von AnnelieseBrost schmücken. Die Stiftung der WAZ-Gründerinsteuertedrei Millionenbei.

    Sloane hätte diesen Kampf trotzdemverloren.Die Spenden alleine hätten nichtausgereicht, und bei Stadt und Land warnichts zuholen.Nur weildie Marienkircheabgerissenwerdensollte,weilfürderenAb-wicklung zehn Millionen Euro eingeplantwaren, durfte Sloane miteinem neuenAr-chitektenentwurf wieder Politikerhändeschütteln. Der Konzertsaal wurde an dieKirche herangeschmiegt und in ein „Mu-sikforum“ umgewandelt, er ist also mehralseineSpielstättefürdieSymphoniker,eristauchein Raumfürdie Musikschule,fürKlavierfestivals,Lesungen– undso gabesplötzlichsogarGeld ausBrüssel.

     Vor drei Jahren übernahm Sloane eineProfessur für Dirigieren in Berlin. SeineFrau und drei Kinder leben dort, am Los-Angeles-Platz,erpendelt.In seinemhellenBochumerHaus mitKamin fehlen nundiePartiturenundBücherindenRegalen.Wasmacht ein Konzertsaal-Gigant, so ganzallein? Brownies essen, Bier trinken,Baseballgucken.Alltag.At it’sbest.

     

    Köln  – Zur Geburt bekam sie eine blaueWanneundzweiroteEimer.Sokamsiezu-rückindasHausmitdemBetonboden,ers-te Etage, Stahlbett: mit zwei Neugebore-nen,einerWanneund zweiEimern.

    Marie Noël sitzt auf der Bettkante undlässt einen Rest Milch in den Eimer plät-schern. Sie hat keine Küche in dem Haus,in dem sie wohnt, nur einen Kocher, deraufdemFußbodensteht.WenndieZwillin-ge hungrig sind, zieht sie den Abwasser-trog unter dem Bett heraus. In das Gläs-chenfülltsieWasserausdem SechserpackundfünfLöffelMilupa.Siemisstgenauab.

    Das Leben ihrer Kinder ist rationiert.Fünf Windeln bekommt Marie Noël für jedes am Morgen. Einmal in der Wochegibt es zwei Päckchen Feuchttücher. AuchMarieNoëlbekommtihreRation:Zweikal-te Mahlzeiten am Tag, eine warme. Und

    zwei Rollen Klopapier. Ihre Kinder wach-sen in einer alten Kfz-Zulassungsstelle inKölnauf,an einerAutobahnzufahrt.

    Marie Noël ist 29, ihr Körper ist nochschwervonderSchwangerschaft,ihreWan-gen sind rund. Sie trägt Turnschuhe. SiemagTrickfilme.ZuHauseimKongowohn-te sie noch bei ihren Eltern und jobbte imReisebüro.ZweiJahresindvergangenseit-dem, es ist eine Ewigkeit. Fast 6000 Kilo-meterliegenzwischendamalsund heute.

    Sie beobachtete durch einen Spalt, wieihre Eltern starben. Die fremden Männersuchten Geld, sie wollte fliehen, doch sieschaffte es nur hinter eine Tür. Dann hielt

    sie die Luft an. Es war eine jener Banden,die morden und plündern, die den Kongozueinemso schrecklichenOrtmachen.Alssie fort waren, war sie allein. Sie buchteeinen Flug nach Marokko, folgte einerGruppenach Spanien.Sie wolltenurweg.

    Und dann kam Eric. Bei seiner AbreisehaterihrseineAdresseaufgeschrieben.Eh-renfeld,Köln,Deutschland.Europa.Siewa-renspazierengegangenin Spanien,er waraus dem Kongo, wie sie. Die Liebe endetemit seinem Urlaub. Besuch mich mal, hater zu ihr gesagt. Dahergesagt. Und sie warschwanger. Ihr Leben in Spanien war niemehr als ein Provisorium. Sie schlief auf derCouchvon Leuten,die siekaum kann-te.OhnePass,ohneJob.Sie bliebmeist imHaus, nahm nie den Zug, keinen Bus. Sielernte, sich zu verstecken. Auch in diesemTextbestehtsie aufPseudonyme.

    Sie war im sechsten Monat schwanger,als eine Kölner Notunterkunft für Asyl-bewerber sie aufnahm. Sie teilte sich einZimmer mit drei Frauen. Mutter und Kin-der sollten eine neue Unterkunft bekom-men, schrieb der Arzt in sein Attest. Siebrauchen eigenen Wohnraum, genügendBetten,eineigenesBadezimmer.Ruhe,Hy-giene,Privatsphäre,„besonders inden ers-tenWochennachderGeburt“.Siedarfum-

    ziehen: in ein Einzelzimmer am anderenEnde des Verwaltungsgebäudes.

    Esgibt vieleRegeln indiesem Haus,diemeisten von ihnen sind Verbote. Besucheverboten. Mikrowelle verboten. Der Was-serkocher ist auch nicht erlaubt, davongeht Marie Noël aus. Wenn sie die Fläsch-chenfüllt,schließtsiedeshalbdie Türab.

    Auch für Säuglinge gibt es in Deutsch-land viele Vorschriften. Das Kinder- undJugendhilfegesetz soll dafür sorgen, dassKinder,dieinstaatlichenEinrichtungenle-ben, gut aufgehoben sind. Aber eine Asyl-unterkunft ist kein Kinderheim im Sinnedes Gesetzes, auch wenn hier Kinder le-ben.Deshalbmüssendie Behördenin die-sen Häusern nicht prüfen, ob sich Kinderhiergesundentwickelnkönnen.JederBür-germeister entscheidet selbst, wie strenger ihre Lebensbedingungen in Asylunter-künftenüberprüft.Wie vielGelder spart.

    DabeihätteeineRichtliniederEUlängst

    füreinenbesonderen Schutz vonKindern,Alleinerziehenden, Schwangeren undKranken in den Flüchtlingsunterkünftensorgen sollen. Im Sommer vor drei Jahrenwar den europäischen Staaten aufgetra-genworden,entsprechendeGesetzezuver-abschieden. Anfang des Jahres rügte dieEUdiedeutscheRegierung,weilsie immernochnichtdaraufreagierthat.

    Es ist eine Lotterie. Der Wohnort ent-scheidet, wie gut die Lebensbedingungender Kinder werden. Mal gibt es einzelneHilfsprojekte, mal Sonderunterkünfte.NurdasLandBrandenburghatdieeuropäi-schen Bestimmungen umgesetzt. Zwar

    gibteslängstVorschläge,wiemanKommu-nen verpflichten könnte, Asylunterkünftezu überprüfen. Doch Innenminister Tho-mas de Maizière (CDU) möchte es auch inZukunft den Bundesländern und denBetreibern von Flüchtlingsunterkünftenüberlassen, solche Konzepte zu entwi-ckeln.DagegenwehrtsichdieSPD-geführ-teLandesregierungvonNordrhein-Westfa-len, die Flüchtlinge vor allem in die Groß-städte schickt. Sie erwartetvom Innenmi-nistereinGesetz,dasfürallegilt.DiePoliti-kerverhandeln. Solangewachsendie Kin-derin Kfz-Zulassungsstellenauf.

    Esist einkleinerRaum,in demNoëlmitihren Söhnen lebt. Paul schläft auf demBauch, den Kopf zum Stoffhasen gedreht.Nebenihm liegendrei MülltütenvollerBa-bykleidungim Gitterbett.In denschmalenMetallschränkenam Fensterist dafürkeinPlatz. Auchauf ihremBettstapelnsich dieSäcke. Die Brüder teilen sich das Kinder-

    bett. Der Kinderwagen steht mitten imZimmer, damit ihn niemand klaut. Auf demTischliegt das,was sieeingesammelthat. Sie hebt die Honigportionen aus derKantineauf,ihre DuschutensilienliegenineinerSuppenschaleaus Plastik.Meistsitztsie auf der Bettkante und beobachtet dieKinder.Der Fernseherläuftlautlos.

    Ben weint. Sie nimmt ihn in die Arme,öffnet mitden ZähnendenMüllbeutel ne-bensich.EineHandfischteinLätzchenher-aus. Ben brummt beim Trinken. Auf demBildschirm sprechen eine Meerjungfrauundein Haimiteinander,stumm bewegensich ihre Lippen. Türen klappern im Flur,

    Kinder schreien, arabische Stimmen. Sielässt das Fenster geöffnet, auch wenn eskühl ist. Ein dumpfer Geruch liegt imRaum. Könnte der braune Streifen sein,dersichan derDeckeentlangzieht.DieGe-meinschaftsduschen sind direkt über ihr.Sie verbringt so wenig Zeit wie möglich inden Waschräumen. Sie kann die Kindernicht allein lassen, aber mitnehmen kannsie sie auch nicht. Zwei Säuglinge sind zuschwer. Esgibt niemanden,der aufpassenkann. Wenn sie das Zimmer verlässt,schließtsie dieBabysein.

    Die Meerjungfrau im Fernseher ist zueinem Bullauge abgetaucht. Im Bauch des

    Schiffs erblickt sie die geräumige Stubedes Kapitäns. Ein Esstisch, ein Ohrenses-sel,ein Globus.GroßeZeichentrickaugen.

    ImOktoberstandsie amKölnerHaupt-bahnhof.SiehatAutosangehalten,diegan-zeStrecke vonSpanienbis hierher,mit di-ckenFüßen undrundemBauch.SiesuchtedenVaterihrerKinder.Natürlichwaresge-fährlich. Sie spricht nicht gern über dieseReise. „Ich habe die ganze Zeit gebetet“,sagt sie. Im Krankenhaus zeigt das Ultra-schallbildzwei Kinder. Aberin Erics Woh-nunglebtbereitseineFrau.

    Ein halbes Jahr ist das jetzt her. Es istMittag. In der Kantine haben die Deut-

    schenPlastikhaubenüberihreHaaregezo-gen. Sie haben Bilder an die Wände ge-hängt:denEiffelturm,frischaufgeschäum-tenLatteMacchiato.WohnlichkeitimQua-drat.Es isteineNot-Unterkunft,dochvielelebenmonatelanghier.SiewartenaufBrie-fe,auf eineEntscheidungvomAmt.

    Eintopf wird in Plastikschalen gefüllt,die Schlange ist lang, die Leute stapelnWeißbrotscheiben wie Türme auf ihrePappteller.MarieNoëllöffeltso schnellsiekann, den Zimmerschlüssel im Blick. IhreKinderliegen alleineaufdem Bett.

    DasKölnerGesundheitsamthat dieUn-terbringung gesunder Säuglinge in denNotaufnahmenerlaubt– auchdann,wennes sich dabei um eine Turnhalle handelt.ZwischendenFeldbettenderMassenunter-künfte leben viele Neugeborene. Schwan-gere Frauen schicken die Sozialarbeiternurzur Geburtins Krankenhaus.

    Marie Noël klagte vor Gericht auf eine

    bessereUnterkunft.Erfolglos.Die„spezifi-schen Bedürfnisse einer Wöchnerin undvon Säuglingen kurz nach der Nieder-kunft“, schrieb der Richter in seinen Be-schluss,habesichnachzweiMonaten„erle-digt“. Das Deutsche Rote Kreuz, das dieMenschen versorgt, sagt, die Kontrolleurehätten keine feuchtenWändegemeldet.

    AufihremWegzurückindasZimmerbe-gegnet Marie Noël einer jungen Frau, siehat ihre Tochter mit einem Handtuch auf den Rücken gebunden. Vor den Aufzügenspielen Kinder und starren hinaus auf dieAutobahnzufahrt.Eric,der Vater,hat seineSöhnenochnie besucht.

    DIE SEITE DREIDEFGH Nr. 113, Mittwoch, 18. Mai 2016  HF2   3

    DerAbrissder Kirchehätte eh10 Millionen gekostet. Da hatte

    Sloane malwieder eine Idee

     Das Tor zum Hi mmel: Die entw eihte Marienkirche sollte abgerissen werden, nun di ent sie als Foy er für den ne uen Konzer tsaal. S teven S loane liebt das Ruh rgebiet

    und glaubt nicht an Gott. Er glaubt an den Ton B – die alte Kirchenglocke sorgt damit jetzt für das Pausenzeichen. FOTO:REGINASCHMEKEN

    Der amerikanische TraumWie man an einen neuen Konzertsaal kommt? Ein Mann aus Los Angeles zeigt es

    den Deutschen: mit Charme, Humor und Fleiß. Dank Steven Sloane hat das klamme Bochumim klammen Ruhrgebiet jetzt einen Ort für seine Symphoniker

    DasWundervon Bochum kostetnur 38 Millionen Euro. Staunenin Münchensowie in Hamburg 

    Esgab schonPläne fürdenGnadenakt: die Fusion desOrchesters mitden Dortmundern

    Der Vater ihrer Kinder sagt,komm’ dochnach Deutschland. Als sie kommt,ist da eine andere

     Wenn sie sich waschen will, musssie ihre Säuglinge im Zimmereinsperren.Sie duscht blitzschnell

    Mutter CourageFünf Windeln am Tag und ein paar Feuchttücher: Das Leben im Asylbewerberheim ist rationiert, auch für Neugeborene. Ein Tag mit einer jungen Mutter

  • 8/17/2019 Suddeutsche Zeitung.16!05!18

    4/32

    Seit ein paar Monaten werden die SpieledesFußball-BundesligistenFC Schalke04häufigvonSpähernausländischerSpitzen-klubs besucht. Spione des FC Barcelona,von Manchester City oder Real MadridsindlängstStammgäste.Der Grundistein20 Jahre altes Versprechen auf die Zu-kunft,das amDienstagvonBundestrainerJoachimLöw in dasvorläufige,27-köpfigeAufgebot für die Europameisterschaft inFrankreichberufenwurde:derStürmerLe-roySané,derbeimGelsenkirchenerTradi-tionsverein groß geworden ist und vorzweiJahrenseinBundesligadebütgab.

    BislanghatSanénureinLänderspielbe-stritten. Doch die Chancen, dass er denSchnittübersteht,denLöwam31.Maivor-nehmen muss (jedes Team darf nur 23Spielermitnehmen),sindformidabel.„Le-roykann etwas Besonderes ins Spielbrin-gen“,sagtLöw.InderTat:SanéhatdieFan-tasieund GeschmeidigkeiteinesBalletttän-zers,denKörpereines Modellathleten,dietechnische Qualität der Hochbegabtenund ist dabei schnell, entschlussfreudigund mit Instinkt für die richtigen Lauf-wege gesegnet.

    Sané kam im Januar 1996 in Essen zurWelt,underistnichtnurderSohnderdeut-schenOlympiamedaillengewinnerin Regi-

    naWeber,die 1984als rhythmische Sport-gymnastinan denSpielenvonLos Angelesteilnahm–sondernaucheinKindderBun-desliga: Vater Souleyman Sané war selbstFußballprofi. Der gebürtige Senegalesespielte–unteranderemmitLöw–beimda-maligen ZweitligistenSC Freiburgzusam-men,vor allemabertriumphierteer in dererstenLiga beider SGWattenscheid09.

    Dass Sané jr. für Deutschland spielt, ist

    bemerkenswert.Nichtnur, weiler auchei-nen französischen Pass hat. Sondern weilSanéSenioreinerdererstenafrikanischen

    ProfisimBundesligabetriebwarundinSta-dien Anfeindungen ertrug, die es einemWunder gleichkommen lassen, dass erdem Land nicht den Rücken kehrte. An-fangderNeunzigergehörteerzuProfiswieTony Baffoe und Anthony Yeboah, die ei-nenoffenenBriefgegendenRassismusver-fassten.Sie trugen dazubei, derlei zumin-dest aus den hochklassigen Fußballbüh-nen zurückzudrängen – und bereitetendenBodendafür,dassDeutschlanddenSe-gen einer lange unbekannten, kulturellenFußballvielfaltg enießt.

    Dass Leroy Sané große Bühnen nichtscheut,bewieser im März2015, beiSchal-kes 4:3-Sieg im Achtelfinale der Champi-onsLeaguebeiReal Madrid.Im Bernabéu-Stadion, einer   Scala   des Weltfußballs,schoss er ein Traumtor, an das man sichdort mit einer Mischung aus Bewunde-rungundkaltemSchweißerinnert.Seithergilt Sané als einer der umschwärmtestenSpielerder Welt.Schalkes Verantwortlichebeteuern,dassesnochkeinekonkretenAn-gebote gegeben habe. Doch die Gefahr ei-nesAbschieds besteht,erst recht, fallsSa-né eine gute EM spielen sollte, zu einem

    dann mutmaßlich irrwitzigen Preis. Des-sen Ablöse ist nicht festgeschrieben, son-dernfrei verhandelbar.  

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    InwelcherFirmagibtessienicht?Ange-graute Kollegen, die sich schwertunmitdem Loslassen.Rentner, diedurch

    Bürogänge irrlichtern auf der Suche nachGesprächspartnern.Da ziehen alle,die ge-rade nicht so viel Zeit haben, schnell dieKöpfeein.Undlästern:Hatder keineHob-bys?Fühltder sichunersetzlich?

    Dieses Getuschel wird in 15, 20 Jahrenverstummen.Da wirdes normal sein,dass70oder75JahrealteKollegennebeneinemin der Kantine sitzen. Das sind jene, dieschlichtkeineLusthaben,denrüstigenSil-ver-Agerzu geben, derim beigenFreizeit-look ferne Länder bereist – sowie auch je-ne, die sich den Ruhestand nicht leisten

    können, weil ihre Rente zu niedrig ist. DieFlexi-Rente,aufdiesichdie BerlinerKoali-tion nun geeinigt hat und die 2017 einge-führt werden soll, wird ihnen den Über-gang vom Arbeitsleben in den Ruhestanderleichternund abrunden.Denn dieRege-lungensindnicht mehrso starr, diefestenStufen zur Rentenkürzung entfallen ganz– undberücksichtigenneue Lebensstile.

    Flexi-Rente klingt wie Wischi-Waschi.Sie ist in ihrer Wirkung auf die Gesell-schaftaber nicht zu unterschätzen.In denKöpfenbewegtsichdadurchetwas.Flexibi-lität – genau die brauchen die Menschen,um mit dem Megathema Alterssicherung

    umgehen zu können. Der demografischeWandel in der Gesellschaft zieht zwangs-läufig einen demografischen Wandel inderArbeitsweltnach sich. Darummuss esvielfältige Möglichkeiten geben – undnicht nur eine Formel. Es funktioniertnicht, die Lebensarbeitszeit und die Le-benserwartung in einen „fast automati-schenZusammenhang“in eineRentenfor-mel zu bringen, wie es zum Beispiel Bun-desfinanzminister Schäublefordert.

    Die Formel muss lauten: Wer kann undmag, darf so lange arbeiten, wie er will.Wer nicht kann, etwa weil er ausgelaugt

    ist, darf früher aufhören, ohne in Alters-armut und Ausgrenzung zu landen. BeideModellebraucheneineChance.Es sindle-bensnaheLösungengefragt.DieLeute,umdie es geht, sind erwachsen. Sie könnenselbst entscheiden, wie lange sie arbeiten.Und jene, die es länger tun, nehmen nie-mandem eine Stelle weg: 50 MillionenMenschenzwischen20 und65 sindzurzeiterwerbstätig, nur 42 Millionen werden es2030 sein. Der Bedarf an Arbeitskräftenwird immer schwieriger mit Jüngeren zudeckensein.

    Was nicht zum Problem werden muss:DieLebenswirklichkeitist eineanderege-

    worden, das Wesen des Alters hat sich ge-wandelt.DastradierteBildvondendreiLe-bensabschnitten – Kindheit, Erwerbsar-beit und Alter – stimmt so nicht mehr. Esistum eineviertePhaseerweitert, dieZeitzwischen 65 und etwa 80 Jahren. Rentnermachen bereits ein Viertel der Bevölke-rungaus,essind20Millionen.Vielevonih-nen sind gesünder und optimistischer, alses ihre Vorgängergenerationenwaren. EinLebenszustand, der die glückliche Seitedes demografischenWandels verkörpert.

    Undso istes richtig,gemeinsameSachemit diesen Alten zu machen. Vorausset-zung ist aber eine alterns- und altersge-rechteArbeitsgestaltung.EinJahrmehrLe-benserwartung gleich vier Monate längerarbeiten und acht Monate mehr Rente –

    wenn Arbeitgeber-Vereinigungen solcheFormeln aufstellen, machen sie es sich zueinfach. Sie unterstützen zwar die späteRente,schaffenaberzuwenigeArbeitsplät-ze, auf denen man gesund alt werdenkann. Montagebänder wie im VW-Moto-renwerk Salzgitter, die hoch und runterfahren, die sich auf die Körpergröße einesArbeiters einstellen, sind die Ausnahme –niemand muss sich dort tief bücken oderhochstrecken.Diesist einschönerNeben-effekt der demografischen Verschiebunginder Arbeitswelt:Nichtder Menschpasstsichkünftigder Maschinean, sondern dieMaschinedem Menschen.

     

    DieImmunitätvon gewähltenAbge-ordneten ist ein Kernelement derparlamentarischen Demokratie.

    DieVertreterdes Volkessollen unabhängigarbeiten können, ohne Verfolgung fürch-ten zu müssen. Diese Regel steht auch indertürkischenVerfassung,und wie in an-deren Ländernsollen auchdorthohe Hür-den verhindern, dass daran willkürlichund hastig etwas geändert wird. Dass diekonservativ-islamische RegierungsparteiAKP trotzdem beharrlich daran arbeitet,die Immunität von fast 140 Abgeordnetenaufzuheben, zeugt wieder einmal von ih-rem problematischen Demokratiever-ständnis.Dass TeilederOppositionoffen-barbereitsind,dendrastischenSchrittmit-zutragen,machtdie Sachenichtbesser.

    Umdie Aufhebung durchzubekommen,mussvorübergehenddieVerfassunggeän-dertwerden.Dasansichistschoneinfrag-würdigesManöver,vondemauch nochgarnicht klar ist, ob es Erfolg haben wird.Denn nach der ersten Abstimmung istnoch eine zweite nötig, in beiden Runden

    muss eine Zweidrittelmehrheit zustandekommen. Injedem Fall aber wird der Vor-

    stoßdasParlamentschwächen,und dasineinerZeit,inderdieTürkeiohnehininAuf-ruhr ist. Im Südosten tobt der Krieg zwi-schen Armee und der kurdischen PKK.UndindengroßenStädtenexplodierenim-mer wieder Bomben, mal stecken kurdi-scheExtremistendahinter,mal dieDschi-hadisten des IS. Ein denkbar schlechterMoment also, um das parlamentarischeSystem weiter in dieKrisezu stürzen.

    Worum es der AKP eigentlich geht, istdabei offenkundig: Die kurdische ParteiHDPsollalspolitischeKraftausgeschaltet,ihre Abgeordneten sollen aus dem Parla-ment gedrängt werden. Die Partei wärevon der Aufhebung der Immunität amstärkstenbetroffen.DieMaßnahmebeträ-fe fast die ganze Fraktion, zudem sind die Vorwürfe sehr schwer: Unterstützung vonTerrorismus.Das istin derderzeitigenLa-geeine scharfe,die schärfsteWaffe.

    Es stimmt ja: Nicht immer haben sichHDP-Politikerklargenugvon derPKK ab-

    gegrenzt. Sobesuchte eine Parteivertrete-rindie BeerdigungdesAttentäters,der imFebruar in Ankara Dutzende Soldaten inden Tod riss. Politisch war das ein schwe-rerFehler– deraber nichtrechtfertigt,ei-ne ganze Parlamentsfraktion pauschal alsTerrorhelfer zu denunzieren. Die HDP-FührungzumindesthatsichimmerwiedervonderGewaltder PKKdistanziertund zu Verhandlungenaufgerufen.

    In den frühen Neunzigerjahren habentürkischeParteienschon einmalversucht,kurdische Abgeordnete aus dem Parla-mentzudrängen.Damalsverlorendieseih-reImmunitätunteranderem,weildiePoli-tikerin Leyla Zana bei ihrer Vereidigungkurdischgesprochen hatte. Hauptvorwurf auch damals: Terrorunterstützung. DieNeunziger wurden zum blutigen Höhe-punkt des Kriegs im Südosten. Viele Kur-denwandtensichdamalsderPKKzu,auchunterdemEindruck,dass ihreStimmeninder türkischen Demokratie kein Gewichthaben.Esistfatal,dassdie türkischenPar-teiendarausnichtsgelernthaben.

     

    François Hollande gilt in Frankreichals ein überaus schwacher Präsi-dent.Wannimmeresindenvergan-

    genen vier Jahren darum ging, seinenLandsleutenklarzumachen,dasseineEr-neuerung und dafür bisweilen schmerz-hafte Reformen nötig sind, zauderte derSozialist– undüberzeugteniemanden.

    Doch ausgerechnet jetzt, da ihm nichteinmal mehr zwölf volle Monate im Amtbleiben, beweist der Mann im Élyséeplötzlich Rückgrat. Trotz der Streiks undProteste, die Frankreich in dieser Wochelähmen, will Hollande sich diesmal nichtschonfrühzeitigerweichen lassen, wieeressonsttat. „Ichwerdenichtnachgeben“,sprachder Präsidentam Dienstag.So viel

    Mut, Klarheit und Entschlossenheit hät-ten sich viele Parteifreunde von ihmschonbeifrüherenReformengewünscht.DerkriselndenNationwürdeesheutebes-sergehen.

    Immerhin–besserspätalsnie.Hollan-de steht mit dem Rücken zur Wand. BiszumDezembermuss die Arbeitslosigkeitdeutlich sinken, andernfalls – so hat erversprochen – wird ersich nicht um eineWiederwahl bemühen. Und die leidvolleErfahrung lehrt, dass Frankreichs Wirt-schaft so sehr lahmt, dass die kräftigereKonjunktur in Europa allein nicht genü-gend Jobs schafft. Anders gesagt: Es istweniger der Amtsinhaber, der da plötz-lich Mut zeigt – zu erkennen ist da eherdie Courage des Möchtegern-Kandidatenfürdas Wahljahr2017.

     

    Zwar stammt der Vertrag zur Grün-dung der Europäischen Atomge-meinschaftausdem Jahr1957,aber

    er ist immer noch gültig. Darin heißt es,dass die Kernenergie eine „unentbehrli-che Hilfsquelle für die Entwicklung undBelebung der Wirtschaft und für denfriedlichen Fortschritt darstellt“. Unddass die Europäische Kommission dieAtomforschungindenMitgliedstaatenzufördernund zu erleichternhabe.

    Kein Wunder also, dass die BrüsselerBehörde auch fast 60 Jahre nach diesemAtombekenntnis genau danach handelt.Nun haben Kommissionsbeamte vorge-schlagen, Geld aus europäischen Förder-programmen zu nehmen, um etwa den

    Bau neuer Kernreaktoren voranzutrei-

    ben.WasfürdiedeutscheAtomausstiegs-regierung wie eine Provokation klingt,wird von anderen EU-Staaten durchausgoutiert, zum Beispiel von Frankreich,Großbritannien oder Tschechien.

    Trotzdem muss die EU-KommissionimSinneeinergesamteuropäischenEner-gie- und Klimapolitik eines klarstellen:Der Bau neuer Atomkraftwerke ist einenationaleEntscheidung,dienichtaus dereuropäischen Gemeinschaftskasse be-zahlt werden darf. Wenn schon Geld ausBrüssel in Atomkraftwerke fließen soll,dannin dieSicherheitmaroder, bestehen-derMeiler.InBelgienundFrankreichgibtes immer wieder angeblich harmlose„Störfälle“ in Atomkraftwerken – davorgiltes dieBürgerEuropaszu schützen.

     

    Seitdem Wahlkampf2013sind Steu-erfragen für die Grünen ein ver-

    korkstesThema. Zu garstig war derStreit damals, zu schmerzhaft waren dieFolgen am Wahltag. Deshalb ist es ver-ständlich, dass die Partei der Frage zweiJahre lang auswich. Gelöst wurde damitfreilich nichts. Im Gegenteil: Was langeschlummert, sucht sich irgendwann um-so schmerzhafter seinen Weg. Und sokönnte es auch jetzt schieflaufen. Kaumfordertdie linke Co-VorsitzendederGrü-nen, Simone Peter, eine Vermögensteuer–schontwarntdieRealo-VertreterinKers-tinAndreaevor denKonsequenzen.Da ister wieder: der Reflex, der die Partei überJahrzehntebeherrscht hat.

    Spannendfreilichistdasnicht.Undin-teressantmachtesdieGrünenauchnicht.Das geschieht erst, wenn Linke und Rea-los jeweils alte Positionen hinterfragen.

    Den Versuchmachen gerade zwei Grüne,dieum dieSpitzenkandidaturkonkurrie-ren. Der Schleswig-Holsteiner Realo Ro-bert Habeck liebäugelt mit einer Vermö-gensteuer, statt sie zu verdammen. UndderLinkeAntonHofreiterergänztdasmitdem Versprechen, Menschen mit einemJahreseinkommen bis 80000 Euro auf keinenFall zusätzlichzu belasten.

    DassindPositionen,diebeidenjeweilseigenen Anhängern keinen Jubel auslö-senund genaudeshalb Interessewecken.Noch ist unklar, wer Spitzenkandidatwird.Aberder Wettbewerbkann diePar-teinoch sehrbeleben.

     W eniger als 20 Cent zahleneinige Molkereien in Nie-dersachseninzwischenih-ren Bauern für den LiterMilch, ein Negativrekord.

    UmüberdieRundenzukommen,bräuch-ten die Milchbauern aber 40 Cent. KeinBetrieb kann bei solchen Preisen langeüberleben. Die deutsche Landwirtschaft

    steckt in einer der schwersten Krisen ih-rerjüngeren Geschichte. Dasmacht auchMenschen betroffen, die noch nie einenStall von innen gesehen haben. Jederweiß: Landwirtschaft ist etwas Besonde-res. Ohne iPhone und Auto kann man le-ben, nicht aber ohne Weizen, Kartoffelnundeben Milch.

     Vermutlichdeshalbhaben esbei Agrar-themendie großenVereinfachersoleicht,die Leute, die immer genau wissen, werdie Bösen sind. Der Bundesverband derMilchviehhalterhat andereInteressen alsderDeutsche Bauernverbandund erklärtdeshalbAgrarminister Christian SchmidtvorsichtshalberersteinmalzumSünden-bock.DieGlobalisierungskritikervon At-tacprangerndas „Preisdumping“der Le-bensmittel-Discounter an. All dies istschwer erträglich. Aldi, Lidl & Co. sindnichtschuldan denniedrigenPreisen,siegeben sie nur an die Verbraucher weiter.Die Forderung nach „fairen“ Preisen istwohlfeil,wennzu diesenPreisendie vieleMilch eben nicht verkauft werden kann.Und dem Agrarminister kann man allesMögliche vorwerfen, aber nicht, dass erdieKrisenicht ernstnähme.

    Die Verantwortung für die Milch-schwemme – das Wort „Schuld“ sollteman in dem Zusammenhang tunlichstvermeiden – tragen die Milchbauernselbst.Als dieEU2015 diebürokratischenMilchquoten abschaffte, schätzten dieBauernund ihreVerbändedieFolgenvöl-ligfalschein.SieträumtenvonneuenAb-satzmärkten innerhalb und außerhalbderEU,inRusslandundinChina.DieHoff-nungenwurdenbitterenttäuscht:Wladi-mir Putin revanchierte sich für westlicheSanktionen mit einem Importverbot fürEU-Agrarprodukte.Die chinesischeWirt-schaftwächstlangsameralserwartetundnimmt daher weniger Importe auf. AuchandereBranchenliegenoftschief,dieZu-kunft ist immer ungewiss. In der Land-wirtschaftsinddieDingejedochschwieri-ger als anderswo: Eine zu große Milch-viehherde kann man nicht so einfach

    über Nacht abschreiben und die Tiereschlachten. Umgekehrt lässt sich eineneueHerdeauchnichtsoschnellgroßzie-hen. Die Anpassung an die Nachfragebraucht Zeit. Deshalb wechseln sich beiAgrarprodukten immer Zeiten der Teue-rungmit solchen desPreisverfalls ab,einPhänomen, das als „Schweinezyklus“ indie Wirtschaftstheorieeingegangen ist.

    DieserZyklusistderLandwirtschaftin-härent, esgab ihnschon in vormodernenZeiten. Als Israel in Ägypten war, gab esdiesiebenfettenund diesiebenmagerenJahre. Wegen des Brotpreises brachenschonRevolutionenaus,und,wiedasMär-chenvonHänselundGretelerzählt,konn-te Teuerung bedeuten, dass Eltern in derNot ihre Kinder im Wald aussetzten. Dasistkeineswegsnur Geschichte: ÄthiopienundanderenLändernOstafrikasdrohtge-radejetzteineepochaleHungersnot.

    Wenn man um die fundamentaleKnappheit auf der Erde weiß, erscheintderKampf gegen niedrigeAgrarpreise indenreichenLändernimmereinwenigab-surd.ImSeptember1933,auf demHöhe-punkt der Weltwirtschaftskrise, ließ US-PräsidentFranklinD.RooseveltfünfMilli-onen Schweine schlachten und derenFleischverrotten, im vergeblichenBemü-hen,diePreisefürdieFarmerzustabilisie-ren. Gleichzeitig hungerten die Arbeits-losenundihreFamilienindenStädten.InderEU erlangtenButterbergeundMilch-seen traurigeBerühmtheit.

    Was also tun mit der neuesten Milch-schwemme? Vor allem geht es darum, in

    derPaniknichtdasFalschezu tun.Falschund empörend ist zum Beispiel der Plander EU-Kommission, die europäischenÜberschüsse in Form von MilchpulverhochsubventioniertindieMärktevonKo-lumbien und Mexiko zu drücken und sodas Problem auf die dortigen Bauern ab-zuladen. Der Rat des Bundesagrarminis-ters,mehrinÖkolandwirtschaftzuinves-tieren, ist sicher richtig; schließlich zah-len die Verbraucher für Biomilch immernoch deutlich mehr als für konventionellproduzierte.Aber Illusionensind gefähr-lich.AuchdieNachfragenachBiomilchistschließlich nicht unbegrenzt.

    Letztlichistde Sacheganzeinfach:DasAngebot an Milch muss sinken, so oderso. Dabei kann die Regierung die Bauernnichtalleinelassen, ganzunabhängigvonderVerantwortungsfrage. Aberdie Hilfensolltenmit BedachtvergebenwerdenundwederGroß-nochKleinbetriebebevorzu-gen. Dann wird der nächste Schweine-oder Milchzyklus vielleicht moderaterausfallen.Kommenwirder unweigerlich.

    Milch wird von allen weibli-chen Säugetieren hergestellt,die damit nach dem Gebärenihren Nachwuchs ernähren.Im Alltag ist meist die Milch

    der Kuh gemeint, des weiblichen Rindes.Der Preis, den Bauern für einen Liter der-selben bekommen, ist nun in einigen Ge-genden Deutschlands auf weniger als 20Centgefallen.DamitistMilchnurnochein

    bisschenteurerals Wasser,aus demsie zuetwa88 Prozentbesteht.ZweitgrößterBe-standteilistFett,wovoninderRohmilchet-wafünf Prozententhaltensind,im Handel jenach Sortezwischen 0,5und 3,5Prozent.Der Rest sind Eiweiße, Milchzucker, Salzeund eine Menge wertvoller Vitamine undAminosäurensowie dasfür denKnochen-bau wichtige Kalzium. Milch gilt als ge-sund,dieDeutscheGesellschaftfürErnäh-rungrätzum täglichenVerzehr.Mitknapp30MillionenTonnenpro Jahrist derKon-sumvonMilcherzeugnissenindenvergan-genen Jahren ungefähr gleich geblieben,trotz steigender Nachfrage nach veganenErsatzprodukten wie Soja- oder Mandel-milch. Ein gutes Zehntel des Verbrauchsentfälltauf Frischmilch, den Großteilma-chen Milchprodukte wie Sahne, JoghurtundKäseaus.WährendKleinkinderfürei-negesundeEntwicklung Milchbenötigen,verliereneinigeMenschenbiszumErwach-senenalter die Fähigkeit, den Milchzuckerzu verwerten. In Deutschland haben etwa15 Prozent der Bevölkerung eine solcheLaktose-Intoleranz.  

    „SigmarGabrielsRuf in dieecholoseLee-reder Parteikann nurals Signalverstan-denwerden,dasszum erstenMal nie-mandmehrdaist,derin derSPDSpitzen-kandidatwerden will. Inklusivedes Vorsit-zenden.Und weilGabrieldiesso deutlichgemachthat, istdernächsteSPD-Kanzler-kandidatjetztschon beschädigt. Wermöchte einenKanzler, derzum Jagengetragenwerden muss?“

    „Waffen, wiedereinmalWaffennachLiby-en.Ein Land,das schonübervollist mitRaketen,Maschinenpistolen, Bomben,MunitionjedesTyps undKalibers.(...)Werstelltsicher, dasssie nichtnochein-malin diefalschenHändefallen?(...)AbersicherlichglaubendieUSA, Italienundvieleandere westlicheLänderdaran,dasssiedamitjetzt dieneue Regierungdernationalen Einheit unterstützen.“

    „DerESC 2016war sopolitischwielangenicht. Politikallein aberhat nochnie ei-nenESC entschieden.(...) Deutschlandhatnichtverloren,weilein genervtesEuropasichklammheimlichfürAngelaMerkelsHegemonialpolitikgerächt hat. Sondernschlicht,weilein nettvorgetragenesnet-tesLied einernetten Sängerin innettemDressnicht genügt.“

    MEINUNG4   HF3  Mittwoch, 18. Mai 2016, Nr. 113 DEFGH

           F       O       T       O     :       D       P       A

    R U H E S T A N D

    Gehen können, bleiben dürfen

    Jazur Flexi-Rente – denn es gibtmehr Lebensabschnitte als früher

    Wie der Hase läuft  -:

    T Ü R K E I

    Die schärfste Waffe

    Ohne Abgeordneten-ImmunitätfunktioniertDemokratienicht

    F R A N K R E I C H

    Später Mut

     ATO MK RA FT

     Wo die Gemeinsamkeit endet

     VE RM ÖG EN ST EU ER

     Wettbewerb bei den Grünen

    L A N D W I R T S C H A F T

    Milchschwemme 

    DasAngebot muss sinken. Nurdashilftgegen denPreisverfall

     AK TU EL LE S LE XI KON

    Milch

    Die Zeitung aus Magdeburg kommentiertdie Suche nach einem SPD-Kanzlerkandidaten:

    Die Mailänder Zeitung schreibt zur Entscheidung,Waffen an Libyens Einheitsregierung zu liefern:

    Die Zeitung aus Niedersachsen zumschlechten Ergebnis Deutschlands beim ESC:

    BLICK IN DIE PRESSE

    PROFIL

    Leroy Sané

    Umschwärmtes Fußballtalent,derzeit noch auf Schalke

  • 8/17/2019 Suddeutsche Zeitung.16!05!18

    5/32

     

    Berlin –Schondie ExistenzseinesAmteszeigt,dasssichdieLageeinbisschengebes-sert hat. Immerhin gebe es heute ein Be-

    wusstsein für das Problem, für das er zu-ständig ist, sagt Johannes-Wilhelm Rörig,der Beauftragte der Bundesregierung fürFragen des sexuellen Kindesmissbrauchs:„DasTabuist aufgebrochen,die Sensibili-tät in der Bevölkerung ist gestiegen.“ SohatAnfangMai eineKommissionzur Auf-arbeitung von sexuellem Missbrauch ihreArbeit aufgenommen (siehe Infokasten).AberbeiderPräventionundderUnterstüt-zungfürdieOpfer,sagtRörig,dahapereesimmernoch– vorallemauchamGeld.

    Seit Mai 2013 gibt es einen Hilfsfondsfür die Opfer sexuellen Kindesmiss-brauchsin derFamilie.ErbezahltPsycho-therapie und andere Leistungen im Wertvon bis zu 10000 Euro pro Person, wenndieKrankenkassenichteinspringtund derBetroffene die Voraussetzungen für Leis-tungennachdemOpferentschädigungsge-setz (OEG) nicht erfüllt. Ein Fonds mit 100MillionenEurowarursprünglichangekün-digt,tatsächlichstellteder Bund50Millio-nenEurozurVerfügung,derFreistaatBay-ern 7,6 Millionen, das LandMecklenburg-

     Vorpommern eine Million. Die anderenBundesländer beteiligten sich nicht. AmDienstag hat der Missbrauchsbeauftragte

    Rörignuneinen öffentlichenHilferufaus-gesandt: Dem Fonds gehe das Geld aus.Wie so oft bei heiklen Themen schieben

    sich die Institutionen gegenseitig die Ver-antwortung zu. Die Länder sehen denBundinderPflicht,derMissbrauchsbeauf-tragte Bund und Länder, und alle zusam-men das Bundessozialministerium.

    EigentlichhättederFondsnur dreiJah-re lang Anträge entgegennehmen sollen,dochdaszuständigeBundesfamilienminis-terium hob diese Befristung vor Kurzemauf. Rörig begrüßte das. Nun seien abervon den 58 Millionen Euro, die zur Verfü-gungstanden,48verplant,sagtRörig:„Ichwillnicht,dasssich daszu einerFarceent-

    wickelt – dass man Anträge stellen kann,aber kein Geld mehr da ist.“ Zudem brau-che der Fonds mehr Personal. „DamalswurdedenBetroffenenschnelleundunbü-rokratische Hilfe versprochen. Jetzt läuftallessehrlangsamundsehrbürokratisch.“Rörigwünschtsich, dassein Antraginner-halb von drei Monaten bearbeitet werden

    kann.Derzeitdauerees einganzesJahr.Rund 1800 Anträge seien bereits ent-schieden, knapp 90 Prozent positiv, heißtes vom Bundesfamilienministerium, beidemder Missbrauchsbeauftragteangesie-deltist.Für dieseBetroffenen seienbisher14MillionenEuroreserviert.3900AnträgeseiennochinBearbeitung.FürdasMiniste-rium sieht es derzeit danach aus, dass dasvorhandene Geld ausreicht. Eine Beteili-gungallerLänderfändemantrotzdemgut.Schließlichwisseniemand,wievieleAnträ-genochkommen,sagtein Sprecher. Auchder familienpolitische Sprecher der Uni-onsfraktion, Marcus Weinberg, fordert ineinem Statement „die 14 säumigen Bun-desländer“ dazu auf, „sich nicht immerwiederihrer Verantwortungzu entziehen.“

    DieLänderwiederum berufensich dar-auf, dass sie sich schon 2011 gegen einenFondsausgesprochenhaben.IndieserFra-ge sei „der Bund in der Verantwortung“,heißt es etwa vom nordrhein-westfäli-

    schen Familienministerium. Die Länderwolltenstatteines Fonds „klareRechtsan-sprüche,zum Beispielübereine Änderungdes Opferentschädigungsgesetzes“.

    Auch für den MissbrauchsbeauftragtenRörigistdas OEGdaseigentlicheProblem.Geht es nach ihm, sollen die Anforderun-gengesenktwerden,dieein Missbrauchs-opfer erfüllen muss, um OEG-Leistungenzu bekommen. Zudem wünscht er sich

    schnellere Verfahren und auf das ThemaMissbrauchspezialisierteBearbeiter.„SeitJahrenwartenwir aufden Referentenent-wurf“, sagt Rörig. Der Fonds sei nur alsÜberbrückung bis zur OEG-Reform ge-dachtgewesen.Die Länder willRörig den-noch nicht aus der Verantwortung entlas-sen:Siezeigtenauchbei derReform wenigEngagement,„diewollenbeidem schreck-lichen Thema gerne unzuständig sein“.

    WeildieReformaufsichwartenlässt,müs-seman ebendenFondsaufstocken.

    Warum aber dauert die Reform über-hauptsolang?Eshandlesichumein„kom-plexes Gesamtvorhaben, bei dem Gründ-lichkeit vor Schnelligkeit gehen muss –auch,umdem sensiblenThemaRechnungzu tragen“, heißt es aus dem zuständigenBundessozialministerium.Bis zum Herbstsollder Gesetzentwurffertigsein.

    Missbrauchsopfer,alleingelassen

    Dem Hilfsfonds für die Opfer sexueller Übergriffein der Familie geht drei Jahre nach Gründung das Geld aus

    Eine unabhängige Kommission zur Aufar-beitung des sexuellen Kindesmissbrauchssollbis2019mehrInformationenüberAus-maß, Strukturen und Hintergründe vonMissbrauch in Institutionen und im priva-ten Umfeld aufklären. Betroffene könnenunterder kostenfreienund anonymenTe-lefonhotline0800/ 4040040 oderauf derWebseite www.aufarbeitungskommissi-on.de Kontakt zu dem Gremium aufneh-men.EsverfügtüberachtExpertenunter-schiedlicherDisziplinen. Auchzwei Betrof-fene gehören dem Gremium an. Für seineArbeithates vonder Bundesregierung1,4Millionen Euro erhalten.   SZ, EPD

    Unbürokratische Hilfe? Der Miss-brauchsbeauftragtedes Bundes, Johan-nes-Wilhelm Rörig,kritisiert, dass esviel zu lange dauere,bis über den Antrag eines Opfers entschie-den werde.   FOTO: DPA

    Berlin   – Nach monatelangen DebattenkanndieumstritteneFörderungvon Elek-troautos in Deutschland in den nächstenWochenbeginnen.DasKabinettwillandie-semMittwochdieEinführungvonKaufzu-schüssenbeschließen.Esgehtum4000Eu-ro für reine Elektroautos und 3000 EurofürHybrid-Antriebemit aufladbarerBatte-rie und Verbrennungsmotor. Luxusautosmit einem Listenpreis von mehr als60000EurosindvonderFörderungausge-nommen. Die Kosten von insgesamt 1,2MilliardenEuroteilensichBundundAuto-industrieje zurHälfte.

    Neben deutschen Herstellern werdenauchmehrere ausländische AutobauerfürihreElektro-Modelledie Prämie anbieten.Nochoffenist bislang allerdingsderexak-te Starttermin des Programms. Die Bun-desregierung wartet derzeit noch auf grü-nes Licht aus Brüssel. Wie Wirtschaftsmi-

    nisterSigmarGabriel(SPD)an seineKabi-nettskollegen schreibt, steht die PrüfungderEU-Kommission,ob es sichbei denals„Umweltbonus“ umschriebenen Kaufprä-mienum eineunerlaubteBeihilfehandelt,noch aus. Sobald die Förderrichtlinien imBundesanzeigerveröffentlichtwurde, kön-nendie Verbraucherdie Prämienbeim zu-ständigen Bundesamt Bafa beantragen.DieHerstellergewährenihrenAnteilalsRa-battauf denKaufpreis.

    Für die Prämien gilt das so genannteWindhund-Verfahren.So lange Geldda ist,wird es ausgezahlt. Wenn die Summe von1,2MilliardenEuroausgeschöpftist,endetdiePrämie.Nur die schnellenKäuferwer-den also belohnt. Spätestens 2019 laufendie Kaufprämien aus. Zum Förderpro-gramm der Elektromobilität gehört auchderAufbauvon15000neueLadestellenimganzenLand.DafürgibtderBundvon2017

    bis2020rund 300MillionenEuroaus.Da-neben will die Bundesregierung den Aus-bauder Elektromobilität auchmit Steuer-anreizen fördern. Der Gesetzentwurf vonFinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)sieht vor, die Käufer von Elektroautos fürzehnJahre vonderKfz-Steuerzu befreien.Bislang galt eine Befreiung über fünf Jah-re. Diese Regelungsoll sogar rückwirkendzum1. Januar 2016gelten.

    Die Bundesregierung hofft, dass sichdie Zahl der Elektroautos auf deutschenStraßenbis2020auf500000E-Fahrzeugeverzehnfacht.Laut Bundesverkehrsminis-ter Alexander Dobrindt (CSU) wäre damitbereits eine kritische Masse erreicht. DieNachfrage in Deutschland ist bislang je-doch schwach. Zu Jahresbeginn 2016 wa-ren erst 25 500 reine Elektroautos und130000Hybridezugelassen– bei45Millio-nenPkw insgesamt.  

    Hotline für Opfer

    Berlin–Um DeutschlandsBauernstehtesnicht zum Besten. Zumindest Landwirte,die Milchkühe halten, müssen sich mitdeutlich sinkenden Preisen herumschla-gen. Einige Molkereien wollen nicht ein-mal mehr 20 Cent pro Liter Milch bezah-len. Landwirtschaftsminister ChristianSchmidt(CSU)hatinderSZ jetzt„Steuerer-leichterungen und Liquiditätshilfen“ fürBauernversprochen.Dochwer glaubt,da-beihandeltes sichumeineausschließlicheReaktion auf die Not mancher Landwirte,liegtfalsch. SchmidtsVersprechen istehereinLehrstückdafür,wiePolitikmanchmalfunktioniert.Denn dieneueFreigiebigkeitderRegierungliegtnichtnuransinkendenMilchpreisen,sondern mindestensgenau-soanetwas,wasmitderLandwirtschaftei-gentlichgar nichtzutun hat:DerKaufprä-mie für Elektroautos. Aber wie konnte esdazu kommen?

    DieGeschichtebeginntweitwegvonBer-lin im Europapark Rust. Dort hatten sicham 20. und 21. April die geschäftsführen-den Fraktionsvorstände von Union undSPD zur gemeinsamen Klausur getroffen.Undbereitsdortwurdeoffenbar,dasses in

    der Unionsfraktion erhebliche Vorbehaltegegen eine Kaufprämie für Elektroautosgibt.DieSozialdemokraten hättendie Prä-mie in Rust gerne in das gemeinsame Be-schlusspapier geschrieben, wegen des Wi-derstands in der Union kam es dazu abernicht. Am 26. April, in der vorletzten Sit-zungderUnionsfraktion,brachsichderUn-mut dann auch offen Bahn. Mehr als zehnAbgeordnete meldeten sich zu Wort undsprachensichgegen die Kaufprämieaus –auchFraktionschef VolkerKauderging auf Distanz. Kauder hält nicht viel von derleistaatlichenInterventionen,er hattebereitsdie Abwrackprämie abgelehnt. Auch die

    stellvertretenden Fraktionschefs Michael

    Fuchs und Gitta Connemann kritisiertendie Kaufprämie für E-Autos. Es gab zwarkeineAbstimmung,aberdasMeinungsbildwar klar. Eine überwältigende Mehrheitder Unionsfraktion ist gegen die Prämie.

     VieleAbgeordnetebefürchtenMitnahmeef-fekte, halten andere Branchen – wie etwadieBauern–fürbedürftigeralsdieAuto-In-dustrie,sindverärgert überdieAbgasaffä-re oder lehnen solche Prämien schon ausordnungspolitischenGründen ab.

    Doch Angela Merkel schien die Ableh-nung nicht sonderlich zu beeindrucken.Die Kanzlerin vereinbarte jedenfalls nochin der selben Nacht auf dem Auto-Gipfel

    dieEinführungeinersolchenPrämie.Ent-sprechend großwarder Unmutin derUni-onsfraktion. Bei vielen Abgeordneten lie-gen wegen Merkels Flüchtlingspolitik unddem Aufstieg der AfD die Nerven ohnehinblank.DerAbsturzderUnionindenUmfra-gen wird so manchen Abgeordneten dasMandatkosten.

    DerÄrgerüberdieBrüskierungderFrak-tion war auch vor der nächsten Fraktions-sitzungnochnichtverraucht.DemKanzler-amt war deshalb klar, dass Me