Thema des Tages „MAN KANN SCHON DIE SPERRZEIT NUTZEN“ · MPU“ soll bei der Vorbereitung auf...

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Thema des Tages 32 FRÄNKISCHER TAG, SAMSTAG, 16. JUNI 2007 /A „MAN KANN SCHON DIE SPERRZEIT NUTZEN“ OLIVER LEUTERITZ, RECHTSANWALT Wenn das große Zittern kommt FÜHRERSCHEIN Markus muss zur medizinisch-psychologischen Untersuchung. Bei der Psychologin Marie-Louise Greifenhagen bereitet er sich darauf vor. Wir haben beobachtet, welche Probleme sich dem Prüfling dabei stellen. Vorbereitung auf den Test Über 100 000 müssen jährlich zur MPU VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED CORINNA IGLER Scheßlitz — Da sitzt er nun. Nervös wirkt der junge Mann im braunen Po- loshirt, wie er so ganz aufrecht in dem Stuhl sitzt, seine Hände faltet und sie dann wieder auf seine Oberschenkel legt. Dabei hat Markus (Name geän- dert) den Blick mal nach unten ge- senkt, mal blickt er im Raum umher und dann schaut er seine Gesprächs- partnerin Marie-Louise Greifenhagen an, die ihm gegenüber sitzt. Die 57- Jährige ist Diplom-Psychologin und hat sich auf die verkehrspsychologi- sche Beratung bei Führerscheinent- zug spezialisiert. Sie bereitet also die- jenigen, die ihren Führerschein durch eine Alkoholfahrt mit über 1,6 Pro- mille, durch eine Drogenfahrt oder durch zu viele gesammelte Punkte in Flensburg verloren haben, auf die MPU – die medizinisch-psychologi- sche Untersuchung – vor. Einer ihrer Klienten ist auch Mar- kus. Es war im vergangenen Jahr, nach einem Bierfest, als Markus einen schlimmen Unfall hatte, dabei schwer verletzt wurde und eine lange Reha hinter sich hatte, bis er wieder laufen konnte. Der Grund für diesen Ver- kehrsunfall war Alkohol – genauer ge- sagt waren es 2,4 Promille. „Wie viel haben Sie an diesem Abend denn getrunken?“ MARIE-LOUISE GREIFENHAGEN Jetzt, ein Jahr später, will er seinen Führerschein zurück, weil er beruflich darauf angewiesen ist. Und bei der Diplom-Psychologin will er sich auf die MPU vorbereiten. Auch wenn das vielleicht nicht ganz leicht fällt, denn Markus muss dazu ganz offen über den Abend seines Unfalls sprechen und auch über den Alkohol, den er an dem zuvor getrunken hat. „Wie viel haben Sie denn an diesem Abend getrunken“, will Marie-Louise Greifenhagen wissen. Markus über- legt, sein Blick wandert zur Decke. Zögerlich antwortet er: „10 bis 15 Bier.“ „10 bis 15 Halbe“, versichert sich die Psychologin. Markus erzählt, dass er sich auf dem Fest mit Security- Männern gestritten habe und darauf- hin „rausgeworfen“ worden sei. „Und was war nach diesem Rauswurf“, bohrt die Psychologin weiter nach. „Da bin ich vermutlich heim gefahren. Eigentlich wollte ich ja im Auto schla- fen. Aber vielleicht haben die ja ge- sagt, dass ich das Gelände verlassen soll und ich hab dann meinen Zorn ge- kriegt und bin doch gefahren“, ver- mutet Markus. Er kann sich an den Abend und den Unfallhergang kaum erinnern. „2,4 Promille hat man bei Ihrem Unfall im Blut festgestellt. Sie wissen ja auch, dass da ein gewisses Training dabei sein muss. Ohne Übung könnte man mit 2,4 Promille nicht mehr ste- hen, geschweige denn in ein Auto ein- steigen und den Motor starten“, so Marie-Louise Greifenhagen. Dessen ist sich auch Markus bewusst. Nach ei- nigen weiteren Fragen gesteht er ein, beim Ausgehen an einem Abend nor- malerweise acht halbe Maß Bier ge- trunken und mit 16 erstmals Alkohol konsumiert zu haben. Seit dem Unfall trinke er nicht mehr. „Wann haben Sie angefangen mehr zu trinken?“ – Wie- der zögert der junge Mann: „Seit ich ausgelernt habe“, antwortet Markus. In der Lehrlingszeit habe er während der Arbeit gar nichts getrunken, am Wochenende dafür schon öfters, meis- tens Cola-Weizen – zirka fünf Stück am Abend, umgerechnet entspricht das etwa eineinhalb Litern Bier.„Da sind wir aber fast nie gefahren“, fügt er hinzu. Nach seiner Maurerlehre, mit etwa 19 Jahren, habe er dann auch schon mal während der Arbeit auf der Bau- stelle mit den Kollegen ein oder zwei Bier getrunken und auch nach Feier- abend noch mal eine Flasche aus dem Kasten genommen. Auf etwa vier Bier kam er an einem Tag. „Da sind wir aber noch nicht bei der Höchstmenge von 15 Stück“, stellt Marie-Louise Greifenhagen fest. „Wann hat sich das denn gesteigert?“ Sie will den Anlass für Markus hohen Alkoholkonsum feststellen, doch so etwas ist ein länge- rer Prozess. Das geht nicht innerhalb einer Sitzung. Immerhin fällt es den Klienten wie Markus nicht leicht, über ihre Probleme so offen zu sprechen. Auch nach dieser Sitzung konnte noch kein genauer Zeitpunkt und auch kein Grund für den höheren Alkoholkon- sum Markus' gefunden werden. Aber die erste Aufregung ist Mar- kus nach der Sitzung genommen. Er weiß, dass die Psychologin ihm helfen will, die MPU zu bestehen. Ermutigt steht er von dem Stuhl auf, der Blick wandert nicht mehr umher, die Hände hält er ruhig. Gleich nach der Sitzung will er seine Leberwerte messen las- sen. Bis zur MPU soll dies drei Mal passieren, damit die Prüfer sehen kön- nen, dass Markus' Leberwerte im Normbereich sind und nicht steigen. Nach 16 Sitzungsstunden hat Markus nun seine MPU bestanden und Marie- Louise Greifenhagen ist sich sicher: „Der trinkt nichts mehr.“ VON UNSEREN REDAKTIONSMITGLIEDERN PETRA BREUNIG UND CORINNA IGLER Bamberg — Unvorbereitet in die me- dizinisch-psychologische Untersu- chung zu gehen, ist gefährlich. Um die MPU sicher zu bestehen, sollte man sich rechtzeitig vorbereiten. Ei- nige Bücher oder auch eine CD-Rom können dabei hilfreich sein. Das Buch „Der Testknacker bei Führerscheinver- lust“ zum Beispiel: Die beiden Autoren kennen die Proble- me der Betroffenen und helfen dabei, den Führerschein möglichst schnell wiederzubekom- men. Sie beschrei- ben aus Insider- Sicht Ablauf und Inhalt des „Idioten- tests“ sowie die Sach- und Rechtslage. Dies können die beiden deshalb so gut, weil Theodor Rieh Diplom-Psychologe ist und seit vie- len Jahren als Gutachter bei einer me- dizinisch-psychologischen Untersu- chungsstelle arbeitet. Thomas Wa- genpfeil ist ebenfalls Psychologe. Das Vorbereitungsbuch „Mein Füh- rerschein ist weg – was tun?“ vermit- telt den Betroffenen das Wissen, wie die MPU beziehungs- weise die fahrpsy- chologischen Be- gutachtungen auf- gebaut sind und gibt Ratschläge für ein erfolgreiches Bestehen. Schwerpunkt der Darstel- lung ist das Verhalten bei der erstma- ligen Begutachtung, das heißt ohne vorherige Erfahrungen mit Behörden und Gutachtern. Die neue Fahrer- laubnisverordnung, die wesentliche Änderungen brachte, ist eingearbei- tet. Diese damit höchst aktuelle Dar- stellung umfasst alle Bereiche, in de- nen ein Führerscheinentzug und eine Prüfung angeordnet werden. Der Autor Dr. Karl Kürti ist amtlich anerkann- ter verkehrspsychologischer Berater und war lange Zeit bei der Ober- gutachterstelle Nordrhein-Westfa- len tätig. Die Autorin Car- men Liebs be- schreibt in dem Buch „Promille- fahrt mit Folgen“ sehr plastisch ihren eigenen Führer- scheinentzug im Jahre 1996. Der Grund: ein Ver- kehrsunfall mit 1,75 Promille. In ih- rem Ratgeber berichtet die Autorin über Folgen – auch die finanziellen– einer Autofahrt unter Alkoholein- fluss. Sie gibt neben dem Erfahrungs- bericht aber auch wertvolle Verhal- tenstipps zur MPU. Die CD-Rom „Keine Angst vor der MPU“ soll bei der Vorbereitung auf die Untersuchung helfen. Neben ei- nem ausführlichen Lexikon, das ver- schiedene Begriffe im Zusammen- hang mit der MPU erklärt, kann man sich in einem Frage- und Antwort- spiel auf die psy- chologischen Fra- gen der Experten vorbereiten. Beim Figurenvergleichs- test muss man mög- lichst schnell ent- scheiden, ob eine geometrische Form zu vier anderen passt. Geschick und schnelle Reaktionen sind bei der Fahrspursimulation gefragt. Auf den ersten Blick leichter erscheinen die Fotos, die beim Verkehrserfassungs- test alltägliche Situationen zeigen. VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED CORINNA IGLER Bamberg — Es gibt viele Gerüchte rund um die salopp „Idiotentest“ genannte MPU – die medizinisch-psychologi- sche Untersuchung. Richtig sind diese meistens nicht. Laut Statistik werden jährlich zwi- schen 115 000 und 140 000 Kraftfah- rer auf ihre Eignung hin begutachtet. 40 Prozent der Gutachten fallen, so Edwin Erbesdobler von der Führer- scheinstelle der Stadt Bamberg, nega- tiv aus. Wichtig sei, sich auf die MPU gezielt vorzubereiten und sich früh- zeitig beraten zu lassen, ist er sich mit Verkehrspolizist Peter Hofmann, Dekra-Begutachtachtungsstellenlei- ter Hellmut Faulwasser, Oliver Leute- ritz, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verkehrsrecht, und Diplom-Psycho- login Marie-Louise Greifenhagen ei- nig. „Man kann schon die Sperrzeit sinnvoll nutzen. Und auch schon vor dem Strafbefehl sollte man sich erkun- digen, wie man die MPU erfolgreich bestehen kann. Dann kann man zum Beispiel schon Schulungsmaßnahmen machen und eine Sperrfristverkür- zung bewirken“, weiß Leuteritz. Au- ßerdem sei für das MPU-Gespräch wichtig, sich seine Fehler einzugeste- hen. Die Regeln, wer zur MPU muss, sind übrigens genau festgelegt: Wer mit mehr als 1,6 Promille oder unter wiederholtem Alkoholeinfluss hin- term Steuer erwischt wird, sowie Fah- rer, die unter dem Einfluss von Drogen Auto fahren, steht eine MPU bevor. Auch wer im Verkehrszentralregister in Flensburg mehr als 18 Punkte ge- sammelt hat, muss zum Test. Kuriose Geschichten überzeugen nicht Die MPU besteht aus drei verschiede- nen Teilen: dem ärztlichen Teil, dem Gespräch mit dem Gutachter und ei- nem Test, der die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit des Fahrers überprüft. Bei dem Gespräch handelt es sich allerdings nicht um Standard- fragen. „Die Fragestellung ist Grund- lage der zuständigen Behörde. Es wer- den ausschließlich die Bereiche der Persönlichkeit besprochen, die zur Be- antwortung der behördlichen Frage- stellung notwendig sind“, so Faulwas- ser. Es wird über die aktenkundigen Auffälligkeiten und deren Hinter- gründe gesprochen, sowie darüber, welche Schlussfolgerungen der Be- troffene daraus gezogen hat. Rechtsanwalt Oliver Leuteritz weiß, dass einige Mandanten aus Angst, Schamgefühl oder fehlerhafter Einschätzung sich oft vorher kuriose Geschichten überlegen, die sie dem Gutachter auftischen wollen: „Wenn beispielsweise Leute, die mit über 2,3 Promille angehalten wurden und kei- nerlei Ausfallserscheinungen an den Tag legen, erzählen, dass diese Alko- holfahrt eine einmalige Sache gewesen sei, so ist dies im Regelfall für einen Richter oder Gutachter nicht glaub- würdig. Wer mit mehr als 1,6 Promille noch ein Auto steuern kann, wird ei- nen Gutachter nicht überzeugen kön- nen, dass er zum ersten Mal Alkohol getrunken hat.“ Der häufigste Grund für die MPU sind übrigens Alkoholfahrten. Des- halb werde von Seiten der Polizei ver- stärkt kontrolliert: „Wir wollen kon- sequent alkoholisierte Fahrer aus dem Verkehr ziehen“, sagt Polizist Peter Hofmann. 2006 habe man allein in Stadt und Landkreis Bamberg sowie im Landkreis Forchheim 900 alkoholi- sierte Fahrzeugführer aus dem Ver- kehr gezogen und 432 Führerscheine sichergestellt. Abraten vor Führerschein im Ausland Sich vor der MPU zu drücken und den Führerschein in einem anderen EU- Land zu erwerben, davon raten die Experten übrigens ab: Zwar dürfe man, nach Ablauf der Sperrfrist, da- mit auch in Deutschland fahren, den- noch ist man sich sicher, dass diese Fahrzeugführer wieder auffällig wer- den. Theoretisch kann man die MPU so oft wie möglich wiederholen, nach Ablauf von zwei Jahren, in denen der Führerschein nicht zurück erlangt wurde, ist aber zusätzlich eine Führer- scheinprüfung fällig. Die häufigsten Gründe für die MPU Alkohol: erstmalige Auffälligkeit 35 % Alkohol: wiederholte Auffälligkeit Drogen & Medikamente sonstige Anlässe Alkohol & Verkehrs- oder strafrechtliche Delikte Alkohol: wiederholte Auffälligkeit Alkohol & Verkehrs- oder strafrechtliche Delikte Verkehrsauffällige ohne Alkohol körperliche Mängel Drogen & Medikamente sonstige Anlässe Verkehrsauffällige ohne Alkohol körperliche Mängel 18 % 17 % 12 % 9% 8% 1% % QUELLE: BAST GRAFIK: TANJA KRAPP Marie-Louise Greifenhagen im Gespräch mit einem Klienten. Foto: Barbara Herbst

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Thema des Tages32 FRÄNKISCHER TAG, SAMSTAG, 16. JUNI 2007 /A

„MAN KANN SCHON DIESPERRZEIT NUTZEN“

OLIVER LEUTERITZ, RECHTSANWALT

Wenn das große Zittern kommtFÜHRERSCHEIN Markus muss zur medizinisch-psychologischen Untersuchung. Bei der Psychologin Marie-LouiseGreifenhagen bereitet er sich darauf vor. Wir haben beobachtet, welche Probleme sich dem Prüfling dabei stellen.

Vorbereitungauf den Test

Über 100 000 müssen jährlich zur MPU

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED CORINNA IGLER

Scheßlitz — Da sitzt er nun. Nervöswirkt der junge Mann im braunen Po-loshirt, wie er so ganz aufrecht in demStuhl sitzt, seine Hände faltet und siedann wieder auf seine Oberschenkellegt. Dabei hat Markus (Name geän-dert) den Blick mal nach unten ge-senkt, mal blickt er im Raum umherund dann schaut er seine Gesprächs-partnerin Marie-Louise Greifenhagenan, die ihm gegenüber sitzt. Die 57-Jährige ist Diplom-Psychologin undhat sich auf die verkehrspsychologi-sche Beratung bei Führerscheinent-zug spezialisiert. Sie bereitet also die-jenigen, die ihren Führerschein durcheine Alkoholfahrt mit über 1,6 Pro-mille, durch eine Drogenfahrt oderdurch zu viele gesammelte Punkte inFlensburg verloren haben, auf dieMPU – die medizinisch-psychologi-sche Untersuchung – vor.

Einer ihrer Klienten ist auch Mar-kus. Es war im vergangenen Jahr, nacheinem Bierfest, als Markus einenschlimmen Unfall hatte, dabei schwerverletzt wurde und eine lange Rehahinter sich hatte, bis er wieder laufenkonnte. Der Grund für diesen Ver-kehrsunfall war Alkohol – genauer ge-sagt waren es 2,4 Promille.

„Wie viel haben Sie an diesem Abenddenn getrunken?“MARIE-LOUISE GREIFENHAGEN

Jetzt, ein Jahr später, will er seinenFührerschein zurück, weil er beruflichdarauf angewiesen ist. Und bei derDiplom-Psychologin will er sich aufdie MPU vorbereiten. Auch wenn dasvielleicht nicht ganz leicht fällt, dennMarkus muss dazu ganz offen über denAbend seines Unfalls sprechen undauch über den Alkohol, den er an demzuvor getrunken hat.

„Wie viel haben Sie denn an diesemAbend getrunken“, will Marie-LouiseGreifenhagen wissen. Markus über-legt, sein Blick wandert zur Decke.Zögerlich antwortet er: „10 bis 15Bier.“ „10 bis 15 Halbe“, versichertsich die Psychologin. Markus erzählt,

dass er sich auf dem Fest mit Security-Männern gestritten habe und darauf-hin „rausgeworfen“ worden sei. „Undwas war nach diesem Rauswurf“,bohrt die Psychologin weiter nach.„Da bin ich vermutlich heim gefahren.Eigentlich wollte ich ja im Auto schla-fen. Aber vielleicht haben die ja ge-sagt, dass ich das Gelände verlassensoll und ich hab dann meinen Zorn ge-kriegt und bin doch gefahren“, ver-mutet Markus. Er kann sich an denAbend und den Unfallhergang kaumerinnern.

„2,4 Promille hat man bei IhremUnfall im Blut festgestellt. Sie wissenja auch, dass da ein gewisses Trainingdabei sein muss. Ohne Übung könnteman mit 2,4 Promille nicht mehr ste-hen, geschweige denn in ein Auto ein-steigen und den Motor starten“, soMarie-Louise Greifenhagen. Dessenist sich auch Markus bewusst. Nach ei-nigen weiteren Fragen gesteht er ein,beim Ausgehen an einem Abend nor-malerweise acht halbe Maß Bier ge-

trunken und mit 16 erstmals Alkoholkonsumiert zu haben. Seit dem Unfalltrinke er nicht mehr. „Wann haben Sieangefangen mehr zu trinken?“ – Wie-der zögert der junge Mann: „Seit ichausgelernt habe“, antwortet Markus.In der Lehrlingszeit habe er währendder Arbeit gar nichts getrunken, amWochenende dafür schon öfters, meis-tens Cola-Weizen – zirka fünf Stückam Abend, umgerechnet entsprichtdas etwa eineinhalb Litern Bier.„Dasind wir aber fast nie gefahren“, fügter hinzu.

Nach seiner Maurerlehre, mit etwa19 Jahren, habe er dann auch schonmal während der Arbeit auf der Bau-stelle mit den Kollegen ein oder zweiBier getrunken und auch nach Feier-abend noch mal eine Flasche aus demKasten genommen. Auf etwa vier Bierkam er an einem Tag. „Da sind wiraber noch nicht bei der Höchstmengevon 15 Stück“, stellt Marie-LouiseGreifenhagen fest. „Wann hat sich dasdenn gesteigert?“ Sie will den Anlass

für Markus hohen Alkoholkonsumfeststellen, doch so etwas ist ein länge-rer Prozess. Das geht nicht innerhalbeiner Sitzung. Immerhin fällt es denKlienten wie Markus nicht leicht, überihre Probleme so offen zu sprechen.Auch nach dieser Sitzung konnte nochkein genauer Zeitpunkt und auch keinGrund für den höheren Alkoholkon-sum Markus' gefunden werden.

Aber die erste Aufregung ist Mar-kus nach der Sitzung genommen. Erweiß, dass die Psychologin ihm helfenwill, die MPU zu bestehen. Ermutigtsteht er von dem Stuhl auf, der Blickwandert nicht mehr umher, die Händehält er ruhig. Gleich nach der Sitzungwill er seine Leberwerte messen las-sen. Bis zur MPU soll dies drei Malpassieren, damit die Prüfer sehen kön-nen, dass Markus' Leberwerte imNormbereich sind und nicht steigen.Nach 16 Sitzungsstunden hat Markusnun seine MPU bestanden und Marie-Louise Greifenhagen ist sich sicher:„Der trinkt nichts mehr.“

VON UNSEREN REDAKTIONSMITGLIEDERN

PETRA BREUNIG UND CORINNA IGLER

Bamberg — Unvorbereitet in die me-dizinisch-psychologische Untersu-chung zu gehen, ist gefährlich. Umdie MPU sicher zu bestehen, sollteman sich rechtzeitig vorbereiten. Ei-nige Bücher oder auch eine CD-Romkönnen dabei hilfreich sein.Das Buch „Der Testknacker beiFührerscheinver-lust“ zum Beispiel:Die beiden Autorenkennen die Proble-me der Betroffenenund helfen dabei,den Führerscheinmöglichst schnellwiederzubekom-men. Sie beschrei-ben aus Insider-Sicht Ablauf und Inhalt des „Idioten-tests“ sowie die Sach- undRechtslage. Dies können die beidendeshalb so gut, weil Theodor RiehDiplom-Psychologe ist und seit vie-len Jahren als Gutachter bei einer me-dizinisch-psychologischen Untersu-chungsstelle arbeitet. Thomas Wa-genpfeil ist ebenfalls Psychologe.Das Vorbereitungsbuch „Mein Füh-rerschein ist weg –was tun?“ vermit-telt den Betroffenendas Wissen, wie dieMPU beziehungs-weise die fahrpsy-chologischen Be-gutachtungen auf-gebaut sind undgibt Ratschläge fürein erfolgreichesBestehen. Schwerpunkt der Darstel-lung ist das Verhalten bei der erstma-ligen Begutachtung, das heißt ohnevorherige Erfahrungen mit Behördenund Gutachtern. Die neue Fahrer-laubnisverordnung, die wesentlicheÄnderungen brachte, ist eingearbei-tet. Diese damit höchst aktuelle Dar-stellung umfasst alle Bereiche, in de-nen ein Führerscheinentzug und einePrüfung angeordnet werden. DerAutorDr. Karl Kürti ist amtlich anerkann-ter verkehrspsychologischer Beraterund war lange Zeit bei der Ober-gutachterstelleNordrhein-Westfa-len tätig.Die Autorin Car-men Liebs be-schreibt in demBuch „Promille-fahrt mit Folgen“sehr plastisch ihreneigenen Führer-scheinentzug imJahre 1996. Der Grund: ein Ver-kehrsunfall mit 1,75 Promille. In ih-rem Ratgeber berichtet die Autorinüber Folgen – auch die finanziellen–einer Autofahrt unter Alkoholein-fluss. Sie gibt neben dem Erfahrungs-bericht aber auch wertvolle Verhal-tenstipps zur MPU.Die CD-Rom „Keine Angst vor derMPU“ soll bei der Vorbereitung aufdie Untersuchung helfen. Neben ei-nem ausführlichen Lexikon, das ver-schiedene Begriffe im Zusammen-hang mit der MPU erklärt, kann mansich in einem Frage- und Antwort-spiel auf die psy-chologischen Fra-gen der Expertenvorbereiten. BeimFigurenvergleichs-test muss man mög-lichst schnell ent-scheiden, ob einegeometrische Formzu vier anderenpasst. Geschick undschnelle Reaktionen sind bei derFahrspursimulation gefragt. Auf denersten Blick leichter erscheinen dieFotos, die beim Verkehrserfassungs-test alltägliche Situationen zeigen.

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED CORINNA IGLER

Bamberg — Es gibt viele Gerüchte rundum die salopp „Idiotentest“ genannteMPU – die medizinisch-psychologi-sche Untersuchung. Richtig sind diesemeistens nicht.

Laut Statistik werden jährlich zwi-schen 115 000 und 140 000 Kraftfah-rer auf ihre Eignung hin begutachtet.40 Prozent der Gutachten fallen, soEdwin Erbesdobler von der Führer-scheinstelle der Stadt Bamberg, nega-tiv aus. Wichtig sei, sich auf die MPUgezielt vorzubereiten und sich früh-zeitig beraten zu lassen, ist er sich mitVerkehrspolizist Peter Hofmann,

Dekra-Begutachtachtungsstellenlei-ter Hellmut Faulwasser, Oliver Leute-ritz, Rechtsanwalt mit SchwerpunktVerkehrsrecht, und Diplom-Psycho-login Marie-Louise Greifenhagen ei-nig. „Man kann schon die Sperrzeitsinnvoll nutzen. Und auch schon vordem Strafbefehl sollte man sich erkun-digen, wie man die MPU erfolgreichbestehen kann. Dann kann man zumBeispiel schon Schulungsmaßnahmenmachen und eine Sperrfristverkür-zung bewirken“, weiß Leuteritz. Au-ßerdem sei für das MPU-Gesprächwichtig, sich seine Fehler einzugeste-hen. Die Regeln, wer zur MPU muss,sind übrigens genau festgelegt: Wer

mit mehr als 1,6 Promille oder unterwiederholtem Alkoholeinfluss hin-term Steuer erwischt wird, sowie Fah-rer, die unter dem Einfluss von DrogenAuto fahren, steht eine MPU bevor.Auch wer im Verkehrszentralregisterin Flensburg mehr als 18 Punkte ge-sammelt hat, muss zum Test.

Kuriose Geschichten überzeugen nicht

Die MPU besteht aus drei verschiede-nen Teilen: dem ärztlichen Teil, demGespräch mit dem Gutachter und ei-nem Test, der die Konzentrations-und Reaktionsfähigkeit des Fahrersüberprüft. Bei dem Gespräch handeltes sich allerdings nicht um Standard-fragen. „Die Fragestellung ist Grund-lage der zuständigen Behörde. Es wer-den ausschließlich die Bereiche derPersönlichkeit besprochen, die zur Be-antwortung der behördlichen Frage-stellung notwendig sind“, so Faulwas-ser. Es wird über die aktenkundigenAuffälligkeiten und deren Hinter-gründe gesprochen, sowie darüber,welche Schlussfolgerungen der Be-troffene daraus gezogen hat.

Rechtsanwalt Oliver Leuteritzweiß, dass einige Mandanten ausAngst, Schamgefühl oder fehlerhafterEinschätzung sich oft vorher kurioseGeschichten überlegen, die sie demGutachter auftischen wollen: „Wennbeispielsweise Leute, die mit über 2,3Promille angehalten wurden und kei-nerlei Ausfallserscheinungen an den

Tag legen, erzählen, dass diese Alko-holfahrt eine einmalige Sache gewesensei, so ist dies im Regelfall für einenRichter oder Gutachter nicht glaub-würdig. Wer mit mehr als 1,6 Promillenoch ein Auto steuern kann, wird ei-nen Gutachter nicht überzeugen kön-nen, dass er zum ersten Mal Alkoholgetrunken hat.“

Der häufigste Grund für die MPUsind übrigens Alkoholfahrten. Des-halb werde von Seiten der Polizei ver-stärkt kontrolliert: „Wir wollen kon-sequent alkoholisierte Fahrer aus demVerkehr ziehen“, sagt Polizist PeterHofmann. 2006 habe man allein inStadt und Landkreis Bamberg sowieim Landkreis Forchheim 900 alkoholi-sierte Fahrzeugführer aus dem Ver-kehr gezogen und 432 Führerscheinesichergestellt.

Abraten vor Führerschein im Ausland

Sich vor der MPU zu drücken und denFührerschein in einem anderen EU-Land zu erwerben, davon raten dieExperten übrigens ab: Zwar dürfeman, nach Ablauf der Sperrfrist, da-mit auch in Deutschland fahren, den-noch ist man sich sicher, dass dieseFahrzeugführer wieder auffällig wer-den. Theoretisch kann man die MPUso oft wie möglich wiederholen, nachAblauf von zwei Jahren, in denen derFührerschein nicht zurück erlangtwurde, ist aber zusätzlich eine Führer-scheinprüfung fällig.

Die häufigsten Gründe für die MPU

Alkohol:erstmalige Auffälligkeit

35 %

Alkohol:wiederholteAuffälligkeit

Drogen &Medikamente

sonstigeAnlässe

Alkohol &Verkehrs- oderstrafrechtliche

Delikte

Alkohol:wiederholteAuffälligkeit

Alkohol &Verkehrs- oderstrafrechtliche

Delikte

Verkehrsauffälligeohne Alkohol

körperliche Mängel

Drogen &Medikamente

sonstigeAnlässe

Verkehrsauffälligeohne Alkohol

körperliche Mängel

18 %

17 %

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9%

8%

1 %

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QUELLE: BASTGRAFIK: TANJA KRAPP

Marie-Louise Greifenhagen im Gespräch mit einem Klienten. Foto: Barbara Herbst