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Netzwerk Case Management Schweiz; AG Ethik Ethik im Case Management Seite 1 E THIK IM C ASE M ANAGEMENT Bezeichnung Herausforderungen im Case Management und ethische Orientierungspunkte für die Arbeit im Case Management Auftraggeber Vorstand Netzwerk Case Management Erarbeitung Marlene Saxer, Leitung Yvonne Hofstetter Ruth Lichtensteiger Frank Mathwig Edith Weber-Halter Jim Wolanin- Stampfli Zur Genehmigung Vorstand Netzwerk CM Status / Phase Version 01/30.06.2009 Version 02/05.07.2009 Version 03/10.07.2009 Schlussversion nach Gegenlesen aller AG-Mitglieder 23.08.2009 Überarbeitete Schlussversion Mai 2010

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Ethik im Case Management Seite 1

ETHIK IM CASE MANAGEMENT

Bezeichnung Herausforderungen im Case Management und ethische Orientierungspunkte für die Arbeit im Case Management

Auftraggeber Vorstand Netzwerk Case Management

Erarbeitung Marlene Saxer, Leitung Yvonne Hofstetter Ruth Lichtensteiger Frank Mathwig Edith Weber-Halter Jim Wolanin- Stampfli

Zur Genehmigung Vorstand Netzwerk CM

Status / Phase Version 01/30.06.2009 Version 02/05.07.2009 Version 03/10.07.2009 Schlussversion nach Gegenlesen aller AG-Mitglieder 23.08.2009 Überarbeitete Schlussversion Mai 2010

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I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

1 E i nle i tung ............................................................................................................................... 3 1 . 1 P r o z e s s ...................................................................................................................................... 3 1 . 2 G r u n d l a g e n u n d A b g r e n z u n g e n .............................................................................................. 3 1.3 Struktur und Gliederung ........................................................................................................... 4 2 P rä am be l ............................................................................................................................... 5 3 E thi s che Gr unds ä tze im Ei nze lne n ................................................................................... 7 3 . 1 V e r s o r g u n g s s t r u k t u r ................................................................................................................. 7 3 . 2 K o n z e p t ..................................................................................................................................... 7 3 . 3 Z i e l e d e s C a s e M a n a g e m e n t s ................................................................................................. 8 3 . 4 R e s so u r c e n i m C a s e M a n a g e m e n t ......................................................................................... 9 3 . 5 R e s sou r c e n u n d K o m p e t e n z e n d e r N u t z e r i n n e n ................................................................. 10 3 . 6 I n t e r v e n t i o n u n d D u r c h f ü h r u n g d e s C a s e M a n a g e m e n t s .................................................. 10 3 . 7 E v a l u a t i o n ............................................................................................................................... 11 3 . 8 R e c h t l i c h e R a h m e n b e d i n g u n g e n ........................................................................................... 12 4 Zusammenfassung und weiteres Vorgehe n ........................................................................... 13

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1 Einleitung

Im Sommer 2007 wurde die Arbeitsgruppe „Ethik im Case Management“ unter der Leitung des Vorstandmitgliedes Frau Marlene Saxer gegründet. Der mündliche Auftrag vom Vorstand lautete, ethische Grundsätze, die für alle Tätigkeitsbereiche im Case Management Gültigkeit haben sollen, zu formulieren. Die Grundsätze sollen so ausgearbeitet werden, dass sie als verbindlich und als Grundlage für eine allfällige Zertifizierung „CM in der Institution“ und / oder „CM in der Ausbildung“ gelten.

1 . 1 P r o z e s s

In der Anfangsphase wurde in der Gruppe intensiv über das persönliche und übergeordnete Ver- ständnis Ethik diskutiert. Die Gruppe merkte, dass sie sich enger fassen und klare Grenzen setzen musste. Es ging nicht darum, einzelne Abgrenzungen und / oder Einschränkungen zu definieren, sondern es musste ein allgemein gültiges Papier entstehen. Das Papier sollte so gestaltet sein, dass die einzelnen Institutionen dies als Basis für ihr eigenes Firmen-, bzw. CM-Leitbild verwenden und darauf aufbauen können.

1 . 2 G r u n d l a g e n u n d A b g r e n z u n g e n

Als Grundlage wählte die Arbeitsgruppe die allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte (1948), der Europäischen Menschenrechtskonvention (1953), der europäischen Sozialcharta (1961) und die Grundrechte, Bürgerrechte und Sozialziele der Schweizerischen Bundesverfassung von 1999. Die Handlungsmaxime ist die Fairness und Zusammenarbeitsbedingungen, die es allen Beteiligten er- möglichen, ehrlich, transparent und rücksichtsvoll mit dem Gegenüber umzugehen. Als Basis dazu gilt eine gerechte Verteilung der Ressourcen, keine Abhängigkeiten von Institutionen und Organisa- tionen. Weiter gilt ein klares Diskriminierungsverbot. Ergänzend zu den obengenannten Punkten bildet die Wahrnehmung des Menschen als autonomes Subjekt im Sinne der neuzeitlichen Ethikentwicklung (Anbindung an die Kantische Ethik) ein weiterer Bestandteil der Überlegungen. Im Zentrum dieses Ethiktyps steht die Begründung und Verteidigung der Freiheit der menschlichen Person gegenüber seiner Verdinglichung und Entwürdigung. Unter den modernen Bedingungen gesellschaftlicher Ausdifferenzierung und den ökonomisch-technologischen Entwicklungen rücken zwei Aspekte besonders in den Vordergrund:

Der verantwortliche Umgang mit der sozialen und natürlichen Umwelt

Das stellvertretende Handeln mit dem Ziel der Befähigung des Einzelnen zu einer integralen, möglichst selbstbestimmten Lebensführung.

Beide Aspekte sind in der jüngeren Ethikdiskussion sehr differenziert betrachtet und behandelt worden. Als Paradigma für eine Verantwortungsethik kann das „Prinzip Verantwortung“ nach Hans Jonas angesehen werden. Ein weiterer Aspekt behandelt die „Advokatorische Ethik“ nach Michael Brumlik. Als theoretische Grundlagen können schliesslich Empowerment-Konzepte im Rahmen der Capabilities Approach Ansätze nach Martha Nussbaum und Amartya Sen gelten. Weiter hat sich die Arbeitsgruppe mit der Differenzierung zwischen deskriptiver und normativer Ethik auseinandergesetzt. Die Arbeitsgruppe ist zum Schluss gekommen, sich hier nicht festzulegen, vor allem auch deshalb, weil vom Vorstand Netzwerk Case Management Schweiz kein schriftlicher Auftrag mit der Prämisse „deskriptiv oder normativ“ vorlag. Die Arbeitsgruppe ist der Meinung, dass in einer Handlungsanweisung sehr wohl beide Formen zur Geltung kommen können.

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1.3 Struktur und Gliederung

Das Grundlagenpapier „Herausforderungen im Case Management und ethische Orientierungspunkte für die Arbeit im Case Management“ hat die Arbeitsgruppe Ethik im Case Management während der Dauer von über zwei Jahren in einem anspruchsvollen Prozess ausgearbeitet. Die Grundlage beim Aufbau des Papiers wie auch vom Case Management als solche bildet die Realität im und um das Case Management. Auf folgender Basis richtet sich die Logik der Struktur dieses Papiers aus: Eine Versorgungsstruktur, die ethischen Kriterien standhält, bereitet die Grundlage für ein entsprechendes Konzept. Auch die weiteren ausgeführten Punkte suchen im Case Management-Alltag immer wieder nach ethischer Orientierung. Sie leiten sich logischerweise aus einzelnen besonders konfliktreichen Schritten des klassischen Regelkreismodelles im CM ab. Die Punkte im Papier konzentrieren sich allerdings nicht nur die Mikroebene alleine, sondern betreffen alle Akteure und alle drei Ebenen (Mikro-; Meso- und Makroebene). Des Weiteren hat sich die Arbeitsgruppe an den folgenden 5 zentralen Punkten im Case Management orientiert:

Ziele des Case Managements

Ressourcen im Case Management

Ressourcen und Kompetenzen der Nutzerinnen

Intervention und Durchführung des Case Managements

Gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

Für die Arbeitsgruppe sind die Struktur und die Logik stimmig, auch in Bezug zur CM-Realität. Auf die Forderung des Vorstandes Netzwerk CM Schweiz, das Grundlagenpapier neu zu gliedern, tritt die Arbeitsgruppe deshalb nicht ein.

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2 Präambel

Case Management, im weiteren CM genannt, nimmt komplexe Koordinationsaufgaben im Gesund- heits-, Sozial- und Versicherungsbereich wahr. Aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzfelder und Ver- mittlungsfunktionen zwischen spezifischen Professionen und Handlungszielen im Spannungsfeld unterschiedlicher institutioneller Bedingungen und konkurrierender ökonomischer Interessen sind Case Managerinnen1 in die Arbeitsabläufe unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilsysteme involviert. Sie übernehmen für ihre Klientel2 teilweise eine anwaltschaftliche Funktion (=advocacy), ohne dabei in der Regel über klare, institutionell und rechtlich geschützte Entscheidungs- und Gestaltungsräume zu verfügen. CM bewegt sich in dem dichten Netz widersprüchlicher, gruppenspezifischer Interessenlagen und ist, entsprechend seiner institutionellen Einbindung und Verpflichtungen, häufig selbst Teil einer übergeordneten partikularen Interessenpolitik. Die Bedingungen und lebensweltlichen Voraussetzungen, unter denen die Dienstleistung Case Management stattfindet, müssen transparent gemacht und kommuniziert werden. Nur so gelingt es, die Standards der Funktion in der konkreten Anwendung zu sichern und auf negative Einflussfaktoren und Zielvorgaben kritisch zu reflektieren. Die ethischen Richtlinien stellen für diese Prozesse der Selbstvergewisserung und Qualitätssicherung einen grundsätzlichen Orientierungsmassstab bereit. Um diese Aufgaben zu erfüllen, gelten sie für das Case Management als verbindlich. Die Ethikstandards der Mitglieder des Netzwerkes CM Schweiz sind verbindlich und ein- zuhalten. Orientierung an der Zukunft CM unterstützt ihre Klienten in schwierigen persönlichen Lebenslagen bei der Bewältigung akuter Probleme und Herausforderungen. Die Arbeit zielt auf die Entwicklung und Umsetzung zukunfts- orientierter Lebensperspektiven für die begleiteten Personen. Die Case Managerin übernimmt nebst den vielfältigen Vermittlerfunktionen auch die Stellvertretung der Interessen ihres Klienten. Diese Grundhaltung steht häufig in einem konfliktreichen Verhältnis zu widersprüchlichen Erwartungen und Rollenzuschreibungen in der Praxis. Orientierung am Menschenbild Die Arbeit im CM orientiert sich an einem Menschenbild, das jeder Person mit Respekt und Würde begegnet. Sie achtet die lebensweltlichen Kontexte ihrer Klientel und zielt auf die Ermöglichung ge- sellschaftlicher Teilhabe und Teilnahme und sozialer Kommunikation. Die Autonomie der Person ist unabdingbar zu achten und zu schützen. Noch so gut gemeintes Engagement rechtfertigt keinen Paternalismus. Case Manager begleiten Menschen in einer Lebensphase, machen sich aber weder zu ihren Komplizen noch zwingen sie ihnen ihre eigenen Lebenseinstellungen und Zielperspektiven auf.

1 Bezeichnungen sind weiblich und gelten für beide Geschlechter. 2 Der besseren Lesbarkeit halber wird einheitlich der Begriff „Klientin oder Klientel“ verwendet, weitere Begriffe für

Personen, die durch das Case Management unterstützt werden, sind darin implizit enthalten

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Orientierung an der Gesellschaft und Politik CM orientiert sich am Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe (=Empowerment) und trägt zur Förde- rung der Grundlagen und Fähigkeiten einer sozial integrierten, partizipatorischen Lebensweise bei. Diese Zielsetzungen sind nicht abzukoppeln von dem Engagement für gesellschaftliche Chancen- gleichheit und soziale Gerechtigkeit. CM hat somit eine genuin kritische Funktion gegenüber öko- nomischen und politischen Partikularinteressen, die das Wohl der einzelnen Person mit ihrem öko- nomischen oder gesellschaftlichen Wert verrechnen wollen. Die effiziente Koordination der kom- plexen Kompetenzen und Ressourcen im Gesundheits-, Sozial- und Versicherungswesen orientiert sich vorrangig am Wohl der Klientel.

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3 E thi s che Gr unds ä tze im Ei nze lne n

Der Aufbau der einzelnen ethischen Grundsätze ist folgendermassen zu verstehen: In einem kurzen allgemeinen Teil wird der Kontext geschildert. Im zweiten Teil wird die ethische Orientierung formuliert. Im dritten Teil sind mögliche Keywords für ein einfaches Suchen und Fin- den von ethischen Richtlinien aufgeführt.

3 . 1 V e r s o r g u n g s s t r u k t u r

Die Versorgung im Gesundheits-, Sozial- und Versicherungswesen ist in hohem Mass fragmentiert und erfordert Koordination und Kooperation. Nicht für alle Bedarfslagen stehen jederzeit passende Leistungen zur Verfügung. Ethische Orientierung

• Organisationen, die CM betreiben, tragen Mitverantwortung dafür, dass CM und auch die beste- henden öffentlichen und privaten Angebote, Programme und Dienstleistungen etc. allen Men- schen zugänglich sind

• Sie engagieren sich dafür, dass Menschen mit Bedarf nach Unterstützung diese dort erhalten, wo sie bestmöglich und klientinnennah geleistet werden kann

• Die Einrichtungen gewährleisten die Vernetzung mit allen relevanten und für die Zielsetzung sinnvollen Partnerorganisationen. Die Vernetzung der Einrichtungen ist eine unentbehrliche Aufgabe der Organisation

• CM vertritt ihre Anliegen in der Gesellschaft Keywords

Zugänglichkeit der Dienstleistungen Angebot ist klientinnennah Vernetzung der Einrichtungen Öffentlichkeitsarbeit

3 . 2 K o n z e p t

Die Konzepte der Anbieterinnen von Case Management beziehen konstitutiv Grundverständnis und Zielsetzung von CM mit ein. CM, das in einem institutionellen Rahmen stattfindet, bedarf eines in- stitutionell situierten und institutionell verantworteten Konzeptes. Ethische Orientierung

• CM ist eine Dienstleistung von Organisationen und Fachpersonen. Das Angebot ist freiwillig

• Die Zugangskriterien zum CM sind transparent kommuniziert, verbindlich und nicht diskrimi- nierend

• Das Konzept konkretisiert das Leitbild des Betriebes auf die besondere Aufgabe und Funktion von CM hin. Es setzt Priorität auf nachhaltige Lösungen vor kurzfristigem Gewinn

• Das CM stellt für die Finanziererinnen eine eigenständige Möglichkeit für materielle und imma- terielle Wertschöpfung im Dienste der Nutzerinnen dar. Es wird nicht zur Kontrolle der Nutz- niesserinnen und als reine Kosteneinsparungsstrategie instrumentalisiert

• Das Konzept gibt Orientierung für den Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen, die mit dem CM verbunden sind wie bspw. die Notwendigkeit des sparsamen Mitteleinsatzes

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• Das Konzept gibt Aufschluss über unverhandelbare Rahmenbedingungen und schützt dieHandlungsautonomie der Case Managerinnen in fachlichen Belangen

• Die aus dem CM gewonnenen Erkenntnisse zu Stärken und Schwächen des Versorgungssystems werden kritisch reflektiert und an die politisch verantwortlichen Stellen zurückgemeldet

Keywords

Freiwilliges Angebot Zugangskriterien (werden bei der Versorgung, dem Konzept als auch bei den Zielen des CM

aufgezählt)

Nachhaltigkeit der Lösungen Wertschöpfung Kontrolle Kosteneinsparungsstrategie Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen Handlungsautonomie der Case Managerinnen Politische Verantwortlichkeiten Informationspolitik

3 . 3 Z i e l e d e s C a s e M a n a g e m e n t s

CM ist explizit zielorientiert. Die Ziele werden sowohl für ganze Programme als auch im einzelnen CM-Prozess definiert. Ethische Orientierung

• CM stärkt die Autonomie der Klientinnen und schafft keine Abhängigkeiten

• Die berechtigten Ziele derjenigen, die das CM finanzieren und / oder ermöglichen, sind mitein- bezogen. Die Ziele des Betriebes sind transparent

• Die Ziele stehen im Einklang mit zentralen gesellschaftlichen Werten wie:

o Gewährleistung der sozialen Sicherheit o Solidarität o Soziale und berufliche Integration o Selbstverantwortung o Aktives Nutzen der eigenen Ressourcen

• Die Zielsetzung des CM orientiert sich in erster Linie an den Ressourcen und dem Entwick- lungspotential der Klientinnen

• Die Ziele sind mehrdimensional entsprechend der Komplexität der zu bearbeitenden Situation

• Spielregeln werden definiert und sind für alle Beteiligten verbindlich. Zielwidersprüche werden transparent gemacht. Bspw. gegenläufige Ziele der Klientinnen, der Ziele der Kostenträgerinnen und/oder anderer Leistungserbringer im System

• Der Grundgedanke des CM liegt im Empowerment, also der Befähigung und Ermächtigung, die eigenen Ziele innerhalb eines sozialverträglichen Rahmens zu erreichen

• Die Klientinnen sind über die Rahmenbedingungen des CMs informiert. Sowohl die Vorausset- zungen für den Einstieg als auch die Kriterien für einen Fallabschluss und / oder Fallabbruch sind kommuniziert

• Case Managerinnen klären Klientinnen bezüglich möglicher Interessenkonflikte, der Brisanz und der ethischen Dimension der Situation auf. Die Case Managerinnen vertreten die Interessen der Klientinnen auf der Grundlage klarer Vereinbarungen sowohl mit den Klientinnen als auch mit den beteiligten Institutionen.

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Keywords Autonomie Abhängigkeiten

Ziel- und Interessenkonflikte Ressourcenorientierung

Empowerment Rahmenbedingungen im Case Management Zugangskriterien Kriterien für Fallabschluss Kriterien für Fallabbruch Klare Vereinbarungen

3 . 4 R e s so u r c e n i m C a s e M a n a g e m e n t

CM ist ein Prozess, der finanzielle Mittel erfordert. Damit CM auf einem verantwortbaren Quali- tätsniveau ausgeführt werden kann, haben die Anbieter dieser Dienstleistung die benötigte Zeit und die finanziellen Ressourcen bereitzustellen. Ethische Orientierung

• Der Zugang von Klientinnen zu Leistungen des CM orientiert sich an expliziten Kriterien und nicht alleine an vorhandenen Ressourcen. Die notwendigen Ressourcen sind innerhalb von nütz- licher und realisierbarer Zeit bereitzustellen

• Die Case Managerinnen erhalten für die einzelnen Klientinnen ein den Anforderungen entspre- chendes Zeitbudget. Die Einrichtungen evaluieren das Verhältnis von Zeitbedarf und Zeitres- sourcen. Sie definieren die Rahmenbudgets und Ausnahmebestimmungen

• Die Organisationen, die CM ermöglichen, sind verantwortlich dafür, dass die Case Managerin- nen über die für die anspruchsvolle Aufgabe notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen verfügen. Sie verpflichten sich zu einer ständigen Qualitätsentwicklung im Sinne einer Gewähr- leistung des state of the art

• Die Organisationen stellen die für die fachliche und persönliche Reflexion notwendigen Res- sourcen und Infrastruktur zur Verfügung

• Die notwendigen räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen zum Schutz der per- sönlichen Integrität der Klientinnen sowie die Unabhängigkeit und Vertraulichkeit des CM sind gegeben

• Betrieblich übergeordnete Stellen greifen nicht direkt in den konkreten laufenden Case Mana- gement-Prozess ein. Die übergeordneten hierarchischen Instanzen respektieren die im Rahmen des CM, gemäss den ihnen zugesprochenen Kompetenzen, getroffenen Entscheidungen.

Keywords Nutzbarmachung der Ressourcen Zugang zu Ressourcen Zeit- und finanzielles Budget Definition von Rahmenbedingungen und Infrastruktur Schutz der Persönlichkeit und Vertrauchlichkeit Unabhängigkeit Integrität der Klientin Eingreifen in den CM-Prozess

Entscheidungsakzeptanz

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3 . 5 R e s sou r c e n u n d K o m p e t e n z e n d e r N u t z e r i n n e n

Klientinnen des CM befinden sich in der Regel in einer Ausnahmesituation, teilweise sogar in einer prekären Lebenslage, in welcher der Zugang zu Ressourcen – eigenen, wie auch Umweltressourcen – häufig eingeschränkt ist und deshalb Abhängigkeitsverhältnisse entstehen können. Die Zustim- mung zum CM und das Eingehen eines Vertrages zwischen CM und Klientinnen finden in einem Moment statt, in dem die Klientinnen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht immer ab- schätzen können. Ethische Orientierung

• Möglichkeiten und Grenzen des CM sind transparent

• CM kommt auf Grund informierter Zustimmung der Klientin zu Stande (informed consent)

• Die Bedingungen für die Zusammenarbeit sind geklärt

• Klarheit über die Kooperationsbedingungen im Sinne der Mitwirkungspflicht und deren Konse- quenzen ist vorhanden

• Die Kooperationsbedingungen werden einvernehmlich und verbindlich festgelegt

• Sollten potentielle Klientinnen dem CM nicht zustimmen, wird auf Druck und Sanktionen ver- zichtet

Keywords Möglichkeiten im CM Grenzen im CM Information Zustimmung Bedingungen der Zusammenarbeit Einvernehmlichkeit Mitwirkungspflicht Druck und Sanktionen

3 . 6 I n t e r v e n t i o n u n d D u r c h f ü h r u n g d e s C a s e M a n a g e m e n t s

Case Managerinnen handeln in komplexen und dynamischen Situationen. Sie gestalten den Unter- stützungsprozess, kommunizieren, strukturieren und reflektieren. a) CM ist eine Funktion auf der Grundlage eines strukturierten Verfahrens. CM hat einen Anfang

und ein Ende. Ethische Orientierung

• Beide Partner haben jederzeit das Recht, begründet die Zusammenarbeit zu beenden

• Stellvertretendes Handeln durch Case Managerinnen ist nur auf Grund entsprechender vertragli- cher Vereinbarungen möglich. Beispielsweise bei / mit:

o Vormundschaftlicher Massnahmen o Psychischen und neuropsychischen Erkrankungen

• CM ist kein Instrument zur Rationalisierung von Leistungen b) CM erfordert ein hohes Mass an Vernetzung.

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Ethische Orientierung

• Die Case Managerinnen sind verantwortlich dafür, dass alle wichtigen Akteure einbezogen sind und über die notwendigen Informationen verfügen

• Die Case Managerinnen verstehen sich als Drehscheibe im Unterstützungssystem

• Die Case Managerinnen verpflichten sich zu nachhaltiger Beziehungspflege c) CM bedarf der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem persönlichen und professionellen

Handeln. Ethische Orientierung

• Die Case Managerinnen reflektieren ihr Handeln selbstkritisch und unterstützen sich gegenseitig in kollegialem Austausch

• Die Erfahrungen und Fähigkeiten von Kolleginnen sowie von Fachleuten und der Personen aus dem Umfeld der Klientinnen werden konstruktiv genutzt

Keywords Beendigung der Zusammenarbeit Stellvertretendes Handeln bei Einschränkungen Rationierung von Leistungen Auseinandersetzung mit sich und dem persönlichen Handeln Beziehungspflege Wissenstransfer Erfahrungsaustausch

3 . 7 E v a l u a t i o n

Die Evaluation ist ein integraler Bestandteil von Case Management und unverzichtbar für die Quali- tätssicherung.

a) Case Managerinnen stehen unter einer hohen Erwartung an Effizienz.

Ethische Orientierung

• Der Leistungsausweis / Leistungsnachweis des CM bzw. der Case Managerin wird nicht allein an der Qualität und Nachhaltigkeit der Leistung für die Klientin, den Betrieb und die Gesellschaft gemessen, sondern auch an den materiellen Einsparungen. Mögliche Kriterien hierzu sind:

o Angemessenheit der erbrachten Leistungen im Verhältnis zum Bedarf o Das ausgelöste Entwicklungspotential o Qualität der Kooperation o Zufriedenheit der Betroffenen und der Kooperationspartner

b) Die konzertierte Aktion mehrerer Akteure kann zu einer hohen Wirksamkeit führen. Dabei sind

unbeabsichtigte Wirkungen jedoch nicht ausgeschlossen.

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Ethische Orientierung

• Case Managerinnen sind verantwortlich für die Wirkungen ihres Handelns soweit sie in ihrem Einfluss- und Zuständigkeitsbereich liegen

• Sie sind in ihrem Handeln verantwortlich gegenüber

o Den Klientinnen o Ihren Kooperationspartnerinnen o Dem Betrieb o Der Gesellschaft

Keywords

Leistungsnachweis Leistungsausweis Unbeabsichtigte Wirkung Verantwortlichkeit Einflussmöglichkeit Zuständigkeitsbereich

3 . 8 R e c h t l i c h e R a h m e n b e d i n g u n g e n

Rechtliche Einbettung und Absicherung erfolgen auf der Basis der verfassungsmässigen Grundrech- te. Die Einhaltung der geltenden Datenschutzrichtlinien ist gewährleistet. Ethische Orientierung

• Jede Institution, die CM als Dienstleistung anbietet, verpflichtet sich bei entsprechender Nach- frage und Anfrage zu einem Beratungsgespräch. Ein erstes Beratungsgespräch ist unverbindlich

• Eine Vollmacht / Einzelvollmacht ist zwingend

• Das Falldossier ist kein Bestandteil der Personalakte oder anderer rechtsrelevanter Akten

• Bei Gerichtsverhandlungen bitten Case Managerinnen ausdrücklich um Entbindung der Zeug- nispflicht

Keywords Vollmacht Legitimation unverbindliches Beratungsgespräch Schutz der Persönlichkeit Vertraulichkeit der Falldaten und Gesprächsinhalte

Entbindung Zeugnispflicht bei Gerichtsfall

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4 Zusammenfassung und weiteres Vorgehe n

Die Erstellung der ethischen Grundlagen hat viel Denkarbeit und Überprüfung der eigenen Vorstel- lungen erfordert. Paradigmen wurden diskutiert und gemeinsame Nenner gefunden. Mit der Erstel- lung der ethischen Richtlinien alleine ist die Arbeit aber nicht getan. Nach Genehmigung durch den Vorstand des Netzwerkes CM Schweiz geht es an die Umsetzung und das Bekanntmachen bei den Institutionen wie auch bei den freischaffenden Case Managerinnen. Die Zeit ist reif für ethische Überlegungen! Wir schlagen deshalb vor, dass sich eine Arbeitsgruppe innert kurzer Zeit mit der Umsetzung und Implementierung der ethischen Richtlinien befasst. Unse- re Idee ist es, dass die ethischen Richtlinien an der CM Tagung im Herbst 2010 kommuniziert und vorgestellt werden. Weiter empfehlen wir, dass die ethischen Grundsätzen zu den verbindlichen Grundkriterien zum Erhalt der Zertifizierung gehören. Dementsprechend sind die Zertifizierungsgrundlagen zu ergän- zen.

Für die Arbeitsgruppe Ethik im Case Management Marlene Saxer Juli 2009 Überarbeitung Mai 2010