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    DERTOKAREV BERICHT

    vonSalvatore Puledda

    Orginaltitel El Informe Tokarev

    Copyright Salvatore Puledda, Barcelona, 1981

    Copyright 1994 Centaurus Ediciones S.R.L.

    (aus dem Spanischen bersetzt von ???

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    Fr Silo

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    Und ich werde des Bundes zwischen mir und euchund allen Lebewesen gedenken; und es wird keine Sintflutmehr geben, die alles zerstrt.

    Der Regenbogen wird am Himmel stehen, ich werdeihn sehen und des ewigen Bundes zwischen allenLebewesen auf dieser Erde gedenken.

    ER sagte also zu Noah: Dies ist das Zeichen desBundes, den ich mit allen Lebewesen auf dieser Erde

    geschlossen habe.

    Genesis 9. 15 - 17

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    19. Dezember 1978

    Sie sa an der Stirnseite des durchsichtigen Tisches aus Acrylglas und hatte beide Hnde auf eine dunkle, Aktentasche geleg t.Man war beeindruckt von ihrer beraus schlanken Figur undihrem tiefschwarzen Haar, das einen Teil des Gesichtes bedeckte.Ihre Lider waren geschlossen, zuckten aber nervs e

    "Frau Tolmacheva", sagte ein dicker Mann, der sich gemtlich.auf dem Sofa niedergelassen hatte und ber seinen Schnurrbartstrich . "Frau Tolmacheva, versuchen Sie sich die Szene zu vergegenwrtigen, die zur Abfassung dieses Memorandums g efh rt hat. tI

    "Ich s,ehe e ine Pyramide oder e inen Kris ta ll. Vielleicht e in Prisma.Im Innern ein Licht 0" Eine Zeitlang war es still und dann fgte sieschlafwandlerisch hinzu: "Eine Rakete schie i auf die Pyramide zu,dringt in sie ein und verschwindet . . . Jetzt kommt sie wieder zumVorschein und fliegt in die gleiche Richtung zurck. Ich wei nicht . . .Ich wei nicht. Es knnte auch ein Licht st rahl sein . Ja, ein Lichtstrahl dringt ein und die Pyramide leuchtet in allen Regenbogenfarben. 1f"Wie gro ist die Pyramide?", fragte ein anderer Mann, der hinterdem schnurrbrtigen Nietzsky stand."Ich wei nicht, sie ist einige Kilometer hoch . . . l f"Was heit Kilometer? Konzentrieren Sie sich", unterbrach Nietzsky."Ich wei nicht . . . Ich wei nicht . . . Sie kann auch klein sein. Vielleichtist sie nicht grer als ein Kristall, ein Rubin."

    Der andere Mann nherte sich Nietzsky und f l ste rte ihm ins Ohr:"Entweder beschreibt sie Newtons Versuch zur Zerlegung des Lichtsoder sie spricht von einer Art Laser-Apparat. Das Zurckkehren knntedie Gegenbewegung der Flgel durch die Lichtaktivitt im Radiometervon Crookes sein.""Ich versuche in den Kristall hineinzukommen. Mich umgibt ein sehrstarkes Licht, es ist kein gewhnliches Licht, es ist anders. Ich hreeine Stimme, die sagt: "Du sollst nicht hineingehen", fuhr die Tolmacheva fort. Dann nahm sie ihre Hnde von der Aktentasche und bedeckte ihr Gesicht. "Ich sehe mich selbst, als ich ein Kind war . . .

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    Ich sehe mich selbst. Das Licht drngt mich aus dem Zentrum derPyramide hinaus., Ich weiche zurck, ich weiche zurck und entferne mich mit groer Geschwindigkeit. Tf"Lassen Sie sich n icht h inausdrngen , gehen Sie wieder zur Mitte.Beschreiben Sie uns, was es dort gibt", sagte der Mann.Hleh bewege mich wieder nach vorne. "Geh nicht hinein", sagt eineStimme. Ich sehe mich selbst. Oh! ff rief die Frau aus und fuhrschluchzend fort: "Ich bin verrckt . Ich habe den. Verstand verloren.Ich werde hinausgestoen . . . "

    Die Tolmacheva war aufgestanden, von Kopf bis Fu zit ternd, alsob sie eine schreckliche Vision gehabt htte. Die beiden Mnnernherten sich ihr , um sie zu beruhigen.

    "Kommen Sie f f , sagte Nietzsky besorgt, "im Zimmer nebenan ist allesvorberei tet . Dort wird man sich um Sie kmmern. Danke, vielen Dank,Frau Tolmacheva." E r nahm sie behutsam am Arm und fhrte sie zueiner Tr , die sich in diesem Moment ffl) .ete. Eine Frau nahm dieSeherin in Empfang. Dann schlo sich die Tr .

    "Es ist immer dasselbe. Wir haben schon hundertmal denselben. Versuchgemacht, immer mit dem gleichen Ergebnis", sagte Nietzsky und ging

    wieder zum Sofa. "Dieses Mal haben wir Sie hinzugezogen, damit Sieaufg rund Ihr es Fachwissens ein Gutachten abgeben. Ich mchte Siedaran erinnern, da bei den. vorangegangenen Sitzungen andere Beobachter anwesend waren . Einer hatte eine unsinnigere Meinung alsder andere. Also, was halten Sie davon?" Sein Gesprchspartner liesich auf dem Stuhl nieder, auf dem. vorher die Tolmacheva gesessenhatte, und erklrte in anmaendem Ton: "Ich glaube, da es sich umein Laser-System handelt. Lassen wir die Phantasien von einem kilometerhohen Krper und Raketen beiseite. ft"Ob es Phantasien sind oder nicht, soll nicht Ihre Sorge sein. Dafrhaben wir andere Experten. Sie in terpretieren sie Angelegenheit alleinvom physikalischen S tandpunk t aus . ff Nietzsky berlegte einen Augenblick und fgte dann hinzu: "Verzeihen Sie , aber in dem Memorandumwird von einem System zur Desaktivierung von Waffen gesprochen und

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    ich versichere Ihnen, da die Tolmach.eva den Text nie gelesenhat. Sie hat immer nur den Deckel der Aktentasche berhr t . SagenSie mir bitte Ihre Meinung dazu.""Na schn", meinte der Physiker . "Alles, was ich von ih r gehrthabe, erinnert mich an die Experimente von Basov.""Lenin- und Nobelpreis fr Physik, nicht wahr?" unterbrach ihnNietzsky."Richtig. Zusammen mit Zubariev, Efinkov und Grasink gelang esihm 1967, die Lichtgeschwindigkeit auf mehr als zwei Millionen Kilometer pro Sekunde zu erhhen. Damit hat er die Theorie Einsteinsvon der begrenzten Geschwindigkeit widerlegt. Die Experimentewurden im radiophysikalischen Labor des Lebedev-Insti tuts an derSowjetischen Akademie der Wissenschaften durchgefhrt . Wie findenSie das?""Ich finde es gut" , entgegnete Nietzsky ungeduldig."Basov scho einen konzent rierten Lichtst rah l auf ~ u b i n e , die vorherserienweise prparier t worden waren und hat so die Lichtgeschwindigkeit um ein Neunfaches erhht . Als Ihre Schlerin . . . n

    HSie ist ' nicht meine Schlerin! H unterbrach ihn der andere verrger tund fgte hinzu: "Sie ist eine Versuchsperson, die sich hervorragendfr parapsychologische Arbeit eignet. Man ist sich der Wichtigkeitunserer Forschungsarbeit in der Sowjetunion noch nicht bewut. ""Gut, gut", fuhr der Physiker fort . "Als die Frau erzhlte, da siemit einem Lichtstrahl in das Innere des Kristalls geschleudert wurdeund sich dort in ihre Kindheit zurckve rs etz t s ah , knnte sie einehnliche Erfahrung beschrieben haben, wie sie. Basov bei seinem Ex-periment mit der Zeitverschiebung gemacht hat. Es knnte sich umErfahrungen beim Voran- und Zurckgehen in der Zeit handeln, diesich auf die Beschleunigung des Lichts sttzen. Deshalb scheint mirdas Bild eines kilometerhohen Krpers, der gleichzeitig so klein wieein Kristall sein kann, eine Phantasie zu sein, aber es beschreibtjedenfalls die Vernderung des Raumes mit der Geschwindigkeit. ff"Und zu welchem abschlieenden Urteil sind Sie gelangt?"

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    "Ich wrde sagen, Ihre, Versuchsperson hat eine Erfahrung gemacht,durch die man sich .eines Tages, von der Zeit lsen knnte. Das giltnatrl ich nur , wenn Frau Tolmacheva sich nicht i r r t . Und wenn siesich dessen sicher is t , tu t es mir sehr leid fr sie. 11"Warum?" fragte Nietzsky. ."Weil sie", sehlo der Physiker , ft als sie wieder in den Kristall hinein.ging sagte, sie sei verrckt geworden und das knnte s ich v ie ll eich tauf ihre eigene Zukunft bez iehen. n

    20. Dezember 1978

    Yuri V.Tokarev. Pa Nr. 140.392.388, wohnhaft Dyietigara M 6/25,Moskau, geboren am 7.Juli 1940 in Novgorod, 1,85 m gro, 78 kg,helle Haut, rothaarig, blaue Augen, keine besonderen Merkmale.Wissenschaf tler, Sozial forscher , Professor der vergleichenden Religionswissenschaften. Universitt Moskau .. Verheiratet , zwei Kinder.Bereiten Sie den Empfang vor und stellen Sie einen geeigneten Begleiter fr eine Reise ins Innere des Landes zur. Verfgung. S top.

    12. Mai 1979

    Er klopfte noch einmal leise und diesmal wurde er aufgefordert einzutreten. Er stie den schweren Trflgel auf und schlo ihn wiederhinter sich.In der Mitte des Zimmers, das im franzsierten Sankt-Petersburg-St i l ,fin du siecle, eingerichtet war, stand ein groer Tisch. Etwa zehnPersonen saen dort im Halbkreis und sahen ihn e rwartungsvo ll an.Nach einigen Sekunden sagte jemand: "Treten Sie nher! Setzen Siesich zu uns! tI Der Gang zum Tisch schien ihm endlos lang; e r zwangsich zu einem Begr ungslcheln. Dann setzte er sich auf den einzigenleeren Stuhl . Das Schweigen wurde unertrglich. Er rusperte sich.Nun erklrte der lteste der Gruppe freundlich: "Der Genosse YuriV.Tokare v hat zahlreiche. Verdienste .. Verdienste, die in seinem Berufschwer zu erwerben s ind. Er ist. ein guter Wissenschaftler und erfllteine Funktion, die. von der ff en tlichkeit wenig verstanden wird."

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    Der alte Mann sprach langsam und unterstrich seine Worte mitweit ausholen den Gesten. Yuri beruhigte sich allm hlich. Er kannteGrigoris Charakter sehr gut. Er wute schon. vom ersten Wort an,worauf er hinaus'wollte Cl Also' lie er ihn ruhig weitersprechen undbeschftigte sich mehr damit, die anderen Anwesenden genau zubeobachten. Er bemerkte zwei berhmte Psychologen, die sich vonPla tonovs Schule getrennt hatten C Der Prominentes te von ihnen warzweifellos der etwas schlampige Professor K?-rpov. Er bespitzelteauf hinterhltige Weise einen ausgezeichneten His toriker der Akademie,der s einerzei t gegen keine Geringeren als Kuusinen und Rosenthaipolemisiert hatte. Schlielich erkannte er den Bio tron ike r Nietzsky,der anscheinend die parapsychologischen Thesen von. Basiliev widerlegt hatte. Die restlichen Teilnehmer kannte er nicht . . . mit Ausnahmevon Grigori, der jetzt laut seinen Lebenslauf durchging.

    Etwas war seltsam an diesem Komitee. Soweit Yuri feststellen konnte,bestand es aus streitbaren Wissenschaftlern, die schon vor langer Zeitaus wicht igen akademischen Pos it ionen entlassen worden waren. Ertrstete sich mit diesen Gedanken, erinnerte sich aber auch daran,welche skandalse und abenteuerliche Methoden sie angewandt hatten,um mit ih ren Thesen die Wissenschaft zu beunruhigen. Aber nun saensie hier, und alles wies d arau f h in , da sie jetzt die Entscheidungber seine Sache in der Hand hatten.

    Wieder t rat Stille ein. Dann sagte Karpov in berheblichem Ton:"Tokarev, Sie haben sich zu viel herausgenommen. Wie Sie sich zuverhalten haben, ist klar: als .-Professor der vergleichenden Religionswissenschaften , an der Universitt oder bei. Verffen tlichungen . . .Ihre Aufgabe ist es - hren Sie mir gut zu!' - nach den Richtlinien derwissenschaftlichen materialistischen Konzeption zur atheistischen Erziehung der Massen beizutragen. ff

    Yuri fhlte, wie ihm das Blut in den Schlfe:p pochte, und mute seineReflexe beherrschen, als Karpov ihm die Zeitschriftmit dem grnen

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    Umschlag hinwarf, . die er so gut kann te. Es war die Aus'gabe, vom1. Dezember 1978 . . . " vor fnf Monaten erschienen. In diesem Moment.glaubte er zu ver st ehen , aus welchen Motiven heraus das Komiteegebildet worden war: Er so llte wegen seines Artikels ber "die re-ligise Explosion in der heutigen Welt" zur Rechenschaft gezogenwerden. Trotzdem pate es berhaupt nicht ins. Bild, da das. Ver-teidigungsministerium selbst, wie Grigori sagte, die Grndung einessolchen Komitees veranlat hatte. Wie konnte sich diese Institutionin einer Diskussion ber seine Standpunkte einmischen? Dennoch be-fanden sich diese Art Tribunal, das Zimmer und er selbst in einemGebude des Ministeriums .. Er lockerte die Muskeln und hrte demanderen Psychologen zu.

    "Das Programm der kommunistischen Partei der Sowjetunion betont,da eine umfassende a the is ti sche Propaganda auf wissenschaftlicherBasis durchgefhrt wer.den mu, die immer wieder die Schwche derReligionen erweist . . . Nun wollen wir einmal sehen, Herr Tokarev.Ws haben Sie genau gemacht?"

    "Ich habe gefh rliche Vernderungen irl der Religiositt der Vlkerf es tges te llt . Ich habe auf q.ie Notwendigkeit hingewiesen, sie grndlichzu studieren und schlielich habe ich auch betont, da Symptomeeines umfassenden kollektive'n Wahnsinns festzustellen sind.""Symptome!" unterbrach Grigori. Er blickte Yuri starr an und fuhrfort: "Genosse Tokarev, Sie haben den ersten Stein geworfen unddie empfindlichste Stelle g e t r o f f e ~ . Sie haben behauptet , da "dieSowjetunion an Kurz sichtigke it leidet", was Phnomene psychosozialerVernderung betriff t . Sie verwenden e ine ungewhnl iche und unsym-pathische Terminologie: "Symptome", "Kurzsichtigkeit" . . . Was solldas, ' Genosse?"

    Yuri antwortete zynisch: "Ic,h behaupte , da d ie momentan alarmierend-sten Symptome sind: die immer huf iger auf tauchenden UFOS, derMassenselbstmord von t ausend Pro te stan ten in Guayana, die islamischeRevolution im Iran und die. vom Papst hervorgerufene Massenhysterie

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    in der Dominikanischen Republik und in Mexiko. rt

    "Das berhrt unser Leben nicht rr , entgegnete Grigori, "es beweisteher den Zerfall des Kapitalismus." Ohne an die Folgen zu denken,sagte Yuri etwas" was das Komitee elektrisierte. "Die Halluzinationenvon UFOS sind bei uns hufiger als bei den Kapitalisten, zu -denS.elbstmorden in Guayana wurde im Namen des Sozialismus aufgerufen;die Revolution im Iran hat Millionen, von Mohammedanern im Sden derSowjetunion mobilisier t und nicht zuletzt stammt der Papst aus demsoz ia li st ischen Polen, das ihm zujubelt ."

    "Kommen wir zur Sache! ff , unterbrach eine energische Frauenstimme ."Ich habe innerhalb weniger Monate 112 Symptome auf der ganzen Weltfestgestellt , die Hlfte davon bei uns . Und wenn ich die UFOS mit demrituellen Selbstmord und anderen religisen Phnomenen in, Verbindungbringe, dann d eshalb, weil ich befrchte , da es in diesem Umfeldeine geistige Verwirrung mit mystischen Zgen gibt. Wir mssen dieseneuen S trmungen , die heute berall ents tehen, begreifen. Andernfallswerden noch fter solche unangenehmen Dinge wie im Iran passieren."

    ,

    !(arpov hatte Grigori ein kurzes Schreiben zugesteckt .. Als es diesergelesen hat te, gab er Yuri ein en Wink, seine Erklrungen zu unterbrechen und sagte dann: "Mein Junge, wir mssen mit unserer Sitzungweitermachen. Warten Sie also, bis ich Sie in einigen Tagen anrufe . f1

    Professor Tokarev stand auf und ging zur Tr , nachdem er sich kurzvor den Anwesenden verbeugt hatte .. Bevor er sie ffnete, hrte ernoch ein gedmpftes- Murn1eln unter den Mitgliedern des Komitees.'

    :' 15. MaiAls Ir ina mit dem. Briefumschlag kam, liefen die Kinder ih r entg egen .Yuri nahm den Umschlag aus gelbem Papier in Empfang. Man konnte

    .nicht erkennen, woher er kam. Er fragte auch Irin a n icht, wie er inihre Hnde gelangt war, aber er wute, da es sich um eine Nachrichtvon G rigori handel te . Und tatschlich, nachdem er den Umschlag aufgerissen hat te, kam eine Karte 'zum Vorschein, ,auf, der in groen rotenBuchstaben stand: "Mein Junge, wir studieren gerade deine Phantasien.

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    Es war ein schner Frhlingsnachmittag .. Bald wrde er in dieV-Bahn steigen und bis zur Mayakovskaya fahren. Dort wrdeer sich mit den eifrigen Studenten der vergleichenden Religionswissensehaften t r e f f ~ n . Aber er f r ~ g t e sich zum ersten Mal: "Warumsind sie so begeistert? Wie knnen diese Jugendlichen soviel Interessehaben an Mythen, Legenden, Aberglauben und absu rd en Ritualen?"Er erkannte in ihnen seine eigenen Impulse. aus der Studienzeit wieder,als er vor vielen Jahren die Einfhrungsvorlesung seines damaligenLehrers Grigori gehrt hatte. Er zuckte die Schultern in der Erkenntnis, da es trotz allem hinter der abweisendsten oder wrdigstenFassade immer ein Kind gibt, das Legenden und Fabeln liebt. Abernun wurden seine Gedanken unterbrochen. An den Trrahmen gelehntstand Irina; ihre Silhouette gren zte sich scharf gegen das Licht ab.Yuri lie seinen Blick lange auf ihr ruhen, wie um sich ein Bild einzuprgen. Da es ihn an ein altes russisches Gedicht erinnerte, bewegteer leicht die Lippen, so da Irina als sie es bemerkte, ihn fragte:"Was sagst du?""Ich finde die verdammte. Brieftasche nicht", antwortete er und tat so,als ob er sie bell.all suchen wrde. Sie lachte, lief auf ihn zu undumarmte ihn .. Dann flsterte sie ihm ins Ohr: "Was du in der linkenHand hltst, sieht ganz nach einer. B r i e f t a s ~ h e aus" .. Und sie rang solange mit ihm, bis . sie sie ihm aus der Hand gewunden hatte .. Whrenddie Kinder weiter herumtobten, lief Irina schnell auf den Gehste ig , verfolgt von Yuri. Dort trafeD- sie sich wieder, tauschten, Blicke aus., Worteund vielleicht auch Gedanken.

    In dieser Nacht kam der Pro fe ssor sp t nach Hause'. Er hatte "einengroen Umweg ber die hell erleuchtete Kalinin-Allee gemacht .. Einerseiner Studenten hatte ihn whrend dieser zwei langen Stunden begleitet.. Ein, Bolivianer, der wie so viele andere vor Jahren in die

    *owjetunion gekommen war, um an der Universi t t Patr ice Lumumbazu studieren. Es war ihm ge lungen, nach einigen Jahren aus diesemGhetto herauszukommen und in die Universitt. von Moskau einzutreten,

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    * Auslnder-Universitt (Anm. d . b . )

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    fast mit dem Status eines sowjetischen Staatsbrgers. ' Jose Fuenteswar damals 35 Jahre alt und nach YurIs Einschtzung "der h'ellsteKopf, der je in seinen. Vorlesungen gesessen hatte". Auerdemhatte ihn der Bolivianer immer durch seine beunruhigend tiefeInnerlichkeit beeindruckt. Immer wenn sie sich trafen, schlug Yurivor, da sie sich Spanis ch unterhalten sollten, um die Spracheaufzufrischen, die ihn Maria, seine Mutter, gelehrt hatte. An diesemAbend hatte der Professor lange ber seine akademische Laufbahnan der Universitt gesprochen, um sich dem Thema von Jose anzuschlie en, der von seiner Zeit an der Lumumba- Universitt erzhlte.Dann hatten sie sich lange ber eine verrckte Forschungsreise zumArarat un te rha lt en , die Grigori zusammen mit einer Gruppe von Archrlogen unternommen hatte, ohne irgendwelche Ergebnisse zu 'erzielen .

    Und pltzlich, mit der, Vehemenz jahrelang aufgestauter unbeantwortetgebliebener Fragen, stie Yuri hervor: "Du bist nicht unbedingt gekommen, um vergleichende Religionswissenschaften zu 's tudieren , n ichtwahr?"

    Jase verlangsamte seine Sch ritte und antwortete mit dem undurchdringlichen Gesicht der Indios, das Yuri schon bei Mongolen und Tartarengesehen hatte: "Du hast recht, aber auf alle Flle passe ich mich sehrgut den Gegebenheiten an."

    Von diesem Augenblick an war es unmglich, sich zurckzuhalten. JedeAntwort zog eine neue Frage nach sich und allmhlich setzte sich darauseine ziemlich unglaubliche Geschichte zusammen, in der das ThemaReligion nicht ein Fall fr die Forschung war, sondern lebendige Praxis.Jose erklrte gelassen, da er dazu bestimmt worden war, ein Projektdurchzufhren; da sich dies so' ergab, als er der Partei seines Landesbeigetreten war; da ihm spter einige Empfehlungen dazu verhalfen,in das "Ghetto", zu kommen und schlie lich der Einflu von Grigoridazu beigetragen hatte, da er an der fortgeschr it tends ten Gruppevon Yuri teilnehmen konnte. Er wiederholte mehrmals, da "dies allesohne eigene. Verdienste nicht mglich gewesen wre. n Der Lateinamerikaner

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    versicherte , da es ihm in den, vergangenen Jahren gelungen war,bei zahlreichen Personen Interesse zu 'wecken, die jetzt in einzelnenGruppen der "Lehre ff folgten und in fnf oder sechs Republikender Sowjetunion arbeiteten. Ansche inend fhlten sie sich von einemPhnomen angezogen, das man in der Schul sp rache "Mystik" nennt.Es handelte sich aber um etwas sehr. vie l Fortgeschri t teneres undKomplexeres . . . ' vor allem Komplexeres. "Es is t mehr als Mystik", bek r fti gte Jo se , "es ist, der e inzig r icht ige und wahre Weg zur menschlichen Befreiung. ff

    Yuri war nicht so. ungeschickt, mit Standardstzen zu antworten wie:. " Der einzige Weg ist der Sozialismus." So eine Behauptung wre unterLeuten, die mit dem reinsten Marxismus-Leninismus vert raut waren, alsBinsenwahrheit erschienen, um so mehr, wenn sie m itten auf der KalininAllee ausgesprochen wurde. An diesem Punkt ri die Unterhaltung jhab . Sie blieben vor einem Wasserspender stehen. Yuri lie einen Bechervollaufen und reichte ihn Yuri zuvorkommend. Dieser t rank ein wenig,den Rest t rank der, Bolivianer. Damit war der Spaziergang zu Ende.Sie verabschiedeten sich kurz und gingen in entgegengesetzter Richtungauseinander .

    20. MaiEs vergingen noch einige Tage, bevor Grigori Pro fe ssor Tokarev berdas zweite Treffen des Komitees informierte .. Bis dahin hatte er ihnber einige Punkte aufgeklrt. Wie er ihm mitteilte, beruhten die Rgender beiden Psychologen auf dem wohlberlegten Zwang festzustellen, obYuri von seinen e igenen Argumenten berzeugt war. Die Situa tion mutejedoch in einem greren Zusammenhang gesehen werden. Wie es schien,hatten Grigori und andere wichtige Persnlichkeiten schon vor einigenMonaten den Untersuchungsausschu geb ild et. D ieser hatte sich an ' dasMinisterium gewandt, um es an der Formierung e ines Komitees mit mehroder weniger groen, Befugnissen und einem angemessenen Budget zuinteressieren. Die Wissenschaftler hatten aufgrund ihrer Statist iken einAnsteigen des psychosoz ia len Ungle ichgewicht s in der Sowjetunion festgestellt. Die , or thodoxen Kirchen bekamen immer mehr Zulauf von Glubigen;

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    es fanden sich mehr oder weniger heimlich immer hufiger okkulteGruppen zusammen und auerdem schien es einen verdchtigenHintergrund bei den von der neuen Genera tion von W i s s e n s c h a f t ~ e r ngeuerten Theorien zu geben, vor allem auf den Gebieten der Astrophysik und der. Biologie. Nietzsky, der Biotroniker, stellte einenberraschenden Zuwachs, von Int eres senten fes t, die sich zu 'den parapsychologischen Tests bereiterklrten , die seine Abteilung durchfhrte.Andererseits konnte er unwiderlegbare. Beweise' erbringen ber steigende.Prozentzahlen von auersinnlich, Begabten. Tag fr Tag erhielt er In-formationen aus den entferntesten Gegenden des Landes ber Personen,die spontan seltsame Phnomene hervorriefen. Wie er bes t tigte , hat teer Experimente mit einer Frau durch fhren knnen, die a u ~ einigerEntfernung kleine Gegenstnde bewegte und bei einern Kaninchen einenGehirnschock hervorrief , nachdem sie es konzentriert angesehen hatte . . .Die Sache war schwerwiegend. Frau Tolmacheva konnte schwache Magne tfelder verndern und mit ihrem Willen die Flugbahn eines winzigen ferngesteuerten Apparates beeinfluen. Gleichzeitig war ein amerikanischerJournalist in Moskau interviewt worden wegen der Untersuchungen,die Nietzsky gerade ausarbe it et e und die er in den USA publizierenwollte. Anscheinend waren auch die Leute im Westen auf der Suchenach etwas, was im Moment noch n icht def in ie rt werden konnte.

    Es gab jedoch zwei ausgezeichnete Historiker, die den Artikel. von Yuriernster genommen hatten. Sie untersuchten weiter den Einflu der religisen Strmungen bei den Personen, die sich von der offiziellenIdeologie distanziert hatten. Das war der Fall bei Svetlana Stalin undauch bei Solschenizyn. "Da diese beiden 'J, kommentierten die Historiker,"ihre Heimat verraten haben, wre leicht zu erklren; da sie aber jetztden christlichen Glauben verfechten, ist eine unntige. Variante". Auchwenn die Tochter des Diktators .schon durch die Natur des Personenkults mystisch vorbelastet war, konnte das allein nicht ihre neue Neigungbegrnden. Es stimmte, da Stalin in s einer Jugend e in Seminarist der

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    der Theologie gewesen war, aber nach der Groen Revolut ion,hatte sich alles gendert. Schlielich war. von Ruland, nach

    allem, was geschehen war, auch die Theosophie. von Helena Blavatsky ausgegangen. Und whrend der Zarenzeit hatte es auchnie an Rasputins und Dostojewskys gefehlt . . . Hatte sich also tatschlich alles gendert nach der Groen Revolution? Sie warenberzeugt, da das,Dissidententum, von den groen Religionen wieChristentum und Islam angefhrt wur'de, die ber die ntige Organisation und Struktur ierung. verfgten S'ie argumentierten, da,obwohl Artikel 124 der. Verfassung die f r ~ i e Religionsaus'bung gestattete, sich in der Praxis Widersprche ergaben und dies alsmobilisierender Vorwand bentzt werden knnte. Sie machten sichjedoch um nichts mehr Sorgen als um die heimliche Religiositt, dieauf Umwegen die offiz ielle Ideologie inf ilt ri er te und den Materialismusmit verkappten okkulten Formen, vermischte.

    Grigori selbs t' ha tte an den D iskussionen des Untersuc'hungsaus'schusses teilgenommen, bevor er die. Bildung des Komitees beantragte.Seine These war, da Religionen an kulturellen Kreuzungspuriktenentstanden und die Sowje tunion derzeit die besten. Bedingungen aufw i ~ s , zur "Mutter der kulturel len Kreuzungspunkte ft zu werden. Inder Tat: Verschiedene Rassen, Sprachen ,. Bruche und Klimata mischtensich in diesem grten euro-as ia ti schen Land, das zudem ein Sechstelder gesamten Welt umfate. An allen Grenzen kam es zu Zwischenfllenund selbst die offizielle Ideologie wurde von den inneren und uerenVerrtern angegriffen, was die geistige, Verwirrung der Massen nochvergrerte.

    Diese berlegungen waren mit Sicherheit auch den hchsten Regierungsstellen zu Ohren gekommen" weil fast zur gleichen Zeit, als das Ministerium die Genehmigun g zur. Bildurig des Komitees erteilt hatte, GenosseBreschnev in e iner berraschenden Rede gesagt hatte, "er warne dieJugend vor der Gefahr, mit dem Mystizismus zu kokettieren".

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    Jetzt war sich Yuri ber das Komitee im klaren und verstanddie scheinbar willkrliche Zusammensetzung aus Person en, diealle, an dem gleichen Projekt arbeiteten. Nachdem er zu 'diesenErkenntnissen gelangt war, machte er sich daran, ein Modell zurE rfo rschung der neuen Phnomene aufzustellen, die in der Sowjet-union und berall auf der Welt Gesta lt annahmen . . . Nun, an diesemSonntag wrde er sicherlich auf die angenehme Gese llscha ft von

    Irina, Vladimir und Sofia, verzichten mssen.

    Er war beim Ministerium angekommen. Diesmal ffnete sich die Trim selben Moment, als er sich ih r n h erte . "Komm herein, mein Junge",sagte Grigori .. Beide Mnner gingen auf den in der Mitte stehendenTisch zu und setzten sich gegen ber dem vollzhlig versammeltenKomitee. "Wir wrden gerne etwas ber Ihre Plne erfahren, GenosseTokarev", bemerkte Nietzsky.,

    Und nun t rug Yuri in einer langen Rede gewissenhaft sein Forschungs-modell vor . Nach v ie r S tunden , angefllt mit historischen und geo-graph ischen Daten, schlo er: "Vor allem mssen wir uns darber klarwerden, ob diese Phnomene hervorgebracht und dann sozusagen indie Sowjetunion "exportiert" werden. oder ob man an anderen Ortendasselbe wie hier feststellt , ohne da i rgendeine Verbindung bestnde.I ch persnlich neige mehr zur zweiten Annahme, auch wenn man dieUnterwanderungsaktionen bercksichtigt , die gegen uns gerichtet sind.""Worauf beziehen Sie sich damit?", fragte eine ihm unbekannte Frau vonarmenischem Aussehen. "Ich meine damit, da in. die Sowje tunion allemglichen Informationen hereinkommen durch den Rundfunk, Zeitungen,

    \Fernsehen und den. Besuchsverkehr " so wie es auch umgekehrt der Fallist . Jedenfa ll s schein t mir diese, Beeinflus'sung nicht gro genug zu sein,

    um eine solche Entwicklung zu provozieren, die, wie das Komitee sagt ,"verschiedene Gebiete und Schichten unserer Gesellschaft unter Drucksetzt". "Ich glaube", fuhr Yuri fort, "wir knnten einige Orte im Ostenerforschen, die als ' traditioneller Nhrboden fr Religionen betrachtet

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    werden , ebenso wie auch andere, an denen es zu einem religisenZusammenbruc'h kam durch die Konfrontation' mit einer qualitativfortgeschritteneren Kultur. Das erste gilt fr Indien; das zweitewre der Fall bei Lateinamerika, wo die einheimischen Kulte, vlligvon den europischen Eroberern zerstrt wurden. Vielleicht wirdsich dort das bewahrheiten, was man in der Geschichte schon so oftgesehen hat: eine religise R.evanche an der un terdrckenden Kultur . . .

    "Und was sagen Sie zu den immer hufigeren Fllen von Alkoholismus,Kriminalitt, Drogenabhngigkeit , Selbstmord und Wahnsinn in derSowjetunion und auf der ganzen Welt . . . , vor allem zum Wahnsinn?",unterbrach Karp,ov. "Professor Karpov", antwortete Yuri spttisch,fTdiese Frage mssen unsere hervo rr agenden Psychologen beantworten.Ich habe Ihnen einfach a u f g ~ u n d meiner Spezialausbildung ein For-schungsmodell vorgelegt. Selbst hier, obwohl mein Konzept so engbegrenzt is t , bedarf es einer grndlichen und ernsthaf ten Unter-suchung von vie ll eich t mehreren Jahren, bevor man konkrete Schlsseziehen kann. It

    "Vielleicht mehrere Jahre! f f , warf Karpov verrgert ein. "Sie solltenwissen, j unger P ro fessor , da die Symptome immer beunruhigenderwerden. Das heit mit anderen Worten, da es etwa 1985 eine allge-meine psychische Explosion geben w ird, die auch die bestorganisierteGesellschaft, zers t ren kann. Was glauben Sie: da es sich um einSchreibtischproblem handelt? Hren Sie gut zu! Es geht um das Problemdes Obe rleb ens ! "

    In diesem Moment unterbrach der Koordinator des Komitees die Dis-kussion und bat jedes Mitglied um eine schriftliche Zusammenfassungseiner. Beobachtungen und Anregungen , auf deren. Basis man dann demMinisterium konkrete Manahmen, vorschlagen knnte . Als er zur allge-meinen berraschung eine Frist. von 48 Stunden f es tl eg te , tausch tendie Teilnehmer hastig Notizen aus und die. Versammlung wur'de aufge-hoben. Es war 23.50 Uhr., Als Yuri das Gebude, verlie, machte ersich Gedanken darber, wie sich die Ereignisse berstrzten. "Vielleicht",

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    sagte ' er sich, "sind wir der bevorstehenden psychosozialenExplosion am meisten ausgesetzt. ff

    22. MaiIn dieser Nacht bergab Yuri Grigori eine zwanzig Seiten umfassende Arbeit, in der er seine. Beobachtungen dargelegt hatte.Daraus war zu entnehmen, da er weder dem Komitee noch demMinisterium irgendeine Mitteilung zu machen hatte.

    23. MaiMittags bekam Yuri von Grigori ein, Buch ber die inoff iz ie llenmystischen Strmungen. Es beeinhaltete Namen, Geschichte, Organisation, Mitgliederzahl und, Aktionszentren von' tausend Grppchen,ve rte ilt be r Indien und Late inamerika. Es wurde darin auch bemerkt,da es sich nicht um bekannte Religionen handelte und ebensowenigum Sekten, die sich von Religionen losgelst hatten. Das Buch t rugkeinen Titel, sondern es war auf dem braunen Lederdeckel nur dieZahl "I" mit einer Art rotem Lack eingraviert . Professor Tokarevhatte den Eindruck, da das. Buch schon vor langer Zeit verfatworden war. .

    24. MaiGrigori erklrte Yuri, da sie zusammen .'.'in Ferien gehen" wrden.Yuri mte zu bestimmten Orten in Indien und Lateinamerika reisen.Er se iner se its wrde sich um Teheran, Alexandria und einige Orte inder Sowjetunion kmmern. Der. Bio troniker wrde zusammen mit einerGruppe von Mitarbeitern nach- Bulgarien, Ungarn' und in die Tschechoslowakei reisen. Dort wrde er sich mit Kollegen seiner Fachrichtungunterhalten. Die Historiker und Psychologen des Komitees wrden

    versuchen, ein umfassendes Modell der "psychosozialen Explosion t1auszuarbeiten. Die His to riker wrden die Dinge auf der. Basis frhererDaten umgekehrt angehen und auf die Zukunft ,ausgerichtete Unterlagenerstellen. Sie wrden mit Hilfe" von Computern die wahrscheinlichstenzuknftigen Ereignisse, errechnen, die dann die Grundlage fr dieArbeit der Psychologen darstell ten. Diese wrden, versuchen, so weitwie mglich den jeweiligen geistigen. Bewutseinszustand der Vlker

    festzustellen .. Als Yuri Westeurpa und die USA zur Sprache brachte,bekam er von seinem alten Lehrer eine seltsame Antwort: "Mein Junge,

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    auch sie sind keine D u m m k p f e ~ La sie ruhig ihren Teil dazubeitragen. Um einen Punkt zu ermitteln, mssen sich zwei Linienschneiden. Wir werden die eine der beiden ziehen und sie dieandere - oder umgekehrt. Es wird sich zeigen , ob man unter-schiedliche Methoden. verb inden kann, wie es schon bei den ver-sch iedenen Stadien der Raumfahrt der Fall war. La sie sie sindwirk li ch keine Dummkpfe! Tf

    25. MaiYuri kam sehr frh ins Laboratorium fr angewandte Psychologie,in das er berraschend von Karpov e inge laden worden war. Diesererwartete ihn schon mit einem anderen Psychologen. Whrend sieins Untergescho gingen, fragte Karp,ov: "Haben Sie irgendwelcheErfahrungen mit den sogenannten Hvernderten. Bewutseinszustnden ?"

    f f N e i n 1 f ~ antwortete Yuri. "Das habe ich vermutet", bemerkte Karpovund tauschte mit seinem Assistenten einen vielsagenden Blick aus.Dann fgte er die Schultern zuckend hinzu:' "Diese' Wissenschaftlervon heute werden ohne exper imentel le Grundlage ausgebildet. Wiekann man auf dem Gebiet der vergleichenden Religionswissenschaftarbeiten, ohne eine psychologische Erfahrun'g der Religion gemachtzu haben?! Humanisten, nur Humanisten tf , schlo er und schttelteseine zerzauste ' Lwenmhne . Whrend sie den Lastenaufzug, verlie en ,dachte Pro fessor Tokarev ber die t reffsicheren, Bemerkungen in. Bezugauf seine Ausbildung nach.

    Sie betraten einen kleinen Raum, der gut' das Empfangszimmer einerArz tp raxi s htt e sein knnen. Karpov und Yuri setzten s ich e inandergegenber auf Sofas. Zwischen ihnen stand ein kleiner Tisch, auf ihm

    ,ein paar. Blumen und Aschenbecher. Das Licht war leicht blulich. DieUmgebung roch ein biehen nach Ozon. Inzwischen war der andereMann durch eine Seitentr. verschwunden. "Sie werden immer nochdenken - wie man, vor hunde rt J ah ren sagte - , da "die Religion dasOpium des. Volkes"', ist , nicht wahr?" Yuri antwortete nicht, sondernversuchte h e r a u s z u f i ~ d e n , worauf Karp.ov hinauswollte. Es ist ' wahr,

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    dachte er, das ist die Religion, weniger als das und vielleichtauch etwas mehr. "Frher kannte man die. Amphetamine nicht",schaltete sich erneut der Psychologe ein, TTebensowenig wie dasLSD 25. Das Opium e rzeugt irr ea le und angenehme Bedingungen.Es entspannt, macht unin teressiert , beruhigt. Glauben Sie. vielleicht, da die Revolution im Iran auf diese. Bewutseinszustndezurckzufhren ist?" Whrend er eindringlich mit den Fingern aufden kleinen Tisch k l o p f t ~ , legte Karpov seine seltsamen berlegungen. -dar und beobachtete Tokar.ev genau durch seine dicken Brillenglser."Wir haben nicht viel Zeit, um bei Ihnen die verschiedenen Bewutseinszustnde herbeizufhren, die die religisen Praktiken bewirk thaben und noch bewirken. Trotzdem werden wir versuchen, Siediesen Phnomenen mit Hilfe eines synthetischen Experiments nherzubringen. Sie werden sehen, da wir Sie nicht herumtanzen lassenwie e inen Derwisch , einen brasilianischen Macumbero, einen Anhngerdes Voudou-Kultes aus Haiti oder eines afrikanischen Stammes. Sie

    *erden auch weder Soma tr inken noch halluzinogene Pilze schlucken;Sie werden auch keine gezwungenen Yoga-Atembungen ausfhren mitkrperlichen bungen und entkr ftendem Fas ten und sich nicht mitmittelalterlichen Strafen qulen. Wir werden gleich auf den wich tigstenPunkt lossteuern. ft

    Yuri begriff , . da es Karpov und seinen Kollegen gelungen war, imLaboratorium die Phnomene zu reproduzieren, ber die er sich sooft Gedanken gemacht hatte. Gleichzeitig stellte er berrascht die Anpassungsfhigkeit der Wissenschaftler an neue Situationen fest. Wenn,wie er vermutete, die Arbeit der G ruppe, die spter das Komiteebildete, ers t vor fnf Monaten begonnen hatte, dann war den Psychologen sehr wenig Zeit geblieben, um eine Technologie zur Aufklrungvon Fragen auszuarbeiten, ber die auf kulturellem Gebiet schon seit

    Jahrtausenden nachgedacht wurde. Pltzlich fragte er: "Was meintenSie, als Sie von einem synthetischen Experiment sprachen?"

    * berauschendes Getrnk, Anm. d. b .- 18 -

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    "Ich meinte damit, da fast alle Zustnde von BewutseinsvernderungProzessen von Sauerstoffm.angel auf neuronaler Ebene und enzymati schen Geh irns t rungen entsprechen. Sie werden bei allen rituellenPraktiken zu demselben Ergebnis kommen. Es ist nicht wichtig, obman dieses Phnomen auf chemischem oder mechanischem Weg, durchInhalieren oder Askese herbeifhrt . . . Sie werden immer zum gleichenErgebnis kommen: enzymatische Strung, Sauerstoffmangel auf neu-

    ronaler Ebene! ft Karpov sprach' mit solcher Begeisterung, da e rschlie lich aufstand, um seine Gedanken freier uern zu knnen.Und whrend e r im Zimmer herumlief wie ein Lwe im Kfig, sagtee r laut: "Wenn Sie s terben , Tokarev, wenn Sie klinisch tot sindund innerhalb von zehn oder fnfzehn Minuten ins Leben zurckgeholt werden, erinnern Sie sich mit 50%iger Wahrscheinlichkeit daran,Ihren Krper verlassen zu haben. Wahrscheinlich werden Sie uns auchetwas ber ein Licht erzhlen, das mit Ihnen gespro chen hat . Soetwas wie das Licht der UFOS oder der brennende Dornbusch vonMoses oder das Licht, das Saulus. von seinem Pferd warf. ff

    Yuri begann damit zahlreiche Mythen und Legenden in Verbindungzu br ingen, die sich auch in dieses. Bild einfgten und es zeichnetesich zum ersten Mal in seinem Leben eine Lsung f r ihn ab .. Er wollteaber noch mehr herausfinden."In vielen sogenannten heiligen. Bchern H , bemerkte er , "werdendiese Phnomene erwhnt, ohne da die. Bedingungen, die Sie geradeanfhr ten , gegeben waren."

    Der Psychologe b lieb pltz lich stehen, und rief dann mit unterdrckterWut: "Unterbrechen Sie mich bitte nicht! Tausende von Gelehrtenauf der ganzen Welt wrden ihr Leben dafr geben mir zuzuhrenund Sie erla uben sic h, mich zu unterbrechen . . . Gehen wir Schri t tf r Schri t t vor . Im t ibetanischen Totenbuch, das Sie besser kennenwerden als ich, is t niedergeschrieben, wie man die Seele im Augenblick des Todes befreit . Es handelt sich um die Position des "liegendenLwen". Der P rie ste r d r ck t auf eine Halsaterie des Sterbenden und

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    dieser glaubt dann durch. verschiedene Lichtregionen zu reisen . . .Sauerstoffrp.angel , Tokarev! Sogar in den USA wissen sie ber solcheDinge. Bescheid. Und was machen in der Zwischenzeit unsere. ver-ehrten Professoren? Nun, sie stellen eine, Beziehung her zwischen

    . verschiedenen. Betrgereien auf der Grundlage des wirtschaftlichenZustandes der Gesellschaften, in denen sie entstehen. Das, mein,Freund, heit mit Werkzeugen der fr1ihen Steinzeit arbeiten."

    Yuri glaubte wieder einem Abenteure r und Angeber des Komiteesgegenberzustehen. Er mute aber trotzdem anerkennen, da Karpovund sicher auch die Gruppe, die jetzt das Ministerium untersttzte,hervorragende Wissenschaftler waren, trotz des Abweichlertums, das

    Iihnen aus allen Poren drang.

    ffDie Amerikaner, die schon seit Jahren mit Drogen arbeiten", fuhrder Psychologe f o ~ t , "haben sogar die. von Meduna erdachte Mischungverwendet, um. vernderte Zustnde hervorzurufen. Stellen Sie sichvor , man atmet ein Gas ein, bei dem die Anteile von Sauers to ff undKohlendioxyd gendert wurden, und pltzlich fhlt sich so ein ge-r issener Kerl von der Wall Street mystisch entrckt" . Er machte einedramatische Pause und fgte dann langsam hinzu: "Wir wissen dasalles, wir haben aber auch andere Formen gefunden, die nicht aufSauerstoffmangel basieren .. Buddha, Jesus und Mohammed zum Beispielzogen sich an ruhige Orte zurck, um zu meditieren . . . Was genauhaben sie alle gemacht? Ich werde es Ihnen sagen. Sie haben Sinnes-e indrcke ausgeschal te t, hnlich wie es auch den Astronauten durchdie fehlende Schwerkraf t ergangen i s t . ~ '

    "Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz", wagte Yuri erneut zuunterbrechen. Karpov ging feierlich zu seinem Stuhl zurck. Dannsagte er geheimnisvoll: IlWuten Sie, da sich verschiedene amerika-nische Astronauten nach dieser Erfahrung dem religisen Leben zu-gewandt haben? Wuten Sie, da Gagarin behauptete, er habe UFOSgesehen? Wuten Sie, da Professor Nietzsky zahlreiche auersinnliche

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    Phnomene im Zustand der Schwerelosigkeit en tdeckt hat?"

    Karpov sah Yuri gespannt an und suchte nach Zeichen der Uberraschung, aber dieser wiederholte, Neutra li t t vortuschend: "Ichverstehe immer noch nicht den Zusammenhang.""Wieso verstehen Sie den Zusammenhang nicht? Merken Sie denn nicht,da das Nervensystem nicht normal funktionieren kann, wenn die

    Signale im menschlichen Krper eliminiert werden, sei es durch Schwere-losigkeit oder das Fehlen. von Reizen? Wenn die Signale fehlen, verndert sich das Bewu tsein. Es handelt sich jetzt also weder um Sauerstoffmangel noch um enzymatische Strungen. Es handelt sich um dasFehlen von e lektrochemischen Impulsen , das zu einem hnlichen Ergebnis fhrt . Da es keine ueren Impulse gibt, liefert nur das Gedchtnis Informationen und die Person erinnert sich genau an Szenenaus der Vergangenheit oder, besser gesagt, die Vorstellungskraft wirderweitert. Denken Sie darber nach: elektrochemische Impulse!"

    Karpov hatte sich eine Z iga re tte angezndet. Dann bot er Yuri einean. Dieser nahm sie und ntzte die Unterbrechung aus"um ihm anden Kopf zu werfen: "Die Erfahrung der, vernderten Bewutseinszustnde lt einen sicher die religisen Phnomene. vom psychologischen Standpunkt aus, verstehen, aber sie erklrt nicht, wie die Religion entsteht , wie pltzlich das mystische Verlangen, erwacht. MeineBeobachtungen haben ganz konkret mit den Sorgen des Komitees zutun. "

    "Also, ich sage Ihnen, Tokarev, wenn die all tgl ichen Probleme, dieauf das Nervensystem eines Indiv iduums oder eines Volkes einwirken,zu gro werden, tr i t t eine Informationssperre ein, eine Hemmung,die wie eine Ausschaltung der Sinne w i r k t ~ Ein Mensch kann sich zumBeispiel in der Gesel lschaf t von hunderten anderer Personen bef indenund s ich trotzdem allein und einsam fhlen., Verstehen Sie, Genosse?""Nein, ich,verstehe nicht, Genosse", antwortete Yuri sarkastisch."Also, machen Sie sich endlich einmal klar: entweder man wird krank,man bringt sich um, wird, verrckt oder flieht auf viele andere Artenvor der Realitt, eine davon ist die Religion. Und diese Rel ig iosi t t

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    kann einen kontemplativen oder aggresiven Weg nehmen, je nach-dem, welche allgemeinen. Bed ingungen das Phnomen umgeben. TfYuri sah sich einem lckenlosen System. von Erklrungen gegen-ber . Alles schien sich auf faszinierende Weise zusammenzufgen.Es war natrlich richtungsweisend, genau auf der Linie, die vomKomitee fr die Untersuchung. vorgeschlagen worden war. Aberer wollte sich rckversichern, auch wenn er den cholerischen Karpovnoch einmal verrgern. sollte. "Das mu erst bewiesen werden! Tf

    Karpov wurde rot . Dann nahm er einen tiefen Zug aus seiner "Karelia" ,stand auf und ging zu einer ' Schalttafel an der Wand. Er drckte aufeinen Knopf und sagte: "Darum geht es. Wir mchten, da Sie einepraktische Erfahrung der. vernderten. Bewutseinszustnde machen,damit Sie nicht bei Ihrer Feldforschung entwaffnet dastehen. Siewerden ja, wie man mir sagte, an Orte fahren, wo sich. Brutstttenneuer mystischer Phnomene zu entwickeln beginnen."Eine Sch iebe t r hat te sich g e f f n ~ t . Der Raum war vollgestopft .mitKontro ll inst rumenten. Dor t sa der andere Psychologe. Yuri standauf und folgte Karpov, wh rend dieser erklrte: "Sie werden jetztin den Raum zur Ausschaltung der Sinne eintreten, bekannt alsTfKammer des Schwe igens". Sie werden. von der Welt abgeschlossensein bis auf uns denn wir bleiben bei den Kontrollinstrumenten .Geben Sie mir alle Ihre Sachen . . . f1

    Yuri zog sich ganz aus und legte die Kleidungsstcke auf einen Stuhl.Karpov gab ihm eine grne Tablette und bat ihn, sie langsam 'im Mundzergehen zu lassen. Dann drehte er an einem Steuerrad , stie eine

    M e t a H t ~ auf und lie Yuri vorbeigehen. Hinter ihm schlo sich leisedie Tr . Das Zimmer war anscheinend vllig mit Gummipolstern aus-gekleidet, auf dem Boden lag ein sehr schner hellgrauer Teppich.Das Licht war l eich t b lul ich und man konnte eine Art Bhne mit einemgroen Schwimmbecken erkennen. Aus ihm stieg dichter Dampf a u f l ! ~ dersich langsam ausbreitete. "Tokarev!" rief Karpov ber den Lautsprecher.

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    "Ich hre", antwortete Yuri. "Gehen Sie die Treppe hinauf undsteigen Sie ins Wasser. Sie brauchen keine Angst haben, sich zuverbrhen e Es hat 37 Grad. In wenigen Minuten werden Sie es nicht

    mehr fhlen, weil es genau Ihrer Hauttemperatur en tspricht ." Yuristieg in das Schwimmbecken und setzte sich dort in eine Ecke.

    "Wir filmen Sie durch einen geschlossenen Stromkreis. B e a c h t e ~ n Siedas Band, das quer ber das Schwimmbecken luft. Es wird IhrenKrper am Schwimmen halten; dazu mssen Sie es auf die Lendengegendlegen und sich dann auf dem Rcken treiben lassen . . . Sie werden nichtuntergehen e Das Wasser ist sehr salzhaltig; das- Band wird- verhindern,da Sie auf den Rand des Schwimmbeckens zutreiben und dadurchTastempfindungen registrieren tf .

    Whrend er sich der Lage anpate, fragte Yuri nach dem Zweck desBandes, des Lichtes im Zimmer und der anderen Reize-. "Das Licht derOzonspender dient dazu, die Fettmolekle aufzuspalten, die grten-teils fr den Geruch verantwortlich sind. Die Tablette, die ich Ihnengab, enthlt 'Chlorophyll und wird Ihren Mund desodorieren. Die Beleuchtung wird ausgeschaltet, wenn Sie richtig im Wasser treiben . . .Sie werden keinen Ton hren, es sei denn, wir mchten Ihnen etwasmitteilen. In wenigen Minuten werden Sie auch das Band nicht mehrspren, da man stndige Reise immer weniger wahrnimmt. Dasselbegilt fr das Wasser. Tro tzdem werden Ihr Gesicht, der obere Teil derBrust und die Knie unbedeckt bleiben. Die Empfindungen der Krperteile unter und ber dem Wasser werden sich durch den Dampf einanderangleichen, der schlielich einen Luftfeuchtigkeitsgrad. von 100% erzeugtund die gleiche Temperatur wie das Wasser haben wird. Verstehen Sie?""In Ordnung", antwortete Yuri, "was' soll ich jetzt machen?ftUBewegen Sie das Wasser nieht. Wir werden_ von hier aus zwei Schrankenbedienen: Eine wird ganz nah an Ihren Kopf herankommen, ohne ihn zuberhren; die andere wird wenige Zentimeter. von Ihrer Brust und demrestlichen Krper entfernt sein. Durch sie werden wir Ihre elektroenzephalographisehen , cardiographischen und mielographischen Datenregistrieren . . . Wenn etwas nicht in Ordnung ist , werden Sie einen Ton

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    hren, auch wenn Ihre Ohren unter Wasser sind . . . "Yuri lie sich auf dem Wasser treiben, seine Ohren blieben nochber der Wasseroberflche. Einen Augenblick lang sah er dieSchranken dahingleiten und konnte die letzten. Bemerkungen hren."Der Dampf ist jet:zt schon so dicht, da wir Sie auf unserer Leinwand nicht mehr sehen knnen. Denken Sie daran: Wenn Sie diesesExperiment verderben wollen, brauchen Sie nur zu pfeifen, dieWnde des Schwimmbeckens zu berhren oder sich in den Krperkneifen. Es gibt tausend Arten, die Ausschaltung der Sinne zu vermeiden. Aber so dumm werden Sie nicht sein, nicht war?" Das wardas Letzte, was Yuri hrte. Er tauchte mit dem Kopf unter . Das Wasserbedeckte seine Ohren und er begann angenehm zu treiben. Arme undBeine berhrten sich nicht , aber die kleine Wellenbewegung des Eintauehens bewegte sie noch im Takt. Den Dialog der Psychologen berden Lautsprecher konnte er nicht mehr hren."Versuch Tokarev; 25. Mai 1979, .8.50 Uhr; Wassertemperatur 36,5;Lufttemperatur 36,5; durchschnit tl iche Luftfeuchtigkei t 92%; Druck755 mrn; Art des. Treibens: konventionell; isoelektrische Kurve desEnzephalogramms: schwankend wegen Atemtt igkeit ; schnelle Augenbewegungen aufgrund des Verlustes von Bezugspunkten; Herzttigkeit:normal; Elektro-Mielograph: Muskelspannungen im Bereich des Genicksund des Unterleibs.""Ozonspender abschalt en", sagte eine andere Stimme."Abgeschaltet. ft"Raum- und Schwimmbadheizung abschalten.""Abgeschaltet. "ffWasserzirkulatiVJrl abschalten.""Abgeschaltet. ""Automatische Temperaturregler einschalten.""Ein geschaltet. ft"Beleuchtung ausschalten.""Ausgeschaltet" ."Lautsprecher ausschalten."

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    Es wurde dunkel,., still .und ruhig. Yuri begann ein sich drehendesRad zu 'sehen. Irina und er waren ,daran angebunden und drehtensich mit ihm, whrend es durch das Land rollte. In der Nhe standMaria und rief: ."Boris, Boris! tf Dann wur'de er dureh ein Pfeifenwie von einem Zug wieder in die Wirklichkeit zurckgeho lt. E r wareingeschlafen und sicher h atte Karpov das an dell Kurven des ElektroEnzephalographs festgestellt , ber den er ihm das Signal zum Aufwachen gab. Er war wach in dieser Dunkelheit und absoluten Stille,aber durch die Erinnerung an den Pfiff sah er eine leuchtende Figurmit immer grerer Klarheit: Die Plisetskaya tanzte wunderbar 'imBolshoi. Sie stellte die Anna Karenina von Tolstoi dar und der Pfiff 'des Zuges kndig te ih ren Tod an. Pltzlich verwandelte sich dieTnzerin in einen r iesigen Schmet terl ing, der im Abstand von einemMeter ber ihm schwebte. Er hatte viele Farben und war unglaublichleuchtend. Yuri erschrak und bewegte das Wasser, aber der Schmetterling dort oben bewegte weiter seine Flgel. Er bemerkte, da die. Bewegungen seinem Atenrhythmus folgten. Er hielt die Luft, an und dasriesige Insekt blieb wie gelhmt ber ihm s tehen. Er dachte, da dieSchmetterlinge der "psychodelic art" nur Darstel lungen, von Lungenbewegungen waren, vor allem in halluzinatorischen Zustnden, hervorgerufen durch Drogen. hnliches galt wahrscheinlich fr die Kriechtieredes Delirium Tremens bei den Alkoholikern. Sicherl ich waren die SchlangETeile des Verdauungstraktes ;, die Spinnen entsprachen vielleicht denNieren oder der Leber des Kranken usw . Der Schmetterling verschwandpltzlich und alles wurde ruhig.Seine Gehirnttigkeit wurde beraus rege. Er dachte, da Karpov eineZunahme der. Beta-Strahlen feststellen und daraus schlieen wrde, da,er sich gegen die Erfahrungen sperr te , ber die er ihn aufkl ren wollte.Er beschlo, sieh. vllig zu entspanl1en und seine Assoziationen ganz gelockert kommen zu lassen . . . Seine Arme sch ienen meterlang gewordenzu sein und endeten in sehr dnnen Fingern; die Hnde drehten sich

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    wie S c h i f f $ ~ c h r a u b e n . Er stellte f e ~ t ' , da sich nichts "bewegte, dieHnde sich aber ' immer schneller drehten, whrend der Rest des

    .Krpers sich ausdehnte. Das war es: Sein Krper war grenzenlos,weil er die gleiche Temperatur wie das Wasser urid die Luft hatte.Er beschlo, sich bis zu dem Zimmer auszudehnen, in dem die Psychologen arbeiteten. In diesem Moment hrte er das Knirschen, von berstendenBret tern. Dann fuhr ein starker Wind ber sein Gesicht und er sah einen.Tunnel, durch den er mit groer Geschwindigkei t dahin glitt . An seinemEnde erwartete ihn ein Licht, das immer grer und strahlender wurde.Pltzlich sah er se inen Krpe r im Wasser treiben. Er hatte wirklichdas Gefhl, in der Luft ,ZU schweben. Er wnschte sich ganz intensiv,bis zu seinem Haus zu gelangen und zu sehen, was dor t pas sie rte . . .Aber er fand sich im Schwimmbecken wieder. Karpov wrde wohl seineBeta-Aktivitt registrieren. Karpov kontrollierte ihn. Karpov bespitzelteihn, weil er mit dem anderen ein Komplott geschmiedet hatte. Alle warengegen ihn. Er lachte laut. Er begriff" da sie ihn zu einem Automatmachen wollten. Sie un ter zogen ihn einer Gehirnwsche. Es war klar:die grne Tab le tte , die bedeutungsvollen Blicke, die die Psychologenaustauschten . . . Sie wollten ihn umbringen, ihn, Irina, Vladimir unddie kleine Sofia . . . weil er wute, was los war. D eshalb, deshalb, deshalb . . . wurden seine Arme und Beine immer lnger, sein Penis schwollan und sie, und sie, und sie, und sie . . .

    "Nein!" rief Yuri. In diesem Moment gingen die Lichter an und einPfeifton war zu hren. Sofort kam Karpov herein und schrie: Sie verantwortungsloser Mensch! Sie haben alles ruiniert!" Er nahm Yuri amarm und versuchte ihn aus dem Wasser zu ziehen, dieser machte sichjedoch la und hockte sich. in die entgegengesetzte Ecke des Schwimmbeckens. Er sthnte leicht, whrend ein Zittern ihn berlief .. Inzwischenzog der Dampf $chnell durch die offene Tr ab" "Yuri", sa'gte Karpovsanft , als er die Situation be griff, , "Sie haben sich er eine paranoide

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    Krise. durchgemacht. Sie fhren uns jetzt sicher das Ritual eines,Schizophrenen. vor. Machen Sie sich keine Sorgen. Es sind Ihre

    eigenen ngste, Ihre eigenen Gedanken, die dur'ch die Ausschaltungder Sinne, vergrert worden sind. Erinnern Sie sich an die Mystikerin der Isolation: Der Teufel versuchte sie oder es gab schrecklicheKmpfe. mit Ungeheuern und anderen auergewhnlichen Wesen. Jederhat seine eigene psychische Flora und Fauna. Kommen Sie, kehrenSie" in die Welt zurck. ft Schnell kam der andere Psychologe hereinmit einem Glas,. das eine durchsichtige Flssigkeit enthielt. "TrinkenSie das", sagte er und reichte es Yuri. Dieser hob den Kopf., SeineAugen waren weit offen und die Pupillen extrem erweitert . "Was ist das?"fragte er ngstlich. "Es is t kein Gift, und auch keine Droge", erklrteKarpov lchelnd und fgte hinzu: "jedenfalls nicht in meinen Augen.""Was ist es?" wiederholte Yuri drohend. "Wodka, mein Freund! Aberwenn Sie ihn nicht t r inken, werde ich es tun." Er nahm das Glas undtrank es in einem Zug aus. Dann reichte er es seinem Assistenten. DerScherz endete mit einer Zeremonie. "Ich verneige mich vor Ihnen",sagte er. "Ja, Towarisch, ja f f , entgegnete der Assistent und verneigtesich ebenfalls. Das Glas flog nach hinten und zerbrach im anderen Zimmerauf dem Boden. Yuri e rholte sich allmhlich.Zwei Stunden spter hat te P ro fe ssor Tokarev seine Erfahrungen in demkleinen Zimmer am Eingang aufgeschrieben. Karpov nahm zufrieden dasManuskript in Empfang und fragte: "Wissen Sie, wie lange Ihre Sinneausgeschaltet waren?" "Ungefpr, vier Stunden." "Nur zehn Minuten,P ro fe sso r", en tgegne te de r Psychologe. Als er sich. verabschiedete,fragte Yuri, ob es mglich sei, da er wirklich seinen Krper, verlassenhatte ir dem Moment, als er sich in der Luft schweben fhlte. "Das.

    sind Halluzinationen, die von uns sehr genau untersucht worden sind",antwortete der Psychologe. "Und wenn ich in dieser Halluzination biszu mir nach Hause. gekommen wre und dort den kleinen Vladimir ge-sehen htte, wie er sich mit dem Brotmesser in den Finge r schni tt ?""Sie wrden dieselbe Kette, von Halluzinationen weiterfhren. Sie knnenberzeugt sein, Tokarev, es gibt kein "Etwas", das sich vom Krperloslst. Nur Halluzinationen."

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    Yuri hatte in diesem Moment, ein undefinierbares Gefhl und fragteohne nachzudenken:, "Gibt es ein .Telefon in der Nhe.?""N atrlich Y1, sagte Karp,ov. Sie gingen in .das andere Zimmer., Yuriwhlte die Nummer. Man hrte das Freizeichen., Am anderen Endeder Leitung wur'de abgehoben und es ertnte die dur'ch den Lautsprecher. verstrkte Stimme des kleinen, Vladimir. "Wer ist dort?"sagte Vladimir. ffDein Papa . . . Erkennst du mich nicht, Vladi?", fragteYuri sanft. uPapa, Papa, wann kommst du?" Die beiden Mnner hrtenlchelnd der dnnen Stimme zu. Aber in diesem Moment passierteetwas, das sie ers tarren lie. "Papa", sagte das Kind, "du 'mutschnell kommen. Ich habe mich mit dem. Brotmesser in den Finger geschnit ten. ff

    26. MaiAm Morgen bekam Yuri lange Instruktionen von einem Vertreter desMinisteriums, ebenso wie Empfehlungen und eine Liste von Kontaktpersonen mit Namen. von Funktionren fr Auslandsbez iehungen. Erhatte' s tndig ein starkes Gefhl von Irrealitt. Die:. ganze Nacht hattee r nicht geschlafen. Die Erfahrung vom Vortag. verfolgte ihn und warfzahllose Fragen auf.

    Am Nachmittag t raf sich Yuri mit Ja se Fuen te s. Er konnte ihm nichterklren, da er eine, Mission in s Unbekann te unte rnehmen wrde. Erwute nicht einmal genau, was er suchte. Trotzdem bat er den Bolivianerum einige Erklrungen ber die "Lehre ff und letztlich auch um Namenseiner Leute in Lateinamerika , da ir dem Buch, das ihm Grigori be-sorgt hatte, keine Hinweise darauf zu finden waren. Es war unmglich,da eine solche Gruppe dem Geheimdienst' nicht bekannt war, der sicherlich Monate lang die Spur solcher Informationen verfolgt hatte. Auf alleFlle gab ihm J ase Adre ssen und persnl iche Referenzen fr Rio deJaneiro, La Paz und Santiago de Chile .

    Den Abend verbrachte er mit Irina und den Kindern. Nachts fhrteer mit ihr ein langes Gesprch ber den Sinn des Lebens und das .Problem des Todes. Er konnte sich nicht daran er innern, da sie schonjemals vorher solche Themen berhr t hatte. Sie wurde ein ige Augenblicke

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    lang schwermtig, aber das schrieb er den besonderen Umstndenzu, in denen sie lebten. Letzten Endes' wrde sich das Komitee ineinem Monat wieder , versammeln, um die Ergebnisse zu 'analysieren.Auch er wrde anwesend sein und alles wrde mit einer allgemeinenLachsalve ber die u n v e r n , n f t ~ g e Hast, die sie alle befallen hatte ,enden. Und am gleichen 'Tag wrde er sein Wiedersehen mit Irinafeiern .. Dann wrde er mit den Kindern ins GUM gehen, zum SverdlovPlatz und in den Gorki-Erholungspark . Ja, alles wrde auf absur'deWeise enden und wre sogar noch lcherlicher als, der feplgeschlageneAusflug, von Grigori zum, Berg Ararat. Eines war klar: Das Komiteebestand aus Angebern und Aben teure rn . Was ihn betraf" so wrdeer den Instruktionen Folge leisten, ohne in dieser Angelegenheit Entscheidungsvollmacht zu haben. Er freute sich, als er sich das Gesichtder Funktionre des Ministeriums, vorstellte, wenn er illnen sagen wrde:Genossen, es war ein Fehlalarm . Er hatte in der Zeitschrift die von ihmbeobachteten Symptome beschrieben und eine ernsthafte Studie desProblems vorgeschlagen. Vielleicht hatte er die Sache ein bichen dramatisiert, aber er hatte nie eine berstrzte Untersuchung ohne klareZiele angeregt . Das Komitee seine rsei ts hatt e sich, sicherlich inspiriertvon Grigori, auf das Ministerium gestrzt und ihm unter die Nase gerieben, da es die von einem Fanatiker ausgelste religise Revolutionim Iran nieht. vorausgesehen hatte. So summierten sich die Gerchteber eine mgliche Kettenreaktion, von hnlichen Phnomenen, wennman nicht schnellstens entsprechende Manahmen ergreifen wrde unddas Komitee setzte sich immer mehr durch. Offensichtlich arbeitetenseine Mitglieder seit Monaten an diesen Ideen und wer wei, ob nichtandere Abenteurer in den USA und Westeur'opa dasse lbe machten . DieStze von Grigori, die sich auf kapitalistische Forscher bezogen , knn tenvie lleieh t a ls inoffizielles Abkommen mit ihnen, verstanden werden. Nachdiesen verworrenen Gedankengngen wurde Yuri sich darbe r k la r,da, vieles, von seiner, Abneigung gegen die bevorstehende Reise diktiert

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    war. Schlielich hatte er in der Kammer zur. Ausschaltung derSinne alle unangenehmen Dinge Karpov zugeschrieben. Und diese

    \unangenehmen Dinge waren n ichts anderes als "seine eigenen Gehirn-inhalte " .

    28. MaiProfessor Tokarev flog mit der ."Aeroflot" Richtung Neu-Dehil. Wenige

    Stunden vorh er h atte er die Moskwa berquert und war in JodinskojePolje angekommen. Dort am Flughafen hatte ihn Irina lange gekt.Jetzt glaubte er zu seiner Linken und unten die Umrisse des Kametund Nanda Devi zu 'erkennen, wh rend sich der Schnee auf dem"Dach der Welt" im Rotgold eines stlichen Tagesanbruchs frbte. Dannverlor das Flugzeug an Hhe . . .

    Es war noch frh am Morgen, als er dank seines. Diplomatenpassesschnell durch die Zollabfertigung kam. Genau 'dort, als er schon fastden Flughafen. verlassen hatte, strzte sich eine Traube, von K indernauf ihn. "Johnny, money, money!" schrien sie im Chor, hngten sichan seine Kleider und zogen an seinem Handkoffer. Jemand nahm Yuriam Arm und fhrte ihn zu einem Auto, das etwa irr fnfzig Meter Entfernung wartete. "P ro fes so r, h ie r entlang. Professor, hier . . ", wiederholte der F ahrer der sowjetischen B o t s c h a f t ~ Einen Moment lang warYuri mitrauisch, aber er beruhigte sich, als er an der vorderen Trdes Wagens las: Sojuds Soviestskij Sozialistichieskij Riespublik . DasAuto fuhr langsam an. Sie muten sich durch hunde rte von Personen,zu Fu oder auf dem Fahrrad, einen Weg bahnen. Manchmal wurden sieauch durch Motorrder oder kleine Lieferwagen aufgehalten. Dann warenes wieder Zebus, die auf der Strae lagen und wiederkuten. Die ihnenentgegenkommenden Fahrzeuge umgingen diese Hindernisse mit hoherGeschwindigkeit, so da sie fast mit dem Wagen der Botschaft zusammenstieen. Yuri, der neben dem Fahrer sa, sah, wie die Stadt erwachte.Tausende von Stadtbewohnern, verlie Ben das harte. Bett der. Brgersteige,whrend sich Menschen und Hunde um kleine Feuer drngten. Irgendwiee rin ne rte e s Yuri an den Markt von Samarkand, aber er mute zugeben,da es dort zumindest eine gewisse Ordnung gab.

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    An verschiedenen Gebuden war die ind ische Swast ika zu sehen,aus Holz, Stein, Ziegeln oder gemalt. Yuri sehlo die Augenliderhalb . . . Die Sonne und der Schnee des Himalaya kten sich imflammenden Rot des Tagesanbruchs; er und Irina umarmten sich,whrend sie sich in einer riesigen Swastika drehten, die durchdie Felder von Trasnova rollte. Die. Bauern in Novgorod l ie fen zusammen und auch dort zog der Veteran der Internationalen. Brigaden

    seine Frau und den kleinen Yuri weit weg vom Gewehrfeuer der In-vasoren. "Boris ,. Boris!" schrie Maria, whrend sie in diesem schrecklichen blu tigen Durcheinander ihr Kind an sich pre te.

    Boris und Maria unterhielten sich immer in Spanisch, wie zu der Zeit,als sie sich beim Widerstand kennengelernt hatten, dort in Madrid.Eine Million Tote in Spanien, 17 Millionen in der Sowjetunion , und dieWelt brannte immer noch, in Hiroshima und Korea, in Vietnam und inAfrika. Die Sirenen heulten und dann wurde. Boris. von einer Granatezerrissen; er hatte Yuri von seiner Mutter weg nach vorne geworfen.

    "Wir sind angekommen, Professor!", sagte der Fahrer, bremste undhupte. Sie befanden sich im Garten der. Botschaft. Der Pro fessor ghnteund bewegte den Kopf wie jemand, der aus einem bsen Traum erwacht."Willkommen, Pro fe sso r" , sag te ein gutaussehender junger Mann, als erYuri die Tr ffnete. "In vier Stunden fahren wir nach Patna." Er

    lchelte breit und fgte t reuherzig hinzu: "Wenn Sie Ihre Plne nichtgendert haben . . . " "Nein, ich habe nichts daran gendert. Guten Tag.Sie sind Igor, mein "Reisefprer" , n icht wahr?" Igor nahm Haltung anund sagte scherzend: "Zu Ihren Diensten, Genosse Professor. Tt Und sogingen sie lachend in die. Botschaft hinein. Igor ging mit dem Koffer inder Hand voraus.

    Am selben Nachmittag waren sie bereits in Patna, wenige Kilometer vonder Grenze zu Nepal e n t f e ~ n t . In der Umgebung der Stadt entwickeltensich Ashrams. verschiedener Tendenzen .. Die Aktivitt hatte sich sehrvermehrt , nachdem tibetanische Mnche, die vor den Chinesen geflohen

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    waren, sich in Indien niedergelassen hatten. Deshalb hatte sich imNorden, zwischen. Benares und Patna, seit einigen Jahren eine starkereligise Strmung immer mehr. verbreitet . In dem. Buch stand, daman d rei Punkte in diesem Gebiet besuchen mute, um nicht wenigerals fnfzig "inoffizielle" mystische Gruppen zu finden. In einem altenHotel angekommen, machten sich der Professor und sein. Begleiter da-ran , die Reise fr d ie kommenden Tage zu planen .

    29. MaiDie Russen brachen sehr frh zu einer Adresse auf, die in dem. Buchvon Grigori stand. Trotzdem entschlo sich Yuri mitten auf dem Weg,die Richtung zu ndern. Zu Igors Verwunderung gingen sie direktin die Unterstadt, als ob der P ro fes so r sie schon im vorau s gekannthtte. "Das war eine Eingebung", hatte Yuri gesagt, als sie vor einemgroen alten Haus angelang t waren . Sie klopften an die Tr und wurdenvon einer Person, die in eine safrangelbe Tunika gekleidet war, soforteingelassen. Die zwei Mnner schauten sich be rra scht an, sagten aberkein einziges Wort. In einem kleinen Zimmer wurden sie von TensingChbrang empfangen. Es handelte sich um e inen gebilde ten Mann, der-zeit Professor fr stliche Rel ig ionen in Amsterdam. Vor wenigen Tagenhatte er eine Rundreise durch. verschiedene Teile der Welt beendet, beider er einen Platz fr die "Flchtlinge aus Tibet" gesucht hatte, wieer sie nannte. Der Gastgeber hatte seine. Besucher zwischen vielfarbigenKissen sitzend empfangen, eingerahmt vom bunten buddhistischen StilTibets . Der Lama Tensing zeigte sich sehr entgegenkommend und er-klrte ihnen, da seine Bemhungen in Sdamerika Fortschritte gemachthtten. Das interessierte Yuri ganz besonders, der die Motive, die zurEntscheidung fr diesen Erdteil gefhrt hat ten, e rg rnden wollte. Darauf-hin erklrte Tensing, da ein bestimmtes Gebiet der sdamerikanischenHochebene hnliche klimatische und soziale. Bedingungen wie Tibet auf-wies. Tro tzdem, fhr te der Lama aus, gab es noch gewisse Schwierig-keiten mit den Reg ie rungen dieser entlegenen Lnder. Die Einrichtungvon wenig technisierten landwirtschaftlichen Kolonien war in diesen jungen

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    nach Fortschritt strebenden Lndern nicht erwnscht. Man zog dortim allgemeinen die Einwanderung. von Europe rn ode r zumindest Japanern vor. Tensing erzhlte weiter, da der Dalai Lama die Flchtlinge an keinem bestimmten Ort hatte unterbringen knnen, da siesich im Norden von Indien zers t reut hatten und fr Hungerlhne beimStraenbau arbeiteten. Sie starben an Hunger, Krankheit und Erschpfung. Nichts lie auf' eine. Besserung der Situation hoffen, wenn sienicht nach Lateinamerika auswandern oder, noch besser , in ihreHeimat zurckkehren konnten. Der Professor . vermutete ' hinter alldiesem andere Beweggrnde, als Tensing in seinem perfekten Englischunterstr ich: Eine feine Linie verbindet die Zentren des Neubeginns inder Welt. Die "Himalayas" haben ihre Botschaft verkndet .. Bei diesenWorten erinnerte sich Yuri, ohne genau zu wissen warum, an den Bolivianer Jose Fuen tes und seine Lehre.

    Nach einigen knappen Betrachtungen sprach der Lama ber das Aussterben des Mahayana,-Buddhismus der tantrischen Linie und der schamanischen. Bon-Religion, die beide in Tibet en tstanden waren. Er versumte auch nicht, das chines is che Regime als Wiederaufleben des Taoismus zu interpretieren, als Zerstrer der konfuzianischen Ethik, verschleiert durch den ideologischen Anstrich des Marxismus. Dieser sonderb are S tandpunk t interessierte Yuri. Schlielich waren die Dialektik desYin-Yang und die Synthese des Taoismus nichts anderes als ein primitiverreligiser Marxismus im Kampf gegen den kaiserlichen Etatismus des Konfuzius. Er erinnerte sich auch daran, da Hegel, der Schpfer derDialektik, die schlie lich zum System des Marxismus wurde, ausgerechnetein Theologe gewesen war. Auf alle Flle, berlegte er , ist es einetypische Umkehrung, von berspitztem Idealismus, politische Philosophien

    ,

    von einem religisen Standpunkt aus zu sehen. Die Unterhaltung endeteziemlich erregt , als der Lama schlie Blich Beziehungen zwischen Kosmosund Politik herstellte. "Wenige Tage vor Maos Tod forderte ein Erdbebeneine Million Leben, was uns seinen bevorstehenden Tod anzeigte und

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    auch eine gewaltige. Vernderung der chinesischen Politik. Und alsder Schah des Iran in seinem Flugzeug vor der i slamischen Revolutionfloh, gab es e b e n f a ~ l s ein Erdbeben, das Leben und ganze Drferauslschte . . . Sie, die Russen, mten sich vor solchen Vernderungenan Ihren Grenzen schtzen. Sie haben sehr gute Erdbeben-Observatorien,aber Sie verfgen ber keine Instrumente zur. Beobachtung der geistigenErsqht terungen. "Yuri hatte bei diesen Worten eine ideologisch-religise. Vergiftung fe$tge ste llt. Aber als er in sein Hotel zurckgekehrt war, notierte er sofortden letzten Satz des Lama. Jener hatte in seiner schwer fabaren A rtzu sprechen etwas hnliches gesagt wie das , was er selbst in der Zeitsc hrift d er vergleichenden Religionswissenschaften in Moskau geschriebenhatte. Er beschlo, seine Notizen zu vervollstndigen, whrend Igorsich noch mit dem Lama unterhiel t . Nach Beendigung des Gesprchswrde er sich in der Umgebung herumtreiben, wie im Plan vorgesehenwar.

    Zwei Stunden spter kam Igor . "Professor, ich habe Neu igke iten" ,sagte er und lief auf den Stuhl neben Yuri zu. Dieser drehte seinenStuhl so, da er seinem Gesprchspar tne r gegenbersa. Dann fragteer: "Was hat Sie so aufgeregt?" Und er hatte das Gefhl, er wrde dieAntwort schon kennen. "Profes so r" , s chnauf te Igor , "als Sie den Ashramverlie en, hat der alte Mann sofort sein. Verhalten gender t . Er ffnete~ i n Kstchen und zeigte mir ein Medaillon aus Jade mit einem Symbol:iarin. Dann kam es zu einem. vlligen Durcheinander. 1f Igor begann1.ervs zu lachen. Dann fuhr e r fOft: "Ich zog ein paar Rupien heraus ,weil ich glaubte, der Lama wollte mir irgendwelchen Ramsch verkaufen,lber als er das Geld sah, sagte er ein seltsames Wort. In diesem Momentkamen zwei Mnner herein und kreischten wie. verrckt . Und whrend~ i e keuchten, Mehl oder Talk in die Luft warfen, versuchte mir einerV"on ihnen die Hand aufzulegen . . . Wissen Sie, alles endete in einemv-lligen Durcheinander. Das Komischste war, da der ganz verstaubte~ a m a genlich seinen e k e l h a f t ~ n Tee mit Yakhaaren schlrf te , whrendjie Typen herumliefen und ich alles zerschlug, was ich erwischen konnte."

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    Er machte eine Pause und begann wieder zu lachen. "Yakhaare ! " ,fgte er hin zu. "Ich..verneigte mich. vor dem Lama und lief schnellaus dem Ashram hinaus, whrend ich immer noch Schreie in dieserunverstndlichen Sprache hrte. Haben Sie eine Ahnung, was dasalles zu bedeuten hat?" "Igor , wie lange sind Sie schon in Indien?""Seit zehn Jahren, Professor." "Wie kommt es -dann, da Sie dieEigenarten des Landes immer noch nicht r ich tig in te rpre tieren knnen?ti."Ich interpretiere sie richtig. Aber wie Sie wissen, waren diese Typenkeine Inder , sondern Tibeter . . . Yakhaare ! ff wiederholte er und lachteerneut ..

    Yuri, der sich innerlich ber die bilderstrmerischen Impulse seinesBegleiters freute, erinnerte sich wieder an die Kraft, die er bei Grigo riund dem cholerischen Karpov bemerkt hatte. Mit welchem Genu htteer selbst , in einen Wirbelwind verwande lt, b ei den zeremoniellen Versammlungen des Komitees Sthle und Tische umgeworfeD-. Aber beidiesem Igor, der so frech vor ihm lachte, sah er etwas wie zwei sichberschneidende Bilder . . . "Igor" schien mit computerhafter Przisionein verschlsseltes Telex zu nehmen, es schnell zu bersetzen unddie Antwort in den Apparat einzugeben . . . Dann, als Yuri diese. verwirrende Vision aus seinem Kopf verd rng t hatte , wollte er fragen:"Igor , seien Sie aufrichtig, Sie . . . . " "Was, Professor?U, sagte derandere und setzte sich bequem in seinem Sessel zurecht. Yuri atmetetief und schaute seinen Gefhrten fest an. Dann stie er . voll Verzweiflung die Luft aus. Nach einer Zeitlang sagte er: "Vergessen Siees, Igor, vergessen Sie es. ff "In Ordnung , Pro fessor . Wenn Sie er-lauben, sollten wir jetzt zu einem sehr interessanten Ort fahren, denich entdeckt habe. Es geht um ein rel ig ises Heilzentrum. "

    Whrend sie auf einem Karren, der von einem Motorroller gezogen wurde,zu diesem Ort fuhren, dachte Yuri ber die seltsamen Umstnde nach,die die Unterredung mit dem Lama begleitet hatten. Er fr seinen Teilhatte ihn berhaupt nichts von Interesse fragen knnen und so wieer in den Ashram h ineingegangen war, war er auch herausgekommen.

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    Dennoch hatte Tens ing ausfprlic.h erzhlt, ohne da eine konkreteF rage geste llt worden wre. Dann war da die Geschichte mit Igor,die eine gewisse, Bedeutung hatte , auch wenn sie schwer zu erkennenwar. Er beschlo , am nchsten Tag nochmal dorthin zu gehen, jedochallein, um weitere Komplikationen zu 'vermeiden.

    Sie .waren bei dem Heilzen trum angekommen. Schon vom Brgersteigaus muten sie sich durch eine Menschenmasse' drngen, die ihnenden Weg versperr te . Schlielich kamen sie in den inneren. Bereich.Ganz in ihrer Nhe lag ein etwa fnfzigjhriger Mann auf einem Tisch.Er war von europischem Aussehen" v ie lle icht sterreicher .. Bis aufdie, Brust. war sein ganzer Krper mit einem weien Leintuch bedeckt.An jeder Ecke des Tisches stand ein Helfer des Wunderheilers, dergerade eintrat und dem Publikum in der Art eines Zauberers seineHnde zeigte. Er begann in Hindi zu der Menge zu sprechen, was Igorseinem Begleiter .leise bersetzte. Es ging um eine Operation. Yuri sahnoch andere Europer, unter ihnen eine Frau, die offensichtlich weinte.Sicherlich war es die Frau des Kranken. Der Wunderhei le r s tellte sichhinter den Tisch, whrend sich die Russen dem Patienten b is auf zweiMeter nherten. In diesem Augenblick wurden monotone Gesnge an-gestimmt und der Rauch von Rucherstbchen fllte das Zimmer. Die

    ,

    vier Helfer lie en ihre Hnde ber den Krper des Europers gleiten,ohne ihn zu berhren und fhrten die Handbewegungen eines Magne-t is eu rs aus .Igor erklrte Yuri, da der Eingriff ohne Narkose und In-strumente vorgenommen werden wrde: Nur mit den sauberen Hndenwrde der Wunderheiler eine Krebsgeschwulst aus dem Magen en tfernen.Die Wunde wrde sich sofort schlieen und dies alles war allein denKrften einer rtlichen Gttin zu verdanken.

    Zwei Frauen kamen mit Gefen herein und stellten sich neben denWunderheiler. Pltzlich zog eine, von ihnen das Leintuch zurck, soda der Unterleib des Mannes entbl t wurde. Sofort strich sie miteinem :"in Wasser getauc'hten Wattebausch ber den. Bauch und suberteso das Operat ionsfe ld . Dann legte der Heiler seine Hnde auf den Krper

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    und begann mit einer in den Bauch einzudringen, der sich. vonselbst. zu ffnen schien, um ih r Platz zu 'machen. Das Blut' flo unaufhrlich, whr.end die Frau mit einem anderen Wattebausch dieS teIle suberte. Der Wunderhei le r bewegte die Hnde sehr schnellund manchmal so h e f t ~ g , da. Blut auf das Leintuch spritzte. DasPublikum war verstummt. Der Patien t d rck te die Augenlide-r zu .und pre te die Kiefer zusammen, als ob er sich darauf. vorbereiten

    wrde, einen schrecklichen Schlag zu bekommen. Und jetzt zog derOperateur schnell etwas wie ein Stck Eingeweide aus dem Bauch desKranken. Es war eine schwarze und elastische Masse', die in ein Gef geworfen wurde, das eine der Frauen hielt. Die Hnde bewegtensich s chnelle r und massierten schlielich sanft den Unterleib. DieOperativn war zu Ende. Der Wunderheiler trat einen Schritt zurckund lockerte den Krper, als ob er aus einer tiefen Trance erwachte.Eine der H e l f e ~ i n n e n entfernte das Blut mit einem groen Wattebauschund suberte so das ganze Operationsfeld.

    Die Menge strzte sich nach. vorne, um mit eigenen Augen das unglaubliche Phnomen zu seher1. Der Europer war aufgestanden undversuchte seine Hose hochzuziehen, was ihm aber nicht gelang. SeineFrau warf sich laut weinend ber ihn. Einige Mnner versuchten dasPaar zu trennen und bestanden hartnckig darauf, . den Bauch desgerade Operierten zu berhren. Als die Hysterie um sich griff, machtendie Russen, verzweifelte Ans tr engungen , aus dem Zimmer hinauszukommenund dabei sahen sie, wie die Hose des Europers herun te rf ie l und ermit seiner Frau und ein paar Eingeborenen in einem Knuel verschlungenam Boden lag. Whrenddessen knieten andere nieder und kten die Hndedes Wunderhe ilers. Es erklangen wiedeJ; Gesnge, whrend Yuri und seinBegleiter auf die Strae gelangten. I

    Igor stie einen Seufzer der Erleich te rung aus. "Was halten Sie vondieser Demonstration?" fragte er. "Eine dnne Schicht alkalihaitigerSalbe auf den Hnden und Phenolphtalein 'im Wasser. Das Ergebnis:. Blut.

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    Aber nur , was die Farbe betrifft Die heraus'geholten Eingeweidestammen, von einem Huhn. Die Helferin ': gibt es ' dem 'Wunderheilerim Wattebausch versteckt. Auch die Hnde werden nicht in denBauch eingefhrt . Da der Unterleib eingedrckt wird, bildet dierote Flssigkeit einen kleinen See. Der Heiler biegt die Finger abund hlt sie verbo rgen , besonde rs wenn er noch mehr auf den Bauchdes. Patienten drckt .. Diese Technik wird auc'h auf den Philippinenpraktiziert und dient nat rl ich dazu, Leuten aus dem Westen das Geldaus der Tasche zu ziehen, die massenhaft, zu diesen Heilzen tren strmen. ff"Dann war unser Ausflug also nutzlos, P ro fe ssor?" , f ragte Igor. "Ja,es tu t mir leid. Ich glaube nicht, da von dort ein neuer religiserFhrer hervorgehen wird' oder ein berzeugendes Konzept, das dieMassen mitreien kann. tf "Nun gut , ich mu Ihnen noch verschiedeneSachen zeig en , ganz hier in der Nhe", sagte Igor und zog Yuri zumAuto, in dem der lchelnde Fahrer auf sie wartete.

    Die Russen nahmen mit verschiedenen Vereinigungen Kontakt auf. [rber-all wurden sie ohne groe Fragen empfangen, sicherlich weil sich dieLeute in dem Bestreben, neue Jnger zu gewinnen, mehr darum be-mhten, die. Besucher zu berzeugen als ihre Absichten kennen zulernen .Auf alle Flle verhalf p.as Buch von Grigori sowohl dem Professor alsauch Igor dazu, unbekannte Dinge ans Licht zu bringen, auch wenn dasErgebnis enttuschend war. Alle Ashrams, als Gebude der, Vereinigungen,schienen nach dem gleichen Muster angelegt zu sein. Es waren immergroe Grundstcke, die eingezunt und von bewaffneten Wachpostenumstellt waren. Die gerade Angekommenen lie en sich anmelden undgingen dann durch die Grten zum Hauptgebude, das in jedem Fallber ein Empfangsbro, verfgte. Ein riesiger Wohnraum wurde fr groeVersammlungen verwendet und stellte die Verbindung zu den Meditat ions-rumen und den Schlafzimmern dar. In einem anderen Teil befanden sichKche und Speisezimmer . Etwas abseits davon gab es Bder, sanitreEinrichtungen, Wscherei und Trockenrume. Alles dies befand sich ,natrlich, in einem nicht zufriedenstelienden Zustand.

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    Alle Ashrams und, Vereinigungen waren wohlhabend und hneltenErholungsheimen f r ltere Leute ,. vorzugsweise 'aus' dem Westen.Ein paar junge Leute, die in den Grten schliefen, waren jedenfa ll sgut betucht, wenn auch. von unkonventionellem Aussehen. Der Ablaufwar immer der gleiche.: Gesprch im Sekretar iat mit i rgendeiner f rpublic relations zustndigen Person, die den, Besuchern Prospek te indie Hand drckte, in denen die, verschiedenen Kurse mit dem entspre-

    chenden Preis aufgefhrt waren. Es gab Kurse von einer Woche biszu v ie rz ig Tagen , man mute aber noch die Kosten f r Unterbringungund Verpflegung dazurechnen . Die bil ligs ten Kurse waren die frMakrobiotik, spirituelle Massage" Astrologie, Akupunktur , Iridologie,die Zukunf t. aus Karten lesen. Die der mittleren Preislage waren Kursefr stliche Philosophie" Bioenergetik , alternative Medizin, Parapsychologie

    ,und Bio-Feedback. Der am meisten besuchte Kurse war auch der teuerste .Es war immer der Unterricht, den der Guru hchstpersnlich gab. Natrlich waren dabei das Ausstellen, von Diplomen und das persnliche Mantraenthalten, die der Interessierte mitnehmen konnte.

    Yuri und sein Begleiter hat ten besch lossen , ihre Krf te e inzute ilen undand'ere Orte getrennt zu besuchen, um mglichst viele Unterlag en zusammeln. Als sie sich wieder im Hotel trafeD-, um Notizen ber den Tagesablauf zu machen, war es bereits Mittern acht. In den Aufzeichnungendes Pro fe ssor s tauchte eine unbeantwortete Frage auf: ','Wie sind wirzum Ashram des Tensing gekommen? Ich wte nicht , was ich antwortensollte und noch wen iger, was ich davon halten soll. Wer knnte es bessererklren: Karpov oder Nietzsky?"

    30. MaiDiesmal verlie en die Russen das Hotel in indi schen Blusen und Sandalen.Es war 6 Uhr morgens .. Igor nahm ein Taxi fr seinen Ausflug zu denDrfern rund um Patna. Er sollte an diesem Tag auc'h nach Pus'a undDarbhanga fahren. Und wenn die Zeit reichte, wrde er auch noch .Madhubani besuchen, das, 200, Kilometer. von Katmandu e n t f e ~ n t , .fastan der Grenze zu Nepal lag. Das. Buch mit dem braunen Einband bezeichne te

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    diese Gegend als, ein Gebiet mit "kultur'ellen Kreuzurigspunkten "und man f a ~ d dort. Vereinigungen, bei denen' sich die inoffi.ziellenmystischen Formen stndig. vernderten. Um 7 Uhr morgens betrat Yuri den Ashram, wo Tensing wohnte.Zwei Mnche empfil1-gen ihn h f l i ~ h und geleiteten ihn zu 'dem Zimmer,in dem er am Tag vorher mit dem Lama gesprochen hatte. Nichtsschien sich hier gendert zu haben, trotz des von Igor verursachtenDurcheinanders. Und whrend er noch ber den Unte rsch ied zwischendiesem Ashram und den anderen nachdachte, ffnete sich leise eineTr . Er fuhr zusammen, als Tensing hin ter ihm auftauchte. "Exzellenz",sagte Yuri, "ich begre Sie und mchte mich fr den Vorfall vongestern en tschu ld igen. It Der Lama setzte sich an seinen gewohntenPlatz und lud den Russen ein, es sich bequem. zu machen. Sofo rtkam ein Mnch mit. Buttertee herein; er grte feierlich und verschwandwieder. "Mivers tndnisse kommen oft. vor , Herr . . . " "Tokarev", s ag teYuri. "Ja', sie kommen hufig vor, Herr Tokarev. Aber dank diesesDurcheinanders habe ich jetzt das Vergngen, wieder mit Ihnen zusprechen. Obwohl ich glaube, da Sie auf alle Flle wieder hierher-gekommen wren", er schlrfte langsam seinen Tee und fuhr fort:"entweder weil Sie das Medaillon bekommen htten, das ich Ihnen durchIhren Freund schicken wollte, oder einfach weil Sie nicht das gefragthatten, was Sie wissen wollten und es deshalb noch tun muten. Na-trlich habe ich gestern gesprochen, um Sie auf einige Punkte hinzu-weisen, die Sie vielleicht interessieren." Yuri trank seinen Tee, be-drckt von den unklaren uerungen des Lama. "Fragen Sie, HerrTokarev, fragen Sie alles, was Sie wissen wollell. lT

    "Exzellenz, ich bin Professor fr. vergleichende Religionswissenschaftenan der Universitt Moskau. Die Tatsache, da Sie hn liche Dinge anIhrem Lehrstuhl in Amsterdam unterrichten, erleichtert mir das Gesprch . .Yuri hielt einen Moment inne und suchte nach dem richtigen Anfang.Als er seine Unruhe bemerkte, sagte der Lama freundlich: "Professor,Sie knnen sicher sein, da ich Ihre Fragen vollstndig beantworten

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    werde. Sie brauchen sich nicht zurckzuhal ten. H "Gut. Was wolltenSie gestern sagen' mit den Worten: Eine f e ~ n e Linie. verbindet dieZentren des Neubeginns in der Welt., Die Himalayas haben ihre, Bot-schaft., verkndet?" Das waren genau Ihre Worte, Exzellenz, ich habesie gestern in meinen Reisenotizen fest gehalten . "

    "Erst. einmal werde ich Ihnen eine. Antwort geben, die etwas schwerzu akzep tie ren sein wird f t , entgegnete Tensing. "Die Zentren desNeubeginns entsprechen Orten, an denen das Wissen und die Religions-ausbung das hchste Niveau erreicht haben. Es sind keine I n f o r m a t i o n ~zentren wie zum Beispiel die Universitten. Sie sind auch nicht leichtzu finden, weil die Menschen im allgemeinen sehr ver schiedene An-sichten ber diese Dinge haben." Yuri begriff , da der Lama jetztohne Umschweife sprach. Das ermutigte ihn dazu, ein Notizbuch hervor-zuholen . Er begann sofort die Wo.rte des Tensing aufzuschre iben , dermit seinen Erklrungen fortfuhr.

    "Solche Zen t ren, die immer un t ereinander ve rbunden bleiben, gibt esin der Umgebung des Himalaya, des Berges Ara rat , der Anden unda ueh an anderen Orten. Sie kennen sicherlich die Legende vom Mon te

    . .

    Meru. Dieser. Berg exis tie rt nicht an einem bestimmten Ort. Es isteinfach der. Berg, der die Erde mit dem Himmel verbindet. Die Z'entrendes Neubeginns entsprechen normalerweise e iner physischen Land-schaft , die die geistige Landschaft. des Monte Meru zum Leben erweckt.Dasselbe gilt fr die unte ri rd ischen Stdte Agharti und Shambal. Siesind die Verbindung zur "Hlle". Aber auch sie existieren nicht wirk-lich. Sie sinq' geistiger Natur. H Yuri machte nervs Notizen, whrender im G ~ i s t e eine. Verbindung zu Grigoris Exkursion zum Ararat her-stellte. Und noch dazu hatte das Komitee ihm die Mission bertragen,in der Umgebung des Himalaya und der. Anden nachzuforschen, dieInitiative dazu war aber von ihm selbst ' aus'gegangen. Alles das.' Be-greifen des gerade, Gehrten durcheinander. "Der Monte Merli" , fuhrTensing fort , Hverursacht starke geistige Erdbeben, wenn die Zeit

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    verstehen, das Problem liegt in den Worten urid den Interpretationen.Aber eines wei ich sicher: Was Sie sagen, ist 's eh r wichtig fr dieUntersuchung,. mit der ich b e a u f t ~ a g t wur'de, und fr mich persnlich. f f

    Tensing lchelte und sagte warm: "Professor, Sie sind ein guterMensch und haben, viel K raft .. Aber Sie wissen noch nicht, was Siesuchen, und das ist auergewhnlich. Wie kann man eine Untersuchungdurchfhren, wenn man nicht wei, was man untersuchen soll?" Der

    Russe fhlte sich berhr t und fgte mechanisch hinzu: "Ich suchenach Symptomen einer mglichen mystischen Explosion, die jedenMoment auf der Welt stattfinden kann und die gegenwrtige Lage ausdem Gleichgewicht b ringen wrde."

    "Freuen Sie sich, Professor Tokarev, diese Explosion bereitet sichschon vor. . . . Wenn das Eis bricht und der Strom alles mitreit, wasihm in den Weg kommt - so ist es auch, wenn der Geist sich befreit ..Dann wird das Wasser klar und ist brauchbar fr die. Bewsserungder Felder. tI Yuri zuckte die Schultern und hielt den Atem an. Dannhrte er seine Stimme ganz rauh aus der Kehle heraus sagen: "Ex-zellenz, was. versteht man unter der "Lehre"?" "Lehre" ist a l l e s , ' ~ v o nBuddha", antwortete der Lama. Anges ichts d ie se r Erklrung beschloYuri, das Gesprch zu beenden. Er fhlte sich betrogen und so etwaswie Unwillen begann in ihm aufzusteigen. Er besann sich jedoch wiederund sagte: "Exzellenz, ich h o f f ~ , ich habe Sie mit meinen Fragen nichtbe lstig t. Ich danke Ihnen sehr f r Ihre Erklrungen." Der Lama neigteden Kopf., Dann zog er ein Kstchen zu sich heran, nahm ein Medaillonheraus und legte es in die Hnde des Russen. "Geben Sie es demWchter, wenn Sie den Mante Meru sehen wollen", schlo er . Yuri be-trachtete das Medaillon aus geschnitz te r Jade und sah in ihm einenKreis mit einem gleichsei tigen Dreieck darin. Dann dankte er dem Lama,stand auf l1nd sagte schlie lich etwas sarkastisch: "Exzellenz, ich glaube,da' ich eines Tages Ihre Worte genau. verstehen werde. I ch verneigemich vor ' Ihnen." Er machte eine hfliche, Geste und verlie das Zimmer.

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  • 7/30/2019 Tokarev OCR De

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    Auf der Strae beschlo er, einige Stellen in der Stadt zu besuchen.Er war ein p,aar Stunden , lang unterwegs, . konnte aber nichts Wichtigesfinden. Nur' Kuriositten ,wie jene Hand, die aus' dem Sand herausragteund in die Neugierige ein paar Mnzen legten. Oder wie jener Mann,der auf einer hohen Sule stand und manchmal einen unvorsichtigenPassan ten traf , . wenn er seinen Krper en tleerte. Wie man ihm er-klrte, stand der Fakir schon seit zehn Jahren auf' der kleinen Platt-form. Jemand gab ihm tglich Wasser und seine Ration Reis in einem

    . Bambusnapf. ,Er wute, wie er sich bei Gewittern anbinden mute, umnicht herunterzufallen. Aber eines Tages, frher oder spter, wrdeer herunterfallen, von der Sonne ausgetrocknet, nur ein Haufen Knochenund Lumpen. Und dasselbe galt fr den mit Geschwren bedeckten Mann,der immer stand und zum Schlagen die Ellbogen auf eine Schaukel sttzte,von der er sich jahrelang nich t entfernte. Kranke, Unterernhrte , Blinde,Verrckte, Asketen und Fakire bei einem Volk', das der Welt so vielgegeben hatte . "Ja, die Religion ist das Opium der Vlker" , dachteYuri, als er einen alten Mann betrachtete, der, vor Un te re rnh rung ge-storben war, kurz bevor er, vorbeigekommen war. Sie wrden ihn dortauf den Karren legen, auch wenn vielleicht niemand das Holz fr seinen

    . Sche