Tweet it like Trump: Persuasionseffekte bei ...€¦ · Womöglich ist es uns nicht gelungen, die...

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Fabian Hindenlang, Jonas Lechler, Ina Lembeck, Luisa Sabel, Vanessa Schilinski Abteilung Sozialpsychologie Universität Trier Persuasion : Das Elaboration-Likelihood Modell (ELM; Petty & Cacioppo, 1968) Das ELM unterscheidet zwei Pfade der Verarbeitung einstellungsrelevanter Informationen, den peripheren und den zentralen Pfad. Die Verarbeitungsintensität und somit über welchen Pfad die Information verarbeitet wird, ist abhängig von Motivation und Fähigkeit einer Person. Motivation und Fähigkeit können unter anderem durch äußere Einflüsse beeinflusst werden. Bei oberflächlicher Verarbeitung spielen periphere Hinweisreize eine wichtige Rolle bei der Meinungsänderung, wogegen bei intensiver Verarbeitung (zentraler Pfad) vorwiegend die inhaltliche Stärke einer persuasiven Botschaft überzeugt. Tweet it like Trump Warum sind Donald Trumps unsachlich und teilweise orthografisch nicht korrekte Tweets zum Teil so erfolgreich? Hypothesen Aufgrund fehlender Bereitschaft, sich intensiv mit den Themen zu beschäftigen, werden vor allem schlecht leserliche Argumente in Kurznachrichtendiensten (z.B. Twitter, Facebook) überzeugender und weniger auf Sinnhaftigkeit und Richtigkeit geprüft, da sie einen erhöhten kognitiven Aufwand voraussetzen. Diese zentrale Verarbeitung begünstigt die Überzeugungskraft schwacher Argumente, da Fehler in der Argumentation weniger auffallen. Voruntersuchung Um starke und schwache Argumente zu gewinnen wurden ein Pool von 44Argumenten von einer kleinen Versuchspersonengruppe (N=25) hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft bewertet. Hieraus wurden jeweils die fünf überzeugendsten und die fünf am wenigstens überzeugende Argumente ausgewählt. Stichprobe 123 Studierende der Universität Trier nahmen im Erhebungszeitraum Juni 2019 an dem Experiment teil. Hierbei mussten zwei Teilnehmer vom Versuch ausgeschlossen werden. Jede Versuchsperson wurde zufällig einer Bedingung zugeordnet. 2x2 Versuchsdesign: Methodisches Vorgehen Den Versuchspersonen wurde gesagt, sie nehmen an einer Studie zur Meinungserfassung zu verschiedenen Themen teil. Um die baseline Einstellung der Versuchspersonen über eine Erhöhung des Rentenalters zu erfassen, wurden die Teilnehmenden zunächst gebeten, ihre Meinung über eine Reihe von gesellschaftlich relevanten Themen abzugeben: Es wurde den Teilnehmenden erklärt, dass sie zufällig der Gruppe „Renteneintrittsalter ab 70“ zugeordnet wurden. Ihnen wurden jeweils fünf Argumente präsentiert: Anschließend wurden die Versuchspersonen gebeten, erneut ihre Meinung zum Thema „Renteneintrittsalter ab 70“ zu nennen. Um die Meinungsänderung zu erfassen, wurde die Differenz aus der ersten und der zweiten Meinungsabfrage gebildet. Tweet it like Trump: Persuasionseffekte bei Kurznachrichten in Abhängigkeit der Lesbarkeit Einleitung Methode Ergebnisse Diskussion Quellen: Petty R.E., Cacioppo J.T. (1986) The Elaboration Likelihood Model of Persuasion. In: Communication and Persuasion. Springer Series in Social Psychology. Springer, New York, NY stark schwach leserlich A B unleserlich C D Die zu Beginn der Arbeit formulierte Hypothese, dass auch schwache Argumentationen auf Kurznachrichtendiensten wie Twitter gerade durch ihre unkonventionelle Präsentation überzeugen können, konnte nicht bestätigt werden. Der Schluss liegt nun nahe, dass es nicht die Lesbarkeit ist, die den in der echten Welt beobachteten Effekt verursacht, allerdings könnte der Grund für das Ausbleiben einer Auswirkung auch im experimentalen Aufbau liegen. Womöglich ist es uns nicht gelungen, die Art und Weise wie Twitterbenutzer Tweets verarbeiten, im Experiment zu replizieren. Dennoch ist diese Arbeit als Versuch, die Art und Weise wie persuasive Inhalte auf Onlinediensten wie Twitter verarbeitet werden, zu untersuchen, nicht ohne Wert. Mit Hilfe der Voruntersuchung konnte gezeigt werden, dass die selben Eigenschaften, durch die eine Aussage als tendenziell überzeugend eingeschätzt wird, auch ihre Überzeugungskraft in Tweetform erhöht. Es sollte nun weiter ermittelt werden, welche Eigenschaften es sind, die einen überzeugenden Tweet von einer überzeugenden (Schrift-) Botschaft auf anderen Kanälen unterscheidet. Grad der Meinungsänderung Bei den schwachen Argumenten ergab sich keine signifikante Änderung der Einstellung gegenüber einer Erhöhung des Rentenalters. Im Gegensatz dazu wurden die Meinungen in der Bedingung starke Argumente leicht verbessert F(1,123) = 16.48 p=.000 η²= .122. Die Lesbarkeit der Kurznachrichten hatte keine Auswirkungen auf die Meinungsänderung der Probanden. Es konnten keine signifikanten Interaktionen beobachtet werden. Betrachtungszeit pro Tweet Es zeigte sich, dass Probanden unleserliche Tweets länger betrachteten als leserliche F(1,123) = 10.73, p = .001. Selbiges gilt für Tweets mit argumentativ stark überzeugendem Inhalt im Vergleich mit Tweets mit schwacher Argumentation F(1,123) = 15.07, p = .000. 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 lesbar unlesbar stark schwach -0,3 -0,1 0,1 0,3 0,5 0,7 lesbar unlesbar stark schwach Meinungsänderung Lesbarkeit*Argumentationsstärke Betrachtungszeit in Millisekunden: Leserbarkeit*Argumentationsstärke

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Fabian Hindenlang, Jonas Lechler, Ina Lembeck, Luisa Sabel, Vanessa SchilinskiAbteilung Sozialpsychologie

Universität Trier

Persuasion: Das Elaboration-Likelihood Modell (ELM; Petty & Cacioppo, 1968)Das ELM unterscheidet zwei Pfade der Verarbeitung einstellungsrelevanterInformationen, den peripheren und den zentralen Pfad. DieVerarbeitungsintensität und somit über welchen Pfad die Information verarbeitetwird, ist abhängig von Motivation und Fähigkeit einer Person. Motivation undFähigkeit können unter anderem durch äußere Einflüsse beeinflusst werden.Bei oberflächlicher Verarbeitung spielen periphere Hinweisreize eine wichtige Rollebei der Meinungsänderung, wogegen bei intensiver Verarbeitung (zentraler Pfad)vorwiegend die inhaltliche Stärke einer persuasiven Botschaft überzeugt.

Tweet it like TrumpWarum sind Donald Trumps unsachlich undteilweise orthografisch nicht korrekte Tweetszum Teil so erfolgreich?

HypothesenAufgrund fehlender Bereitschaft, sich intensiv mit den Themen zu beschäftigen,werden vor allem schlecht leserliche Argumente in Kurznachrichtendiensten (z.B.Twitter, Facebook) überzeugender und weniger auf Sinnhaftigkeit und Richtigkeitgeprüft, da sie einen erhöhten kognitiven Aufwand voraussetzen. Diese zentraleVerarbeitung begünstigt die Überzeugungskraft schwacher Argumente, da Fehler

in der Argumentation weniger auffallen.

VoruntersuchungUm starke und schwache Argumente zu gewinnen wurden ein Pool von44Argumenten von einer kleinen Versuchspersonengruppe (N=25) hinsichtlichihrer Überzeugungskraft bewertet. Hieraus wurden jeweils die fünfüberzeugendsten und die fünf am wenigstens überzeugende Argumenteausgewählt.

Stichprobe123 Studierende der Universität Trier nahmen im Erhebungszeitraum Juni 2019 andem Experiment teil. Hierbei mussten zwei Teilnehmer vom Versuchausgeschlossen werden. Jede Versuchsperson wurde zufällig einer Bedingungzugeordnet.2x2 Versuchsdesign:

Methodisches VorgehenDen Versuchspersonen wurde gesagt, sie nehmen an einer Studie zurMeinungserfassung zu verschiedenen Themen teil.Um die baseline Einstellung der Versuchspersonen über eine Erhöhung desRentenalters zu erfassen, wurden die Teilnehmenden zunächst gebeten, ihreMeinung über eine Reihe von gesellschaftlich relevanten Themen abzugeben:

Es wurde den Teilnehmenden erklärt, dass sie zufällig der Gruppe„Renteneintrittsalter ab 70“ zugeordnet wurden. Ihnen wurden jeweils fünfArgumente präsentiert:

Anschließend wurden die Versuchspersonen gebeten, erneut ihre Meinung zumThema „Renteneintrittsalter ab 70“ zu nennen.Um die Meinungsänderung zu erfassen, wurde die Differenz aus der ersten und derzweiten Meinungsabfrage gebildet.

Tweet it like Trump: Persuasionseffekte bei Kurznachrichten in Abhängigkeit der Lesbarkeit

Einleitung

Methode

Ergebnisse

Diskussion

Quellen:

Petty R.E., Cacioppo J.T. (1986) The Elaboration Likelihood Model of Persuasion. In: Communication and Persuasion. Springer Series in

Social Psychology. Springer, New York, NY

stark schwachleserlich A B

unleserlich C D

Die zu Beginn der Arbeit formulierte Hypothese, dass auch schwacheArgumentationen auf Kurznachrichtendiensten wie Twitter gerade durch ihreunkonventionelle Präsentation überzeugen können, konnte nicht bestätigt werden.Der Schluss liegt nun nahe, dass es nicht die Lesbarkeit ist, die den in der echtenWelt beobachteten Effekt verursacht, allerdings könnte der Grund für dasAusbleiben einer Auswirkung auch im experimentalen Aufbau liegen.

Womöglich ist es uns nicht gelungen, die Art und Weise wie TwitterbenutzerTweets verarbeiten, im Experiment zu replizieren. Dennoch ist diese Arbeit alsVersuch, die Art und Weise wie persuasive Inhalte auf Onlinediensten wie Twitterverarbeitet werden, zu untersuchen, nicht ohne Wert. Mit Hilfe derVoruntersuchung konnte gezeigt werden, dass die selben Eigenschaften, durch dieeine Aussage als tendenziell überzeugend eingeschätzt wird, auch ihreÜberzeugungskraft in Tweetform erhöht.

Es sollte nun weiter ermittelt werden, welche Eigenschaften es sind, die einenüberzeugenden Tweet von einer überzeugenden (Schrift-) Botschaft auf anderenKanälen unterscheidet.

Grad der MeinungsänderungBei den schwachen Argumenten ergab sich keine signifikante Änderung derEinstellung gegenüber einer Erhöhung des Rentenalters. Im Gegensatz dazuwurden die Meinungen in der Bedingung starke Argumente leicht verbessertF(1,123) = 16.48 p = .000 η²= .122. Die Lesbarkeit der Kurznachrichten hatte keineAuswirkungen auf die Meinungsänderung der Probanden. Es konnten keinesignifikanten Interaktionen beobachtet werden.

Betrachtungszeit pro TweetEs zeigte sich, dass Probanden unleserliche Tweets länger betrachteten alsleserliche F(1,123) = 10.73, p = .001. Selbiges gilt für Tweets mit argumentativ starküberzeugendem Inhalt im Vergleich mit Tweets mit schwacher ArgumentationF(1,123) = 15.07, p = .000.

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