Unique: Herrschaftsverhältnisse im Strafprozess... (278a)

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  • 8/6/2019 Unique: Herrschaftsverhltnisse im Strafprozess... (278a)

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    recht gut?

    HERRSCHAFTSVERHLTNISSE IMTRAFPROZESS Angelika Adensamerim Prozess gegen die . Tierrechtsaktivist innen in Oster-reich. -r Tierrechtsprozess - zur Einfachheit verwende ich in Folge diesen nicht korrekten

    denn in dem Prozess ging es nichtLinie um Tierrechte -, der am 2. Maiber einem Jahr mit einem Freispruch ftirlle Beschuldigten endete, ist aus vielen Grnkritikwrdig. Zweifelhaft ist das lange undeufe Ermittlungsverfahren, das dem Prozessund das tief in die Privatsphre dereingriff, zweifelhaftauch die Rol

    de r Firma Kleiderbauer in der Grndung derbeauftragten Sonderkommission. Wilddie Anklage nach 278a, der diebei einer kriminellen Organiunter Strafe s t e n ~ , sowie der Paragraphfragwrdig ist auch die mit 10 6berdurchschnittlich lange U-Haft der

    Doch auch andere Aspekte, solche, die jeProzess begleiten, geben zu denken: diedie hierarchische Kommunikatizwischen Richter_in und Beschuldigten unddie Herrschaftsverhltnisse, die in einemzu Tage treten.arteienprozess und Inquisitinsprozess

    n einem reinen Parteien prozess gibt es auf derSeite die Anklage, aufder anderen die Vereidigung und darber hinaus ein te Richter_insich zurcklehnen kann, den Ausfhder beiden Parteien zuhrt, und danachIn sterreich gibt es zwar sowohl.Anklage als auch die Verteidigung, dennoch

    aber der Prozess kein reiner Parteienprozess,trgt ein Merkmal des InquisitionsproDamit ist nicht gemeint, dass. der heuStrafprozess mit einem mittelalterlichenvergleichbar wre, in dem Richter undmglichen Bebeschrnkt sind und GestndnisseFolter gebracht werden knnen. "Inquisibedeutet auch AmtsermittlungsDer Amstermittlungsgrundsatz istgltig und besagt, dass das Gericht von

    aufnehmen kann un d selbst

    verpflichtet ist, "die Wahrheit zu erforschen"l.Das fhrt dazu, dass das Gericht sehr viel involvierter in den Prozess ist als in einem Parteienprozess , in dem es ausschlielich fr dieEntscheidung und die Fhrung des Prozessesverantwortlich ist.Unvoreingenommenheit und derAmtsermittlungsgrundsatzDa die /der Richteein den Prozess leitet undselbst ermitteln muss, muss er/sie schon vorBeginn des Prozesses alle Polizeiakten, die es inder Strafsache gibt, gelesen haben. Im Fall desTierrechtsprozesses war das ein tausende Seiten langer Akt, fr dessen Lesen die Richterinmehrere Wochen von allen anderen Ttigkeitenfreigestellt werden musste. Es kann sehr leichtpassieren, und ist vielleicht unvermeidlich, dasssich der /die Richter_in beim Lesen eines solchen Berichts, eine Meinung ber Schuld oderUnschuld de r Beschuldigten bildet. Noch dazu,wo in diesem Bericht lang und breit die Sichtweise der Polizei dargestellt wird, womit dasVor-Urteil allzuoft zu Ungunsten der Beschuldigten ausfallen wird. Somit ist die Unvoreingenommenheit der/des Richter_in nicht mehrgewhrleistet.Die/der Richter_in befragt die Zeug..,innenselbst und entscheidet ber Beweisantrge undber die Zulassung von Fragen . Sehr oft wurdeim Tierrechtsprozess eine Frage der Verteidigung mit de r Begrndung, sie sei "irrelevant",nicht zugelassen. Mit diesen Mitteln ha t die/derRichter_in die Mglichkeit, den Prozess sehrstark in eine Richtung fhren, was noch strkere Auswirkungen hat, wenn er/sie schon vorBeginn des Prozesses eine Meinung gefasst hat .Auch dass sich der Staatsanwalt kaum zuWort meldet, wie es im Tierrechtsprozess vorgekommen ist, wirft ein schlechtes Licht aufden Prozess. Dass der Staatsanwalt als Anklger im Prozess groteils unttig bleibt, ist nurmglich, wenn seineAufgabe von jemand anderem erledigt wird, in diesem Fall von der Richterin. Das wrde bedeuten, dass die Anklage unddas Urteil faktisch bei der selben Person zusammenfallt, was einen wichtigen Verfahrensgrundsatz durchbricht.

    Die/der Beschuldigte Im Strafprozess

    Die/der Beschuldigte ha t im Prozess das Recht,am Anfang und am Ende des Prozesses sowie zujedem Beweis eine Stellungnahme abzugeben.Meistens wird dieses Recht jedoch nicht ausgebt und die/der Beschuldigte antwortet ausschlielich auf Fragen, die von der Anklage, derVerteidigung oder der /dem Richter_in direktan sie/ihn gestellt werden. Dieses Verhalten istwohl durch das Machtverhltnis zwischen der /dem Richter_ in und der Angek1agten oder demAngeklagten zu erk1ren: Auf der einen Seitesitzt - oft auf einem erhhten Podest - einteRichter_in in groer Robe, die/der eine langejuristische Ausbildung hinter sich hat, mit denGegebenheiten am Gericht vertraut ist, den juristischen Wortschatz perfekt beherrscht unddazu in der Position ist, ein Urteil fallen zu.mssen, das mageblich in das Leben des/derBeschuldigten eingreift, whrend er/sie nichtszu frchten hat. Auf der anderen Seite sitzt jemand, der/die meistens zum ersten Mal mit einer Gerichtssituation konfrontiert ist, in den~ e l t e n s t e n Fllen eine juristische Ausbildungha t, sich vielleicht fr seinen/ihren Dialekt, dieAr t seines/ihres Ausdrucks oder fr sein/ihrschlechtes Deutsch schmt, un d frchten muss,eine Strafe zu bekommen.Hinzu kommt, dass die/der Beschuldigtefr viele Verfahren keine Verteidigung habenmuss,2 das bedeutet, es ist auch nur schwermglich, Verfahrenshilfe, also finanzielle Untersttzung fr eine Verteidigung, zu bekommen. So ist zum Beispiel in einem Verfahrenwegen einfacher Krperverletzung, einfachemDiebstahls, schwerer fahrlssiger Krperverletzung oder Hausfriedensbruch kein rechtlicherBeistand fr die/den B e s c h u l d i g t e _ ~ notwendig. In diesen Fllen werden die Beschuldigten meistens nicht ausdrcklich auf ihr Recht,eine Stellungnahme abzugeben, hingewiesen ,geschweige denn dazu ermutigt.

    Wie sehr dieses Recht in Vergessenheit geraten ist, zeigten auch die irritierten Reaktionender Richterin im Tierrechtsprozess auf die Stellungnahmen der Beschuldigten, die sich zur Abwechslung nicht einschchtern lieen und rhetorisch nicht unterlegen waren..Die Macht Fragen zu stellen

    Wahrend die beschuldigten Mitglieder des VgT(Verein gegen Tierfabriken) im Prozess auf alle

    Fragen antworteten, selbst Fragen stellten undwann immer es ging Stellungnahmen abgaben,verfolgten die beschuldigten Mitglieder der BaT(Basisgruppe Tierrechte) eine andere Verteidigungsstrategie. Sie verweigerten im Prozess jegliche Aussage und beantworteten keine an siegestellte Frage. Fr viele Beobachtecinnen sahdies so aus, als wrden sie sich selbst die Mglichkeit zur Verteidigung nehmen. Indem siesich nicht au f di e Fragen des Staatsanwalts un dder Richterin einlieen, gewannen sie jedochdie Position, selbst zu entscheiden, was sie s\:t.-gen wollten und was nicht. Denn, einmal angefangen, Fragen zu beantworten, kann einemauch das Recht, eine einzelne Frage nicht zu beantworten, insofern nicht mehr helfen, als eineeinzelne nicht beantwortete Frage oft so wirkt,als gbe es nur eine fr die/den Beschuldigtenunvorteilhafte Antwort. Die Mitglieder der BaTbrachten am Anfang und am Ende des Prozesses wohlformulierte Stellungnahmen in denProzess ein. Damit haben sie alles gesagt, waszu sagen war, konnten sich im voraus berlegen,was und wie sie es sagen wollten und musstensich nicht au f unangebrachte Fragen einlassen,wie zum Beispiel Fragen nach ihrer politischenGesinnung, die im Tierrechtsprozess gestelltwurden, obwohl sie rechtlich nicht relevantsind. Somit haben sie eine wichtige Machtposition, die ihnen im Prozess zusteht, gewonnen.Gerechte Prozesse?Fr einen Prozess, in dem alle Parteien ihreRechte wahrnehmen knnen, wren also verschiedene Reformen denkbar: Zum Beispiel dieUmstellung auf einen reinen Parteienprozessoder eine Verteidigungspflicht schon bei niedrigerem Strafrahmen.Doch auch bei der derzeitigen Gesetzeslage gibt es Verbesserungsmglichkeiten. Manmsste das Recht de r Beschuldigten, Stellungnahmen abzugeben, wieder aufleben lassen, indem man sie konsequent darauf hinweist undzum Sprechen ermutigt. Beschuldigte knntenauf diese Weise und Verbindung mit der Verweigerung, auf Fragen zu antworten, eine gestrkte Position im Strafverfahren einnehmen.Anm e rkung en1 3Ab,. 1S,PO BGB/ 63 ///975 idF BGB/ / 9/20042 61S,PO BGB/ 63 //1975 idF BGB / / 9/2004