Unterwegs in Spandau 2010 - salecker.info · Altstadt bis Nieder Neuendorf Unser Weg beginnt am...

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Unterwegs in Spandau 2010 Zitadelle Spandau (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Unterwegs in Spandau

2010Zitadelle Spandau (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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www.unterwegs-in-spandau.deDie Autoren

Ralf Salecker, geboren 1961 in Spandau, ist staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker.

Auf Stationen in Werbeagenturen und dem Ausbau der Fotografie, speziell im Bereich der Panoramafotografie, folgte das Engagement für eine Umweltzeitschrift (Herausgeber, Re-dakteur, Layout, Satz, Autor).

Diese Arbeit bot die ideale Gelegenheit, Bilder und Texte inhaltlich miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus war er als Redak-teur für eine Zeitung und verschiedene Buch-projekte tätig.

Heute arbeitet er als freier Autor, Journalist und Fotograf.

Peter Siebke, geboren 1944 in Berlin, ist Dipl.-Ing. (FH) und war in dem Beruf jahre-lang tätig. Seit jungen Jahren wuchs stän-dig sein Interesse an der Geschichte Berlins.

So ergab sich zwangsläufig das Schreiben von Artikel für lokale Zeitungen und Buchkapi-tel für historische Abhandlungen, die Durch-führung historischer Recherchen für Berliner Heimatmuseen und die Erarbeitung von Aus-stellungstexten.

Seit 1993 ist er als Autor und Journalist tätig. Er war mehrere Jahre Mitherausgeber einer Umweltzeitung.

Der Kalender

Der Erfolg des Spandau-Kalenders von 2009 und die zahlreichen Wünsche für einen neuen Kalender bestärkten uns darin, dass es auch für das Jahr 2010 wieder einen Kalender „Un-terwegs in Spandau“ geben muss.

Nicht nur alt eingesessene Spandauer, son-dern auch Zugezogene fanden an dem Kalen-der Gefallen. Besonders gefreut haben uns positive Reaktionen, die uns per E-Mail aus Kanada, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz erreichten.

Angeregt durch den Erfolg werden auch für andere Bezirke Berlins und Brandenburger Ge-biete Kalender dieser Art erscheinen.

Der Spandau-Kalender 2010 beschreibt nicht nur Teile der den Bezirk durchlaufenden Grünzüge, sondern widmet sich auch den 20 grünen Hauptwegen, auf denen die Stadt zu Fuß erkundet werden kann. Vier davon be-rühren auch Spandau. Besonders interessant ist der Weg, der mit kleinen Unterbrechun-gen, von Nieder Neuendorf an der Havel ent-lang, bis nach Kladow führt. Außerdem wer-den die St. Nikolai-Kirche und andere historische Bauwerke vorgestellt.

Wir wünschen Ihnen für 2010 erholsame, interesssante und spannende Streifzüge durch das grüne und zugleich geschichtsträchtige Spandau!

Rechtliches

Die Rechte für die Texte und Bilder liegen bei den Urhebern. Eine Nutzung der Daten ist ohne die Zustimmung der Autoren nicht gestattet.

Herausgeber: Ralf Salecker, Peter Siebke

Layout: Ralf Salecker

Texte: Ralf Salecker, Peter Siebke, Nicola Pridik

Fotos: Ralf Salecker

E-Mail: [email protected] [email protected].: 030 - 50 91 42 82Web: www.unterwegs-in-spandau.de www.panoramafotografie.info

Spandau-PostkartenEinige Motive aus dem Kalender „Unterwegs in Spandau 2009“ gibt es als Postkarten so-wie als Foto zu erwerben. Bei entsprechender Nachfrage auch aus dem aktuellen Kalender.

In eigener Sache

Wir bereiten die Herausgabe eines histori-schen Kalenders für Spandau vor.

Hierfür suchen wir alte Fotos, Postkarten und Geschichten, um die Vergangenheit le-bendig werden zu lassen. Darum wünschen wir uns Menschen, die - möglichst selbst Er-lebtes - passend zu den Bilder erzählen möchten. Wir bringen diese dann zu Papier.

Spandau hat sich an einigen Orten erheb-lich verändert. Schildern Sie uns, wie Sie die Veränderungen persönlich erlebt haben.

„Unterwegs in Spandau“ wird es auch 2011 geben. Sie sind herzlich eingeladen, uns Themen und Orte vorzuschlagen, die ei-nen Spaziergang wert sind.

Kennen Sie einen ungewöhnlichen Ort (z. B. in einem Hochhaus oder am Wasser), der ei-nen schönen Blick für Fotos auf die Umge-bung ermöglicht?

Greifen Sie zum Telefon oder senden Sie uns eine E-Mail.

Foto- und Text-AufträgeSie möchten Fotos und Texte als Dienstleis-tung aus einer Hand? Kein Problem. Melden Sie sich einfach per E-Mail oder Telefon. Wir freuen uns auf Sie.

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Altstadt bis Nieder Neuendorf

Januar 2010Oberhavelsteg über den Teufelsseekanal (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Altstadt bis Nieder NeuendorfUnser Weg beginnt am U-Bahnhof Altstadt Spandau, den wir in Richtung Breite Straße verlassen. Über die Ampelanlage an der Hauptstraße Am Juliusturm gelangen wir auf den Behnitz. Eine kleine Kirche und Jahr-hunderte alte Häuser lassen uns ahnen, wie dieser Fleck Spandaus im Mittelalter einmal ausgesehen haben muss.

Ein kleiner Abstecher nach rechts führt von hier aus zur Spandauer Schleuse. Wir wollen den Behnitz jedoch geradewegs Richtung Nor-den durchqueren. Da der Weg über die Brücke am Möllentordamm gesperrt ist, müssen wir uns links halten und spazieren um die alte Stadtmauer herum, über die Brücke am Hohen Steinweg, auf die andere Seite des Ufers.

Der Weg an der Havel entlang führt uns durch den Wröhmännerpark zum Eiswerder-ufer. Hier befindet sich auf dem Gelände der früheren Schultheiss-Brauerei das Quartier Schultheiss. Wir nutzen die Gelegenheit, uns im Café am Ufer noch einmal zu stärken und genießen bei einer Tasse Kaffee den Blick auf die Zitadelle und den Spandauer See.

Dann geht es am Wasser entlang weiter Richtung Norden. Bereits nach wenigen Schritten überqueren wir die Eiswerderstra-ße, den Weg zur Insel Eiswerder im Spandau-

er See. Wir spazieren an drei ehemaligen Wehrmachtsspeicher südlich des alten Span-dauer Nordhafens vorbei und folgen dann der Straße Havelschanze. An ihrem Ende hal-ten wir uns rechts und laufen am Rande des Hafengewässers durch den Maselakepark.

Über die Fußgänger-Zugbrücke gelangen wir auf die andere Seite der Maselake. Der Uferweg führt uns zur Havelspitze. Von hier aus haben wir einen wunderbaren Blick auf die so genannte Liebesinsel (Kleiner Wall) im Spandauer See.

Wir setzen unseren Weg am Ufer fort, unter-queren zunächst die Spandauer-See-Brücke und später die Wasserstadtbrücke. Die Stra-ße Am Wasserbogen führt uns wenig später rechter Hand zu einer Brücke über den Mase-lakekanal. Auf der anderen Uferseite halten wir uns links und folgen dem Uferweg. Hin-

ter dem kleinen Park, den wir rechts sehen, stoßen wir auf die Goltzstraße.

Hier biegen wir rechts ab, überqueren die Mertensstraße und laufen weiter bis zur Wer-derstraße. Nun halten wir uns rechts, bis wir auf der anderen Straßenseite den Elkartweg entdecken. Er führt uns wenig später über den Fährweg zur Anlegestelle einer Perso-nenfähre: Endlich sind wir wieder am Havel-ufer angelangt und können unseren Weg entlang des Wassers Richtung Norden fort-setzen.

Ein kleiner Schlenker um den Aalemannka-nal herum nach Westen und schon gelangen wir am Aalemannufer zur Fähranlegestelle, der einzigen Autofähre Berlins, wo sich die Gelegenheit bietet, in dem dortigen Restau-rant/Café am Wasser einen Happen zu essen.

Gestärkt setzen wir unsere Wanderung an-schließend am Havelufer fort. Über den Oberhavelsteg, der den Teufelsseekanal überquert, laufen wir auf dem Uferweg bis zur so genannten Bürgerablage, dem „Span-dauer Strandbad“. An dieser Stelle verlief früher die Grenze zur DDR. Ein Kuriosum der besonderen Art: die West-Berliner Exklaven Erlengrund und Papenberge. Sie durften zu DDR-Zeiten nur von den Grundstückseigen-tümern betreten werden. Eine Informations-tafel weist darauf hin.

Unser Weg führt weiter durch das Waldge-biet Neuendorfer Heide bis nach Nieder Neu-endorf, einem Ortsteil von Hennigsdorf. Auch hier holt uns die deutsch-deutsche Ver-gangenheit ein: Ein Grenzturm am Weges-rand erinnert uns daran, dass von hier aus früher die Grenze zwischen Berlin und Bran-denburg kontrolliert wurde, die längs durch die Havel verlief.

Nicola Pridik

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Altstadt bis Grimnitzsee

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Februar 2010Lindenufer und Stabholzgarten (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Altstadt bis Grimnitzsee Die Geschichte Spandaus ist eng mit der Ha-vel verbunden. Heute suchen Menschen die Berliner Gewässer auf, weil die Uferwege dort zu dem Beschaulichsten gehören, was die Stadt zu bieten hat. Auf 20 grünen Hauptwegen kann in Berlin die Stadt zu Fuß erlebt werden.

Einer dieser Wege ist der Havelseenweg, der von Norden durch die Altstadt Spandau führt. Ausflügler stoßen automatisch auf ihn, wenn sie vom U-Bahnhof Altstadt Spandau Richtung Havel gehen.

Wir beginnen unsere Wanderung am Lin-denufer, einer Flaniermeile am Wasser. Rasen, Blumen, Bänke und Schiffsanlegestellen prä-gen hier das Bild. Aber auch ein Kapitel düs-terer deutscher Geschichte ist präsent: An der Stelle, wo unser Blick auf die Spreemün-dung fällt, steht ein Synagogenmahnmal, welches an das Schicksal der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus erinnert.

Vom Lindenufer zweigt der Spreeweg ab und führt über die Charlottenbrücke nach Ruhleben. Unser Weg führt jedoch weiter ha-velabwärts über den Lindensteg, der den Mühlengraben überbrückt. Der Graben war Teil der Spandauer Befestigungsanlagen, woran ein 1842 errichtetes Wasserregulie-rungsbauwerk erinnert. Die Schießscharten

des angelagerten Gebäudes lassen keinen Zweifel daran, dass es von hier aus vertei-digt wurde.

Es geht weiter durch den Stabholzgarten, eine neu gestaltete Gartenanlage. Früher war hier ein Stapelplatz für Hölzer. Erwähnens-wert sind die Sitzbänke, die in ihrer Form an das ehemalige Stabholz erinnern.

Wir spazieren unter der Bahnbrücke und Dischingerbrücke hindurch und gelangen über das Schifffahrtsufer zur Straße Am Zie-gelhof, wo der Bullengrabenweg abzweigt. Die dortige kleine Grünanlage erstreckt sich bis zur Havel. Im Mittelalter waren hier Äcker eines Klosters, später ließ Graf Lynar Wein anbauen und um 1676 errichtete die Stadt Spandau eine Ziegelei, die bis 1755 produ-zierte. Ab 1867 begann man mit dem Bau der Wilhelmstadt und der Anlage des Parks.

Weitere Stationen auf unserem Weg ent-lang der Havel sind der 1951 gebaute Sport-platz Ziegelhof, eine Wassertankstelle, der Kreuzfahrt-Terminal und schließlich die Ein-mündung des Burgwallgrabens.

Der Burgwall hat für Spandau eine große Bedeutung, liegen hier doch die Ursprünge der Stadt. Im deltaförmigen Mündungsbe-reich der Spree befanden sich Inseln, die den Fluss in mehrere Arme aufspalteten. Auf ei-ner dieser Inseln – dem Burgwall – befand sich eine slawische Ansiedlung der Heveller.

Seit 2005 werden sensationelle Funde ge-macht. So konnte auf dem Gelände vor der Burg eine von slawischen Handwerkern errich-tete Siedlung mit 40 Holzhäusern nachgewie-sen werden, die aus dem 10. Jahrhundert stammt. Es ist das größte Bodendenkmal Ber-lins. Bei erneuten Grabungen legte man den elliptischen Wall der slawischen Burg frei.

Leider führt über den Burgwallgraben noch keine Brücke, so dass wir an der Landspitze rechter Hand der Straße Spandauer Burgwall folgen müssen, um auf der rechten Seite des Burgwallgrabens wieder zur Havel zu gelangen.

Über die Schulenburgbrücke wechselt der Havelseenweg an das andere Ufer der Havel. Von dort haben wir einen schönen Blick auf den Südhafen.

Wir gehen unter der Schulenburgbrücke hin-durch und biegen rechts in die Betckestraße ab. Nach wenigen Schritten gelangen wir zur Götelstraße, der wir linker Hand folgen.

Vor uns liegt der Grimnitzsee und -park. Eine Aussichtsplattform lädt uns ein, an die-ser Stelle ein wenig zu verweilen. Anschlie-ßend gehen wir bis zu der Landspitze vor, die durch den Zufluss der Havel in den Grimnitz-see gebildet wird. Von dort genießen wir den Blick auf die Freybrücke. 2011 soll die Brücke durch eine neue ersetzt werden.

Peter Siebke

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Koeltzepark

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März 2010Pergola im Eingangsbereich zur Schönwalder Straße (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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KoeltzeparkEine der ältesten Parkanlagen Spandaus be-findet sich nur 800 Meter von der Altstadt entfernt zwischen den beiden Hauptverkehrs-adern der Spandauer Neustadt: der Schönwal-der und der Neuendorfer Straße. Benannt wurde der Park nach dem Spandauer Ober-bürgermeister Friedrich Koeltze (1852–1939).

Das 2,8 Hektar große Gelände liegt etwa einen Meter über dem Straßenniveau und er-innert mit seinen leichten Bodenwellen an eine meandernde Flusslandschaft. Im östli-chen Teil dominieren Ahornbäume das Bild, während im westlichen Bereich Linden, Ei-chen und Spitzahornbäume vorherrschen. Insgesamt sorgen rund 20 Baumarten im Sommer für schattige Wiesenplätze.

Der Koeltzepark ist Anziehungspunkt für Jung und Alt; drei Kinderspielplätze und vie-le Bänke laden zum Verweilen ein. Auch Hundebesitzer kommen auf ihre Kosten: Für die Vierbeiner wurde ein kleines Auslaufge-hege geschaffen.

Was längst vergessen scheint: Die Oase im Herzen Spandaus war ursprünglich ein Fried-hof. Erst Anfang der 1930er Jahre wurde das Gelände zu einem öffentlichen Park umge-staltet.

Im Jahr 1752 entstand in der Oranienbur-ger Vorstadt der Nikolaifriedhof (im Volks-

mund „Mauerfriedhof“). Mit ihm wurde der Wunsch nach einem neuen Friedhof für die Bewohner der heutigen Spandauer Altstadt umgesetzt. Er war aufgekommen, weil die Bevölkerung wuchs, die Spandauer Altstadt intensiv bebaut wurde und das Militär Exer-zierplätze einforderte.

Erweitert wurde der Friedhof einige Jahr-zehnte später um den nahe gelegenen St. Johannis- und Garnisonsfriedhof. Dieser konnte sich aber nicht lange halten. Auf-grund unzumutbarer hygienischer Zustände verfügte die „Sanitätspolizei“ zwischen 1886 und 1992 seine Schließung.

Nach einer Order Friedrich des Großen wur-den auf dem Friedhofsgelände des Niko-laifriedhofs Maulbeerbäume zur Seidenrau-penzucht gepflanzt. Im 18. Jahrhundert war die Seidenproduktion in Preußen ein wichti-ger Wirtschaftsfaktor. Die so genannte „Nor-dische Seide“ wurde von Berlin aus in alle Welt geliefert. Die Maulbeerallee in Staaken erinnert noch an diese Zeit. Bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts schmückten zu-dem prächtige Begräbnisstätten den alten Friedhof. Davon ist nichts mehr geblieben.

Als mit der Schaffung einer neuen Umwal-lung 1876 bis 1879 die zuvor geltenden Bau-beschränkungen abgeschafft wurden, wuch-sen auch in der Spandauer Neustadt schnell neue Häuser aus dem Boden und rückten dem Friedhof so nahe, dass der Ruf nach seiner Schließung laut wurde. Sein Nachfolger wurde der städtische Friedhof „In den Kisseln“ an der Radelandstraße.

Richard Woy, Spandaus Garten-baudirektor von 1919 bis 1948, gestaltete den Nikolaifriedhof und den nahe gelegenen St. Johannis- und Garnisonsfriedhof im Jahr 1933 zu einer Grünanlage um. Ein Jahr später erhielt der Koeltzepark seinen heutigen Namen.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch im Park seine Spuren. Erst 1962 begann die Berliner Garten- und Landschaftsarchitektin Hanne-lore Kossel mit den ersten Umge-staltungen.

Später kamen Schmuckanlagen hinzu. Seit den 1990er Jahren gibt

es einen Pavillion in der Mitte des Parks so-wie eine Pergola als Eingangsbereich zur Schönwalder Straße.

Ralf Salecker

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Wröhmännerpark

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April 2010Wröhmännerpark (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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WröhmännerparkWer von der Altstadt kommend der Brücke am Hohen Steinweg folgt, sich dann rechts hält und wenig später linker Hand das Oranienbur-ger Tor durchschreitet, gelangt in Spandaus älteste Grünanlage, den Wröhmännerpark.

Der seltsam anmutende Name geht auf die Mitglieder einer Ackerbürger-Gemeinschaft zurück, die so genannten Wröhmänner. Sie schlossen sich vor einigen Jahrhunderten zusammen, um ihre Feldbestellungs- und Flurstreitigkeiten in freiwilliger Gerichtsbar-keit zu regeln.

In dem 2,7 Hektar großen Park steht zum Teil noch der ursprüngliche Baumbestand. Der letzte deutlich sichtbare Hinweis auf ei-

nen früheren Hafen ist ein seerosenbestan-denes Wasserbecken. Hier konnten früher einmal Ruderboote ausgeliehen werden.

Vor dem mit Kalkstein gesäumten Plateau deutet heute nur noch ein abgesenkter Be-reich der Wiese, der zu dem brückenförmigen Unterbau des Plateaus führt, auf ein Becken hin, in dem sich damals Goldfische tummel-ten.

Im nördlichen Teil des Parks wurde inzwi-schen eine Liegewiese angelegt. Weiße Lie-gestühle warten dort auf ihre Nutzer. Ein Kinderspielplatz sorgt auch bei den Jüngs-ten für Freude. Besucher, die in die Ferne schweifen wollen, können dies von der Schiffsanlegestelle Hafenplatz aus tun. Von dort starten Dampfer hauptsächlich zu den Oberhavelseen, aber auch zum Wannsee.

Das Parkgelände wurde früher als Lager-platz genutzt. Mitte des 19. Jahrhunderts legte man hier außerdem einen städtischen Hafen an, woran heute die besagte Schiffs-anlegestelle Hafenplatz erinnert.

Bereits 1875 wurde der Hafen jedoch wie-der zugeschüttet. Der heutige Park entstand

im Zuge der Sozialreformen 1913⁄14 – zu-nächst unter dem Namen Wröhmännerplatz. Er sollte den kinderreichen Arbeiterfamilien der Spandauer Neustadt als Naherholungsge-biet dienen.

Damals gab es in der Gegend kaum Grün-flächen. Mit Jugendstilelementen, aufwändi-ger Bepflanzung, Bänken und Laternen aus-gestattet, entstand ein prachtvoller kleiner Park, in dem man im wahrsten Sinne des Wortes lustwandeln konnte. Es wurden sogar mit erheblichem Aufwand große Kastanien-bäume vom jetzigen Askanierring herange-schafft, von denen heute noch immer einige Schatten spenden.

Seit 1963 bewacht Diana, die römische Göttin der Jagd, als Bronzefigur den Park. Für kurze Zeit war sie u.a. mit ihrem griechi-schen Kollegen, dem Kriegsgott Ares, der vor der Zitadelle seinen Platz hat, Teil einer Ausstellung in der Zitadelle Spandau. Die Plastik ist die Kopie einer vom Bildhauer Reinhard Felderhoff geschaffenen Figur.

Während der Erste Weltkrieg spurlos am Park vorbeiging, hinterließ der Zweite seine

zerstörerischen Spuren. In den 1950er Jah-ren wurden nur die notwendigsten Reparatu-ren vorgenommen. Zudem integrierte man das Gelände der Badeanstalt, die im Norden des Parks gelegen war, in das Gelände. Auch Arbeiten in den 1960er Jahren brachten die alte Pracht nicht wieder zum Vorschein. Dar-an änderte auch die Umbenennung des Ge-ländes in „Wröhmännerpark“ nichts.

Von 1991 bis 1998 wurde die Anlage dann endlich für viel Geld neu gestaltet und die historische Parkgliederung wieder herge-stellt.

Ralf Salecker

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Pichelssee und Pichelsdorfer Gemünd (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

Pichelswerder

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Mai 2010

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PichelswerderDie Halbinsel Pichelswerder liegt direkt an der Heerstraße, zwischen Freybrücke und Stößen-seebrücke. An ihrer Ostseite finden wir den Stößensee, an ihrer Westseite den von der Ha-vel durchflossenen Pichelssee. Dicht bewaldet mit Laub- und Nadelbäumen ist Pichelswerder auf einer Fläche von fast 30 Hektar seit 1936 Landschaftsschutzgebiet. Viele Wassersport-vereine haben hier hier Domizil.

Vor hundert Jahren war die Halbinsel noch eine Insel. Für den Bau der Heerstraße nach Dallgow-Döberitz war die Errichtung eines hohen Dammes im Stößensee notwendig. Eine Million Kubikmeter Erde wurden hierfür aufgeschüttet.

Von der Straße betrachtet scheint Pichels-werder „nur“ ein Waldstückchen zu sein. Dem beherzten Wanderer stehen aber nicht nur die hineinführenden beiden autotaugli-chen Wege zur Verfügung. Genau dazwischen gelegen, geht ein kleiner Pfad in den Wald hinein. Diesen erreicht man aber auch je-weils von den beiden großen Zugängen,

auch wenn die kleinen Trampelpfade durch-aus zu übersehen sind.

Die erste Überraschung präsentiert sich nach wenigen Schritten. Es geht abwärts in eine kleine „Schlucht“. Gut 20 Meter hohe Hänge mit lichtem Baumbestand lassen bei passendem Sonnenschein ein märchenhaftes Licht entstehen. Das Gefühl der Großstadt verlässt uns an diesem Ort schnell.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts zog es viele Berliner hierher. Künstler malten die Sicht von der Spitze Pichelswerders auf Schildhorn, den Grunewald oder blickten von ihrem höchsten Punkt über die seenartige Erweiterung der Havel (Pichelsdorfer Fens-ter) bis nach Gatow.

Viele Ausflugslokale entstanden um die Ausflügler zu bewirten. Einzig vom „König-grätzer Garten“ (Siemenswerder) existiert noch heute das denkmalgeschützte Gebäude. Sogar eine Ponton-Brücke, die Sechserbrü-cke (soviel kostete die Passage) vom Rupen-horn nach Pichelswerder wurde errichtet.

Unzählige kleine und größere Wege durchzie-hen Pichelswerder, so dass ein Spaziergang nie langweilig wird. Hundebesitzer sind in diesem

offiziellen Hundeauslaufgebiet häufig anzutref-fen. Nach Entwicklungsplänen des Landes Ber-lin soll der Wald sich in Zukunft zu einem natur-nahen Eichenmischwald entwickeln.

Pläne für Baumaßnahmen auf Pichelswer-der gab es viele. 1903 kursierten Gerüchte über einen geplanten Festungsbau, zum Schutze des Kaisers und der kaiserlichen Fa-milie. 1910 gab es Baupläne für die Errich-tung eines Gymnasions, einer Mischung aus Sportstätte und Ort kultureller Begegnung. In den 1920er sollte hier ein monumentales Ehrenmal entstehen. In den 1950er Jahren hätte es ein Jugendsportpark sein können.

An der südwestlichen Spitze der Halbinsel am schmalen Pichelsdorfer Gemünd kann fast hautnah reger Schiffsverkehr beobachtet werden. Zwei Leuchtfeuer weisen den von Potsdam kommenden Schiffern den richtigen Weg in die Havel.

Bei soviel Wasser vor Augen kann der Wunsch nach einem erfrischenden Bad in der Havel auf der südöstlichen Seite Pichelswer-ders an einem kleinen Strand schnell in die Tat umgesetzt werden.

Ralf Salecker

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Egelpfuhlgraben

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Egelpfuhlgraben nahe der Lutoner Straße (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Egelpfuhlgraben Nicht nur Wasser, Wald und Parks gibt es in Spandau. In den letzten Jahren wurden auch Grünzüge angelegt oder wieder hergestellt. Dominiert werden sie von Wasserläufen und Wiesen und bieten damit vielen Tiere und Pflanzen einen idealen Lebensraum. Uns Menschen dienen die Grünzüge vor allem zur Erholung, aber es gibt auch allerhand Se-henswertes.

Einer der Grünzuge ist der Egelpfuhlgra-ben. Er kreuzt einen anderen Grünzug, den Bullengraben, der von Westen nach Osten durch Spandau verläuft. Fertiggestellt wurde der Egelpfuhlgraben im Jahr 2007. Er ist ein gutes Beispiel für interessante Landschafts-gestaltung in einer Großstadt.

Die Grünanlage ist 20 Hektar groß und bie-tet ein gelungenes Zusammenspiel von wie-derhergestellten Feuchtwiesen, renaturier-ten Gewässern, Erholungsflächen und Spielplätzen. Auch wandern lässt es sich hier: auf dem grünen Wanderweg Nr. 20, dem Bullengrabenweg.

Der Egelpfuhl- und Bullengraben dienten über Jahrhunderte der Entwässerung der feuchten Niederung westlich der Havel. So wurde die Weide- und Heuwirtschaft in die-ser Gegend ermöglicht.

Die Kreuzung der beiden Gräben, das so genannte Grabenkreuz, stellt einen besonde-ren Punkt in den Grünzügen dar. Hier und am etwas nördlicher vom Egelpfuhlgraben gele-genen Weidenbruch kann man einen Abste-cher in die Egelpfuhlniederung machen. Dort wurde der alte Baumbestand durch land-schaftsgärtnerische Maßnahmen wieder frei-gelegt und der alte erneuerungsbedürftige Pflasterweg durch einen für Fußgänger und Radfahrer gleichermaßen nutzbaren Asphalt-weg ersetzt. Der Weg durchläuft den Egel-pfuhlgraben auf seiner gesamten Länge, bis er in der Nähe der Carlo-Schmid-Oberschule endet.

Darüber hinaus hat der früher öfters über-flutete Weidenbruch am Egelpfuhlgraben durch den Bau einer Steganlage eine gute Wegeverbindung zum Grabenkreuz erhalten.

Am Seeburger Weg wird der „Eingangsbe-reich“ zum Egelpfuhlgraben und damit zum

Bullengrabengrünzug durch Sitzmauern be-tont. Im Frühjahr lässt sich von hier aus der Blick auf ein farbenprächtiges Blütenmeer genießen. 70.000 Blumenzwiebeln wurden dafür gesetzt.

Aber nicht nur Radfahrer, Spaziergänger, Sportler und spielende Kinder nutzen das grüne Areal. Auch die Pächter der unmittel-

bar am Egelpfuhlgraben liegenden Kleingar-tenkolonien möchten und können dies, ob-wohl seit Jahren über eine mögliche Gefährdung durch Gase (Methan, Kohlendi-oxid) und verschmutztes Wasser berichtet wird, welches bei Regen aus der ehemaligen Deponie Egelpfuhl in die Gräben drückt. Die Ursache: Von 1928 bis 1967 wurden die im Egelpfuhl durch Torfabbau entstandenen Tei-che mit Industrie- und Hausmüll, Bauschutt und Schlacke verfüllt. In den 1970er Jahren entstanden dann Kleingartenkolonien. Da der Hausmüll zu einem großen Teil aus orga-nischen Stoffen bestand, kommt es im Un-tergrund unter Luftabschluss zu Gärungspro-zessen.

Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass kein Grund zur Panik bestehe, bei einer wei-teren sensiblen Nutzung des Gebietes aber mittelfristig eine Sanierung notwendig sei. Kurzfristig genügen einige Vorsichtsmaß-nahmen wie das Vermeiden von Zelten und Lagerfeuern, gutes Lüften von Lauben, Ge-wächshäusern, Schuppen, Kinderspielhäu-

sern und Grubenschächten vor dem Betre-ten. Für das Ausschachten von Gruben tiefer als 30 Zentimeter und das Betreten von Was-seruhrschächten sei angeraten, Fachperso-nal mit Messgeräten vom Bezirksverband der Kleingärtner mitzunehmen. Auf den Anbau von Blatt- und Wurzelgemüse sowie Küchen-kräutern sollte verzichtet werden.

Inzwischen ist das größte Teilstück des früheren Deponiegeländes in ein grünes Er-holungsgebiet umgewandelt und zu einem Teil des Grünzuges Bullengraben geworden. Trotz seiner Vergangenheit kann das Gelände ohne Sorge von Jedermann genutzt werden.

Peter Siebke

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Quartier Pulvermühle

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Krienicke Park (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Quartier PulvermühleDas Quartier Pulvermühle war Ende 2000 der erste fertiggestellte Bereich der Bauplanung für die Wasserstadt Berlin-Oberhavel. Be-grenzt wird das Gelände im Norden durch die Kleine Eiswerderstraße, im Osten durch die Daumstraße und im Süden durch den Tele-grafenweg.

Als ehemalige Garnisons- und Festungs-stadt hat Spandau eine lange Rüstungsge-schichte hinter sich. So leitet sich der Name des Quartiers von der Pulvermühle ab, die 1835 von Moabit aus hierher umgesiedelt ist.

Die Innenstadt mit ihrer zunehmenden Be-völkerung sollte von den Gefahren verschont bleiben, die sich aus der Waffen- und Muni-tionsproduktion ergaben. Pulver für preußi-sche Kanonen kam nun aus Spandau.

Die Zerstörungen durch die Franzosen führten zur Errichtung so genannter Rayons in Spandau. Es handelte sich um Gebiete, in denen im Falle einer kriegerischen Auseinan-dersetzung sämtliche Bauwerke leicht abzu-

reißen sein sollten, damit die Geschütze freies Schussfeld bekamen. Dieser Umstand machte die Gebiete ebenso interessant für industrieelle Ansiedlungen wie die gute Er-reichbarkeit auf dem Wasserweg.

Nach den Kriegen verkamen die Rayons zur industriellen Brache mit zum Teil hoch be-lasteten Böden. Auch die Notsiedlung, die in den 1950er Jahren im Bereich Pulvermühle errichtet wurde, verfiel im Laufe der Jahr-zehnte.

Die ideale Lage am Wasser ließ dann die Vorstellung wachsen, diese Flächen weiträu-mig zu entwickeln. Man wollte Grünflächen und Wege am Wasser schaffen. Da im Zuge des Mauerfalls ein erhöhter Wohnungsbedarf vorhergesagt wurde, startete man zugleich ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm. Später stellten sich die Prognosen allerdings als weit überhöht heraus. Die anfangs ge-plante dichte Wohnbebauung wurde infolge-dessen nicht umgesetzt.

Zwei Parkanlagen rahmen im Quartier Pul-vermühle die Siedlung aus roten Ziegeln ein: im Westen am Havelufer der Krienickepark 4 und im Osten der Grützmacherpark 1 mit dem

Grützmachergraben 2. Ein weiterer Graben, der Östliche Abzugsgraben 3 durchschneidet teilweise die Siedlungsfläche und trägt so zur weiteren Auflockerung bei.

Der etwa 3 Hektar große Grützmacherpark wurde 2004 fertiggestellt. Hier gibt es eine-nen großen Spielplatz. Der Krienickepark, eröffnet 1998, hat eine eigene kleine Bade-stelle zu bieten. Zudem verführt hier eine Promenade zum Spaziergang direkt am Havel-ufer.

Der Grützmachergraben mündet an seinem südlichen Ende in die Spree, während an sei-nem oberen Ende, nahe dem Alten Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, der Rohrbruch-

teich liegt. Sein zickzackförmiger Verlauf deutet auch heute noch auf die ehemaligen Stadtumwallungen (Lynetten) hin. Eine höl-zerne Brücke mit rund 20 Metern Spannweite stellt die Verbindung zur Daumstraße sicher. Im Schatten der Bäume lädt der Graben zum gemütlichen Flanieren oder zum Verweilen auf den Parkbänken ein.

Ralf Salecker

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Landhausgarten Fränkel

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Teichlandschaft mit Teehaus (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Landhausgarten Fränkel Mit einem Bus der Linie 134, 34X, 135 oder 697 fahren wir bis zur Haltestelle Kaserne Hottengrund. Von da sind es in Fahrtrich-tung wenige Schritte bis zum Lüdickeweg, in den wir links einbiegen.

Wir kommen auf einen kleinen Platz mit einem Torhaus, das den Eingang zum Land-hausgarten Fränkel (im Volksmund „Fränkel-scher Garten“) bildet. Der ehemalige Privat-garten des jüdischen Bankdirektors Dr. Max Fränkel und seiner Familie ist ein Kleinod und zählt zu den schönsten Gärten Berlins. Links vom Eingang liegen der ehemalige Pferdestall und das Wirtschaftsgebäude, geradezu die alte Garage und rechts davon das Wohnhaus.

Links von der alten Garage begrüßt uns der Schmuck- und Rosengarten. Gehen wir durch

diesen hindurch, so kommen wir zum Alpi-num, zum Gartenhaus und zu einer Teichanla-ge. Rechts hinter dem Wohnhaus führt ein Weg zur Havel. Wo früher das Bootshaus stand, lädt heute eine Bank zum Verweilen ein.

Der gesamte parkähnliche Garten mit sei-nen Gebäuden liegt in exponierter Lage auf

der Krone des Steilhanges am Havelufer. Der Vorbesitzer des Grundstückes Otto Lüdicke betrieb dort eine Ziegelei.

Fränkel erwarb das Grundstück 1920. Fünf Jahre später beauftragte er den Stadtgarten-direktor von Charlottenburg und Berlin Er-win Barth (1880-1933) damit, den Garten anzulegen. Barth ließ auch blühende Stadt-plätze wie den Savignyplatz, Klausener Platz, Brixplatz sowie den Lietzenseepark gestalten. Die Arbeiten an Fränkels Park dauerten mehrere Jahre.

Barth ließ einen Schmuckgarten mit Mau-ern und Treppen aus Natursteinen anlegen. Ein Teehaus und viele blühende Stauden be-reichern die Anlage. Von den mit Bäumen bestandenen weitläufigen Wiesenbereichen am Ufer der Havel hat man einen herrlichen Blick auf den Wannsee und auf die Pfauenin-sel.

Mit der Emigration des Bankiers Dr. Max Fränkel im Jahre 1933 und dem Versterben

von Erwin Barth im gleichen Jahr wurde der Gartenentwicklung ein jähes Ende gesetzt.

1938 eigneten sich die Nationalsozialisten das Grundstück an. Nach dem Zweiten Welt-krieg ging das Anwesen in das Vermögen des Landes Berlin über und verwilderte.

Heute gehört der Landhausgarten dem Be-zirk Spandau und ist ein begehrtes Ausflugs-ziel.

Er ist von Mai bis September an Wochen-enden und Feiertagen in der Zeit von 11.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Das Sommercafé bie-tet Frühstück, selbstgebackenen Kuchen und kleine Gerichte an. Jeden Sonntag gibt es einen Marktstand, an dem im monatlichen Wechsel u.a. Töpferwerk und Schmuck ange-boten werden. Außerdem können Stauden, Gehölze und Gartenaccessoirs sowie interes-sante Gartenbücher gekauft werden.

Unterschiedliche Veranstaltungen, Konzer-te sowie wechselnde Ausstellungen mit zeit-genössischer Kunst sind im ehemaligen Kut-scherhaus und im Café zu sehen.

Auf Anfrage werden für Gruppen Führun-gen durch den Garten angeboten. Anmel-

dung unter 0152 - 08616950 oder [email protected]. Wer Lust und Zeit hat, kann noch bis zur Sacrower Heilandskirche laufen, den Blick auf den Volkspark Klein-Glienicke genießen und sich mit der Fähre übersetzen lassen, um noch einen Abstecher nach Pots-dam zu machen.

Peter Siebke

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Alte Bauwerke in Gatow

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Bockwindmühle auf dem Mühlenberg (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Alte Bauwerke in Gatow Vom großstädtischen Spandau ist es nur ein Katzensprung aufs Land nach Gatow. Nicht einmal 6.000 Menschen leben hier.

1258 erstmalig als Gatho erwähnt, wurde der Ort 1558 dem Kurfürstlichen Amt Spandau unterstellt, nachdem es vor der Säkularisa-tion dem Benediktinerinnenkloster St. Mari-en in Spandau unterstand.

Fünf Landwirtschaftsbetriebe bewirtschaf-ten hier ihre Felder und bieten ihre Erzeug-nisse im Direktverkauf an. Wer das Landle-ben liebt, kann seinen Urlaub auf einem Gatower Bauernhof verbringen oder die Ge-gend auf dem Rücken eines Pferdes erobern.

Ausflügler lieben Gatow wegen seiner Rie-selfelder, den Badewiesen und Wanderwegen am Ufer der Havel, Wassersportler die vielfälti-gen Sportmöglichkeiten und Flugzeugbegeis-terte den ehemaligen Flughafen Gatow (jetzt in Kladow) mit dem Luftwaffenmuseum.

Doch es gibt noch mehr zu entdecken an diesem Ort: Bauwerke mit ihrer ganz eigenen Geschichte. Manche liegen ein wenig ver-

steckt oder sind der Öffentlichkeit nicht zu-gänglich (wie z. B. die Villa Lemm), andere können nur zu bestimmten Zeiten besucht werden.

Wer sich aus der Altstadt Spandau nach Gatow begibt, wird kurz vor den Toren des Ortes (Gatower Straße 199, kurz vor der Bi-berburg) – etwas abseits der Straße – von einem kleinen verfallenen Turm begrüßt, dem Jaczo-Turm. Errichtet wurde er 1914 und erinnert an Jaxa von Köpenick, den slawi-schen Gegner Albrechts des Bären (Begrün-der der Mark Brandenburg).

Das älteste Bauwerk Gatows ist die Dorf-kirche. Teile von ihr stammen noch aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Hinter Bäumen und halbhohen Ziegelmauern ver-borgen, kann sie einem flüchtigen Blick leicht entgehen. In ihrem Inneren kann über

dem Altar ein Gemälde aus dem 15. Jahr-hundert bewundert werden.

Nur einen Steinwurf entfernt, auf einem 52 Meter hohen Berg, thront seit 2008 wieder eine Windmühle und erinnert daran, warum dieser Ort einmal den Namen Mühlenberg er-hielt. Ihre Vorgängerin aus dem Jahr 1845 wurde 1921 für einen Film niedergebrannt.

Direkt neben der Mühle stehen die Reste eines alten Wasserturms, der den darunter liegenden bürgerlichen Gutshof mit Wasser

versorgte. Von ihm selbst sind noch viele alte Gebäude erhalten bzw. wurden und wer-den liebevoll restauriert.

In der Buchwaldzeile befindet sich ein Wohnhaus, welches um 1900 für Wander-Landarbeiter errichtet wurde.

Die noch erhaltenen Bauernhäuser des Dorfes stammen meist aus dem 19. Jahrhun-

dert. Ein vor kurzem restaurierter Kornspei-cher in Fachwerkbauweise mit Lehmausfa-chung in der Straße Alt Gatow, nahe der Kleinen Badewiese auf dem Gelände des ehe-maligen Gutshof Beutel, geht sogar bis in das 18. Jahrhundert zurück.

Nahe dabei hat 1931 Albert Einstein für rund sechs Monate einen zur Gartenlaube umgebauten Passagierwaggon genutzt. Im Bootshaus an der kleinen Badewiese lag sein Segelboot.

Ralf Salecker

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St. Nikolai-Kirche

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St. Nikolai-Kirche (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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St. Nikolai-Kirche

Der Backsteinturm der St. Nikolai-Kirche reicht mit seinen 77 Metern weithin sichtbar über die Dächer Spandaus hinaus. Gekrönt ist er seit einigen Jahren wieder von einem baro-

cken Turmabschluss. Er wurde der ursprüngli-chen Turmspitze nach-gebildet, die im Zwei-ten Weltkrieg Opfer des Feuers wurde. Lange Jahre hatte die Kirche ersatzweise nur ein einfaches Spitzdach.

Besucher können den Turm während ei-ner Führung besteigen und im 7. Geschoss des Turmes – wie einst Fontane – durch acht Öffnungen die weite Sicht über Spandau, nach Berlin und ins Havelland genießen:

„Zu Füßen uns, in scharfer Zeichnung, als läge eine Karte vor uns ausgebreitet, die Zickzackwälle der Festung; ostwärts im grauen Dämmer die Türme von Berlin; nördlich, südlich die bucht- und seenreiche Havel, inselbetupfelt, mit Flößen und Käh-nen überdeckt; nach Westen hin aber ein breites, kaum hier und da von einer Hügel-welle unterbrochenes Flachland, das Ha-velland.“

(aus „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von Theodor Fontane)

Im Rahmen der Führung empfiehlt sich auch ein Blick in den beeindruckenden weitläufi-gen Dachstuhl, der das gotische Deckenge-wölbe einmal aus einer ganz anderen Per-spektive zeigt. Im 6. Geschoss können die drei Bronzeglocken besichtigt werden. Die größte von ihnen, die so genannte Dank-Glocke, hat einen Durchmesser von 1,75 Me-tern und wiegt 3,4 Tonnen.

Bevor wir das Eingangsportal der Kirche durchschreiten, erblicken wir das Denkmal Joachim II. Der frühere Kurfürst der Mark Brandenburg empfing an diesem Ort 1.11.1539

das heilige Abendmahl nach lutherischer Lehre in beiderlei Gestalt (Hostie und Wein) und läutete so die Reformation in der Mark Brandenburg ein, denn in dieser Zeit nahm das Volk automatisch die Religion seines Herrschers an.

Innen erwartet uns eine dreischiffige goti-sche Halle von fast 42 Metern Länge mit ho-hen Backsteinsäulen. Der große kunstvolle Altar aus der Renaissance fällt schon von weitem ins Auge. Tritt man näher heran, so fallen an den Seitenflügeln des Altars Abbil-dungen auf, die den Stifter des Altars, Ro-chus Guerini Grafen zu Lynar mit seiner Fa-milie zeigen. Unter dem Altar, von hinten über eine kleine Pforte zu erreichen, liegt die Gruft, in welcher der Baumeister der Zi-tadelle und seine Familie ihre letzte Ruhe fanden.

Links vor dem Altar hat das älteste Kunstwerk der Kirche sei-nen Platz gefunden: ein bronze-nes Taufbecken aus dem Jahre 1398. Rechts ragt eine Kanzel aus dem preußischen Barock empor, die ursprünglich aus der Kapelle des Stadtschlosses in Potsdam stammt. Gestiftet wur-de sie von König Friedrich Wil-helm I., der von ihr aus die An-sprachen an seine „Langen Kerls“ hielt.

Eine kleine Kapelle, die „Mari-en-Kapelle“ in der linke Seite des Kirchenschiffes, wurde vor der Reformation zur Marienvereh-rung genutzt. In ihr befindet sich heute die Nachbildung der „Spandauer Madonna“, deren Original im Märkischen Museum ausgestellt ist. Unter dem Fuß-

boden der Kapelle sind einige Familienmit-glieder der Glienicker Linie derer von Ribbeck bestattet. Einige von ihnen waren Gouver-neure der Stadt und Festung Spandaus.

Ralf Salecker

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Spandau bei Nacht

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Blick zur Zitadelle, oberhalb der Schleuse (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Spandau bei NachtDer November scheint kein besonders at-traktiver Monat zu sein. Es wird früh dun-kel, die Kälte zieht in die Knochen...Gerade die dunkle Jahreszeit hat aber auch ihre Reize. Schon früh am späteren Nachmittag malt das Licht der elektri-schen Beleuchtung ganz eigene Bilder. Es ist die Zeit für Fototouren in die Dunkel-heit – oder aber für Geschichten. Spandau ist reich davon. Viel ist geschehen in den letzten Jahrhunderten. Menschen haben ihre Spuren hinterlassen. Manchmal, wenn wir über Straßennahmen „stolpern“, fal-len uns diese Geschichten wieder ein...

Unser Grundgesetz ist gerade 60 Jahre alt geworden. Für viele ist Demokratie inzwi-schen ein gewohnter, ja fast langweiliger Zustand geworden.

Vor rund 160 Jahren war dies ein wenig anders gewesen. Im Süden Deutschlands keimte der Wunsch nach einer Republik. An den Universitäten, in Turner-Bünden und an-deren Vereinigungen gärte es. Man war der Monarchie überdrüssig geworden. Bewegte Diskussionen wurden geführt, über Wege und Möglichkeiten zur Demokratie.

Schnell reifte die Erkenntnis, dass die ge-wünschten Grundrechte innerhalb einer Mo-narchie nicht zu verwirklichen waren. Gewalt erschien als das einzig mögliche Mittel. Eine Gewalt, auf die die herrschende Monarchie heftig reagierte.

Zwei bedeutende Vertreter dieser Revoluti-onäre von 1848 haben auch in Spandau ihre Spuren hinterlassen: Carl Schurz und Gott-fried Kinkel. Beide gelten als Begründer de-mokratischer Gedanken in Deutschland.

Gottfried Kinkel, erst Theologe dann Kunst-historiker und später Abgeordneter in der 2. Preußischen Kammer, sowie Carl Schurz, Historiker und Philologe, beide gemeinsam Redakteure der „Neuen Bonner Zeitung“ – mit revolutionär demokratischer Ausrich-tung. Kinkel würde heute als extremer Linker bezeichnet werden.

1848 kam es zu einer revolutionären Be-wegung. Kinkel und Schurz sympathisierten offen mit ihren Gedanken und schlossen sich 1849, als der Stern der Revolution schon sank, den bewaffneten Revolutionären in Baden an.

Im Sommer 1849 verschanzten sich einige tausend Teilnehmer des badisch-pfälzischen Aufstandes in der Festung Rastatt. Die Fes-tung fiel. Carl Schurz entkam der Gefangen-nahme durch ein Abwasserrohr, während der verletzte Kinkel in Haft genommen und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde – zu ver-büßen im Zuchthaus in Spandau, welches sich im Bereich der heutigen Altstadt befand. Am 11. Mai 1850 wird er dort eingeliefert.

Die Frau Gottfried Kinkels schickte einen verzweifelten Brief an Carl Schurz, in dem

sie um dessen Hilfe bat. Dieser konnte sich gut vorstellen, wie es seinem Freund, dem Freigeist, in der Gesellschaft von Verbre-chern – eingesperrt in engen Mauern – er-gehen müsse.

Carl Schurz verlässt die sichere Schweiz und reist – steckbrieflich als Hochverräter gesucht – unerkannt nach Spandau, wo er am 11. August eintrifft. Von Freunden in Bonn bekommt er Geld, um eine Flucht zu organisieren.

Gemeinsam mit dem Spandauer Gastwirt Krüger beginnt er die Planung. Ein Befreiungs-versuch unter Anwendung von Gewalt ist bei diesem gut bewachten Gefängnis offensicht-lich unmöglich. Bestechung scheint die einzi-ge Möglichkeit zu sein. Nach vielen vergebli-chen Versuchen finden sie den zur Tat bereiten Gefängniswärter Brune.

Dieser wollte den Schlüssel zur Zelle ent-wenden und den Gefangenen durch das Ge-fängnistor ins Freie lassen. Zur Enttäuschung aller Beteiligten schlägt dieser Versuch fehl. Der Schlüssel liegt nicht am üblichen Ort.

In der nächsten Nacht soll ein Befreiungs-versuch mit ungleich höherem Risiko in An-

griff genommen werden. Diesmal soll Kinkel aus der obersten Etage mit einem Seil herab-gelassen werden.

Carl Schurz wartet angespannt in der Dun-kelheit. Das Glück ist ihnen gewogen. Die Aktion gelingt, ebenso die vorbereitete Flucht über die Ostsee nach England.

Während Kinkel in Zürich eine Professur für Literaturgeschichte annimmt und weiter die Unterdrückung der bürgerlichen Freihei-ten in Deutschland anprangert, wandert Carl Schurz in die Vereinigten Staaten aus und lernt dort den späteren Präsidenten Abraham Lincoln kennen. In verschiedenen Positio-nen kämpft er gegen die Sklaverei und wird später sogar Innenminister der Vereinigten Staaten.

Der Gefängniswärter der Kinkel zur Flucht verhalf, wurde für wenige Jahre inhaftiert, kam dann später frei und hat von dem Be-stechungsgeld für die Flucht ein gutes Leben geführt. Der beteiligte Gastwirt wurde zwar nicht verurteilt, verlor aber seinen Stadt-ratsposten in Spandau, wie auch seine Schanklizenz.

Ralf Salecker

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Großer Spektesee

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Großer Spektesee – Im Volksmund nur Kiesteich genannt (Foto: www.unterwegs-in-spandau.de)

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Großer SpekteseeFür die meisten Spandauer ist er einfach nur „der Kiesteich“. Er liegt mitten im Spekte-grünzug, der sich etwa fünf Kilometer von der Spandauer Altstadt bis zum südlichen Teil des Stadtforstes erstreckt. Mitsamt seiner näheren Umgebung hat sich der See zwischen Falkenseer Chaussee, See-gefelder Straße, der Straße Am Kiesteich und den alten Gleisen der Havelländischen Eisen-bahn über die Jahre zu einem unverzichtba-ren Naherholungsgebiet für rund 40.000 An-wohner aus dem Falkenhagener Feld entwickelt.

Entstanden ist er als einer von mehreren Baggerseen im Spektegrünzug Anfang der 1950er Jahre. Ausgehoben wurden die Seen damals, weil man Sand und Kies für den Auf-bau des kriegszerstörten Berlin benötigte. Teilweise verfüllte man die Seen bereits ab 1955 wieder mit Bauschutt, U-Bahn-Aushub und Müll; wodurch auch der Spektesee an Größe verlor.

Heute bedeckt der See eine Fläche von 7 Hektar und hat eine Tiefe von 12 Metern. Jogger laufen 1,2 Kilometer, wenn sie den See umrunden. In seiner längsten Ausdeh-nung hätte ein Schwimmer eine Strecke von 300 Metern zu überwinden – theoretisch, denn der See konnte aufgrund seiner schlechten Wasserqualität noch nicht offizi-ell als Badegewässer freigegeben werden.

Finanzielle Mittel, um für eine ausreichen-de Badequalität zu sorgen, sind kaum vor-handen. Mit Mitteln des Förderprogramms Stadtumbau West plant das Bezirksamt Spandau jedoch, den Badebetrieb bis 2012 aufnehmen zu können. Trotz allem zieht der See jeden Sommer zahlreiche Wasserfreunde an. Ausdrücklich willkommen heißt man sie jedoch nicht: Ende 1980 wurde in einem Planfeststellungsbeschluss bewusst ausge-schlossen, dass es eine Badestelle geben soll.

Von einem kleinen Hügel im östlichen Teil des Kiesteiches hat man einen schönen Aus-blick über die Landschaft. Im Winter nutzen ihn die Kinder als Rodelberg.

Im Norden des Sees befindet sich eine Liege- und Spielwiese, das so genannte Spektefeld. Eingerahmt von kleinen mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Hügeln wirkt diese große Wiese wie ein begrünter Meteoriten-krater.

Ein gut ausgebautes Wegenetz um den Großen Spektesee herum gibt Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen die Möglich-keit, gemütlich unterwegs zu sein. An einem hölzernen Steg, von hohem Schilf umgeben, bekommen nicht nur die Kleinsten große Au-gen, wenn sich Heerscharen von Wasservö-geln um das angebotene Futter streiten.

Landschaftplanerische Maßnahmen ließen im Laufe von Jahrzehnten eine Landschaft entstehen, in der versucht wird, dem Erho-lungsbedürfnis der Menschen gerecht zu werden und zugleich die Natur zu schützen – ein Spagat, der immer wieder eine Heraus-forderung war und immer noch ist. Bereits die Bepflanzung des Geländes gestaltet sich besonders schwierig, weil der Boden eine sehr unterschiedliche Beschaffenheit auf-weist. So hat beispielsweise das Auffüllen des

Sees mit Schutt dazu geführt, dass der Boden an manchen Orten sehr trocken und anderswo sehr feucht ist. Das führte mitunter dazu, dass nicht immer die Pflanzen wuchsen, die ge-plant waren.

Trotz mancher widriger Umstände ist der See aus Sicht des Naturschutzes offensichtlich ein Ort zum Wohlfühlen: In seinem Umfeld kön-nen zahlreiche Vogelarten beobachtet werden, die auf der Roten Liste stehen. Sie finden Schutz und Lebensraum in den dichten Schilf-bereichen rund um den See.

Ralf Salecker