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47 VERKEHR, LOGISTIK UND INFRASTRUKTUR | JAHRESBERICHT 2012 Einen besonderen Höhepunkt der verkehrspolitischen Ar- beit bildete das InfrastrukturForum im Herbst 2012, das für eine neue Infrastrukturpolitik in Deutschland warb. Weitere Akzente setzte der Wirtschaftsrat mit seiner „Ini- tiative Luftverkehr“ zur Stärkung der Wettbewerbssitua- tion der Fluggesellschaften und Flughäfen. Die Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastruktur trieb die Pilot- phase der im Wirtschaftsrat entwickelten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) Bundesfernstraße vo- ran, machte sich für die kommunale Verkehrsinfrastruk- tur stark und brachte sich in die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ein. Im Vorsitz der Bundesfachkommission selbst vollzog sich zum 01. Oktober 2012 ein Wechsel. Das Ehrenamt ging von Dr. Claus-Peter Martens, Partner, ROLEMA RAe und Notare Berlin, auf Dr. Werner Kook, Vorstand, Niederrheinische Verkehrsbetriebe AG NIAG, Mitglied der Geschäftsleitung der Rhenus-Gruppe, über. Den neuen Vorsitzenden un- terstützen als Stellvertreter Frank M. Schmid, Geschäfts- führer, Schmid Mobility Solutions GmbH, sowie Mathias Stinnes, Geschäftsführender Gesellschafter, Hugo Stinnes GmbH & Co. KG. Infrastrukturprojekte und Bürgerbeteiligung – Schlichtung als Normalfall? Im Rahmen seines InfrastrukturForums legte der Wirt- schaftsrat Vorschläge für mehr Akzeptanz und eine schnellere Realisierung von Infrastrukturprojekten vor. In seiner Eröffnungsrede dankte Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer MdB für den Vorstoß und erklärte: „In Bür- gerbeteiligung und bessere Planungsverfahren zu inves- tieren, bedeutet, Eskalationen zu vermeiden, verabredete Zeitpläne einzuhalten und letztlich auch mehr Planungs- sicherheit für Investoren zu schaffen.“ Für mehr Transparenz und Effizienz der Verfahren em- pfahl der Wirtschaftsrat: O Straffung der Planungsverfahren durch Abbau von Dop- pel- und Mehrfachprüfungen, O Verzicht auf nationale Überfrachtung von EU-Vorgaben, O Zulassung des Verbandsklagerechts nur für die Fälle, in denen keine individuellen Klagemöglichkeiten beste- hen, O frühzeitigere (internetbasierte) Bekanntmachung von Projekten mit einer besseren Kommunikation von Zie- len, Kosten, Chancen und 3D-Simulationen zur Darstel- lung von Lärmbelastung und Verkehrsbewegungen. Generalsekretär Wolfgang Steiger regte am 30. Oktober 2012 gegenüber dpa zu- dem an, „Betroffene“ zu „Beteiligten“ zu machen: „War- um nicht den Bürger als Investor gewinnen und über An- leihen direkt profitieren lassen? Wenn die Menschen über Windparks, Netz- leitungen oder Logistikparks einen Vorteil haben, dann akzeptieren sie auch eventuelle Belastungen leichter“, so der Generalsekretär. Strategien zur Stärkung des Luft- verkehrsstandortes Deutschland Trotz seiner volkswirtschaftlichen Be- deutung wird der Luftverkehr durch Eingriffe des Staates immer stärker be- lastet und die Nutzung der Flughafen- infrastruktur durch gerichtliche Klage- wellen zunehmend eingeschränkt. Mit seiner „Initiative Luftverkehr“ warb der Wirtschaftsrat für die Chancen des Verkehrsträgers und forderte faire Wettbewerbsbedingungen für den Wachstumstreiber Luftverkehr ein: O Luftverkehrssteuer abschaffen! O Keine internationalen Alleingänge beim Europäischen Emissionshandel! O Nachtflüge ermöglichen! O Lärmschutz vorantreiben! O Flughäfen in den Bundesverkehrswegeplan aufneh- men! Mehr Straße für den Euro – Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) Bundesfernstraße Einen besonderen Erfolg konnte der Wirtschaftsrat für das in seinen Reihen entwickelte Modell einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für Erhalt und Betrieb der Au- tobahnen und Bundesstraßen verbuchen. Das Modell ist 2012 mit einem bundesweiten Pilotversuch in seine prak- tische Erprobung getreten. Das Handelsblatt brachte am 7. August 2012 die Notwendigkeit der LuFV noch einmal auf den Punkt: „Die angespannte Lage der öffent- lichen Haushalte, die daraus resultierende permanente Unterfinanzierung, über Jahre aufgebaute Ineffizienzen, aber auch Baukostensteigerungen betreiben systemati- Verkehr, Logistik und Infrastruktur Dr. Werner Kook, Vorsitzender Bun- desfachkommission Verkehr, Logistik und Infrastruktur „Eine erfolgreiche Infrastrukturpolitik verlangt nach mehr Bedarfsorientierung und Planungssicher- heit, nach einer Zweckbindung der öffentlichen Mittel, mehr Effizienz, Trans- parenz und einer verbesserten Projekt- kontrolle, aber auch nach mehr Mut zu öffentlich-privaten Kooperationskon- zepten.“ In der Bundesfachkommission referierten u. a.: Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Michael Müller MdA, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin; Patrick Döring MdB, Stellv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, FDP-Generalsekretär; Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- verkehrswirtschaft e.V. (BDL)

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Einen besonderen höhepunkt der verkehrspolitischen ar-beit bildete das InfrastrukturForum im herbst 2012, das für eine neue Infrastrukturpolitik in Deutschland warb. Weitere akzente setzte der Wirtschaftsrat mit seiner „Ini-tiative luftverkehr“ zur Stärkung der Wettbewerbssitua-tion der Fluggesellschaften und Flughäfen.

Die arbeitsgruppe Verkehrsinfrastruktur trieb die Pilot-phase der im Wirtschaftsrat entwickelten leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (luFV) Bundesfernstraße vo-ran, machte sich für die kommunale Verkehrsinfrastruk-tur stark und brachte sich in die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ein.

Im Vorsitz der Bundesfachkommission selbst vollzog sich zum 01. Oktober 2012 ein Wechsel. Das Ehrenamt ging von Dr. Claus-Peter Martens, Partner, ROlEMa Rae und notare Berlin, auf Dr. Werner Kook, Vorstand, niederrheinische Verkehrsbetriebe aG nIaG, Mitglied der Geschäftsleitung der Rhenus-Gruppe, über. Den neuen Vorsitzenden un-terstützen als Stellvertreter Frank M. Schmid, Geschäfts-führer, Schmid Mobility Solutions Gmbh, sowie Mathias Stinnes, Geschäftsführender Gesellschafter, hugo Stinnes Gmbh & Co. KG.

Infrastrukturprojekte und Bürgerbeteiligung – Schlichtung als normalfall?Im Rahmen seines InfrastrukturForums legte der Wirt-schaftsrat Vorschläge für mehr Akzeptanz und eine schnellere Realisierung von Infrastrukturprojekten vor. In seiner Eröffnungsrede dankte Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer MdB für den Vorstoß und erklärte: „In Bür-gerbeteiligung und bessere Planungsverfahren zu inves-tieren, bedeutet, Eskalationen zu vermeiden, verabredete Zeitpläne einzuhalten und letztlich auch mehr Planungs-sicherheit für Investoren zu schaffen.“

Für mehr Transparenz und Effizienz der Verfahren em-pfahl der Wirtschaftsrat:O Straffung der Planungsverfahren durch Abbau von Dop-

pel- und Mehrfachprüfungen, O Verzicht auf nationale Überfrachtung von EU-Vorgaben,O Zulassung des Verbandsklagerechts nur für die Fälle, in

denen keine individuellen Klagemöglichkeiten beste-hen,

O frühzeitigere (internetbasierte) Bekanntmachung von Projekten mit einer besseren Kommunikation von Zie-len, Kosten, Chancen und 3D-Simulationen zur Darstel-lung von Lärmbelastung und Verkehrsbewegungen.

Generalsekretär Wolfgang Steiger regte am 30. Oktober 2012 gegenüber dpa zu-

dem an, „Betroffene“ zu „Beteiligten“ zu machen: „War-um nicht den Bürger als Investor gewinnen und über An-

leihen direkt profitieren lassen? Wenn die Menschen über Windparks, Netz-leitungen oder Logistikparks einen Vorteil haben, dann akzeptieren sie auch eventuelle Belastungen leichter“, so der Generalsekretär.

Strategien zur Stärkung des luft-verkehrsstandortes Deutschland Trotz seiner volkswirtschaftlichen Be-deutung wird der Luftverkehr durch Eingriffe des Staates immer stärker be-lastet und die Nutzung der Flughafen-infrastruktur durch gerichtliche Klage-wellen zunehmend eingeschränkt. Mit seiner „Initiative Luftverkehr“ warb der Wirtschaftsrat für die Chancen des Verkehrsträgers und forderte faire Wettbewerbsbedingungen für den Wachstumstreiber Luftverkehr ein:O Luftverkehrssteuer abschaffen!O Keine internationalen Alleingänge

beim Europäischen Emissionshandel!O Nachtflüge ermöglichen!O Lärmschutz vorantreiben!O Flughäfen in den Bundesverkehrswegeplan aufneh-

men!

Mehr Straße für den Euro – leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (luFV) Bundesfernst raßeEinen besonderen Erfolg konnte der Wirtschaftsrat für das in seinen Reihen entwickelte Modell einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für Erhalt und Betrieb der Au-tobahnen und Bundesstraßen verbuchen. Das Modell ist 2012 mit einem bundesweiten Pilotversuch in seine prak-tische Erprobung getreten.

Das handelsblatt brachte am 7. august 2012 die notwendigkeit der luFV noch einmal auf den Punkt: „Die angespannte Lage der öffent-lichen Haushalte, die daraus resultierende permanente Unterfinanzierung, über Jahre aufgebaute Ineffizienzen, aber auch Baukostensteigerungen betreiben systemati-

Verkehr, logistik und Infrastruktur

Dr. Werner Kook, Vorsitzender Bun-desfachkommission Verkehr, logistik und Infrastruktur„Eine erfolgreiche Infrastrukturpolitik verlangt nach mehr Bedarfsorientierung und Planungssicher-heit, nach einer Zweckbindung der öffentlichen Mittel, mehr Effizienz, Trans-parenz und einer verbesserten Projekt-kontrolle, aber auch nach mehr Mut zu öffentlich-privaten Kooperationskon-zepten.“

In der Bundesfachkommission referierten u. a.:Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundes­ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Michael Müller Mda, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin; Patrick Döring MdB, Stellv. Vorsitzender der FDP­Bundestagsfraktion, FDP­Generalsekretär; Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft­verkehrswirtschaft e.V. (BDL)

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schen Raubbau an den Straßen in Deutschland. Mehr als angebracht erscheint es deshalb, die Bewirtschaftung des Straßennetzes umzustellen und alle Partner zu mehr Effi-zienz zu zwingen. Die Leistungs- und Finanzierungsver-einbarung Bundesfernstraße verspricht alle dafür not-wendigen Anreize.“

In der Vorbereitung des Praxistests formulierte der Wirt-schaftsrat wichtige Parameter und setzte sich für einen jährlichen Netzzustands- und Leistungsbericht als Grund-lage für künftige Investitionsentscheidungen ein.

Kommunale Verkehrsinfrastruktur – lebensader für den Mittelstand Auf kommunalen Straßen werden die ersten und letzten Meter eines jeden Transports zurückgelegt. Für den deut-schen Mittelstand stellen sie zugleich die zentrale Lebens-ader dar. Der Erhalt dieses wichtigen Verkehrsnetzes ist jedoch für viele Städte und Gemeinden mit Blick auf die besorgniserregenden Zustandswerte und desolaten Haus-halte kaum noch darstellbar.

Mit einem in seiner Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastruktur entwickelten 6-Stufen-Modell zeigte der Wirtschaftsrat einen Weg aus der Krise auf: O zügige Einigung zwischen Bund und Ländern über An-

schlussregelungen für die 2019 auslaufende Gemeinde-verkehrsfinanzierung (Entflechtungsmittel), um Pla-nungssicherheit für die Kommunen zu schaffen,

O bis zur Einigung Aufstockung des Mittelflusses für die kommunale Verkehrsinfrastruktur auf 1,96 Milliarden € pro Jahr,

O Zweckbindung der Finanzmittel für ÖPNV und kommu-nale Straßen, um Missbrauch durch Umleitung in ande-re Haushaltstitel zu vermeiden,

O Übertragung des Modells der LuFV Bundesfernstraße auf das kommunale Straßennetz,

O Verpflichtung der Kommunen zu einem systematischen Erhaltungsmanagement, um Straßenaufbrüche für z. B. Leitungsarbeiten und damit unnötige Beschädigungen der Tragschichten zu vermeiden,

O Stärkung Öffentlich-Privater Partnerschaften.

WSV-Reform – Paradigmenwechsel zur Stärkung der Wasserstraße Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bildete die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Mit der Reform vermochte es die bürgerliche Koali-tion, einen über 20-jährigen Reformstau zu durchbrechen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Wasser-straße vor dem Hintergrund von Schuldenbremse und Haushaltskonsolidierung zukunftsfähig aufzustellen.

Wichtige, vom Wirtschaftsrat mitgetragene Bausteine der WSV-Reform sind: O Ausbau- und Erhaltungsinvestitionen werden künftig

dort vorgenommen, wo ihr wirtschaftlicher und ver-kehrlicher Nutzen am höchsten ist.

O Umbau der Verwaltungsstrukturen mit einer grundle-genden Aufgabenkritik und Verschlankung der Struktu-ren.

Die Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastruktur wertete die Re-form als Schritt in die richtige Richtung und warnte davor, wesentliche Reformteile auf dem Altar von Wahlkampf-versprechungen zu opfern. Um Fehlsteuerungen bei den Investitionsentscheidungen zu vermeiden, empfahl die Arbeitsgruppe mit Blick auf die wachsende Anzahl an Con-tainertransporten, statt des vorgesehenen Parameters „Tonnage“ die „Zahl der Schiffsbewegungen“ zu Grunde zu legen.

ausblick 2013 Bundesfachkommission und Arbeitsgruppe werden sich vor dem Hintergrund von Schuldenbremse und Haus-haltskonsolidierung auch im Jahr 2013 intensiv mit Kon-zepten zur Modernisierung der Infrastrukturfinanzierung befassen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei noch ein-mal auf dem kommunalen Straßennetz liegen. Zudem werden die Perspektiven der Maritimen Wirtschaft und die Auswirkungen der Energiewende auf den Verkehrssek-tor wichtige Beratungsschwerpunkte bilden.