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Vom Umbruch zum Aufbruch: Hochschulen in Ägypten und Tunesien im Wandel Gefördert durch

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Gefördert durch

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Inhalt

5 Grußwort 6 Frühlingserwachen an den Universitäten: Eine Lehre fürs Leben Wie der Arabische Frühling neue Chancen der Hochschulkooperation eröffnet

7 Die DAAD-Förderung in Tunesien und Ägypten: Ein Überblick Informationen, Daten und Fakten

8 „Wir brauchen dringend fähige Leute“ Ein Gespräch mit Professor Maged El Sherbiny über die Zukunft seines Landes

8 „Wir können viel vom deutschen Hochschulsystem lernen“ Professor Jelel Ezzine berichtet im Interview über die Nachwehen der Revolution

9 Auf Sand gebaut: Akazienwälder in Ägypten Wie der Lehrstuhl für Waldbau der TU München die Wüste grün macht

10 Die Projekte der DAAD-Transformations- partnerschaft im Überblick

12 Frauen in der Wissenschaft: Quo vadis, Ägypten? Wie sich die FU Berlin für eine Geschlechtergleichstellung im ägyptischen Hochschulsystem stark macht

13 „Ich wünsche mir kluge und verantwortungsvolle Eliten“ Dr. Michael Harms, Leiter der DAAD-Außenstelle in Kairo, im Interview

14 Kurzmeldungen

16 Erfolgreich im Trüben fischen: Nachhaltiges Wassermanagement in Tunesien Wie die TU Braunschweig Wasser auf die Mühlen der Revolution gießt

18 Stimmen aus dem DAAD-Expertenkreis

19 Studentische Partizipation: Demokratie im Kleinformat 20 German Studies: Viel mehr als nur Goethe und Schiller Wie ein Lehrstuhl der TU Dresden mit der Université de Gabès an einem neuen Masterstudiengang tüftelt

Mehr Informationen: www.daad.de/transformation www.changebyexchange.de

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Hochschulen in Ägypten und Tunesien im Wandel

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Grußwort Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des DAAD

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD)

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist die weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch von Stu-dierenden und Wissenschaftlern. Seit seiner Gründung im Jahr 1925 hat der DAAD über 1,5 Millionen Akademiker im In- und Ausland unterstützt. Er wird als Verein von den deutschen Hochschulen und Studierendenschaften getragen. Seine Tätigkeit geht weit über die Vergabe von Stipendien hinaus: Der DAAD fördert die Internationali-tät der deutschen Hochschulen, stärkt die Germanistik und deutsche Sprache im Ausland, unterstützt Entwicklungsländer beim Aufbau leistungsfähiger Hochschulen und berät die Entscheider in der Kultur-, Bildungs- und Entwicklungspolitik.

Das Budget stammt überwiegend aus Bundesmitteln verschiedener Ministerien, vor allem des Auswärtigen Amtes, von der Europäischen Union sowie von Unternehmen, Organisationen und ausländischen Re-gierungen. In Bonn befindet sich die Zentrale, außerdem unterthält der DAAD ein Hauptstadtbüro in Berlin. Ein Netzwerk von 14 Außenstellen und 54 Informationszentren hält Kontakt zu den wichtigsten Partnerlän-dern auf allen Kontinenten und berät vor Ort.

Mit mehr als 250 Programmen hat der DAAD im Jahr 2011 knapp 70.000 Deutsche und Ausländer rund um den Globus gefördert. Das Angebot reicht vom Auslandssemester für junge Studierende bis zum Promotionsstudium, vom Praktikum bis zur Gastdozentur, vom Informationsbesuch bis zum Aufbau von Hochschulen im Ausland. Die internationalen Aktivitäten deutscher Hochschulen unterstützt der DAAD durch Marketingdienstleistungen, Publikationen, Veranstaltun-gen und Fortbildungen.

Nordafrika und der Nahe Osten haben in den letzten zwei Jahren dramatische Veränderungen durchlebt. Der Sturz der Despoten ist dem Mut und dem unerschrockenen Engagement breiter Schichten zu verdanken, die sich oftmals unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit und Veränderung eingesetzt haben. Nach den ersten Monaten der Euphorie haben sich jedoch Ernüchterung und Sorge ausgebreitet. Immer deutlicher wird, dass sich ein Wandel nur sehr langsam vollzieht und mit Rückschlägen und Enttäuschung verbunden ist.

Umso wichtiger ist es in diesem entscheidenden historischen Moment, Unterstützung überall dort zu signalisieren, wo sie gebraucht wird. Dies gilt insbesondere für die Hochschulkooperation, denn Bildung ist ein Schlüsselelement für einen erfolgreichen Wandel. Wer heute intelligente Lösungen für die Ausbildung der Akademiker von morgen findet, schafft die Grundlage für eine erfolgreiche politische, gesellschaftliche und ökonomische Transformation.

Der DAAD ist seit langem verlässlicher Partner für die Hochschulen in Tunesien und Ägypten: mit Stipendien für die Begabtesten und vielfältigen innovativen Projekten, die bis zur Förderung ganzer Studiengänge reichen, kann sich der DAAD auf ein breites Netzwerk von Partnern stützen. Seit 2011 sind mit Mitteln des Auswärtigen Amtes zusätzliche Förderprogramme geschaffen worden, passgenau auf die Bedürfnisse der Universitäten im Transformationsprozess zugeschnitten. Die vorliegende Publikation versteht sich als „Werkstattbericht“, der einen ersten Einblick in die zahlreichen Projekte ermöglicht, die DAAD und Hochschulen in Deutschland, Ägypten und Tunesien zur Zeit gemeinsam auf den Weg bringen.

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Frühlingserwachen an den Universitäten: Eine Lehre fürs LebenWie der Arabische Frühling neue Chancen der Hochschulkooperation in Tunesien und Ägypten eröffnet

Im Januar 2011 konnte sicherlich niemand so recht ahnen, was das Jahr für die Länder in Nordafrika noch alles bereithalten würde. Der Arabische Frühling hatte gerade seine ersten Blüten ausgetrieben, da brachte die deutsche Bundesregierung bereits Vorschläge für eine Transformationspartnerschaft mit Ägypten und Tunesien auf den Weg. Dass dabei vor allem dem Auf- und Ausbau der Hochschulkooperation von Beginn an absolute Priorität eingeräumt wurde, ist mit Blick auf die Ursachen und den weiteren Verlauf der Protestbewegungen in den beiden Ländern nur folgerichtig.

Bildung und eine berufliche Perspektive – das waren zwei zentrale Forderungen der überwiegend jungen Demonstranten in Tunis und Kairo sowie in vielen anderen Städten und Provinzen der beiden Mittelmeerstaaten. Man braucht nicht lange nach den Gründen zu suchen, denn die Zahlen sprechen für sich: Über 50 Prozent der Bevölkerung in Tunesien und Ägypten sind jünger als 25 Jahre, gleichzeitig suchen rund 30 Prozent aller Jugendlichen einen Arbeitsplatz. In Tunesien kann jeder Fünfte nicht richtig lesen und schreiben. In Ägypten sind sogar ein Drittel der Bevölkerung Analphabeten. Dieses Bild rundet ab, dass die Hochschulen in den beiden Ländern in aller Regel unterfinanziert sind. Es fehlt an der notwendigen Ausstattung, an Räumlichkeiten und an qualifiziertem Lehrpersonal sowie nicht zuletzt an zeitgemäßen Curricula, die den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht werden.

voranbringen. Ziel ist es, die verkrusteten hierarischen Strukturen an den ägyptischen und tunesischen Hochschulen aufzubrechen, um vor allem die jungen Menschen in die Hörsäle und an die Lehrstühle zu holen, die den Arabischen Frühling in ihren Ländern überhaupt erst möglich gemacht haben.

1.

2.

3.

1. Sommerschule „New Urban Revolution“: TU Berlin

2. Ausgrabungen im Quesna Delta, Ägypten: FU Berlin

3. Workshop „Partizipation im (post-) revolutionären Ägypten“: U Hamburg

In einem Gastbeitrag von Februar 2011 für die größte unabhängige Tageszeitung in Kairo „Al Masri Al Youm“ hob Außenminister Guido Westerwelle nicht nur hervor, dass Bildung „das Kapital der Zukunft“ sei, sondern er stellte auch „einen stärkeren akademischen Austausch, zusätzliche Stipendien und eine Berufsbildungsinitiative“ in Aussicht.

Genau hier setzt das DAAD-Förderprogramm im Bereich der Hochschulkooperation an, das aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert wird. Der verstärkte Ausbau von Partnerschaften zwischen deutschen und arabischen Hochschulen soll mittel- und langfristig die Entwicklung und Verbesserung der akademischen Lehre und Forschung

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Die Beziehungen zwischen Deutschland und Ägypten in Bildung, Wissenschaft und Forschung reichen weit zurück: Bereits 1960 wurde die DAAD-Außenstelle in Kairo eröffnet. Aus dem deutsch-ägyptischen Wissenschaftsjahr 2007 ging eine Reihe an kofinanzierten Stipendienprogrammen hervor. Auch mit Tunesien verbindet Deutschland eine lange Kooperation, die mit einem Regierungsstipendienprogramm in den 1980er Jahren ihren Anfang nahm und mit der Eröffnung eines DAAD-Projektbüros in Tunis am 1. September 2012 einen weiteren Höhepunkt erreichte.

Stipendien sowie Forschungs- und Hochschulkooperationen ermöglichten in den vergangenen Jahrzehnten zahllosen Ägyptern und Tunesiern Studien- und Forschungsaufenthalte in Deutschland. Regionalspezifische Programme wie die bikulturellen Masterstudiengänge zu entwicklungsrelevanten Themen, die Projektförderung im Bereich Hochschuldialog mit der islamischen Welt oder die Reihe an Masterstudiengängen im DAAD-Programm „Public Policy and Good Governance“ (PPGG) bieten vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit und leisten einen Beitrag zur wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Reform.

In Reaktion auf die politischen Umbrüche in Tunesien und Ägypten wurde 2011 die „Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft“ von der

Bundesregierung ins Leben gerufen. Im DAAD wird diese vor allem durch vier neue Programmlinien umgesetzt: Die Linie 1 fördert die nachhaltige Strukturbildung in allen Wissenschaftsbereichen, von Sozial- und Geisteswissenschaften über Natur- bis hin zu Wirtschaftswissenschaften. Programmlinie 2 unterstützt kurz- und mittelfristige Kooperationsmaßnahmen (etwa: Workshops, Summer Schools und Tagungen). Bei den Programmlinien 3 und 4 geht es einerseits um die Entwicklung gemeinsamer englischsprachiger Masterstudiengänge in den Bereichen Archäologie und Politikwissenschaften, andererseits um die Reintegration von zurückkehrenden Alumni im Hochschulsystem der Partnerländer durch den Aufbau eigener Forschungsnetzwerke. Weitere Informationen über die einzelnen Programmlinien finden Sie unter: www.daad.de/transformation und www.changebyexchange.de. Begleitet wird die Arbeit von einem DAAD-Expertenkreis, der regelmäßig tagt und bei der Entwicklung neuer Programme und Projekte berät (siehe S. 18).

Die DAAD-Förderung in Tunesien und Ägypten: Ein ÜberblickInformationen, Daten und Fakten rund um Hochschulkooperationen, Stipendien und mehr

5.

4.

6.

4. Die Mitarbeiterinnen des Referats „Deutsch- Arabische Transformationspartnerschaft – Kulturdialog” gemeinsam mit der Leiterin Frau Dr. Renate Dieterich

5. - 6. Workshop „Partizipation im (post-) revolutionären Ägypten“: U Hamburg

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„Wir brauchen dringend fähige Leute“

„Wir können viel vom deutschen Hochschulsystem lernen“

Ein Gespräch mit Professor Maged El Sherbiny, stellvertretender Minister für Hochschulbildung in Ägypten, über die Zukunft seines Landes

Herr Professor El Sherbiny, Ihr Land steht vor großen Herausforderungen. Wie sieht die Lage im ägyptischen Hochschulsektor aus?Unsere Hochschulen haben 2,7 Millionen Studenten und sind völlig überlastet. Außerdem mangelt es an der Qualität der Lehre. Die Regierung hat den Hochschuletat zwar stark erhöht. Aber ohne Investitionen von Organisationen oder des Privatsektors, der sich momentan leider zurückhält, werden wir unsere Ziele nicht erreichen.

Was sind denn Ihre Ziele? Wo benötigen Sie Unterstützung?Unser Fokus liegt auf Bereichen, die für die Zukunft Ägyptens ausschlaggebend

sind: Energie, Wasser, Landwirtschaft und Gesundheit. Hier müssen wir Forschung und Lehre verbessern. Mit der Universität Kassel gibt es beispielsweise eine Kooperation im Bereich erneuerbare Energien.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der deutsch-ägyptischen Hochschulkooperation gemacht?Wir arbeiten bereits seit 52 Jahren mit dem DAAD und seinem Büro in Kairo zusammen. Deutschland ist unser wichtigster und treuester Partner – auch in der Umbruchphase. Die Revolution war kaum vorbei, da gab es den ersten Workshop zum Thema Wissenschaft und Demokratie.

Das DAAD-Programm ist sehr vielseitig. Welche Komponente hilft Ägypten am meisten?Am wichtigsten finde ich, dass der DAAD ägyptische Absolventen deutscher

Hochschulen beim Jobeinstieg in der Heimat unterstützt und Alumni-Netzwerke fördert. Damit soll der „Brain-Drain“, die Abwanderung von Akademikern, aufgehalten werden. Gerade jetzt brauchen wir dringend fähige Leute.

Welches Projekt gefällt Ihnen am besten?Der Aufbau eines Forschungsinstituts für Mikrosystemtechnik (MEM). Vielleicht entwickelt sich daraus eine eigene Hightech-Industrie. Das könnte jungen und talentierten Leuten nicht nur Arbeit, sondern dem ganzen Land eine Perspektive geben.

Professor Jelel Ezzine ist Direktor der Abteilung Internationale Kooperationen im tunesischen Ministerium für Hochschulbildung und Forschung. Im Interview berichtet er über die Nachwehen der Revolution und warum Deutschland sein großes Vorbild ist.

Herr Professor Ezzine, wie steht es um die tunesische Hochschullandschaft heute?Wir kämpfen mit ähnlichen Problemen wie viele Länder Europas: Seit fünf Jahren strukturieren wir unsere Fächer nach den Bologna-Vorgaben um. Das kostet viel Kraft, aber wir wollen uns an europäische Standards annähern. Außerdem haben wir an der Qualität der Lehre, speziell bei den Geisteswissenschaften, gearbeitet – besonders seit der Revolution. Vor allem in den Medien- und Politikwissenschaften und in der Pädagogik brauchen wir jetzt kluge Köpfe, um eine starke Zivilgesellschaft aufzubauen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass wir uns mit dem DAAD nun mehr in den Bereichen Politikwissenschaft und Pädagogik austauschen.

Was hat sich seit der Revolution in der internationalen Zusammenarbeit geändert?Das Interesse an Kooperationen ist enorm gestiegen. Tunesien ist zum Hoffnungsträger

Unsere Hochschulen sollen autonomer und zu Verfechtern von Demokratie und Innovation werden. Sie sind auf einem guten Weg und haben nun ihre Dekane zum ersten Mal in ihrer Geschichte selbst gewählt.

Welches DAAD-Programm liegt Ihnen besonders am Herzen?Jede Kooperation braucht eine weitreichende Vision, die sich auch gesellschaftlicher Herausforderungen annimmt. Ein vielversprechendes Feld ist die Solarenergie, vor allem solarthermische Kraftwerke. Tunesien ist eines der Partnerländer des DESERTEC-Projekts, bei dem Nordafrika Europa mit Solarstrom beliefern soll. Dafür braucht man Forscher und Ingenieure, aber auch Projektmanager und andere Spezialisten. Die Kooperation mit dem DAAD und anderen deutschen Partnern könnte den Anstoß zur Entwicklung einer grünen Industrie in Tunesien, insbesondere im Süden, geben.

des Arabischen Frühlings geworden. Alte und neue Partner bemühen sich nun gemeinsam mit den Tunesiern, die aufblühende Wissensgesellschaft zu fördern. Das ist deshalb wichtig, weil Tunesien kaum über natürliche Ressourcen verfügt. Die „Grauen Zellen“ sind Tunesiens wertvollstes Gut.

Wie kann der DAAD in dieser Situation helfen? Deutschland ist seit 1982 ein wichtiger Partner für uns: Wir unterhalten über 30 Kooperationen mit Hochschulen und Institutionen. Rund 3.000 Tunesier studieren in Deutschland, meist Ingenieurswissenschaften und verwandte Fächer. Nun kooperieren wir auch in der Forschung und Entwicklung. In der aktuellen Phase ist Ihr Land für uns ein Vorbild, da es 1989 selbst einen politischen Wandel vollziehen musste und heute der Innovationsmotor Europas ist. Und dabei spielen die Universitäten, zusammen mit Industrie und Staat, eine entscheidende Rolle.

Wo kann die DAAD-Kooperation noch Impulse für das tunesische Hochschulwesen geben?Wir können von den Deutschen viel über Verwaltungsstrukturen, Dezentralisierung und Managementprozesse in Universitäten lernen.

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Auf Sand gebaut: Zypressenwälder in ÄgyptenWie der Lehrstuhl für Waldbau der TU München die Wüste grün macht

+ 7. Mai 2012: Kick-off-Veranstaltung

+ zwei Workshops in Kairo und Alexandria

+ drei Waldexkursionen

+ 12. Mai 2012: Treffen mit dem Landwirtschaftsminister von Ägypten

+ 13. Mai 2012: Gespräche mit den ägyptischen Wasserbehörden

Auf einen Blick

Projekt „Nachhaltige Forstwirtschaft in Wüstengebieten in Ägypten unter Verwendung von Abwässern“

Beteiligte Hochschulen:

TU München

Alexandria University

Ain Shams University in Kairo

Hany El Kateb ist sich sicher: „Was wir in Ägypten planen, ist nicht nur innovativ. Es ist auch außergewöhnlich.“ Wälder in der Wüste zu pflanzen – das klingt in der Tat erst einmal ziemlich abenteuerlich. Vermutlich ist es deshalb auch kein Wunder, dass Hany El Kateb innerhalb kürzester Zeit 400 Anfragen auf Facebook zu dem Projektvorhaben erhielt, das bis 2013 vom DAAD gefördert wird. Gemeinsam mit Reinhard Mosandl, Professor für Waldbau an der Technischen Universität München, sowie den beiden ägyptischen Partnerhochschulen in Kairo und Alexandria setzt sich El Kateb für eine nachhaltige Aufforstung der ägyptischen Wüste ein, die knapp 96 Prozent des Landes beherrscht. „Wir brauchen grüne Flächen“, sagt der

gebürtige Ägypter, der seit 1977 an der Forstwissenschaftlichen Fakultät in München arbeitet. „Das ist ein hochpolitisches Thema gerade nach dem Arabischen Frühling.“

Revolution und Forstwirtschaft – das scheint auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun zu haben. Aber: „Es geht um viel mehr als nur um den Wald“, erklärt El Kateb. Laut dem Forstwissenschaftler versickert jedes Jahr ein Großteil der geschätzten 2,5 Milliarden Kubikmeter Abwasser im Boden oder im Nil. Das birgt nicht nur hohe Risiken für Mensch und Umwelt; auch wichtige Nährstoffe, die für die Land- und Forstwirtschaft von Nutzen sein könnten, verlieren sich im Nirgendwo: „In einem ariden Land mit 84 Millionen Einwohnern

muss mit den knappen Wasserressourcen effizient umgegangen werden. Auch davon wird der Erfolg der Demokratiebewegung abhängen“ – für El Kateb ist das Thema Aufforstung daher eng mit einer nachhaltigen Wasserwirtschaft verknüpft. Eine Komponente zur Verbesserung der Energieeffizienz von Abwasserreinigung und -management ist im Projekt ebenso vorgesehen wie Feldstudien zur Pflanzung und Bewässerung von Bäumen, zum Beispiel Zypressen, Eukalyptus oder Mittelmeerkiefern. Außerdem hilft der Münchener Lehrstuhl beim Aufbau von neuen Forst- und Ressourcenmanagement-Studiengängen in Ägypten. Die Wüste vor lauter Bäumen nicht sehen: Das wünscht sich Hany El Kateb für die Zukunft des Landes.

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Die DAAD-Transformationspartnerschaft im Überblick:Alle bewilligten Projekte der Programmlinie 1

Projekte in Tunesien 2012/2013

Projektart

Kooperation

Kooperation

Masterstudiengang

Masterstudiengang

Durchführende Hochschule

TU Braunschweig

TU Chemnitz

TU Dresden

Universitätsklinikum Köln

Fachbereich

Water Management

Elektrotechnik

Germanistik, Sprach- und

Kulturwissenschaften

Pädiatrie

Titel

„EM-PO-W-ER Tunisia“

Emerging Pollutants in Water and

Wastewater in Tunisia

Sfax-Chemnitz

Cooperation in Higher

Engineering Education

German Studies

Kinderkardiologie:

Masterstudiengang im Bereich

angeborene Herzfehler

Partnerhochschule

INGREF, Universität Sousse

Universität Sfax

Universität Gabès

Universität Sousse

Multilaterale Projekte (mit Ägypten und Tunesien) 2012/2013

Projektart

Kooperation

Kooperation

Weiterbildungs-

ordnung

Kooperation

Durchführende Hochschule

U Marburg

FU Berlin

Universitätsklinikum Erlangen

IRZ Bonn

Fachbereich

Informatik

Politikwissenschaft

Innere Medizin

Rechtswissenschaften

Titel

Förderung des

Unternehmergeistes für

akademische Innovationen

Challenges and

Transformations in the

Wake of Arab Spring

iGET intensiviertes

gastroenterologisches Training

Modernes Verwaltungs- und

Privatrecht

Partnerhochschule

German University of Cairo, Universität

Sfax, Universität Mohammed V

Kairo Universität, German Jordanian

University, Universität Benghazi, Tunisian

School of Politics

Kasr Al-Aini Universitätsklinikum,

Medizinische Fakultät der Universität Tunis

Helwan Universität,

Universität Sousse

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Hochschulen in Ägypten und Tunesien im Wandel

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Projekte in Ägypten 2012/2013

Projektart

Masterstudiengang

Kooperation

Masterstudiengang

Masterstudiengang

Kooperation

Kooperation

Durchführende Hochschule

U Köln

U Hamburg

U Leipzig

Universitätsklinikum Köln

U Kiel

FU Berlin

Fachbereich

Archäologie

Rechts-, Wirtschafts- und

Sozialwissenschaften

Deutsch als

Fremdsprache

Gesundheitsökonomie

Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde

Politikwissenschaften,

fächerübergreifend

Titel

Umweltbezogene Archäologie

Aufbau einer Abteilung für Recht

und Ökonomik

Berufsbegleitender Blended-

Learning-Masterstudiengang

Deutsch als Fremdsprache

Aufbau eines interdisziplinären

Studiengangs

Gesundheitsökonomie

Parodontologie

Gender Equality in the

Egyptian Higher

Education System

Partnerhochschule

Kairo Universität

Kairo Universität

Ain Shams Universität

Kairo Universität

Kairo Universität

Hochschulministerium,

Kairo Universität, Alexandria Universität,

Sohag Universität und South Valley Universität

Projektart

Postgraduierten-

kurs

Masterstudiegang

Kooperation

Kooperation

Kooperation

Masterstudiegang

Durchführende Hochschule

U Duisburg-Essen

HS Wismar

TU München

TU Cottbus

FH Köln

Universitätsklinikum Köln

Fachbereich

Water Technologies

Design, Produkt- und

Textilgestaltung

Forst- und

Holzwissenschaft

Städtebau

Ingenieurswissen-

schaften

Pädiatrie

Titel

IWATEC - Integrated

Water Technologies

Kunst- und Designgeschichte in

Oberägypten

Nachhaltige Forstwirtschaft

in Wüstengebieten unter

Verwendung von Abwässern

Transformation Partnership for

Urban Design

and Architecture

PARTNAR- Participatory Planning

and Natural Resources

Management

Kinderkardiologie:

Masterstudiengang im Bereich

angeborene Herzfehler

Partnerhochschule

Fayoum Universität

South Valley Universität

Ain Shams Universität,

Alexandria Universität

Kairo Universität

Ain Shams Universität

Kairo Universität

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Frauen in der Wissenschaft: Quo vadis, Ägypten?Wie sich die Freie Universität Berlin für eine Geschlechtergleichstellung im ägyptischen Hochschulsystem stark macht

Auf einen Blick

+ Dezember 2011: Fact Finding Mission

+ 19.-24. Juni 2012: Workshop Berlin „GenderEgypt“

+ August 2012: Aufbau einer elektronischen Kommunikations- und Kollaborationsplattform unter Mithilfe von zwei ägyptischen ExpertInnen

+ September 2012: Treffen und Podiumsdiskussion in Kairo zur konkreten Umsetzungsplanung des Projekts

+ November 2012: Konferenz in Kairo mit 50 TeilnehmerInnen

Projekt „Gender Equality in the Egyptian Higher Education System“

Beteiligte Universitäten:

FU Berlin

Alexandria University

Cairo University

Sohag University

South Valley University

„Ich bin so optimistisch.“ Wenn man Tahani Youssef das sagen hört, dann will man es ihr glauben. „Wir sind momentan vermutlich in der schlimmsten Situation überhaupt. Die politische Lage ist instabil, es geht in unserem Land völlig chaotisch zu. Aber ich glaube an das Gute.“ Tahani Youssef nimmt als eine von 25 ägyptischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern am fünftägigen „GenderEgypt“- Workshop im Juni 2012 in Berlin teil. Die Ägypterin ist nicht nur Professorin, sie arbeitet auch im Ministerium für Hochschulbildung in Kairo. Was sie sich für die Zukunft ihres Landes wünscht? „Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit.“

Ob Youssefs Wünsche in Erfüllung gehen, hängt maßgeblich davon ab, welche Rolle

die weibliche Bevölkerung in dem Land spielen wird. „Es ist bekannt, dass Frauen oft die Verlierer einer Revolution sind“, sagt Barbara Sandow. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Physik der FU Berlin und als Koordinatorin des Projekts „Gender Equality in the Egyptian Higher Education System“, das der DAAD finanziell unterstützt, auch für Organisation und Ablauf des Workshops mitverantwortlich.

Das Spektrum des Projekts, das federführend von Brigitta Schütt, Vizepräsidentin der FU Ber-lin und Professorin für Physische Geografie, geleitet wird, reicht von eine Serie an Work-shops in Kairo und Berlin über ein Mentoring-Programm bis hin zu Gender- und Diversitytrai-nings an den vier Hochschulen in Alexandria, Kairo, Sohag und Qena.

„Wir tun gut daran, das wissenschaftliche Per-sonal und die Mitarbeiter im Hochschulminis-terium in diesen Bereichen zu sensibilisieren“, erklärt Barbara Sandow. „Wir wollen mit un-serer Erfahrung den Transformationsprozess in Ägypten unterstützen.“ Die FU Berlin blickt auf eine fast 30-jährige Tradition in der Frauen-förderung und Gleichstellung zurück. Die Uni-versität führt seit Jahren das bundesdeutsche Hochschulranking nach Gleichstellungsaspek-ten an. Das Geheimnis liegt darin, dass die FU Berlin Gleichstellungsziele in einer Vielzahl von internen Entscheidungsprozessen und univer-sitären Abläufen verankert hat.

Laut Barbara Sandow bietet dieses frauenförderliche Umfeld eine optimale Ausgangsbasis für die Zusammenarbeit mit den ägyptischen Hochschulen: „Man sieht ja, dass das Interesse bei den Workshop-Teilnehmern extrem groß ist.“ Kaum hat die Veranstaltung begonnen, werden die anwesenden deutschen Hochschulvertreterinnen auch schon mit Fragen bombardiert.

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„Ich wünsche mir kluge und verantwortungsvolle Eliten“

„Die ägyptischen Schulbücher fördern die Entstehung von Rollenstereotypen“, beklagt sich beispielsweise Sahar Wahby, Lehrbeauftragte an der Universität in Sohag. „Jungs dürfen draußen toben, Mädchen müssen der Mutter im Haushalt helfen. Ist das in deutschen Schulbüchern auch so?“, möchte sie von Margreth Lünenborg, Professorin für Journalistik und Leiterin der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen-

und Geschlechterforschung an der FU Berlin, wissen.

Der vielleicht wichtigste Kommentar des Tages kommt aber von Tamer Essam, Direktor des Zentrums für Biotechnologie an der Universität Kairo und zugleich einer der zehn männlichen Workshopteilnehmer: „Ich habe eine Frau, eine Tochter, eine Mutter, und ich habe eine Assistentin in meinem Büro. Sie alle können

nur dann einen guten Job machen, wenn wir uns um Geschlechtergleichstellung bemü-hen.“ Sein Fazit: „Nur wenn die Frauen eine gleichberechtigte Rolle in der Gesellschaft einnehmen, dann wirst auch du als Mann Er-folg haben, privat wie beruflich.“ Es bleibt zu hoffen, dass sich seine männlichen Kollegen in Ägypten daran ein Beispiel nehmen.

Seit 1960 gibt es eine DAAD-Außenstelle in Kairo. Ihr Leiter, Dr. Michael Harms, erklärt im Interview, was sich durch die Revolution verändert hat und warum ihn die Ägypter manchmal ein bisschen an die alten Griechen erinnern.

Herr Harms, welche Auswirkungen hat der Arabische Frühling auf Ihre Arbeit?Die Hochschulpolitik in Ägypten ist heute eine völlig andere als noch vor zwei Jahren. Seit dem Sturz von Mubarak wurde der Minister für Hochschulbildung und Forschung siebenmal ausgetauscht. Ständig wechseln unsere Ansprechpartner. Es ist wie bei

Sisyphos: Man muss immer wieder von vorne anfangen.

Wo ist der Nachbesserungsbedarf im ägyptischen Hochschulwesen denn am größten?Die Umstrukturierung der Hochschulen ist eine echte Herkulesaufgabe, um in der griechischen Mythologie zu bleiben. Die Universitäten platzen aus allen Nähten. Durch das Bevölkerungswachstum könnte man theoretisch jedes Jahr eine neue Universität in Ägypten aufmachen. Allein: Es fehlt an Mitteln und Lehrpersonal.

Was erwarten die Ägypter nach der Revolution konkret vom DAAD? Vor allem Zugang zur deutschen Wissenschaft und Forschung. Sie wollen neue Impulse bei Reformen und in der Hochschulkooperation.

Ägypten im Jahr 2020: Wo würden Sie das Land gerne sehen?Ich wünsche mir kluge und verantwortungsvolle Eliten in allen Disziplinen und Bereichen. Es gibt nach wie vor viele Analphabeten in Ägypten. Nur die Eliten können das Land voranbringen und die Weichen für die Zukunft stellen – und zwar im Interesse der gesamten Bevölkerung.

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Hochschulen in Ägypten und Tunesien im Wandel

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1. Impressionen aus dem Workshop: Die Teilnehmer debattieren über Herausforderungen und Probleme der Germanistik in Tunesien.

2. Beate Schindler-Kovats, Leiterin des DAAD-Büros in Tunis.

3. Die Delegationsmitglieder aus Tunesien gemeinsam mit Frau Dr. Dorothea Rüland (links), Generalsekretärin des DAAD, und Mitarbeiterinnen des DAAD (rechts).

Das Interesse war groß, als der DAAD am 16. und 17. Februar 2012 alle zwölf tunesischen Institute für Germanistik und Deutsch als Fremdsprache zu einem „Runden Tisch“ in Tunis einlud. Insgesamt 20 Teilnehmer folgten der Einladung und diskutierten gemeinsam mit Vertretern des DAAD über Zustand und Zukunft des Fachs. Ziel des Workshops war es nicht nur, sich gegenseitig kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen, sondern auch Probleme und Lösungswege zu identifizieren. So wurde in Arbeitsgruppen beispielsweise über die Attraktivität des Deutschstudiums, die unterschiedlichen Sprachniveaus der tune-sischen Studierenden und die verschiedenen Profile des anwendungsorientierten Deutsch-unterrichts diskutiert.

Kurzmeldungen

1.

2.

3.

Was macht eigentlich eine Fachhochschule? Und warum ist die RWTH Aachen die beliebteste technische Universität bei arabischen Studierenden? Fünf Tage lang konnten sich Vertreter des tunesischen Hochschulministeriums sowie Universitätspräsidenten aus verschiedenen Provinzen des Landes ein eigenes Bild vom

Mehr Engagement und noch mehr konkretes Handeln: Das hat sich der DAAD in Tunesien auf die Fahnen geschrieben. Seit dem 1. September 2012 unterstützt ein neues Büro in Tunis alle Projekte, die im Rahmen der Transformationsprogramme gefördert werden. „Der Umbruch in Tunesien eröffnet neue Wege und Perspektiven“, erklärt DAAD-Vertreterin und Büroleiterin Beate Schindler-Kovats. „Der DAAD als Partner und Förderer der deutsch-tunesischen Hochschulkooperation möchte hierbei einen Beitrag leisten und schafft mit dem neuen Projektbüro in Tunis eine wichtige Schnittstelle. Eine Aufgabe, die mich fordert und begeistert.“ Das neue Büro dient nicht nur als Anlaufpunkt für alle, die mehr zum Thema Transformationspartnerschaft wissen wollen, sondern es wird auch für den Wissenschaftsstandort Deutschland werben.

Germanistikworkshop in Tunis: Deutsche Sprache im Fokus

Neues DAAD-Büro in Tunis: „Eine Aufgabe, die mich begeistert“

Tunesische VIP-Delegation in Bonn: Auf Tuchfühlung mit deutschen Hochschulen

deutschen Hochschulsystem machen und Antworten auf ihre Fragen finden. Die neunköpfige Delegation traf Ende März 2012 in Bonn ein. Auf dem Programm standen neben der weiteren Planung der DAAD-Kooperation auch Gespräche mit deutschen Hochschulvertretern und dem BMBF.

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Hochschulen in Ägypten und Tunesien im Wandel

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4. Gäste der Kick-Off-Veranstaltung in Kairo diskutieren über die deutsch-arabische Hochschulkooperation.

5. Dr. Wolfram Kerll, deutscher Botschafter in Tunesien, und Dr. Helmut Blumbach, DAAD-Abteilunsgleiter, begrüßen die Gäste des Roundtables in Tunis.

6. Interessierte Rückfragen beim Cairo Talk on Transformation and Change zum Thema: „The State we are in – Constitutional Development towards Reform or Restoration?”

5.

6.

Roundtables in Kairo und Tunis: Aufbruchstimmung nach der Revolution

Zwei Roundtables in Tunesien und Ägypten im Mai und Juni 2011 legten den Grundstein für die DAAD-Transformationspartnerschaft. In Kairo und Tunis trafen sich Wissenschaftler, Studierende und Dozenten aus Deutschland und den beiden Transformationsländern, um gemeinsam über die Hochschulkooperation nach den Umwälzungen zu diskutieren: In Kairo wurde der Workshop gemeinsam mit dem ägyptischen Science and Technology Development Fund und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerichtet.

DESERTEC-Workshop in Bonn: Energiewende für Nordafrika

Sauberer Solarstrom aus der Wüste und globale Energiesicherheit – das soll schon bald keine Zukunftsmusik mehr sein. Um den Ausbau des regenerativen Energiesektors in nordafrikanischen Ländern wie Tunesien, Ägypten oder Algerien voranzubringen, veranstaltete das DESERTEC University Network, in enger Zusammenarbeit mit dem DAAD, am 17. und 18. Oktober 2011 einen Workshop in Bonn, bei dem es vor allem um die Frage ging: Wie können noch mehr qualifizierte Fachkräfte im Bereich der erneuerbaren Energien ausgebildet werden? Eine deutsch-arabische Expertenkommission diskutierte vor diesem Hintergrund über relevante Masterprogramme in Deutschland, Stipendien für arabische Akademiker sowie neue Ausbildungswege für Studierende in den arabischen Ländern.

DAAD-Außenstelle in Kairo:Visionen für ein neues Ägypten

Unter dem Motto „Cairo Talks on Transformation and Change“ (CTTC) wurden 2011 fünf Veranstaltungen des DAAD-Büros in Kairo in Zusammenarbeit mit der FU Berlin und dem Orientinstitut Beirut organisiert, bei denen renommierte deutsche und ägyptische Wissen-schaftler über die politischen Entwicklungen in Ägypten debattierten. Ob Parlamentswahlen, die Rolle der Frauen bei der Revolution oder die Volksabstimmung zur Verfassungsänderung – zahlreiche wichtige und

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aktuelle Themen rund um das neue Ägypten kamen zur Sprache. Mit einer großen Kick-off-Veranstaltung im April 2012 stellte die DAAD-Außenstelle in Anwesenheit des deutschen Botschafters in Ägypten, Michael Bock, die vielfältigen neuen Fördermöglichkeiten sowie die frisch gestarteten Projekte der deutsch-arabischen Transformationspartnerschaft vor.

Studieren in Deutschland und Ägypten? Zwei neue Studiengänge machen’s möglich

Wer sich zwischen einem Auslandsaufenthalt und einem Studium entscheiden muss, kann schon bald beides haben: Die American University in Kairo und die Eberhard Karls Universität Tübingen planen die Einrichtung eines gemeinsamen Masterstudiengangs „Comparative & Middle East Politics and Society“. Das viersemestrige Studium kombiniert Politikwissenschaft und Transformationsforschung mit einer regionalwissenschaftlichen Spezialisierung. Die Helwan Universität Kairo und die BTU Cottbus werden in Zukunft einen gemeinsamen Masterstudiengang Archäologie anbieten. Beide Projekte werden vom DAAD gefördert.

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Erfolgreich im Trüben fischen: Nachhaltiges Wassermanagement in TunesienWie ein Lehrstuhl der TU Braunschweig sprichwörtlich Wasser auf die Mühlen der Revolution gießt und dadurch eine vielversprechende Aufbauarbeit leistet

Die Analyse von Wasserressourcen in Verbindung mit Good University Governance – das ist das Ziel eines Projekts am Institut für Ökologische und nachhaltige Chemie der Technischen Universität Braunschweig, das unter dem Namen „EM-PO-W-ER Tunisia“ Großes verspricht. „Ohne den Arabischen Frühling hätte es ein solches Projekt vermutlich nie gegeben“, erklärt Müfit Bahadir, der als Professor für Ökologische Chemie und Abfallanalytik an der TU für das Vorhaben verantwortlich zeichnet. „Eine Kooperation wäre unter einer autokratischen Staatsführung kaum möglich gewesen.“ Gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Karsten Breßler, Projektkoordinator am Institut für Ökologische und Nachhaltige Chemie, reiste Bahadir im Mai 2012 zur Kick-off-Veranstaltung nach Tunis – auch um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen: „Man kann jetzt offen sprechen. Eine Zusammenarbeit mit den Ministerien ist viel einfacher als früher.“ So stellten die tunesischen Behörden den Wissenschaftlern bereitwillig Daten für die Veranstaltung zur Verfügung.

In dem Projekt geht es konkret um die Untersuchung von Wasserressourcen und behandelten Abwässern, die in der tunesischen Landwirtschaft zur Bewässerung eingesetzt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf sogenannten „Emerging Pollutants“: Diese organischen Schadstoffe, etwa

Rückstände von Pestiziden, Arzneimitteln oder Wasch- und Reinigungssubstanzen, finden sich immer häufiger in Abwässern sowie Grund- und Oberflächengewässern. „Wir wollen die tunesischen Teilnehmer in der Analytik von Wasser- und Bodenproben fortbilden“, sagt Karsten Breßler. „Wir laden Studierende und junge Wissenschaftler nach Deutschland ein, deren Kenntnisse im Bereich der Umweltchemie nach dem Prinzip ‚Train the Trainers‘ aufgefrischt werden.“ Damit ist eines der wichtigsten Ziele des Projektes genannt: Junge Akademikerinnen und Akademiker werden darin ausgebildet, ihr Wissen an die Kollegen in der Heimat weiterzugeben.

Das Projekt verfolgt aber auch noch ein anderes Interesse. Während ihres Trainingsaufenthalts in Braunschweig werden die Tunesier mit deutschen Studierenden und Wissenschaftlern zusammengebracht, um Einblick in die Funktionsweisen einer demokratischen Hochschule zu erhalten. Die Teilnehmer lernen Schritt für Schritt alle wichtigen Universitätsstrukturen der TU Braunschweig kennen, die eine partizipative, konsensorientierte und transparente Hochschulpolitik möglich machen. Diese Erfahrungen nehmen die Studierenden und Wissenschaftler mit in ihr Heimatland und helfen so, den Transformationsprozess zu einem demokratischen Hochschulsystem

mitzugestalten. Laut Müfit Bahadir geht es dabei um viel mehr als nur die Vermittlung von Good University Governance: „Auch bei uns läuft natürlich nicht alles 100-prozentig. Die Tunesier sollen lernen, dass auch wir immer wieder auf Probleme stoßen, über die dann aber offen und ehrlich diskutiert werden kann.“

An dem Projekt, das eine finanzielle Unterstützung durch den DAAD erhält, sind gleich zwei tunesische Institute beteiligt: zum einen das „National Research Institute for Rural Engineering, Water and Forestry“ (INGREF) in Tunis, zum anderen das „Higher Institute for Agronomic Sciences ISA CM“ der Universität Sousse. Eine enge Kooperation mit den Kollegen in Tunesien wird durch Olfa Mahjoub garantiert, die als promovierte Wissenschaftlerin am INGREF ebenfalls in die Projektleitung eingebunden ist.

Müfit Bahadir weiß, wie wichtig ein kontinuierlicher Austauschprozess mit den Tunesiern ist: „Man kann bei einem solchen Projekt viel Porzellan zerschlagen. Deshalb legen wir großen Wert darauf, keinen oberlehrerhaften Ton an den Tag zu legen. Die Projektteilnehmer sollen unser Land und unser Universitätssystem mit eigenen Augen entdecken. Man darf ihnen unsere Meinung nicht aufoktroyieren.“Bahadir spricht aus Erfahrung. Er ist Mitglied des DAAD-Vorstands und blickt auf eine lange Zusammenarbeit mit dem deutschen Austauschdienst zurück. Im April 2010 wurde das Kompetenzzentrum für Entwicklungszusammenarbeit „Sustainable Water Management in Developing Countries“ unter Leitung von Bahadir an der TU

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Auf einen Blick

+ 10.-15. April 2012: Koordinationsreise nach Tunis

+ 1.-6. Mai 2012: Kick-off-Veranstaltung in Tunis

+ 20.-31. Mai 2012: Koordinationsreise und Trainingskurse in Braunschweig

+ 1. September-15. Oktober 2012: Trainingskurse in Braunschweig

+ 10.-16. September 2012: Workshop in Hammamet “Emerging Pollutants in the Mediterranean basin”

+ 16. September-15. Oktober 2012: Besuch junger Wissenschaftler aus Tunesien in Braunschweig

+ 11.-12. Oktober 2012: Governance Workshop in Braunschweig

+ 12.-16. November 2012: Good University Governance Workshop in Braunschweig

+ 3.-8. Dezember 2012: Evaluationsworkshop in Tunis

Projekt „EM-PO-W-ER Tunisia – EMerging POllutants in Water and WastewatER in Tunisia“

Beteiligte Institutionen:

Technische UniversitätBraunschweig

National Research Institute for Rural Engineering, Water and Forestry(INGREF) in Tunis

Higher Institute for Agronomic Sciences ISA CM der Universität Sousse

Braunschweig eröffnet. Der DAAD fördert es mit vier anderen Zentren im Programm „exceed – Hochschulexzellenz in der Entwicklungszusammenarbeit“. Davon profitiert auch das aktuelle Projekt: „Im September 2012 organisieren wir einen Workshop in Hammamet mit Stakeholdern der gesamten Region“, erzählt Bahadir. „Daran nehmen Ministerialbeamte, Minister, Wissenschaftler und viele andere Vertreter aus dem Bereich nachhaltiges Wassermanagement teil, die unter anderem aus Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Türkei und Griechenland kommen.“ Hammamet ist ein beschaulicher Badeort im Nordosten von Tunesien. Globalisierung heißt eben auch: transnationales Denken und Handeln im lokalen Kontext.

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Der DAAD-Expertenkreis besteht aus Stipendiaten, Alumni, Geförderten und dem DAAD verbundenen Wissenschaftlern aus Tunesien und Ägypten. Er tagt in regelmäßigen Abständen und erarbeitet bzw. formuliert Anregungen, Kritik und Vorschläge zu der Rolle der deutsch-arabischen Hochschulkooperation im Umbruchprozess.

Die Mitglieder des Expertenkreises bei ihrem Treffen 2012 in der Zentrale des DAAD in Bonn.

Stimmen aus dem DAAD-Expertenkreis

Die Ägypterin Doaa Soliman ist DAAD-Masterstipendiatin an der Universität Duisburg-Essen im Bereich Development and Governance.

„Warum ich mich für den DAAD und keine andere Organisation entschieden habe? Meiner Meinung nach bietet nur der DAAD ein ganzheitliches Programm. Es geht nicht bloß um die Vergabe von Stipendien, sondern um Networking, Ideenfindung und die Weiterentwicklung des Bildungssystems im Ausland. Ich wünsche mir Ägypten als faires Land – ein Land, in dem deine Stimme erhört wird, wenn du offen über Probleme sprichst. All das kann nur mit einem guten Hochschulsystem erreicht werden, das den Menschen die notwendige Bildung ermöglicht.“

Haikal El Abed kommt aus Tunesien und lebt seit 1994 in Deutschland. Er ist Diplom-Informatiker an der TU Braunschweig.

„Ich konnte dank der DAAD-Programmlinie 2 schon drei Summer Schools in Tunesien organisieren – davon eine bereits kurz nach der Revolution zum Thema Innovationen im Hochschulbereich. Der Faktor Zeit hat eine entscheidende Rolle gespielt: Die Gelder wurden schnell bewilligt, Programme zeitnah geschaffen. Auch in meinem Bekanntenkreis wird viel Positives über die Programmlinie 2 berichtet, weil sie am flexibelsten ist. Der Aufwand ist viel geringer als bei einem größeren, längerfristigen Projekt.“

Ebtisam Hussein ist Ägypterin und DAAD-Promotionsstipendiatin an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies.

„Ich bin ein anspruchsvoller Mensch. Ich wünsche mir, dass sich die Revolutionen auf der Straße in der Ausbildung in unseren Ländern widerspiegeln. Der Expertenkreis ist sehr wichtig, weil wir hier die Gelegenheit haben, über die Forschung und Wissenschaft in Ägypten und Tunesien zu diskutieren. Wir kommen alle aus unterschiedlichen Städten und Fachrichtungen. Als Politikwissenschaftlerin möchte ich erfahren, was andere Menschen denken und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.“

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Studentische Partizipation: Demokratie im Kleinformat

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1. Studierende der Cairo University vor dem Kanzleramt in Berlin.

2. Studentin der Helwan Universität.

3. Ägyptische Studierende im Gespräch mit Studierendenvertretern der TU Berlin.

4. Die Studierendengruppe erkundet den Campus der FU Berlin

AStA, Fachschaften und Studentenparlamente sind aus dem deutschen Hochschulwesen nicht mehr wegzudenken, gehören in Ägypten aber noch längst nicht zu den Selbstverständlichkeiten des Studienalltags. Um die studentische Mitbestimmung im Sinne des Good-Governance-Ansatzes zu verbessern, wurden daher ägyptische Studentenvertreter im Februar 2012 mit Unterstützung des DAAD von deutschen Hochschulen eingeladen. Das Ziel: Die Vermittlung eines demokratischen Universitätssystems in Theorie und Praxis, um die Hochschulen in Ägypten in studentischer Selbstverwaltung fit zu machen.

Dazu empfingen die TU Berlin und die HafenCity University in Hamburg eine Gruppe von 15 Studierenden der Ain Shams Universität in Kairo. Das zehntätige Programm reichte von allgemeiner studentischer Partizipation in der Hochschulpolitik auf Landes-, Stadt- und Universitätsebene bis hin zur Vorstellung interessanter Sonderfälle, etwa Berufungs- und Ausbildungskommissionen. Da zur selben Zeit auch eine Studierendengruppe der Cairo University an der FU Berlin zu Gast

war, konnten die Programme miteinander verknüpft werden.

Ein ganz ähnliches Angebot stellte die PH Ludwigsburg auf die Beine, die nicht nur ägyptische Studierende der Helwan Universität ins Schwabenland einlud, sondern auch selbst Vertreter nach Kairo schickte. „Wir wissen jetzt, welche Formen der Partizipation möglich sind“, sagte Amira Fouad, eine der Studentenvertreterinnen aus Kairo. „Wir müssen nun prüfen, welche auch bei uns Anwendung finden können.“ Für die meisten Teilnehmer waren die Erfahrungen absolut neu und wertvoll.

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German Studies in Tunesien: Viel mehr als nur Goethe und SchillerWie der Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Kulturgeschichte der TU Dresden mit der Université de Gabès an einem neuen Masterstudiengang tüftelt

Für Walter Schmitz sprechen viele Gründe dafür, gerade jetzt mit den Kollegen in Tunesien zusammenzuarbeiten: „Für mich gibt es ein Ethos des Fachs und Solidarität über Ländergrenzen hinaus. Auch wenn das vielleicht ein bisschen altmodisch klingt“, sagt der Professor für Neuere Deutsche Literatur und Kulturgeschichte an der Technischen Universität Dresden. „Wo auch immer die Germanistik in der Welt Hilfe braucht, sollte sie auf die deutschen Kollegen zählen können.“ Schmitz ist Leiter eines Projekts zur Entwicklung eines Masterstudiengangs „German Studies“ an der Université de Gabès in Südtunesien. „Ohne den DAAD gäbe es das Projekt nicht“ – davon ist Schmitz überzeugt. „Und es gäbe es genauso wenig ohne die vielen engagierten Leute in Tunesien, die auch weit über die DAAD-Finanzierung hinaus arbeiten.“

Das Projekt wird für die Dauer von zwei Jahren gefördert. Obwohl es in letzter Konsequenz auf einen Masterstudiengang abzielt, geht es zunächst um die Entwicklung und Erprobung von Modulen. „Es gibt in Tunesien immer noch keine neuen Studiengänge, die nicht auf einem umständlichen und hierarchischen Weg durch das Hochschulministerium bewilligt werden müssen“, begründet Schmitz dieses Vorgehen. „Die Universitäten haben bei weitem noch nicht die Autonomie, die man von europäischen Unis kennt. Es gibt letztlich

keinen Verwaltungsschritt, der nicht letztlich vom Ministerium gesteuert wird.“ Daher setzt Schmitz auf die Ausgestaltung von Modulen, die sich auf vier Schwerpunkte konzentrieren: „Sprache: Praxisfeld Kommunikation“, „Methoden der Kulturwissenschaft“, „Literatur und Medien“ sowie „Civilisation: Deutschland heute“. Letzteres wird einen Großteil der Arbeit im Projekt auf sich ziehen, denn hier sollen Kapitel eines Lehrwerks erarbeitet werden, die auch als Grundlagenwissen für die anderen Bereiche dienen. Die Veranstaltungen der Module verteilen sich auf drei Semester. Das vierte und letzte Semester ist einer Abschlussarbeit auf Deutsch vorbehalten.

Der Vorteil an diesem Konzept: „Wir können die Module auch anderen zur Verfügung stellen. Vielleicht lassen sie sich sogar an anderen Universitäten und in anderen Bereichen integrieren“, erklärt Schmitz. Dabei wird vor allem Wert darauf gelegt, dass sich die Inhalte an den Bedürfnissen vor Ort orientieren. „Was wir auf jeden Fall vermeiden wollen, ist ein Kolonialismus des guten Willens. Die tunesischen Kollegen haben das Heft in der Hand.“ Das betont der Professor ausdrücklich. „Wir geben uns Mühe, den Tunesiern ein Angebot zu unterbreiten, das sich unserer Meinung nach bewährt hat und auch hilfreich für die Entwicklung in Tunesien ist.“

Die Université de Gabès ist die zentrale Universität in Südtunesien und zugleich einer von zwei international wettbewerbsfähigen Germanistik-Standorten neben der Universität La Manouba in Tunis. Über 300 Tunesier studieren Germanistik in Gabès, laut Schmitz „eine beachtliche Zahl.“ Im ganzen Land gibt es allerdings nur vier Professoren. Insgesamt schätzt Schmitz seine tunesischen Kollegen als sehr engagiert und gut ausgebildet ein. Dennoch gibt es viel zu tun: „Die meisten Wissenschaftler waren durch die Diktatur von internationalen Kontakten abgeschnitten. Hinzu kommt die mangelhafte Infrastruktur. Bücher sind praktisch nicht vorhanden“, gibt er zu bedenken. „Das ist für ein Fach wie die Germanistik, die immer noch auf dem gedruckten Wort basiert, ein gravierendes Problem.“

Der Dresdner Professor ist deshalb der Meinung, dass ein konzeptionelles Vorgehen notwendig ist, welches von dem übergeordneten Ziel geleitet wird, dass die Germanistik ein spezifisches Profil je nach den Bedürfnissen des Landes erhält. „Diese Diskussion gibt es seit drei Jahrzehnten und sie bündelt sich in dem Stichwort ‚German Studies‘. Dahinter verbirgt sich die Wende von den traditionellen Inhalten des Fachs Sprache und Literatur, eventuell im Ausland ergänzt durch Landeskunde, hin zum Erwerb einer integrierten Deutschlandkompetenz.“ Das Konzept „German Studies“ gewinnt als Diskussionsgrundlage auch in Deutschland zunehmend an Attraktivität. Ob es sich letztendlich in Tunesien umsetzen lässt, steht allerdings noch in den Sternen. Es gibt Grund zur Hoffnung, da zum ersten Mal freie Universitätswahlen in Tunesien stattgefunden haben. Alle Gremien und

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Auf einen Blick

Projekt „Entwicklung und Probelauf eines Masterstudiengangs German Studies“

Beteiligte Hochschulen:

TU Dresden

Université de Gabès

+ Juni-September und Oktober-Dezember 2012: Studierende aus Gabès zu Gast in Dresden

+ September-November 2012: Bestandsaufnahme und Bedarfserhebung für die zu entwickelnden Module

+ Oktober-Dezember 2012: Besuch einer Dresdner Tutorin in Gabès, um Lehrveranstaltungen zu begleiten, Lehrende und Studierende kennen- zulernen und zu prüfen, welche Lehrveranstaltungen in das Master-Programm integriert werden sollten

+ September-Dezember 2012: Besuch eines Dresdner Tutors in Gabès, um Lehrveranstaltungen zu begleiten und zu evaluieren sowie um eine Übung zu Modul 4 (Einführung in die Transformationsforschung) anzubieten und die Bibliothek zu sichten

+ Oktober-Dezember 2012: Modulentwicklung, Erstellung von Lernumgebungen für autonomes Lernen und Anpassung bestehender Angebote

neuen Funktionsträger, etwa Dekane und Rektoren, wurden nicht einfach eingesetzt, sondern mussten gewählt werden. „Aber es gibt noch kein neues Hochschulgesetz“, sagt Schmitz. „Die Revolution ist noch nicht in den

Strukturen angekommen. Das wird ein langer Prozess sein.“ Er gibt sich zuversichtlich: „Tunesien hat jetzt eine Chance nach der Revolution, und in dieser Phase brauchen die tunesischen Kollegen unsere Hilfe.“

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Herausgeber DAADDeutscher Akademischer Austauschdienst

German Academic Exchange Service

Kennedyallee 50, 53175 Bonn (Germany)

www.daad.de

Referat Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft – Kulturdialog

ProjektkoordinationDr Renate Dieterich

Konzeption und RedaktionMedia in Cooperation and Transition (MICT), Berlin,

www.mict-international.org

Anke Fiedler, Lilli Kardouh, Dirk Spilker in Kooperation mit dem DAAD

AbbildungenTU Cottbus (Projekt: Transformation Partnership for Urban Design

and Architecture) 1; TU Berlin (Workshop: New Urban Revolution) 6,

10, 11; FU Berlin (Ausgrabungen im Quesna Delta) 6, 10; U Hamburg

(Workshop: Partizipation im (post-)revolutionären Ägypten) 6, 7, 11;

DAAD 5, 7, 18, 14, 15; Prof. Maged El-Sherbiny 8; Prof. Jelel Ezzine 8;

TU München (Projekt: Nachhaltige Forstwissenschaft) 9; Nour El Refai

10, 15, 19; FU Berlin (Projekt: Gender Equality) 12, 13; DAAD Außenstelle

Kairo 15; TU Braunschweig (Projekt: EMPOWER Tunisia) 16, 17;

FU Berlin (Projekt: Studentische Partizipation) 19;

TU Berlin (Projekt: Studentische Partizipation) 19; TU Dresden (Projekt:

German Studies) 20, 21.

Design und Layout Kate Bowden, Berlin, www.katebowden.co.uk

DruckDruckhaus Schöneweide, Berlin, www.dhsberlin.de

September 2012 – 3.000

Gedruckt in Deutschland

© DAAD

Die Programmmittel der Deutsch-Arabischen

Transformationspartnerschaft und diese Publikation werden aus

Zuwendungen des

Auswärtigen Amtes an den DAAD finanziert.

Gefördert durch

Impressum

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