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Vorlesung Erziehungs- und Sozialisationstheorien

Dr. Carlos Kölbl

Wintersemester 2007/08

Justus-Liebig-Universität Gießen

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Vorlesungsplan

18.10.: Einführung

25.10.: Psychoanalyse I: Freud

1.11.: Psychoanalyse II: Erikson

8.11.: Bindungstheorie

15.11.: Strukturgenetische Theorien I: Piaget

22.11.: Strukturgenetische Theorien II: Kohlberg

29.11.: Lerntheorien

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Vorlesungsplan

6.12.: Funktionalismus und Systemtheorie

13.12.: Rollen- und Interaktionstheorien

20.12.: Gesellschaftstheorien

10.1.: Sozialisation in der Familie

17.1.: Sozialisation in der Gruppe der Gleichaltrigen

24.1.: Schulische Sozialisation

31.1.: Berufliche und betriebliche Sozialisation

7.2.: Resümee

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Einführungs-/Überblickswerke

Geulen, Dieter & Veith, Hermann (Hrsg.) (2004): Sozialisa-tionstheorie interdisziplinär. Aktuelle Perspektiven. Stutt-gart: Lucius & Lucius.

Hurrelmann, Klaus (1995): Einführung in die Sozialisations-theorie. Weinheim und Basel: Beltz.

Hurrelmann, Klaus & Ulich, Dieter (Hrsg.) (1991): Neues Handbuch der Sozialisationsforschung. Weinheim und Basel: Beltz.

Koller, Hans-Christoph (2004): Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

Tillmann, Klaus-Jürgen (1993): Sozialisationstheorien. Eine Einführung in den Zusammenhang von Gesellschaft, Institution und Subjektwerdung. Reinbek: Rowohlt.

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Themenbereiche

Psychoanalyse I: FreudMiller, Patricia (1993): Freuds und Eriksons psychoanalyti-

sche Theorien. In: dies.: Theorien der Entwicklungspsy-chologie, S. 113-153. Berlin: Spektrum.

Psychoanalyse II: EriksonMiller, Patricia (1993): Freuds und Eriksons psychoanalyti-

sche Theorien. In: dies.: Theorien der Entwicklungspsy-chologie, S. 153-171. Berlin: Spektrum.

BindungstheorieDornes, Martin (2000). Die emotionale Welt des Kindes.

Frankfurt a. M.: Fischer.Zeitschrift „Psychologie in Erziehung und Unterricht“, Jg. 47,

Hefte 2 und 3 (2000). [Themenhefte „Bindung“]

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Themenbereiche

Strukturgenetische Theorien I: PiagetGinsburg, Herbert P. & Opper, Sylvia (1998): Piagets Theorie

der geistigen Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta.Miller, Patricia (1993): Piagets Theorie der kognitiven

Stadien. In: dies.: Theorien der Entwicklungspsychologie, S. 45-111. Berlin: Spektrum.

Strukturgenetische Theorien II: KohlbergGarz, Detlef (1995): Kohlberg zur Einführung. Hamburg:

Junius.LerntheorienUlich, Dieter (1991): Zur Relevanz verhaltenstheoretischer

Lern-Konzepte für die Sozialisationsforschung. In: Hurrel-mann/Ulich, S. 57-75. Weinheim und Basel: Beltz.

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Themenbereiche

Funktionalismus und SystemtheorieSchulze, Hans-Joachim/Künzler, Jan (1991): Funktionalisti-

sche und systemtheoretische Ansätze in der Sozialisations-forschung. In: Hurrelmann & Ulich, S. 121-136. Weinheim und Basel: Beltz.

Rollen- und InteraktionstheorienJoas, Hans (1991): Rollen- und Interaktionstheorien in der

Sozialisationsforschung. In: Hurrelmann/Ulich, S. 137-152. Weinheim und Basel: Beltz.

GesellschaftstheorienOttomeyer, Klaus (1991): Gesellschaftstheorien in der Sozia-

lisationsforschung. In: Hurrelmann/Ulich, S. 153-186. Weinheim und Basel: Beltz.

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ThemenbereicheSozialisation in der Familie: Kreppner, Kurt (1991): Sozialisation in der Familie. In:

Hurrelmann/Ulich, S. 321-334. Sozialisation in der Gruppe der Gleichaltrigen: Krappmann, Lothar (1991): Sozialisation in der Gruppe der

Gleichaltrigen. In: Hurrelmann/ Ulich, S. 355-375. Schulische Sozialisation:Tillmann, Klaus-Jürgen (1993): Sozialisation durch die Schu-le

– zugleich eine Einführung in soziologische Basistheo-rien. In: ders., S. 104-186.

Ulich, Klaus (1991): Schulische Sozialisation. In: Hurrel-mann/Ulich, S. 377-396.

Berufliche und betriebliche Sozialisation: Heinz, Walter R. (1991): Berufliche und betriebliche Sozialisation. In: Hurrelmann/Ulich, S. 397-415.

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Einführung

1. Was ist Erziehung, was Sozialisation?

2. Ein historischer Abriss der Sozialisationsforschung

3. Aufbau und Anliegen der Vorlesung

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Was ist Erziehung?

Erziehung als Beeinflussung psychischer Dispositionen

(Wolfgang Brezinka 1978: Metatheorie der Erziehung)

„Unter den vielen Handlungen, die Menschen ausführen, gibt es auch solche, die als ‚Erziehen’ bezeichnet werden. Wodurch unterscheidet sich erzieherisches Handeln von anderen Handlungen? In erster Linie durch den Zweck, den der Handelnde verfolgt. Er will durch sein Handeln etwas Bestimmtes erreichen: er will in einem oder in mehreren anderen Menschen eine bestimmte Wirkung hervorbringen.“

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Erziehung als Beeinflussung psychischer Dispositionen

1. Erziehung ist eine bestimmte Form sozialen Handeln.

2. Erziehung ist ein soziales Handeln zwischen mindestens zwei Personen, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen.

3. Erziehung kann als ein kausales Ursache-Wirkungs-Verhältnis begriffen werden.

4. Die Wirkung erzieherischen Handelns betrifft nicht nur das äußere Verhalten des Educanden, sondern mehr noch sein „Inneres“.

5. Erziehung ist ein wertorientiertes bzw. an Normen orientiertes Handeln.

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Erziehung als Beeinflussung psychischer Dispositionen

Probleme

1. Einer Handlung ist nicht einfach anzusehen, ob sie eine erzieherische ist oder

nicht.

2. Ursachen ohne Wirkung.

3. Wirkung ohne Ursache

4. Erziehung als Subjekt-Objekt-Relation

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Erziehung als symbolische Interaktion

1. Soziales Handeln ist Rollenhandeln. Durch Erziehung werden die Grundqualifikationen des Rollenhandelns erworben.

2. In der Erziehung werden nicht nur die Intentionen des Erziehers, sondern auch die des Edukanden wirksam.

3. Erziehung ist Interpretation und Aushandlung erzieherischer Intentionen, Begründung und Aus-handlung von Regeln und Rollenerwartungen.

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Erziehung als symbolische Interaktion

Erziehung ist ein „dem Sinne nach aufeinander bezogenes gegenseitiges soziales Handeln oder ein Prozeß symboli-scher Interaktion zwischen mindestens zwei Personen – im Regelfall einer älteren, wissenden oder kompetenteren Person und einer jüngeren, weniger wissenden und noch nicht kompetenten – in welcher es um die gegenseitige Aufhellung und Aufklärung von Rollen, Positionen und Wertorientierungen, Normen, Intentionen und Legitimatio-nen des sozialen Handelns und des dieses mitbedingenden sozialen und gesellschaftlichen Feldes geht.“ (Friedrich W. Kron 1996: Grundwissen Pädagogik)

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Was ist Sozialisation? Durkheim

„Statt daß die Erziehung das Individuum und sein Interesse als einziges und hauptsächliches Ziel hat, ist sie vor allem das Mittel, mit dem die Gesellschaft immer wieder die Bedingungen ihrer eigenen Existenz erneuert. Die Gesellschaft kann nur leben, wenn unter ihren Mitgliedern ein genügender Zusammenhalt besteht. Die Erziehung erhält und verstärkt diesen Zusammenhalt, indem sie von vorneherein in der Seele des Kindes die wesentlichen Ähnlichkeiten fixiert, die das gesellschaftliche Leben voraussetzt. Aber ohne eine gewisse Vielfalt wäre andererseits jede Zusammenarbeit unmöglich. Die Erziehung sichert die Fortdauer dieser notwendigen Vielfalt, indem sie sich selbst vervielfältigt und spezialisiert. Sie besteht also unter der einen wie der anderen Ansicht aus einer methodischen Sozialisierung der jungen Generation.“

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Sozialisationsbegriff I: Durkheim

1. Sozialisation ist ein Mittel zur gesellschaftlichen

Reproduktion

2. Sozialisation besteht in der Ausbildung des sozialen Wesens des Menschen.

3. Erziehung ist methodische Sozialisierung.

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Sozialisationsbegriff II: Bourdieu

„Die Konditionierungen, die mit einer bestimmten Klasse von Existenzbedingungen verknüpft sind, erzeugen die Habitusformen als Systeme dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, als strukturierte Strukturen, die wie geschaffen sind, als strukturierende Strukturen zu fungieren, d.h. als Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen, die objektiv an ihr Ziel angepaßt sein können, ohne jedoch bewusstes Anstreben von Zwecken und ausdrücklich Be-herrschung der zu deren Erreichen erforderlichen Operationen voraus-zusetzen, die ‚objektiv’ geregelt und ‚regelmäßig’ sind, ohne irgend-wie das Ergebnis der Einhaltung von Regeln zu sein, und genau des-wegen kollektiv aufeinander abgestimmt sind, ohne aus dem ordnen-den Handeln eines Dirigenten hervorgegangen zu sein.“

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Sozialisationsbegriff II: Bourdieu

Bestimmungsmerkmale

1. Im Zuge der Sozialisation werden verschiedene Arten von Kapital

erworben.

2. Im Zuge der Sozialisation finden Positionierungen im sozialen Raum

statt.

3. Im Zuge der Sozialisation finden Habitualisierungen statt.

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Erziehung und Sozialisation

Erziehung als Sozialmachung

Sozialisation als Sozialwerdung

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Historischer Abriss

Das Sozialisationsproblem um die Jahrhundertwende

Sigmund Freud

Behavioristische Lerntheorie

Jean Piaget

George Herbert Mead

Der Integrationsversuch Talcott Parsons‘

Die empirische Sozialisationsforschung

Neuere Tendenzen

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Das Sozialisationsproblem um die Jahrhundertwende

Beginn der Sozialisationsforschung i.e.S. in den 1920er/1930er Jahren

Wichtige Theoretiker aber schon früher, z.B. Emile Durkheim (1858-1917)

Sozialisation als Verinnerlichung gesellschaftlicher Zwän-ge („conscience collective“)

Erziehung als methodische Sozialisierung („socialisation méthodique“)

„Mechanische Solidarität“ vs. „organische Solidarität“ in Abhängigkeit von der Arbeitsteiligkeit einer Gesellschaft

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Sigmund Freud (1856-1939)

Phasen der psychosexuellen Entwicklung

Orale Phase

Anale Phase

Phallische Phase

Latenzphase

Genitale Phase

Psychische Instanzen

Es: Sitz der Triebe

Ich: Vermittlungsinstanz zwischen Es und Über-Ich

Über-Ich: Werte und Normen, Ich-Ideal

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Behavioristische Lerntheorie

Lernen als Reiz-Reaktionslernen

Ivan Pavlov, John B. Watson: Klassisches Konditionieren

Frederic B. Skinner: operantes Konditionieren

Albert Bandura: Lernen am Modell

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Jean Piaget (1896-1980)

Kognitive Entwicklung

1. Sensumotorische Stufe

2. Prä-operationale Stufe

3. Konkret-operationale Stufe

4. Formal-operationale Stufe

Mechanismen der Entwicklung:

Akkomodation und Assimilation

Kognitive Entwicklung erfolgt durch die Auseinander-setzung des Individuums mit der materiellen und sozialen Umwelt.

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George H. Mead (1863-1931)

„Komplement“ zu Piaget

Soziogenese der Identität

Perspektivenübernahme („Role-taking“)

„I“ – das spontan handelnde und denkende „Ich“

„Me“ – der bewusste Anteil des „Ichs“; das Resultat der über role-taking vermittelten Re-flexion meiner selbst

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Der Integrationsversuch von Talcott Parsons

Parsons (1902-1979) bemüht sich um eine Integration und Weiterführung einer Reihe von Ansätzen, darunter die von Durkheim, Freud und Mead sowie die behavioristische Lerntheorie.

Sozialisation ist der Prozess, durch den die Individuen die Dispositionen erwerben, die erforderlich sind, um die in der Gesellschaft vorgegebenen Rollen als Akteure spielen zu können.

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Der Integrationsversuch von Talcott Parsons

Zweiteilung von Motiveinheiten:

Abhängigkeit versus Autonomie

Instrumentell versus expressiv

Partikularismus versus Universalismus

Vorgegebene Qualitäten versus Verhalten und Leistung

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Die frühe amerikanische Sozialisationsforschung

Zusammenarbeit zwischen „Cultural Anthropology“ und Psychoanalyse; wichtige Arbeiten von B. Malinowski zum Ödipuskomplex bei den Trobriandern sowie von M. Mead über Kindererziehung in Samoa

„Kultur und Persönlichkeit“-Schule (u.a. F. Boas, R. Benedict, A. Kroeber, C. Kluckhohn, J. Whiting, C. Child, E. H. Erikson)

Themen nach dem Zweiten Weltkrieg: Sozialisation in der Peer-Group, in verschiedenen Subkulturen und Schichten, durch Medien

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Sozialisationsforschung in der Bundesrepublik

Orientierung an der US-amerikanischen Forschung

Schichtenspezifische Sozialisationsforschung

Rezeption im Zuge der Studentenbewegung

Reszientifizierung der Sozialisationsforschung

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Neuere TendenzenGesellschaftliche Bedingungen von Sozialisation:Kritik an der schichtenspezifischen Sozialisationsforschung

Der Ansatz der „sozialökologischen Sozialisationsforschung“

Vergesellschaftete Subjektivität:Psychoanalytische Sozialisationsforschung

Materialistische Sozialisationsforschung

Rollentheoretische Vorschläge und Identitätsforschung

Das sozial-kognitive Paradigma

Entwicklung und Lebenslauf:Strukturgenetische Theorie

Life-span developmental psychology

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Psychoanalyse I: Freud

1. Was ist Tiefenpsychologie

2. Wer war Sigmund Freud?

3. Wie verläuft die psychosexuelle Entwicklung?

3.1 Der dynamische Ansatz

3.2 Der strukturalistische Ansatz

3.3 Der topographische Ansatz

3.4 Die Stadien der Entwicklung

4. Welche Methoden wandte Freud an?

5. Was sind die Mechanismen der Entwicklung?

6. Was sind die Stärken und Schwächen der Theorie?

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Was ist Tiefenpsychologie?

1. Topologisch: Schichtenmodell der Systeme unbewußt - vorbewußt - bewußt; „tief“ sind die unbewußten Prozesse und die verdrängten Triebe

2. Genetisch: das Frühere, Ältere; die ersten Jahre sind entscheidend für die Persönlichkeitsent-wicklung

3. „Tiefe“ als das Primäre; das Unbewußt-Tiefe ist das Psychische an sich

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Wer war Sigmund Freud?

1856 geboren am 6. Mai in Freiberg, Mähren, als erstes Kind der 3. Ehe eines Wollkaufmannes. Es folgten noch 7

Geschwister. Erziehung formell jüdisch-orthodox

mit 4 Jahren Übersiedlung nach Wien

mit 9 Jahren Aufnahme in das Gymnasium

mit 17 Jahren Abitur als Klassenprimus

Studium der Medizin (8 Jahre), währenddessen

erste Forschungsarbeiten zur Anatomie des Aales

erste Publikationen zur Anatomie des ZNS

1881 Promotion

1885 Habilitation für Neuropathologie an der Univ. Wien

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Wer war Sigmund Freud?

1885/86 Studienaufenthalt an der Salpêtrie, Paris, bei Jean-Martin Charcot

Interesse für Hysterie und Hypnose

1886 Eröffnung einer Privatpraxis und Eheschließung mit Martha Bernays

1888 Studienaufenthalt bei Liébeault und Bernheim in Nancy, um die Hypnose zu erlernen

1895 „Studien über Hysterie“ zus. mit Joseph Breuer (Krankengeschichte der Anna O.), Ausgangspunkt der Psychoanalyse

1900 „Die Traumdeutung“

1910 Gründung der „Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung“

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Wer war Sigmund Freud?

Schüler von Freud gründen eigene tiefenpsychologische Schulen:

1911 Alfred Adler: Individualpsychologie

1913 Carl Gustav Jung: Analytische Psychologie

1920 Verlust einer Tochter

1923 „Das Ich und das Es“; Erkrankung an Gaumenkrebs

1930 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt

1933 Freuds Bücher werden symbolisch dem Feuer übergeben

1936 Korrespondierendes Mitglied der Royal Society

1938 Einmarsch der Nazis in Wien, kurzfristige Verhaftung Anna Freuds; Ausreise nach England; vier Schwestern werden in Auschwitz ermordet

1939 Freud stirbt am 23. September

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Freuds Trieblehre

„Unter einem Trieb können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle.“

Kennzeichen eines Triebes:

„Triebe und Triebschicksale“ (1915)

- Quelle: somatischer Anteil (leibliche Basis)

- Drang: motorisches Element, Kraft

- Ziel: Befriedigung durch Aufhebung des Reizzustandes

- Objekt: Mittel zur Triebbefriedigung (variable Komponente)

Eine besonders enge Bindung zwischen Trieb und Objekt nennt Freud Fixierung.

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Freuds Theorie des Seelischen

1. Topik: „Das Unbewußte“ (1915)

- Das Bewußte ist für uns unmittelbar erkennbar.

- Das Vorbewußte ist dem Bewußtsein relativ leicht zugänglich zu machen.

- Das Unbewußte widersetzt sich dem Bewußtsein (->

Abwehrmechanismen)

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Freuds Theorie des Seelischen

2. Topik: „Das Ich und das Es“ (1923)

- Das Es ist der „dunkle“ unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit (Triebimpulse)

- Das Über-Ich ist die Kontrollinstanz, Vertreter der gesellschaftlichen Normen, die wir im Laufe der Entwicklung verinnerlichen

- Das Ich ist der Außenwelt zugewandt und vermittelt zwischen Außenwelt, Über-Ich und Es-Impulsen. Die Abwehrmechanismen sind eine Funktion des Ichs.

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Die Stadien der psychosexuellen Entwicklung

Orale Phase (0-1)

Anale Phase (1-3)

Phallische Phase (5-10)

Latenzphase (5-10)

Genitale Phase (Adoleszenz)

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Welche Methoden wandte Freud an?

Selbstanalyse

Therapeutisches Setting

Kulturanalysen

Freie Assoziation, Übertragung, Gegenübertragung, Traumdeutung

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Was sind die Mechanismen der Entwicklung?

Konflikte und deren Bewältigung

Ursachen von Konflikten:

Reifung

Frustration von außen

Innere Konflikte

Persönliche Unzulänglichkeiten

Angst

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Was sind die Stärken und Schwächen der Theorie?

+ Die Einführung neuer psychologischer Prozesse

+ Klinische Bedeutung

- Unzureichende Methodologie

- Schwierigkeiten der Überprüfbarkeit

- Überbetonung der kindlichen Sexualität