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Prof. Dr. Jens Kersten Ludwig-Maximilians-Universität München Vorlesung Öffentliches Baurecht SoSe 2019

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Prof. Dr. Jens Kersten Ludwig-Maximilians-Universität München

Vorlesung

Öffentliches Baurecht

SoSe 2019

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Hinweise für die Arbeit mit diesem Skript Dieses Skript ergänzt die Baurechtsvorlesung. Es ersetzt nicht die Arbeit mit ei-nem Lehrbuch. Im Rahmen der Darstellung wird für die Vertiefung von Problemen auf Jens Kers-ten, Baurecht, in: Friedrich Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, München 2018, verwiesen. Für Ergänzungsvorschläge und Hinweise auf Fehler unter der folgenden E-Mail-Adresse wäre ich Ihnen sehr verbunden: [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS ......................................................................................... 3

LITERATURHINWEISE ........................................................................................... 9

A. EINLEITUNG ...................................................................................................... 13

B. GRUNDLAGEN ................................................................................................... 13

I. Privates und öffentliches Baurecht ................................................................................................. 13 1. Privates Baurecht ......................................................................................................................... 13 2. Öffentliches Baurecht ................................................................................................................... 14

a) Bauplanungsrecht..................................................................................................................... 14 b) Bauordnungsrecht .................................................................................................................... 16 c) Exkurs: Baurechtsklausur ......................................................................................................... 16

II. Verfassungsrecht ........................................................................................................................... 19 1. Eigentum ..................................................................................................................................... 19 2. Selbstverwaltung .......................................................................................................................... 21 3. Daseinsvorsorge ........................................................................................................................... 22 4. Umweltschutz .............................................................................................................................. 23

III. Wiederholung ............................................................................................................................... 25 1. Essentials ..................................................................................................................................... 25 2. FAQ ............................................................................................................................................. 26

C. BAUORDNUNGSRECHT ................................................................................... 28

I. Funktion und Dimensionen ............................................................................................................. 28

II. Grundbegriffe ................................................................................................................................ 30 1. Bauliche Anlagen ......................................................................................................................... 30 2. Sonderbauten ............................................................................................................................... 31

III. Akteure ......................................................................................................................................... 31 1. Baubeteiligte ................................................................................................................................ 31

a) Bauherr .................................................................................................................................... 32 b) Entwurfsverfasser .................................................................................................................... 32 c) Unternehmer ............................................................................................................................ 32

2. Nachbarn ..................................................................................................................................... 33 3. Bauaufsichtsbehörden................................................................................................................... 33

a) Sachliche Zuständigkeit ........................................................................................................... 33 b) Örtliche Zuständigkeit.............................................................................................................. 34 c) Instanzielle Zuständigkeit ......................................................................................................... 34

(1) Behördenaufbau ................................................................................................................. 34 (2) Zuständigkeitsverteilung ..................................................................................................... 34 (3) Untere Bauaufsichtsbehörde ............................................................................................... 35 (4) Verwaltungsprozessuale Folgen .......................................................................................... 35

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4. Wiederholung............................................................................................................................... 36 a) Essentials ................................................................................................................................. 36 b) FAQ ........................................................................................................................................ 36

IV. Bebauung ...................................................................................................................................... 37 1. Abstandsflächen ........................................................................................................................... 37 2. Werbeanlagen .............................................................................................................................. 38 3. Stellplätze .................................................................................................................................... 41 4. Wiederholung............................................................................................................................... 42

a) Essentials ................................................................................................................................. 42 b) FAQ ........................................................................................................................................ 43

V. Präventive Bauaufsicht .................................................................................................................. 44 1. Genehmigungserfordernis ............................................................................................................. 44

a) Genehmigungsvorbehalt ........................................................................................................... 44 b) Vorrang anderer Genehmigungsverfahren ................................................................................ 46 c) Genehmigungsfreiheit .............................................................................................................. 47 d) Genehmigungsfreistellung........................................................................................................ 47

2. Genehmigungsverfahren ............................................................................................................... 49 3. Genehmigungsprüfung ................................................................................................................. 51 4. Baugenehmigung ......................................................................................................................... 53

a) Genehmigungsentscheidung ..................................................................................................... 53 b) Genehmigungswirkung ............................................................................................................ 54

5. Genehmigungstypen ..................................................................................................................... 55 a) Vorbescheid ............................................................................................................................. 55 b) Teilbaugenehmigung................................................................................................................ 57

6. Wiederholung............................................................................................................................... 59 a) Essentials ................................................................................................................................. 59 b) FAQ ........................................................................................................................................ 60

VI. Repressive Bauaufsicht ................................................................................................................ 63 1. Zweck .......................................................................................................................................... 63 2. Generalklausel.............................................................................................................................. 63 3. Baueinstellung ............................................................................................................................. 64 4. Nutzungsuntersagung ................................................................................................................... 66 5. Beseitigungsverfügung ................................................................................................................. 68 6. Wiederholung............................................................................................................................... 70

a) Essentials ................................................................................................................................. 71 b) FAQ ........................................................................................................................................ 72

D. BAUPLANUNGSRECHTLICHE ZULÄSSIGKEIT VON VORHABEN ......... 74

I. Bauplanungsrechtliche Vorhaben .................................................................................................. 74

II. Qualifiziert beplanter Innenbereich .............................................................................................. 75 1. Bereichsbegriff ............................................................................................................................. 75 2. Regelungssystematik .................................................................................................................... 76 3. Regelbebauung ............................................................................................................................. 76 4. Ausnahmebebauung ..................................................................................................................... 79 5. Dispensbebauung ......................................................................................................................... 80 6. Prüfungsaufbau: Vorhaben im qualifiziert überplanten Innenbereich ............................................. 82 7. Zulässigkeit während der Planaufstellung ..................................................................................... 83 8. Drittschutz ................................................................................................................................... 83

a) Prozessuale Konstellationen ..................................................................................................... 84 b) Rücksichtnahmegebot .............................................................................................................. 85 c) Gesetzliche Ausdifferenzierung ................................................................................................ 88

(1) Regelbebauung ................................................................................................................... 88

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(2) Ausnahmebebauung ........................................................................................................... 90 (3) Dispensbebauung ............................................................................................................... 91 (4) Grundrechte ....................................................................................................................... 91

9. Wiederholung............................................................................................................................... 91 a) Essentials ................................................................................................................................. 91 b) FAQ ........................................................................................................................................ 94

10. Fall: Frühstückspension .............................................................................................................. 96

III. Unbeplanter Innenbereich ......................................................................................................... 101 1. Bereichsbegriff ........................................................................................................................... 101 2. Regelungssystematik .................................................................................................................. 102 3. Generalklausel............................................................................................................................ 102 4. Spezialregelung .......................................................................................................................... 104 5. Drittschutz ................................................................................................................................. 105 6. Wiederholung............................................................................................................................. 106

a) Essentials ............................................................................................................................... 106 b) FAQ ...................................................................................................................................... 107

7. Fall: „Preiswert“ im Wohngebiet ................................................................................................ 108

IV. Außenbereich ............................................................................................................................. 115 1. Bereichsbegriff ........................................................................................................................... 115 2. Regelungssystematik .................................................................................................................. 116 3. Privilegierte Vorhaben ................................................................................................................ 116

a) Landwirtschaftliche Betriebe .................................................................................................. 117 b) Sonstige privilegierte Vorhaben ............................................................................................. 118

4. Nichtprivilegierte Vorhaben ....................................................................................................... 120 5. Öffentliche Belange .................................................................................................................... 121

a) Gesetzlich benannte öffentliche Belange ................................................................................. 121 (1) Flächennutzungsplan ........................................................................................................ 121 (2) Schädliche Umweltauswirkungen ..................................................................................... 123 (3) Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz, Orts- und Landschaftsbild ................................ 123 (4) Splittersiedlung ................................................................................................................ 124

b) Gesetzlich nicht benannte öffentliche Belange ........................................................................ 124 (1) Planerfordernis ................................................................................................................. 124 (2) Rücksichtnahmegebot ....................................................................................................... 125

c) Planvorbehalt ......................................................................................................................... 125 6. Teilprivilegierte Vorhaben .......................................................................................................... 126 7. Satzungsprivilegierte Vorhaben .................................................................................................. 127 8. Drittschutz ................................................................................................................................. 128 9. Wiederholung............................................................................................................................. 128

a) Essentials ............................................................................................................................... 128 b) FAQ ...................................................................................................................................... 129

10. Fall: Die Wallfahrtkapelle......................................................................................................... 131

V. Beteiligung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde ............................................. 134

VI. Bestandsschutz ........................................................................................................................... 136

VII. Fall: Das Bürohochhaus im faktischen Wohngebiet ................................................................ 138

E. BAULEITPLANUNG ......................................................................................... 149

I. Planung ......................................................................................................................................... 149 1. Begriff und Funktion .................................................................................................................. 149 2. Normstruktur .............................................................................................................................. 149

a) Ordnungsrechtliche Normstruktur .......................................................................................... 150 b) Planungsrechtliche Normstruktur ........................................................................................... 150

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3. Abwägung .................................................................................................................................. 150 a) Konditional strukturiertes Verwaltungsermessen..................................................................... 151 b) final strukturiertes Planungsermessen ..................................................................................... 151

4. Verfahren ................................................................................................................................... 152 5. Komplexität des Planungsbegriffs ............................................................................................... 153 6. Wiederholung............................................................................................................................. 153

a) Essentials ............................................................................................................................... 153 b) FAQ ...................................................................................................................................... 153

II. Planungsvorgaben ....................................................................................................................... 154 1. Planerforderlichkeit .................................................................................................................... 154

a) Planungsverbote ..................................................................................................................... 155 b) Planungsgebote ...................................................................................................................... 156 c) Planungsansprüche ................................................................................................................. 156

2. Planungsziele ............................................................................................................................. 157 3. Planungsleitsätze ........................................................................................................................ 159

a) Vielfalt der Planungsleitsätze ................................................................................................. 159 b) Ökologische Planungsleitsätze ............................................................................................... 159

(1) Bodenschutzklausel .......................................................................................................... 160 (2) Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ........................................................................... 160 (3) Habitatklausel .................................................................................................................. 161 (4) Klimaschutzklausel .......................................................................................................... 162

4. Planungsabstimmung .................................................................................................................. 163 a) Abstimmung mit der Raumordnung und der Fachplanung ....................................................... 163 b) Interkommunales Abstimmungsgebot ..................................................................................... 163

5. Wiederholung............................................................................................................................. 165 a) Essentials ............................................................................................................................... 165 b) FAQ ...................................................................................................................................... 166

III. Planungsverfahren ..................................................................................................................... 167 1. Aufstellungsbeschluss ................................................................................................................ 167 2. Abwägungsmaterial .................................................................................................................... 168

a) Ermittlung und Bewertung ..................................................................................................... 168 b) Umweltprüfung und Umweltbericht ....................................................................................... 169 c) Entwurf und Entwurfsbegründung .......................................................................................... 170

3. Partizipation ............................................................................................................................... 171 a) Öffentlichkeitsbeteiligung ...................................................................................................... 171

(1) Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung .............................................................................. 171 (2) Förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung ................................................................................ 172

b) Behördenbeteiligung .............................................................................................................. 175 (1) Frühzeitige Behördenbeteiligung ...................................................................................... 175 (2) Förmliche Behördenbeteiligung ........................................................................................ 176

4. Planbeschluss ............................................................................................................................. 176 5. Inkraftsetzung ............................................................................................................................ 177 6. Monitoring ................................................................................................................................. 179 7. Wiederholung............................................................................................................................. 179

a) Essentials ............................................................................................................................... 179 b) FAQ ...................................................................................................................................... 181

IV. Planabwägung ............................................................................................................................ 183 1. Begriff ....................................................................................................................................... 183 2. Funktion..................................................................................................................................... 183 3. Regelung .................................................................................................................................... 183 4. Dogmatik ................................................................................................................................... 184

a) Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung .................................................................... 184 b) Abwägung als verfahrensrechtliches Institut? ......................................................................... 185 c) Abwägungsprüfung ................................................................................................................ 188

4. Gewichtung ................................................................................................................................ 189

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5. Grundsätze ................................................................................................................................. 189 6. Zeitpunkt ................................................................................................................................... 190 7. Wiederholung............................................................................................................................. 192

a) Essentials ............................................................................................................................... 192 b) FAQ ...................................................................................................................................... 193

V. Plantypen ..................................................................................................................................... 194 1. Flächennutzungsplan .................................................................................................................. 195

a) Begriff ................................................................................................................................... 195 b) Rechtsnatur ............................................................................................................................ 195 c) Inhalt ..................................................................................................................................... 196 d) Flächennutzungsplan und BauNVO ........................................................................................ 197

2. Bebauungsplan ........................................................................................................................... 198 a) Begriff ................................................................................................................................... 198 b) Rechtsnatur ............................................................................................................................ 199 c) Inhalt ..................................................................................................................................... 199 d) Bebauungsplan und BauNVO ................................................................................................ 200

3. Wiederholung............................................................................................................................. 204 a) Essentials ............................................................................................................................... 204 b) FAQ ...................................................................................................................................... 205

VI. Planerhalt ................................................................................................................................... 206 1. Anwendungsbereich ................................................................................................................... 207 2. Planungsfehler ........................................................................................................................... 207

a) Formelle Fehler ...................................................................................................................... 207 b) Materielle Fehler.................................................................................................................... 209 c) Abwägungsfehler ................................................................................................................... 209

3. Frist ........................................................................................................................................... 211 4. Ergänzendes Verfahren............................................................................................................... 211 5. Wiederholung............................................................................................................................. 212

a) Essentials ............................................................................................................................... 212 b) FAQ ...................................................................................................................................... 213

VII. Planbestand ............................................................................................................................... 214 1. Planänderung, Planergänzung und Planaufhebung ....................................................................... 214 2. Funktionslosigkeit und Planlosigkeit ........................................................................................... 215 3. Wiederholung............................................................................................................................. 215

a) Essentials ............................................................................................................................... 216 b) FAQ ...................................................................................................................................... 216

VIII. Public-Private-Partnership ..................................................................................................... 216 1. Städtebaulicher Vertrag .............................................................................................................. 216

a) Regelung ............................................................................................................................... 217 b) Rechtsnatur ............................................................................................................................ 217 c) Gegenstände .......................................................................................................................... 217 d) Grenzen ................................................................................................................................. 220 e) Form ...................................................................................................................................... 221

2. Vorhaben- und Erschließungsplanung ......................................................................................... 221 a) Regelung ............................................................................................................................... 221 b) Vorhabenträger ...................................................................................................................... 222 c) Vorhaben- und Erschließungsplan .......................................................................................... 222 d) Durchführungsvertrag ............................................................................................................ 223 e) Vorhabenbezogener Bebauungsplan ....................................................................................... 223 f) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben .................................................................. 224

3. Wiederholung............................................................................................................................. 225 a) Essentials ............................................................................................................................... 225 b) FAQ ...................................................................................................................................... 226

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IX. Planungsrechtsschutz ................................................................................................................. 228 1. Bauleitpläne ............................................................................................................................... 228

a) Flächennutzungsplan .............................................................................................................. 228 b) Bebauungsplan ...................................................................................................................... 228

2. Städtebauliche Verträge .............................................................................................................. 235 3. Wiederholung............................................................................................................................. 236

a) Essentials ............................................................................................................................... 236 b) FAQ ...................................................................................................................................... 237

X. Fall: Windenergie im Flächennutzungsplan ............................................................................... 238

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Literaturhinweise

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2. Baunutzungsverordnung Grigoleit, Klaus Joachim/Otto, Christian-W., BauNVO, 7. Aufl., Heidelberg 2018. Bönker, Christoph/Bischopink. Olaf (Hrsg.), Baunutzungsverordnung, 2. Aufl., Baden-

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gemeinschaftsrechtliche Regeln für das Zusammentreffen konkurrierender plane-rischer Raumansprüche, Tübingen 2005.

Schmidt-Aßmann, Eberhard Grundfragen des Städtebaurechts, Göttingen 1972.

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A. Einleitung

B. Grundlagen

Übersicht

- Baurecht - Privates Baurecht - Öffentliches Baurecht

- Öffentliches Baurecht - Bauplanungsrecht - Bauordnungsrecht

- Verfassungsrechtliche Grundlagen - Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) - Kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) - Daseinsvorsorge (Sozialstaatsprinzip [Art. 20 Abs. 1 GG) - Umweltschutz (Art. 20a GG, Europarecht)

I. Privates und öffentliches Baurecht

Baurecht = Privates + Öffentliches Baurecht

1. Privates Baurecht

- Begriff

Privates Baurecht = Zivilrecht - Grundsatz: Privatautonomie - Rechtsgrundlagen

- BGB

- Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB/VOB/B)

- Eigentums-, Grundstücks- und Nachbarschaftsrecht (§§ 903 ff., §§ 925 ff. BGB)

- Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB)

- Bauforderungssicherungs- und Architektenrecht

- Nachbargesetze der Länder

- Art. 124 EGBGB

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Art. 124 EGBGB Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Ge-setzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.

- Bayern: 7. Abschnitt des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetz-buchs (AGBGB)

- Zweck: Förderung nachbarschaftlicher Gemeinschaftlichkeit - Regelungen: Balkone, Fenster, Grenzabstände, Grunddienstbarkeiten, Hammer- und Leiterrechte, Leitungen, Licht, Lüftung, Mauern, Pflanzungen, Wärmedämmung

2. Öffentliches Baurecht

- Begriff

Öffentliches Baurecht = Gesamtheit der Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit und Grenzen, die Ordnung und die Förderung der Nutzung des Bodens, insbeson-dere durch Errichtung baulicher Anlagen, deren bestimmungsgemäße Nutzung, wesentliche Veränderung und Beseitigung betreffen.

- Zwei Rechtsgebiete

- Bauplanungsrecht

- Bauordnungsrecht

a) Bauplanungsrecht

- Bundesrecht - Kompetenzgrundlage

- Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG)

Art. 74 GG (1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: Nr. 18 den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Er-schließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungs-bauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht.

- BVerfG: Baurechtsgutachten (1954) (BVerfG 3, 407 ff.)

- Keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das gesamte Baurecht

- Kompetenz für das Bodenrecht

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Bodenrecht = Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Be-ziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln.

- Bauplanungsrecht

- Begriff

Bauplanungsrecht = Städtebaurecht = Planung der Bodennutzung - Regelung des Bauplanungsrechts

- Baugesetzbuch (BauGB)

- Baunutzungsverordnung (BauNVO) - Baugesetzbuch (BauGB)

- Bundesgesetz

- Allgemeines Städtebaurecht

- Recht der Bauleitplanung (§ 1-§ 13a BauGB) - Sicherung der Bauleitplanung (§ 14-§ 28 BauGB) - Zulässigkeit von Vorhaben (§ 29-§ 38 BauGB) - Entschädigung (§ 39-§ 44 BauGB) - Bodenordnung bzw. die Umlegung (§ 45-§ 84 BauGB) - Enteignung (§ 85-§ 122 BauGB) - Erschließung (§ 23-§ 135 BauGB) - Maßnahmen für den Naturschutz (§ 135a-§ 135c BauGB) - (abweichende) Zuständigkeiten (§ 203-§ 206 BauGB) - Planerhaltung (§ 214-§ 216 BauGB)

- Besonderes Städtebaurecht

- Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§ 136-§ 164b BauGB) - Entwicklungsmaßnahmen (§ 165-§ 171 BauGB) - Städtebauförderung (§§ 164a f. BauGB) - Erhaltungssatzung (§ 172-§ 174 BauGB) - Städtebauliche Gebote (§ 175-§ 179 BauGB) - Sozialplan und Härteausgleich (§§ 180 f. BauGB) - Instrumente von Urban Governance

- Stadtumbau (§ 171a-§ 171d BauGB) - Soziale Stadt (§ 171e BauGB) - Private Initiativen zu Stadtentwicklung (§ 171f BauGB)

- Baunutzungsverordnung (BauNVO)

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- Rechtsverordnung des Bundes

§ 9a BauGB Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird ermäch-tigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über

1. Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen über a) die Art der baulichen Nutzung, b) das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung, c) die Bauweise sowie die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grund-stücksflächen.

- Regelungen

- Art der baulichen Nutzung (§ 1-§ 15 BauNVO) - Maß der baulichen Nutzung (§ 16-§ 21a BauNVO) - Bauweise (§ 22 BauNVO) - überbaubare Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO)

b) Bauordnungsrecht

- Landesrecht - Begriff

Bauordnungsrecht = Objektbezogene Dimension der Bodennutzung - Regelung: Bayerische Bauordnung (BayBO)

→ Orientierung an der Musterbauordnung (MBO) (Bauministerkonferenz) - Regelungsgehalt

- Sicherheit und Ordnung baulicher Anlagen

- Entwicklung aus dem Baupolizeirecht

- Kreuzberg-Urteil des PrOVG (1982)

- Soziale Dimension

- Ökologische Dimension

- Baukulturelle Dimension

c) Exkurs: Baurechtsklausur

Baurechtsklausur: Prüfung der Zulässigkeit einer baulichen Anlage. Was man können muss: Zusammenspiel von BayBO – BauGB – BauNVO.

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Sachverhalt Die kreisfreie Stadt S erlässt einen Bebauungsplan, der für das Gebiet G ein Gewerbe-gebiet festsetzt. Eigentümer E möchte auf seinem Grundstück, das in dem Gebiet G liegt, eine Tankstelle errichten. Die beantragt bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde der Stadt S eine Baugenehmigung für die Tankstelle. Fallfrage Muss die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung für die Tankstelle erteilen? Lösung Die zuständige Bauaufsichtsbehörde muss dem E eine Baugenehmigung erteilen, wenn die Voraussetzungen, die Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 60 BayBO an die Ertei-lung einer Baugenehmigung stellt, erfüllt sind. I. Ermächtigungsgrundlage Die Baugenehmigung ergeht auf der Grundlage von Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 60 S. 1 BayBO.

Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO (1) Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vor-schriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Art. 60 S. 1 Nr. 1 BayBO Bei Sonderbauten prüft die Bauaufsichtsbehörde

1. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 39 BauGB.

II. Tatbestandvoraussetzungen 1. Bauliche Anlage

Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen.

Die Tankstelle ist eine bauliche Anlage. 2. Sonderbau

Art. 2 Abs. 4 Nr. 19 BayBO (4) Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der nachfol-genden Tatbestände erfüllen:

Nr. 18 bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist.

Bei der Tankstelle handelt es sich um einen Sonderbau i. S. d. Art. 2 Abs. 4 Nr. 18 BayBO.

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3. Kein Widerspruch zu §§ 29 ff. BauGB a) Bauplanungsrechtlich relevantes Vorhaben

§ 29 Abs. 1 BauGB (1) für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Aus-schachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

Bei der Errichtung der Tankstelle handelt es sich um ein Vorhaben im Sinn des § 29 Abs. 1 BauGB, da sie Interessenkonflikte mit Blick auf die in § 1 Abs. 6 BauGB veran-kerten Rechts hervorruft. b) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit Bei der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist zwischen einer Typenprüfung und einer Einzelfallprüfung zu unterscheiden. (1) Typenprüfung Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. dem BPlan i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO

§ 30 BauGB (1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurecht-lichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird.

§ 8 BauNVO (1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Ge-werbebetrieben. (2) Zulässig sind

1. Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, 2. Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, 3. Tankstellen, 4. Anlagen für sportliche Zwecke.

Die Errichtung der Tankstelle ist nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. dem BPlan i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO grundsätzlich zulässig. (2) Einzelfallprüfung

§ 15 BauNVO (1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzu-lässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung un-zumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

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Die Errichtung der Tankstelle widerspricht weder der Eigenart des Gewerbegebiets (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO), noch gehen von ihr Störungen für das Gewerbegebiet aus (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). c. Zwischenergebnis Die Errichtung der Tankstelle widerspricht nicht den bauplanungsrechtlichen Vorschrif-ten, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. III. Ergebnis Die Bauaufsichtsbehörde erteilt nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 60 S. 1 BayBO die Baugenehmigung für die Errichtung der Tankstelle.

II. Verfassungsrecht

Übersicht

- Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) - Kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) - Daseinsvorsorge (Sozialstaatsprinzip [Art. 20 Abs. 1 GG]) - Umweltschutz (Art. 20a GG, Europarecht)

1. Eigentum

- Eigentumsfreiheit umfasst die Baufreiheit

- Baufreiheit = Recht, ein Grundstück zu bebauen. - Grundgesetz (Art. 14 GG)

Art. 14 GG (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädi-gung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu be-stimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentli-chen Gerichten offen.

- Streit: Wird die Baufreiheit vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie gewährleistet (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)?

- Mindermeinung: Kein Schutz der Baufreiheit durch die Eigentumsgarantie

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- Folge: Baurecht wird vom Staat verliehen

- Herrschende Meinung: Schutz der Baufreiheit durch Eigentumsgarantie

- Schutzbereich (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG): Baufreiheit

- Schranken (Art. 14 Abs. 2 GG): Eigentum verpflichtet

- Inhalts- und Schrankenbetimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG): Re-gelungen des BauGB und der BayBO

- Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG): Staatlicher Zugriff auf das Grund-eigentum

Rechtsprechung

- Gesteigerte Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums

„Das Grundeigentum ist im Hinblick auf seine funktionsgerechte Nutzung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG besonderen Bindungen unterworfen. Die Unvermehrbarkeit von Grund und Bo-den verbietet es, seine Nutzung dem freien Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzel-nen vollständig zu überlassen. Die Verfassung erlaubt dem Gesetzgeber, die Interessen der Allgemeinheit bei Fragen der Bodenordnung in stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Das von den bauplanerischen Festsetzungen erfasste Grund-stückseigentum weist einen gesteigerten Sozialbezug auf. Bei der Ausweisung von Bauland ist eine Vielzahl städtebaulicher Belange zu berücksichtigen. Die gemeindliche Bauleitpla-nung ist einer dem Wohl der Allgemeinheit entsprechenden sozialgerechten Bodennutzung verpflichtet (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB).“ (BVerfGE 104, 1 [11])

- Grundrechtsverkürzungen?

„Einen Grundsatz, daß der Eigentümer eines Baugrundstücks sein Grundstück so bebauen darf, wie er es möchte, gibt es nicht.“ (BVerwG NVwZ 1994, 1008)

- Verfassungsrechtliches Problem: Keine Grundrechtsverkürzung, aber „kondensierte“ Formulierung

- Verfassungsrechtlicher Hintergrund

„Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt kon-kret zustehen, ergibt sich vielmehr aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vor-schriften. Ergibt sich hierbei, daß Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht.“ (BVerfGE 58, 300 [336] – Naßauskiesung)

- Verfassungsrechtliche Entfaltung

- Baufreiheit = Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

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- Einschränkung durch BauGB und BayBO = Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)

Diese muss sich mit Blick auf die Gewährleistung der Baufrei-heit durch die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) als verhältnismäßig erweisen.

2. Selbstverwaltung

- Kommunale Selbstverwaltungsgarantie

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemein-schaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.

- Gemeindehoheiten

- Finanzhoheit

- Personalhoheit

- Planungshoheit

- Organisationshoheit

- Rechtsetzungshoheit - Planungshoheit

Planungshoheit der Gemeinde = „Recht auf Planung und Regelung der Boden-nutzung in ihrem Gebiet.“ (BVerwGE 81, 95 [106])

- Ausgestaltung im BauGB

§ 2 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen.

- Aufgabenübertragungsverbot (str.)

Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen wer-den.

Streit: Fällt die Ausgestaltung der Planungshoheit durch das BauGB unter das Aufgabenübertragungsgebot des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG?

- Mindermeinung: BauGB überträgt den Gemeinden mit der Planungshoheit eine Aufgabe.

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- Folge: Verletzung von Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG.

- Herrschende Meinung: Das BauGB gestaltet die Planungshoheit der Ge-meinde auf der Grundlage des Gesetzesvorbehalts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus, der gegenüber Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG spezieller ist.

Folge: Kein Verstoß gegen Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG.

- Schutzdimensionen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie

- Institutionelle Garantie

- Subjektiv-rechtliche Rechtsstellung

3. Daseinsvorsorge

- Begriff

Daseinsvorsorge = Alle Infrastrukturleistungen, welche die Bürgerinnen und Bürger zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit benötigen und die den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft durch die Produktion öffentlicher Güter garan-tieren

- Verfassungsrechtliche Herleitung

- Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG)

- Grundrechtliche Schutzpflichten

- Mobilität (Art. 2 Abs. 1 GG) - Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) - Kommunikation (Art. 5 Abs. 1 GG) - Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) - Bildung (Art. 7 Abs. 1 GG) - Wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Spezielle Verfassungsgüter

- Gleichwertige Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 GG) - Allgemeine Verkehrsbedürfnisse (Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG) - flächendeckende Telekommunikation und Post (Art. 87f Abs. 1 GG)

- Neuere Entwicklung: Ökostrukturen als Infrastrukturen

- Umweltstaatsprinzip (Art. 20a GG)

- Maßnahmen gegen den Klimawandel

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- Maßnahmen zur Klimaanpassung - Beispiele

- Bildung - Energie - Gesundheit - Kommunikation - Müll - Verkehr - Wasser

- Daseinsvorsorge in der Bauleitplanung

- Planungsziel: Nachhaltige Stadtentwicklung

§ 1 Abs. 5 S. 1 BauGB (5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allge-meinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbe-dürfnisse der Bevölkerung gewährleisten.

- Planungsleitsätze

- Wohnen und Arbeiten (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) - Bildung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) - Energie und Wasser (§ 1 Abs. 6 Nr. 4, 8 lit. e BauGB) - Post- und Telekommunikation (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. d BauGB) - Mobilität (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB)

4. Umweltschutz

- Umweltschutz und Bauleitplanung

„Die Bauleitplanung ist zwar kein Umweltrecht im engeren Sinne, ihre Umweltre-levanz ist jedoch unverkennbar.“ (BVerwG NJW 1995, 2648 [2649])

- Rechtliche Herleitung

- Verfassungsrechtliche Herleitung

- Umweltstaatsprinzip

Art 20a GG Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürli-chen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die voll-ziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

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- Europarecht

- Vogelschutz-Richtlinie (1979)

- Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) (1992)

- SUP-Richtlinie (Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, 2001)

- Umweltschutz in der Bauleitplanung

- Grundverständnis

- Ökologisierung der Bauleitplanung (und des gesamten Baurechts)

- Bauleitplanung als ökologisches Trägerverfahren

Ökologisches Trägerverfahren = Praktisch alle relevanten Umwelt-belange, die das Umweltfachrecht schützt, werden in die kommunale Gesamtplanung integriert.

- Planungsziel

§ 1 Abs. 5 BauGB (5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung ge-genüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohn-bedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwür-dige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwi-ckeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadt-entwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschafts-bild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

- Planungsleitsätze

- Belange des Umweltschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7, § 1a BauGB)

Auswirkungen auf alle Tiere, Pflanzen und alle Umweltmedien, wie beispielsweise Boden, Wasser, Luft, Klima

- Speziell: Zentrale Bedeutung des Klimaschutzes und der Klimaanpassung (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. a, § 1a Abs. 5 BauGB)

- Planungsverfahren: Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4, § 2a, § 4c BauGB)

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III. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 4–27.

1. Essentials

Baurecht = Privates + Öffentliches Baurecht

Öffentliches Baurecht = Bauplanungsrecht + Bauordnungsrecht

Bauplanungsrecht = Planungsbezogenes Bodenrecht, das im BauGB und in der BauNVO geregelt ist: Wie soll es in einer Gemeinde aussehen?

Bauordnungsrecht = Objektbezogenes Bodenrecht, das in der BayBO ge-regelt ist: Sind bauliche Anlagen sicher?

Baurechtsklausur = Systematisches Zusammenspiel von Bauplanungsrecht und Bau-ordnungsrecht.

- Aufhänger der Prüfung: BayBO

- Präventive oder repressive Maßnahme der Bauaufsicht

- Beispiele

- Präventive Maßnahme: Baugenehmigung

- Repressive Maßnahme: Baubeseitigung

- Rechtscharakter: Bauordnungsrechtliche „Sprungbrettnormen“

- Öffnung der Prüfung zum Bauplanungsrecht

- „Sprung“ in die §§ 29 ff. BauGB

- Insbesondere: § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2, § 15 Abs. 1 BauNVO

- „Rückkehr“ zu der Regelung in der BayBO: Ergebnisfeststellung

- Typologisch zusammengefasste Prüfungsreihenfolge

- BayBO → BauGB → BPlan → BauNVO → BayBO Baufreiheit = Recht des Eigentümers, ein Grundstück zu bebauen

- Eigentumsfreiheit schützt die Baufreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) (str.).

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- Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht = Inhalts- und Schrankenregelungen des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)

Planungshoheit = Recht der Gemeinde auf Planung und Regelung der Bodennutzung auf ihrem Gebiet

- Planungshoheit = Gemeindehoheit (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

2. FAQ

1. Wie ist der Begriff des Baurechts definiert? 2. Welche Regelungen umfasst das private Baurecht? 3. Was versteht man unter öffentlichem Baurecht? 4. Was ist die Funktion des Baurechts? 5. Welche Rechtsgrundlagen des Baurechts lassen sich unterscheiden? 6. Wer verfügt über die Regelungskompetenz für das Bauplanungsrecht? 7. Welche Gesetze bzw. Rechtsverordnungen umfasst das Bauplanungsrecht? 8. Was ist die Funktion des Bauplanungsrechts? 9. Wer verfügt über die Kompetenz zur Regelung des Bauordnungsrechts? 10. Was ist die Funktion des Bauordnungsrechts? 11. Was versteht man unter der Baufreiheit? 12. Wird die Baufreiheit durch die Eigentumsfreiheit geschützt? 13. Was versteht man unter der Planungshoheit? 14. Was versteht man unter der Daseinsvorsorge? 15. Wie lässt sich die staatliche Gewährleistung der Daseinsvorsorge verfassungsrecht-lich begründen? 16. Welche Rolle spielt die Daseinsvorsorge in der Bauleitplanung? 17. Wo ist der Umweltschutz im Grundgesetz geregelt? 18. Welchen Einfluss hat das Europarecht auf den Umweltschutz in der Bauleitplanung?

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19. Warum kann man die Bauleitplanung als ein ökologisches Trägerverfahren bezeich-nen? 20. Welche Rolle spielt die Bauleitplanung für den Klimaschutz und die Klimaanpas-sung?

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C. Bauordnungsrecht

Übersicht

- Funktionen und Dimensionen - Grundbegriffe - Akteure - Bebauung

- Abstandsflächen - Werbeanlagen - Stellplätze

- Präventive Bauaufsicht (Baugenehmigung) - Repressive Bauaufsicht

- Baueinstellung - Nutzungsuntersagung - Beseitigungsverfügung

I. Funktion und Dimensionen

- Funktion

- Historische Entwicklung des Bauordnungsrechts aus dem Baupolizeirecht

Bauordnungsrecht = Gefahrenabwehr (Art. 3 BayBO)

Art. 3 BayBO Bei der Anordnung, Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung, Instandhaltung und Beseiti-gung von Anlagen sind die Belange der Baukultur, insbesondere die anerkannten Regeln der Baukunst, so zu berücksichtigen, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbe-sondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet wer-den. Anlagen müssen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die Anforderungen des Satzes 1 während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer erfüllen und ohne Missstände benutzbar sein.

- Sicherheitsrechtliche Dimension

- Kern des Bauordnungsrechts

- Regelungsmaterien der BayBO (vor allem Art. 8 ff. BayBO, z. B.:)

- Standsicherheit (Art. 10 BayBO) - Brandschutz (Art. 11 BayBO) - Schutz vor Einwirkungen (Art. 12 BayBO) - Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz (Art. 13 BayBO) - Bauprodukte und Bauarten (Art. 15 ff. BayBO) - Technische Gebäudeausrüstung (Art. 37 ff. BayBO)

- Soziale Dimension

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- Mindeststandards für Wohnungen

Art. 46 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 und S. 2 BayBO (1) Jede Wohnung muss eine Küche oder Kochnische haben. fensterlose Küchen oder Kochnischen sind zulässig, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet ist. (2) [….] (3) Jede Wohnung muss ein Bad mit Badewanne oder Dusche und eine Toilette haben. (4) In Wohnungen müssen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure, die zu Aufent-haltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarn-melder müssen so eingebaut oder angebracht und betrieben werden, dass Brandrauch früh-zeitig erkannt und gemeldet wird. […]

- Einrichtung von Kinderspielplätzen

Art. 7 Abs. 2 S. 1 BayBO (2) Bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ist auf dem Baugrund-stück oder in unmittelbarer Nähe auf einem anderen geeigneten Grundstück, dessen dauer-hafte Nutzung für diesen Zweck gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert sein muss, ein ausreichend großer Kinderspielplatz anzulegen.

- Barrierefreies Bauen

Art. 2 Abs. 10 BayBO (10) Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hil-fe zugänglich und nutzbar sind.

Art. 48 BayBO Barrierefreies Bauen

- Ökologische Dimension

- Bepflanzungsgebote

Art. 7 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Die nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind

1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen

soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen ent-gegenstehen.

- Baukulturelle Dimension - Verunstaltungsverbot

Art. 8 BayBO Bauliche Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Bauli-che Anlagen dürfen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten. Die stören-de Häufung von Werbeanlagen ist unzulässig.

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 381–385

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II. Grundbegriffe

Grundbegriffe = Art. 2 BayBO

1. Bauliche Anlagen

Bauliche Anlage = Art. 2 Abs. 1 BayBO

Art. 2 Abs. 1 BayBO (1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Ortsfeste Anlagen der Wirtschaftswerbung (Werbeanlagen) einschließlich Automaten sind bauli-che Anlagen. Als bauliche Anlagen gelten Anlagen, die nach ihrem Verwendungszweck dazu be-stimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, sowie 1. Aufschüttungen, soweit sie nicht unmittelbare Folge von Abgrabungen sind, 2. Lagerplätze, Abstellplätze und Ausstellungsplätze, 3. Campingplätze und Wochenendplätze, 4. Freizeit- und Vergnügungsparks, 5. Stellplätze für Kraftfahrzeuge. Anlagen sind bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinn des Art. 1 Abs. 1 Satz 2.

Bauliche Anlage = Systematisch zentraler Begriff des Bauordnungsrechts

→ Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayBO

Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayBO Dieses Gesetz gilt für alle baulichen Anlagen und Bauprodukte.

Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO) ≠ Bauplanungsrechtliches Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB)

- Gemeinsamkeit: Baugegenständliche Anknüpfung

- Unterschied: Funktionale Ausrichtung

- Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO)

→ Funktion des Bauordnungsrechts

→ Gewährleistung der Gefahrenabwehr

- Bauplanungsrechtliche Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB)

→ Funktion des Bauplanungsrechts

→ Lösung von Interessenkonflikten

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2. Sonderbauten

Sonderbauten = § 2 Abs. 4 BayBO

Art. 2 Abs. 4 BayBO (4) Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der nachfol-genden Tatbestände erfüllen: 1. Hochhäuser (Gebäude mit einer Höhe nach Abs. 3 Satz 2 von mehr als 22 m), 2. bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m, […] 19. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit Explosi-ons- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist, […].

Klausurrelevanz = Abgrenzung des Prüfungsumfangs der Baugenehmi-gung (Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO)

im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Art. 59 BayBO) und

im Baugenehmigungsverfahren (Art. 60 BayBO)

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 386–388

III. Akteure

Übersicht

- Baubeteiligte - Nachbarn - Bauaufsichtsbehörden

1. Baubeteiligte

Baubeteiligte = Art. 49 ff. BayBO

- Bauherr - Entwurfsverfasser - Unternehmer

- Verantwortungsteilung für die bauliche Anlage (Art. 49 BayBO)

Art. 49 BayBO Bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und der Beseitigung von Anlagen sind der Bau-herr und im Rahmen ihres Wirkungskreises die anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

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a) Bauherr

Bauherr = Natürliche oder juristische Person, der die Gesamtverantwortung für die bauliche Anlage obliegt - Verantwortlichkeit (Art. 50 BayBO)

Art. 50 Abs. 1 BayBO (1) Der Bauherr hat zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung eines nicht verfahrensfreien Bauvorhabens sowie der Beseitigung von Anlagen geeignete Beteiligte nach Maßgabe der Art. 51 und 52 zu bestellen, soweit er nicht selbst zur Erfüllung der Verpflichtungen nach diesen Vor-schriften geeignet ist. Dem Bauherrn obliegen außerdem die nach den öffentlich-rechtlichen Vor-schriften erforderlichen Anträge und Anzeigen. Erforderliche Nachweise und Unterlagen hat er be-reitzuhalten. Werden Bauprodukte verwendet, die die CE-Kennzeichnung nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 tragen, ist die Leistungserklärung bereitzuhalten. Wechselt der Bauherr, hat der neue Bauherr dies der Bauaufsichtsbehörde unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

b) Entwurfsverfasser

- Verantwortlichkeit (Art. 51 BayBO)

Art. 51 BayBO (1) Der Entwurfsverfasser muss nach Sachkunde und Erfahrung zur Vorbereitung des jeweiligen Bauvorhabens geeignet sein. Er ist für die Vollständigkeit und Brauchbarkeit seines Entwurfs ver-antwortlich. Der Entwurfsverfasser hat dafür zu sorgen, dass die für die Ausführung notwendigen Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. (2) Hat der Entwurfsverfasser auf einzelnen Fachgebieten nicht die erforderliche Sachkunde und Erfahrung, so hat er den Bauherrn zu veranlassen, geeignete Fachplaner heranzuziehen. Diese sind für die von ihnen gefertigten Unterlagen, die sie zu unterzeichnen haben, verantwortlich. für das ordnungsgemäße Ineinandergreifen aller Fachplanungen bleibt der Entwurfsverfasser verantwort-lich.

c) Unternehmer

- Verantwortlichkeit (Art. 52 BayBO)

Art. 52 BayBO (1) Jeder Unternehmer ist für die mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmende Ausführung der von ihm übernommenen Arbeiten und insoweit für die ordnungsgemäße Einrich-tung und den sicheren Betrieb der Baustelle verantwortlich. Erforderliche Nachweise und Unterla-gen hat er zu erbringen und auf der Baustelle bereitzuhalten. Werden Bauprodukte verwendet, die die CE-Kennzeichnung nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 tragen, ist die Leistungserklärung bereitzuhalten. (2) Jeder Unternehmer hat auf Verlangen der Bauaufsichtsbehörde für Arbeiten, bei denen die Si-cherheit der Anlage in außergewöhnlichem Maße von der besonderen Sachkenntnis und Erfahrung des Unternehmers oder von einer Ausstattung des Unternehmens mit besonderen Vorrichtungen abhängt, nachzuweisen, dass er für diese Arbeiten geeignet ist und über die erforderlichen Vorrich-tungen verfügt.

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2. Nachbarn

Nachbarn = Eigentümer der benachbarten Grundstücke, deren Interessen durch die bauliche Anlage berührt werden

Art. 66 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Den Eigentümern der benachbarten Grundstücke sind vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen.

- Obligatorisch Berechtigte

- Grundsatz: Obligatorisch Berechtigte ≠ Nachbar

- z. B.: Mieter, Pächter

Repräsentation aller Interessen des Grundstücks durch den Grund-stückseigentümer

→ einschließlich der Interessen der obligatorisch Berechtigten

Art. 66 Abs. 3 S. 3 BayBO Der Eigentümer des Nachbargrundstücks nimmt auch die Rechte des Mieters oder Pächters wahr, die aus deren Eigentumsgrundrecht Folgen.

- Ausnahme: Obligatorisch Berechtigte = Nachbar Gefährdung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Nachbarn (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)

3. Bauaufsichtsbehörden

a) Sachliche Zuständigkeit

Bauaufsicht

- als Staatsaufgabe (Art. 54 Abs. 1 BayBO)

Art. 54 Abs. 1 BayBO (1) Die Aufgaben der Bauaufsichtsbehörden sind Staatsaufgaben; für die Gemeinden sind sie übertragene Aufgaben.

- als materielle Aufgabe (Art. 54 Abs. 2 S. 1 BayBO)

Art. 54 Abs. 2 S. 1 BayBO (2) Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlasse-nen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind.

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b) Örtliche Zuständigkeit

Örtliche Zuständigkeit = Bauaufsichtsbehörde, in deren Bezirk das Grundstück liegt, um dessen Bebauung es geht (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG)

Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG (1) Örtlich zuständig ist

1. in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt

Beachte: Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG

Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

3. den eine Behörde in bezug auf unbewegliches Vermögen außerhalb ihres Bezirks oder in bezug auf ein Recht oder Rechtsverhältnis, das an einen Ort außerhalb ihres Bezirks gebunden ist, erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein

→ Nichtigkeit einer bauaufsichtsrechtlichen Maßnahme bei örtlicher Unzuständigkeit

Beispiel: Stadt Nürnberg erlässt eine Baugenehmigung für ein Grund-stück im Münchner Stadtgebiet.

c) Instanzielle Zuständigkeit

(1) Behördenaufbau

Bauaufsichtsbehörden = Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO

Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Untere Bauaufsichtsbehörden sind die Kreisverwaltungsbehörden, höhere Bauaufsichtsbehör-den sind die Regierungen, oberste Bauaufsichtsbehörde ist das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr.

- Untere Bauaufsichtsbehörde: Kreisverwaltungsbehörde

- Höhere Bauaufsichtsbehörde: Regierungen

- Oberste Bauaufsichtsbehörde: Innenministerium

(2) Zuständigkeitsverteilung

Zuständigkeit = Grundsätzlich die untere Bauaufsichtsbehörde, soweit nichts anderes bestimmt ist (Art. 53 Abs. 1 S. 2 BayBO)

Art. 53 Abs. 1 S. 2 BayBO Für den Vollzug dieses Gesetzes sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Errich-tung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie die Nutzung und Instandhaltung von Anlagen ist die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist.

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(3) Untere Bauaufsichtsbehörde

Untere Bauaufsichtsbehörde = Art. 53 Abs. 1 S. 2 BayBO = Kreisverwaltungsbehör-den = Landratsämter + Kreisfreie Städte

Landratsämter als Kreisbehörde = Art. 53 Abs. 1 BayBO i. V. m. Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO

Art. 37 Abs. 1 LKrO (1) Das Landratsamt ist Kreisbehörde. Soweit es rein staatliche Aufgaben, insbesondere die staatliche Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden und über sonstige Körperschaf-ten, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts wahrnimmt, ist es Staatsbehörde.

Kreisfreie Gemeinden = Art. 9 Abs. 1 S. 1 GBO

Art. 9 Abs. 1 S. 1 GO Die kreisfreie Gemeinde erfüllt im übertragenen Wirkungskreis alle Aufgaben, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen sind; sie ist insoweit Kreisverwaltungsbehörde.

(4) Verwaltungsprozessuale Folgen

Klausurrelevanz! Prüfungsort = Begründetheit → Passivlegitimation

§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (1) Die Klage ist zu richten

1. gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Be-zeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde

Landratsamt = Untere Bauaufsichtsbehörde

- Beispiel

Bauherr B ist Eigentümer eines Grundstücks, das in der kreisangehö-rigen Gemeinde G liegt. Er beantragt eine Baugenehmigung beim Landratsamt als der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO i. V. m. Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO). Das Landrats-amt lehnt die Erteilung der Baugenehmigung ab. B erhebt eine Ver-pflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung (§ 42 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO).

- Passivlegitimation: Klagegegner = Freistaat Bayern als Rechtsträger des Landratsamtes (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

- Klage gegen „das Landratsamt“ genügt, da zur Bezeichnung des Be-klagten die Angabe der Behörde ausreichend (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VwGO)

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- Klage gegen „den Landkreis“ genügt nicht, da der Landkreis als Ge-bietskörperschaft nicht passiv legitimiert ist

Kreisfreie Gemeinde = Untere Bauaufsichtsbehörde

- Beispiel: Bauherr B ist Eigentümer eines Grundstücks, das in der kreis-freien Stadt S liegt. Er beantragt eine Baugenehmigung bei der Stadt S als der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO). Die Stadt S lehnt die Erteilung der Bau-genehmigung ab. B erhebt eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung (§ 42 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO). - Passivlegitimation: Klagegegner = Kreisfreie Stadt S, die die Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde als Staatsaufgabe im Sinn einer übertragenen Aufgabe wahrnimmt (Art. 54 Abs. 1 Hs. 2 BayBO) (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

4. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 389–392

a) Essentials

Baubeteiligte = Art. 49 ff. BayBO = Bauherr + Entwurfsverfasser + Unternehmer Nachbar = Eigentümer der benachbarten Grundstücke, deren Interessen durch die bau-liche Anlage berührt werden Bauaufsicht = Staatsaufgabe (Art. 54 Abs. 1 BayBO) + Materielle Aufgabe (Art. 54 Abs. 2 BayBO) Örtliche Zuständigkeit = Bauaufsichtsbehörde, in deren Bezirk das Grundstück liegt, um dessen Bebauung es geht (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG) Bauaufsichtsbehörden = Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO Zuständigkeit = Grundsätzlich die untere Bauaufsichtsbehörde, soweit nichts Anderes bestimmt ist (Art. 53 Abs. 1 S. 2 BayBO) Untere Bauaufsichtsbehörde = Art. 53 Abs. 1 S. 2 BayBO = Kreisverwaltungsbehör-den = Landratsämter + Kreisfreie Städte

b) FAQ

1. Wer sind die Akteure des Bauordnungsrechts? 2. Wer sind die am Bau Beteiligten? 3. Wer ist Nachbar i. S. d. Bauordnungsrechts?

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4. Welche Aufgaben haben die Bauaufsichtsbehörden? 5. Wo ist die örtliche Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden geregelt? 6. Wie sind die Bauaufsichtsbehörden instanziell aufgebaut? 7. Wie lautet die Grundregel der Aufgabenverteilung unter den Bauaufsichtsbehörden? 8. Unter welchen Voraussetzungen sind die Landratsämter untere Bauaufsichtsbehörde? 9. Unter welchen Voraussetzungen sind die kreisfreien Gemeinden untere Bauaufsichts-behörde? 10. Welche verwaltungsprozessualen Folgen hat das?

IV. Bebauung

Überblick

- Abstandsflächen - Werbeanlagen - Stellplätze

1. Abstandsflächen

Abstandsflächen = Art. 6 BayBO = Flächen, die oberirdisch zwischen den Außenwän-den von Gebäuden freizuhalten sind

Art. 6 BayBO (1) Vor den Außenwänden von Gebäuden sind Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden frei-zuhalten.

- Zweck

- Schutz der Gebäude

- Belichtung

- Belüftung

- Sozialabstand (str.) - Ausnahme: Keine Abstandsflächen, wenn bis an die Grenze gebaut werden darf (Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO)

Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO

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Eine Abstandsfläche ist nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

- Lage: Lage auf den Grundstücken

- Grundsatz

- Auf dem Grundstück (Art. 6 Abs. 2 S. 1 BayBO)

- Grün- und Wasserflächen (Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayBO)

- Ausnahme: Auf anderen Grundstücken mit Zustimmung des Nachbarn (Art. 6 Abs. 2 S. 3 BayBO)

Art. 6 Abs. 2 BayBO (2) Abstandsflächen sowie Abstände nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 30 Abs. 2 müssen auf dem Grundstück selbst liegen. Sie dürfen auch auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte. Abstandsflächen sowie Abstände im Sinn des Satzes 1 dür-fen sich ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden, oder wenn der Nachbar gegenüber der Bauaufsichts-behörde schriftlich, aber nicht in elektronischer Form, zustimmt; die Zustimmung des Nachbarn gilt auch für und gegen seinen Rechtsnachfolger. Abstandsflächen dürfen auf die auf diesen Grundstücken erforderlichen Abstandsflächen nicht angerechnet werden.

- Lage zueinander: Überschneidungsfreiheit (Art. 6 Abs. 3 Hs. 1 BayBO)

Art. 6 Abs. 3 Hs. 1 BayBO (3) Die Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken; […]

- Tiefe: Berechnung der Tiefe von Abstandsflächen nach der Höhe des Gebäudes (Art. 6 Abs. 5 und BayBO) - Drittschutz: Abstandsflächen sind drittschützend: Grund: Zwecksetzung

2. Werbeanlagen

Werbeanlagen = Anlagen der Außenwerbung = Bauliche Anlagen (Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayBO)

Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayBO Ortsfeste Anlagen der Wirtschaftswerbung (Werbeanlagen) einschließlich Automaten sind bauli-che Anlagen.

Außenwerbung = Alle örtlich gebundenen Einrichtungen, die der Ankün-digung oder Anpreisung von oder als Hinweis auf Gewerbe oder Berufe dienen und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind.

- Beispiele

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- Schilder - Beschriftungen - Bemalungen - Schaukästen - Säulen, Tafeln und Flächen für Anschläge oder Lichtwerbung

Rechtsprechung E ist Eigentümer eines Wohnhauses, das in einem reinen Wohngebiet liegt. Das Wohnhaus liegt in einer ruhigen Wohnstraße, die an den Außenbereich grenzt. Sein Nachbar N errich-tet in seinem Garten – 10 m von der Grundstücksgrenze des E entfernt – eine 5 m hohe Fahnenstange. Daran zieht er täglich eine 1 m x 2 m große Fahne des Fußballvereins Borussia Dortmund („BVB 09“) hoch. Die Fahnenstange nebst BVB-Fahne (im Folgenden: Fahnenmast) kann von der Straße aus gesehen werden. Der Fahnenmast erzeugt bei Wind erhebliche Geräusche. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Fahne durch Regen nass ist. Diese Geräusche stören E erheblich. E behauptet, es handele sich bei der Fahne um eine störende Werbeanlage für die börsennotierte Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA. Nach der Auffassung des OVG Münster handelt es sich jedoch bei der Fahne nicht um eine Werbeanlage, sondern um eine – im konkreten Fall nicht störende – Nebenanlage (§ 14 BauNVO). Dabei begründet das OVG Münster die fehlende Eigenschaft der Fahne als Werbeanlage wie folgt: „Die Annahme, die Beigeladenen wollten mit der Aufstellung des Fahnenmastes, an dem, wovon alle Beteiligten ausgehen, dauerhaft nur eine BVB-Fahne aufgezogen wird, für die börsennotierte Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA Werbung im oben beschriebenen Sinne betreiben, ist fernliegend. Der entsprechende Vortrag der Kläger entkräftet nicht die Wertung des Verwaltungsgerichts, die Beigeladenen würden mit dem Aufziehen der BVB-Fahne nur ihre Verbundenheit mit einer Sportart und dem von ihnen favorisierten Fußball-verein kundtun. Über die Erscheinung des Fahnenmastes nach außen und die ohnehin nur einem begrenzten Betrachterkreis bekannten gesellschaftsrechtlichen Hintergründe des Vereins Borussia Dortmund hinaus tragen die Kläger nichts gegen diese Wertung des Ver-waltungsgerichts vor. Aus ihrer Argumentation lassen sich keine gegenteiligen Erkenntnis-se über die Zweckbestimmung des Fahnenmastes aus der Sicht der Beigeladenen gewinnen. Seine konkrete Zweckbestimmung ist nämlich durchaus verschieden von der Zweckbe-stimmung, die ein Gewerbe betreibender Bauherr mit einem vergleichbaren Fahnenmast oder mit der Verwendung des BVB-Logos an anderer Stelle verbinden mag. Der hier in Rede stehende Standort des Fahnenmastes im Privatgarten eines an einer kleinen Wohn-straße an der Grenze zum Außenbereich gelegenen Wohnhauses mit eingeschränkter Wahrnehmbarkeit vom öffentlichen Verkehrsraum aus belegt dagegen gerade seine aus-schließliche Wohnbezogenheit. Die Begeisterung für den Fußball als solchen und für die einzelnen Fußballvereine ist in der Bevölkerung weit verbreitet und wird landesweit von einer Vielzahl von Anhängern typischerweise durch die Verwendung von Fanartikeln jed-weder Art auch in der Öffentlichkeit kundgetan. Sofern dies - wie hier - im privaten Be-reich ohne erkennbares gewerbliches Interesse und mit einem klaren Bezug zu den Bewoh-nern des Grundstücks geschieht, hält sich das durch das Aufziehen einer Fahne sichtbar gemachte Bekenntnis zu einem Fußballverein als eine private Lebensäußerung im eigenen Wohnbereich innerhalb der Variationsbreite bauplanungsrechtlich zulässiger Wohnnutzung und ist in dieser Form speziell im Einzugsbereich erfolgreicher Vereine der Fußballbundes-liga regelmäßig anzutreffen.“ (OVG Münster, Beschluss vom 8.7.2014 – 10 A 1787/13, Rn. 14; teilweise abgedruckt in RÜ 2014, S. 740 [743]).

Generelles Verbot = verfassungswidrig (Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) Baugestaltung = Art. 8 BayBO

Art. 8 BayBO Bauliche Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinan-der, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Bauliche Anlagen

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dürfen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten. Die störende Häufung von Werbeanlagen ist unzulässig.

Verunstaltungsverbot = Art. 8 S. 1 und S. 2 BayBO

- Kriterium: Perspektive des für städtebauliche Entwicklungen aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters

- Inhalt: Verbot nur in extremen Ausnahmefällen der Verunstaltung

- Drittschutz

- Grundsatz: Objektiv-rechtliche Schutzrichtung des Verunstaltungsverbots → Kein Drittschutz

- Ausnahme: Drittschutz für qualifiziert betroffene Nachbarn, wenn Verun-staltung als besondere Rücksichtslosigkeit zu bewerten ist

Störende Häufung von Werbeanlagen = Art. 8 S. 3 BayBO = Unterfall des Verunstal-tungsverbots

Häufung von Werbeanlagen = Räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung

- Ab drei Schildern, wenn diese eine gemeinsame Wirkung ausüben und gemeinsam wahrgenommen werden

Störung = Irritation des Durchschnittsbetrachters

Rechtsprechung „Die Häufung führt nur dann zu einer störenden Wirkung, wenn der so genannte Durch-schnittsbetrachter die Ansammlung von Werbeanlagen als unlusterregend empfindet, insbe-sondere dann, wenn eine bauliche Anlage so mit Werbeanlagen überladen ist, dass das Au-ge des Betrachters gleichsam keine Ruhe mehr findet.“ OVG Münster NVwZ-RR 2003, 823 [825])

- Kriterien

- Gesamtbild der Umgebung

- Stadtmitte - Ausfallstraße

- Prioritätsgrundsatz: Unzulässigkeit des letzten hinzukommen-den Schildes

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3. Stellplätze

Stellplätze = Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der öffentli-chen Verkehrsfläche dienen (§ 2 Abs. 8 S. 1 BayBO)

§ 2 Abs. 8 S. 1 BayBO Stellplätze sind Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der öffentlichen Ver-kehrsfläche dienen.

Regelung = Art. 47 BayBO - Stellplatzpflicht (Art. 47 Abs. 1 BayBO)

Art. 47 Abs. 1 BayBO (1) Werden Anlagen errichtet, bei denen ein Zu- oder Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, sind Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Das gilt nicht, wenn sonst die Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Ablösung nach Abs. 3 Nr. 3 erheblich erschwert oder verhindert würde

- Zweck: Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr

- Grundsatz: Stellplätze in ausreichender Zahl, Größe und Beschaffenheit (Art. 47 Abs. 1 S. 1 BayBO)

- Zahl: Festlegung durch Rechtsverordnung, örtliche Bauvorschriften oder Satzung (Art. 7 und 47 Abs. 2 BayBO)

- Ausnahme: Erschwerung der Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum (Art. 47 Abs. 1 S. 3 BayBO

- Erfüllung der Stellplatzpflicht (Art. 47 Abs. 3 BayBO)

Art. 47 Abs. 3 BayBO (3) Die Stellplatzpflicht kann erfüllt werden durch

1. Herstellung der notwendigen Stellplätze auf dem Baugrundstück, 2. Herstellung der notwendigen Stellplätze auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe des Baugrundstücks, wenn dessen Benutzung für diesen Zweck gegenüber dem Rechtsträ-ger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert ist, oder 3. Übernahme der Kosten für die Herstellung der notwendigen Stellplätze durch den Bau-herrn gegenüber der Gemeinde (Ablösungsvertrag).

- Ablösevertrag (§ 47 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 BayBO)

Ablösevertrag = Übernahme der Kosten für die Herstellung der notwendigen Stellplätze durch den Bauherrn gegenüber der Gemeinde (§ 47 Abs. 3 Nr. 3 Bay-BO)

- Öffentlich-rechtlicher Vertrag (Art. 54 ff. BayVwVfG)

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- Klageart: Allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO)

- Materieller Anspruch

- Ansprüche aus dem Ablösevertrag

- Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der Geldleistung bei nichtigem Ablösevertrag

- Verwendung des Ablösebetrags (Art. 47 Abs. 4 BayBO)

Art. 47 Abs. 4 BayBO (4) Die Gemeinde hat den Geldbetrag für die Ablösung notwendiger Stellplätze zu verwenden für 1.die Herstellung zusätzlicher oder die Instandhaltung, die Instandsetzung oder die Modernisie-rung bestehender Parkeinrichtungen einschließlich der Ausstattung mit Elektroladestationen, 2. den Bau und die Einrichtung von innerörtlichen Radverkehrsanlagen, die Schaffung von öffent-lichen Fahrradabstellplätzen und gemeindlichen Mietfahrradanlagen einschließlich der Ausstattung mit Elektroladestationen, 3. sonstige Maßnahmen zur Entlastung der Straßen vom ruhenden Verkehr einschließlich investi-ver Maßnahmen des öffentlichen Personennahverkehrs.

- Drittschutz

- Grundsatz: Kein Drittschutz (Objektiv-rechtliche Zwecksetzung der Stellplatz-pflicht, Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr)

- Ausnahme: Drittschutz der Nachbarn (Vernachlässigung der Stellplatzpflicht führt zu unzumutbaren Missständen, Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot)

4. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 393–401

a) Essentials

Abstandsflächen = Art. 6 BayBO = Flächen, die oberirdisch zwischen den Außenwän-den von Gebäuden freizuhalten sind = Drittschützende Regelung Werbeanlagen = Anlagen der Außenwerbung = Bauliche Anlagen (Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayBO) Verunstaltungsverbot = Art. 8 S. 1 und S. 2 BayBO

Kriterium = Aufgeschlossener Durchschnittsbetrachter

Inhalt = Verbot nur in extremen Ausnahmefällen der Verunstaltung

Drittschutz = Grundsätzlich kein Drittschutz Ausnahme = Besondere Rücksichtslosigkeit

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Störende Häufung von Werbeanlagen = Art. 8 S. 3 BayBO = Unterfall des Verunstal-tungsverbots

Häufung von Werbeanlagen = Räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung = ab drei Schildern

Störung = Irritation des Durchschnittsbetrachters

Stellplätze = Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der öffentli-chen Verkehrsfläche dienen (§ 2 Abs. 8 S. 1 BayBO)

Stellplatzpflicht = Art. 47 Abs. 1 BayBO Ablösevertrag = Übernahme der Kosten für die Herstellung der notwendigen Stellplät-ze durch den Bauherrn gegenüber der Gemeinde (§ 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO) Drittschutz = Grundsätzlich kein Drittschutz

Ausnahme = Besondere Rücksichtslosigkeit

b) FAQ

1. Wo sind die Abstandsflächen geregelt? 2. Was ist der Zweck der Abstandsflächen? 3. Müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück liegen? 4. Ist Art. 6 BayBO drittschützend? 5. Was ist eine Werbeanlage? 6. Wo sind die Werbeanlagen geregelt? 7. Was versteht man unter dem Verunstaltungsverbot? 8. Nach welchem Kriterium entscheidet sich, ob eine Verunstaltung vorliegt? 9. Ist das Verunstaltungsverbot eng oder weit auszulegen? 10. Hat das Verunstaltungsverbot drittschützenden Charakter? 11. Ist die Häufung von Werbeanlagen verboten? 12. Wann ist eine Störung durch die Häufung von Werbeanlagen anzunehmen? 13. Was ist ein Stellplatz?

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14. Wo ist die Stellplatzpflicht geregelt? 15. Wie ist die Stellplatzpflicht zu erfüllen? 16. Was ist ein Ablösevertrag? 17. Handelt es sich bei dem Ablösevertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag? 18. Hat die Stellplatzpflicht drittschützenden Charakter?

V. Präventive Bauaufsicht

Baugenehmigung = Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Übersicht

- Genehmigungserfordernis - Genehmigungsverfahren - Genehmigungsprüfung - Baugenehmigung - Genehmigungstypen

1. Genehmigungserfordernis

Überblick

- Genehmigungsvorbehalt - Vorrang anderer Genehmigungsverfahren - Genehmigungsfreiheit - Genehmigungsfreistellung

a) Genehmigungsvorbehalt

- Grundsatz =Genehmigungsvorbehalt (Art. 55 Abs. 1 BayBO)

Art. 55 Abs. 1 BayBO (1) Die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen bedürfen der Baugenehmi-gung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 nichts anderes bestimmt ist.

→ Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

- Achtung: Formelle Genehmigungsfreiheit ≠ Befreiung von der Ein-haltung des materiellen Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

Art. 55 Abs. 2 BayBO Die Genehmigungsfreiheit nach Art. 56 bis 58, 72 und 73 Abs. 1 Satz 3 so-wie die Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nach Art. 59, 60, 62a Abs. 2 und 3, 62b Abs. 2 und Art. 73 Abs. 2 entbinden nicht von der Ver-pflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche

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Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt.

Errichtung = Errichtung und Herstellung einer baulichen Anlage an einem bestimmten Ort

- Beispiele

- Bau einer baulichen Anlage

- Neu- und Wiederaufbau einer abgerissenen oder zerstörten baulichen An-lage

- Substanzveränderung nicht unbedingt erforderlich

- Umnutzung einer Grundstücksfläche zu einem Lager- und Abstellplatz

Änderung = Gestaltung einer vorhandenen baulichen Anlage

- Beispiele

- Umbau einer baulichen Anlage

- Ausbau einer baulichen Anlage

- Abgrenzung zur Instandhaltung

- Instandhaltung = Reparaturarbeiten ≠ Änderung einer baulichen Anlage

- Abgrenzung zur Errichtung einer baulichen Anlage

- Veränderung der Identität der baulichen Anlage = Errichtung einer bauli-chen Anlage

- Beispiel: Umbau eines Hotels in eine Altersresidenz

Nutzungsänderung = Überschreitung der Variationsbreite der genehmigten Nutzun-gen, sodass für die neue Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche An-forderungen gelten

- Beispiel

- Nutzungsänderung einer Gastwirtschaft in einen Kindergarten

- Nutzungsintensivierung

- Nutzungsänderung, wenn sie auf den Betreiber zurückgeht

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- Erhöhung der Bettenzahl in einem Ferienwohnungshaus von sechs auf zehn

- Keine Nutzungsänderung, wenn Nutzungsintensivierung auf Dritte zurückgeht

- Erhöhte Frequentierung einer Gastwirtschaft aufgrund steigen-den Bekanntheitsgrades

- Wiederaufnahme der Nutzung, wenn ursprüngliche Nutzung

b) Vorrang anderer Genehmigungsverfahren

Vorrang anderer Genehmigungsverfahren = Bauliche Anlage bedarf keiner Bauge-nehmigung, da deren Voraussetzungen in einem anderen Genehmigungsverfahren ge-prüft werden

- Absorption der Baugenehmigung in dem anderen Genehmigungsverfahren - Vorrangregelung in der Bayerischen Bauordnung (Art. 56 S. 1 BayBO)

Art. 56 S. 1 BayBO Keiner Baugenehmigung, Abweichung, Genehmigungsfreistellung, Zustimmung und Bauüberwa-chung nach diesem Gesetz bedürfen 1. nach anderen Rechtsvorschriften zulassungsbedürftige Anlagen in oder an oberirdischen Ge-wässern und Anlagen, die dem Ausbau, der Unterhaltung oder der Benutzung eines Gewässers dienen oder als solche gelten, ausgenommen Gebäude, Überbrückungen, Lager-, Camping- und Wochenendplätze, 2. Anlagen, die einer Genehmigung nach dem Bayerischen Abgrabungsgesetz bedürfen, 3. nach anderen Rechtsvorschriften zulassungsbedürftige Anlagen für die öffentliche Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme, Wasser und für die öffentliche Verwertung oder Entsorgung von Abwässern, ausgenommen oberirdische Anlagen mit einem Brutto-Rauminhalt von mehr als 100 m, Gebäude und Überbrückungen, 4. nichtöffentliche Eisenbahnen, nichtöffentliche Seilbahnen und sonstige Bahnen besonderer Bauart, auf die die Vorschriften über fliegende Bauten keine Anwendung finden, im Sinn des Bay-erischen Eisenbahn- und Seilbahngesetzes (BayESG), 5. Werbeanlagen, soweit sie einer Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht bedürfen, 6. Anlagen, die nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) einer Genehmi-gung bedürfen, 7. Beschneiungsanlagen nach Art. 35 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG), 8. Anlagen, die einer Gestattung nach Produktsicherheitsrecht bedürfen, 9. Anlagen, die einer Errichtungsgenehmigung nach dem Atomgesetz bedürfen, 10. Friedhöfe, die einer Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz (BestG) bedürfen.

- Vorrangregelungen in anderen Gesetzen

- § 13 BImSchG

§ 13 BImSchG Die Genehmigung schließt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnis-se und Bewilligungen mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassungen bergrechtlicher Betriebspläne, behördlichen Entscheidungen auf Grund atomrechtlicher Vorschriften und

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wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen nach § 8 in Verbindung mit § 10 des Wasserhaushaltsgesetzes.

- Art. 75 Abs. 1 BayVwVfG

Art. 75 Abs. 1 BayVwVfG (1) Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der not-wendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Ent-scheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnis-se, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt.

c) Genehmigungsfreiheit

Genehmigungsfreiheit = Art. 57 BayBO Insbesondere:

- „Kleine“ Gebäude (Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 BayBO)

- Beispiele

- Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m, außer im Au-ßenbereich (Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BayBO)

- Garagen, einschließlich überdachter Stellplätze (Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BayBO)

- Werbeanlagen (Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO)

- Beseitigung baulicher Anlagen (mit Einschränkungen) (Art. 57 Abs. 5 BayBO)

- Instandsetzungsarbeiten (Art. 57 Abs. 6 BayBO)

- Geltung materiellen Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

Formelle Genehmigungsfreiheit ≠ Befreiung von der Einhaltung des materiellen Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

d) Genehmigungsfreistellung

Genehmigungsfreistellung = Art. 58 BayBO - Zweck

- „Entbürokratisierung“

- Privatisierung

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→ Risikoverlagerung auf die Bürgerinnen und Bürger

→ Keine „bürgerfreundliche“ Verwaltungsreform

- Voraussetzungen

Art. 58 BayBO (1) Keiner Genehmigung bedarf unter den Voraussetzungen des Abs. 2 die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen, die keine Sonderbauten sind. Die Gemeinde kann durch örtliche Bauvorschrift im Sinn des Art. 81 Abs. 2 die Anwendung dieser Vorschrift auf be-stimmte handwerkliche und gewerbliche Bauvorhaben ausschließen. (2) Nach Abs. 1 ist ein Bauvorhaben genehmigungsfrei gestellt, wenn

1. es im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinn des § 30 Abs. 1 oder der §§ 12, 30 Abs. 2 BauGB liegt, 2. es den Festsetzungen des Bebauungsplans und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 nicht widerspricht, 3. die Erschließung im Sinn des Baugesetzbuchs gesichert ist, 4. es nicht die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen betrifft,

a) durch die dem Wohnen dienende Nutzungseinheiten mit einer Größe von insge-samt mehr als 5 000 m² Bruttogrundfläche geschaffen werden oder b) die öffentlich zugänglich sind und der gleichzeitigen Nutzung durch mehr als 100 Personen dienen

und die Vorhaben den angemessenen Sicherheitsabstand im Sinn des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2012/18/EU zu einem Betriebsbereich nicht einhalten und 5. die Gemeinde nicht innerhalb der Frist nach Abs. 3 Satz 3 erklärt, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll oder eine vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB beantragt.

- Fünf Voraussetzungen

1. Bauvorhaben im Geltungsbereich

- eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder

- eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 2 BauGB)

2. Kein Widerspruch des Bauvorhabens zu

- Festsetzungen des Bebauungsplans, also

- des qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder

- des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 2 BauGB)

- Örtliche Bauvorschriften (Art. 81 BayBO)

3. Sicherung der Erschließung i. S. d. BauGB

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4. Kein Ausschlussgrund i. S. d. Art. 58 Abs. 2 Nr. 4 BayBO

5. Gemeinde

- entscheidet sich nicht für ein einfaches Genehmigungsverfah-ren (Art. 68 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 59 BayBO)

- beantragt keine vorläufige Untersagung (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauGB)

- Geltung materiellen Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

Formelle Genehmigungsfreistellung ≠ Befreiung von der Einhaltung des materiel-len Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

2. Genehmigungsverfahren

Bauantrag = Antrag des Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung

- Antragstellung (Art. 64 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BayBO)

Art. 64 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Der Bauantrag ist schriftlich bei der Gemeinde einzureichen. Diese legt ihn, sofern sie nicht selbst zur Entscheidung zuständig ist, mit ihrer Stellungnahme unverzüglich bei der Bauaufsichtsbehörde vor.

Art. 64 Abs. 2 BayBO (2) Mit dem Bauantrag sind alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Es kann gestattet werden, dass einzelne Bauvorlagen nachgereicht werden.

- Antragsmängel (Art. 65 Abs. 1 S. 2 BayBO)

Art. 64 Abs. 1 S. 2 BayBO Die Gemeinden können die Ergänzung oder Berichtigung unvollständiger oder unrichtiger Bauanträge verlangen.

- Rücknahmefiktion (Art. 65 Abs. 2 BayBO)

Art. 65 Abs. 2 BayBO (2) Ist der Bauantrag unvollständig oder weist er sonstige erhebliche Mängel auf, fordert die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemes-senen Frist auf. Werden die Mängel innerhalb der Frist nicht behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen.

Behördenbeteiligung = Anhörung anderer Stellen

Art. 65 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO (1) Die Bauaufsichtsbehörde hört zum Bauantrag diejenigen Stellen,

1. deren Beteiligung oder Anhörung für die Entscheidung über den Bauantrag durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist, oder

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2. ohne deren Stellungnahme die Genehmigungsfähigkeit des Bauantrags nicht beurteilt werden kann; […].

Nachbarbeteiligung = Einbeziehung des Nachbarn in die Erteilung der Baugenehmi-gung mit Blick auf den Drittschutz

- Vorlage des Lageplans und der Bauzeichnung zur Unterschrift (Art. 66 Abs. 1 S. 1 BayBO)

Art. 66 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Den Eigentümern der benachbarten Grundstücke sind vom Bauherrn oder seinem Be-auftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen.

- Unterschrift des Nachbarn = Zustimmungsfiktion (Art. 66 Abs. 1 S. 2 BayBO)

Art. 66 Abs. 1 S. 2 BayBO Die Unterschrift gilt als Zustimmung.

- Fehlende Zustimmung des Nachbarn oder fehlende Berücksichtigung seiner Einwendungen = Zustellung einer Ausfertigung der Baugenehmigung (Art. 66 Abs. 1 S. 6 BayBO)

Art. 66 Abs. 1 S. 6 BayBO Hat ein Nachbar nicht zugestimmt oder wird seinen Einwendungen nicht entsprochen, so ist ihm eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen.

→ Beginn der Frist für die Anfechtung der Baugenehmigung durch den Nachbarn (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO)

Öffentlichkeitsbeteiligung = Optionales Beteiligungsverfahren, das die Nachbarbetei-ligung verdrängt

- Option der Öffentlichkeitsbeteiligung (Art. 66a Abs. 1 Hs. 1 BayBO)

Art. 66a Abs. 1 Hs. 1 BayBO (1) Bei baulichen Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet sind, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu be-lästigen, kann die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag des Bauherrn das Bauvorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Be-reich des Standorts der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt machen; […].

- Öffentlichkeitsbeteiligung verdrängt Nachbarbeteiligung

Art. 66a Abs. 1 Hs. 2 BayBO […]; verfährt die Bauaufsichtsbehörde nach Halbsatz 1, findet Art. 66 Abs. 1 und 3 keine Anwendung.

- Präklusion (Art. 66a Abs. 2 BayBO)

Art. 66a Abs. 2 BayBO Mit Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Bekanntmachung des Bauvorhabens sind alle öffentlich-rechtlichen Einwendungen gegen das Bauvorhaben ausgeschlossen.

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3. Genehmigungsprüfung

Klassische Schlusspunkttheorie = Baugenehmigung bildet den zusammenfassenden Schlusspunkt aller öffentlich-rechtlichen Gestattungen für ein Bauvorhaben = Umfas-sende Prüfung der Zulässigkeit des Bauvorhabens Trennungsmodell = Gesetzlich beschränkte Prüfung der Zulässigkeit des Bauvorha-bens (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO)

Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

Differenzierung zwischen

- Baugenehmigungsverfahren (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 60 S. 1 BayBO)

Art. 60 BayBO Bei Sonderbauten prüft die Bauaufsichtsbehörde 1. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der bauli-chen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, 2. Anforderungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und auf Grund die-ses Gesetzes, 3. andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugeneh-migung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Art. 62 bis Art. 62b bleiben unberührt.

- vereinfachtem Baugenehmigungsverfahren (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 59 S. 1 BayBO)

Art. 59 BayBO Außer bei Sonderbauten prüft die Bauaufsichtsbehörde

1.die Übereinstimmung mit a) den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anla-gen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, b) den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6, c) den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1,

2. beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie 3.andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Bau-genehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.

Die Art. 62 bis 62b bleiben unberührt.

- Differenzierungsmerkmal zwischen dem Baugenehmigungsverfah-ren und dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren

Sonderbau = Art. 2 Abs. 4 BayBO (Legaldefinition)

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Problem des Trennungsmodells = Wie ist zu entscheiden, wenn die Bauaufsichtsbe-hörde erkennt, dass die Erteilung einer Baugenehmigung eine Rechtsvorschrift verletzt, die sie selbst nicht im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen hat? - Beispiel

- Zufallsfund

- Offensichtlicher Verstoß - Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde

- Versagung der Baugenehmigung

- Begründung: Fehlendes Sachbescheidungsinteresse - Verfassungsrechtliches Problem

- Richterrechtliche Rechtsfigur des fehlenden Sachbescheidungsinteresses = Be-schränkung auf Ausnahmefälle

- Richterrechtliche Rechtsfigur darf nicht flächendeckend und standardmä-ßig angewandt werden

- Vorbehalt des Gesetzes, Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Reaktion des bayerischen Gesetzgebers

- Einführung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO

Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

- Verwaltungsrechtliches Problem

- Reichweite des Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO (str.)

- Enge Auslegung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO

- Gesetzgeberische Umsetzung der Rechtsfigur des fehlenden Sachbeschei-dungsinteresses

- Argument: Wille des Gesetzgebers

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- Folge: Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO erfasst nur Zufallsfunde und offensichtliche Fehler

- Weite Auslegung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO

- Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO = Allgemeine Ermessensvorschrift

- Argumente

- Wortlaut - Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG)

- Folge:

- Prüfungspflicht

- Möglichkeit der Ermessensreduzierung auf Null

- Möglichkeit des Hinweises durch den Nachbarn

- Drittschützende Regelung

- Recht auf normgemäße Ermessensausübung

- Anspruch bei Ermessensreduzierung auf Null

4. Baugenehmigung

Übersicht

- Genehmigungsentscheidung - Genehmigungswirkung

a) Genehmigungsentscheidung

Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO) = Verwaltungsakt (Art. 35 S. 1 BayVwVfG)

- Schriftform (Art. 68 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BayBO)

Art. 68 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BayBO Die Baugenehmigung bedarf der Schriftform; […].

- Ausschluss der elektronischen Form (Art. 68 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 Bay-BO)

Art. 68 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BayBO […]; Art. 3a BayVwVfG findet keine Anwendung.

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- Begründung (Art. 68 Abs. 2 S. 2 BayBO)

Art. 68 Abs. 2 S. 2 BayBO Sie [= Baugenehmigung] ist nur insoweit zu begründen, als ohne Zustimmung des Nach-barn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird oder der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftlich Einwendungen erhoben hat; Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG und Art. 66a Abs. 2 Satz 3 bleiben unberührt.

- Zustellung

- Antragsteller und Gemeinde (Art. 68 Abs. 2 S. 3 BayBO)

Art. 68 Abs. 2 S. 3 BayBO Sie ist mit einer Ausfertigung der mit einem Genehmigungsvermerk zu versehenden Bauvorlagen dem Antragsteller und, wenn diese dem Bauvorhaben nicht zugestimmt hat, der Gemeinde zuzustellen

- Nachbar

Art. 66 Abs. 1 S. 6 BayBO Hat ein Nachbar nicht zugestimmt oder wird seinen Einwendungen nicht entspro-chen, so ist ihm eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen.

b) Genehmigungswirkung

Wirkung der Baugenehmigung = Feststellende + verfügende Wirkung

Feststellende Wirkung = Feststellung, dass das genehmigte Vorhaben mit den im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden öffentlich-rechtlichen Vor-schriften übereinstimmt, die im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen sind

Verfügende Wirkung = Baufreigabe = Recht, mit der Bauausführung zu begin-nen

Geltungsdauer = Grundsätzlich vier Jahre (Art. 69 Abs. 1 S. 1 BayBO)

Art. 69 BayBO (1) Sind in ihnen keine anderen Fristen bestimmt, erlöschen die Baugenehmigung und die Teil-baugenehmigung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen oder die Bauausführung vier Jahre unterbrochen worden ist; die Einlegung eines Rechtsbehelfs hemmt den Lauf der Frist bis zur Unanfechtbarkeit der Genehmi-gung. (2) Die Frist nach Abs. 1 kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu zwei Jahre verlängert wer-den. Sie kann auch rückwirkend verlängert werden, wenn der Antrag vor Fristablauf bei der Bau-aufsichtsbehörde eingegangen ist.

Rechtsnachfolge = Baugenehmigung gilt für und gegen den Rechtsnachfolger (Art. 54 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BayBO)

Art. 54 Abs. 2 S. 3 HS 1 BayBO

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Bauaufsichtliche Genehmigungen, Vorbescheide und sonstige Maßnahmen gelten auch für und gegen die Rechtsnachfolger; […].

Rechte Dritter = Baugenehmigung wird unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt (Art. 68 Abs. 4 BayBO)

Art. 68 Abs. 4 BayBO (4) Die Baugenehmigung wird unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt.

- Mögliche entgegenstehende private Rechte: § 823, §§ 906f., § 1004 BGB, WEG

- Offensichtlich entgegenstehende private Rechte

- Möglichkeit der Ablehnung des Bauantrages

- Grund: Fehlendes Sachbescheidung Interesse

5. Genehmigungstypen

Übersicht

- Vorbescheid - Teilbaugenehmigung - Genehmigung fliegender Bauten (siehe Vertiefung) - Typengenehmigung (siehe Vertiefung)

a) Vorbescheid

Vorbescheid = Vorweggenommener Teil der Baugenehmigung

Art. 71 BayBO Vor Einreichung des Bauantrags ist auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorha-bens ein Vorbescheid zu erteilen. Der Vorbescheid gilt drei Jahre, soweit in ihm keine andere Frist bestimmt ist. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu zwei Jahre verlängert werden. Art. 64 bis 67, Art. 68 Abs. 1 bis 4 und Art. 69 Abs. 2 Satz 2 gelten entsprechend; die Bauauf-sichtsbehörde kann von der Anwendung des Art. 66 absehen, wenn der Bauherr dies beantragt.

- Zweck

- Ersparnis von Zeit und Kosten

- Absicherung von Investitionen - Formen

Vorbescheid = Verbindliche Vorabklärung einzelner umstrittener Fragen der Zu-lässigkeit eines Bauvorhabens

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Bebauungsgenehmigung = Besondere Form des Vorbescheids = Verbindliche Vorabklärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens

- Voraussetzungen (Art. 71 S. 1 BayBO)

- Grundsätze

- Grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften über die Baugenehmigung (Art. 64–67, 68 Abs. 1–4 und 69 Abs. 2 S. 2 BayBO) (Art. 71 S. 4 Hs. 1 BayBO)

- Möglichkeit von der Beteiligung des Nachbarn (Art. 66 BayBO) abzuse-hen (Art. 71 Satz 4 Hs. 2 BayBO)

- Tatbestand

- Besondere formelle Tatbestandsvoraussetzungen: Antrag des Bauherrn

- Materielle Tatbestandsvoraussetzungen: Prüfung der rechtlichen Voraus-setzungen der einzelnen Fragen, die Gegenstand des Vorbescheids sind

- Rechtsfolge = Gebundene Entscheidung

- Rechtswirkungen

- Feststellende Wirkung des Vorbescheids

→ Bindung der Bauaufsichtsbehörde an den Vorbescheid bei der späteren Erteilung der Baugenehmigung

- Bindungswirkung bleibt auch mit Blick auf zwischenzeitliche Recht-sänderungen bestehen

- Möglichkeit der Behörde, sich von der Bindungswirkung des Vorbe-scheids zu lösen: Art. 48, Art. 49 BayVwVfG

- Keine verfügende Wirkung des Vorbescheids

- Keine Baufreigabe (Art. 68 Abs. 5 Nr. 1 BayBO)

Art. 68 Abs. 5 BayBO (5) Mit der Bauausführung oder mit der Ausführung des jeweiligen Bauabschnitts darf erst begonnen werden, wenn

1. die Baugenehmigung dem Bauherrn zugegangen ist sowie 2. die Bescheinigungen nach Art. 62a Abs. 2 und Art. 62b Abs. 2 und 3. die Baubeginnsanzeige

der Bauaufsichtsbehörde vorliegen. - Geltungsdauer

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- Grundsätzlich drei Jahre (Art. 71 S. 2 BayBO)

- Verlängerungsmöglichkeit: Um bis zu weitere zwei Jahre (Art. 71 S. 3 BayBO)

- Rechtsschutz

- Antragsteller

- Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Vorbescheids (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)

- Nachbar und Gemeinde

- Grundsatz: Keine Ersetzung des Vorbescheids durch die spätere Bauge-nehmigung

- Folge

- Es wurde (bisher) nur ein Vorbescheid erteilt

Anfechtungsklage gegen den Vorbescheid (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

- Es wurde ein Vorbescheid und eine Baugenehmigung erteilt

- Anfechtungsklage gegen den Vorbescheid (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

- Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

b) Teilbaugenehmigung

Teilbaugenehmigung = Zeitliche Vorverlegung des Baubeginns

- Teilbaugenehmigung ≠ Teilweise Genehmigung des Bauvorhabens

- Teilweise Genehmigung des Bauvorhabens = Vorbescheid

Art. 70 BayBO Ist ein Bauantrag eingereicht, kann der Beginn der Bauarbeiten für die Baugrube und für einzelne Bauteile oder Bauabschnitte auf schriftlichen Antrag schon vor Erteilung der Bau-genehmigung gestattet werden (Teilbaugenehmigung); eine Teilbaugenehmigung kann auch für die Errichtung einer baulichen Anlage unter Vorbehalt der künftigen Nutzung er-teilt werden, wenn und soweit die Genehmigungsfähigkeit der baulichen Anlage nicht von deren künftiger Nutzung abhängt. Art. 67 und 68 gelten entsprechend.

- Zweck: Beschleunigung der Ausführung des Bauvorhabens

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- Systematische Einordnung

- Grundsatz: Bauausführung erst nach Erteilung einer Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 5 Nr. 1 BayBO)

- Ausnahme: Teilbaugenehmigung

- Formen

Teilbaugenehmigung = Vorverlegung des Baubeginns (Art. 70 S. 1 Hs. 1 Bay-BO)

Teilbaugenehmigung mit Blick auf die künftige Nutzung = Vorverlegung des Baubeginns unter Vorbehalt der künftigen Nutzung, wenn und soweit Genehmi-gungsfähigkeit nicht von künftiger Nutzung abhängt (Art. 70 S. 1 HS 2 BayBO)

- Voraussetzungen

- Grundsätze

- Vorschriften über die Baugenehmigung (Art. 67, Art. 68 BayBO) sind an-wendbar Art. 70 S. 2 BayBO)

- Tatbestand

- Besondere formelle Tatbestandsvoraussetzung: Antrag des Bauherrn

- Materielle Tatbestandsvoraussetzungen

- Gegenstand der Teilbaugenehmigung muss öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen

- Gesamtvorhaben muss dem Grunde nach genehmigungsfähig sein (sog. positive Gesamtprognose)

- Rechtsfolge: Ermessen (Möglichkeit der Ermessensreduzierung auf Null)

- Rechtswirkungen

- Verfügende Wirkung: Baufreigabe für den von der Teilbaugenehmigung um-fassten Teil des Bauvorhabens

- Feststellende Wirkung: Bindungswirkung für die Baugenehmigung

- Für den von der Teilbaugenehmigung umfassten Teil des Bauvorha-bens

- Grundsätzlich auch für die prinzipiell positive Gesamtprognose

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→ Entfall der Bindungswirkung bei Änderung der Sach- und Rechtslage

- Rechtsschutz

- Antragsteller: Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Teilbaugenehmigung (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)

- Nachbar/Gemeinde: Anfechtungsklage gegen die erteilte Teilbaugenehmigung (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

6. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 402–441.

a) Essentials

Baugenehmigung = Präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

Grundsatz = Genehmigungsvorbehalt (Art. 55 Abs. 1 BayBO)

Aber: Keine Befreiung von der Einhaltung des materiellen Baurechts (Art. 55 Abs. 2 BayBO)

Vorrang anderer Genehmigungsverfahren = Bauliche Anlage bedarf keiner Baugenehmigung, da deren Voraussetzungen in einem anderen Genehmigungs-verfahren geprüft werden

Genehmigungsfreiheit = Art. 57 BayBO

Genehmigungsfreistellung = Art. 58 BayBO

Genehmigungsverfahren = Art. 64 ff. BayBO

Bauantrag = Antrag des Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung

Nachbarbeteiligung = Einbeziehung der Nachbarn in die Erteilung der Bauge-nehmigung mit Blick auf den Drittschutz (Art. 66 BayBO)

Fehlende Zustimmung des Nachbarn oder fehlende Berücksichtigung sei-ner Einwendungen = Zustellung einer Ausfertigung der Baugenehmigung (Art. 66 Abs. 1 S. 6 BayBO)

Trennungsmodell = Gesetzlich beschränkte Prüfung der Zulässigkeit des Bauvorha-bens (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO)

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Prüfung des Trennungsmodells

Baugenehmigungsverfahren = Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 60 S. 1 BayBO

Vereinfachtem Baugenehmigungsverfahren = Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. Art. 59 S. 1 BayBO

Differenzierungsmerkmal = Sonderbau (Art. 2 Abs. 4 BayBO)

Problem des Trennungsmodells = Wie ist zu entscheiden, wenn die Bauauf-sichtsbehörde erkennt, dass die Erteilung einer Baugenehmigung eine Rechtsvor-schrift verletzt, die sie selbst nicht im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen hat?

Regelung = Die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO)

Streit = Enge oder weite Auslegung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO

Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO) = Verwaltungsakt (Art. 35 S. 1 BayVwVfG)

Feststellende Wirkung = Feststellung, dass das genehmigte Vorhaben mit den im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden öffentlich-rechtlichen Vor-schriften übereinstimmt, die im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen sind.

Verfügende Wirkung = Baufreigabe = Recht, mit der Bauausführung zu begin-nen

Geltungsdauer = Grundsätzlich vier Jahre (Art. 69 Abs. 1 S. 1 BayBO)

Rechtsnachfolge = Baugenehmigung gilt für und gegen den Rechtsnachfolger (Art. 54 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 BayBO)

Rechte Dritter = Baugenehmigung wird unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt (Art. 68 Abs. 4 BayBO)

Besondere Formen der Baugenehmigung = Vorbescheid + Teilbaugenehmigung

Vorbescheid = Vorweggenommener Teil der Baugenehmigung (Art. 71 BayBO)

Teilbaugenehmigung = Zeitliche Vorverlegung des Baubeginns (Art. 70 BayBO)

b) FAQ

1. Warum handelt es sich bei der Baugenehmigung um ein präventives Verbot mit Er-laubnisvorbehalt?

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2. Was besagt der Genehmigungsvorbehalt? 3. Entbindet die Genehmigungsfreiheit von der Einhaltung des materiellen Baurechts? 4. Wo ist der Vorrang anderer Genehmigungsverfahren in der Bayerischen Bauordnung geregelt? 5. Welche Regelungen des Vorrangs anderer Genehmigungsverfahren außerhalb der Bayerischen Bauordnung kennen Sie? 6. Wo ist die Genehmigungsfreiheit geregelt? 7. Wo ist die Genehmigungsfreistellung geregelt? 8. Was versteht man unter einer Genehmigungsfreistellung? 9. Was ist der Zweck von Genehmigungsfreistellungen? 10. Wie wird die Genehmigungsfreistellung geprüft? 11. Wo ist das Genehmigungsverfahren in der Bayerischen Bauordnung geregelt? 12. Was ist ein Bauantrag? 13. Wo ist die Nachbarbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren geregelt? 14. Welche Folgen hat die Unterschrift des Nachbarn auf dem Lageplan? 15. Ist dem Nachbarn eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen? 16. Welche Funktion hat die Öffentlichkeitsbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren? 17. Was versteht man unter der Schlusspunkttheorie? 18. Was versteht man unter dem Trennungsmodell? 19. Verfolgt die Bayerische Bauordnung die Schlusspunkttheorie oder das Trennungs-modell? 20. Was ist der Unterschied zwischen dem Baugenehmigungsverfahren und dem verein-fachten Baugenehmigungsverfahren? 21. Wo liegt das Problem des Trennungsmodells? 22. Wie ist Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BayBO auszulegen? 23. Handelt es sich bei der Baugenehmigung um einen Verwaltungsakt?

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24. Wann ist die Baugenehmigung zu begründen? 25. Wem ist die Baugenehmigung zuzustellen? 26. Welche Rechtswirkungen hat eine Baugenehmigung? 27. Was versteht man unter der feststellenden Wirkung einer Baugenehmigung? 28. Was versteht man unter der verfügenden Wirkung einer Baugenehmigung? 29. Wie lange gilt eine Baugenehmigung? 30. Gilt eine Baugenehmigung auch gegen den Rechtsnachfolger? 31. Welche Rechtsfolgen hat der Erlass einer Baugenehmigung für Dritte? 32. Was ist ein Vorbescheid? 33. Was ist eine Bebauungsgenehmigung? 34. Wo ist der Vorbescheid geregelt? 35. Was ist der Zweck eines Vorbescheids? 36. Was sind die formellen Voraussetzungen eines Vorbescheids? 37. Was sind die materiellen Voraussetzungen eines Vorbescheids? 38. Welche Rechtswirkungen hat ein Vorbescheid? 39. Welche Geltungsdauer hat ein Vorbescheid? 40. Welcher Rechtsschutz steht dem Antragsteller mit Blick auf einen Vorbescheid zu? 41. Welcher Rechtsschutz steht dem Nachbarn mit Blick auf den Vorbescheid zu? 42. Was ist eine Teilbaugenehmigung? 43. Wo ist die Teilbaugenehmigung geregelt? 44. Was ist der Zweck einer Teilbaugenehmigung? 45. Welche Formen der Teilbaugenehmigung kennen Sie? 46. Was sind die formellen Voraussetzungen einer Teilbaugenehmigung? 47. Was sind die materiellen Voraussetzungen einer Teilbaugenehmigung?

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48. Was sind die Rechtswirkungen einer Teilbaugenehmigung? 49. Welcher Rechtsschutz steht dem Antragsteller mit Blick auf eine Teilbaugenehmi-gung zu? 50. Welcher Rechtsschutz steht dem Nachbarn mit Blick auf eine Teilbaugenehmigung zu?

VI. Repressive Bauaufsicht

Überblick

- Zweck - Generalklausel - Baueinstellung - Nutzungsuntersagung - Beseitigungsverfügung - Maßnahmenrichtung

1. Zweck

Zweck der repressiven Bauaufsicht = Gewährleistung, dass bauliche Vorhaben nicht in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, genutzt, geändert oder beseitigt werden Verwaltungsrechtswissenschaftliche Begriffe des repressiven Baurechts = Formelle Illegalität + materielle Illegalität

Formelle Illegalität = Fehlen einer formellen Genehmigung für die Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen Anlage

Materielle Illegalität = Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen An-lage verstößt gegen materielles öffentliches Recht

Ausschlaggebend für die repressive Bauaufsicht = Ermächtigungsgrundlagen der BayBO

2. Generalklausel

Art. 54 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Hs. 1 BayBO (2) Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Besei-tigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffent-lich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen ein-gehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung die-ser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen; […].

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- Bauordnungsrechtliche Generalklausel = Subsidiarität gegenüber bauordnungs-rechtlichen Standardmaßnahmen

- Bauordnungsrechtliche Standardmaßnahmen, z. B.:

- Baueinstellung - Nutzungsuntersagung - Beseitigungsverfügung

- Geringer Anwendungsbereich der bauordnungsrechtlichen Generalklausel

Beispiel: Nutzungsaufnahme-Untersagung

3. Baueinstellung

Baueinstellung = Stilllegungsverfügung für Bauarbeiten/Baustelle

Art. 75 BayBO Einstellung von Arbeiten (1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert o-der beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Das gilt auch dann, wenn

1. die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 begonnen wurde oder […]

(2) Werden unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fort-gesetzt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhan-denen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.

Baueinstellung = Art. 75 Abs. 1 BayBO - Zweck

- Gewährleistung der Wirksamkeit des Baugenehmigungsverfahrens

- Verhinderung vollendeter Tatsachen durch Bauausführung - Einstellungsgründe

- Widerspruch der Anlage zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

- Vorzeitiger Baubeginn

- Genehmigungsbedürftige Bauvorhaben = Vor Erteilung der Baugenehmi-gung

→ Formelle Illegalität bei genehmigungsbedürftigen Bauvorhaben also ausreichend

- Abweichung von Genehmigung bzw. eingereichten Unterlagen

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- Verwendung fehl- oder ungezeichneter Bauprodukte

- Gefahrbegriff

- Anscheinsgefahr ist ausreichend

Anscheinsgefahr = Es ist objektiv keine Gefahr gegeben, die Behörde durf-te jedoch bei Beurteilung der Gefahrenlage ex ante vertretbar eine Gefahr annehmen

- Ermessen

- Rechtsprechung

Intendiertes Ermessen = Baurechtswidriger Zustand ist in der Regel zu be-seitigen

In der Regel = Kein Vorliegen von atypischen Gründe, die im Einzel-fall eine gegenteilige Ermessensausübung rechtfertigen

- Begründung: Zwecksetzung von bauordnungsrechtlichen Befugnisnormen rechtmäßige Zustände wiederherzustellen

- Verhältnismäßigkeit

- Erforderlichkeit

- Erteilung einer Baugenehmigung als milderes Mittel im Vergleich zur Baueinstellung

→ Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Bauge-nehmigung

Versiegelung und Gewahrsamsnahme = Art. 75 Abs. 2 BayBO - Voraussetzung

- Fortsetzung der Arbeiten trotz verfügter Baueinstellung Prüfungsaufbau: Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung (Art. 75 S. 1 BayBO) I. Ermächtigungsgrundlage = Art. 75 S. 1 BayBO II. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit (Art. 54 Abs. 1 S. 2 BayBO) b) Örtliche Zuständigkeit (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG)

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c) Instanzielle Zuständigkeit (Art. 53 Abs. 1 BayBO) 2. Verfahren (insbesondere Anhörung, Art. 28 Abs. 1 VwVfG) 3. Form III. Materielle Rechtmäßigkeit 1. Ermächtigungsgrundlage = Art. 75 S. 1 BayBO 2. Tatbestand a) Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO) b) Errichtung, Änderung oder Beseitigung c) Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften (→ z. B. Art. 75 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BayBO) d) Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO) 3. Ermessen (→ intendiertes Ermessen) IV. Ergebnis

4. Nutzungsuntersagung

Nutzungsuntersagung = Untersagung der Nutzung einer baulichen Anlage, wenn diese gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt

Art. 76 S. 2 und 3 BayBO Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, so kann diese Nutzung untersagt werden. Die Bauaufsichtsbehörde kann verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird.

- Zweck

- Gewährleistung der Wirksamkeit des Baugenehmigungsverfahrens

- Verhinderung vollendeter Tatsachen durch Nutzung - Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

- Öffentlich-rechtliche Vorschriften: Insbesondere BayBO und BauGB

- Genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen

- Formelle Illegalität (Untersagung allein aufgrund formeller Illegalität möglich)

- Grund:

- Keine Substanzverletzung

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- Verhältnismäßig mit Blick auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Materielle Illegalität: Untersagung wegen materieller Illegalität ebenfalls möglich

- Nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen

- Materielle Illegalität: Untersagung nur aufgrund materieller Illegalität möglich

- Bestandsschutz

- Ausschluss einer Nutzungsuntersagung bei passivem Bestandsschutz

Eine Nutzungsuntersagung scheidet, soweit eine Nutzung, die formell und/oder materiell illegal ist, dennoch aus, wenn sie Bestandsschutz genießt, also nicht immer materiell illegal war.

- Ermessen: Rechtsprechung

Intendiertes Ermessen = Baurechtswidriger Zustand ist in der Regel zu be-seitigen

In der Regel = Kein Vorliegen von atypischen Gründen, die im Ein-zelfall eine gegenteilige Ermessensausübung rechtfertigen

- Begründung: Zwecksetzung von bauordnungsrechtlichen Befugnisnormen rechtmäßige Zustände wiederherzustellen

- Verhältnismäßigkeit: Besondere Fallgestaltung für genehmigungsbedürftige An-lagen

- Erforderlichkeit

Erteilung einer Nutzungsgenehmigung als milderes Mittel im Vergleich zur Baueinstellung (Art. 76 S. 3 BayBO)

→ Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Nut-zungsgenehmigung

Prüfungsaufbau: Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung (Art. 76 S. 2 BayBO) I. Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 2 BayBO II. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit (Art. 54 Abs. 1 S. 2 BayBO)

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b) Örtliche Zuständigkeit (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG) c) Instanzielle Zuständigkeit (Art. 53 Abs. 1 BayBO) 2. Verfahren (insbesondere Anhörung [Art. 28 Abs. 1 VwVfG]) 3. Form III. Materielle Rechtmäßigkeit 1. Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 2 BayBO 2. Tatbestand a) Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO) b) Nutzung c) Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften d) Kein Bestandsschutz e) Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO) 3. Ermessen (→ intendiertes Ermessen) IV. Ergebnis

5. Beseitigungsverfügung

Beseitigungsverfügung = Verwaltungsakt, der auf die teilweise oder vollständige Be-seitigung einer baulichen Anlage gerichtet ist

Art. 76 S. 1 und S. 3 BayBO Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. […] Die Bauauf-sichtsbehörde kann verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird.

- Zweck

- Gewährleistung der Wirksamkeit des Baugenehmigungsverfahrens

- Verhinderung vollendeter Tatsachen bei Errichtung oder Änderung einer bauli-chen Anlage

- Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

- Öffentlich-rechtliche Vorschriften: Insbesondere BayBO und BauGB

- Genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen

- Formelle Illegalität

- Materielle Illegalität

- Grund

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- Eingriff in die Bausubstanz

- Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 BauGB)

- Nicht genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen: Materielle Illegalität

- Kein Bestandsschutz

Bestandsschutz = Passiver Bestandsschutz

Eine Beseitigungsverfügung scheidet, soweit eine genehmigungsfreie, ge-nehmigungsfreigestellte oder genehmigungsbedürftige Anlage formell und/oder materiell illegal ist, dennoch aus, wenn sie Bestandsschutz genießt, also nicht immer materiell illegal war.

- Beachtlicher Zeitraum: Drei Monate (§ 75 S. 2 VwGO analog)

§ 75 S. 2 VwGO Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts er-hoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kür-zere Frist geboten ist.

- Legalisierungsmöglichkeit

- Bei formeller Illegalität: Erteilung einer Baugenehmigung (Art. 76 S. 3 BayBO)

- Bei materieller Illegalität: Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung - Ermessen

- Rechtsprechung

Intendiertes Ermessen = Baurechtswidriger Zustand ist in der Regel zu be-seitigen

In der Regel = Kein Vorliegen von atypischen Gründe, die im Einzel-fall eine gegenteilige Ermessensausübung rechtfertigen

- Begründung: Zwecksetzung von bauordnungsrechtlichen Befugnisnormen rechtmäßige Zustände wiederherzustellen

- Verhältnismäßigkeitsprüfung, Erforderlichkeit: Teilabriss als milderes Mittel

- Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

- Problem: Bauaufsichtsbehörde schreitet bei einer Vielzahl gleichgerichte-ter Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften nur gegen einzelne bauliche Anlagen ein

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- Grundsatz: Flächendeckende Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände

→ Intendiert das Ermessen

- Ausnahme: Sachlicher Grund, nur gegen einzelne bauliche Anlagen vor-zugehen → Konzept der Behörde zur Wiederherstellung baurechtmäßige Zustände

- Duldung rechtswidriger Zustände

- Grundsatz: Verstoß gegen intendiertes Ermessen

- Ausnahme: Rechtsförmliche Duldungszusage (Art. 38 BayVwVfG)

Prüfungsaufbau: Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsverfügung (Art. 76 S. 1 BayBO) I. Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 1 BayBO II. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit a) Sachliche Zuständigkeit (Art. 54 Abs. 1 S. 2 BayBO) b) Örtliche Zuständigkeit (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG) c) Instanzielle Zuständigkeit (Art. 53 Abs. 1 BayBO) 2. Verfahren (insbesondere Anhörung, Art. 28 Abs. 1 VwVfG) 3. Form III. Materielle Rechtmäßigkeit 1. Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 1 BayBO 2. Tatbestand a) Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO) b) Errichtung oder Veränderung c) Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften d) Kein Bestandsschutz e) Legalisierungsmöglichkeit f) Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO) 3. Ermessen (→ intendiertes Ermessen) IV. Ergebnis

6. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 442–456.

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a) Essentials

Zweck der repressiven Bauaufsicht = Gewährleistung, dass bauliche Vorhaben nicht in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, genutzt, geändert oder beseitigt werden Verwaltungsrechtswissenschaftliche Begriffe des repressiven Baurechts = Formelle Illegalität + materielle Illegalität

Formelle Illegalität = Fehlen einer formellen Genehmigung für die Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen Anlage

Materielle Illegalität = Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen An-lage verstößt gegen materielles öffentliches Recht

Ausschlaggebend für die repressive Bauaufsicht = Ermächtigungsgrundlagen der BayBO Bauordnungsrechtliche Generalklausel = Art. 54 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BayBO = Sub-sidiarität gegenüber bauordnungsrechtlichen Standardmaßnahmen Baueinstellung = Stilllegungsverfügung für Bauarbeiten/Baustelle Ermächtigungsgrundlage = Art. 75 S. 1 BayBO

- Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO)

- Errichtung, Änderung oder Beseitigung

- Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften (→ z. B. Art. 75 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BayBO)

- Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO)

- Ermessen (→ intendiertes Ermessen)

Nutzungsuntersagung = Untersagung der Nutzung einer baulichen Anlage, wenn diese gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 2 BayBO

- Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO)

- Nutzung

- Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

- Kein Bestandschutz

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- Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO)

- Ermessen (→ intendiertes Ermessen) Beseitigungsverfügung = Verwaltungsakt, der auf die teilweise oder vollständige Be-seitigung einer baulichen Anlage gerichtet ist Ermächtigungsgrundlage = Art. 76 S. 1 BayBO

- Bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO)

- Errichtung oder Veränderung

- Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

- Kein Bestandschutz

- Legalisierungsmöglichkeit

- Maßnahmenrichtung (Art. 49 BayBO)

- Ermessen (→ intendiertes Ermessen)

b) FAQ

1. Was versteht man unter repressiver Bauaufsicht? 2. Was ist der Zweck der repressiven Bauaufsicht? 3. Was versteht man unter formeller Illegalität? 4. Was versteht man unter materieller Illegalität? 5. Welche normative Relevanz kommt den Begriffen der formellen und materiellen Ille-galität zu? 6. Wo ist die bauordnungsrechtliche Generalklausel geregelt? 7. Welche Relevanz hat die bauordnungsrechtliche Generalklausel? 8. Wo ist die Baueinstellung geregelt? 9. Was ist der Zweck der Baueinstellung? 10. Was sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Baueinstellung? 11. Was versteht man unter intendiertem Ermessen? 12. Wo ist die Nutzungsuntersagung geregelt?

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13. Was ist der Zweck der Nutzungsuntersagung? 14. Was sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nutzungsuntersagung? 15. Welche Besonderheit gilt es bei der Ermessensprüfung der Nutzungsuntersagung zu beachten? 16. Wo ist die Beseitigungsverfügung geregelt? 17. Was ist der Zweck der Beseitigungsverfügung? 18. Was sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Beseitigungsverfügung? 19. Warum genügt im Fall einer genehmigungsbedürftigen baulichen Anlage nicht die formelle Illegalität, um eine Beseitigungsverfügung zu begründen? 20. Welche Bedeutung kommt dem Bestandsschutz im Rahmen der Voraussetzungen der Beseitigungsverfügung zu? 22. Welche Bedeutung spielte Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Rahmen der Er-messensausübung?

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D. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben

Übersicht

- Bauplanungsrechtliche Vorhaben - Qualifiziert beplanter Innenbereich - Unbeplanter Innenbereich - Außenbereich - Beteiligung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde - Bestandsschutz

I. Bauplanungsrechtliche Vorhaben

§ 29 BauGB (1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Aus-schachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37. (2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Bauplanungsrechtliches Vorhaben = Bauliche Anlage von bodenrechtlicher bzw. städtebaulicher Relevanz (§ 29 Abs. 1 BauGB)

Bauliche Anlage = Realer Baugegenstand, der in einer auf Dauer angelegten Art und Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist.

Bodenrechtliche bzw. städtebauliche Relevanz = Bauliche Anlage berührt die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise, dass ein Interessenkon-flikt das Bedürfnis nach verbindlicher Bauleitplanung hervorruft, um eine nach-haltige Stadtentwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB) durch eine umfassende Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu gewährleisten.

Errichtung = Erstmalige Herstellung oder Aufstellung einer baulichen Anlage an einem bestimmten Ort einschließlich der Wiederherstellung einer zerstörten Anla-ge

Änderung = Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes in städtebaulich relevan-ter Art und Weise

- Nicht bei Reparatur

- Möglich durch eine erhöhte Nutzung des Gebäudes

Nutzungsänderung = Aufgabe einer bestehenden Nutzung und Begründung einer neuen Nutzung, die bodenrechtliche bzw. städtebauliche Belange berührt

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 259–262.

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II. Qualifiziert beplanter Innenbereich

Übersicht

- Bereichsbegriff - Regelungssystematik - Regelbebauung - Ausnahmebebauung - Dispensbebauung - Zulässigkeit während der Planaufstellung - Drittschutz

1. Bereichsbegriff

§ 30 BauGB (1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurecht-lichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. (2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zu-lässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. (3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht er-füllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

Qualifizierter Bebauungsplan = § 30 Abs. 1 BauGB = Vier Festsetzungsarten

- Art der baulichen Nutzung - Maß der baulichen Nutzung - Überbaubarer Grundstücksflächen - Öffentliche Verkehrsflächen

Fehlen eines Merkmals → Einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB)

Vorhabenbezogener Bebauungsplan = § 30 Abs. 2 BauGB = § 12 BauGB

- Keine Notwendigkeit der vier Festsetzungsarten

→ Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 30 Abs. 2 BauGB

- Grund: Vorhabenbezogener Bebauungsplan = maßgeschneiderter Bebauungsplan (§ 12 BauGB)

Einfacher Bebauungsplan = § 30 Abs. 3 BauGB

- Einfacher Bebauungsplan enthält Festsetzungen

→ Vorhaben bestimmt sich nach diesen Festsetzungen

- Einfacher Bebauungsplan enthält keine Festsetzungen

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→ Vorhaben bestimmt sich nach

- § 34 BauGB, wenn Vorhaben im unbeplanten Innenbereich liegt

- § 35 BauGB, wenn Vorhaben im Außenbereich liegt

2. Regelungssystematik

Vorhaben liegt im qualifiziert überplanten Innenbereich

→ Regelbebauung (§ 30 Abs. 1 BauGB), wenn (-)

→ Ausnahmebebauung (§ 31 Abs. 1 BauGB), wenn (-)

→ Dispensbebauung (§ 31 Abs. 2 BauGB)

3. Regelbebauung

§ 30 BauGB (1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurecht-lichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

Zulässigkeit des Vorhabens = Regelfestsetzung + Erschließung

Regelfestsetzung = § 30 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

Erschließung = Anbindung eines Grundstücks an das öffentliche Straßen- und Verkehrssystem sowie seinen Anschluss an die Daseins-vorsorge, insbesondere die Versorgung mit Energie und Wasser (§§ 123 ff. BauGB)

Regelfestsetzung = § 30 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

- Festsetzung der Art der baulichen Nutzung + §§ 1–15 BauNVO Klausurre-levanz!

- Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung + §§ 16–21a BauNVO

- Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen + § 23 BauNVO

- Festsetzung der öffentlichen Verkehrsflächen

Festsetzung der Art der baulichen Nutzung + §§ 1–5 BauNVO Prüfung = Typenprüfung + Einzelfallprüfung Klausurrelevanz!

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Typenprüfung = § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO

- Normativität der Festsetzung (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO)

§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungs-plans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird.

- Inhalt der Festsetzung

- Normaufbau der §§ 2–10 BauNVO

- Abs. 1: Gebietstypus - Abs. 2: Regelbebauung

- Beispiel: § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO (Reines Wohngebiet)

§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO (1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude, 2. Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

§ 15 Abs. 1 BauNVO (1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzu-lässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung un-zumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

- Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots

- Zwei Prüfungsperspektiven

- Aufrechterhaltung des Gebietstypus (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

- Vorhaben widerspricht der Eigenart des Gebiets

- Drei Kriterien

- Beschreibung des Gebietstyps (§ X Abs. 1 BauNVO)

- Konkrete örtliche Situation

- Planungswille der Gemeinde

- Zeichnerische und textliche Festsetzungen

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- Planbegründung

- Ausschluss von Belästigungen (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO)

- Zwei Perspektiven

- Belästigungen oder Störungen des Vorhabens für die Nachbarn und das Gebiet (§ 15 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BauN-VO)

- Belästigungen und Störungen des Vorhabens durch die Nachbarn oder durch das Gebiet (§ 15 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BauNVO

- Kriterien

Umfassende Einzelfallabwägung der Interessen

- des zur Rücksichtnahme verpflichteten Bauherrn

- der durch Rücksichtnahme begünstigten Nachbarn

- Rechtsfolge

Verstoß gegen § 15 Abs. 1 BauNVO = Bauplanungsrechtliche Unzu-lässigkeit des Vorhabens

Beispiel

Fall: Ein Bebauungsplan setzt für einen bestimmten Bereich der Gemeinde ein reines Wohngebiet fest. X fragt sich, ob auf seinem Grundstück, das im Bereich dieses qualifizierten Bebauungsplans liegt, ein Wohnhaus bauplanungsrechtlich zulässig ist.

Typenprüfung = § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. B-Plan i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO

→ Wohnhaus des X (+)

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

→ Keine Beeinträchtigung des Gebietstypus (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

→ Keine Störung oder Belästigung (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO)

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4. Ausnahmebebauung

§ 31 Abs. 1 BauGB (1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

Zulässigkeit des Vorhabens = Ausnahmefestsetzung + Erschließung

Ausnahmefestsetzung = § 31 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

Festsetzung der Art der baulichen Nutzung + §§ 1–15 BauNVO Prüfung = Typenprüfung + Einzelfallprüfung Klausurrelevanz! Typenprüfung = § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 3 BauNVO

- Inhalt der Festsetzung

- Normaufbau der §§ 2–10 BauNVO

- Abs. 1: Gebietstypus - Abs. 2: Regelbebauung - Abs. 3: Ausnahmebebauung

- Beispiel: § 3 BauNVO (Reines Wohngebiet)

§ 3 Abs. 3 BauNVO (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1. Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des tägli-chen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, 2. sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewoh-ner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

- Aufrechterhaltung des Gebietstypus (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

- Ausschluss von Belästigungen (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO) Beispiel

Fall: Eine Gemeinde hat für einen bestimmten Bereich eines Gemeindegebiets ei-nen qualifizierten Bebauungsplan erlassen, der ein reines Wohngebiet festsetzt. X fragt sich, ob er auf seinem Grundstück, das im Bereich dieses qualifizierten Be-bauungsplans liegt, ein Gebäude mit einem Bäckerladen errichten kann.

Regelbebauung = § 30 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO

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→ Bäckerei ≠ Wohnhaus

→ Regelbebauung = (-)

Ausnahmebebauung = § 31 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. § 3, § 15 Abs. 1 BauNVO

Typenprüfung = § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. B-Plan i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO

→ Bäckerei = Laden, der zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Be-wohner des Gebiets dient (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO)

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

→ Keine Beeinträchtigung des Gebietstypus (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

→ Keine Störung oder Belästigung (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO)

5. Dispensbebauung

§ 31 Abs. 2 BauGB (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte füh-ren würde

und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Zulässigkeit des Vorhabens = Wahrung der Grundzüge der Planung + ein Befreiungsgrund + Interessenabwägung

Wahrung der Grundzüge der Planung = Wahrung des planerischen Grundkonzepts der Gemeinde

- Zweck

- Schutz der Planungshoheit der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

- Bauaufsichtsbehörde

- Entscheidung über Ausnahme von der Planung der Gemeinde im Einzel-fall

- Keine Entscheidung über die Planung der Gemeinde

Rechtsprechung

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Die Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) kann „nicht ein Instrument dafür sein, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben.“ (OVG Kob-lenz NVwZ-RR 2013, 525 [528])

- Je-Desto-Formel

Je tiefer die Befreiung in das Interessensgeflecht der Planung eingreift, des-to eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist.

Ein Befreiungsgrund der drei Befreiungsgründe

1. Befreiungsgrund: Gründe des Allgemeinwohls = § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB

Erforderlichkeit = Vernünftigerweise geboten ≠ Unbedingt notwendig

Beispielsfälle

- Gesetzliches Beispiel: Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden

- Rechtsprechungsbeispiele

- Soziale Einrichtungen

- Krankenversorgung - Kinderbetreuung - Altenpflege

- Kulturelle Einrichtungen - Schulen - Museen - Theater

- Sportliche Einrichtungen - Sportplätze - Badeanstalten - Turnhallen

- Freizeitdienende Einrichtungen - Spielplätze - Grünanlagen

- Sicherheitsrechtliche Einrichtungen - Brandwachen - Polizeiwachen

- Umweltschutzeinrichtungen - Kläranlagen - Immissionsschutzanlagen

- Verkehrs-, Versorgungs- oder Entsorgungsanlagen

2. Befreiungsgrund: Städtebaulich vertretbare Abweichung = § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB = Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Abwägung aller Interessen (§ 1 Abs. 5 i. V. m. § 1 Abs. 7 BauGB)

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- Rechtsdogmatisches Problem

- Abgrenzung zur Wahrung der Grundzüge der Planung als Voraus-setzung des § 31 Abs. 2 BauGB

- Rechtsdogmatische Folgerung

- Beschränkung auf atypische Sonderfälle

3. Befreiungsgrund: Härtefall = § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB = Städtebauliche Här-te ≠ Sozialer Härtefall

- Beispiel

- Unbebaubarkeit des Grundstücks

Interessenabwägung = Umfassende Abwägungsentscheidung

- Je-desto-Formen

Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht des Bebauungsplans ein-greift, desto näher liegt der Schluss, dass eine Befreiung mit den öffentli-chen (bodenrechtlichen) Belangen unvereinbar ist.

- Nachbarliche Interessen

→ Drittschützende Wirkung des § 31 Abs. 2 BauGB

Rechtsfolge = Ermessen

- Strenge Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 2 BauGB → Ermessensreduzierung auf Null (str.)

6. Prüfungsaufbau: Vorhaben im qualifiziert überplanten Innenbereich

Prüfungsaufbau: Vorhaben im qualifiziert überplanten Innenbereich (§ 30 Abs. 1, § 31 BauGB I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = Qualifiziert überplanter Innenbereich (§ 30 Abs. 1 BauGB) III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 1. Regelbebauung a. Typenprüfung (§ 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO) b. Einzelfallprüfung (§ 15 Abs. 1 BauNVO) 2. Ausnahmebebauung

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a. Typenprüfung (§ 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 3 BauNVO) b. Einzelfallprüfung (§ 15 Abs. 1 BauNVO) 3. Dispensbebauung (§ 31 Abs. 2 BauGB) a. Wahrung der Grundsätze der Planung b. Befreiungsgrund (1) Allgemeinwohl (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) (2) Städtebauliche Vertretbarkeit (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) oder (3) Härtefall (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) c. Interessenabwägung IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

7. Zulässigkeit während der Planaufstellung

§ 33 BauGB (1) In Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ist ein Vorhaben zulässig, wenn

1. die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 und § 4a Absatz 2 bis 5 durchgeführt worden ist, 2. anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht, 3. der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich an-erkennt und 4. die Erschließung gesichert ist.

- Zeitfenster: Zwischen Aufstellungsbeschluss und Inkrafttreten des Bebauungsplans - Planvorgreifender Zulässigkeitstatbestand

- Vorhaben ist unzulässig, wäre aber nach Maßgabe des künftigen Bebauungs-plans zulässig (Notwendigkeit einer hinreichenden Planreife)

- Nicht einschlägig, wenn Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1, § 31, § 34 oder § 35 BauGB

- Scheitern der Planung

- Vorhaben bleibt durch Genehmigung geschützt

8. Drittschutz

Übersicht

- Prozessuale Konstellationen - Rücksichtnahmegebot - gesetzliche Ausdifferenzierung

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a) Prozessuale Konstellationen

Klausurrelevanz! - Klagearten

- Anfechtungsklage des Nachbarn gegen Baugenehmigung des Bauherrn (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

- Verpflichtungsklage des Nachbarn gegen die Gemeinde auf Baueinstel-lung/Beseitigungsverfügung/Nutzungsuntersagung (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)

- Prüfung im Klageaufbau

- Anfechtungsklage

- Zulässigkeit

- Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

- Begründetheit

- Rechtsverletzung des Nachbarn (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO)

§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in sei-nen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den et-waigen Widerspruchsbescheid auf.

- Verpflichtungsklage

- Zulässigkeit

- Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

- Begründetheit

- Anspruch im Rahmen des Vornahmeantrags (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO)

§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO (5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswid-rig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist.

- Drittschutz

→ Ermessensreduzierung auf Null

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b) Rücksichtnahmegebot

Rücksichtnahme = Bauvorhaben darf nicht die Rechte des Nachbarn verletzen

Es ist das „Ziel des Rücksichtnahmegebots, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Nutzungsinteressen benachbarter Grundstückseigentümer entstehen können, möglichst zu vermei-den.“ (Voßkuhle/Kaufhold JuS 2010, 497)

Nachbar = Natürliche oder juristische Person, der ein dingliches Recht an dem Grund-stück zusteht.

- Grund: Dingliche Fixierung des Baurechts auf das Grundeigentum

- Hauptbeispiel: Grundstückseigentümer

→ Obligatorische Berechtigung genügt nicht

- Hauptbeispiel: Mieter

- Grundsatz: Wahrnehmung der Interessen des obligatorisch Be-rechtigten durch den dinglich Berechtigten

- Grund: Umfassende Repräsentation des Grundstücks durch den dinglich Berechtigten

Rücksichtnahmegebot = Kein allgemeines, übergreifendes Rücksichtnahmegebot im Baurecht

→ Gesetzliche Ausdifferenzierung des Rücksichtnahmegebots in einzelnen Rege-lungen des Baurechts

Rechtsprechung „Das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen Bau-rechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vor-schriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Es ist vielmehr Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts und als solches in den Tatbestandsmerkmalen der §§ 30 bis 35 BauGB und des § 15 Abs. 1 BauNVO enthal-ten. Es ist gegenüber anderen (ausdrücklich und von vornherein) nachbarschützenden Vor-schriften subsidiär.“ (BVerwG BeckRS 2017, 121126 Rn. 10)

Schutznormtheorie = Auslegungsgrundsatz zur „Entdeckung“ des drittschützen-den Charakters einer Regelung

Eine Regelung ist dann drittschützend, wenn sie neben der Verfolgung öf-fentlicher Ziele jedenfalls auch den Schutz individueller Rechtspositionen bezweckt

Reichweite des Drittschutzes = Ermittlung der personellen und inhaltlichen Reichwei-te des Drittschutzes durch Normauslegung

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Personelle Reichweite = Wer kann sich auf Drittschutz berufen?

- Frühere Rechtsprechung: Restriktives Verständnis drittschützender Normen

Rechtsprechung Einer baurechtlichen Regelung kann eine „drittschützende Wirkung nur dann zukommen […], wenn sie einen bestimmten und abgrenzbaren, d. h. individualisierbaren und nicht übermäßig weiten Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen läßt.“ (BVerwGE 52, 122 [129])

- Aktuelle Rechtsprechung: Normbezogenes Verständnis drittschützende Nor-men

Rechtsprechung „Es kommt weder darauf an, ob die Norm einen geschützten Personenkreis räumlich, etwa durch Bezeichnung eines Gebiets, abgrenzt, noch darauf, ob sie in ihrer vollen Reichweite auch dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. […] Worauf es ankommt ist, daß sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen läßt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet.“ (BVerwG NVwZ 1987, 409)

Inhaltliche Reichweite = Wie ist der Drittschutz inhaltlich ausgestaltet?

Generell drittschützende Norm = Unbedingter bzw. absoluter Schutz nachbarli-cher Interessen = Keine Interessenabwägung

Beispiel: Gebietserhaltungsanspruch

Relativ drittschützende Norm = Situationsbezogene schutznachbarliche Interes-sen = Interessenabwägung

Beispiel: Drittschützendes Verbot von Belästigungen und Störungen (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

Prüfung relativ drittschützender Normen = Situationsbezogene schutznachbarliche Interessen = Interessenabwägung

Prüfungsgrundsatz = Abwägungsleitende Je-Desto-Formel

Rechtsprechung „Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.“ (BVerwGE 52, 122 [126])

Prüfungsgliederung

1. Schutzwürdigkeit der Rechtsposition des Dritten

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→ Keine Schutzwürdigkeit bei bemakelten Rechtspositionen des Drit-ten

2. Schutzbedürftigkeit der Rechtsposition des Dritten

→ Keine Schutzbedürftigkeit bei rein wirtschaftlicher Betroffenheit des Dritten

- Beispiel: Minderung des Wertes eines Grundstücks auf dem Immo-bilienmarkt

3. Schutzgewichtung der Rechtsposition des Dritten

- Grundsatz: Kein Gewichtungsvorrang der Interessen des Bauherrn oder des Nachbarn

- Ausnahme: Gesetzlicher oder verfassungsrechtlicher Gewichtungs-vorrang

- Beispiel: Recht auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)

4. Abwägung der Rechtspositionen des Dritten und des Bauherrn

Rücksichtnahmegebot ≠ Abwägungsrechtliche „Einbahnstraße“ = Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme

Rechtsprechung „Welche Anforderungen sich hieraus im einzelnen ergeben, hängt maßgeb-lich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.“ (BVerwGE 52, 122 [126])

Abwägungskriterien

- Intensität von Belastungen für den Nachbarn

- Heranziehung immissionsschutzrechtlicher Wertungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG)

§ 3 Abs. 1 BImSchG (1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefah-ren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die All-gemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

- Situationsgebundenheit von Grundstücken,

- Beispiel: Zumutung von Beeinträchtigungen und Störungen sind in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) anders als in einem urbanen Gebiet (§ 6 BauNVO) zu beurteilt

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- Vorbelastung von Gebieten

Beispiel: Altlasten, Immissionen

- Prioritätsgrundsatz

- Grundsatz: Hinzukommende bauliche Anlagen müssen bereits vorhandene Bebauung respektieren

- Möglichkeit der architektonischen Selbsthilfe

- Beispiel: Bauliche Lage und Bauweise eines Vorhabens

- Folgenbetrachtung

- Perspektive: Welche Folgen ergeben sich für die weitere Ent-wicklung von baurechtlichen Spannungsverhältnissen?

c) Gesetzliche Ausdifferenzierung

Übersicht

- Regelbebauung - Ausnahmebebauung - Dispensbebauung - Grundrechte

(1) Regelbebauung

Übersicht

- Drittschutz bei Art der baulichen Nutzung - Drittschutz beim Maß der baulichen Nutzung - Drittschutz bei Bauweise - Drittschutz bei überbaubaren Grundstücksflächen

- Drittschutz bei Art der baulichen Nutzung (§§ 2–15 BauNVO)

- Dreidimensionaler Drittschutz

Gebietserhaltungsanspruch

- Rechtsgrundlage: Festsetzungen des Bebauungsplans

- Personelle Dimension: Alle gebietsansässigen Nachbarn

- Inhaltliche Dimension: General schützende Normen = Unbedingter bzw. absoluter Schutz nachbarlicher Interessen = Keine Abwägung

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- Begründung: Austauschverhältnis („Schicksalsgemeinschaft“)

Rechtsprechung „Insbesondere bei der Festsetzung der Baugebiete kann es nicht vom Willen der Gemeinde abhängen, ob die Planfestsetzung nachbarschützend ist. Zu den Aufgaben des Bauplanungsrechts gehört es, die einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Indem es in dieser Weise auf einen Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte zielt, bestimmt es zugleich den Inhalt des Grundeigen-tums. Bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz beruht demgemäß auf dem Ge-danken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Ei-gentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlichrechtlichen Be-schränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbar durchsetzen. Der Hauptanwendungsfall im Bau-planungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungs-plans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbe-troffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmög-lichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, daß auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Soweit die Gemeinde durch die Baunutzungsverordnung zur Festsetzung von Bau-gebieten ermächtigt wird, schließt die Ermächtigung deshalb ein, daß die Ge-bietsfestsetzung grundsätzlich nachbarschützend sein muß.“ (BVerwGE 94, 151 [155])

Gebietsprägungsanspruch

- Rechtgrundlage: § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO

§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO (1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anla-gen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Um-fang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspre-chen.

- Personelle Dimension: Alle gebietsansässigen Nachbarn

- Inhaltliche Dimension: Relativ schützende Normen = Situationsbe-zogene schutznachbarliche Interessen = Interessenabwägung

Rücksichtnahmegebot

- Rechtgrundlage: § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO

§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störun-gen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Bau-gebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

- Personelle Dimension: Alle qualifiziert betroffenen Nachbarn inner-halb und außerhalb des Gebiets

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- Inhaltliche Dimension: Relativ schützende Normen = Situationsbe-zogene schutznachbarliche Interessen = Interessenabwägung

- Drittschutz beim Maß der baulichen Nutzung (§§ 16–21a BauNVO)

- Grundsatz: Kein Drittschutz

- Ausnahme: Bebauungsplan sieht Drittschutz ausdrücklich vor - Drittschutz bei Bauweise (§ 22 BauNVO)

§ 22 BauNVO (1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt wer-den. (2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind. (3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, daß die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. (4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grund-stücksgrenzen herangebaut werden darf oder muß.

- Grundsatz: Drittschutz bei offener Bauweise

- Zweck offener Bauweise

- Brandschutz - Belichtung - Belüftung

→ Jedenfalls auch schutznachbarliche Interessen (Schutz-normtheorie)

- Drittschutz bei überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO)

- Grundsatz: Kein Drittschutz

- Ausnahme: Bebauungsplan sieht Drittschutz ausdrücklich vor

(2) Ausnahmebebauung

- Ausnahmebebauung (§ 31 Abs. 1 BauGB) - Grundsatz: Drittschutz = Ausnahmebebauung bezieht sich auf eine Regelbebauung, die dem Nachbarschutz dient - Beispiel: Art der baulichen Nutzung (§§ 2–15 BauNVO)

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- Gebietserhaltungsanspruch (Festsetzungen des Bebauungsplans)

- Gebietsprägungsanspruch (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO)

- Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO)

(3) Dispensbebauung

- Dispensbebauung (§ 31 Abs. 2 BauGB) - Drittschutz: Nachbarliche Interessen

(4) Grundrechte

- Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) (str.) - Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)

- Möglichkeit des Drittschutzes für obligatorisch Berechtigte, die keine Nachbarn im baurechtlichen Sinne sind

9. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 263–307.

a) Essentials

Vorhaben liegt im qualifiziert überplanten Innenbereich = § 30 Abs. 1, § 31 BauGB Regelungs- und Prüfungssystematik → Regelbebauung (§ 30 Abs. 1 BauGB), wenn (-)

→ Ausnahmebebauung (§ 31 Abs. 1 BauGB), wenn (-)

→ Dispensbebauung (§ 31 Abs. 2 BauGB) Regelbebauung = § 30 Abs. 1 BauGB = Regelfestsetzung + Erschließung

Regelfestsetzung = § 30 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

Erschließung = Anbindung eines Grundstücks an das öffentliche Straßen- und Verkehrssystem sowie seinen Anschluss an die Daseinsvorsorge, insbesondere die Versorgung mit Energie und Wasser (§§ 123 ff. BauGB)

Regelfestsetzung = § 30 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

Festsetzung der Art der baulichen Nutzung + §§ 1–15 BauNVO

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Prüfung = Typenprüfung + Einzelfallprüfung

Typenprüfung = § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

Aufrechterhaltung des Gebietstypus = § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO

Belästigungen + Störungen = § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO

Ausnahmebebauung = § 31 Abs. 1 i. V. m. BPlan i. V. m. BauNVO

Festsetzung der Art der baulichen Nutzung + §§ 1–15 BauNVO

Prüfung = Typenprüfung + Einzelfallprüfung

Typenprüfung = § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO

Einzelfallprüfung = § 15 Abs. 1 BauNVO

Aufrechterhaltung des Gebietstypus = § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO

Belästigungen + Störungen = § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO

Dispensbebauung = § 31 Abs. 2 BauGB = Wahrung der Grundzüge der Planung + ein Befreiungsgrund + Interessenabwägung

Wahrung der Grundzüge der Planung = Wahrung des planerischen Grundkon-zept der Gemeinde

Ein Befreiungsgrund der drei Befreiungsgründe

1. Befreiungsgrund: Gründe des Allgemeinwohls = § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB =

Erforderlichkeit = Vernünftigerweise geboten ≠ Unbedingt notwen-dig

2. Befreiungsgrund: Städtebaulich vertretbare Abweichung = § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB = Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in Abwägung aller Interessen (§ 1 Abs. 5 i. V. m. § 1 Abs. 7 BauGB)

3. Befreiungsgrund: Härtefall = § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB = Städtebauli-che Härte ≠ Sozialer Härtefall

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Interessenabwägung = Umfassende Abwägungsentscheidung

Rechtsfolge = Ermessen (Ermessensreduzierung auf Null [str.]) Drittschutz = Schutz des Nachbarn im Baurecht

Klausurkonstellationen

Anfechtungsklage des Nachbarn gegen Baugenehmigung des Bauherrn (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

Verpflichtungsklage des Nachbarn gegen die Gemeinde auf Baueinstel-lung/Beseitigungsverfügung/Nutzungsuntersagung (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)

Rücksichtnahme = Bauvorhaben darf nicht die Rechte des Nachbarn verletzen

Nachbar = Natürliche oder juristische Person, der ein dingliches Recht an dem Grundstück zusteht.

Rücksichtnahmegebot = Kein allgemeines, übergreifendes Rücksichtnah-megebot im Baurecht

Schutznormtheorie = Eine Regelung ist dann drittschützend, wenn sie ne-ben der Verfolgung öffentlicher Ziele jedenfalls auch den Schutz individuel-ler Rechtspositionen bezweckt

Reichweite des Drittschutzes = Ermittlung der personellen und inhaltlichen Reichweite des Drittschutzes durch Normauslegung

Personelle Reichweite = Normbezogenes Verständnis drittschützender Normen = Qualifizierte Betroffenheit = Unterscheidbarkeit von der Allge-meinheit

Inhaltliche Reichweite

Generell drittschützende Norm = Unbedingter bzw. absoluter Schutz nachbarlicher Interessen = Keine Interessenabwägung

Relativ drittschützende Norm = Situationsbezogene schutznachbar-liche Interessen = Interessenabwägung

Klausurrelevante drittschützende Einzelregelungen

Regelbebauung = insbesondere: Drittschutz bei Art der baulichen Nutzung (§§ 2–15 BauNVO)

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Gebietserhaltungsanspruch = Gebietsangehörige + Austauschver-hältnis/„Schicksalsgemeinschaft“

Gebietsprägungsanspruch = Gebietsangehörige + 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO

Rücksichtnahmegebot = Gebietsangehörige/Nichtgebietsangehörige = 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO

Ausnahmebebauung = § 31 Abs. 1 BauGB = grds. wie Regelbebauung

Dispensbebauung = § 31 Abs. 2 BauGB = Nachbarliche Interessen

Grundrechte = Eigentum (Art. 14 Abs. 1 S. 1 [str.]) + Gesundheit/Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)

b) FAQ

1. Wo ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im qualifiziert über-planten Innenbereich geregelt? 2. Was versteht man unter einem qualifizierten Bebauungsplan? 3. Was versteht man unter einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan? 4. Was versteht man unter einem Bebauungsplan? 5. Welche Regelungssystematik gilt für die Zulässigkeit von Vorhaben im qualifiziert überplanten Innenbereich? 6. Wo ist die Regelbebauung geregelt? 7. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Vorhaben im Rahmen der Regelbebauung zulässig? 8. Wie wird die Art der baulichen Nutzung im Rahmen der Regelbebauung geprüft? 9. Worauf richtet sich die Typenprüfung? 10. Worauf richtet sich die Einzelfallprüfung? 11. Wo ist die Ausnahmebebauung geregelt? 12. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Vorhaben im Rahmen der Ausnahmebebau-ung zulässig? 13. Wo ist die Dispensbebauung geregelt?

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14. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Vorhaben im Rahmen der Dispensbebauung zulässig? 15. Was bedeutet Wahrung der Grundzüge der Planung? 16. Wie ist der Befreiungsgrund des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zu verstehen? 17. Wie ist der Befreiungsgrund des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB zu verstehen? 18. Wie ist der Befreiungsgrund des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB zu verstehen? 19. Wie erfolgt die Interessenabwägung im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB? 20. Wo ist die Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung geregelt? 21. Warum handelt es sich bei dieser Regelung um einen planvorgreifenden Zulässig-keitstatbestand? 22. In welchen prozessualen Konstellationen wird der Drittschutz relevant? 23. Wo wird in einer Klausur der Drittschutz geprüft? 24. Was bedeutet Rücksichtnahme im Baurecht? 25. Wer ist Nachbar im Sinne des Baurechts? 26. Gibt es im Baurecht ein allgemeines, übergreifendes Rücksichtnahmegebot? 27. Wie ermittelt man die drittschützende Wirkung einer Norm? 28. Was ist der Unterschied zwischen einer generell drittschützenden Norm und einer relativ drittschützenden Norm? 29. Wie ist der Inhalt einer drittschützenden Norm zu prüfen? 30. Welche Kriterien bestimmen die Abwägung einer drittschützenden Norm? 31. Zwischen welchen drei Dimensionen des Drittschutzes gilt es bei der Regelbebau-ung (§ 30 Abs. 1 BauGB) mit Blick auf die Art der baulichen Nutzung zu unterschei-den? 32. Was versteht man unter einem Gebietserhaltungsanspruch? 33. Wie wird der Gebietserhaltungsanspruch hergeleitet? 34. Was versteht man unter dem Gebietsprägungsanspruch? 35. Was regelt § 15 Abs. 1 BauNVO?

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36. Woraus ergibt sich der Drittschutz bei der Ausnahmebebauung (§ 31 Abs. 1 BauGB)? 37. Woraus ergibt sich der Drittschutz bei der Dispensbebauung (§ 31 Abs. 2 BauGB)? 38. Kann sich aus Grundrechten Drittschutz ergeben? 39. Ändert sich dadurch der Begriff des Nachbarn?

10. Fall: Frühstückspension

Sachverhalt Rentner R wohnt in der kreisfreien Stadt S in einem Reihenendhaus, das in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet liegt. Als eines Montags auf dem Nachbargrundstück eine Baustelle eingerichtet wird, erfährt er von dem zuständi-gen Bauleiter, dass hier von der A-AG ein 6,5 Meter hohes, zweigeschossiges Gebäude errichtet werden soll, in dem neben einer Wohnung im Obergeschoss eine Frühstücks-pension mit acht Zimmern samt Nebenräumen entsteht. Einer Baufreigabe bedürfe es nicht, weil das Vorhaben ordnungsgemäß bei der Bauaufsichtsbehörde der Stadt S an-gezeigt worden sei. Gegen diese Verschandelung seiner gediegenen Reihenhaussiedlung protestiert R bei der Bauaufsichtsbehörde und verlangt, die Einstellung der Arbeiten zu verfügen. Die Bauaufsichtsbehörde sagt ihm zu, das Projekt nochmals unter die Lupe nehmen zu wollen. Als nach einigen Wochen das Kellergeschoss bereits errichtet ist, und der Rohbau mit Bauelementen das Obergeschoss erreicht, ruft R erneut bei der Bauaufsichtsbehörde an. Dort wird ihm mitgeteilt, dass man mit dem Eigentümer des Nachbargrundstückes in Verhandlungen stehe und einstweilen nichts unternehmen wer-de. R sieht seine rechtlichen Möglichkeiten schwinden und sucht deshalb beim zustän-digen Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nach. Fallfrage: Hat der Antrag des R Aussicht auf Erfolg? Lösung (Der Fall ist den Entscheidungen des VG Meiningen (BauR 1997, S. 99) und des OVG Bautzen (SächsVBl 1997, S. 33) nachgebildet. Der Antrag ist erfolgreich, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit des Antrags I. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 VwGO bei öffentlich-rechtlichen Strei-tigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen solche des Öffentlichen Rechts sind. Dies ist der Fall, wenn sie einen Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Der vorliegende Streitgegenstand ist auf der Grundlage der BayBO, des BauGB und der BauNVO zu entscheiden. Diese berechtigen und verpflichten die Stadt S als Bauauf-

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sichtsbehörde. Sie sind folglich dem Kernbereich des Öffentlichen Rechts zuzurechnen. Damit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu bejahen. Diese ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da an dem Streit weder Verfas-sungsorgane im formellen Sinn beteiligt sind noch das Verfassungsrecht den materiellen Kern des Rechtsstreits bildet. Da darüber hinaus auch keine abdrängende Sonderzuwei-sung einschlägig ist, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO er-öffnet. II. Statthafte Antragsart Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Antragsbegehren (§ 88 VwGO analog). Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz. Dieser richtet sich grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 VwGO. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist jedoch nach § 123 Abs. 5 VwGO gegenüber einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO subsidiär. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zu stellen, wenn es dem Antragsteller um die Suspendierung eines Verwaltungsaktes geht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der R eine Baueinstellung nach Art. 75 BayBO begehrt. Da es sich bei dieser um einen Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 VwVfG handelt, geht es ihm um den Erlass eines Ver-waltungsaktes – nicht um dessen Suspendierung. Damit ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht subsidiär. § 123 Abs. 1 VwGO unterscheidet zwischen einer Siche-rungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und einer Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Mit einer Sicherungsanordnung verfolgt der Antragsteller das Ziel, den status quo bis zur Verhandlung der Hauptsache zu sichern. Mit einer Rege-lungsanordnung verfolgt der Antragsteller das Ziel, seinen Rechtskreis zu erweitern, damit er bis zur Verhandlung der Hauptsache keinen Rechtsverlust erleidet. Vorliegend ist ein Regelungsantrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu stellen, da die Rechte des R nur gesichert werden können, wenn durch eine vorläufige Regelung gegenüber dem Bauherrn als erweiternder Regelung sichergestellt wird, dass nicht weiter gebaut wird. III. Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) 1. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO als drittschützende Regelung Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass R einen Anspruch aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO auf die Baueinstellung besitzt. Zweck dieser Regelung ist der Schutz öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die bei einem Bauvorhaben zu berücksichtigen sind, bzw. diesem entgegenstehen können. Dies sind vorliegend vor allem Rechtsvorschriften des Bauplanungsrechts (§§ 29 ff. BauGB). Das Vorhaben liegt im Bereich eines Bebau-ungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Diese Festsetzung entfaltet auf-grund des im Planungsgebiet begründeten Austauschverhältnisses („Schicksalsgemein-schaft“) eine drittschützende Wirkung (sog. Gebietserhaltungsanspruch). Im vorliegen-den Fall ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese drittschützende Festsetzung des Bebauungsplans durch das Bauvorhaben verletzt wird. Damit ist R grundsätzlich antragsbefugt. 2. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO als Ermessensnorm

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Diese Antragsbefugnis des R kann auch nicht deshalb verneint werden, weil es sich bei Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO um eine Norm handelt, die der Bauaufsichtsbehörde Er-messen einräumt. Auch im Rahmen der Ermessensausübung sind nachbarschützende Erwägungen zu berücksichtigen. Außerdem kann selbst eine Ermessensreduzierung auf Null, die dem R einen Anspruch auf Baueinstellung vermitteln würde, vorliegend nicht von vornherein ausgeschlossen werden. 3. Zwischenergebnis R ist antragsbefugt. IV. Beteiligtenfähigkeit R ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO, die Stadt S ist als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig. V. Prozessfähigkeit R ist nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S muss sich als juristische Person nach § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. Art. 38 Abs. 1 GO durch ihren ersten Bürger-meister vertreten lassen. VI. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Das Verwaltungsgericht ist laut Sachverhalt örtlich und nach § 45 VwGO sachlich zu-ständig. VII. Rechtschutzbedürfnis Es ist der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, die Rechte des Antragstellers bis zur Hauptverhandlung zu sichern. Damit fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Hauptsache durch den einstweiligen Rechtsschutz vorweggenommen würde. Vorliegend würde die Hauptsache vorweggenommen. R begehrt in der Hauptsache eine Baueinstellung. Über diese würde aber bereits im Rahmen des einstweiligen Rechts-schutzes entschieden. Damit ist das Rechtschutzbedürfnis grundsätzlich zu verneinen. Von diesem Grundsatz ist jedoch unter dem Gesichtspunkt des in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes eine Ausnahme angezeigt, wenn anderen-falls der Antragsteller keinen effektiven gerichtlichen Schutz seiner Rechte erlangen kann. Vorliegend ist dies der Fall, weil R bei einer Verneinung des Rechtschutzbedürfnisses und damit der Zulässigkeit seines Antrags im Hinblick auf die Errichtung des Nach-bargebäudes sein eventuell bestehendes subjektives Recht auf eine Baueinstellung nicht gerichtlich durchsetzen könnte. Dies würde aber sein in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garan-tiertes Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzen. Deshalb ist vorliegend das Rechts-schutzbedürfnis zu bejahen.

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VIII. Zwischenergebnis Der Antrag ist zulässig. B. Begründetheit des Antrags Der Antrag ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet und R einen Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). I. Passivlegitimation Antragsgegner ist analog § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Stadt S als Trägerin der Bauauf-sicht (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BayBO i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO). II. Anordnungsanspruch R könnte aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ein Anspruch auf eine Baueinstellung zu-stehen. 1. Tatbestand des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO Auf der Tatbestandsseite setzt Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO voraus, dass eine bauliche Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde. a) Vorhaben i. S. d. Art. 2 Abs. 1 BayBO Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Vorhaben i. S. d. Art. 2 Abs. 1 BayBO. b) Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften Vorliegend wurde für das Gebäude keine Baugenehmigung erteilt. In dieser fehlenden Baugenehmigung könnte ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegen, wenn vorliegend eine Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren i. S. d. Art. 59 BayBO erforderlich gewesen wäre (sog. formelle Illegalität). (1) Keine Genehmigungsfreiheit (Art. 57 BayBO) Das Vorhaben ist nach Art. 57 Abs. 1 BayBO nicht genehmigungsfrei. (2) Keine Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) Das Vorhaben ist auch nicht nach Art. 58 BayBO von der Genehmigung freigestellt. Zwar liegt das Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB (Art. 58 Abs. 2 Nr. 1 BayBO). Doch es widerspricht den Festsetzungen des Be-bauungsplans (Art. 58 Abs. 2 Nr. 2 BayBO): Der Bebauungsplan setzt ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO fest. Dieses dient vorwiegend dem Wohnen (§ 4 Abs. 1

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BauNVO). Doch bei dem Bauvorhaben der A-AG handelt es sich weder um ein Gebäu-de, das i. S. d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ausschließlich dem Wohnen dient, noch fällt das Vorhaben unter die weiteren als Regelbebauung in § 4 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauN-VO vorgesehenen Nutzungszwecke. Deshalb widerspricht es der Regelbebauung in ei-nem allgemeinen Wohngebiet. c) Zwischenergebnis Vorliegend wäre eine Baugenehmigung erforderlich gewesen. Da diese nicht vorliegt, wird das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet. Der Tatbestand des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist folglich erfüllt. 2. Rechtsfolge des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO Auf der Rechtsfolgenseite räumt Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO der Bauaufsichtsbehörde Ermessen ein. folglich kann dem R nur dann ein Anspruch auf Baueinstellung zustehen, wenn das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde auf Null reduziert ist. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn die Behörde umgehend eine Baugenehmigung erteilen könnte, die den Widerspruch des Vorhabens zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften beseitigen wür-de. Vorliegend kommt die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Geneh-migungsverfahren in Betracht (Art. 59 BayBO). Eine Genehmigung kann erteilt werden, wenn das Vorhaben nicht den §§ 29–38 BauGB widerspricht a) Vorhaben i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB Das Gebäude ist planungsrechtlich relevant und folglich ein Vorhaben i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB. b) Regelbebauung Eine Regelbebauung nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. dem Bebauungsplan i. V. m. § 4 Abs. 2 BauNVO scheidet aus (s.o.). c) Ausnahmebebauung Das Vorhaben der A-AG könnte jedoch als Ausnahmebebauung nach § 31 Abs. 1 BauGB zulässig sein. Nach § 31 Abs. 1 BauGB können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang aus-drücklich vorgesehen sind. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO sieht als Ausnahmebebauung Betriebe des Beherbergungs-gewerbes vor. Bei einer Frühstückspension handelt es sich um einen solchen Beherber-gungsbetrieb. Von dieser gehen auch keine Störungen oder Belästigungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO aus. Damit ist das Vorhaben der A-AG als Ausnahmebebauung nach § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zulässig.

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d) Zwischenergebnis Eine Baugenehmigung kann umgehend erteilt werden. Damit scheidet aber auch eine Ermessensreduzierung der Bauaufsichtsbehörde auf Null aus, so dass R über keinen Anordnungsanspruch verfügt. C. Ergebnis Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

III. Unbeplanter Innenbereich

Übersicht

- Bereichsbegriff - Regelungssystematik - Generalklausel - Spezialregelung - Drittschutz

1. Bereichsbegriff

§ 34 Abs. 1 BauGB (1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

Unbeplanter Innenbereich = Im Zusammenhang bebauter Ortsteil, der nicht durch einen qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplan überplant ist.

Ortsteil = Jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist

Im Zusammenhang bebaut = Bebauungszusammenhang = Eine auf-einanderfolgende Bebauung muss nach der Verkehrsauffassung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zu-sammengehörigkeit vermitteln

Innenbereichssatzungen = Abgrenzung von Innen- und Außenbereich durch Satzung (§ 34 Abs. 4 S. 1 BauGB)

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2. Regelungssystematik

Vorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich

- Grundsatz: Bebauung grds. zulässig

- Voraussetzungen

- Generalklausel (§ 34 Abs. 1 BauGB)

- Spezialregelung (§ 34 Abs. 2 BauGB)

- Klausur - Prüfungsreihenfolge

- Spezialregelung (§ 34 Abs. 2 BauGB)

- Generalklausel (§ 34 Abs. 1 BauGB)

3. Generalklausel

§ 34 Abs. 1 BauGB (1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens

Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche

- Umgebung

- Eigenart

- Einfügen

- Erschließung

- Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse

- Keine Beeinträchtigung des Ortsbilds Umgebung ≠ Unmittelbare Nachbarschaft, sondern Wechselwirkung des Vorhabens mit der bereits vorhandenen Bebauung

- Prägung der Bebauung durch wesentliche Merkmale

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- Ausblendung singulärer Bauten

- Problem: Gemengelagen Eigenart = Typologische Charakterisierung der Umgebung

- Auslegungshilfe

- Baugebietstypen der BauNVO (§ 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO) Einfügen = Rahmenprüfung + Städtebauliche Vertretbarkeit

Rahmenprüfung = Typologische Betrachtung + Rücksichtnahmegebot

Typologische Betrachtung = Vergleichbarkeit des Vorhabens mit der vor-handenen Bebauung

Rücksichtnahmegebot = Störungen und Belästigungen der Umgebung oder des Vorhabens

Zwischenergebnis

Positives Ergebnis = Vorhaben fügt sich ein

Negatives Ergebnis = Vorhaben fällt aus dem Rahmen

→ Städtebauliche Vertretbarkeitsprüfung

Städtebauliche Vertretbarkeit = „Harmonische“ Ergänzung + Rücksichtnahme

Zweck = Keine Blockierung von Ideen- und Gestaltungsreichtum = Kein Zwang zu Uniformität = Städtebauliche Entwicklungsoffenheit

„Harmonische“ Ergänzung = Keine städtebaulichen Spannungen, die nur im Rahmen einer gesamtplanerischen Gesamtabwägung gelöst werden kön-nen

Rücksichtnahmegebot = Störungen und Belästigungen der Umgebung oder des Vorhabens

Abweichungen vom Einfügensgebot = § 34 Abs. 3a BauGB = Bestandsschutzin-teressen + Innenstadtverödung

Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse = Abwehr von städtebaulichen Missständen (§ 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) und schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG)

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Keine Beeinträchtigung des Ortsbilds = Abwehr von (optischen) Beeinträchtigungen von Ortsbildern

- Bedeutung des Ortsbilds: Wertigkeit für die Allgemeinheit

→ Nicht jedes Ortsbild ist schützenswert (Berücksichtigung negativer Vorprägungen)

- Betrachtung des Ortsbilds aus der Perspektive eines für Entwicklungen aufge-schlossenen Betrachters

→ Keine Konservierung des Status Quo

Prüfungsaufbau: Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (Generalklausel § 34 Abs. 1 BauGB) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = Unbeplanter Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB) 1. Ortsteil 2. Bebauungszusammenhang III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§ 34 Abs. 1 BauGB) 1. Eigenart der Umgebung a) Umgebung b) Eigenart 2. Einfügen a) Rahmenprüfung (1) Typologische Betrachtung (2) Rücksichtnahmegebot b) Städtebauliche Vertretbarkeit (1) „Harmonische“ Ergänzung (2) Rücksichtnahmegebot 3. Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse 4. Keine Beeinträchtigung des Ortsbilds IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

4. Spezialregelung

§ 34 Abs. 2 BauGB (2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre;

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auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

- Spezialregelung: Art der baulichen Nutzung, vor allem nicht: Maß der baulichen Nut-zung - Regelungsansatz: Übertragung der Regelungen des qualifiziert überplanten Innenbe-reichs - Beispiele

- Sozialer Konformitätsdruck

„Im Norden imponirt das Gesetz und die allgemeine Lust an Gesetzlichkeit und Gehorsam, wenn man die Bauweise der Städte ansieht: Man erräth dabei jenes innerliche Sich-Gleichsetzen, Sich-Einordnen, welches die Seele aller Bauenden beherrscht haben muss.“ (Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, in: ders., Kritische Studienausgabe III, 9. Aufl. 2015, § 291 [S. 532])

- Bebauungsplan ist nichtig, wurde aber weitgehend befolgt

- Prüfung

- Regelbebauung: § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 2, § 15 BauNVO

- Ausnahmebebauung: § 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 3, § 15 BauNVO

- Dispensbebauung: § 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB

5. Drittschutz

- Generalklausel (§ 34 Abs. 1 BauGB)

- Drittschutz = „Einfügen“ - Spezialregelung (§ 34 Abs. 2 BauGB)

- Drittschutz = Analog § 30 Abs. 1, § 31 BauGB Prüfungsaufbau: Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (Spezialregelung [§ 34 Abs. 2 BauGB]) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = unbeplanter Innenbereich (§ 34 Abs. 2 BauGB) 1. Nähere Umgebung 2. Baugebiet i. S. d. § 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO

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III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§ 34 Abs. 2 BauGB) 1. Regelbebauung a. Typenprüfung (§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO) b. Einzelfallprüfung (§ 15 Abs. 1 BauNVO) 2. Ausnahmebebauung a. Typenprüfung (§ 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 3 BauNVO) b. Einzelfallprüfung (§ 15 Abs. 1 BauNVO) 3. Dispensbebauung (§ 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB) a. Wahrung der Grundsätze der Planung b. Befreiungsgrund (1) Allgemeinwohl (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) (2) Städtebauliche Vertretbarkeit (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) oder (3) Härtefall (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) c. Interessenabwägung IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

6. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 308–337.

a) Essentials

Unbeplanter Innenbereich = Im Zusammenhang bebauter Ortsteil, der nicht durch einen qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplan überplant ist.

Ortsteil = Jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organi-schen Siedlungsstruktur ist

Im Zusammenhang bebaut = Bebauungszusammenhang = Eine aufeinanderfol-gende Bebauung muss nach der Verkehrsauffassung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln

Klausur - Prüfungsreihenfolge

Spezialregelung = § 34 Abs. 2 BauGB

Generalklausel = § 34 Abs. 1 BauGB Generalklausel = § 34 Abs. 1 BauGB

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Umgebung ≠ Unmittelbare Nachbarschaft, sondern Wechselwirkung des Vorha-bens mit der bereits vorhandenen Bebauung

Eigenart = Typologische Charakterisierung der Umgebung

Einfügen = Rahmenprüfung oder städtebauliche Vertretbarkeit

Rahmenprüfung = Typologische Betrachtung + Rücksichtnahmegebot

Städtebauliche Vertretbarkeit = „Harmonische“ Ergänzung + Rücksicht-nahme

Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse = Abwehr von städtebau-lichen Missständen (§ 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) + schädlichen Umwelteinwir-kungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG)

Keine Beeinträchtigung des Ortsbilds = Abwehr von (optischen) Beeinträchti-gungen von Ortsbildern

Spezialregelung = § 34 Abs. 2 BauGB

Regelbebauung = § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 2, § 15 BauNVO

Ausnahmebebauung = § 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 BauGB i. V. m. § X Abs. 3, § 15 BauNVO

Dispensbebauung = § 34 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB

Drittschutz

§ 34 Abs. 1 BauGB = „Einfügen“

§ 34 Abs. 1 BauGB = Analog § 30 Abs. 1, § 31 BauGB

b) FAQ

1. Wo ist die Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich geregelt? 2. Was versteht man unter dem unbeplanten Innenbereich? Was ist ein Ortsteil? 3. Was versteht man unter einem Bebauungszusammenhang? 4. Was ist eine Innenbereichssatzung? 5. Nach welcher Regelungssystematik wird für die Zulässigkeit von Vorhaben im unbe-planten Innenbereich geprüft?

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6. Welche Voraussetzungen sind im Rahmen der Generalklausel des § 34 Abs. 1 BauGB zu prüfen? 7. Was versteht man unter der Umgebung eines Vorhabens? 8. Was versteht man unter der Eigenart der Umgebung eines Vorhabens? 9. In welchen zwei Prüfungsschritten wird das Einfügen im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB geprüft? 10. Was versteht man unter der Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse? 11. Wie ist die Beeinträchtigung des Ortsbilds zu prüfen? 12. Wie ist die Spezialregelung des § 34 Abs. 2 BauGB zu prüfen? 13. Wie kann es dazu kommen, dass die Eigenart der näheren Umgebung im unbeplan-ten Innenbereich einem Baugebiet der BauNVO entspricht? 14. Woraus ergibt sich der Drittschutz im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB? 15. Woraus ergibt sich der Drittschutz im Fall des § 34 Abs. 2 BauGB?

7. Fall: „Preiswert“ im Wohngebiet

Sachverhalt Die PreisWert AG (P-AG) will einen PreisWert-Markt (P-Markt), in dem vorwiegend Lebensmittel, aber auch non-food-Produkte angeboten werden, auf dem Grundstück G einer ehemaligen Squash- und Tennisanlage in der kreisfreien Stadt S errichten. Das Grundstück G grenzt unmittelbar an die Bahnstrecke Augsburg-München und liegt in einem Gebiet, in dem sich seit den 1980er Jahren eine dichte Bebauung aus 150 Einfa-milienhäusern und schulischen Anlagen befindet. 1985 hatte die Stadt S für das Grund-stück G einen Bebauungsplan erlassen, der für das Grundstück die Nutzung als Squash- und Tennisanlage vorsah. Mit der zunehmenden Attraktivität des Golfens bestand aber seit 1996 keine Nachfrage für Squash- und Tennisangebote mehr, so dass der Squash- und Tennisbetrieb noch im gleichen Jahr eingestellt wurde. Deshalb hob die Stadt S im Jahr 2001 den Bebauungsplan für das Grundstück G auf. Auf der anderen Seite der Bahnstrecke findet eine vorwiegend gewerbliche Nutzung statt. Beide Seiten der Bahnstrecke sind durch eine Brücke verbunden. Die P-AG plant vor allem deshalb einen P-Markt auf dem Grundstück G, weil dieses über die Brücke von den Arbeitnehmern und Kunden in dem gewerblich genutzten Gebiet jenseits der Bahnstrecke mit dem Kfz sehr einfach erreicht werden kann. Dies gilt umso mehr, als sich auf der gewerblich genutzten Bahnseite allein ein Lebensmittelmarkt der preislich gehobenen Nobel GmbH befindet. Aufgrund der preislichen Attraktivität und des non-food-Warenangebots rechnet die P-AG damit, dass der von ihr geplante P-Markt am Tag von ca. 1000 bis 2000 Kfz-Kunden aufgesucht wird.

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Die Stadt S ist über die Pläne der P-AG hoch erfreut, weil sie so das Grundstück G einer neuen Nutzung zuführen kann. Sie erteilt als zuständige Bauaufsichtsbehörde der P-AG am 1. Februar 2014 eine Baugenehmigung für einen etwa 700 m2 großen P-Markt. N ist über die Pläne der P-AG ebenso wenig erfreut wie über die Baugenehmigung für den P-Markt. Denn N bewohnt ein Einfamilienhaus, das unmittelbar an das Grundstück G grenzt, so dass die bereits ganz von der Natur „zurückeroberten“ Außenanlagen der ehemaligen Squash- und Tennisanlage das Grundstück des N ideal von den Geräuschen der Bahnstrecke abschirmen. N erhebt am 4. Februar 2014 Klage gegen die Baugeneh-migung, da er befürchtet, keine ruhige Minute mehr zu haben, wenn erst zwischen 1000 bis 2000 Kfz am Tag „sein“ Wohngebiet durchqueren, um zu dem P-Markt zu gelangen. Fallfrage: Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden? Lösung (Der Fall ist dem Beschluss des OVG Münster vom 19. August 2003 (NVwZ-RR 2004, S. 245) nachgebildet. Die Klage des N gegen die der P-AG erteilte Baugenehmigung vom 1. Februar 2014 ist erfolgreich, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit der Klage I. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 VwGO bei öffentlich-rechtlichen Strei-tigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen solche des Öffentlichen Rechts sind. Dies ist der Fall, wenn sie einen Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Der vorliegende Streitgegenstand ist auf der Grundlage der BayBO, des BauGB und der BauNVO zu entscheiden. Diese berechtigen und verpflichten die Stadt S als Bauauf-sichtsbehörde. Sie sind folglich dem Kernbereich des Öffentlichen Rechts zuzuordnen. Damit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu bejahen. Diese ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da an dem Streit weder Verfas-sungsorgane im formellen Sinn beteiligt sind noch das Verfassungsrecht den materiellen Kern des Rechtsstreits bildet. Da darüber hinaus auch keine abdrängende Sonderzuwei-sung einschlägig ist, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO er-öffnet. II. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). N begehrt die Aufhebung der Baugenehmigung, die die Stadt S als Bauaufsichtsbehörde der P-AG am 1. Februar 2014 nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilt hat, weil der P-Markt keinen Sonderbau i.S. des Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 BayBO darstellt. Bei einer Baugenehmigung i.S. des Art. 59 Satz 1 BayBO handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S. des Art. 35 BayVwVfG. Damit kann N sein Begehren mit einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) gerichtlich verfolgen. III. Klagebefugnis

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N müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Dies ist der Fall, wenn jedenfalls nicht von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen wäre, dass N durch die Erteilung der von ihm angegriffenen Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt ist. Dann müss-te es sich bei der streitentscheidenden Norm des Art. 59 Satz 1 BayBO um eine Rege-lung handeln, die jedenfalls auch die Rechte des N zu schützen beabsichtigt. Dass Art. 59 Satz 1 BayBO einen solchen Drittschutz zugunsten des N entfaltet, kann jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Denn eine Baugenehmigung ist nach Art.68 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO zu versagen, wenn ihr öffentlich-rechtliche Regelungen entgegenstehen, die in Art. 59 Satz 1 BayBO ausdrücklich ge-nannt sind. Insofern kommen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO vorliegend vor allem Rechtsvorschriften des Bauplanungsrechts (§§ 29 ff. BauGB) in Betracht. Zwar liegt das umstrittene Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, dessen Fest-setzungen aufgrund des Austauschverhältnisses („Schicksalsgemeinschaft“) drittschüt-zende Wirkung entfalten. Doch vorliegend hat sich ein reines oder ein allgemeines Wohngebiet faktisch entwickelt, so dass eine Beurteilung nach den gleichen drittschüt-zenden Grundsätzen auch im Fall des § 34 Abs. 2 BauGB jedenfalls nicht von vornhe-rein ausgeschlossen werden kann und die Klagebefugnis des N infolgedessen zu beja-hen ist. IV. Widerspruch Ein Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO war nicht erforderlich (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. Art. 15 AGVwGO). V. Klagefrist Die Klagefrist beträgt nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich einen Monat seit Bekanntgabe des angegriffenen Verwaltungsakts. Dem N wurde die Baugenehmigung jedoch nicht bekannt gegeben. folglich gilt die einmonatige Klagefrist nicht für ihn. Deshalb bestimmt sich die Klagefrist des N allein nach den Grundsätzen der Verwir-kung. N hat jedoch zwei Tage nach der Erteilung der Baugenehmigung Klage erhoben, so dass die Klagefrist noch nicht verwirkt ist. VI. Beteiligungsfähigkeit N ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO, die Stadt S ist als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligungsfähig. VII. Prozessfähigkeit N ist nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S muss sich als juristische Person nach § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. Art. 38 Abs. 1 GO durch ihren ersten Bürger-meister vertreten lassen. VIII. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts

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Die Klage ist bei dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht erhoben worden (§§ 45, 52 VwGO). IX. Notwendige Beiladung Die P-AG ist nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen. X. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. B. Begründetheit der Klage Die Klage ist begründet, wenn sie gegen den richtigen Beklagten gerichtet, die Bauge-nehmigung rechtswidrig und N dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§§ 78 Abs. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). I. Passivlegitimation Richtiger Klagegegner ist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO die kreisfreie Stadt S als Trägerin der Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 BayBO). II. Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung 1. Rechtsgrundlage für die Baugenehmigung Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung vom 1. Februar 2014 ist Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO. 2. Formelle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung Anhaltspunkte für die formelle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 1. Februar 2014 liegen nicht vor. Insbesondere wurde die Baugenehmigung von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde erteilt. 3. Materielle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn es sich um ein genehmigungsbedürftiges und nicht von der Genehmigung freigestelltes Vorhaben handelt, dem die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht ent-gegenstehen, die in Art. 59 Satz 1 BayBO ausdrücklich genannt sind. a) Vorhaben Bei dem P-Markt handelt es sich um ein Bauvorhaben i.S. des Art. 59 Satz 1 BayBO i. V. m. Art. 2 Abs. 1 BayBO. b) Genehmigungsbedürftigkeit

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Das Vorhaben ist nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig. c) Keine Genehmigungsfreistellung Das Vorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 2 BauGB), so dass die Ge-nehmigungsfreistellung des Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayBO aufgrund der fehlenden Vo-raussetzung des Art. 58 Abs. 2 Nr. 1 BayBO nicht gilt. d) Entgegenstehen öffentlich-rechtlicher Vorschriften Da es sich bei dem P-Markt um keinen Sonderbau handelt (s.o.), ist ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 BayBO durch-zuführen. Dabei könnten vorliegend dem P-Markt insbesondere die nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden §§ 29–38 BauGB entgegenstehen.

Grundsätzlich handelt es sich bei dem P-Markt um ein bauplanungsrechtlich relevantes Vorhaben i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB. Deshalb richtet sich seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach den §§ 30–37 BauGB. Welche bauplanungsrechtlichen Anforderun-gen insofern im Einzelfall zu stellen sind, richtet sich nach dem Gebiet, in dem das Vorhaben liegt. Beschränkt man die Charakterisierung des Gebiets auf die Seite der Bahntrasse, auf der das Gelände der ehemaligen Squash- und Tennisanlage (Grundstück G) liegt, so handelt es sich entweder um ein faktisches reines Wohngebiet i. S. d. § 3 BauNVO oder um ein faktisches allgemeines Wohngebiet i. S. d. § 4 BauNVO. An die-ser Gebietscharakterisierung ändert auch die Squash- und Tennisanlage selbst nichts. Denn zum einen hält sich eine solche Squash- und Tennisanlage durchaus im Charakter sowohl eines reinen Wohngebiets (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) als auch eines allgemeinen Wohngebiets (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Und selbst wenn man dies anders sehen wollte, so kann – zum anderen – die Tatsache nicht außer Betracht bleiben, dass im entscheidungserheblichen Zeitpunkt – 2014 – die Squash- und Tennis-anlage seit zehn Jahren nicht mehr in Betrieb und der entsprechende Bebauungsplan seit vier Jahren aufgehoben ist. Gerade durch die Aufhebung des überholten Bebauungs-plans sollte die Möglichkeit eröffnet werden, anderweitige Nutzungen am Maßstab des § 34 BauGB zu eröffnen. Damit richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des P-Markts nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 oder § 4 BauNVO. Dies wäre jedoch anders zu beurteilen, wenn die „maßgebliche Umgebung“ i. S. d. § 34 Abs. 2 BauGB nicht auf diese Seite der Bahntrasse beschränkt wäre, sondern auch die andere, gewerblich genutzte Seite der Bahntrasse erfassen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn zum einen bildet die Bahntrasse – trotz ihrer Überbrückung – in baupla-nungsrechtlicher Hinsicht eine klare Zäsur zwischen den beiden Gebieten. Zum anderen sind die Gebiete rechts und links der Bahntrasse in bauplanungsrechtlicher Hinsicht zu unterschiedlich und jeweils in sich zu einheitlich, um gemeinsam eine einheitliche Um-gebung i. S. d. § 34 Abs. 2 BauGB bilden zu können: auf der einen Seite ein reines oder allgemeines Wohngebiet, auf der anderen Seite ein Gebiet gewerblicher Nutzung. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung des P-Marktes nach § 34 Abs. 2 BauGB sieht sich damit durch die Nachbarschaft zu dem Gewerbegebiet nicht in Frage gestellt. Beurteilt sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB, so müsste sich aber genauer be-stimmen lassen, ob die nähere Umgebung des streitbefangenen Vorhabens eher ein rei-

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nes oder ein allgemeines Wohngebiet darstellt. Insofern kommt das OVG Münster in seinem Beschluss vom 19. August 2003 zu dem Ergebnis, dass diese Frage keiner ab-schließenden Entscheidung bedürfe: Bei dem Gebiet handele es sich jedenfalls entweder um ein reines oder ein allgemeines Wohngebiet. Das OVG Münster prüft deshalb zu-nächst die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit unter der Voraussetzung bzw. Annahme, dass es sich bei dem Gebiet um ein allgemeines Wohngebiet handelt. (1) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des P-Markts unter der Annahme, dass es sich bei der näheren Umgebung um ein allgemeines Wohngebiet handelt Legt man zunächst die Annahme zugrunde, dass es sich bei der näheren Umgebung der ehemaligen Squash- und Tennisanlage (Grundstück G) um ein allgemeines Wohngebiet handelt, so bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des P-Markts nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO. - Regelbebauung (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 BauNVO)

Nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sind in einem Allgemeinen Wohngebiet u.a. Läden zulässig, die der Versorgung des Ge-biets dienen. Mit einer Größe des Verkaufsraums von 700 m2 hält sich der P-Markt bei typolo-gischer Betrachtung noch im Grenzbereich eines Einzelhandelsbetriebs, der der wohnungsnahen Versorgung dienen kann. Doch für § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO kommt es darauf an, dass ein Laden auch konkret der Versorgung des Gebiets dient. Ob eine solche gebietsbezogene Versorgung stattfindet, ist anhand objekti-ver Kriterien zu beurteilen. Zu diesen Kriterien gehört neben der Größe und der sonstigen Beschaffenheit auch der Zuschnitt der Anlage, die sich daraus ergeben-den Erfordernisse, deren wirtschaftlich tragfähige Ausnutzung, die örtlichen Ge-gebenheiten und die typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. An diesen Grundsätzen gemessen, reicht das Einzugsgebiet des geplanten P-Markts über die Grenzen des faktischen Wohngebiets hinaus. Die Lage des P-Marks spricht dafür, dass er auch Kunden aus dem Gewerbegebiet anziehen wird. Darauf ist auch die Käuferkapazität des geplanten P-Markts mit ca. 1000–2000 Kfz-Kunden am Tag ausgelegt, während sich in dem Wohngebiet „nur“ etwa 150 Haushalte befinden. Dies gilt umso mehr, als sich im Gewerbegebiet „nur“ ein Lebensmittelmarkt der gehobenen Preisklasse findet. Hinzu kommt, dass das An-gebot des P-Markts mit Lebensmitteln und non-food-Produkten größer ist als das des im Gewerbegebiet angesiedelten „reinen“ Lebensmittelmarkts. Der P-Markt ist zudem für Kfz über die Brücke, die über die Bahntrasse führt, aus dem Gewer-begebiet verkehrstechnisch gut zu erreichen. Damit handelt es sich bei dem P-Markt nicht um einen Laden, der i.S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO der Versorgung des Gebiets dient. Er ist folglich nicht nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO bauplanungs-rechtlich zulässig.

- Ausnahmebebauung (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 1 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO)

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Der P-Markt könnte jedoch als Ausnahmebebauung nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 1 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig sein. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem allgemeinen Wohngebiet aus-nahmsweise sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden. Danach wäre der P-Markt planungsrechtlich zulässig, wenn er den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets nicht gefährden würde. Für die Frage, ob der P-Markt „stört“ kommt es nicht darauf an, ob die mit der Nutzung verbundenen immissionsschutzrechtlichen Lärmwerte eingehalten wer-den. Entscheidendes Kriterium ist, ob die durch das Vorhaben in das Wohngebiet hineingetragene Unruhe und deren Auswirkungen die auch in einem allgemeinen Wohngebiet erstrebte Wohnruhe gefährden. Dieses dem Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ ist nicht gleichbedeutend mit einer lärmschutzrechtlich relevan-ten Lärmsituation. Es handelt sich um die Vermeidung als typisch angesehener Nutzungen, die den Gebietscharakter stören. Der geplante P-Markt ist wegen des von ihm ausgelösten, nicht nur auf das Wohngebiet beschränkten Quellen- und Zielverkehrs von zwischen 1000 und 2000 Kfz-Zufahrten pro Tag gebietsunverträglich. Deshalb ist er nicht als ein aus-nahmsweise zulässiger nicht störender Gewerbebetrieb zu werten. Er ist folglich nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässig. Der P-Markt ist folglich auch nicht nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 1 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genehmigungsfähig.

- Dispens (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 2 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB)

Schließlich ist auch kein Kriterium erkennbar, nach dem für den P-Markt ein Dis-pens nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 2 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB er-teilt werden kann.

- Zwischenergebnis

Geht man von der Annahme aus, dass es sich bei der näheren Umgebung des Grundstücks G um ein allgemeines Wohngebiet handelt, so ist der P-Markt bau-planungsrechtlich nicht zulässig.

(2) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des P-Markts unter der Annahme, dass es sich bei der näheren Umgebung um ein reines Wohngebiet handelt Die Anforderungen an die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des P-Markts sind in ei-nem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) noch strenger als in einem allgemeinen Wohn-gebiet (§ 4 BauNVO). Der P-Markt ist – wie soeben gezeigt – in einem allgemeinen Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Damit ist er erstrecht in einem reinen Wohngebiet bauplanungsrechtlich ausgeschlossen. (3) Zwischenergebnis Der P-Markt ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Deshalb ist er nicht nach Art. 59 S. 1 BayBO genehmigungsfähig.

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III. Rechtsverletzung des N Trotz der festgestellten Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ist die Klage des N nur erfolgreich, wenn die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung gerade auf der Verletzung von Rechtvorschriften beruht, die den Zweck haben, die Rechte des N zu schützen. Ebenso wie die Festsetzung eines Baugebiets in einem Bebauungsplan vermitteln die Vorschriften des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 bzw. § 4 BauNVO den Nachbarn Schutz dagegen, dass die Eigenart der näheren Umgebung durch die Zulassung von Vorhaben geändert wird, die nach der Art der Nutzung dort nicht zulässig sind. Die Nachbarn haben in diesem Sinn einen Anspruch auf die Bewahrung der Gebiets-art. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn das baurechtswidrige Vorhaben im jewei-ligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweislichen Beein-trächtigung des Nachbarn führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird. N ist folglich durch die der P-AG erteilte Baugenehmigung für den P-Markt in seinen Rechten verletzt. C. Ergebnis Die Klage des N ist zulässig und begründet.

IV. Außenbereich

Übersicht - Bereichsbegriff - Regelungssystematik - Privilegierte Vorhaben - Nichtprivilegierte Vorhaben - Öffentliche Belange - Teilprivilegierte Vorhaben - Satzungsprivilegierte Vorhaben - Drittschutz

1. Bereichsbegriff

Außenbereich = Alle Flächen, die nicht zum Innenbereich gehören = Keine strukturier-te Bebauung ersichtlich

Außenbereich ≠ „im Grünen“ ≠ „Vor den Toren der Stadt!

„Außenbereich im Innenbereich“

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Außenbereichsschutz = Außenbereich möglichst von Bebauung freihalten

→ Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs

- Naturschutz: Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG)

- Erholung der Allgemeinheit

- Land- und Forstwirtschaft

2. Regelungssystematik

§ 35 BauGB = „Gesetzlicher Planersatz“ = „Planungsähnliches System“ ≠ „Gesetzliche Ersatzplanung“

§ 35 Abs. 1 BauGB = Privilegierte Vorhaben = Vorhaben, die praktisch nur im Außenbereich verwirklicht werden können

Zulässigkeit = Kein Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 1 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB)

§ 35 Abs. 2 BauGB = Sonstige Vorhaben = Nichtprivilegierte Vorhaben = alle Vorhaben, die nicht durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind

Zulässigkeit = Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 2 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB)

§ 35 Abs. 4 BauGB = Teilprivilegierte Vorhaben = Bestimmte sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB), denen bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehal-ten werden können

§ 35 Abs. 6 BauGB = Teilprivilegierte Vorhaben = Bestimmte sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB), denen bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehal-ten werden können

§ 35 BauGB = Konditionalprogramm = „Nachvollziehen der Abwägung“ der Bauauf-sichtsbehörde = Volle Überprüfbarkeit durch Verwaltungsgerichtsbarkeit

§ 35 BauGB ≠ Finalprogramm ≠ Planungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde

Grenze des § 35 BauGB = Planerfordernis

3. Privilegierte Vorhaben

§ 35 Abs. 1 BauGB

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenste-hen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es […]

§ 35 Abs. 1 BauGB = Privilegierte Vorhaben = Vorhaben, die praktisch nur im Außenbereich verwirklicht werden können

Zulässigkeit = Kein Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 1 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB

Tatbestand = Entgegenstehen = Mit Blick auf den Schutzzweck des § 35 BauGB und im Vergleich zu nichtprivilegierten Vorha-ben (§ 35 Abs. 2 BauGB) „niedrige“ Hürde für die Zulässigkeit.

Rechtsfolge = Gebundene Entscheidung

Vorhaben, die

- einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen und nur einen unterge-ordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB)

- einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB)

- der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleis-tungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB)

- wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nach-teiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbe-stimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB)

- der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB)

- der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB oder eines Betriebs nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB),

- der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwe-cken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen, mit Ausnahme der Neuer-richtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeu-gung von Elektrizität (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB), oder

- der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflä-chen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dienen, wenn die Anlage dem Ge-bäude baulich untergeordnet ist (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB).

a) Landwirtschaftliche Betriebe

§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenste-hen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1. einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,

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- Zweck: Grundsätzliches Regelungsziel des § 35 BauGB

è Sicherung der Land- und Forstwirtschaft im Außenbereich - Voraussetzungen des Vorhabens

Landwirtschaft = § 201 BGB (Legaldefinition)

§ 201 BauGB Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die be-rufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.

Betrieb = betriebliche Organisation, die auf eine nachhaltige Bewirtschaftung und ein dauerhaftes Unternehmen ausgerichtet ist

→ Voll- und Nebenerwerbsbetriebe

- Sehr kritische Prüfung beim Nebenerwerbsbetrieb zur Verhinderung des Missbrauchs dieses Privilegierungstatbestands

Dienen = Wenn „ein ‚vernünftiger Landwirt‘ – auch und gerade unter Berück-sichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereiches“ (BVerwGE 41, 138 (141) das Vorhaben verwirklichen würde

- Strenge Prüfung zur Verhinderung des Missbrauchs dieses Privilegie-rungstatbestands

Untergeordneter Teil = Nachgeordnete Funktion des Vorhabens

- Ställe - Scheunen - Wohn- und Altenteilhäuser, die dem landwirtschaftlichen Betrieb funktio-nal zugordnet sind

b) Sonstige privilegierte Vorhaben

§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB (1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenste-hen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

4. wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Au-ßenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Ände-rung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbe-reich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standort-bezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen

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zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit ge-meinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,

- Zweck: § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB = Generalklausel/Auffangtatbestand - Restriktive Auslegung: Schutzzweck des § 35 BauGB = größtmögliche Schonung des Außenbereichs = Außenbereich von Bebauung freigehalten

→ § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ≠ Einfallstor für umfassende Bebauung im Außenbereich

- Voraussetzung des Vorhabens

- Außenbereich = Zwingend für das Vorhaben

→ Nicht ausreichend, dass das Vorhaben im Außenbereich sinnvoll ist

- Problemfall: Vorhaben dient der Erholung

- Restriktive Auslegung: Vorhaben muss der allgemeinen Erholung dienen

→ Nicht ausreichend, dass das Vorhaben der individuellen Erholung dient

→ Keine negative Vorbildwirkung (Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG)

- Beispiele

- Privilegierung

- Berg- und Schutzhütten, die der Allgemeinheit offenstehen

- Keine Privilegierung

- Private Wochenendhäuser - Baulich verfestigte Camping- und Zeltplätze - Sport-, Schieß- und Golfanlagen

- Differenzierung bei Privilegierung

- Jagd- und Fischerhütten

- Notwendigkeit für Jagd und Fischerei

→ „Liebhaberei“ genügt nicht

→ Jagd und Fischerei auch ohne bauliche Anlage mög-lich?

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Prüfungsaufbau: Privilegierte Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 i. V. m. 3 BauGB) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = Außenbereich (§ 35 BauGB) III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 1. Privilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) 2. Kein Entgegenstehen öffentlicher Belange a) Öffentlicher Belang (1) Geschriebener öffentlicher Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) (2) Ungeschriebener öffentlicher Belang (Planerfordernis + Rücksichtnahmegebot) b) Entgegenstehen IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

4. Nichtprivilegierte Vorhaben

§ 35 Abs. 2 BauGB (2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Be-nutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

§ 35 Abs. 2 BauGB = Sonstige Vorhaben = Nichtprivilegierte Vorhaben = alle Vorhaben, die nicht durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind

Zulässigkeit = Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 2 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB)

Tatbestand = Beeinträchtigung = Mit Blick auf den Schutz-zweck des § 35 BauGB hohe Hürde.

Rechtsfolge = Ermessen

→ Möglichkeit der Ermessensreduzierung auf Null (Grund: Baufreiheit, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

Prüfungsaufbau: Nichtprivilegierte Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 2 i. V. m. 3 BauGB) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = Außenbereich (§ 35 BauGB) III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 1. Nichtprivilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB)

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2. Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange a) Öffentlicher Belang (1) Geschriebener öffentlicher Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) (2) Ungeschriebener öffentlicher Belang (Planerfordernis + Rücksichtnahmegebot) b) Beeinträchtigung IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

5. Öffentliche Belange

§ 35 Abs. 3 BauGB (3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben […]

§ 35 Abs. 3 S. 1 BauGB = Nicht abschließende Aufzählung öffentlicher Be-lange, die privilegierten Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) und nichtprivile-gierten Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) entgegenstehen können

- Gesetzlich benannte öffentliche Belange

- Gesetzlich nicht benannte öffentliche Belange

a) Gesetzlich benannte öffentliche Belange

§ 35 Abs. 3 S. 1 BauGB = Beispielhafte Aufzählung

- Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BauGB),

- Widerspruch zu den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauGB)

- Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB)

- Erfordernis unwirtschaftlicher Daseinsvorsorge (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BauGB)

- Beeinträchtigung der Belange des Natur-, Landschafts-, Boden- und Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 Alt. 1 BauGB)

- Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 Alt. 2 BauGB)

- Gefährdung von Agrarstrukturmaßnahmen, Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB)

- Befürchtung der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB)

- die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 8 BauGB)

(1) Flächennutzungsplan

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§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB (3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1. den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht - Planerische Steuerung des Außenbereichs

- durch Flächennutzungsplan (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB)

- durch Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB) - Steuerung des Außenbereichs durch Flächennutzungsplan

- Flächennutzungsplan = Rechtlich nicht verbindliche grobmaschige Planung

- § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB macht Flächennutzungsplan nicht zur Rechtsnorm

- Flächennutzungsplan ≠ „Bebauungsplan des Außenbereichs“

- Entscheidung nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB = „Nachvollziehende Abwägung“

- Grundsatz: Abwägungsentscheidung muss sich im Rahmen der bauplanerischen Vorstellungen halten, welche die Gemeinde in der gesamtplanerischen Abwägung des Flächennutzungsplans für ihr gesamtes Gebiet getroffen hat.

- Abwägungsrelevante Gesichtspunkte

- Baufreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Schutz des Außenbereichs (Zweck des § 35 BauGB)

- Planerische Grundentscheidung des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB)

Abwägungsrelevante Differenzierung

- Privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB)

- Besonderheit: Privilegierte Vorhaben können nur im Außenbereich verwirklicht werden

- Folge

- Allgemeine Darstellungen

- Allgemeine Darstellungen von Außenbereichsfunktionen können privilegierten Vorhaben nicht entgegengehalten werden

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- Beispiel: Darstellungen von Land und Forstwirtschaft

- Konkrete Standortaussagen

- Konkrete Standortaussagen im Außenbereich können privilegierten Vorhaben entgegengehalten werden

- Beispiel: Flächen zur Erzeugung von Solarenergie

- Nichtprivilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB)

- Besonderheit: Nichtprivilegierte Vorhaben sollen grundsätzlich nicht im Außenbereich verwirklicht werden

- Nichtprivilegierten Vorhaben können entgegengehalten werden

- Allgemeine Darstellungen von Außenbereichsfunktionen

- Konkrete Standardaussagen im Außenbereich

(2) Schädliche Umweltauswirkungen

§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

3. schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird - Konkretisierung durch § 3 Abs. 1 BImSchG

§ 3 Abs. 1 BImSchG (1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

- Weitere Orientierung an den einschlägigen Grenzwerte der TA-Luft und TA-Lärm sowie die VDI-Richtlinien

- § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB = Drittschützende Norm

(3) Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz, Orts- und Landschaftsbild

§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB (3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

5. Belange des Naturschutzes und der Landschaftpflege, des Bodenschutzes, des Denkmal-schutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträch-tigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,

Natürliche Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswert = Schutzfunktion des Außenbereichs

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- Keine Beeinträchtigung der naturgegebenen Landschaft und ihrer Erholungs-funktion

Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds = Schutz der ästhetischen Dimension von Orten und Landschaften

- Dynamische Entwicklung von Orten und Landschaft

→ Keine Konservierung von Orten und Landschaften

- Keine Verunstaltungen von Orts- und Landschaftsbildern

→ Reduzierung auf Extremfälle

(4) Splittersiedlung

§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB (3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

7. die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt - Zweck

- Schutz des Außenbereichs

- Keine Zersiedlung des Außenbereichs durch zusammenhangslose oder un-organische Streubebauung

- Voraussetzungen

Splittersiedlung = Mangels angemessener Baukonzentration fehlt es an dem maßgeblichen Gewicht für eine Siedlungsstruktur, die für die Annahme eines Ortsteils (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB) Voraussetzung ist

Entstehung = Ausführung eines Vorhabens leitet die Zersiedlung ein

Verfestigung = Ausfüllung des bisher von einer Splittersiedlung in Anspruch ge-nommenen Raums

b) Gesetzlich nicht benannte öffentliche Belange

Übersicht

- Planerfordernis - Rücksichtnahmegebot

(1) Planerfordernis

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Planerfordernis = Vorhaben im Außenbereich führt zu so großen Konflikten, dass sie nicht mehr durch die nachvollziehende Abwägung des § 35 BauGB der Bauaufsichtsbe-hörde, sondern nur durch eine planerische Abwägung der Gemeinde (§ 1 Abs. 7 BauGB gelöst werden können

- Überschreitung des Normprogramms des § 35 BauGB „Auslösung“ eines Planerfordernisses‘ = Notwendigkeit der Binnenkoordination oder der Außenkoordination

Binnenkoordination = Außenbereichsvorhaben ist in sich so komplex, dass eine planerische Abwägung erfolgen muss

- Beispiel: Außenbereichsvorhaben einer zweigeschossigen Reihenhausbe-bauung, das 33 Wohneinheiten, 28 Garagen und neun Einstellplätzen im Außenbereich umfasst.

Außenkoordination = Außenbereichsvorhaben führt zu so großen Interessenkon-flikten mit seiner Umwelt, dass eine planerische Abwägung erfolgen muss

- Beispiel: Factory-Outlet-Center

(2) Rücksichtnahmegebot

Rücksichtnahmegebot = Ungeschriebener öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB (Rspr.)

- Problem: Kein allgemeines Gebot der Rücksichtnahme im Baurecht.

- Rücksichtnahme immer Ausdruck einzelner gesetzlicher Regelungen

- Konkret: Schädliche Umweltauswirkungen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB) = Drittschützende Vorschrift

- Problem: Beschränkung des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BauGB auf schädliche Um-weltauswirkungen

- Praktisches Erfordernis nach einer umfassenden Prüfung des Rücksicht-nahmegebots

- Möglichkeit des Rückgriffs auf Gebot der Rücksichtnahme

- Argument: Nicht abschließender Regelungscharakters des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB möglich

c) Planvorbehalt

§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

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Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

Planvorbehalt = Möglichkeit der Gemeinde, Konzentrationsflächen auszuweisen

- Beispiel: Windenergie (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB)

- Voraussetzung: Entwicklung eines gesamträumlichen Planungskonzepts

- Keine Verhinderungsplanung

6. Teilprivilegierte Vorhaben

Teilprivilegierte Vorhaben = Spezifizierte nicht privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB), deren bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehalten werden können (§ 35 Abs. 4 BauGB).

Abschließende Aufzählung in § 35 Abs. 4 S. 1 und S. 2 BauGB:

- Nutzungsänderung (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB)

- Ersatzbau für Wohngebäude (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB i. V. m. § 35 Abs. 4 S. 2 S. 3 BauGB [geringfügige Erweiterungen und Abweichungen])

- Neuerrichtung eines gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. § 35 Abs. 4 S. 2 S. 3 BauGB [geringfügige Erweiterungen und Abwei-chungen])

- (Nutzungs-)Änderung erhaltenswerter Gebäude (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BauGB)

- Erweiterung von Wohngebäuden (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB)

- Erweiterung gewerblicher Betriebe (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB)

- Neuerrichtung (§ 35 Abs. 4 S. 2 BauGB i.V. m. § 35 Abs. 4 S. 3 BauGB [geringfügige Erweiterungen und Abweichungen])

Diesen Vorhaben können nicht entgegengehalten werden:

- Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungs- oder eines Landschaftsplans (§ 35 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 i. V. m. § 35 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB)

- Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 i. V. m. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB)

- Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 4 S. 1 Alt. 3 i. V. m. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB)

Prüfungsaufbau: Teilprivilegierte Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 4 BauGB) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB)

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II. Bereich = Außenbereich (§ 35 BauGB) III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 1. Nichtprivilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) 2. Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange a) Öffentlicher Belang (1) Geschriebener öffentlicher Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) (2) Ungeschriebener öffentlicher Belang (Planerfordernis + Rücksichtnahmegebot) b) Beeinträchtigung 3. Teilprivilegierung (§ 35 Abs. 4 BauGB) IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

7. Satzungsprivilegierte Vorhaben

Satzungsprivilegierte Vorhaben = § 35 Abs. 6 BauGB = Außenbereichssatzung privi-legiert Vorhaben der Wohnbebauung sowie kleinere Handwerks- und Gewerbebetriebe Prüfungsaufbau: Teilprivilegierte Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 6 BauGB) I. Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) II. Bereich = Außenbereich (§ 35 BauGB) III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit 1. Nichtprivilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) 2. Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange a) Öffentlicher Belang (1) Geschriebener öffentlicher Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) (2) Ungeschriebener öffentlicher Belang (Planerfordernis + Rücksichtnahmegebot) b) Beeinträchtigung 3. Satzungsprivilegierung (§ 35 Abs. 6 BauGB) IV. Sicherung der Erschließung V. Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)

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8. Drittschutz

Drittschutz = § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umweltauswirkungen) + Rücksichtnahmegebot als ungeschriebener öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB

Privilegierte Vorhaben = kein Drittschutz unmittelbar aus § 35 Abs. 1 BauGB

Drittschutz nach allgemeinen Grundsätzen

Beispiel: „Schweinemäster-Konstellationen“

9. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 338–373.

a) Essentials

Außenbereich = Alle Flächen, die nicht zum Innenbereich gehören = Keine strukturier-te Bebauung ersichtlich

Außenbereichsschutz = Außenbereich möglichst von Bebauung freigehalten

§ 35 BauGB = „Gesetzlicher Planersatz“ = „Planungsähnliches System“ ≠ „Gesetzliche Ersatzplanung“

§ 35 Abs. 1 BauGB = Privilegierte Vorhaben = Vorhaben, die praktisch nur im Außen-bereich verwirklicht werden können

Zulässigkeit = Kein Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 1 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB

Tatbestand = Entgegenstehen = Mit Blick auf den Schutzzweck des § 35 BauGB und im Vergleich zu nichtprivilegierten Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) „niedrige“ Hürde für die Zulässigkeit.

Rechtfolge = Gebundene Entscheidung

§ 35 Abs. 2 BauGB = Sonstige Vorhaben = Nichtprivilegierte Vorhaben = alle Vorha-ben, die nicht durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind

Zulässigkeit = Keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 2 i. V. m. § 35 Abs. 3 BauGB)

Tatbestand = Beeinträchtigung = Mit Blick auf den Schutzzweck des § 35 BauGB hohe Hürde.

Rechtsfolge = Ermessen (Möglichkeit der Ermessensreduzierung auf Null)

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§ 35 Abs. 3 S. 1 BauGB = Nicht abschließende Aufzählung öffentlicher Belange, die privilegierten Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) und nichtprivilegierten Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB entgegenstehen können

Ungeschriebene öffentliche Belange = Planerfordernis + Rücksichtnahmegebot

Planerfordernis = Vorhaben im Außenbereich führt zu so großen Konflik-ten, dass sie nicht mehr durch die nachvollziehende Abwägung des § 35 BauGB der Bauaufsichtsbehörde, sondern nur durch eine planerische Ab-wägung der Gemeinde (§ 1 Abs. 7 BauGB) gelöst werden können

Rücksichtnahmegebot = Ungeschriebener öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB (Rspr.)

Planvorbehalt = § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB = Möglichkeit der Gemeinde, Konzent-rationsflächen auszuweisen (Flächennutzungsplan → Rechtsnorm → § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog)

Teilprivilegierte Vorhaben = Spezifizierte nicht privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB), deren bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehalten werden können (§ 35 Abs. 4 BauGB). Satzungsprivilegierte Vorhaben = § 35 Abs. 6 BauGB = Außenbereichssatzung privi-legiert Vorhaben der Wohnbebauung sowie kleinere Handwerks- und Gewerbebetriebe Drittschutz = § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umweltauswirkungen) + Rücksichtnahmegebot als ungeschriebener öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB

b) FAQ

1. Wo ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich gere-gelt? 2. Wie ist der Begriff des Außenbereichs zu bestimmen? 3. Was ist der Zweck des Außenbereichsschutzes? 4. Welche Regelungssystematik liegt § 35 BauGB zu Grunde? 5. Was versteht man unter einer nachvollziehenden Abwägung? 6. Wo sind die privilegierten Vorhaben geregelt? 7. Unter welchen Voraussetzungen sind privilegierte Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB zulässig? 8. Was regelt § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB?

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9. Wo ist der Begriff der Landwirtschaft legaldefiniert? 10. Was versteht man unter einem landwirtschaftlichen Betrieb? 11. Wann dient ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb? 12. Was ist unter einem sonstigen privilegierten Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu verstehen? 13. Was ist der Zweck des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB? 14. Ist § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB eng oder weit auszulegen? 15. Unter welchen Voraussetzungen ist ein sonstiges privilegiertes Vorhaben zulässig? 16. Welche Differenzierungen sind im Fall von Vorhaben, die der Erholung dienen vor-zunehmen? 17. Wo sind die nichtprivilegierten Vorhaben geregelt? 18. Wie wird die Zulässigkeit von nichtprivilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB geprüft? 19. Wo sie die öffentlichen Belange geregelt, die einem privilegierten oder nichtprivile-gierten Vorhaben im Außenbereich entgegenstehen können? 20. Was ist der Unterschied zwischen den gesetzlich benannten und den gesetzlich nicht benannten öffentlichen Belangen? 21. Welcher Fall ist in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB geregelt? 22. Welche Steuerungswirkung entfaltet ein Flächennutzungsplan im Außenbereich? 23. Durch welche Vorschrift wird der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB konkretisiert? 24. Warum entfaltet § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB eine drittschützende Wirkung? 25. Was ist in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB geregelt? 26. Was ist eine Splittersiedlung? 27. Welche gesetzlich nicht ausdrücklich benannten öffentlichen Belange i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB werden von der Rechtsprechung anerkannt? 28. Was versteht man unter dem Planerfordernis als öffentlichem Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB?

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29. Warum ist das Rücksichtnahmegebot als öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB anerkannt? 30. Was ist in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB geregelt? 31. Was regelt § 35 Abs. 4 BauGB? 32. Was ist ein teilprivilegiertes Vorhaben? 33. Wie wird ein teilprivilegiertes Vorhaben geprüft? 34. Was ist in § 35 Abs. 6 BauGB geregelt? 35. Was ist ein satzungsmäßiges Vorhaben? 36. Handelt es sich bei § 35 BauGB um eine tritt schützende Regelung?

10. Fall: Die Wallfahrtkapelle

Sachverhalt Auf einem im Gebiet der Gemeinde G gelegenen Grundstück sollen in den Jahren 1949 bis 1952 Marienerscheinungen stattgefunden haben. Bei einer Erscheinung soll die Got-tesmutter Folgendes geäußert haben: „Und hier soll eine Kapelle gebaut werden, mir zum Andenken. Wenn dies nicht geschieht, wird etwas Schweres kommen und viele werden sich nicht bekehren.“ Das Bischöfliche Ordinariat lehnte jedoch den Bau einer Kapelle ab und gestattete darüber hinaus keine kirchlichen Gebetsversammlungen am sogenannten „Erscheinungsfelsen“. Dennoch befindet sich dort eine von dem Verein V errichtete offene Andachtsstätte, die durch einen Feldweg entlang einem Acker erreich-bar ist. Der Verein V will nun seine Andachtsstätte zu einer Kapelle mit einer Grundfläche von 20 m² für bis zu 12 Personen ausbauen. Er beantragt bei der zuständigen Behörde eine Baugenehmigung. Das Vorhaben ist nach Auffassung des V im Außenbereich zulässig, da nur an dieser Stelle – dem Ort der Marienerscheinung – eine Gebets- und Gedenk-stätte in Betracht komme. Dies fordere zudem der gläubig aufgenommene Wille der Gottesmutter. Zudem könne nur auf diesem Weg den Betenden ein Wetterschutz gebo-ten werden. Die Behörde versagte demgegenüber die Baugenehmigung. Zur Begründung führt sie aus, das Vorhaben des V sei im Außenbereich nicht privilegiert. Eine Erscheinung sei kein baurechtlich relevanter Anknüpfungspunkt für eine Außenbereichsnutzung, was i.Ü. auch durch die Zurückhaltung der katholischen Kirche bestätigt werde. Darüber hinaus widerspreche das Vorhaben der natürlichen Eigenart der Landschaft, und verun-stalte das Landschaftsbild um den äußerst pittoresken „Erscheinungsfelsen“, welcher bislang frei stehe und in einem Umkreis von ca. 5 km Luftlinie keinerlei angrenzende Bebauung aufweise, so dass die Kapelle auch als nichtprivilegiertes Vorhaben unzuläs-sig sei.

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V erhebt fristgerecht Klage vor dem Verwaltungsgericht, um eine Baugenehmigung zu erwirken. Fallfrage: Hat die Klage des V Aussicht auf Erfolg? Lösung (Der Fall ist OVG Koblenz, NVwZ-RR 2007, S. 304 ff. nachgebildet.) A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich bei den streitentscheidenden Normen § 35 BauGB und Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO um solche des öffentlichen Baurechts, mithin um Normen des Kernbe-stands des Öffentlichen Rechts handelt und die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art ist. II. Klageart Als richtige Klageart kommt die Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 2. Var. VwGO in Betracht, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt. Die erstrebte Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, sodass die Verpflichtungsklage statthaft ist. III. Klagebefugnis V müsste klagebefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO sein. Vorliegend ist nicht von vornhe-rein ausgeschlossen, dass V einen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung hat (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO) und folglich möglicherweise durch die Versagung in diesem subjektiven Recht verletzt wird. IV. Vorverfahren Ein Vorverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO findet gem. Art. 15 BayAGVwGO nicht statt. V. Klagefrist Die Klagefrist gem. § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO ist eingehalten. VI. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. B. Begründetheit Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet und der V einen Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung hat (§ 78 Abs. 1 Nr. 1, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO)

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I. Passivlegitimation Die Klage richtet sich gegen den gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO richtigen Beklagten (Passivlegitimation). II. Anspruch Anspruchsgrundlage für den Erlass der Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 BayBO. 1. Anspruchsvoraussetzungen a) Formelle Voraussetzungen Es liegen keine Anhaltspunkte für das Fehlen formeller Voraussetzungen vor. b) Materielle Voraussetzungen Gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO müsste das Vorhaben materiell zunächst mit den §§ 29 ff. BauGB vereinbar sein. (1) Anlage Die Kapelle stellt als umschlossenes Bauwerk mit bodenrechtlicher Relevanz eine bau-liche Anlage i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB dar. (2) § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB Fraglich ist, ob die Kapelle als gem. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiertes Vorhaben realisierbar ist. Nach dieser Vorschrift kann ein Vorhaben im Außenbereich errichtet werden, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweck-bestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll und zudem keine öffentlichen Belange entgegenstehen und eine ausreichende Erschließung gesichert ist. Zunächst müsste es sich also um ein privilegiertes Vorhaben handeln. Diesbezüglich kommt in Betracht, dass es sich um ein wegen seiner besonderen Zweck-bestimmung nur im Außenbereich realisierbares Vorhaben handelt. Es handelt sich in Anbetracht des Schutzzwecks der Norm, den Außenbereich möglichst von Bebauung freizuhalten, um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand. Erforderlich ist des-halb, dass das Vorhaben einerseits singulären Charakter hat, so dass es keine Vorbild-wirkung für weitere Vorhaben entfaltet. Zum anderen „sollen“ nur solche Vorhaben im Außenbereich ausgeführt werden, die nicht vornehmlich dazu dienen, individuelle Be-dürfnisse zu befriedigen, sofern es nicht zugleich im überwiegenden Interesse der All-gemeinheit liegt.

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Das OVG Koblenz verneint beide Anforderungen: Zum einen habe das Vorhaben kei-nen singulären Charakter und könne Vorbildwirkung entfalten. Zwar möge aus Sicht des V die Marienerscheinung singulär sein, jedoch handele es sich um ein nicht objektiv nachweisbares Vorbringen, so dass zu befürchten wäre, dass auch andere religiöse oder weltanschauliche Verpflichtungen zur Rechtfertigung weiterer Außenbereichsvorhaben herangezogen werden könnten. Die Singularität lasse sich auch nicht unter Hinweis auf die allgemeine Anerkennung der Marienerscheinung begründen, da gerade die katholi-sche Kirche ihre Anerkennung verweigere. Zum anderen diene das Vorhaben in erster Linie den Interessen des V, dessen Mitglieder einen überirdischen Bauauftrag annäh-men und sich deshalb in dem Verein zusammengeschlossen hätten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus die Allgemeinheit ein Interesse an der Kapelle habe; vielmehr werde der Bau von der katholischen Kirche, „die einen beträchtlichen und gerade der Marienverehrung nahestehenden Teil der Allgemeinheit ver-tritt,“ (OVG Koblenz) sogar – anders als individuelle Gebete an der bisherigen An-dachtsstelle – explizit abgelehnt. Der Aspekt des Wetterschutzes betrifft ebenfalls ledig-lich die Vereinsmitglieder. Demnach kommt eine Zulassung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht in Betracht. (3) § 35 Abs. 2 BauGB Fraglich ist, ob die Kapelle sodann als nichtprivilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn durch das Vorhaben öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist. Vorliegend könnte indes der öffentliche Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes beeinträchtigt sein (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Trotz ihrer geringen Größe handelt es sich um eine bauliche Anlage, die in der bestehenden Landschaft einen Fremdkörper bildet. Eine Beeinträchtigung ist danach grundsätzlich gegeben. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls im Lichte von Art. 4 Abs. 1 GG gefordert sein. Dies wird jedoch vom OVG Koblenz apodiktisch abgelehnt: „Die Gewährleistung der Glaubensfreiheit und der ungestörten Religionsausübung nach Art. 4 des Grundge-setzes werden durch die Versagung des Kapellenbaus nicht verletzt. Dieses Freiheits-grundrecht gebietet nicht, dass das Interesse an der Erhaltung der natürlichen Eigenart der Landschaft hinter dem Interesse des Beigeladenen an der Befolgung eines überirdi-schen Baugebots zurücktreten muss.“ (OVG Koblenz, NVwZ-RR 2007, 304 [306]) Danach besteht auch keine Zulässigkeit gem. § 35 Abs. 2 BauGB. Ein Anspruch auf Baugenehmigung ist nicht gegeben. C. Ergebnis Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

V. Beteiligung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde

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§ 36 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Ver-fahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden.

§ 36 BauGB = Institutionelle Klammer zwischen

- der Bauleitplanung der Gemeinde (§§ 1 ff. BauGB) und

- der bauaufsichtsbehördlichen Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zu-lässigkeit von Vorhaben (§§ 29 ff. BauGB)

- Konstellationen

Gemeinde = Bauaufsichtsbehörde

Gemeinde ≠ Bauaufsichtsbehörde

→ § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB - Zweck

- Schutz der Planungshoheit der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

→ § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB = Bauplanungsrechtliche Genehmigung von Vorhaben

- Keine Anwendung bei der bauplanungsrechtlichen Ablehnung von Vorhaben

- Grund: Kein Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde

Einvernehmen = Zustimmung

- Einvernehmensfiktion (§ 36 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BauGB)

§ 36 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BauGB Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Ge-nehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrie-ben ist.

- Rechtsnatur

- Einvernehmen ≠ Verwaltungsakt (Art. 35 S. 1 VwVfG)

- Grund: Fehlende Außenwirkung

- Dogmatische Folge

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- Erteilung einer Baugenehmigung als mehrstufiger Verwaltungsakt

Bauherr – Bauantrag → Bauaufsichtsbehörde ← Einvernehmen – Gemeinde

- Prozessuale Folge

- Rechtsschutz des Bauherrn

- Fallkonstellation: Bauherr beantragt eine Baugenehmigung. Die Bauaufsichtsbehörde möchte die Baugenehmigung erteilen. Die Ge-meinde erklärt das Einvernehmen nicht.

- Verpflichtungsklage des Bauherrn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erteilung einer Baugenehmigung (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)

- Notwendige Beiladung der Gemeinde (§ 65 Abs. 2 VwGO)

§ 65 Abs. 2 VwGO (2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

- Im Fall der Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde

→ Verwaltungsgericht ersetzt Einvernehmen der Gemeinde im Urteil

- Rechtsschutz der Gemeinde

- Fallkonstellation: Bauherr beantragt eine Baugenehmigung. Die Bauaufsichtsbehörde genehmigt die Baugenehmigung, ohne das Ein-vernehmen der Gemeinde einzuholen bzw. ignoriert das versagte Ein-vernehmen der Gemeinde.

- Anfechtungsklage der Gemeinde gegen die Baugenehmigung (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO)

- Anfechtungsklage ist schlicht aufgrund der Missachtung bzw. Nicht-achtung des Einvernehmenserfordernisses begründet, ohne dass es auf die formelle oder materielle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung an-kommt

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 374–376.

VI. Bestandsschutz

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Bestandsschutz = Schutz einer baulichen Anlage, die im Einklang mit dem materiellen Baurecht errichtet wurde, ist rechtlich geschützt, selbst wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr genehmigungsfähig wäre.

- Grund: Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 BauGB) Passiver Bestandsschutz = Erhalt einer ursprünglich legalen baulichen Anlage

Voraussetzung = Bauliche Anlage muss sich in ihrer Geschichte irgendwann einmal in Übereinstimmung mit dem materiellen Baurecht befunden haben

Es genügt nicht, dass die bauliche Anlage zeitlich lange bestanden hat

Rechtsfolge = Schutz des Bestandes

- umfasst auch Reparaturen, solange die Identität der baulichen Anlage nicht betroffen ist

- Umfasst nicht: Erweiterungen der baulichen Anlage

- Umfasst nicht: Anspruch auf formelle Genehmigungserteilung für bestandskräftige bauliche Anlagen

Aktiver Bestandsschutz = Erweiterung einer bestehenden baulichen Anlage, Errich-tung eines Ersatzbaus und Durchführung einer Nutzungsänderung

- Frühere Rechtsprechung

- Herleitung des aktiven Bestandsschutzes aus der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Aktuelle Rechtsprechung

- Keine Herleitung des aktiven Bestandsschutzes aus der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Grund: Eigentumsfreiheit = Normgeprägtes Grundrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)

- Notwendigkeit der Ausgestaltung des aktiven Bestandsschutzes im einfa-chen Recht

- Beispiel: § 35 Abs. 4 BauGB

- Darüber hinaus kein aktiver Bestandsschutz

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 377–379.

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VII. Fall: Das Bürohochhaus im faktischen Wohngebiet

Sachverhalt Westlich angrenzend an einen durch Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesenen Stadtteil hat sich in der kreisfreien Stadt S am Stadtrand im Laufe der Jahre ein zusam-menhängendes Wohngebiet mit ein- bis zweistöckigen Einfamiliendoppel- und Reihen-häusern ganz überwiegend in Mauerwerkbauweise und mit roten Ziegeldächern entwi-ckelt, für das es keinen Bebauungsplan gibt. Die I-AG möchte hier, unmittelbar an der Grenze zum Mischgebiet ein fünfzehnstöckiges Bürohochhaus als Glas- und Stahlkon-struktion mit einer Ladenzeile im Erdgeschoss und einer zweistöckigen Tiefgarage er-richten. Das Vorhaben passt sich gut an bereits vorhandene Objekte im Mischgebiet an. Die I-AG beantragt bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde die Erteilung einer Bauge-nehmigung. Der Antrag wird unter Hinweis auf eine durch das Vorhaben zu befürch-tende schleichende Veränderung des Gebietscharakters zurückgewiesen. Daraufhin er-hebt die I-AG bei dem zuständigen Verwaltungsgericht frist- und formgerecht Klage. Frage 1: Wie wird das Verwaltungsgericht über die Klage der I-AG entscheiden? Fallerweiterung: Unterstellen Sie, dass der I-AG eine Baugenehmigung erteilt worden ist und sie begonnen hat, das Gebäude zu errichten. N, Eigentümer eines zwei Straßen-züge entfernt liegenden Reihenmittelhauses, der eine Überfremdung der eingesessenen Wohnbevölkerung befürchtet, will gegen die Baugenehmigung vorgehen. Er ist der An-sicht, dass der Bau, der jedenfalls vom Küchenfenster seines Reihenmittelhauses sicht-bar ist, verboten gehört und die Behörde dafür zu sorgen hätte, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Sobald der N von dem Bauvorhaben der I-AG erfährt, wendet er sich an das zuständige Verwaltungsgericht. Frage 2: Wie wird das Verwaltungsgericht im Fall des N entscheiden? Lösung Frage 1: Wie wird das Verwaltungsgericht über die Klage der I-AG entscheiden? A. Zulässigkeit I. Verwaltungsgerichtsweg

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Der Verwaltungsrechtsweg könnte nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet sein. Dann müsste eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art vorliegen. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen solche des Öffentlichen Rechts sind. Dies ist der Fall, wenn sie einen Hoheitsträger einseitig be-rechtigen oder verpflichten. Der vorliegende Streitgegenstand ist auf der Grundlage der BayBO, des BauGB und der BauNVO zu entscheiden. Diese berechtigen und verpflich-ten die Stadt S als Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 BayBO i. V. m. Art. 9 Abs. 1 GO). Sie sind folglich dem Kernbereich des Öffentlichen Rechts zuzurechnen. Damit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zu bejahen. Diese ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da an dem Streit weder Verfassungsorgane im formellen Sinn beteiligt sind noch das Verfassungsrecht den materiellen Kern des Rechtsstreits bildet. II. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). Die I-AG begehrt eine Baugenehmigung. Bei einer Baugenehmigung i. S. d. Art. 68 Abs. 1 Bay-BO handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG. Dieses Begehren kann die Klägerin mit einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) verfolgen. Art. 59 BayBO ist nicht einschlägig, weil es sich bei dem Vorhaben um einen Sonderbau i. S. d. Art. 2 Abs. 4 Nr. 2 BayBO handelt. III. Klagebefugnis Die I-AG ist auch nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil jedenfalls nicht von vorn-herein ausgeschlossen ist, dass sie aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für ihr Vorhaben besitzt. IV. Widerspruchsverfahren (68 ff. VwGO) Ein Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO war nicht erforderlich (§ 68 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 15 AGVwGO). V. Klagefrist Die Klagefrist gem. § 74 Abs. 2, 1 VwGO ist laut Sachverhalt gewahrt. VI. Beteiligtenfähigkeit Die I-AG sowie die Stadt S sind als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig. VII. Prozessfähigkeit Die I-AG sowie die Stadt S müssen sich als juristische Personen vertreten lassen (§ 62 Abs. 3 VwGO). VIII. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts

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Das Verwaltungsgericht ist laut Sachverhalt örtlich und nach § 45 VwGO sachlich zu-ständig. IX. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. B. Begründetheit Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet und die I-AG einen Anspruch auf die von ihr begehrte Baugenehmigung hat (§§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). I. Passivlegitimation Die Klage ist gegen die Stadt S zu richten (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). II. Anspruch der I-AG auf die Baugenehmigung Die I-AG könnte aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO einen Anspruch auf die Erteilung der von ihr begehrten Baugenehmigung besitzen. 1. Anspruchsvoraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO Nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem bean-tragten Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, die im bauaufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. a) Vorhaben Bei dem von der I-AG geplanten Vorhaben handelt es sich um ein Bauvorhaben i. S. d. Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO (vgl. Art. 2 Abs. 1 BayBO). b) Genehmigungsbedürftigkeit Das Vorhaben ist nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig. c) Entgegenstehen öffentlich-rechtlicher Vorschriften Spezielle bauordnungsrechtliche Vorbehalte gegen das Bauvorhaben der I-AG sind zwar nicht ersichtlich. Dem Vorhaben könnten in bauplanungsrechtlicher Hinsicht je-doch die §§ 29 ff. BauGB entgegenstehen (Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Bei dem Bau-vorhaben der I-AG handelt es sich um ein bauplanungsrechtlich relevantes Vorhaben i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB. Deshalb richtet sich seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach den §§ 30–37 BauGB. Welche bauplanungsrechtlichen Anforderungen insofern im Einzelfall zu stellen sind, richtet sich nach dem Gebiet, in dem das Vorhaben liegt. Das Vorhaben liegt im unbe-

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planten Innenbereich. Damit richtet sich seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB, es sei denn, es läge ein Fall des § 34 Abs. 2 BauGB vor, der der Regelung des § 34 Abs. 1 BauGB als Spezialregelung vorgeht. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO, so beurteilt sich – so § 34 Abs. 2 BauGB – die Zulässigkeit eines Vorhabens nach seiner Art (nicht nach seinem Maß) allein danach, ob es nach der BauNVO zulässig wäre. Das Bauvorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich, der die Struktur eines reinen Wohnge-biets i. S. d. § 3 Abs. 1 BauNVO aufweist. Somit ergibt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 BauNVO. - Regelbebauung (§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO)

Da es sich bei dem Bauvorhaben der I-AG nicht um ein Wohngebäude handelt, ist es nicht nach § 34 Abs. 2 Halbsatz. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem faktischen Wohngebiet zulässig.

- Ausnahmebebauung (§ 34 Abs. 2 Hs. 2 Var. 1 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 3 BauNVO)

Auch eine Ausnahmebebauung nach § 34 Abs. 2 Hs. 2 Var. 1 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 3 BauNVO kommt nicht in Frage. Zwar ent-hält das Vorhaben der I-AG eine Ladenzeile, die für sich genommen den Aus-nahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (Läden zur Deckung des täglichen Bedarfs) erfüllen könnte. Doch diese Ladenzeile bildet in keiner Weise den Schwerpunkt des geplanten Gebäudes.

- Dispens (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 2 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB)

Schließlich ist auch kein Dispens nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 Var. 2 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB möglich. Insbesondere liegt kein Fall des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB vor: Eine städtebauliche Vertretbarkeit kommt unter dem Gesichts-punkt einer gebietsübergreifenden Bedeutung des Mischgebiets nicht in Betracht. Denn gerade die Art der baulichen Nutzung soll durch § 34 Abs. 2 BauGB auch einem „Ausfransen“ an den Gebietsgrenzen vorgebeugt werden.

b) Zwischenergebnis Da die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO nicht vorliegen, scheidet ein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung aus. C. Ergebnis Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Frage 2: Wie wird das Verwaltungsgericht im Fall des N entscheiden?

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Vorüberlegung: N will, dass der Bau der I-AG beseitigt wird. Dazu muss er die der I-AG erteilte Baugenehmigung anfechten (A.) um darauf aufbauend für den dann rechts-widrigen Bau eine behördliche Abrissverfügung einzuklagen (B.). A. Klage des N gegen die der I-AG erteilte Baugenehmigung Die Klage des N gegen die der I-AG erteilten Baugenehmigung ist erfolgreich, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit 1. Verwaltungsrechtsweg Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 VwGO bei öffentlich-rechtlichen Strei-tigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen solche des Öffentlichen Rechts sind. Dies ist der Fall, wenn sie einen Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten. Der vor-liegende Streitgegenstand ist auf der Grundlage der BayBO, des BauGB und der BauNVO zu entscheiden. Diese berechtigen und verpflichten die Stadt S als Bauauf-sichtsbehörde. Sie sind folglich dem Kernbereich des Öffentlichen Rechts zuzurechnen. Damit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zu beja-hen. Diese ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da an dem Streit weder Verfas-sungsorgane im formellen Sinn beteiligt sind noch das Verfassungsrecht den materiellen Kern des Rechtsstreits bildet. Da darüber hinaus auch keine abdrängende Sonderzuwei-sung einschlägig ist, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröff-net. 2. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). Der Kläger begehrt die Aufhebung der Baugenehmigung, die der I-AG erteilt wurde. Bei einer Baugenehmigung i. S. d. Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO handelt es sich um einen Verwal-tungsakt i. S. d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG. Damit kann der N sein Begehren mit einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) gerichtlich verfolgen. 3. Klagebefugnis N müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Dies ist der Fall, wenn jedenfalls nicht von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass N durch die Erteilung der von ihm angegriffenen Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt ist. Dann müsste es sich bei der streitentscheidenden Norm des Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO um eine Rege-lung handeln, die jedenfalls auch die Rechte des N zu schützen beabsichtigt. Dass Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO einen solchen Drittschutz zugunsten des N entfaltet, kann jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Denn eine Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO zu versagen, wenn ihr öffentlich-rechtliche Regelun-gen entgegenstehen. Insofern kommen vorliegend vor allem Rechtsvorschriften des Bauplanungsrechts in Betracht (§§ 29 ff. BauGB). Zwar liegt das umstrittene Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, dessen Festsetzungen aufgrund des

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Austauschverhältnisses („Schicksalsgemeinschaft“) drittschützende Wirkung entfalten. Doch vorliegend hat sich ein reines Wohngebiet faktisch entwickelt, sodass eine Beur-teilung nach den gleichen drittschützenden Grundsätzen auch im Fall des § 34 Abs. 2 BauGB jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann und die Klagebe-fugnis des N infolgedessen zu bejahen ist. 4. Widerspruchsverfahren Ein Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO war nicht erforderlich (§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i. V. m. Art. 15 AGVwGO). 5. Klagefrist (§ 74 VwGO) Die Klagefrist beträgt nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO grundsätzlich einen Monat seit Be-kanntgabe des angegriffenen Verwaltungsakts. Die der I-AG erteilte Baugenehmigung wurde jedoch dem N nie bekannt gegeben. Folglich gilt die einmonatige Klagefrist ihm gegenüber nicht. Deshalb bestimmt sich die Klagefrist des N nach den Grundsätzen der Verwirkung. N hat jedoch die Klagefrist noch nicht verwirkt, da er unmittelbar, nach-dem er von dem Bauvorhaben der I-AG erfahren hat, gerichtlichen Rechtsschutz nach-gesucht hat. 6. Beteiligtenfähigkeit N ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO, die Stadt S ist als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligtenfähig. 7. Prozessfähigkeit N ist nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Stadt S muss sich als juristische Person nach § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. Art. 38 Abs. 1 GO durch ihren ersten Bürger-meister vertreten lassen. 8. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Die Klage ist bei dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben (§ 45 VwGO). 9. Notwendige Beiladung Die I-AG ist nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen. Sie ist prozess- und betei-ligtenfähig. 10. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. II. Begründetheit

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Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet (1.), die Baugenehmigung rechtswidrig (2.) und N dadurch in seinen Rechten verletzt ist (3.) (§§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). 1. Passivlegitimation Richtiger Klagegegner ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die kreisfreie Stadt S als Trä-gerin der Bauaufsichtsbehörde (Art. 9 Abs. 1 GO, Art. 53 Abs. 1 BayBO). 2. Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung a) Rechtsgrundlage für die Baugenehmigung Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 BayBO. b) Formelle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung Anhaltspunkte für die formelle Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung liegen nicht vor. c) Materielle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung Die Baugenehmigung ist in materieller Hinsicht rechtswidrig – vgl. zur Begründung der Baurechtswidrigkeit ausführlich oben im Rahmen der Lösung des Ausgangsfalls. 3. Rechtsverletzung des N Trotz der festgestellten Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ist die Klage des N nur erfolgreich, wenn die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung gerade auf der Verletzung von Rechtvorschriften beruht, die den Zweck haben, die Rechte des N zu schützen. Daher ist nun an dieser Stelle die in der Klagebefugnis aufgeworfene Frage nach der drittschützenden Wirkung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO i. V. m. § 34 Abs. 2 BauGB zu beantworten. Geht man insofern zunächst vom Wortlaut des § 34 Abs. 2 BauGB aus, so verweist dieser allein auf die Regelungen der BauNVO, die auch auf faktische BauNVO-Gebiete analog anwendbar sein sollen. Doch auch die BauNVO vermittelt für sich genommen keinen Drittschutz. Denn sie ist mit ihren Regelungstypen zunächst nicht mehr als ein Regelungsangebot an den örtlichen Gesetzgeber, der grundsätzlich mit der Festsetzung im Bebauungsplan über die Reichweite des Drittschutzes entschei-det. Vor diesem Hintergrund wurde nach der früher h.M. ausnahmsweise dann ein dritt-schützendes Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 BauNVO bejaht, wenn der Kläger von dem Vorhaben individuell und qualifiziert betroffen ist.1 Bei der Anwendung dieser Grundsätze wäre der N wegen fehlender individueller und qualifizierter Betroffenheit nicht durch die rechtswidrige Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt. Doch das Bundesverwaltungsgericht hat seine Meinung geändert:2 Im Fall eines durch Bebau-ungsplan festgesetzten BauNVO-Gebiets ergibt sich der Drittschutz – unabhängig von der individuellen und qualifizierten Betroffenheit – aus dem im Planungsgebiet herr-

1 Vgl. BVerwGE 67, 334. 2 Vgl. BVerwGE 94, 151.

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schenden gegenseitigen Austauschverhältnis („Schicksalsgemeinschaft“) für alle Ge-bietsangehörigen. Dieses Austauschverhältnis ist in § 1 Abs. 7 BauGB angelegt und wird in §§ 2 ff. BauNVO konkretisiert. Insofern wird der Drittschutz durch Bundesrecht den Festsetzungen des Bebauungsplans vorgegeben. Wenn es aber Sinn und Zweck des § 34 Abs. 2 BauGB ist, die Planungsgrundsätze von festgesetzten BauNVO-Gebieten auch auf faktische BauNVO-Gebiete zu übertragen, so muss auch bei diesen ein subjek-tiver Anspruch auf den Erhalt des Gebietscharakters bestehen. Nur so können Rechts-schutzlücken gegen die schleichende Veränderung von § 34 Abs. 2 BauGB-Gebieten geschlossen werden. N ist folglich durch die der I-AG erteilte Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt. 4. Zwischenergebnis Die Klage des N gegen die der I-AG erteilte Baugenehmigung ist zulässig und begrün-det. B. Klage des N auf Beseitigung des Bauwerks Die Klage des N auf Beseitigung des von I-AG bisher errichteten Bauwerks ist erfolg-reich, wenn sie zulässig und begründet ist.

(Anmerkung zum Aufbau: Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, das Be-gehren des N – die Beseitigung des Bauwerks – klagetechnisch abzubilden: Zum einen kann ein Annexantrag nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, zum anderen eine Verpflichtungsklage auf Abriss geprüft werden. Gegen den Annexantrag i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO wird zwar eingewandt, dass der in diesem Zusammen-hang zu prüfende Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch [VFBA] der Behörde kei-nen Rechtstitel gebe in die Rechte des Dritten – hier der I-AG – einzugreifen. Dies trifft zwar grundsätzlich zu, spricht aber keineswegs gegen einen Annexan-trag nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Denn im Rahmen der Prüfung des VFBA ist u.a. die rechtliche Möglichkeit der Widerherstellung des status quo ante – und in-sofern inzident die Möglichkeit einer Abrissverfügung nach Art. 76 S. 1 BayBO – zu prüfen. Umgekehrt muss die Prüfung einer Verpflichtungsklage auf der Rechtsfolgenseite der insofern materiell einschlägigen Abrissverfügung nach Art. 76 S. 1 BayBO die Folgenbeseitigungslast als einen Grund der Ermessensre-duzierung auf Null problematisieren. Mit anderen Worten: Beide Prüfungsaufbau-ten sind möglich und sie erörtern die gleichen rechtlichen Fragen – nur eben an unterschiedlichen Stellen. In einer Klausur sollte einer der beiden Aufbauten ge-wählt und ohne Begründung schlicht geprüft werden. Im Folgenden wird – ent-sprechend dem heute im Ersten Staatsexamen wohl überwiegend favorisierten Aufbau – eine Verpflichtungsklage geprüft [§113 Abs. 5 VwGO], die im Urteil nach § 113 Abs. 4 VwGO mit der Anfechtungsklage [§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO] gegen die Baugenehmigung kombiniert werden kann.)

I. Zulässigkeit der Klage 1. Verwaltungsrechtsweg

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Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet (s.o.). 2. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). Der Kläger begehrt den Abriss des bisher von der I-AG errichteten Bauwerks und folglich einen Abrissbescheid i. S. d. Art. 76 S. 1 BayBO. Da es sich bei einem Abrissbescheid um einen Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG handelt, kann N sein Begehren mit einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) gerichtlich verfolgen. Im Urteil ist eine Kombination dieser Verpflichtungsklage mit der gegen die Baugenehmi-gung verfolgten Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 4 VwGO möglich (privilegierte Klageverbindung gegenüber § 44 VwGO – kein Verbot der Stufenklage). 3. Klagebefugnis N müsste gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Dies ist der Fall, wenn jedenfalls nicht von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass er einen Anspruch auf den Abriss des von der I-AG bisher errichteten Bauwerks aus Art. 76 S. 1 BayBO be-sitzt. Zwar handelt es sich bei Art. 76 S. 1 BayBO um eine Ermessensregelung. Bei die-ser ist jedoch nicht von vornherein eine Ermessensreduzierung auf Null ausgeschlossen. Eine solche könnte sich vorliegend vor allem aus einer Folgenbeseitigungslast ergeben, die die beklagte Bauaufsichtsbehörde aufgrund der von ihr unter Verletzung der Rechte des N erteilten Baugenehmigung (s.o.) trifft. 4. Widerspruch, Klagefrist, Beteiligtenfähigkeit, Prozessfähigkeit, Zuständigkeit des VG, notwendige Beiladung Siehe oben A.I.4-10. 5. Zwischenergebnis Die Klage ist zulässig. II. Begründetheit Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet und N ei-nen Anspruch auf die von ihr begehrte Abrissverfügung besitzt (§§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). 1. Passivlegitimation Richtiger Klagegegner ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die kreisfreie Stadt S als Trä-gerin der Bauaufsichtsbehörde (Art. 9 Abs. 1 GO, Art. 53 Abs. 1 BayBO). 2. Anspruchsgrundlage

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N könnte einen Anspruch auf Abriss des von der I-AG bisher errichteten Gebäudes aus Art. 76 Satz 1 BayBO herleiten. 3. Anspruchsvoraussetzungen des Art. 76 S. 1 BayBO Dies setzt nach Art. 76 S. 1 BayBO voraus, dass das Bauwerk der I-AG als Bauvorha-ben i. S. d. BayBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde und auf andere Weise als den Abriss keine rechtmäßigen Zustände hergestellt werden können. a) Vorhaben i. S. einer baulichen Anlage i. S. d. Art. 2 Abs. 1 BayBO (+) b) Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften - Formelle Baurechtswidrigkeit Ein Vorhaben ist in formeller Hinsicht baurechtswidrig, wenn es über keine Baugeneh-migung verfügt. Ursprünglich verfügt die I-AG für ihr Bauvorhaben über eine Bauge-nehmigung. Doch diese Baugenehmigung wurde von N wirksam angefochten (s.o. – eventuelle Rechtskraftprobleme werden durch die §§ 113 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 4 VwGO überwunden). Deshalb ist das Bauvorhaben der I-AG nun in formeller Hinsicht illegal und baurechtswidrig. - Materielle Baurechtswidrigkeit Ein Vorhaben ist in materieller Hinsicht baurechtswidrig, wenn es gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Dem Vorhaben der I-AG stehen zwar keine Vorschrif-ten der BayBO entgegen (s.o.). Doch das Bauvorhaben der I-AG verstößt gegen das Bauplanungsrecht: Da es sich bei ihm nicht um ein Wohngebäude handelt, ist es nicht nach § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in dem faktischen Wohngebiet zulässig. (s.o.). Deshalb ist das Bauvorhaben der I-AG auch in materieller Hinsicht baurechtswidrig. - Kein Bestandsschutz Ein Vorhaben genießt Bestandsschutz, wenn es – trotz formeller Illegalität – einmal in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht stand. Dies war im Fall des von der I-AG teilweise errichteten Bauwerks nicht der Fall. - Zwischenergebnis Das Vorhaben der I-AG wird unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften errichtet. c. Herstellung rechtmäßiger Zustände in anderer Weise

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Rechtmäßige Zustände könnten hergestellt werden, wenn für das Vorhaben der I-AG eine Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO erteilt werden könnte. Dies ist jedoch materiell-rechtlich ausgeschlossen (s.o.). d) Zwischenergebnis Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 76 S. 1 BayBO für einen Abriss liegen vor. 4. Rechtsfolge des Art. 76 S. 1 BayBO: Ermessen (Anspruchsinhalt) Nur, wenn das durch Art. 76 S. 1 BayBO der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Ermes-sen auf Null reduziert ist, hat der N einen Anspruch auf den Abriss des von der I-AG bisher errichteten Gebäudes.

Für eine Ermessensreduzierung auf Null spricht, dass die Bauaufsichtsbehörde eine Folgenbeseitigungslast trifft: Sie hat der I-AG unter Verletzung subjektiver Rechte des N eine rechtswidrige Baugenehmigung erteilt. Die Folgen dieses rechtswidrigen Handelns können nur durch einen Abriss des Bauwerks wieder be-seitigt werden. Folge: Der N hat aus Art. 76 S. 1 BayBO einen Anspruch auf die Beseitigung des von der I-AG bisher errichteten Gebäudes. Die Verpflichtungs-klage wäre erfolgreich.

Gegen eine Ermessensreduzierung auf Null spricht, dass im Fall der Anerken-nung einer ermessensreduzierenden Folgenbeseitigungslast der Bauherr mit einer rechtswidrigen Baugenehmigung schlechter stünde als ein Bauherr, der ohne Bau-genehmigung baut und in dessen Fall eine ermessensreduzierende Folgenbeseiti-gungslast nicht in Betracht kommt. Folge: Der N hätte aus Art. 76 S. 1 BayBO keinen Anspruch auf die Beseitigung des von der I-AG bisher errichteten Gebäu-des. Die Verpflichtungsklage ist als Vornahmeantrag nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO nicht erfolgreich. In Betracht kommt allenfalls eine Umdeutung des Vor-nahmeantrags in einen Bescheidungsantrag nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO, da in jedem Vornahmeantrag als Minus ein Bescheidungsantrag enthalten ist.

III. Zwischenergebnis Die Klage des N auf Abriss des von der I-AG bisher errichteten Bauvorhabens ist zuläs-sig und – je nach Auffassung, die man zur Folgenbeseitigungslast vertritt – (un)begründet. C. Gesamtergebnis Die Klage des N gegen die der I-AG erteilte Baugenehmigung ist zulässig und begrün-det. Die Klage des N auf Abriss des von der I-AG bisher errichteten Bauvorhabens ist zulässig und – je nach Auffassung, die man zur Folgenbeseitigungslast vertritt – (un)begründet.

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E. Bauleitplanung

Übersicht

- Planung - Planungsvorgaben - Planungsverfahren - Planabwägung - Plantypen

- Flächennutzungsplan - Bebauungsplan

- Planerhalt - Planbestand - Public-Private-Partnership

- Städtebaulicher Vertrag - Vorhaben- und Erschließungsplan

- Planungssrechtsschutz

I. Planung

Übersicht

- Begriff und Funktion - Normstruktur - Abwägung - Verfahren - Komplexität

1. Begriff und Funktion

Planung = Final ausgerichtete Handlungsform des Staates, die einen sozialen, ökono-mischen oder ökologischen Lebensbereich zielgerichtet entwickeln, ordnen oder sichern möchte. Funktion = Zielgerichtete Entwicklung, Ordnung und Sicherung eines Lebensbereichs durch Abwägung konfligierender Interessen.

2. Normstruktur

- Abgrenzung

- Ordnungsrechtliche Normstruktur

- Planungsrechtliche Normstruktur

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a) Ordnungsrechtliche Normstruktur

- Konditionalprogramm = Wenn-Dann-Programm - Beispiele

- Polizeiliche Generalklausel

Bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann die Polizei die notwendi-gen Maßnahmen treffen.

- Baugenehmigung

Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO (1) Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

- Beseitigungsverfügung

Art. 76 S. 1 BayBO Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder ge-ändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

b) Planungsrechtliche Normstruktur

- Finalprogramm = Zweck-Mittel-Relation - Beispiel: Bauleitplanung (BauGB)

Um eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten (§ 1 Abs. 5 S. 1 BauGB) (Zweck), müssen alle konfligierenden privaten und öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 6 BauGB) ge-recht untereinander und gegeneinander abgewogen werden (§ 1 Abs. 7 BauGB) (Mittel).

Rechtsprechung

„Zum einen kann Planung nicht als ein Vorgang der Subsumtion eines bestimmten Lebenssach-verhalts unter die Tatbestandsmerkmale einer generell-abstrakten Norm verstanden werden. Zum andern stellt die Planungsentscheidung auch keine generell-abstrakte Vorgabe für eine unbestimm-te Vielzahl von Fällen dar. Es handelt sich vielmehr um einen komplexen Prozeß der Gewinnung, Auswahl und Verarbeitung von Informationen, der Zielsetzung und der Auswahl einzusetzender Mittel. Planung hat mithin finalen und keinen konditionalen Charakter.“ (BVerfGE 95, 1 [16] – Südumfahrung Stendal)

3. Abwägung

- Abgrenzung

- Konditional strukturiertes Verwaltungsermessen

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- final strukturiertes Planungsermessen

a) Konditional strukturiertes Verwaltungsermessen

- Beispiel

Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO (1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert o-der beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen.

- Regelungen der Ausübung von konditional strukturiertem Verwaltungsermessen

§ 40 VwVfG Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhal-ten.

- Regelung der Überprüfung von konditional strukturiertem Verwaltungsermessen

§ 114 S. 1 VwGO Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechts-widrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermes-sen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

- Konditional strukturierte Verhältnismäßigkeitsprüfung

- Zweck

- Geeignetheit

- Erforderlichkeit

- Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)

b) final strukturiertes Planungsermessen

- Beispiel: Abwägung in der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 7 BauGB)

§ 1 Abs. 7 BauGB (7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Rechtsprechung

„Derartige Planungsakte können nicht im Wege eines Konditionalprogramms normativ vorherbe-stimmt werden. Jedoch bietet insoweit das planerische Abwägungsgebot einen sachgerechten Maßstab, der es erlaubt, die sich aus den konkreten Verhältnissen ergebenden öffentlichen Interes-sen und die privaten Belange der betroffenen Eigentümer in einen gerechten Ausgleich zu brin-gen.“ (BVerfGE 80, 137 [162] – Reiten im Walde)

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- final strukturierte Verhältnismäßigkeitsprüfung Final strukturierte Verhältnismäßigkeitsprüfung = Die konfligierenden Interessen dürfen in der planerischen Abwägungsentscheidung nur soweit eingeschränkt werden, wie dies zur Erreichung des Planungsziels geeignet, erforderlich und angemessen ist.

Komplexität von Abwägungsentscheidungen = Vielzahl der Gestaltungsmöglich-keiten zur Verwirklichung des Planungsziels.

Gewichtung von Interessen = Unterschiedlich möglich, je nach gewählter Gestaltungsmöglichkeit.

Gestaltungsfreiheit = Planung ohne Gestaltungsfreiheit wäre ein „Widerspruch in sich“ (BVerwGE 34, 301 [304]).

4. Verfahren

- Zweck Planungsverfahren = Verfahrensrechtliche Strukturierung und Steuerung der weiten planerischen Gestaltungsfreiheit. - Normstruktur

Normstruktur des Planungsverfahrensrechts = Konditionalprogramme (Wenn-Dann-Schluss)

- Beispiele (Bauleitplanung)

Wenn ein f Plan oder BPlan aufgestellt wird, dann muss

- eine Umweltprüfung durchgeführt werden (§ 2 Abs. 4, § 2a BauGB).

- eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden (§ 3 Abs. 1 BauGB).

- Begründung: Konditionalprogramme des Ordnungsrechts – insbesondere des Verfah-rensrechts – gegen planerische Finalprogramme ein.

Zweck: Verhinderung von Willkür und Zufall

Begründung: Verfassungsrechtliches Gebot des Demokratie- und Rechts-staatsprinzips (Art. 20 Abs. 1-Abs. 3 GG)

- Verfahrensschritte

- Problemformulierung - Bestandsaufnahme

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- Bestandsanalyse - Entwicklungsprognose - Zielbestimmung - Planentwurf - Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung - Korrektur des Planentwurfs - Planentscheidung (Abwägung) - Plandurchführung - Planevaluation - Planänderung.

Ausgestaltung für die Bauleitplanung im Einzelnen aus (§§ 2 ff. BauGB)

5. Komplexität des Planungsbegriffs

Planung „besteht in der analysierenden Erfassung gegenwärtiger Lagen, in der Progno-se künftiger Entwicklungen und im Vorentwurf einer normativen Ordnung. Sie zielt auf den Ausgleich von Interessen und die Koordination von Aktivitäten in einem Gefüge abgestimmter, miteinander zu einem Konzept verflochtener Maßnahmen. Komplexität, Konnexität und gestalterische Kreativität zeichnen Planung und Plan aus.“ (Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, S. 332; ders. FS Schlichter, 1995, S. 3 [4 f.]).

6. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 28–65.

a) Essentials

Planung = Final ausgerichtete Handlungsform des Staates, die einen sozialen, ökono-mischen oder ökologischen Lebensbereich zielgerichtet entwickeln, ordnen oder sichern möchte.

Funktion = Zielgerichtete Entwicklung, Ordnung und Sicherung eines Lebensbe-reichs durch Abwägung konfligierender Interessen.

Kennzeichen = Finale Normstruktur, umfassende Abwägung, verfahrensrechtli-che Steuerung

Abwägung = Finalstrukturierte Verhältnismäßigkeitsprüfung

b) FAQ

1. Was ist Planung? 2. Welche Funktion hat Planung?

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3. Was ist ein normatives Konditionalprogramm? 4. Was ist ein normatives Finalprogramm? 5. Handelt es sich bei Planungsnormen um Konditionalprogramme oder Finalprogram-me? 6. Warum ist die Abwägung das Herzstück der Planung? 7. Wie lässt sich Abwägung bzw. Planungsermessen definieren? 8. Wie unterscheidet sich Planungsermessen vom klassischen Verwaltungsermessen? 9. Was ist der Zweck des Planungsverfahrens? 10. Welche unterschiedlichen Phasen des Planungsprozesses kann man unterscheiden?

II. Planungsvorgaben

Übersicht

- Planerforderlichkeit - Planungsziele - Planungsleitsätze - Planabstimmung

1. Planerforderlichkeit

- Planerforderlichkeit

§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB (3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauli-che Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.

- Verfassungsrechtlicher Hintergrund

- Kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

- Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) - Planerforderlichkeit = Grundsatz der Planrechtfertigung

- Zeitliche Dimension: „Ob“ der Planung

- Inhaltliche Dimension: „Wie“ der Planung

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- „Relativierung“ der Planerforderlichkeit bzw. der Planrechtfertigung

- Städtebauliches Konzept - Planungsermessen

- Dimensionen

- Planungsverbote

- Planungsgebote

- Planungsansprüche

a) Planungsverbote

- Planungsverbot = Planung ist nicht erforderlich, wenn grob und offensichtlich gegen § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB verstoßen wird.

Rechtsprechung: § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB setzt „der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe aus-schließt.“ (BVerwGE 146, 137 Rn. 9)

- Sechs Fallgruppen

- Konzeptionslose Planung

Beispiel: Planerische Atomisierung des Gemeindegebiets

- Gefälligkeitsplanung

Beispiel: Planung dient ausschließlich privaten Interessen und nicht dem Allgemeinwohl

- Nicht vollzugsfähige Planung

Beispiel: Verstoß gegen zwingende – etwa umweltrechtliche – Planungs-vorgaben

- Vorgeschobene Planung („Etikettenschwindel“)

Beispiel: Darstellung eines Gebiets im Flächennutzungsplan bzw. Festset-zung eines Gebiets im Bebauungsplan, dessen Entwicklung in Wirklichkeit überhaupt nicht beabsichtigt ist.

- Vorratsplanung („Reine Zukunftsplanung“, Planung „ins Blaue“)

Beispiel: Überdimensionierte Ausweitung von reinen Wohngebieten in Schrumpfungsgebieten

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- Negativplanung (Verhinderungsplanung)

Beispiel: „Keine Windräder“, „max. drei Windräder“

- Einschränkung: Kein absolutes Verbot der Negativplanung

Beispiel: Möglichkeit von Flächen mit Nutzungsbeschränkun-gen (§ 5 Abs. 2 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) oder von Flä-chen, die von Bebauung freizuhalten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB).

- Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Planungsverbot des §§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB: Nichtigkeit des Plans

b) Planungsgebote

- Planungsgebot = Planung ist im Ausnahmefall notwendig, wenn sich das Planungs-ermessen aufgrund qualifizierter Interessenkonflikte zu einer Planungspflicht verdichtet.

Rechtsprechung: „Das Planungsermessen der Gemeinde verdichtet sich im unbeplanten Innenbe-reich zur strikten Planungspflicht, wenn qualifizierte städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht vorliegen. Ein qualifizierter (gesteigerter) Planungsbedarf besteht, wenn die Genehmi-gungspraxis auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB städtebauliche Konflikte aus-löst oder auszulösen droht, die eine Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und pri-vaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend erfordern. Die Gemeinde muss planerisch einschreiten, wenn ihre Einschätzung, die planersetzende Vorschrift des § 34 BauGB reiche zur Steuerung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung aus, eindeutig nicht mehr ver-tretbar ist. Dieser Zustand ist jedenfalls dann erreicht, wenn städtebauliche Missstände oder Fehlentwicklungen bereits eingetreten sind oder in naher Zukunft einzutreten drohen. Die Pla-nungspflicht entsteht nicht schon dann, wenn ein planerisches Einschreiten einer geordneten städ-tebaulichen Entwicklung dienen würde und deshalb ‚vernünftigerweise geboten‘ wäre. Sie setzt besonders gewichtige Gründe voraus und besitzt Ausnahmecharakter. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines qualifizierten planerischen Handlungsbedarfs lassen sich etwa aus der für Sanie-rungsmaßnahmen geltenden Definition der städtebaulichen Missstände in § 136 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB gewinnen.“ BVerwGE 119, 25 (32)

- Spezialfall: Interkommunales Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 S. 1 BauGB)

§ 2 Abs. 2 BauGB (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

Beispiel: Planung eines großen Einzelhandelszentrums durch eine Gemeinde, die in einem hochverdichteten Ballungsraum liegt, sodass zentrale Versorgungsberei-che benachbarter Gemeinden von der Planung beeinträchtigt werden (BVerwGE 119, 25 [33]).

c) Planungsansprüche

- Keine Planungsansprüche

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Planungsansprüche von Bürgerinnen und Bürgern, von Unternehmen und Zivilge-sellschaft sind ausgeschlossen (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB).

Bauleitplanung erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse.

§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein An-spruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

Rechtsprechung: Es gibt „kein subjektives Recht auf eine gemeindliche Bauleitpla-nung“ (BVerwG NVwZ-RR 1997, 213).

Analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB

Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen (§ 1 Abs. 8 BauGB).

Rechtsfolge: Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, der einen Pla-nungsanspruch begründet,

Verstoß gegen das gesetzliche Vertragsformverbot des § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB (§ 59 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 134 BGB i. V. m. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB).

Achtung: Städtebauliche Verträge sind grundsätzlich möglich (§ 11, § 12 BauGB).

2. Planungsziele

§ 1 Abs. 5 BauGB (5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirt-schaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende so-zialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung ge-währleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpas-sung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städte-bauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

- Planungsziel = Zielvorstellung, auf die die Bauleitplanung ausgerichtet ist. - Allgemeines Planungsziel: Nachhaltige städtebauliche Entwicklung

Brundtland-Kommission „Our Common future“ (1987) „Sustainable Development seeks to meet the needs and aspirations of the present without compro-mising the ability to meet the needs of the future.“ (World Commission on Environment and De-velopment [Hrsg.], Our Common future, 1987, S. 40 f.)

- Dreidimensionaler Nachhaltigkeitsbegriff

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- Angemessener Ausgleich zwischen sozialen, ökonomischen und ökologischen Belangen

- Kein materieller Vorrang eines der drei Belange

- Spezielle Planungsziele

- Sozialgerechte Bodennutzung

- Bodenrechtlicher Bezug der Bauleitplanung

- Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)

- Ausgleich zwischen Baufreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) und Sozi-alstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG)

- Beispielhafte Nennung: Wohnbedürfnisse der Bevölkerung

- Weitere Aspekte (§ 1 Abs. 6 Nr. 1-3, 8 und 13 BauGB)

- Wohn- und Arbeitsverhältnisse - Sozial integrative Wohnstrukturen - Eigentumsbildung weiter Bevölkerungskreise - Daseinsvorsorge - Öffentliche Güter (Bildung, Kultur)

- Ökologische Stadtentwicklung

- Normative Anleihe am Umweltstaatsprinzip (Art. 20a GG)

- „Umweltgerechtigkeit“

- Schwerpunkt: Klimaschutz und Klimaanpassung

- Klimaschützende Stadtentwicklung

- Vorrang der Innenentwicklung

- Soziale Dimension

- Konsistenz von Städten und Gemeinden

- Schrumpfung und Perforation von Städten und Gemeinden in Folge des demographischen Wandels

- Ökologische Dimension

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- Nachverdichtung in den Städten

- Schutz des Außenbereichs vor Bebauung und Zersiedlung

- Problem: Urbane Biodiversität

- Baukultur

- Baukultur: baukulturelle Integrations- und Kulturleistung

Baukultur „wird dabei ausdrücklich nicht nur als ästhetische Angelegenheit be-zeichnet, sondern als ein Ausbalancieren vieler Qualitätsaspekte, gekennzeichnet un-ter anderem durch einen über technische und ökonomische Belange hinausreichen-den Qualitätswillen sowie durch die Bereitschaft zu verstärkter interdisziplinärer Zusammenarbeit und Beteiligung Betroffener.“ (BT-Drs. 15/2250 S. 37)

- Anschluss an den dreidimensionalen Nachhaltigkeitsbegriff

3. Planungsleitsätze

- Planungsleitsätze = Konkretisierung der Planungsziele in Form von öffentlichen und privaten Belangen (§ 1 Abs. 6 BauGB), die in der planerischen Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen sind.

a) Vielfalt der Planungsleitsätze

- Beispielhafte Aufzählung in § 1 Abs. 6 und § 1a BauGB („Checkliste“)

- Wohnverhältnisse und Wohnbedürfnisse - Arbeitsverhältnisse und Arbeitsplatzinteressen - Soziale, kulturelle und religionsgemeinschaftliche Belange - Ortsentwicklung, Baukultur und Denkmalpflege - Umwelt- und Hochwasserschutz - Ökonomische, land-, forst- und ressourcenwirtschaftliche Belange - Infrastruktur und Daseinsvorsorge - Belange von Flüchtlingen und Asylbegehrenden

b) Ökologische Planungsleitsätze

- Besondere Bedeutung des ökologischen Planungsziels

- Ökologische Stadtentwicklung - Allgemeine Benennung ökologischer Belange (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB)

- Tiere, Pflanzen, Flächen, Boden, Wasser, Luft, Klima - Landschaft und biologische Vielfalt - Auswirkungen auf Naturschutzgebiete - Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit

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- Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter - Vermeidung von Immissionen - Sachgerechter Umgang mit Abfällen und Abwasser - Effiziente Nutzung von (erneuerbaren) Energien, - Umwelt- und Katastrophenschutz

- Konkretisierung von vier ökologischen Bereichen (§ 1a BauGB)

(1) Bodenschutzklausel

§ 1a Abs. 2 BauGB (2) Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei sind zur Verrin-gerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nach-verdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke ge-nutzte Flächen sollen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden. Die Grundsätze nach den Sätzen 1 und 2 sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu de-nen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmög-lichkeiten zählen können.

- Ziel

- Sparsamer Umgang mit Grund und Boden - Anknüpfung

- Planungsziel des Vorrangs der Innenentwicklung (§ 1 Abs. 5 S. 3 BauGB) - Umsetzung

- Nachverdichtung

- Vermeidung und Reduzierung der Bodenversiegelung

- Vermeidung der Umnutzung von Wald und von landwirtschaftlichen Flächen

(2) Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung

§ 1a Abs. 3 BauGB (3) Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Land-schaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Ab-satz 6 Nummer 7 Buchstabe a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesna-turschutzgesetz) sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Der Ausgleich er-folgt durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfol-gen. Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestell-ten Flächen getroffen werden. § 15 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes gilt entsprechend. Ein

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Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung er-folgt sind oder zulässig waren.

- Ziel: Vermeidung und Ausgleich für planerische Beeinträchtigungen des Naturschut-zes - Umsetzung

- Stufe 1: Vermeidung von Eingriffen

- Stufe 2: Ausgleich von Eingriffen (drei Möglichkeiten)

- Planerischer Ausgleich

- Darstellung der Ausgleichsflächen im Flächennutzungsplan (§ 5 Abs. 2 Nr. 5, 7, 9, 10 BauGB)

- Festsetzung von Ausgleichsflächen im Bebauungsplan (§ 9 Abs. 1 Nr. 15, 16, 18, 20, 25 BauGB) (§ 1a Abs. 3 S. 2, § 200a S. 1 BauGB)

- Vertraglicher Ausgleich

- Ausgleich durch städtebaulichen Vertrag (§ 1a Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB)

- Sonstige geeignete Ausgleichsmaßnahmen

- Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flä-chen (§ 1a Abs. 3 S. 4 BauGB).

- Öko-Konten

- Möglichkeiten der räumlichen und zeitlichen Entkopplung von Eingriff und Ausgleich

§ 1a Abs. 3 S. 3 BauGB Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raum-ordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Dar-stellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen.

- Möglichkeiten der Bildung von Ausgleichsflächen „auf Vorrat“

(3) Habitatklausel

§ 1a Abs. 4 BauGB (4) Soweit ein Gebiet im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b in seinen für die Erhal-tungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchfüh-

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rung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

- Ziel: Schutz von Natura-2000 Gebieten

- FFH-Gebiete

- Europäische Vogelschutzgebiete - Grundsatz: Unzulässigkeit von Veränderungen und Störungen (§ 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) - Verträglichkeitsprüfung

- Gegenstand: Erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000 Gebietes (§ 34 Abs. 1 S. 1 BNatschG; Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL)

- Verfahren (BVerwGE 146, 176 Rn. 10)

- Informelle Vorprüfung

- Prüfung: Offensichtlichkeit der Beeinträchtigung

- Folge: Verträglichkeitsprüfung, wenn Beeinträchtigung nicht offen-sichtlich ausgeschlossen werden kann

- „Eigentliche“ Verträglichkeitsprüfung

- Prüfung: Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung

- Folge: Unzulässigkeit des Eingriffs bei erheblicher Beeinträchtigung (§ 34 Abs. 2 BNatSchG; Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL)

- Planungshindernis, das nicht in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) „weggebogen“ werden kann

- Ausnahmen vom Planungshindernis (§ 34 Abs. 3 und Abs. 4 BNatSchG; Art. 6 Abs. 4 FFH-RL)

- (Gesteigerte) öffentliche Interessen

- Fehlende Planungsalternativen

(4) Klimaschutzklausel

§ 1a Abs. 5 BauGB (5) Den Erfordernissen des Klimaschutzes soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. Der Grundsatz nach Satz 1 ist in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berück-sichtigen.

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- Ziel: Grundlage für die Umsetzung der Energiewende in der Städtebaupolitik - Beispiel: Einsatz erneuerbarer Energien

4. Planungsabstimmung

a) Abstimmung mit der Raumordnung und der Fachplanung

- Abstimmung mit der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB) (s.o.) - Abstimmung mit der Fachplanung (§ 7 BauGB, § 38 BauGB) (s.o.)

b) Interkommunales Abstimmungsgebot

Interkommunales Abstimmungsgebot = Formelle und materielle Abstimmung der Planung einer Gemeinde mit der Planungshoheit einer Betroffenen Nachbargemeinde.

- Auswirkungen der Bauleitplanung einer Gemeinde auf Nachbargemeinden

- Nachbargemeinde = Von der Planung betroffenen Nachbargemeinde, nicht notwendigerweise identisch mit der angrenzenden Nachbargemeinde.

- Beispiele: Factory-Outlet-Center, Shoppingmalls - Verfassungsrechtlicher Hintergrund

- Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung der Nachbargemeinde (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

- Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit

- Beeinträchtigung von kommunalen Versorgungsbereichen (Daseinsvor-sorge)

- Nicht aber:

- Standortkonkurrenz zwischen Gemeinden

- Kein Schutz durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

- Wirtschaftliche Konkurrenz zwischen Unternehmen, die in verschiedenen Gemeinden angesiedelt sind

- Kein Schutz vor Wettbewerb durch die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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- Stichwort: „Wettbewerbsneutralität des Planungsrechts“ - Konfliktlösung durch interkommunale Planabstimmung

- Formelle Planabstimmung

- Materielle Planabstimmung - Formelle Planabstimmung: Behördenbeteiligung (§ 4, § 4a BauGB) - Materielle Planabstimmung

§ 2 Abs. 2 BauGB (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

- Ziel: Kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

- Planungshoheit

- Daseinsvorsorge - Prüfung

- Prüfungsschritt 1: Ist das interkommunale Abstimmungsprinzip einschlägig?

- Kriterium

- Betroffenheit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung einer Nachbargemeinde

- Alternative Konkretisierung durch die Rechtsprechung

- Alternative 1

Grundsätzlich kann sich eine benachbarte Gemeinde „unabhängig da-von, welche planerischen Absichten sie für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr set-zen.“ BVerwGE 117, 25 (31 f.)

- Alternative 2

In alternativen Formulierungen hält die Rechtsprechung das kommu-nale Abstimmungsgebot auch schon dann für einschlägig, wenn die planerischen Interessen der Nachbargemeinden „mehr als nur gering-fügig betroffen sind.“ BVerwGE 117, 25 (31 f.)

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- Prüfungsschritt 2: Hat die Gemeinde die Interessen der Nachbargemeinde an-gemessen in der Planabwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) gewürdigt?

- Frage der Abwägung der widerstreitenden Interessen der planenden Ge-meinde und der betroffenen Nachbargemeinde im Einzelfall

- Interessen der betroffenen Nachbargemeinde können durch überwiegende Interessen der planenden Gemeinde „weggewogen“ werden.

- Folge: Bedeutung der interkommunalen Planabstimmung: Erhöhung des Rechtfertigungszwangs der planenden Gemeinde

- Rechtsschutz

- Subjektiv-öffentliches Recht der betroffenen Gemeinde aus § 2 Abs. 2 BauGB

- Abstrakte Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

5. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 68–99.

a) Essentials

Planerforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB) = Grundsatz der Planrechtfertigung

Planungsverbot = Planung ist nicht erforderlich, wenn grob und offensichtlich gegen § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB verstoßen wird.

Planungsgebot = Planung ist im Ausnahmefall notwendig, wenn sich das Pla-nungsermessen aufgrund qualifizierter Interessenkonflikte zu einer Planungs-pflicht verdichtet.

Planungsansprüche = Planung erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse, sodass es keine Planungsansprüche gibt und diese auch nicht durch Vertrag be-gründet werden können (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB).

Planungsziel = Zielvorstellung, auf die die Bauleitplanung ausgerichtet ist. Das Pla-nungsziel der Bauleitplanung ist eine nachhaltige Stadtentwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB). - Planungsleitsätze = Konkretisierung der Planungsziele in Form von öffentlichen und privaten Belangen (§ 1 Abs. 6 BauGB), die in der planerischen Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen sind.

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Interkommunales Abstimmungsgebot = Formelle und materielle Abstimmung der Planung einer Gemeinde mit der Planungshoheit einer Betroffenen Nachbargemeinde.

b) FAQ

1. Wo ist der Grundsatz der Planerforderlichkeit geregelt? 2. Was besagt der Grundsatz der Planerforderlichkeit? 3. Welche drei Dimensionen hat der Grundsatz der Planerforderlichkeit? 4. In welchen Fallgruppen kann sich aus dem Grundsatz der Planerforderlichkeit ein Planungsverbot ergeben? 5. Wann ergibt sich ein Planungsgebot? 6. Können Planungsansprüche durch Vertrag begründet werden? 7. Wo sind die Planungsziele für die Bauleitplanung regelt? 8. Was ist das allgemeine Planungsziel der Bauleitplanung? 9. Was bedeutet Nachhaltigkeit nach Maßgabe des § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB? 10. Was versteht man unter einer sozialgerechten Bodennutzung? 11. Was ist das Ziel des Vorrangs der Innenentwicklung? 12. Was versteht man unter Baukultur? 13. Welche Funktion haben Planungsleitsätze? 14. Wo sind die Planungsleitsätze für die Bauleitplanung regelt? 15. Wo sind die ökologischen Planungsleitsätze geregelt? 16. Was besagt die Bodenschutzklausel? 17. Was besagt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung? 18. Was ist ein Öko-Konto? 19. Was besagt die Habitatklausel? 20. Was besagt die Klimaschutzklausel? 21. Wo ist das interkommunale Abstimmungsgebot geregelt?

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22. Was ist der Zweck des interkommunalen Abstimmungsgebots? 23. Welche Beispielsfälle für das interkommunale Abstimmungsgebot kennen Sie? 24. Wie wird das interkommunale Abstimmungsgebot geprüft?

III. Planungsverfahren

Übersicht

- Aufstellungsbeschluss - Abwägungsmaterial - Partizipation - Planbeschluss - Inkraftsetzung - Monitoring

- Regelung

- BauGB

- vor allem: § 1-§ 13b, §§ 203 f. und § 214-§ 216 BauGB

- ergänzend: GO - Verfahrensdurchführung

- Verfahrensverantwortung: Gemeinde

§ 2 Abs. 1 S. 1 BauGB Aufstellung der Bauleitpläne (1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen.

- Einschaltung dritter Personen (§ 4b BauGB)

§ 4b BauGB Einschaltung eines Dritten Die Gemeinde kann insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vor-bereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den §§ 2a bis 4a einem Dritten übertragen. Sie kann einem Dritten auch die Durchführung einer Mediation oder eines an-deren Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung übertragen.

1. Aufstellungsbeschluss

Aufstellungsbeschluss = Einleitung des Bauleitplanverfahrens durch Beschluss des Gemeinderats

§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

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- Zweck Anstoßfunktion = Motivierung der Bürgerinnen und Bürger, sich über das Planungs-verfahren zu informieren und sich an ihm zu beteiligen. - Inhalt

- Planungsabsicht für ein bestimmtes Gebiet

- Gebietsbeschreibung mit ortsüblicher Bezeichnung

- Beispiel: „Pilgerpfad“, „Monzenberg“

- Keine nähere Konkretisierung des Planungsinhalts erforderlich - Bekanntmachung

- Orientierung: Größe der Gemeinde

- Kleine Gemeinden: Aushang am Gemeindebrett

- Große Gemeinden: Tageszeitung, Internet - Rechtsverstöße

- Mögliche Rechtsverstöße

- Kein Aufstellungsbeschluss

- Keine Bekanntgabe des Aufstellungsbeschlusses

- Mitwirkung befangene Ratsmitglieder

- Rechtsfolge: Keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Bauleitplans

2. Abwägungsmaterial

Übersicht

- Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials - Umweltprüfung - Entwurf und Entwurfsbegründung

a) Ermittlung und Bewertung

§ 2 Abs. 3 BauGB (3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

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Abwägungsmaterial = Alle Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Le-galdefinition)

- Konkretisierung

- Weite Bestimmung des Begriffs des Abwägungsmaterials

- Grund

- Konfliktlösung als Funktion der Interessenabwägung in der Bauleit-planung

Ermittlung des Abwägungsmaterials = Faktische Feststellung und systematische Erfas-sung aller für die Abwägung relevanten Belange Bewertung des Abwägungsmaterials = Feststellung der normativen Relevanz des Ab-wägungsmaterials

- Prüfungsschritt 1: Feststellung des schützenswerten Abwägungsmaterials

- Aussortierung von Belangen,

die nur geringfügig betroffen sind,

die Bemakelte sind und

die keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen können.

- Prüfungsschritt 2: Feststellung der Betroffenheit des Abwägungsmaterials

- Bedeutung des Belangs

- Schwere der Beeinträchtigung des Belangs

b) Umweltprüfung und Umweltbericht

§ 2 Abs. 4 BauGB (4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprü-fung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzu-wenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessener Weise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Um-weltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanver-fahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Land-schaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsauf-nahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

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§ 2a BauGB Die Gemeinde hat im Aufstellungsverfahren dem Entwurf des Bauleitplans eine Begründung beizufügen. In ihr sind entsprechend dem Stand des Verfahrens

1. die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bauleitplans und 2. in dem Umweltbericht nach der Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch die auf Grund der Umweltprü-fung nach § 2 Absatz 4 ermittelten und bewerteten Belange des Umweltschutzes

darzulegen. Der Umweltbericht bildet einen gesonderten Teil der Begründung. BauGB-Anlage 1 Umweltprüfung = Besondere Ermittlung der Umweltbelange in der Bauleitplanung Umweltbericht = Besonderer Teil der Begründung des Bauleitplans - Zweck

- Besonderer verfahrensrechtlicher Schutz von Umweltbelangen in der Bauleit-planung

- Ermittlungsumfang und Ermittlungstiefe

Scoping = Besondere Festlegung von Ermittlungsumfangs und der Ermittlungstie-fe der Umweltbelange durch die Gemeinde (§ 2 Abs. 4 S. 2 BauGB)

- Methoden

- Gegenwärtiger Wissensstand und allgemein anerkannte Prüfungsmethoden (§ 2 Abs. 4 S. 3 BauGB).

- Gestaltung

- BauGB-Anlage 1 - Status

- Umweltbericht = Gesonderter Teil des Bauleitplans

- Flächennutzungsplan (§ 5 Abs. 5 BauGB)

- Bebauungsplan (§ 9 Abs. 8 BauGB)

c) Entwurf und Entwurfsbegründung

- Erstellung eines Planentwurfs und einer Planbegründung - Grundlage

- Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials

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- Umweltbericht

3. Partizipation

Übersicht - Öffentlichkeitsbeteiligung

- Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung - Förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung

- Behördenbeteiligung - Frühzeitige Behördenbeteiligung - Förmliche Behördebeteiligung

- Zwecke

- Informationsfunktion

- Interessenwahrungsfunktion

- Grundrechtsschutzfunktion

- Rechtsstaatsfunktion

- Demokratiefunktion

a) Öffentlichkeitsbeteiligung

Übersicht

- Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung - Förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung

(1) Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung

§ 3 Abs. 1 BauGB (1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Ge-biets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu un-terrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendli-che sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. Von der Unterrichtung und Erörterung kann abgesehen werden, wenn

1. ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt oder 2. die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt sind.

An die Unterrichtung und Erörterung schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Erörterung zu einer Änderung der Planung führt.

- Zweck

- Insbesondere Informationsfunktion

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- Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) - Inhalt

- Darstellung und Diskussion

- Planungszwecke - Planungsziele - Planungsauswirkungen - Planungsalternativen

- Zeitpunkt

- Bestimmung im Einzelfall

- Kriterien

- Hinreichende Konkretisierung der Planung

- Erfüllung der Beteiligungszwecke

- Hinreichende Offenheit der Planung

- Beteiligung ≠ schlichte Formalie, „Farce“, „Window Dressing“ - Durchführung

- Organisationsermessen der Gemeinde

- Ort und Tageszeit

- Partizipationsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger

- Berücksichtigung von Arbeitszeiten

- Diskussionsmöglichkeit - Folgen

- Planänderung nach frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung

- Keine Wiederholung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung

(2) Förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung

§ 3 Abs. 2 BauGB (2) Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Ge-meinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grun-

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des für die Dauer einer angemessenen längeren Frist öffentlich auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und dass nicht frist-gerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksich-tigt bleiben können. Die nach § 4 Absatz 2 Beteiligten sollen von der Auslegung benachrichtigt werden. Die fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen sind zu prüfen; das Ergebnis ist mitzuteilen. Haben mehr als 50 Personen Stellungnahmen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt abgegeben, kann die Mitteilung dadurch ersetzt werden, dass diesen Personen die Einsicht in das Ergebnis er-möglicht wird; die Stelle, bei der das Ergebnis der Prüfung während der Dienststunden eingesehen werden kann, ist ortsüblich bekannt zu machen. Bei der Vorlage der Bauleitpläne nach § 6 oder § 10 Abs. 2 sind die nicht berücksichtigten Stellungnahmen mit einer Stellungnahme der Gemein-de beizufügen.

- Zweck

- Anregungsverfahren

- Stellungnahme zum Planentwurf einschließlich des Umweltberichts - Auslegungsbeschluss

- Beschluss des Gemeinderats, den Planentwurf auszulegen

- Rechtlich nicht vorgesehen

- In der Praxis üblich - Öffentliche Bekanntmachung der Planauslegung

- Zweck: Anstoßfunktion

- Inhalt

- Auslegungsort - Auslegungsdauer - Umweltbezogene Informationen - Präklusionsmöglichkeit

§ 4a Abs. 6 BauGB (6) Stellungnahmen, die im Verfahren der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nicht rechtzeitig abgegeben worden sind, können bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben, sofern die Gemeinde deren Inhalt nicht kannte und nicht hätte kennen müssen und deren Inhalt für die Rechtmäßigkeit des Bauleit-plans nicht von Bedeutung ist. Satz 1 gilt für in der Öffentlichkeitsbeteiligung abge-gebene Stellungnahmen nur, wenn darauf in der Bekanntmachung nach § 3 Absatz 2 Satz 2 zur Öffentlichkeitsbeteiligung hingewiesen worden ist.

- Öffentliche Auslegung

- Auslegungsgegenstand

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- Bauleitplanentwurf - Planbegründung einschließlich des Umweltberichts - Wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen

- Auslegungsdauer

- Ein Monat - Mindestens 30 Tage

- Ablauffrist (§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB) (GemSenOGB NJW 1972, 2035 f.)

- Auslegungsmodaliltäten

- Organisationsermessen der Gemeinde

- Zeit

- Berücksichtigung der Arbeitszeiten der Bürgerinnen und Bürger

- Jedenfalls erfüllt bei Einsichtnahmemöglichkeit im Rahmen der all-gemeinen Öffnungszeiten der Verwaltung für den Publikumsverkehr

- Ort

Auslegungsgegenstände müssen „vollständig, sichtbar, griffbereit und als zusammengehörig erkennbar in dem vorgesehenen Raum zur Ver-fügung stehen.“ (VGH BW BauR 1974, 40 f.)

- Stellungnahmen

- Schriftform

- Anonymität (str., ablehnend BVerwG NVwZ-RR 2016, 3 Tz. 9)

- Prüfung der Stellungnahmen

- Möglichkeit der Präklusion verfristeter Stellungnahmen

§ 4a Abs. 6 S. 1 BauGB (6) Stellungnahmen, die im Verfahren der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nicht rechtzeitig abgegeben worden sind, können bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben, sofern die Gemeinde deren Inhalt nicht kannte und nicht hätte kennen müssen und deren Inhalt für die Rechtmäßigkeit des Bauleit-plans nicht von Bedeutung ist.

- Präklusionsfrist ≠ Ausschlussfrist

- Prüfungsermessen für verfristete Stellungnahmen

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- Kriterien: Zweck der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung

- Folgen

- Planänderung nach förmlicher Öffentlichkeitsbeteiligung

- Wiederholung der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung

b) Behördenbeteiligung

Übersicht

- Frühzeitige Behördenbeteiligung - Förmliche Behördenbeteiligung

(1) Frühzeitige Behördenbeteiligung

§ 4 Abs. 1 BauGB (1) Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, sind entsprechend § 3 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufzufordern. Hieran schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Äußerung zu einer Änderung der Planung führt.

Behörde = Behörde, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG).

- Landes- und Bundesbehörden für Raumordnung und Landesplanung - Denkmal- und Umweltschutz - Straßenverwaltung oder Wasserwirtschaft - Kirchen - Industrie- und Handelskammern - Handwerks- und Landwirtschaftskammern

- vor allem auch: Nachbargemeinden

- Interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 S. 1 BauGB)

Träger öffentlicher Belange = Stellen und Einrichtungen, denen die Erfüllung öffentli-cher Aufgaben durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen wurde, ohne Verwaltungsbehörde zu sein.

- Deutsche Bahn AG (Art. 87e Abs. 3 S. 2 Abs. 4 GG) - Deutsche Post AG (Art. 87f Abs. 1 GG)

- Nicht aber: Anerkannte Naturschutzverbände

- Beteiligung nach § 3 BauGB, nicht nach § 4 BauGB

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- Verfahren der frühzeitigen Behördenbeteiligung

- Parallel zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 1 BauGB)

(2) Förmliche Behördenbeteiligung

§ 4 Abs. 1 BauGB (2) Die Gemeinde holt die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belan-ge, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, zum Planentwurf und der Be-gründung ein. Sie haben ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben, wobei jedoch die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen 30 Tage nicht unterschreiten darf; die Gemeinde soll diese Frist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes angemessen verlängern. In den Stellungnahmen sollen sich die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange auf ihren Aufgabenbereich be-schränken; sie haben auch Aufschluss über von ihnen beabsichtigte oder bereits eingeleitete Pla-nungen und sonstige Maßnahmen sowie deren zeitliche Abwicklung zu geben, die für die städte-bauliche Entwicklung und Ordnung des Gebiets bedeutsam sein können. Verfügen sie über Infor-mationen, die für die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials zweckdienlich sind, ha-ben sie diese Informationen der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.

- Verfahren der förmlichen Behördenbeteiligung

- Parallel zur förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 2 BauGB)

4. Planbeschluss

- Planbeschluss durch den Gemeinderat

Flächennutzungsplan = Schlichter Gemeindebeschluss

Bebauungsplan = Beschluss als Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB)

§ 10 Abs. 1 BauGB Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans (1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.

- Planbeschluss = Abwägungszeitpunkt (§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB)

§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB (3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend.

- Rechtmäßigkeit

- Landesrecht

- GO

- Beispiel: Mitwirkung befangener Gemeinderatsmitglieder

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5. Inkraftsetzung

- Inkraftsetzung

- Ausfertigung

- Genehmigung

- Verkündung und Inkrafttreten

- Veröffentlichung - Ausfertigung

- Landesrecht (Art. 26 Abs. 2 GO)

Art. 26 Abs. 2 GO (2) Satzungen sind auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekanntzuma-chen; das Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft gilt als Amtsblatt der Gemeinde, wenn die Gemeinde, die einer Verwaltungsgemeinschaft angehört, kein eigenes Amtsblatt unter-hält. Hat die Gemeinde kein Amtsblatt im Sinn des Satzes 1, so sind die Satzungen im Amtsblatt des Landkreises oder des Landratsamts, sonst in anderen regelmäßig erscheinen-den Druckwerken amtlich bekanntzumachen; die amtliche Bekanntmachung kann auch dadurch bewirkt werden, daß die Satzung in der Verwaltung der Gemeinde niedergelegt und die Niederlegung durch Anschlag an den für öffentliche Bekanntmachungen allgemein bestimmten Stellen (Gemeindetafeln) oder durch Mitteilung in einer Tageszeitung bekannt-gegeben wird.

- Funktion

- Authentizitätsfunktion

- Legalitätsfunktion

- Art und Weise

- Ausfertigung durch den Bürgermeister mittels Unterschrift, Datum und Gemeindesiegel auf Originalplan

- Genehmigung

- Genehmigungsbehörde

- Höhere Verwaltungsbehörde

- Genehmigungsbedürftige Pläne

- Flächennutzungspläne (§ 6 Abs. 1 BauGB)

§ 6 Abs. 1 BauGB

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(1) Der Flächennutzungsplan bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbe-hörde.

- Bebauungspläne, die nicht aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden sind (§ 10 Abs. 2 BauGB)

§ 10 Abs. 2 S. 1 BauGB (2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedür-fen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.

- Genehmigungsfreie Pläne

- Bebauungspläne, die aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden sind

- Verkündung und Inkrafttreten

- Flächennutzungsplan

- Bekanntmachung der Genehmigung (§ 6 Abs. 5 S. 1 BauGB)

- Bereithaltung des Flächennutzungsplans zur Einsicht (§ 6 Abs. 5 S. 2 BauGB)

§ 6 Abs. 5 BauGB (5) Die Erteilung der Genehmigung ist ortsüblich bekannt zu machen. Mit der Be-kanntmachung wird der Flächennutzungsplan wirksam. Jedermann kann den Flä-chennutzungsplan, die Begründung und die zusammenfassende Erklärung nach § 6a Absatz 1 einsehen und über deren Inhalt Auskunft verlangen.

- Bebauungsplan

- Genehmigungsbedürftiger Bebauungsplan

- Bekanntmachung der Genehmigung (§ 10 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BauGB)

- Genehmigungsfreier Bebauungsplan

- Bekanntmachung des Planungsbeschlusses (§ 10 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 BauGB)

- Bereithaltung des Bebauungsplans zur Einsicht (§ 10 Abs. 3 S. 2 BauGB)

§ 10 Abs. 3 BauGB (3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforder-lich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich be-kannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammen-fassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist da-rauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Be-

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kanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.

- Internetpublikation

- Flächennutzungspläne (§ 6a Abs. 2 BauGB)

- Bebauungspläne (§ 10a Abs. 2 BauGB)

6. Monitoring

§ 4c BauGB Die Gemeinden überwachen die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchfüh-rung der Bauleitpläne eintreten, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen; Gegenstand der Überwachung ist auch die Durchführung von Darstellungen oder Festsetzungen nach § 1a Absatz 3 Satz 2 und von Maßnahmen nach § 1a Absatz 3 Satz 4. Sie nutzen dabei die im Umweltbericht nach Nummer 3 Buchstabe b der Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch angegebenen Überwachungsmaßnahmen und die Informationen der Behörden nach § 4 Absatz 3.

Monitoring = Überprüfung der Umweltauswirkungen nach Inkrafttreten des Bauleit-plans - Ausgestaltung des Monitorings

- Organisationsermessen der Gemeinde

- Zeitpunkt

- Indikatoren

- Organisation

- Ergebnisveröffentlichung - Abhilfepflicht

- folgt aus § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB, nicht aus § 4c BauGB

7. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 100-141.

a) Essentials

- Aufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB)

Aufstellungsbeschluss = Einleitung des Bauleitplanverfahrens durch Beschluss des Gemeinderats (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB)

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- Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB)

Abwägungsmaterial = Alle Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Legaldefinition)

Ermittlung des Abwägungsmaterials = Faktische Feststellung und systematische Erfassung aller für die Abwägung relevanten Belange

Bewertung des Abwägungsmaterials = Feststellung der normativen Relevanz des Abwägungsmaterials

- Umweltprüfung und Umweltbericht (§ 2 Abs. 4, § 2 BauGB, BauGB-Anlage 1)

Umweltprüfung = Besondere Ermittlung der Umweltbelange in der Bauleitpla-nung

Scoping = Besondere Festlegung des Ermittlungsumfangs und der Ermitt-lungstiefe der Umweltbelange durch die Gemeinde (§ 2 Abs. 4 S. 2 BauGB)

Umweltbericht = Besonderer Teil der Begründung des Bauleitplans

- Partizipation (§ 3, § 4, § 4a BauGB)

Öffentlichkeitsbeteiligung = Frühzeitige + förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3, § 4a BauGB)

Behördenbeteiligung = frühzeitige + förmliche Behörden Beteiligung (§ 4, § 4a BauGB)

Behörde = Behörde, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt

Träger öffentlicher Belange = Stellen und Einrichtungen, denen die Erfül-lung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes übertragen wurde, ohne Verwaltungsbehörde zu sein.

- Planbeschluss

Flächennutzungsplan = Schlichter Gemeindebeschluss

Bebauungsplan = Beschluss als Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB)

- Planbeschluss = Abwägungszeitpunkt (§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB) - Inkraftsetzung

Inkraftsetzung = Ausfertigung + Genehmigung + Verkündung

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Genehmigungsbedürftige Pläne = Flächennutzungspläne (§ 6 Abs. 1 BauGB) und Bebauungspläne, die nicht aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden sind (§ 10 Abs. 2 BauGB)

- Monitoring

Monitoring = Überprüfung der Umweltauswirkungen nach Inkrafttreten des Bau-leitplans (§ 4c BauGB)

b) FAQ

1. Welche Phasen des Bauleitplanverfahrens kennen Sie? 2. Wo ist das Bauleitplanverfahren geregelt? 3. Wer ist für die Durchführung des Bauleitplanverfahrens verantwortlich? 4. Können private Dritte in das Bauleitplanverfahren einbezogen werden? 5. Was ist die Funktion des Aufstellungsbeschlusses? 6. Welche Rechtsfolgen hat ein fehlerhafter Aufstellungsbeschluss? 7. Wo ist die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials geregelt? 8. Wie ist der Begriff des Abwägungsmaterials definiert? 9. Was versteht man unter der Ermittlung des Abwägungsmaterials? 10. Was versteht man unter der Bewertung des Abwägungsmaterials? 11. Wo sind die Umweltprüfung und der Umweltbericht geregelt? 12. Was ist die Umweltprüfung? 13. Welche Aufgabe hat der Umweltbericht? 14. Was versteht man unter Scoping? 15. Welche beiden Formen der Partizipation im Bauleitplanverfahren kennen Sie? 16. Wie sind diese beiden Beteiligungsformen strukturiert? 17. Was ist der Zweck der Partizipation im Bauleitplanverfahren? 18. Wo ist die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt? 19. Wann muss die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden?

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20. Wie ist das Organisationsermessen der Gemeinde bei der Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung strukturiert? 21. Wo ist die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt? 22. Welchen Zweck hat die Bekanntmachung der Planauslegung? 23. Warum muss auf die Präklusionsmöglichkeit hingewiesen werden? 24. Was ist Gegenstand der öffentlichen Auslegung? 25. Wie ist die Dauer der öffentlichen Auslegung? 26. Welche Anforderungen sind an eine Stellungnahme im förmlichen Beteiligungsver-fahren zu stellen? 27. Muss im Fall der Planänderung nach der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung die Öffentlichkeitsbeteiligung wiederholt werden? 28. Wo ist die Behördenbeteiligung geregelt? 29. Welche beiden Phasen der Behördenbeteiligung sind zu unterscheiden? 30. Wie ist der Begriff der Behörde definiert? 31. Was ist ein Träger öffentlicher Belange? 32. Wer trifft den Planbeschluss? 33. In welcher Form ergeht der Planbeschluss im Fall des Flächennutzungsplans? 34. In welcher Form ergeht der Planbeschluss im Fall des Bebauungsplans? 35. Warum ist der Planbeschluss gleichzeitig der Abwägungszeitpunkt? 36. Welche Funktion hat die Ausfertigung eines Bauleitplans? 37. Welche Bauleitpläne unterliegen der Genehmigung? 38. Wie treten Bauleitpläne in Kraft? 39. Wo ist das Monitoring geregelt? 40. Was versteht man unter dem Monitoring?

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41. Woraus ergibt sich die Abhilfepflicht für den Fall, dass das Monitoring zu dem Er-gebnis kommt, dass ein in Kraft getretener Bauleitplan erhebliche Umweltauswirkungen hat?

IV. Planabwägung

Übersicht

- Begriff - Funktion - Regelung - Dogmatik - Gewichtung - Grundsätze - Zeitpunkt

1. Begriff

Abwägung = Multidimensionaler Interessenausgleich in einem bestimmten Planungs-gebiet

2. Funktion

Zweck = Lösung städtebaulicher Interessenkonflikte, um eine nachhaltige Stadtent-wicklung zu gewährleisten (§ 1 Abs. 5 BauGB)

3. Regelung

§ 1 Abs. 7 BauGB (7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Belange = Alle öffentlichen und privaten Interessen (§ 1 Abs. 6 BauGB)

- Grundsatz

- Weites Verständnis vor dem Hintergrund des Zwecks der Abwägung.

- Ausnahme

- Geringfügig betroffene Belange

- Bemakelte Belange

- Belange, für die kein Vertrauensschutz besteht

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- Aussortierung bereits im Rahmen der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB)

Abwägung gegeneinander = Gegenseitige Gewichtung der Belange unter den konkre-ten Gegebenheiten Abwägung untereinander = Gegenseitige Gewichtung der Belange mit Blick auf die in ihnen verkörperten Verfassungswerte Gerechte Abwägung = Sachgerechte Abwägung i.S. einer „adäquaten Komplexität des konsistenten Entscheidens“ (Luhmann Das Recht der Gesellschaft, 1995, S. 225)

Eine Abwägungsentscheidung ist dann konsistent und damit zugleich verhältnis-mäßig, wenn jeder betroffene öffentliche und private Belang am Maßstab der Pla-nungsziele nur soweit eingeschränkt wird, wie dies bei möglichst weitgehender Wahrung der übrigen Interessen angemessen ist. Es kommt also darauf an, „ob sachgerechte, d. h. an den Planungsleitsätzen orientierte und hinreichend gewich-tige Gründe es rechtfertigen, den einen Belang hinter den anderen zurücktreten zu lassen.“ (BVerwGE 47, 144 [148])

4. Dogmatik

Überblick

- Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung - Abwägung als verfahrensrechtliches Institut? - Abwägungsprüfung

a) Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung

Rechtsprechung

- BVerwGE 34, 301 (304 ff.) – Abwägungs-Urteil vom 12.12.1969

- BVerwGE 45, 309 (312 ff.) – Flachglas-Urteil vom 05.07.1974 Abwägungsdogmatik = Entwicklung in vier Schritten

1. Schritt: Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers

- Regelung der Anforderungen an das Abwägungsergebnis

- Regelung der Anforderungen an das Abwägungsverfahren

2. Schritt: Abwägungsvorgang und Abwägungsentscheidung

- Wortlautauslegung des § 1 Abs. 7 BauGB

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→ nur Abwägungsvorgang

- Systematische Auslegung des § 1 Abs. 7 BauGB

→ auch Abwägungsergebnis i.S. „eines bestimmten Abgewo-genseins“ (BVerwGE 45, 309 [315])

3. Schritt: Anforderungen an die materiell-rechtliche Abwägungsentscheidung in vier Fallgruppen

BVerwG: Das Abwägungsgebot verlangt, dass

1. eine Abwägung überhaupt stattfindet,

2. in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss,

3. die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt wird und

4. ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen diesen Belangen ge-funden wird.

Rechtsprechung „Das Abwägungsgebot verlangt, daß – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ver-kannt noch [– viertens –] der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vor-genommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“ (BVerwGE 56, 110 [122 f.])

4. Schritt: Abgrenzung der materiell-rechtlichen Abwägungsentscheidung von der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials

- Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, die „allem Abwägen vo-rausgesetzt ist.“

- Die Ermittlung des Abwägungsmaterials umfasst

- „erstens die abstraktbegriffliche (tatbestandliche) Abgrenzung der Gesichtspunkte, die abwägungserheblich sind, und

- zweitens die Entscheidung darüber, welche konkret vorliegenden Umstände unter diese Begriffe subsumiert werden können.“ (BVerw-GE 45, 309 [322])

b) Abwägung als verfahrensrechtliches Institut?

- Reform der Abwägungsregelungen durch das EAG Bau 2004

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§ 2 Abs. 3 BauGB (3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

- Zwei Fragen

1. Frage: Verändert § 2 Abs. 3 BauGB die rechtliche Konzeption der Abwägung im BauGB?

2. Frage: Wird durch die Einführung des § 2 Abs. 3 BauGB aus der Abwägung, die bisher als eine materiell-rechtliche Entscheidung verstanden wurde, nun ein verfahrensrechtliches Institut?

- Antwort

Es kommt darauf an, ob man § 2 Abs. 3 BauGB

weit auslegt (Auffassung 1) oder

eng auslegt (Auffassung 2) 1. Auffassung: Weite Auslegung des § 2 Abs. 3 BauGB

- Inhalt: § 2 Abs. 3 BauGB ist weit auszulegen und regelt die Abwägung

- Folge: Neues, verfahrensrechtliches Verständnis der Abwägung

- Kontur: Drei Verfahrensschritte des § 2 Abs. 3 BauGB

1. Verfahrensschritt: Es muss überhaupt eine Abwägung der pla-nungs-betroffenen Belange stattfinden.

2. Verfahrensschritt: Es sind die planbetroffenen Belange zu ermit-teln.

3. Verfahrensschritt: Es sind die planbetroffenen Belange zu bewer-ten und damit für sich und im Verhältnis zueinander zu gewichten.

- Verfahrensfolge

→ Einhaltung der Verfahrensanforderungen

→ Vermutung für die Rechtmäßigkeit des materiellen Abwä-gungsergebnisses.

- Argumente für weite Auslegung des § 2 Abs. 3 BauGB

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- Verfahrensgrundnorm: § 2 Abs. 3 BauGB = „Verfahrensgrundnorm“ (BT-Drs. 15/2250 S. 42)

- Aufwertung des Verfahrensrechts

- Systematisches Argument I: § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB

Mängel i. S. d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 BauGB ≠ „Mängel in der Abwägung“

§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB (1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetz-buchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Sat-zungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

Nr. 1 entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;

- Systematisches Argument II: § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB („im Übri-gen“)

Materiell-rechtliches Abwägungsverständnis maximal noch eine Resi-dual-Kategorie sein soll.

§ 214 Abs. 3 S. 2 BauGB Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

2. Auffassung: Enge Auslegung des § 2 Abs. 3 BauGB

- Inhalt: § 2 Abs. 3 BauGB ist eng auszulegen = Verfahrensrechtliche Vorausset-zung der materiell-rechtlichen Abwägungsentscheidung

- Folge: Abwägung bleibt eine materiell-rechtliche Entscheidung

- Kontur: § 2 Abs. 3 BauGB

= Regelung der Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungs-materials

= Verfahrensrechtliche Voraussetzung der materiell-rechtlichen Ab-wägungsentscheidung

= „Vierter Schritt“ der überkommenen Abwägungsdogmatik

- Argumente für enge Auslegung des § 2 Abs. 3 BauGB

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- Wille des Gesetzgebers

Umsetzung der Abwägungsdogmatik des BVerwG

- Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung

- Voraussetzung der Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungsmaterials

- Ausgestaltung des Verfahrensrechts

§ 2 Abs. 3 BauGB = Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Ab-wägung als materiell-rechtliche Entscheidung

- „Verfahrensgrundnorm“

- Systematisches Argument I

Regelung der Abwägung = § 1 Abs. 7 BauGB ≠ § 2 Abs. 3 BauGB

- Systematisches Argument II

§ 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB („Angstklausel“) = Fehler im Abwä-gungsvorgang möglich, die sich im Abwägungsergebnis niederschla-gen

- Systematisches Argument III

§ 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB („im Übrigen“) ≠ Residualkategorie (quantitative Abgrenzung) = qualitative Abgrenzung.

3. Streitentscheid: Enge Auslegung des § 2 Abs. 3 BauGB Rechtsprechung (BVerwGE 131, 100 [105 ff.] 145, 231 Rn. 9)

- EAG Bau 2004 = Umsetzung der Abwägungsdogmatik des BVerwG

§ 2 Abs. 3 BauGB = Regelung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung

Abwägung = materiell-rechtliche Entscheidung

c) Abwägungsprüfung

Klausuraufbau

- Formelle Rechtmäßigkeit eines Bauleitplans

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→ Prüfung des eng auszulegenden § 2 Abs. 3 BauGB

- Materielle Rechtmäßigkeit eines Bauleitplans

→ Prüfung des § 1 Abs. 7 BauGB

- Abwägungsdogmatik des BVerwG vor dem EAG Bau 2004

Eine Abwägung ist materiell rechtmäßig, wenn

1. sie überhaupt stattfindet,

2. alle – nach § 2 Abs. 3 BauGB ermittelten und positiv bewer-teten – Belange eingestellt wurden,

3. die Bedeutung der eingestellten Belange nicht verkannt und

4. ein angemessener Ausgleich zwischen diesen Interessen her-gestellt wurde.

4. Gewichtung

Grundsatz = Gleichwertigkeit aller öffentlichen und privaten Belange Optimierungsgebote = Normativer Vorrang bestimmter Abwägungsbelange

- Möglichkeit der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber

- Wandel zu Abwägungsdirektiven - Verfahrensprivilegierung

- Umweltprüfung und Umweltbericht (§ 2 Abs. 4, § 2a BauGB, BauGB-Anlage 1) - Perspektive

- Entwicklung einer umfassenden Nachhaltigkeitsprüfung

5. Grundsätze

Abwägungsgrundsätze = Konkretisierungen des Abwägungsprinzips = Normative Teilaussagen zum Abwägungsgebot

- Konfliktbewältigung

- Rücksichtnahme

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- Trennungsprinzip Konfliktbewältigung = Planerische Abwägung soll alle absehbaren Interessenkonflikte lösen

- Ausnahme: Grundsatz planerischer Zurückhaltung

- Konflikte können auf der Ebene des Genehmigungsverfahrens gelöst wer-den

- § 34 BauGB, § 35 BauGB, § 15 BauNVO

- Keine Pflicht zur „Totalplanung“

Rücksichtnahme = Jede Planung (und jedes Bauvorhaben) muss Rücksicht auf ihre Umgebung nehmen, um einen angemessenen Schutz von Individualinteressen in der Bauleitplanung zu gewährleisten

- Hauptanwendungsfall: Bewertung der Möglichkeiten der Verflechtung und Trennung der unterschiedlichen Gebietsnutzungen

- Fallgruppen

- Trennung unverträglicher Nutzungen - Differenzierung und Schonung - Beherrschbarkeit von Emissionen - Planerische Konfliktvorbeugung - Vorrang der Konfliktvermeidung - Berücksichtigung von Bestandsschutz - Berücksichtigung von Verbraucherinteressen

Trennungsgebot = Trennung von vornherein unvereinbarer Gebietstypen, um sicher prognostizierbare Interessenkonflikte zu vermeiden

- Beispiel: Unvereinbarkeit von Wohn- und Industriegebieten (§ 9 Abs. 1 und Abs. 3 BauNVO, § 50 S. 1 BImSchG)

- Ausnahme: Möglichkeit der Festsetzung baulicher oder sonstiger technischer Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB), um ungesunden Wohnverhältnissen vorzubeugen

- Kein Anwendungsfall: Keine Geltung des Trennungsgebots im Verhältnis von Wohngebieten und öffentlichen Verkehrsflächen.

6. Zeitpunkt

Abwägungszeitpunkt = Beschlussfassung über den Bauleitplan (§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB)

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§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB (3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend.

- Zweck

Gewährleistung der Einheitlichkeit und Konsistenz der materiell-rechtlichen Ab-wägungsentscheidung in doppelter Hinsicht:

- Gewährleistung einer effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 BauGB)

- Gewährleistung einer angemessenen gerichtlichen Plankontrolle

- Keine Berücksichtigung von Änderungen, die nach der Verabschie-dung eingetreten sind

- Planungsrealität

- Faktische und rechtliche Vorentscheidungen begleiten jedes Planungsvorhaben

- Abstimmungen - Besprechungen - Informationen - Verträge - Zusagen

- Besonders: Komplexe Planungsvorhaben

- Zwei gegenläufige Je-Desto-Formeln (BVerwGE 45, 309 [317 f.])

Je-Desto-Formel 1

Je umfangreicher und je komplizierter ein planerisches Vorhaben, des-to mehr Vorfestlegungen

Je-Desto-Formel 2

Je stärker und umfassender die Vorfestlegungen, desto mehr droht die Abwägung zu einer funktionslosen Förmlichkeit zu werden

- Regel-Ausnahme-Verhältnis (BVerwGE 45, 309 [321])

- Grundsatz: Abwägungszeitpunkt = Beschlussfassung über den Bauleitplan (§ 214 Abs. 3 S. 1 BauGB)

- Ausnahme unter drei kumulativen Voraussetzungen

1. Sachliche Rechtfertigung der zeitlichen Vorwegnahme

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2. Wahrung der planungsrechtlichen Zuständigkeit des Gemeinderats, dem Vorentscheidungen zuzurechnen sein müssen

3. Vorgezogene Entscheidung darf nicht inhaltlich zu beanstanden sein

7. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 142–166.

a) Essentials

Abwägungsbegriff = Multidimensionaler Interessenausgleich in einem bestimmten Planungsgebiet.

Zweck = Lösung städtebaulicher Interessenkonflikte, um eine nachhaltige Stadt-entwicklung zu gewährleisten (§ 1 Abs. 5 BauGB)

Abwägungsregelung = § 1 Abs. 7 BauGB

§ 1 Abs. 7 BauGB Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung (7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Belange = Weites Verständnis à Alle öffentlichen und privaten Interessen (§ 1 Abs. 6 BauGB)

Abwägung gegeneinander = Gegenseitige Gewichtung der Belange unter den konkreten Gegebenheiten

Abwägung untereinander = Gegenseitige Gewichtung der Belange mit Blick auf die in ihnen verkörperten Verfassungswerte

Gerechte Abwägung = Sachgerechte Abwägung i.S. einer „adäquaten Komplexi-tät des konsistenten Entscheidens“ (Luhmann)

Abwägungsdogmatik = Abwägung als materiell-rechtliche Entscheidung

BVerwG: Das Abwägungsgebot verlangt, dass

1. eine Abwägung überhaupt stattfindet,

2. in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss,

3. die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt wird und

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4. ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen diesen Belangen gefunden wird.

Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) = Voraussetzung der Abwägung ≠ Abwägung Streit

Klausuraufbau

- Formelle Rechtmäßigkeit eines Bauleitplans

→ Prüfung des eng auszulegenden § 2 Abs. 3 BauGB

- Materielle Rechtmäßigkeit eines Bauleitplans

→ Prüfung des § 1 Abs. 7 BauGB (Vier Fallgruppen des BVerwG [s.o.]) Abwägungsgewichtung = Gleichwertigkeit aller öffentlichen und privaten Belange Abwägungsgrundsätze = Konkretisierungen des Abwägungsprinzips = Normative Teilaussagen zum Abwägungsgebot

Konfliktbewältigung = Planerische Abwägung soll alle absehbaren Interessen-konflikte lösen

Rücksichtnahme = Jede Planung (und jedes Bauvorhaben) muss Rücksicht auf ihre Umgebung nehmen, um einen angemessenen Schutz von Individualinteressen in der Bauleitplanung zu gewährleisten

Trennungsgebot = Trennung von vornherein unvereinbarer Gebietstypen, um si-cher prognostizierbare Interessenkonflikte zu vermeiden

Abwägungszeitpunkt = Beschlussfassung über den Bauleitplan (§ 200 und 14 Abs. 3 S. 1 BauGB)

Ausnahme = Drei kumulative Voraussetzungen

1. Sachliche Rechtfertigung der zeitlichen Vorwegnahme

2. Wahrung der planungsrechtlichen Zuständigkeit des Gemeinderats, dem Vorentscheidungen zuzurechnen sein müssen

3. Vorgezogene Entscheidung darf nicht inhaltlich zu beanstanden sein

b) FAQ

1. Was versteht man unter Abwägung? 2. Was ist der Zweck der Abwägung?

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3. Wo ist die Abwägung geregelt? 4. Wie ist der Begriff der Belange i. S. d. § 1 Abs. 7 BauGB zu verstehen? 5. Was bedeutet die Abwägung von Belangen gegeneinander? 6. Was bedeutet die Abwägung von Belangen untereinander? 7. Was meint gerechte Abwägung? 8. Handelt es sich bei der Abwägung um ein materiell-rechtliches oder ein verfahrens-rechtliches Institut? 9. Welche Anforderungen sind an die materiell-rechtliche Abwägungsentscheidung zu stellen? 10. Handelt es sich bei der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) um eine Frage der Abwägung? 11. Wie wird die Abwägung im Klausuraufbau geprüft? 12. Was bedeutet der Grundsatz der Gleichwertigkeit aller öffentlichen und privaten Belange für die Abwägung? 13. Was versteht man unter einem Optimierungsgebot? 14. Warum kann man von einer Verfahrensprivilegierung von Umweltbelangen in der Abwägung sprechen? 15. Was sind Abwägungsgrundsätze? 16. Was meint der Abwägungsgrundsatz der Konfliktbewältigung? 17. Was meint der Abwägungsgrundsatz der Rücksichtnahme? 18. Was meint der Abwägungsgrundsatz des Trennungsprinzips? 19. In welchem Zeitpunkt ist die Abwägung vorzunehmen? 20. Unter welchen Voraussetzungen darf die Abwägung vorweggenommen werden?

V. Plantypen

Übersicht

- Flächennutzungsplan - Bebauungsplan

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§ 1 Abs. 2 BauGB (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebau-ungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

1. Flächennutzungsplan

a) Begriff

Flächennutzungsplan = Vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB), der die städ-tebauliche Entwicklung und Ordnung des gesamten Gemeindegebiets längerfristig steu-ern soll (§ 5 Abs. 1 S. 1 BauGB)

§ 5 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Im Flächennutzungsplan ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städ-tebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen.

- Funktionen

- Koordinationsfunktion: Abstimmung der Bauleitplanung mit der Fachplanung (§ 7 BauGB) (s.o.)

- Programmierungsfunktion: Steuerung der Bauleitplanung in der Gemeinde

- Dimensionen

- Räumliche Dimension: Gesamtes Gemeindegebiet

- Zeitliche Dimension: 10–15 Jahre

- Normative Dimension, Grundsatz: Grobmaschige, nicht parzellenscharfe Pla-nung, die durch Bebauungspläne ausgefüllt wird

è Hintergrund: Programmierungsfunktion

è Ausnahme: Ausnahmsweise Möglichkeit von detaillierten und parzel-

lenscharfen Darstellungen des Flächennutzungsplans, wenn sie für die Planung eines stimmigen, gesamträumlichen Entwicklungskonzepts notwendig sind

b) Rechtsnatur

Flächennutzungsplan hat „keinen Normcharakter“ (BVerwGE 26, 287 [290]) = keine Rechtsnorm

- Argument: § 1 Abs. 2 BauGB

- Flächennutzungsplan = Vorbereitender Bauleitplan

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- Bebauungsplan = Verbindlicher Bauleitplan

- Prozessuale Folge: Keine abstrakte Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

§ 47 VwGO (1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs, 2.von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrif-ten, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

- Mindermeinung: Differenzierung

Flächennutzungsplan ≠ Außenrechtssatz (im Verhältnis zum Bürger)

Flächennutzungsplan = Innenrechtssatz (innerhalb der Gemeinde)

- Argument: § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB

§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB (2) Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln.

- Ausnahme (BVerwGE 128, 382 Rn. 11 ff.; 146, 40 Rn. 10 ff.)

- Spezialgesetzlich angeordnete Außenwirkung

- Beispiel: § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungs-plan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

- Materiell-rechtliche Folge: Rechtsnormcharakter

- Prozessrechtliche Folge: § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO analog

c) Inhalt

Darstellungen = Inhalt des Flächennutzungsplans (§ 5 Abs. 2 BauGB)

- Begriff „Darstellungen“ = Hinweis auf den fehlenden Rechtsnormcharakter

- Argument

- Bebauungsplan = Verbindlicher Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB) = Festsetzungen (§ 9 Abs. 1 BauGB)

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- Beispielhafte Aufzählung (§ 5 Abs. 2 BauGB) = Darstellungserfindungsrecht

- Grundstücksbebauung - Bauflächen, Baugebiete und Baumaße (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BauGB)

- Gebietsstruktur - Verkehrsflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) - Grünflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauGB) - Flächen für Nutzungsbeschränkungen (§ 5 Abs. 2 Nr. 6 Alt. 1 BauGB) - Wasser- und Hochwasserschutzflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB) - Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung - Flächen für die Gewinnun von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen (§ 5 Abs. 2 Nr. 8 BauGB) - Landwirtschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 lit. a BauGB) - Wald (§ 5 Abs. 2 Nr. 9 lit. b BauGB)

- Sozialpolitik - Güter und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a BauGB)

- Infrastrukturen - Zentrale Versorgungsbereiche (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit d. BauGB) - Abfall- und Abwasserbeseitigung (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 BauGB)

- Natur- und Klimaschutz - Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, insbesondere zur (de)zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b BauGB) - Maßnahmen, die der Anpassung an den Klimawandel dienen (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c BauGB), - Flächen für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwir-kungen i. S. d. BImSchG (§ 5 Abs. 2 Nr. 6 Alt. 2 BauGB), - Flächen und Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB).

d) Flächennutzungsplan und BauNVO

- Anknüpfungspunkt: § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB

§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB (2) Im Flächennutzungsplan können insbesondere dargestellt werden:

1. die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer bauli-chen Nutzung (Bauflächen), nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Bau-gebiete) sowie nach dem allgemeinen Maß der baulichen Nutzung; Bauflächen, für die eine zentrale Abwasserbeseitigung nicht vorgesehen ist, sind zu kennzeichnen;

- Bezug: § 1 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO

§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO (1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1. Wohnbauflächen (W) 2. gemischte Bauflächen (M)

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3. gewerbliche Bauflächen (G) 4. Sonderbauflächen (S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer bau-lichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1. Kleinsiedlungsgebiete (WS) 2. reine Wohngebiete (WR) 3. allgemeine Wohngebiete (WA) 4. besondere Wohngebiete (WB) 5. Dorfgebiete (MD) 6. Mischgebiete (MI) 7. urbane Gebiete (MU) 8. Kerngebiete (MK) 9. Gewerbegebiete (GE) 10. Industriegebiete (GI) 11. Sondergebiete (SO)

2. Bebauungsplan

a) Begriff

Bebauungsplan = Verbindlicher Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB), der rechtsverbindli-chen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthält (§ 8 Abs. 1 S. 1 BauGB) und die Grundlage für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs erforderlich Maßnahmen bildet (§ 8 Abs. 1 S. 2 BauGB)

§ 8 Abs. 1 BauGB (1) Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ord-nung. Er bildet die Grundlage für weitere, zum Vollzug dieses Gesetzbuchs erforderliche Maß-nahmen.

- Funktionen

- Konkretisierungsfunktion: Konkretisierung der Vorgaben des Flächennutzungs-plans (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB)

§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB (2) Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln.

- Ausnahme: Bebauungsplan genügt, um städtebauliche Entwicklung zu steuern

§ 8 Abs. 2 S. 2 BauGB Ein Flächennutzungsplan ist nicht erforderlich, wenn der Bebauungsplan aus-reicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen.

- Festsetzungsfunktion: Rechtsverbindliche Festsetzung der städtebaulichen Nut-zung (§ 8 Abs. 1 S. 1 BauGB)

§ 8 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städte-bauliche Ordnung.

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- Dimensionen

- Räumliche Dimension: Ausschnitt des Gemeindegebiets

- Zeitliche Dimension: Dauerhafte Festsetzungen

- Normative Dimension: Parzellenscharfe Festsetzungen

b) Rechtsnatur

Bebauungsplan = Rechtsnorm (§ 1 Abs. 2, § 8 Abs. 1 S. 1 BauGB) = Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB)

§ 10 Abs. 1 BauGB (1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung. - Prozessuale Folge

Abstrakte Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

§ 47 VwGO (1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs,

c) Inhalt

Festsetzungen = Rechtsverbindliche Festlegungen des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 1 BauGB) - Abschließende Aufzählung (§ 9 Abs. 1 BauGB) = Numerus clausus der Festsetzun-gen = kein Festsetzungserfindungsrecht = Nichtigkeit der Festsetzung bei Verstoß

- Grundstücksbebauung - Art und Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) - Bauweise, (nicht) überbaubare Grundstücksflächen und Stellung der bauli-chen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) - Maße der Tiefe der Abstandsflächen, die vom Bauordnungsrecht abwei-chen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB) - Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke, Mindest- und Höchstmaße (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) - Flächen für Nebenanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB)

- Gebietsstruktur - Wohnungshöchstzahlen in Wohngebäuden (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) - Flächennutzungszwecke (§ 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB) - Freiflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB) - Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) - Wasser- und Hochwasserschutzflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB)

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- Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen (§ 9 Abs. 1 Nr. 17 BauGB) - Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18 lit. a BauGB) - Wald (§ 9 Abs. 1 Nr. 18 lit. b BauGB) - Tierhaltung (§ 9 Abs. 1 Nr. 19 BauGB)

- Sozialpolitik - Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) - Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet wer-den dürfen (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) - Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB)

- Infrastrukturen - Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB), - Versorgungsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB), - Versorgungsanlagen und -leitungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB), - Flächen für Abfall- und Abwasserbeseitigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB), - Flächen, die mit Geh-, fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allge-meinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkrei-ses zu belasten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB), - Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB) - Straßenherstellungsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 26 BauGB)

- Natur- und Klimaschutz - Flächen und Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) - Luftreinhaltegebiete (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. a BauGB) - Gebiete mit Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung erneuerbarer Energie und Kraft-Wärme-Kopplung (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. b BauGB) - Gebiete, in denen Maßnahmen zur Vermeidung von immissionsrechtlichen Störfällen getroffen werden müssen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 lit c BauGB) - Ökologische Schutzflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) - Flächen für Anpflanzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB)

d) Bebauungsplan und BauNVO

- Anknüpfungspunkt: § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB

§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 BauGB (1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung; 2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;

- Korrespondierende Regelungen von BauGB und BauNVO

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- Art der baulichen Nutzung

- § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB und § 2–§ 15 BauNVO

- Maß der baulichen Nutzung

- § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 BauGB und § 16–§ 21a BauNVO

- Bauweise

- § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fall 1 BauGB und § 22 BauNVO

- Überbaubare Grundstücksflächen

- § 9 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BauGB = § 23 BauNVO.

- Art der baulichen Nutzung

- § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB und § 2–§ 15 BauNVO)

Klausurrelevanz !!! - Systematik

- Ausgangspunkt im BauGB

- Festsetzung der Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB)

- Brückenregelung in der BauNVO

- § 1 Abs. 3 S. 1 und S. 2 BauNVO

§ 1 Abs. 3 S. 1 und 2 BauNVO (3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes be-stimmt wird.

- Gebietsregelungen in der BauNVO

- Gebietsgrundlegungen (§ 1 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 i. V. m. § 3–§ 11 BauNVO)

- Kleinsiedlungsgebiet (WS) (§ 2 BauNVO) - Reines Wohngebiet (WR) (§ 3 BauNVO) - Allgemeines Wohngebiet (WA) (§ 4 BauNVO) - Besonderes Wohngebiet (WB) (§ 4a BauNVO)

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- Dorfgebiet (MD) (§ 5 BauNVO) - Mischgebiet (MI) (§ 6 BauNVO) - Urbanes Gebiet (MU) (§ 6a BauNVO) - Kerngebiet (MK) (§ 7 BauNVO) - Gewerbegebiet (GE) (§ 8 BauNVO) - Industriegebiet (GI) (§ 9 BauNVO) - Sondergebiet (SO) (§ 10, § 11 BauNVO)

- Gebietsergänzungsregelungen (§ 12–§ 14 BauNVO)

- Stellplätze und Garagen (§ 12 BauNVO) - Gebäude und Räume für freie Berufe (§ 13 BauNVO) - Ferienwohnungen (§ 13a BauNVO) - Nebenanlagen (§ 14 BauNVO)

- Aufbau von Gebietsregelungen

- Beispiel: § 3 BauNVO (Reines Wohngebiet)

§ 3 BauNVO (1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind

1.Wohngebäude, 2.Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Ge-biets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des tägli-chen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, 2. sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewoh-ner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner die-nen.

- Struktur

§ X BauNVO (1) Abstrakte Gebietsbeschreibung (2) Zulässige Gebäude = Regelbebauung (3) Ausnahmsweise zulässige Bebauung = Ausnahmebebauung

Klausur

- Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens

- Regelbebauung

§ 30 Abs. 1 BauGB

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

§ 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 2 BauNVO (i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO)

- Ausnahmebebauung

§ 31 Abs. 1 BauGB (1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang aus-drücklich vorgesehen sind.

§ 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. BPlan i. V. m. § X Abs. 3 BauNVO (i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO)

- Typenzwang und Typenvariation

Typenzwang = Verpflichtung auf die Gebietstypen der BauNVO

- Numerus clausus der Festsetzungsformen (§ 9 Abs. 1 BauGB)

→ Typenzwang der Baugebiete (§ 1 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 BauNVO)

Typenvariation = Möglichkeit der Feinsteuerung der Baugebietstypen der BauNVO

- Anknüpfungspunkt

- § 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO: „soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas Anderes bestimmt wird“

§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas An-deres bestimmt wird.

- Möglichkeit der „Feinsteuerung“ eines Baugebiets

- Räumliche Gliederung eines Baugebiets (§ 1 Abs. 4 BauNVO) - Allgemein zulässige Nutzungen (§ 1 Abs. 5 BauNVO) - Ausnahmsweise zulässige Nutzungen (§ 1 Abs. 6 BauNVO) - Geschossweise Festsetzung (§ 1 Abs. 7 BauNVO) - Gebietsteilorientierte Festsetzung (§ 1 Abs. 8 BauNVO) - Auf bestimmte Arten baulicher oder sonstiger Anlagen be-schränkte Festsetzung (§ 1 Abs. 9 BauNVO)

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- Erweiterte Festsetzung im Fall der Überplanung von bereits überwiegend bebauten Gebieten (§ 1 Abs. 10 BauNVO)

- Beispiel: Allgemein zulässige Nutzungen (§ 1 Abs. 5 BauNVO)

§ 1 Abs. 5 BauNVO (5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzun-gen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

Gemeinde möchte ein Mischgebiet festsetzen, in dem Tankstellen nur aus-nahmsweise zulässig sind.

→ § 6 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 1 Abs. 5 BauNVO

§ 6 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO (2) Zulässig sind

7. Tankstellen

3. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 167-187.

a) Essentials

Flächennutzungsplan = Vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB), der die städ-tebauliche Entwicklung und Ordnung des gesamten Gemeindegebiets längerfristig steu-ern soll (§ 5 Abs. 1 S. 1 BauGB)

Funktionen = Koordinationsfunktion + Programmierungsfunktion

Dimensionen = Grobmaschige Planung des gesamten Gemeindegebiets für 10-15 Jahre

Rechtsqualität = Keine Rechtsnorm

Ausnahme = Spezialgesetzliche Anordnung (z. B. Konzentrationsflä-chen = § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB)

Darstellungen = Inhalt des Flächennutzungsplans (§ 5 Abs. 2 BauGB)

Flächennutzungsplan und BauNVO = § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 2 und Abs. 2 BauNVO

Bebauungsplan = Verbindlicher Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB), der rechtsverbindli-chen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthält (§ 8 Abs. 1 S. 1 BauGB) und die Grundlage für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs erforderliche Maßnahmen bildet (§ 8 Abs. 1 S. 2 BauGB)

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Funktionen = Konkretisierungsfunktion + Festsetzungsfunktion

Dimensionen = Dauerhafte, parzellenscharfe Festsetzung der städtebaulichen Ordnung für einen Ausschnitt des Gemeindegebiets

Rechtsqualität = Rechtsnorm (§ 1 Abs. 2, § 8 Abs. 1 S. 1 BauGB) = Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB)

Festsetzungen = Rechtsverbindliche Festlegungen des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 1 BauGB)

Bebauungsplan und BauNVO = § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB i. V. m. BauNVO

Art der baulichen Nutzung = § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 3 S. 1 und S. 2 BauNVO

Typenzwang = Verpflichtung auf die Gebietstypen der BauNVO (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO)

Typenvariation = Möglichkeit der Feinsteuerung der Baugebietsty-pen der BauNVO (§ 1 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 1 Abs. 4-10 BauNVO)

b) FAQ

1. Welche Typen des Bauleitplans kennen Sie? 2. Was ist der Unterschied zwischen einem Flächennutzungsplan und einem Bebau-ungsplan? 3. Was ist ein Flächennutzungsplan? 4. Welche Funktionen hat ein Flächennutzungsplan? 5. Welche räumlichen, zeitlichen und normativen Dimensionen hat ein Flächennut-zungsplan? 6. Welche Rechtsnatur hat ein Flächennutzungsplan? 7. Kann ein Flächennutzungsplan Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein? 8. Was versteht man unter den Darstellungen eines Flächennutzungsplans? 10. Wie ist das systematische Verhältnis zwischen Flächennutzungsplan und BauNVO? 11. Was ist ein Bebauungsplan? 12. Welche Funktionen hat der Bebauungsplan?

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13. Welche räumlichen, zeitlichen und normativen Dimensionen hat ein Bebauungs-plan? 14. Welche Rechtsnatur hat ein Bebauungsplan? 15. Kann ein Bebauungsplan Gegenstand eines abstrakten Normkontrollverfahren sein? 16. Was sind Festsetzungen eines Bebauungsplans? 17. Was versteht man unter dem Numerus Clausus der Festsetzungen eines Bebauungs-plans? 18. Wie ist das systematische Verhältnis zwischen Bebauungsplan und BauNVO? 19. Wie wird die Art der baulichen Nutzung in einem Bebauungsplan festgesetzt? 20. Was ist ein Baugebiet? 21. Welche Baugebiete kennen Sie? 22. Wie sind die Regelungen der Baugebiete in der BauNVO strukturell aufgebaut? 23. Wie werden die Festsetzungen eines Baugebiets bei der Prüfung der bauplanungs-rechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben relevant? 24. Was versteht man unter dem Typenzwang der Baugebiete der BauNVO? 25. Welche Möglichkeiten hat die Gemeinde die Typen der Baugebiete der BauNVO zu variieren?

VI. Planerhalt

Übersicht

- Anwendungsbereich - Planungsfehler - Fristen - Ergänzendes Verfahren

Planerhalt = Fehlerfolgenregelungen der Bauleitplanung (§ 214–§ 216 BauGB)

- Problem: Hyperkomplexes System, das dringend novelliert werden muss

- Systematik: Fünf Prüfungsschritte

1. Prüfungsschritt: Worin liegt der Fehler?

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2. Prüfungsschritt: Fällt dieser Fehler unter § 214 BauGB?

3. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler unter § 214 BauGB fällt: Ist der Fehler nach § 214 BauGB beachtlich?

4. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler nach § 214 BauGB beachtlich ist: Ist der Fehler nach § 215 BauGB beachtlich?

5. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler nach § 214 beachtlich ist und nach § 215 BauGB beachtlich bleibt: Kann der Fehler durch ein ergänzendes Ver-fahren nach § 214 Abs. 4 BauGB wieder behoben werden?

1. Anwendungsbereich

Anwendungsbereich = Rechtsverstoß gegen das BauGB

- Keine Anwendung auf

- Rechtsverstoß gegen Verfassungsrecht (GG, BV)

- Rechtsverstoß gegen Gemeindeordnung (GO)

à Analoge Anwendung der Regelung über das ergänzende Verfahren (§ 214 BauGB)

2. Planungsfehler

- Formelle Fehler (Verfahrens- und Formfehler)

- Materielle Fehler

- Abwägungsfehler

a) Formelle Fehler

- Regelung: § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB - Grundsatz: Unbeachtlichkeit von Rechtsverstößen gegen Verfahrens- und Formvor-schriften des BauGB

- Folge: Keine Nennung einer formell-rechtlichen Regelung in § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB = Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen diese Rechtsvorschrift - Beispiel: Aufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB)

→ Keine Nennung in § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB

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→ Unbeachtlichkeit eines Rechtsverstoßes gegen § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB - Ausnahme

- Beachtlichkeit eines Rechtsverstoßes gegen die in § 214 Abs. 1 BauGB genann-ten Regelungen.

- Relevante Fehler in der Ermittlung und Bewertung des Abwägungs-materials (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB) - Fehler im Rahmen der förmlichen Öffentlichkeits- und Behördenbeteili-gung (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB) - Fehler im Verhältnis von Flächennutzungs- und Bebauungsplan sowie ih-rer Entwürfe (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. S. 2 BauGB) - Fehlender Planbeschluss, fehlende Plangenehmigung sowie Verfehlung des Hinweiszweckes bei der Bekanntmachung des Flächennutzungs- und des Bebauungsplans (§ 214 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BauGB) - Verfahrens- und Formfehler im beschleunigten und vereinfachten Verfah-ren (§ 214 Abs. 2a Nr. 3 und Nr. 4 BauGB)

- Insbesondere: relevante Fehler in der Ermittlung und Bewertung des Abwä-gungsmaterials (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB)

§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB (1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn

1. entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zu-treffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist;

§ 2 Abs. 3 BauGB (3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Be-deutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

Prüfungsaufbau

1. Fehler

- Ermittlungsausfall: Ein planungsbetroffenes Interesse war erkennbar, wird aber nicht für die Abwägung aufbereitet.

- Ermittlungsdefizit: Ein planungsbetroffenes Interesse wird nur teil-weise für die Abwägung aufbereitet.

- Bewertungsausfall: Ein planungsbetroffenes Interesse wird über-haupt nicht bewertet

- Bewertungsdefizit: Ein planungsbetroffenes Interesse wird (irrtüm-lich) als geringwertig oder makelbehaftet einordnet.

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2. Offensichtlichkeit des Mangels

Offensichtlicher Mangel = Abwägungserheblicher, objektiv erkenn-barer Mangel

Nicht erfüllt bei subjektiven Vorbehalten von Gemeinderatsmit-gliedern.

3. Ergebniserheblichkeit

Ergebniserheblicher Mangel = Anderes Planungsergebnis kann ohne den Mangel nicht ausgeschlossen werden.

b) Materielle Fehler

- Regelung: § 214 Abs. 2 BauGB - Grundsatz

Beachtlichkeit von Rechtsverstößen gegen Verfahrens- und Formvorschriften des BauGB

- Ausnahme

Unbeachtlichkeit eines Rechtsverstoßes gegen die in § 214 Abs. 2 BauGB ge-nannten Regelungen, die das Verhältnis des Flächennutzungs- und Bebauungs-plans betreffen.

c) Abwägungsfehler

- Regelung: § 214 Abs. 3 BauGB

§ 214 Abs. 3 S. 2 BauGB Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Män-gel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

- Systematische Klarstellung: § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB

Verletzung des § 2 Abs. 3 BauGB ≠ Abwägungsfehler

Fehlerfolgenregelung für Verletzung § 2 Abs. 3 BauGB = § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

- Fehlerfolgenregelung für Abwägungsmängel: § 214 Abs. 3 S. 2 HS 2 BauGB

- Abwägungsmängel „spiegeln“ die Abwägungsanforderungen

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- Abwägungsanforderungen

1. Es muss überhaupt eine Abwägung stattfinden

2. Es sind alle relevanten Belange in die Abwägung einzustellen

3. Es darf die Bedeutung der relevanten Belange nicht verkannt wer-den

4. Es muss ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den relevanten Belangen hergestellt werden

- „Spiegelung“ der Abwägungsanforderungen in Abwägungsmängel

1. Abwägungsausfall = Es findet überhaupt keine Abwägung statt

2. Abwägungsdefizit = Es werden nicht alle planbetroffenen Belange in die Abwägung eingestellt

3. Abwägungsfehleinschätzung = Es wird die konkrete Bedeutung relevanter Belange in der Abwägung verkannt

4. Abwägungsdisproportionalität = Es wird eine fehlerhafte Ge-wichtung der Abwägungsbelange untereinander vorgenommen

- Abwägungsverfahrensfehler

- § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erfasst nur „Mängel im Abwägungsvor-gang“

- Mängel im Abwägungsvorgang = Abwägungsverfahrensfehler

Abwägungsverfahrensfehler = Abwägungsausfall + Abwägungsde-fizit

Prüfungsaufbau

1. Abwägung Verfahrensfehler

- Abwägungsausfall

- Abwägungsdefizit

2. Offensichtlichkeit des Mangels

Offensichtlicher Mangel = Abwägungserheblicher, objektiv erkenn-barer Mangel

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Nicht erfüllt bei subjektiven Vorbehalten von Gemeinderatsmit-gliedern.

3. Ergebniserheblichkeit

Ergebniserheblicher Mangel = Anderes Abwägungsergebnis kann ohne den Mangel nicht ausgeschlossen werden

- Abwägungsergebnisfehler

- § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erfasst nur „Mängel im Abwägungsvor-gang“, also keine Abwägungsergebnisfehler

Abwägungsergebnisfehler = Abwägungsfehleinschätzung + Abwä-gungsdisproportionalität

- Folge: Abwägungsergebnisfehler sind stets erheblich

→ (Teil-)Nichtigkeit des Plans

→ Zeitlich unbegrenzte Möglichkeit der Geltendmachung

3. Frist

- Regelung: § 215 Abs. 1 BauGB - Frist: Ein Jahr nach Inkrafttreten des Bauleitplans

§ 215 Abs. 1 BauGB (1) Unbeachtlich werden

1. eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort be-zeichneten Verfahrens- und Formvorschriften, 2. eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und 3. nach § 214 Absatz 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,

wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Fehler nach § 214 Ab-satz 2a beachtlich sind.

4. Ergänzendes Verfahren

- Regelung: § 214 Abs. 4 BauGB

§ 214 Abs. 4 BauGB (4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behe-bung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

- Anforderung

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- Wiederholung der Verfahrenshandlung, die zu einem Mangel geführt hat

- Wiederholung aller Verfahrenshandlungen, die von dem Mangel „infi-ziert“ sind

- Wahrung der Grundzüge der Planung

- Kein vollkommen neuer planerischer Ansatz

5. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 188-199.

a) Essentials

Planerhalt = Fehlerfolgenregelungen der Bauleitplanung (§ 214-§ 216 BauGB)

Fünf Prüfungsschritte

1. Prüfungsschritt: Worin liegt der Fehler?

2. Prüfungsschritt: fällt dieser Fehler unter § 214 BauGB?

3. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler unter § 214 BauGB fällt: Ist der Fehler nach § 214 BauGB beachtlich?

4. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler nach § 214 BauGB beachtlich ist: Ist der Fehler nach § 215 BauGB beachtlich?

5. Prüfungsschritt: Wenn der Fehler nach § 214 beachtlich ist und nach § 215 BauGB beachtlich bleibt: Kann der Fehler durch ein ergänzendes Ver-fahren nach § 214 Abs. 4 BauGB wieder behoben werden?

Anwendungsbereich = Rechtsverstoß gegen das BauGB

Formell-rechtliche Planungsfehler = § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB

Grundsatz = Unbeachtlichkeit des Mangels

Ausnahme = Beachtlichkeit des Mangels, wenn dieser in § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB genannt

Insbesondere: Abwägungsmaterial = § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 BauGB

Materiell-rechtliche Planungsfehler = § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB

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Grundsatz = Beachtlichkeit des Mangels

Ausnahme = Unbeachtlichkeit des Mangel, wenn dieser in § 214 Abs. 2 BauGB genannt

Abwägungsfehler = § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB

Abwägungsverfahrensfehler = Abwägungsausfall + Abwägungsdefizit = § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB

Abwägungsausfall = Es findet überhaupt keine Abwägung statt

Abwägungsdefizit = Es werden nicht alle planbetroffenen Belange in die Abwägung eingestellt

Abwägungsergebnisfehler = Abwägungsfehleinschätzung + Abwägungs-disproportionalität ≠ § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB

Abwägungsfehleinschätzung = Es wird die konkrete Bedeutung re-levanter Belange in der Abwägung verkannt

Abwägungsdisproportionalität = Es wird eine fehlerhafte Gewich-tung der Abwägungsbelange untereinander vorgenommen

Frist = § 215 Abs. 1 BauGB Ergänzendes Verfahren = § 214 Abs. 4 BauGB

b) FAQ

1. Was meint der Begriff des Planerhalts? 2. Wo ist der Planerhalt geregelt? 3. In welchen Prüfungsschritten sind die Regelungen über den Planerhalt zu prüfen? 4. Welche Regelungen fallen unter § 214 BauGB? 5. Welche Planungsfehler unterscheidet § 214 BauGB? 6. Welches Regel-Ausnahme-Verhältnis stellt § 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB für formelle Planungsfehler auf? 7. Wo und wie sind die Fehlerfolgen der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsma-terials (§ 2 Abs. 3 BauGB) geregelt? 8. Was bedeutet die Offensichtlichkeit eines Mangels i. S. d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB?

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9. Was bedeutet die Ergebniserheblichkeit eines Mangels i. S. d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB? 10. Welches Regel-Ausnahme-Verhältnis stellt § 214 Abs. 2 BauGB für materielle Pla-nungsfehler auf? 11. Wo sind die Fehlerfolgen für Abwägungsmängel geregelt? 12. Was besagt die systematische Klarstellung in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB? 13. Welche Abwägungsmängel kennen Sie? 14. Was versteht man unter einem Abwägungsausfall? 15. Was versteht man unter einem Abwägungsdefizit? 16. Was versteht man unter einer Abwägungsfehleinschätzung? 17. Was versteht man unter Abwägungsdisproportionalität? 18. Welche Abwägungsfehler werden von § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erfasst? 19. Wie werden Abwägungsverfahrensfehler nach § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB ge-prüft? 20. Welche Folgen haben Abwägungsergebnisfehler? 21. Was besagt die Frist des § 215 Abs. 1 BauGB? 22. Welche Funktion hat das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB?

VII. Planbestand

Übersicht

- Planänderung, Planergänzung, Planaufhebung - Funktionslosigkeit und Planlosigkeit

1. Planänderung, Planergänzung und Planaufhebung

§ 1 Abs. 8 BauGB Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Planänderung = Modifizierung der Darstellungen eines Flächennutzungsplans bzw. Festsetzungen eines Bebauungsplans

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Planergänzung = Hinzufügung von Darstellungen in einen Flächennutzungsplan bzw. von Festsetzungen in einen Bebauungsplan Planaufhebung = Ganz oder teilweise Außerkraftsetzung eines Bauleitplans

2. Funktionslosigkeit und Planlosigkeit

Funktionslosigkeit eines Plans = Verlust eines Plans, die städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu steuern - Folge: Nichtigkeit des Plans

- Grund: Wirklichkeitsbezug des Plans

Rechtsprechung „Bebauungspläne sind in einem ungleich stärkeren Maße wirklichkeitsbezogen, als dies für den abstrakt-allgemeinen Rechtssatz im herkömmlichen Sinne zutrifft, sie sind - wie Pläne überhaupt - in einer sie kennzeichnenden Art weniger auf Geltung als ‚auf konkrete Erfül-lung angelegt‘, und sie sind als Folge dessen auch anfälliger, durch tatsächliche Entwick-lungen in ihrer Funktion gestört und dadurch in ihrer Geltung in Frage gestellt zu wer-den.“ (BVerwGE 54, 5 [9])

- Zwei Voraussetzungen

1. Voraussetzung: Dauerhafter Ausschluss der Planverwirklichung aufgrund der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse

2. Voraussetzung: Offenkundigkeit des dauerhaften Ausschlusses der Planver-wirklichung und Verlust schutzwürdigen Vertrauens

- Beispiel: Gemeinde setzt durch Bebauungsplan ein Industriegebiet fest. Es siedeln sich aber „nur“ Reihenhäuser in dem Gebiet an. Klausur

- Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben

- Zunächst: Erlass eines Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1, § 31 BauGB)

- Sodann: Funktionslosigkeit des Bebauungsplans (§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB)

3. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 200–203.

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a) Essentials

Planänderung, Planergänzung und Planaufhebung = § 1 Abs. 8 BauGB Funktionslosigkeit des Plans = Mangelnde Steuerungskraft des Plans = Nichtigkeit des Plans Klausur = Umstellung der Prüfung von § 30 Abs. 1, 31 BauGB auf § 34 Abs. 1 und 2 BauGB

b) FAQ

1. Was versteht man unter einer Planänderung? 2. Was versteht man unter einer Planergänzung? 3. Was versteht man unter einer Planaufhebung? 4. Wie werden Planänderung, Planergänzung und Planaufhebung rechtlich behandelt? 5. Was versteht man unter der Funktionslosigkeit eines Plans? 6. Welche Folge hat die Funktionslosigkeit eines Plans? 7. Unter welchen zwei Voraussetzungen wird ein Plan nichtig? 8. Was sind die Folgen in der Klausur mit Blick auf die Prüfung der bauplanungsrecht-lichen Zulässigkeit von Vorhaben?

VIII. Public-Private-Partnership

Übersicht

- Städtebaulicher Vertrag - Vorhaben-und Erschließungsplan

1. Städtebaulicher Vertrag

Übersicht

- Regelung - Rechtsnatur - Gegenstände - Grenzen - Form

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217

a) Regelung

§ 11 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen.

- Zweck

- Motivations- und Legitimationsfunktion städtebaulicher Verträge

§ 11 Abs. 4 BauGB (4) Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt.

- Rechtliche Strukturierung städtebaulicher Verträge

- Rechtsstaatliche Schutzfunktion

- Schutz der Gemeinden: Kein Verkauf von Hoheitsrechten

- Schutz der Bürgerinnen und Bürger: Verhandeln im „Schatten der Hierar-chie“ (Fritz Scharpf)

b) Rechtsnatur

§ 11 BauGB = Keine Entscheidung über die Rechtsnatur des städtebaulichen Ver-trags Städtebaulicher Vertrag = Privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur

Abgrenzungskriterien = Allgemeine Abgrenzungskriterien für Privat- und Öf-fentliches Recht

→ § 40 Abs. 1 VwGO

→ insbesondere: Sonderrechtstheorie

- Mögliche Ergebnisse

- Städtebaulicher Vertrag mit privat- und öffentlich-rechtlichen Regelungen

→ Rechtsweg: Entweder ordentliche Gerichtsbarkeit oder Verwal-tungsgerichtsbarkeit

- Städtebaulicher Vertrag mit Verpflichtung von Privat- und öffentlich-rechtlich Regelungen

→ Rechtsweg: Regelungsschwerpunkt des Vertrags

c) Gegenstände

Regelung = § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB

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- Städtebauliche Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB)

§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:

1. die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertrags-partner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnis-se, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschlie-ßungsanlagen, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt;

- Zweck

Privatisierung = Einbeziehung Privater in die Bauleitplanung

- Grenze

- Verantwortung der Gemeinde für die Bauleitplanung (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Hs. 3 BauGB)

Rechtsprechung „Nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Halbs. 2 und 3 BauGB kann Gegenstand eines städte-baulichen Vertrags u.a. die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie er-forderlichenfalls des Umweltberichts sein; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Aufstellungsverfahren bleibt unberührt. Diesen Bestimmun-gen ist zu entnehmen, dass die Gemeinden nicht das gesamte Verfahren ‚privatisie-ren‘ dürfen. So können zwar die Erstellung der Planentwürfe sowie die technische Vorbereitung von Verfahrensschritten nach den §§ 3 und 4 BauGB auf den Ver-tragspartner übertragen werden, nicht aber die förmlichen Beschlüsse (Aufstellungs-beschluss, Auslegungsbeschluss und Beschluss des Bebauungsplans) und die Ver-kündung des Bebauungsplans. Mit seinen Regelungen zieht der Gesetzgeber die Grenze, jenseits derer die eigenständige planerische Gestaltungsbefugnis betroffen ist, die einer Übertragung auf andere verschlossen ist.“ (BVerwGE 124, 385 [394]

- Städtebauliche Ziele (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB)

§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:

2. die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Absatz 3, die Berücksichtigung baukultu-reller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie der Erwerb angemessenen Wohnraums durch ein-kommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung;

- Zweck

- Vertrag über die Realisierung der Bauleitplanung

- Insbesondere: „Einheimischenmodelle“

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- Sozialpolitisches Ziel

Förderung des Erwerbs bezahlbaren Wohnraums bestimmter sozio-ökonomischer Bevölkerungsgruppen

- Problem: Unionsrechtskonformität

- Dauerhafte örtliche Bindung

- Unionsrechtlicher Maßstab

- Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit (Art. 21, Art. 45, Art. 49 AEUV, Art. 22, 24 RL 2004/38) - Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) - Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV)

- Mögliche Einschränkung: Gemeinwohlbelange

- Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 2, Art. 3 Abs. 3 EUV)

- EuGH v. 08.05.2013 – C-137/14, C-197/11, C-203/11 (Li-bert/Flämische Regierung) = EuZW 2013, 507, Tz. 50 ff.

- Drei Voraussetzungen für Einheimischenmodelle

1. Beschränkung auf verfolgte sozialpolitische Motive

2. Umsetzung durch nicht primär ortsorientierte Förderin-strumente

3. Diskriminierungsfreie Förderungspraxis

- Folgekostenvertrag (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB)

§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:

3. die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städte-bauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken;

- Zweck: Folgekostenüberwälzung von der Gemeinde auf Private

- Beispiele

- Kosten für die Bereitstellung von Grundstücken (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 2 BauGB)

- Finanzierung von Schulgebäuden und Kindergärten

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- Verwaltungspersonal- und Verwaltungssachkosten für Aufgaben, die nach § 4b S. 1 BauGB auch auf private hätten übertragen werden könnten (h.M. [äußerst strittig])

- Problem

- Ausverkauf von Hoheitsrechten

- Schatten der Hierarchie

- Folge: Strenge Kausalitätsanforderungen an Folgekostenverträge

→ Nicht erfüllt bei Verwaltungspersonal- und Verwaltungssachkosten für Aufgaben, die nach § 4b S. 1 BauGB auch auf private hätten übertra-gen werden könnten

- Energieversorgungs- und Energiesparvertrag (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 BauGB)

§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 BauGB Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:

4. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; 5. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.

- Zweck: Umsetzung klimaschützender Stadtentwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB)

d) Grenzen

§ 11 Abs. 2 BauGB (2) Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Trägt oder übernimmt der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen, ist unbeschadet des Satzes 1 eine Eigenbeteiligung der Ge-meinde nicht erforderlich.

- Vertragsformverbot: Ausdrückliches Vertragsformverbot: § 1 Abs. 3 S. 2 BauGB - Angemessenheit

- Regelung: § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB (Entsprechung: § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG) - Koppelungsverbot

- Regelung: § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB (Entsprechung: § 56 Abs. 2 VwVfG)

- Zweck

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- Kein Ausverkauf von Hoheitsrechten

- Verhandeln im Schatten der Hierarchie

- Beispiel: Keine städtebaulich relevante Gegenleistung für gebundene Entschei-dungen (z. B. Baugenehmigung)

e) Form

§ 11 Abs. 3 BauGB (3) Ein städtebaulicher Vertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist.

- Entsprechung: § 57 VwVfG

Beispiel: Übertragung eines Grundstücks bedarf einer notarielle Beurkundung (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB)

2. Vorhaben- und Erschließungsplanung

Übersicht

- Regelung - Vorhabenträger - Vorhaben- und Erschließungsplan - Durchführungsvertrag - Vorhabenbezogener Bebauungsplan - Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben

a) Regelung

§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB (1) Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vor-haben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abge-stimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer be-stimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Absatz 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag).

- Zweck: Gezielte Umsetzung des Bauprojekts eines Investors - Konzept: Vorhabenträger entwickelt einen Vorhaben- und Erschließungsplan, der von der Gemeinde als vorhabenbezogener Bebauungsplan verabschiedet und auf der Grund-lage eines Durchführungsvertrags umgesetzt wird.

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b) Vorhabenträger

Vorhabenträger = Privates Unternehmen oder Investor, dass bzw. der ein größeres Bauprojekt verwirklichen möchte (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB) - Rechtsform: Natürliche oder juristische Person - Bedeutung: Zentraler Akteur des Vorhaben- und Erschließungsplans - Aufgaben

- Entwurf eines Vorhaben- und Erschließungsplans

- Umsetzung des Vorhaben- und Erschließungsplans - Zentrales Qualifikationskriterium (für die Gemeinde)

- Kapazität und Bonität des Vorhabenträgers für die Umsetzung des Vorhaben- und Erschließungsplans

- Wechsel des Vorhabenträgers

- Spezielle Anforderungen (§ 12 Abs. 5 BauGB)

§ 12 Abs. 5 BauGB (5) Ein Wechsel des Vorhabenträgers bedarf der Zustimmung der Gemeinde. Die Zustim-mung darf nur dann verweigert werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Durchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans innerhalb der Frist nach Absatz 1 gefährdet ist.

c) Vorhaben- und Erschließungsplan

Vorhaben- und Erschließungsplan = Planungsrechtliche Konkretisierung des Baupro-jekts durch den Vorhabenträger - Hinreichende Planungsdichte

- Vorhaben- und Erschließungsplan wird Teil des vorhabenbezogenen Bebau-ungsplans (§ 12 Abs. 3 S. 1 BauGB)

§ 12 Abs. 3 S. 1 BauGB (3) Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebau-ungsplans.

- Befreiung vom Numerus Clausus des § 9 Abs. 1 BauGB

→ Festsetzungserfindungsrecht

§ 12 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB

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Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 und nach der auf Grund von § 9a erlassenen Verordnung gebunden;

Grenzen der Flexibilisierung:

- Konkretes Projekt

- Keine Angebotsplanung im Gewand des Vorhaben- und Erschlie-ßungsplans

- Beispiel für unzureichende Konkretisierung: Gaststätte oder Senio-renheim

d) Durchführungsvertrag

Durchführungsvertrag = Öffentlich-rechtlicher städtebaulicher Vertrag zwischen Ge-meinde und Vorhabenträger (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB) - Inhalt (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB)

- Konkretisierung des Vorhabens

- Umsetzungsfrist

- Planungs- und Erschließungskosten - Form: Schriftform (§ 11 Abs. 3 BauGB, § 57 VwVfG) - Zeitpunkt: Vertragsschluss vor Satzungsbeschluss über vorhabenbezogenen Bebau-ungsplan.

e) Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Vorhabenbezogener Bebauungsplan = Festsetzung der Zulässigkeit des Vorhabens (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB)

„Während im Bebauungsplan angegeben wird, was gebaut werden darf (Rechtsrahmen des Zuläs-sigen), regelt der [Vorhaben- und Erschließungsplan], was innerhalb der Fristen des Durchfüh-rungsvertrags gebaut werden muss (Baupflicht).“ (Reicherzer, NVwZ 2017, 1233)

- Aufstellung

- Geltung der allgemeinen Regeln des Bebauungsplanverfahrens - Formelle Rechtmäßigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans

- Besonderheit 1: Antragstellung des Vorhabenträgers

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- Vorhabenträger kann Antrag bei der Gemeinde auf Einleitung eines Be-bauungsplanverfahrens stellen (§ 12 Abs. 2 S. 1 BauGB)

§ 12 Abs. 2 S. 1 BauGB (2) Die Gemeinde hat auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Be-bauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

- Aber: Kein Anspruch auf Einleitung eines Bebauungsplanver-fahrens oder auf Aufstellung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB)

§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

- Besonderheit 2: Planaufhebung

- Möglichkeit der Planaufhebung bei Verfristung der Plandurchführung (§ 12 Abs. 6 S. 1 BauGB)

§ 12 Abs. 6 BauGB (6) Wird der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 durchgeführt, soll die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben. Aus der Aufhe-bung können Ansprüche des Vorhabenträgers gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden. Bei der Aufhebung kann das vereinfachte Verfahren nach § 13 an-gewendet werden.

- Materielle Rechtmäßigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Vorhaben- und Erschließungsplan = Teil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 12 Abs. 3 S. 1 BauGB)

§ 12 Abs. 3 S. 1 BauGB (3) Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungs-plans.

- Zweck: Schutz des Vorhabenträgers → Gemeinde kann keine abweichenden Festsetzungen treffen - Abwägungsentscheidung (§ 1 Abs. 7 BauGB): Erhöhte Aufmerksamkeit der Ge-meinde → Keine unverhältnismäßige Bevorzugung der Belange des Vorhabenträgers

f) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben = Maßgeblichkeit des vorhaben-bezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 2 BauGB)

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§ 30 Abs. 2 BauGB (2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zu-lässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

3. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 204–226.

a) Essentials

Städtebaulicher Vertrag = § 11 BauGB

Rechtsnatur = Privat-oder öffentlich-rechtlicher Natur

Gegenstände = § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB (nicht abschließende Aufzäh-lung)

Folgekostenvertrag = Pla-nungsfolgekostenüberwäl-zung auf Private (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB)

- Strenge Kausalitätsanforderungen

- Grund: Kein Ausverkauf von Hoheitsrechten + Verhan-deln im Schatten der Hierarchie

Grenzen = § 11 Abs. 2 BauGB

Angemessenheit = § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB

Koppelungsverbot = § 11 Abs. 2 S. 2 BauGB

Vorhaben- und Erschließungsplan = § 13 BauGB

Zweck = Gezielte Umsetzung des Bauprojekts eines Investors

Konzept = Vorhaben- und Erschlie-ßungsplan des Vorhabenträgers + Durchführungsvertrag + vorhabenbe-zogener Bebauungsplan

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Vorhabenträger = Privates Unter-nehmen oder Investor, dass bzw. der ein größeres Bauprojekt verwirklichen möchte (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB)

- Entwurf eines Vorhaben- und Erschließungsplans

- Umsetzung des Vorhaben- und Entschließungsplans

Vorhaben- und Erschließungsplan = Planungsrechtliche Konkretisierung des Bauprojekts durch den Vorhabenträger

Durchführungsvertrag = Öffentlich-rechtlicher städtebaulicher Vertrag zwi-schen Gemeinde und Vorhabenträger (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB)

Vorhabenbezogener Bebauungsplan = Festsetzung der Zulässigkeit des Vorha-bens (§ 12 Abs. 1 S. 1 BauGB)

Vorhaben- und Erschließungsplan = Teil des vorhabenbezogenen Bebauungs-plans (§ 12 Abs. 3 S. 1 BauGB)

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben = Maßgeblichkeit des vor-habenbezogenen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 2 BauGB)

b) FAQ

1. Wo ist der städtebauliche Vertrag geregelt? 2. Was sind die Zwecke der Regelung des städtebaulichen Vertrags? 3. Welche Rechtsnatur hat ein städtebaulicher Vertrag? 4. Wo sind die Gegenstände des öffentlich-rechtlichen Vertrags geregelt? 5. Welchen Zweck verfolgt ein städtebaulicher Vertrag über städtebauliche Maßnah-men? 6. Welchen Grenzen unterliegt ein städtebaulicher Vertrag über städtebauliche Maß-nahmen? 7. Was versteht man unter dem Einheimischenmodell? 8. Unter welchen Voraussetzungen ist das Einheimischenmodell europarechtlich recht-mäßig? 9. Was versteht man unter einem Folgekostenvertrag?

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10. Was ist der Zweck eines Folgekostenvertrags? 11. Welche Beispiele für einen Folgekostenvertrag kennen sie? 12. Wo liegen die Probleme des Folgekostenvertrags? 13. Warum sind an den Folgekostenvertrag strenge Kausalitätsanforderungen zu stellen? 14. Wo sind die Grenzen des städtebaulichen Vertrags geregelt? 15. Welchen Vertragsformverboten unterliegt der städtebauliche Vertrag? 16. Was ist im Rahmen der Angemessenheit eines städtebaulichen Vertrags zu prüfen? 17. Was versteht man unter dem Koppelungsverbot? 18. Welchen Formanforderungen unterliegt der städtebauliche Vertrag? 19. Wo ist der Vorhaben- und Erschließungsplan geregelt? 20. Was ist der Zweck des Vorhaben- und Erschließungsplans? 21. Was ist das Konzept des Vorhaben- und Erschließungsplans? 22. Wer ist ein Vorhabenträger? 23. Welche Bedeutung kommt dem Vorhabenträger zu? 24. Welche Aufgaben obliegen dem Vorhabenträger? 25. Welche zentralen Qualifikationsmerkmale des Vorhabenträgers sind für die Ge-meinde besonders wichtig? 26. Was ist ein Vorhaben- und Erschließungsplan? 27. Wer entwirft den Vorhaben- und Entschließungsplan? 28. Warum ist der Vorhaben- und Erschließungsplan von den Festsetzungen des § 9 Abs. 1 BauGB befreit? 29. Was versteht man unter einem Durchführungsvertrag? 30. Was ist der Mindestinhalt eines Durchführungsvertrags? 31. Wann muss der Durchführungsvertrag vorliegen? 32. Was ist ein vorhabenbezogener Bebauungsplan?

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33. Hat der Vorhabenträger einen Anspruch auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans? 34. Wann kann der vorhabenbezogene Bebauungsplan aufgehoben werden? 35. Warum wird der Vorhaben- und Erschließungsplan Teil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans? 36. Nach welcher Vorschrift richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans?

IX. Planungsrechtsschutz

Übersicht

- Bauleitpläne - Städtebauliche Verträge

1. Bauleitpläne

Übersicht

- Flächennutzungsplan - Bebauungsplan

a) Flächennutzungsplan

Flächennutzungsplan = Schlichter Gemeindebeschluss → kein Rechtssatz (§ 1 Abs. 2 BauGB) = kein Rechtsschutz

Ausnahme = Rechtssatz kraft gesetzlicher Regelung = § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog

Beispiel: Konzentrationsflächen = § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

b) Bebauungsplan

Bebauungsplan = Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB) = Rechtssatz (§ 1 Abs. 2 BauGB) → Rechtsschutz

Vier Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen einen Bebauungsplan

Normenkontrollverfahren = § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

Inzidente Normenkontrolle = Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Be-bauungsplans im Rahmen eines „anderen“ Gerichtsverfahrens

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- Beispiel 1: Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) des Bauherrn auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben, das im Gebiet eines Bebauungsplans liegt

- Beispiel 2: Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) des Nach-barn gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Bauherrn, dessen Vorhaben im Gebiet eines Bebauungsplans liegt

Verfassungsbeschwerde = Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

Popularklage = Art. 98 S. 4 BV, Art. 55 BayVfGHG

Abstrakte Normenkontrolle = § 47 VwGO A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO)

II. Zuständigkeit (§ 47 Abs. 1 VwGO)

OVG (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bzw. VGH (§ 184 VwGO)

§ 184 VwGO Das Land kann bestimmen, daß das Oberverwaltungsgericht die bisherige Bezeich-nung „Verwaltungsgerichtshof” weiterführt.

III. Statthaftigkeit (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)

§ 47 Abs. 1 S. 1 VwGO (1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetz-buchs,

Bebauungsplan = Bebauungsplan als Satzung des Baugesetzbuchs (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BauGB)

IV. Antragsberechtigung (§ 47 Abs. 2 VwGO)

§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO (2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehba-rer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntma-chung der Rechtsvorschrift stellen.

- Natürliche Personen

- Juristische Personen (einschließlich Nachbargemeinden)

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- Behörden

V. Antragbefugnis (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO)

- Natürliche und juristische Personen

- Grundstückseigentümer Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)

- Planbetroffene Nichtgrundstückseigentümer: Subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer Interessen (§ 1 Abs. 7 BauGB)

Rechtsprechung „Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsge-bot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend ‚ab-gearbeitet‘ werden. Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO auch darauf beru-fen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft ab-gewogen wurden. Macht er eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung über-haupt beachtlich war.“ (BVerwGE 140, 41 Rn. 15)

- Nachbargemeinden (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG)

Interkommunales Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB)

- Behörden: Formal keine Einschränkung, aber: Keine „Behörden-Popularklage“, deshalb: Aufgabenbereich der Behörde muss durch Planung betroffen sein

VI. Form (§ 67 Abs. 4, §§ 81 f.VwGO)

- Ordnungsgemäße Antragstellung (§§ 81 f. VwGO)

- Anwaltszwang (§ 67 Abs. 4 VwGO)

VII. Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO): Ein Jahr

VIII. Rechtsschutzbedürfnis

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, wenn keine Verbesserung der Rechtslage des Antragstellers möglich

- Beispiel: Normenkontrollantrag des Nachbarn nach verfristeter Kla-ge des Nachbarn gegen Baugenehmigung

B. Begründetheit

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Obersatz = Der Antrag ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antrags-gegner richtet und der Bebauungsplan rechtswidrig ist.

Objektives Beanstandungsverfahren = Umfassende Überprüfung des Be-bauungsplans

→ Keine Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf die Verlet-zung der subjektiven Rechte des Antragstellers

→ Umfassende Überprüfung des Bebauungsplans mit Blick auf Ver-stöße gegen

- GG (einschließlich Grundrechte)

- Bundesrecht (vor allem: Baugesetzbuch)

- Landesrecht

Einschränkung des Prüfungsumfangs = Verfassungsgerichtsvorbe-halt (§ 47 Abs. 3 VwGO)

§ 47 Abs. 3 VwGO (3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvor-schrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

→ Keine Überprüfung des Bebauungsplans mit Blick auf Grundrechte der Bayerischen Verfassung

Popularklage (Art. 98 S. 4 BV)

Art. 98 S. 4 BV Der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig ein-schränken.

I. Antragsgegner (§ 47 Abs. 2 S. 2 VwGO)

§ 47 Abs. 2 S. 2 VwGO Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat.

Antragsgegner = Gemeinde, die den Plan erlassen hat

II. Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans

1. Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage = § 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 BauGB

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2. Formelle Rechtmäßigkeit

a) Planaufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB)

b) Abwägungsmaterial

- Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB)

- Umweltprüfung und Umweltbericht (§ 2 Abs. 4, § 2a BauGB, BauGB-Anlage 1)

c) Öffentlichkeitsbeteiligung

- Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 1, § 4a BauGB)

- Förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 2, § 4a BauGB)

d) Behördenbeteiligung

- Frühzeitige Behördenbeteiligung (§ 4 Abs. 1, § 4a BauGB)

- Förmliche Behördenbeteiligung (§ 4 Abs. 2, § 4a BauGB)

e) Prüfung der Stellungnahmen

f) Satzungsbeschluss (§ 10 Abs. 1 BauGB)

g) Genehmigung (§ 10 Abs. 2 BauGB)

h) Ausfertigung

i) Verkündung und Inkrafttreten (§ 10 Abs. 3 BauGB)

j) Veröffentlichung (§ 10a BauGB)

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a) Planerforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB)

b) Planabstimmung

- Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB)

- Interkommunales Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB)

- Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB)

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c) Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB)

- Maßstab: Planungsziel (§ 1 Abs. 5 BauGB)

- Modus: Abwägungsfehler

- Abwägungsausfall

- Abwägungsdefizit

- Abwägungsfehleinschätzung

- Abwägungsdisproportionalität

- Orientierung: Abwägungsgrundsätze

- Konfliktbewältigung

- Rücksichtnahme

- Trennungsprinzip

d) Planerhalt

- Anwendungsbereich (§ 214 BauGB)

- Planungsfehler

- Formelle Planungsfehler (§ 214 Abs. 1 und Abs. 2a BauGB)

- Materielle Planungsfehler (§ 214 Abs. 2 und Abs. 2a BauGB)

- Abwägungsfehler

- Abwägungsverfahrensfehler (§ 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB - Abwägungsergebnisfehler

e) Frist (§ 215 BauGB)

f) Ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB)

C. Ergebnis

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- Unbegründetheit des Antrags: Zurückweisung des Antrags - Begründetheit des Antrags (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO)

§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift be-kanntzumachen wäre.

- Unwirksamkeitserklärung des Plans - Entscheidung ist allgemeinverbindlich

Prüfungsaufbau: Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans – Abstrakte Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO II. Zuständigkeit (§ 47 Abs. 1 VwGO) III. Statthaftigkeit (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) IV. Antragsberechtigung (§ 47 Abs. 2 VwGO) V. Antragbefugnis (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) VI. Form (§ 67 Abs. 4, §§ 81f. VwGO) VII. Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) VIII. Rechtsschutzbedürfnis B. Begründetheit Obersatz = Der Antrag ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet und der Bebauungsplan rechtswidrig ist. I. Antragsgegner (§ 47 Abs. 2 S. 2 VwGO) II. Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans 1. Ermächtigungsgrundlage (§ 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 BauGB) 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Planaufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 S. 2 BauGB) b) Abwägungsmaterial (1) Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) (2) Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4, § 2a BauGB, BauGB-Anlage 1)

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c) Öffentlichkeitsbeteiligung d) Behördenbeteiligung, e) Prüfung der Stellungnahmen f) Satzungsbeschluss (§ 10 Abs. 1 BauGB) g) Genehmigung (§ 10 Abs. 2 BauGB) h) Ausfertigung (Art. 26 Abs. 2 GO) i) Verkündung und Inkrafttreten (§ 10 Abs. 3 BauGB) j) Veröffentlichung (§ 10a BauGB) 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Planerforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) b) Planabstimmung (1) Ziele der Raumordnung (§ 1 Abs. 4 BauGB) (2) Interkommunales Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) (3) Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB) c) Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) (1) Maßstab: Planungsziel (§ 1 Abs. 5 BauGB) (2) Modus: Abwägungsfehler (3) Orientierung: Abwägungsgrundsätze d) Planerhalt (1) Anwendungsbereich (§ 214 BauGB) (2) Planungsfehler (§ 214 Abs. 1- Abs. 3 BauGB) (3) Frist (§ 215 BauGB) (4) Ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) C. Ergebnis

2. Städtebauliche Verträge

- Rechtsweg: Entscheidung über Zivil- oder Verwaltungsgerichtsweg

Rechtsnatur des städtebaulichen Vertrages - Verwaltungsgerichtsweg

- Allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO)

- Parteien des städtebaulichen Vertrages

- Feststellungsklage (§ 43 VwGO)

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- Dritte mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages

3. Wiederholung

Vertiefung: Kersten, Baurecht, Rn. 246–257.

a) Essentials

Flächennutzungsplan = Schlichter Gemeindebeschluss = kein Rechtssatz (§ 1 Abs. 2 BauGB) = kein Rechtsschutz

Ausnahme = Rechtssatz kraft gesetzlicher Regelung = § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog

Beispiel: Konzentrationsflächen = § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

Bebauungsplan = Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB) = Rechtssatz (§ 1 Abs. 2 BauGB) = Rechtsschutz

Normenkontrollverfahren = § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

Inzidente Normenkontrolle = Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Be-bauungsplans im Rahmen eines „anderen“ Gerichtsverfahrens

Verfassungsbeschwerde = Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG

Popularklage = Art. 98 S. 4 BV, Art. 55 BayVfGHG

Abstrakte Normenkontrolle = § 47 VwGO

Bebauungsplan = Bebauungsplan als Satzung des Baugesetzbuchs (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BauGB)

Zuständigkeit = OVG (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bzw. VGH (§ 184 VwGO)

Antragsberechtigung = natürliche + juristische Personen (einschließlich Nach-bargemeinden) + Behörden (§ 47 Abs. 2 VwGO)

Antragsbefugnis = § 42 Abs. 2 S. 1 VwGO

Grundstückseigentümer = Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) Nichtgrundstückseigentümer = Recht auf fehlerfreie Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB)

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Gemeinden = Kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) + in-terkommunales Abstimmungsgebot (Art. 2 Abs. 2 BauGB)

Behörden = Aufgaben Betroffenheit (keine „Behördenpopularklage“)

Antragsfrist = Ein Jahr (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO)

Begründetheit = objektives Beanstandungsverfahren = umfassende Prüfung des Bebauungsplans

Städtebauliche Verträge = Zivil- oder Verwaltungsgerichtsweg

Allgemeine Leistungsklage = Parteien des städtebaulichen Vertrages

Feststellungsklage = Dritte mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages

b) FAQ

1. Ist Rechtsschutz gegenüber einem Flächennutzungsplan möglich? 2. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten existieren gegenüber einem Bebauungsplan? 3. Wo ist die abstrakte Normenkontrolle geregelt? 4. Wann ist die abstrakte Normenkontrolle statthaft? 5. Welches Gericht ist für die Entscheidung über eine abstrakte Normenkontrolle zu-ständig? 6. Wer ist in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle antragsberechtigt? 7. Wo ist die Antragsbefugnis geregelt? 8. Woraus ergibt sich die Antragsbefugnis für Grundstückseigentümer? 9. Woraus ergibt sich die Antragsbefugnis für Nicht-Grundstückseigentümer? 10. Woraus ergibt sich die Antragsbefugnis für Nachbargemeinden? 11. Woraus ergibt sich die Antragsbefugnis für Behörden? 12. In welcher Frist ist ein abstrakter Normenkontrollantrag zu stellen? 13. Wie lautet der Obersatz der Begründetheit eines abstrakten Normenkontrollantrags? 14. Was bedeutet es, dass es sich bei der abstrakten Normenkontrolle um ein objektives Beanstandungsverfahren handelt?

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15. Welche Ausnahmen zu diesem Grundsatz kennen Sie? 16. Wer ist der richtige Antragsgegner im abstrakten Normenkontrollverfahren? 17. Wie ist die formelle Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans zu prüfen? 18. Wie ist die materielle Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans zu prüfen? 19. Wie lautet die Entscheidung des Gerichts? 20. Ist bei einem städtebaulichen Vertrag der Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg eröff-net? 21. Welche Klageart steht den Parteien im Fall der Öffnung des Verwaltungsrechtswegs zu? 22. Welche Klageart steht einem Dritten im Fall der Öffnung des Verwaltungsrechts-wegs zu?

X. Fall: Windenergie im Flächennutzungsplan

Sachverhalt Die Gemeinde G im Bundesland B umfasst als Verbandsgemeinde eine Fläche von 133 km². Etwa 600 m vom Bebauungsbereich befinden sich im Außenbereich des Gebiets drei Windkraftanlagen (WKA) auf den Flurstücken 221–223. In den Bebauungsplänen der Ortsgemeinden sind keinerlei Flächen für Windkraftanlagen vorgesehen. Um die zukünftige Nutzung des Außenbereichs für Windkraftanlagen zu steuern, ändert die dafür zuständige Verbandsgemeinde G den Flächennutzungsplan zum 1. März 2018 in der Weise, dass sie die Nutzung für Windkraftanlagen ausschließlich auf die Flurstücke 221–223 konzentriert. Die formellen Anforderungen an die Änderung des Flächennut-zungsplans werden eingehalten. In der Planbegründung heißt es, dadurch erhalte die Nutzung der Windkraft im Außenbereich der Verbandsgemeinde eine verlässliche Grundlage. Das auf die Errichtung von Windkraftanlagen spezialisierte Unternehmen U hat im Außenbereich der Verbandsgemeinde mehrere Flurstücke erworben in der Er-wartung, dort weitere Windkraftanlagen zu errichten. Ein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides wurde zurückgewiesen, weil die Flurstücke nicht innerhalb der Konzent-rationszone belegen seien, die ihrerseits auch schon vollständig baulich ausgenutzt wer-de. U hat am 1. April 2018 Klage vor dem OVG auf Feststellung der Nichtigkeit des Flächennutzungsplans erhoben. Gleichzeitig hat U Widerspruch gegen die Ablehnung der Vorbescheide eingelegt. Im Verfahren vor dem OVG trägt U vor, die Bauleitpla-nung sei als „Verhinderungsplanung“ rechtswidrig. Wenn nur 0,37 ‰ des Verbandsge-meindegebiets für WKA vorgesehen seien, könne nicht davon die Rede sein, man habe der erneuerbaren Energie eine Chance gegeben. Das aber laufe ihrer Privilegierung ent-gegen. Frage: Hat die Klage von U vor dem OVG Aussicht auf Erfolg?

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Lösung A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg Der Flächennutzungsplan stellt als Akt der vorbereitenden Bauleitplanung (§ 1 Absatz 2 BauGB) für das Gemeindegebiet die anvisierte bodenrechtlich relevante Nutzung dar. Er beruht auf §§ 5 ff. BauGB und damit auf Normen, durch die die Kommune in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger einseitig berechtigt und verpflichtet wird. Der F-Plan ist somit entsprechend seiner Rechtsgrundlage öffentlich-rechtlicher Natur, so dass auch eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt und der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet ist. II. Sachliche Zuständigkeit Das OVG ist zuständig (§ 47 Abs. 1 VwGO). III. Statthaftigkeit des Antrags Der Normenkontrollantrag der U muss nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO statt-haft sein. Einschlägig kann hier § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sein. Danach müsste es sich bei einem Flächennutzungsplan um eine Satzung oder eine Rechtsverordnung nach § 246 Abs. 2 BauGB handeln. 1. Satzungsqualität Eine Satzung ist ein auf Außenwirkung gerichteter Rechtsakt mit Regelungscharakter. So etwa der verbindliche, Festsetzungen treffende Bebauungsplan (§ 10 BauGB) oder Satzungen nach § 34 Abs. 4 oder Abs. 6 BauGB. Ein Flächennutzungsplan stellt im Gegensatz dazu jedoch nur eine vorbereitende Maßnahme dar, § 1 Abs. 2 BauGB und ist daher nicht als Satzung anzusehen. 2. Analoge Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Da der Flächennutzungsplan jedoch eine normersetzende Wirkung entfaltet, könnte man an eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO denken. Voraussetzung dafür ist eine zur Normenkontrolle bei Bebauungsplänen (oder anderen Satzungen nach BauGB) vergleichbare Interessenlage sowie eine planwidrige Regelungslücke und ein daraus resultierendes Bedürfnis zur Heranziehung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Dazu ist zunächst die Zielrichtung des § 47 Abs. 1 Nr.1 VwGO zu erfragen. Die Nor-menkontrolle für Satzungen auf Grund des BauGB ergibt sich daraus, dass sie unter Umständen in besonders einschneidender Weise in die Rechte der Bürger eingreifen. „Die durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2437) eingeführte sog. prinzipale Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO enthält eine Sonderregelung für den Rechtsschutz im Bereich des Städtebaurechts. Die Vorschrift dient dem Ziel, den Rechtsschutz bei Verordnungen

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und Satzungen nach dem Bundesbaugesetz einheitlich auszugestalten und zu verbes-sern. Von der Möglichkeit, die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO einzuführen, hatten bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 24. August 1976 nur fünf Bundesländer Gebrauch gemacht. In der Begründung der Bundesregie-rung zum Entwurf des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO wird ausgeführt, dass sich das Bedürfnis für eine Verbesserung des Rechtsschutzes durch Normenkontrollverfahren in besonde-rem Maße bei Satzungen aufgrund des Bundesbaugesetzes (und des Städtebauförde-rungsgesetzes), insbesondere bei Bebauungsplänen, gezeigt habe (BTDrucks 7/4324 S. 1, 7): Bebauungspläne könnten in sehr einschneidender Weise in die Rechtsstellung der Bürger eingreifen. Hier sei es besonders wichtig, einen effektiven Rechtsschutz ge-gen die Normen selbst zur Verfügung zu stellen. Eine rechtzeitige Klärung der Rechts-lage sei im Interesse aller Beteiligten notwendig, wenn die Wirksamkeit einer Norm dieser Art im Streit sei. Im Übrigen solle es dabei bleiben, dass der Landesgesetzgeber darüber bestimme, ob das Normenkontrollverfahren eingeführt werde (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Dem Landesrecht werde damit die Möglichkeit belassen, im Übrigen von der Einführung eines Normenkontrollverfahrens abzusehen (BTDrucks a.a.O S. 7).“ (BVerwG, UPR 2007, 348 [349]) a. Vergleichbare Interessenlage Ein vergleichbares Regelungsinteresse ergibt sich in Bezug auf den Flächennutzungs-plan grundsätzlich nicht. Denn Flächennutzungspläne binden als vorbereitende Bauleit-pläne die Gemeinde insoweit, als die Bebauungspläne aus den Flächennutzungsplänen entwickelt werden müssen, § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Gegenüber dem Bürger entfalten sie jedoch grundsätzlich keine Wirkung. Das ist jedoch dann anders, wenn es um die Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen in Außenbereichen durch Flächennutzungspläne geht. Denn Anlagen, die der Entwicklung und Nutzung von Windenergie dienen, sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB grundsätzlich im gesamten Außenbereich einer Gemeinde als privilegierte Vorhaben zulässig, es sei denn, es wer-den im Raumordnungs- oder im Flächennutzungsplan Konzentrationsflächen ausgewie-sen. In solchen Fällen steht der Errichtung einer Windkraftanlage an anderer Stelle im Außenbereich ein öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, mit der Folge, dass die Windkraftanlage nicht errichtet werden kann. „§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Darstellungen rechtliche Außenwirkung gegenüber den Bauantragstellern und Vorhabensträgern mit der Folge, dass Vorhaben an Standorten außerhalb der Konzentrationsflächen in der Regel unzulässig sind. ... § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB versetzt die Gemeinde in die Lage, die bauliche Entwicklung privilegierter Vorhaben im Außenbereich planerisch zu steuern. Die Vorhaben sind nicht mehr nur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange i. S. d. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für sie durch Darstel-lungen im Flächennutzungsplan eine "Ausweisung" an anderer Stelle erfolgt ist. Die planersetzende Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB, die bestimmte privilegierte Vorhaben generell dem Außenbereich zuweist, kommt nur mehr nach Maßgabe der ge-meindlichen Planungsvorstellungen zum Tragen. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrati-onszonen auf der Ebene der Vorhabenszulassung rechtliche Außenwirkung. Das gibt der Gemeinde für privilegierte Außenbereichsvorhaben ein neuartiges Instrument der verbindlichen Standortplanung an die Hand.“ (BVerwG, UPR 2007, 348 [349]).

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Daher erfüllt der Flächennutzungsplan im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausnahmsweise eine dem Bebauungsplan vergleichbare Funktion. Denn in die-sem Fall bestimmen die Festsetzungen des Flächennutzungsplans Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. b. Planwidrige Regelungslücke Durch die gesetzgeberische Aufwertung des Flächennutzungsplans zu einem Instrument der verbindlichen gemeindlichen Standortplanung für Außenbereichsvorhaben i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hat sich auch eine planwidrige Regelungslücke aufgetan, da die prozessrechtliche Entwicklung mit der materiell-rechtlichen nicht weiterentwickelt wurde. Eine planwidrige Regelungslücke besteht mithin. Die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist folglich statthafte Antragsart. IV. Antragsberechtigung (§ 47 Abs. 2 VwGO) U ist als juristische Person antragsberechtigt (§ 47 Abs. 2 VwGO). V. Antragsbefugnis Nach § 47 Abs. 2 VwGO muss U geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder de-ren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dabei kommt es in der Zulässigkeitsprüfung anders als in der Begründetheits-prüfung nur auf eigene Rechtsverletzungen bzw. deren Möglichkeit an. Dieses für die Klagebefugnis erforderliche subjektive Recht in dem U bedroht ist, folgt für U als Ei-gentümer der Baufläche aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Dieses Grundrecht ist auf U als juristische Person des Privatrechts entsprechend Art. 19 Abs. 3 GG seinem Wesen nach auch anwendbar. VI. Form Die Form wurde gewahrt Form (§ 67 Abs. 4, §§ 81 f.VwGO). VI. Antragsfrist Die Antragsfrist beträgt ein Jahr nach Bekanntmachung der zu kontrollierenden Norm, § 47 Abs. 2 VwGO. Der Flächennutzungsplan wurde am 1. März 2018 bekannt ge-macht, sodass die Antragsfrist eingehalten worden ist. VII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Das allgemeine Rechtschutzbedürfnis kann der U nicht abgesprochen werden, da ihr Bauantrag nicht unanfechtbar zurückgewiesen worden und die angestrebte Feststellung daher weiterhin von Interesse ist. B. Begründetheit

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Der Antrag des U ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet und der Flächennutzungsplan rechtswidrig und deshalb für nichtig zu erklären ist. I. Antragsgegner Antragsgegner ist in diesem kontradiktorischen Verfahren diejenige Gebietskörper-schaft, die die entsprechende Norm, erlassen hat, § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Antrags-gegnerin ist im vorliegenden Fall die G. II. Rechtmäßigkeit des Flächennutzungsplans 1. Rechtsgrundlage Rechtsgrundlage für den Flächennutzungsplan ist § 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB. 2. Formelle Rechtmäßigkeit Die formellen Voraussetzungen für die Aufstellung eines Flächennutzungsplans sind erfüllt. III. Materielle Rechtmäßigkeit Ein Flächennutzungsplan ist stellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ent-wicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB). Ein Planungsverbot ergibt sich, wenn ein Flächennutzungsplan grob und offensichtlich gegen § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB verstößt. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Planung kein schlüssiges gesamträumliches Entwicklungskonzept verfolgt, sondern ein Fall der Verhinderungs-planung darstellt. „Mit einer bloßen „Feigenblattplanung“, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf die Gemeinde es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privi-legierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windenergie-nutzung in substantieller Weise Raum schaffen.“ (BVerwGE 122, 109 [111]). Der Gesetzgeber gestattet es zwar die Belange der Windkraft gegenüber anderen öffent-lichen Belangen zurückzustellen. Ein solches „Wegwägen“ ist jedoch rechtfertigungs-bedürftig. Die angegriffene Planänderung hingegen eröffnet keinen Raum für weitere WKA und stellt nur 0,37 ‰ des zur Verfügung stehenden Gebietes für WKA zur Ver-fügung. Sie stellt damit eine Verhinderungsplanung dar und ist rechtswidrig. Der Flächennutzungsplan verstößt gegen § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB ist deswegen unwirk-sam. und C. Ergebnis Der Antrag ist zulässig und begründet. Das OVG stellt die Nichtigkeit des Flächennut-zungsplans fest.