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vorum Verlagspostamt 6922 Wolfurt Erscheinungsort Bregenz, P.b.b. Nr. 02Z031538 Forum für Raumplanung und Regionalentwicklung in Vorarlberg Nr. 1/2012 14. Jahrgang IMPRESSUM: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Raumplanung und Baurecht, 6900 Bregenz, www.vorarlberg.at/gemeindeentwicklung Erscheinungsweise: vier Mal jährlich Auflage: 7.250 Stück Für den Inhalt verant- wortlich: Dr. Wilfried Bertsch Redaktionsleitung: Karin Luger, E-Mail: [email protected] Redaktionsteam: Dr. Wilfried Bertsch, Dr. Sabine Miessgang, Heiko Moosbrugger Mag. Stefan Obkircher, DI Kornelia Rhomberg, Ing. Christoph Türtscher Lektorat: Heike Montiperle, Feldkirch Cover: Illustration von Olivia Gröbly/Neustart Schweiz Gestaltung: Bertolini LDT, Bregenz Druck: Thurnher, Rankweil. Die Redaktion ersucht diejenigen Urheber, Rechtsnachfolger und Werknutzungsberechtigten, die nicht kontaktiert wer- den konnten, im Falle des fehlenden Einverständnisses zur Vervielfältigung, Veröffentlichung und Verwertung von Werkabbildungen bzw. Fotografien im Rahmen dieser Publikation um Kontaktaufnahme. Offenlegung gemäß § 52 Mediengesetz ist auf www.vorarl- berg.at/gemeindeentwicklung veröffentlicht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung des Autors wieder, die sich nicht mit der des Herausgebers oder der Redaktion decken muss. Sinngemäße textliche Überarbeitungen behält sich die Redaktion vor. Zugunsten der Lesbarkeit wird, wenn von den Autorinnen und Autoren nicht anders vorgesehen, von geschlechtsspezifischen Endungen abgesehen. Ein kostenloses und jederzeit kündbares Abonnement der Zeitschrift vorum kann angefordert werden bei: E-Mail: [email protected]; Tel. +43 (0) 5574/511-27105 Gemeinwohl und Teilhabe

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vorumVerlagspostamt 6922 WolfurtErscheinungsort Bregenz, P.b.b.Nr. 02Z031538

Forum für Raumplanung und Regionalentwicklung in Vorarlberg Nr. 1/2012 14. Jahrgang

IMPRESSUM: Medieninhaber und Herausgeber: Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Raumplanung und Baurecht, 6900 Bregenz, www.vorarlberg.at/gemeindeentwicklung Erscheinungsweise: vier Mal jährlich Auflage: 7.250 Stück Für den Inhalt verant-wortlich: Dr. Wilfried Bertsch Redaktionsleitung: Karin Luger, E-Mail: [email protected] Redaktionsteam: Dr. Wilfried Bertsch, Dr. Sabine Miessgang, Heiko Moosbrugger Mag. Stefan Obkircher, DI Kornelia Rhomberg, Ing. Christoph Türtscher Lektorat:Heike Montiperle, Feldkirch Cover: Illustration von Olivia Gröbly/Neustart Schweiz Gestaltung: Bertolini LDT, Bregenz Druck: Thurnher, Rankweil. Die Redaktion ersucht diejenigen Urheber, Rechtsnachfolger und Werknutzungsberechtigten, die nicht kontaktiert wer-den konnten, im Falle des fehlenden Einverständnisses zur Vervielfältigung, Veröffentlichung und Verwertung von Werkabbildungen bzw. Fotografien im Rahmen dieser Publikation um Kontaktaufnahme. Offenlegung gemäß § 52 Mediengesetz ist auf www.vorarl-berg.at/gemeindeentwicklung veröffentlicht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben ausschließlich die Meinung des Autors wieder, die sich nicht mit der des Herausgebers oder der Redaktion decken muss. Sinngemäße textliche Überarbeitungen behält sichdie Redaktion vor. Zugunsten der Lesbarkeit wird, wenn von den Autorinnen und Autoren nicht anders vorgesehen, von geschlechtsspe zifischen Endungen abgesehen. Ein kostenloses und jederzeit kündbares Abonnement der Zeitschrift vorum kann angefordertwerden bei: E-Mail: [email protected]; Tel. +43 (0) 5574/511-27105

Gemeinwohlund Teilhabe

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weise eine Stärkung der lokalen Versorgung unddie Steigerung der Kompetenzen des Selber -machens und des Handwerks. Wir sollten uns nicht von Systemen, Institutionenund Märkten abhängig machen, welche wir nichtmitgestalten können. Das ist keine Absage an denglobalen Markt. Dieser sollte aber die Ausnahmewerden und die lokale Versorgung die Regel. Beijeder alltäglichen Handlung kann ich fragen, ob sieder ökologischen und sozialen Nach haltigkeitweltweit dient oder dem Kapital. Ob es hilft, kolo-niale strukturelle Gewalt abzubauen oder diese zufestigen. Die Subsistenzperspektive ist kein Zurückin die Steinzeit, sondern eine realistische, realisier-bare und notwendige unter nehm erische Alter -native zur wirtschaftlichen Globalisie rung und zurunsicheren und grenzenlosen Finanzwelt. Sie bautauf Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Wirkönnen hier und heute damit beginnen undmüssen nicht auf eine Lösung von oben, vom Staatoder irgendeiner anderen Autorität warten. Es istein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen Gesell -schaft, welche zwangsläufig eine Nah-Wirtschaft

Umso mehr sich die globale Marktwirtschaft entgrenzt,desto bedeutender wird die Welt in den Grenzen derlokalen Gemeinwesen. Wir spüren in dieser Ausgabenach, wie sich über attraktive Standorte hinaus zu -kunfts fähige Lebensorte gestalten lassen. Die Zukunfts -perspektive unserer Gesellschaft hängt davon ab, wiesich eigenständige sowie sozial, ökologisch und öko -nomisch nachhaltige Gemeinwesen mit „empowerten“Bürgerinnen und Bürgen entfalten können. Für den Schweizer Ethiker Thomas Gröbly werdenkooperative Lebensformen immer mehr an Bedeutunggewinnen. Er beschreibt Ansätze, wie Nachbarschaftenwieder handlungsfähig werden und zeigt auf, welchesPotential sie als zentrale Lern‐ und Handlungsorte derTransformation aufbringen.Die Investition in das soziale Kapital der Gesellschaftenist nicht nur eine moralische Frage, sondern auch eineder Vernunft. Landesstatthalter Karlheinz Rüdisserschildert, wie eng das Individualwohl mit dem Ge mein -wohl verknüpft ist und wie es uns gelingen kann, denWerten des Gemeinwohls Rechnung zu tragen.Wie es möglich ist, einer gemeinwohlorientierten Wirt -schaftskultur zum Durchbruch zu verhelfen zeigtChristian Felber, Buchautor und Mitbegründer derInitiative Gemeinwohlökonomie, die auch in Vorarl bergeine ständig anwachsenden Zahl engagierter Mit gliederverzeichnen kann.Welchen Beitrag können Gemeinde- und Regionalent -wicklungsprozesse für das Gemeinwohl leisten? DieserFrage geht zum einen Sozialwissenschaftler MichaelEmmenegger in Bezug auf die Bürgerbeteiligung beiPlanungsverfahren nach. Zum anderen macht ProfessorKlaus Selle am Beispiel Stuttgart 21 aus, wie es um dielokale Beteiligungskultur im Allgemeinen bestellt ist.Wie sehr auch das Denken und Handeln in genossen-schaftlich organisierter Form dem Gemeinwohl Rech -nung trägt, belegen eindrücklich die Ergebnisse desForschungsinstituts für Kooperationen und Ge -nos sen schaften an der Wirtschaftuniversität Wien.Auf die Bedeutung der Stärkung des Gemeinwohlsdurch überörtliche Zusammenarbeit zwischen Ge -meind en verweist Harald Sonderegger, Bürger -meister und Präsident des Vorarlberger Gemeinde ver -bandes im Gespräch mit Karin Luger.Hildegard Breiner ist eine beharrliche Kämpferin füreinen behutsamen Umgang mit den natürlichen Ge -mein gütern. Sie plädiert für eine Politik mit Augen -maß, die der Endlichkeit der natürlichen RessourcenRechnung trägt. Abschließend machen wir uns auf in den BregenzerSalon und erkunden, wie der „Raum im Raum“ einegemeinwohlorientierte Denk- und Handlungsweiseunterstützt und fördert.Gemeinwohl und Teilhabe sind umfassend verstandentreibende Kräfte für den notwendigen Transfor -mationsprozesses hin zu zukunftsfähigen Lebensstilen– mit dieser Ausgabe wünschen wir Ihnen dazu inspirie -rende und spannende Denkanstöße.

Ihr vorum Redaktionsteam

Werte kann man weder im Warenhaus kaufennoch von Amtsstuben aus verordnen. Werte ent -steh en in verbindlichen Beziehungen. Was dasfür einen Umgang mit den gegenwärtigenKrisen und für eine lebensfreundliche Lokal-und Regional entwicklung bedeutet, skizziereich in diesem Arti kel. Es geht darum, Orte zugestalten, an denen Menschen Werte für eingutes Leben aller schaffen.

An welche Mauern fahren wir?

Wir stehen heute vor historisch einmaligenHerausforderungen: Der Peak Oil leitet das Endeder fossilen Weltwirtschaft ein. Das ist dramatisch,denn mehr als 80 % der Energie stammen von fos-silen Quellen. Wir sind mit den Folgen der Klima -erwärmung und den Umweltverschmutz ungenkonfrontiert: Wetterextreme, Verschieb ung en derVegetationszonen, Wasserknappheiten durch dasAbtauen von Gletschern, Verlust von Biodiversitätsowie Bodenerosion. Die Lage wird durch einFinanzsystem verschärft, welches äußerst instabilist und mit hohen Rendite erwartungen die Real -wirtschaft in Geiselhaft genommen hat. Wir können also von einer vielschichtigen Zivilisa -tions krise sprechen, für die herkömmliche Lös -ungs konzepte wie etwa die weitere Ankurbe lungdes Wirtschaftswachstums untaug lich sind – wirkönnen Feuer nicht mit einem Flammenwerferbekämpfen!

Krise der Seele

Es ist eine Illusion, wenn wir meinen, dass Lebens -qualität identisch mit mehr Geld, Wachs tum undBeschleunigung sei. Eine Effizienz revolution alleinegenügt zur Lösung der beschriebenen Zivilisations -krise nicht, denn alle Einsparungen werden zumeistdurch Wachstum und Mehr konsum kompensiert.Wir brauchen zusätzlich Suffizienzstrategien,welche Wege aufzeigen, wie wir mit unserenbegrenzten Ressourcen umgehen können. Wollenwir mit unseren Ackerfrüchten die Menschenernähren oder Autos antreiben? Wollen wir mit derbeschränkten Energie Konsum produkte herstellen,die nach kurzer Zeit auf dem Müll landen? Wirmüssen aushandeln, was wir mit der beschränktenMenge an Ressourcen und Energie machen wollen. Das Motto „Kleiner-langsamer-weniger“ sieht wieeine massive Einschränkung der Freiheit aus. Wirerleben aber, dass die vermeintliche Freiheit derWachstumswirtschaft zu vielen Zwängen führt:Stress am Arbeitsplatz, tiefe Löhne, anonymeQuartiere, Ausbeutung von Tieren und der Natur,Arbeitslosigkeit und eine Verlagerung der Kostenauf zukünftige Menschen. Viele sagen mir, dass sienur noch den Kollaps als Ausweg sehen. Ich magjedoch nicht resignieren und dem Zynismus Handbieten, denn viele Initiativen machen mir Mut.

Oft hört man Klagen über den Zerfall unserer Werte. Viele der gegenwärtigen Krisen deuten tatsächlich darauf hin, dass wir in eine Sackgasse geratensind. Wir brauchen neue Werte und Menschen, die dafür einstehen. Doch wie kommen diese in die Welt und wie prägen sie unser Handeln?

Wir brauchen Orte für ein Leben zum Wohle aller

Gutes Leben beginnt in verbindlichenBeziehungen

Was bedeutet die Aussage, dass Werte inverbindlichen Beziehungen entstehen? Wenn ichfür 5 Euro ein T-Shirt kaufe, wähne ich mich glück-lich. So ein Schnäppchenkauf verschleiert aber dieZusammenhänge: Die mit viel Pestizid bespritzteBaumwolle, welche die Bäuerinnen und Bauern ausso genannten Entwicklungs ländern krank macht.Die schlechten Löhne entlang der ganzenProduktionskette usw. Beim Kauf des T-Shirts mussich den kranken Bäuerinnen und den Bauern nichtin die Augen sehen. Wenn ich jedoch als Bäckermeinem Nachbarn ein altes Brot verkaufe, wird ermich zur Rede stellen. Dieser direkte Kontakt hilftmir, Verantwortung zu übernehmen. Ich würdemeine Kunden in der Bäckerei nicht täuschen, weilich sozial akzeptiert und respektiert sein will. Ichnenne das „Handeln aus innerer Notwendigkeit“:

Wie können wir Räume und Situationen schaffen,damit wir jenseits von finanziellen Anreizen unsfür eine lebenswerte Welt engagieren? Indem wirQuartiere und Regionen schaffen, welche mit -helfen, dass wir Verantwortung übernehmen undwo verbindliche Beziehungen im Zentrum stehen.Das können Familien, Schulen, Nachbar schaften,Kirchgemeinden, NGO’s oder Unter nehmen sein.Es ist auch global möglich: mit Men schen, die füruns Kaffee oder Bananen anbauen.

Wer arbeitet, hat keine Zeit Geld zu ver-dienen!

Geld mit Zins und Zinseszins erzwingt Wachs tum.Hatte die Wirtschaft ursprünglich die Bedeutung,Güter und Dienstleistungen für die Menschen be -reitzustellen, muss sie mehr und mehr den Profit -interessen dienen. Mit den überhöhten Rendite -erwartungen entsteht eine Verkehrung der Werte:Statt des guten Lebens und Lebens qualität für allestehen die Profite für wenige im Zentrum. DieSubsistenzperspektive ist eine Möglichkeit ausdiesen Systemzwängen auszutreten. Sie orientiertsich an den Notwendig keiten wie Essen, Wohnen,Bildung und den sozialen Beziehungen. Der Bedarfan allem Lebens notwendigen hat absoluten Vor -rang vor dem Geldverdienen. Ziele sind beispiels -

ist. Wir stehen überhaupt nicht am An fang. Es gibtviele kleine und größere Initia tiven, wo für alleMenschen die Möglichkeit besteht, in irgendeinerForm mitzumachen.

Gelungene Initiativen

Zu den gelungenen Gemeinwohl-Initiativen kön-nen Open-Source-Projekte wie Wikipedia oderLinux, Tauschkreise, regionale Währungssystemeohne Zinsen oder auch Direktvermarktungen unddie Vertragslandwirtschaft gezählt werden.Der Verein Neustart Schweiz sieht sich als Platt -form zur Förderung und Vermittlung solcherInitiativen (www.neustartschweiz.ch). Es ist faszi -nie rend, dass viele auch junge Menschen zu dentreibenden Kräften gehören.Ein weiteres Beispiel ist die Genossenschaft “mehrals wohnen”. Hier wird versucht, nicht nur dieLokalisierung der Wirtschaft umzusetzen, sondernauch Nachbar schaften zu bilden, wo Werte für eingutes Leben für alle heute und in der Zukunftgebildet werden.

Gemeinwohlorientierte Entwicklung –Wer hat welche Rolle?

Eine „ethische Steuerung“ kann nicht an die Politikerund Behörden delegiert werden. Alle Men schen mitihren verschiedenen Rollen sind für die Reali sierungeiner lebenswerten Welt verantwortlich.

Politik und Behörden können Anreize schaffen, diediesen Umbau begünstigen, etwa Kosten wahrheitzur Internalisierung der externen Kosten, steuer-liche Begünstigungen von sozial und ökologischnachhaltigen Unternehmen, Förderung von Ge -nossenschaften, Regional währungen zur Stär kungder lokalen Wirtschaftskreisläufe, Bekämp fungvon Spekula ti on und Privatisierungen durch eineStärkung der öffentlichen Hand und den Schutzvon öffentlichen Gütern. Politikerinnen undPolitiker brauchen den Mut und den Wei t blick,sich für eine zukunftsfähige, weltweit solidarischeund lokal verwurzelte Wirtschaft stark zu machen.

Unternehmen sind gefordert, ihre Produktion undProduktpalette den neuen Anforderungen anzu-passen. Die Stärkung von regionalen Wirt -schaftssystemen stellt eine Chance für das Gemein -wohl dar und hilft, ökonomische Risiken abzubauen.

Bürgerinnen und Bürger müssen beim Konsum undbei Investitionen, beim Geldanlegen und bei poli-tischen Abstimmungen die genannten Ziele imAuge behalten. Konsumierende sollten nicht nurauf den Preis schauen, sondern sich bewusst wer-den, dass jeder Einkauf ein Signal ist und mehr des-selben verlangt.

Die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNWbegleitet mit seinem Projekt „Bildung für Nach -haltig keit“ Institutionen, Unternehmen undGemeinden bei der Umsetzung der genanntenProzesse. Insbesondere ist es wichtig, dass wir ler-nen im Sinne von „small is beautiful“ Glück undWohlstand vom „Größer-schneller-mehr“ abzu -koppeln. Gerade in diesen aufgeregten Zeiten giltes, an unserem Ort eine solidarische und lebens -wertere Welt mitzugestalten.

2 vorum 1/2012

Thomas Gröbly – Ethiker MAEDozent für Ethik an der FHNW Windisch/Schweiz und

HAFL (Hochschule für Agrar-, Forst- undLebensmittelwissenschaften) Zollikofen/Schweiz

www.ethik-labor.ch

„Wir können Feuer nichtmit einem Flammen -werfer bekämpfen.“

„Wir müssen aushandeln,was wir mit der be -schränkten Menge anRessourcen und Energiemachen wollen.“

EditorialFoto: Thomas Gröbly

Foto: Baugenossenschaft MEHR ALS WOHNEN, Visualisierung: Carol Egger, für Arbeitsgemeinschaft FUTURAFROSCH und DUPLEX architekten, Zürich

In Zürich entsteht ein ganzes Quartier, in dem dieZiele der 2000-Watt-Gesellschaft erprobt werden.Die Gebäude werden ökologisch vorbildlich fürrund 1100 Menschen erbaut und betrieben. Einbrei tes Angebot an umwelt verträglichen Verkehrs -mitteln macht den Auto verkehr weitgehend über-flüssig. In der neuen Siedlung werden verschiedene, teil-weise ganz neue Wohn-formen nebeneinanderPlatz finden. Dazu gehören nebst Familien-, Alters-,

Single- und WG-Wohnungen auch ganz neueFormen (Satelli ten wohnungen), eine Rezeption mitService-an gebot, eine sogenannte Locanda(Hotelzimmer), ein öffentliches und ein Sied -lungsrestaurant. Viele dieser Angebote sollen vonden Bewohner/innen mitgestaltet und mitgetragenwerden. Eine hochstehende Architektur macht die Siedlungeuropaweit zu einem „Leuchtturm“ des Wohnens.www.mehralswohnen.ch

MEHR ALS WOHNEN: Eine zukunftsweisende Wohnsiedlung

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Das Streben nach Gemeinwohl bewegt dieMenschen seit jeher. Von den großen Philo -sophen der Antike wie Platon oder Aristoteles,die das Glück der Bürger in den Mittelpunkt derÜberlegungen der klassischen Philosophie stel -len, über Thomas von Aquin, der das „bonumcommune“ als höchstes Gut sieht, nach dem allestreben, bis hin zu den Philosophen der Neuzeit,die Gemeinwohl in untrennbarem Zusammen -hang mit dem Individualwohl sehen:

Alle wollen das größtmögliche Glück füreine größtmögliche Zahl von Privat -personen.

Das verstärkte Streben nach Gemeinwohl hatKonjunktur, um in der Sprache des Ökonomen zusprechen. Das ist insofern interessant, als nochnie in der Geschichte unseres Kulturkreises soviele Menschen in so hohem Wohlstand und indieser Freiheit leben dürfen. Sucht man nachkonkreten Inhalten des Gemeinwohls, stößt manauf Begriffe wie Menschenwürde, Solidarität,ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeitoder demokratische Mitbestimmung und Trans -parenz. Daraus resultiert, dass sich eine zukunfts -fähige Gesellschaft oder eine Region mit hoherLebensqualität nicht ausschließlich über wirt -schaftliche Dynamik und Leistungskenn zifferndefinieren lässt.

Entscheidend ist vielmehr, wie es unse -rer Gesel lschaft gelingt, diesen Wertendes Gemein wohls Rechnung zu tragen:

Durch Menschen, die bereit sind, sich ehren -amtlich zu engagieren. Durch politisch und gese ll - schaftlich gemeinsam getragene Visionen wiejene der Energieautonomie. Durch Planungs pro -zesse, die von der Basis mitgetragen werden unddie die Bevölkerung daher frühzeitig auf ver schie - dene Weise einbinden. Oder durch die Be -reitschaft zur Kooperation zwischen Gemein den,die letztlich zu einem besseren Angebot an öffent -lichen Leistungen und damit zu einem höherenNutzen für die Menschen unseres Landes führt.

Gemeinwohl =Lebensqualität

3. Kommunaler Gemeinwohl-Index

Es wird partizipativ ein Index für die Lebens -qualität in einer Gemeinde entwickelt, der sich aufder Ebene zwischen Gemeinwohl-Produkt (Volks -wirt schaft) und Gemeinwohl-Bilanz (Unter neh -men) befindet. Via BürgerInnnbeteili gungsver -fahren könnten die zehn bis 20 wichtigstenLebensqualitätsfaktoren ermittelt werden. Diesekönnten einmal jährlich, teils mittels Befragungaller Haushalte, gemessen werden. Im Unterschiedzum Gemeinwohl-Produkt, das zumindest EU-weit

einheitlich sein sollte, könnten sich die Gemein -wohl-Indexe von Gemeinde zu Gemeinde unter-scheiden: Ziel ist nicht, dass eine Gemeinde „bess-er“ ist als eine andere, sondern dass sich eineGemeinde in den ihr wichtigen Lebensquali täts -faktoren verbessern möchte.

4. Kommunaler Wirtschaftskonvent

BürgerInnen ermitteln in Beteiligungsprojekten zurErmöglichung und Förderung eines kommuna lenWirtschaftskonvents jene rund 20 recht lichenSpielregeln, nach denen die Wirt schaft funktion-ieren soll. Laut einer Umfrage der Bertels mann-Stiftung vom Juli 2010 wünschen sich 90 Prozent derMenschen in Österreich eine neue Wirtschafts -ordnung. Wer, wenn nicht die Bevöl kerung selbst,könnte die Grundzüge einer humaneren, demo kra - tischeren, sozialeren, ökologischeren und regio -naleren Wirtschaftsordnung entwickeln? Ein Kon -vent beschreibt üblicherweise die Verfassung für eindemokratisches Gemein wesen. Im Wirt schafts -konvent wird „nur“ der Wirtschaftsver fas sungs teilausgearbeitet – erstmals in der Ge schichte der Men -schheit in einem Bottom-up-Ver fahren. Das Prozess -design für einen kommunalen Wirt schaftskonventwird gerade von einem breiten Redaktionsteamder Zivilgesel l schaft ausgearbeitet. Es wird bisspätestens September 2012 verfügbar sein.

5. Betreiben einer „Gemeinwohl-Region“

Mehrere Gemeinwohl-Gemeinden können sichentsprechend ihrer geografischen Einbettung,bei spielsweise Pinzgau, Vintschgau, Allgäu,Walgau oder Thurgau, zur Gemeinwohl-Regionzusam men schließen. Auf diese Weise können dieGe mein den gemeinsam lernen und sich gegen-seitig befruchten. Eine Gemeinwohl-Region kannzusam men mit Gemeinwohl-Gemeinden das je -weilige Bundesland auffordern, zu einem„Gemeinwohl-Land“ zu werden ...

Großes internationales Interesse amKonzept der Gemeinwohl-Gemeinde

Obwohl die Initiative der Gemeinwohl-Ökonomienoch sehr jung ist, erzielte ihr Konzept bereits inÖsterreich, Bayern, Südtirol, der Schweiz undSpanien großes Interesse. Der Gesamtprozess derGemeinwohl-Ökonomie feiert am 6. Oktober 2012seinen zweiten Jahrestag. Zu diesem Anlass wirddie zweite internationale Gemeinwohl-Bilanz-Pressekonferenz abgehalten – ein idealer Rahmenfür die ersten Kandidaten einer Gemeinwohl-Gemeinde, um bekannt zu geben, dass sie obenbeschriebene Projekte nach und nach umsetzen.

dem können sie über diverse Anreizinstrumente,vor allem im öffent lichen Auftrag und Einkaufgefördert werden. In einigen Regionen wie Südtirol hat es sich be -währt, dass erfahrene lokale Unternehmensbe -raterInnen den Prozess der Pionierunternehmen be -gleiten und von der Erstinformation über dieGemein wohl-Ökonomie bis zur ersten auditiertenBilanz alles in einem Paket anbieten. Die Kostendieses Services könnten von der Gemeinde getragenwerden. Ein solcher Gemeinwohl-Bilanz-Pro zess mitlokalen Unternehmen lässt sich auch gut in andereProzesse, zum Beispiel in einen LA-21- oder in einenRegionalentwicklungsprozess integrieren.

2. Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden

Eine Gemeinwohl-Gemeinde erstellt für ihreneigenen Verwaltungs- und Wirtschaftsteil dieGemeinwohl-Bilanz, veröffentlicht diese und lädtbefreundete und Nachbargemeinden ein, es ihrgleichzutun. In späterer Folge könnte das erzielteGemeinwohl-Bilanz-Ergebnis Auswirkung habenauf die (EU-)Gemeindeförderungen und auf denFinanzausgleich: Wenn eine Gemeinde viel fürMensch und Natur tut, soll sie auch entsprechendeErleichterungen gegenüber jenen Gemeindengenießen, die geringere Anstrengungen unter -nehmen. Gegenwärtig prüft bereits eine öster -reich ische Landeshauptstadt die Erstellung einerGemeinwohl-Bilanz des Magistrats. In Deutschlandprüfen zwei Universitäten die Erstellung einerGemeinwohl-Bilanz.

Am 6. Oktober 2010 startete in Wien derBottom-up-Wirtschaftsreformprozess „Gemein -wohl-Ökono mie“. Die Bewegung möchte denfun da men talen Werte-Widerspruch zwischenKapitalismus und Gesellschaft und Natur auf -heben. Zu diesem Zweck soll der rechtliche Anreiz -rahmen von Finanzgewinnstreben und Kon(tra) -kurrenz auf Gemeinwohlstreben und Koopera -tion umgestellt und wirtschaftlicher Erfolgzukünf tig mit Gemein wohl-Bilanz und Gemein -wohl-Produkt gemessen werden.

Die Idee breitet sich in Windeseile aus

Ende März unterstützten fast 600 Unternehmenaus 14 Staaten die Initiative, rund 250 werden 2012die Gemeinwohl-Bilanz erstellen. Mehr als 30lokale Energiefelder, welche die Unternehmenbegleiten und die Idee bekannt machen, habensich vom Alpenraum über Spanien bis Latein -amerika und New York gebildet. Auch in Vor -arlberg machen immer mehr Unternehmen undPrivatpersonen in einem lokalen Energiefeld mit.

Aktuell wird das Konzept der Gemein wohl-Ge -meinde entwickelt. Formal könnte eine Ge meindezur Gemeinwohl-Gemeinde werden, in dem derGemeinderat eine Deklaration be schließt, die vomVerein zur Förderung der Gemein wohl-Ökonomieausgearbeitet wird und um eigene Ideen undInitiativen der Gemeinde ergänzt werden kann.

Folgende fünf Projekte könnten dieKernelemente einer Gemeinwohl-Ge meinde sein:

1. Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen

Eine Gemeinwohl-Gemeinde lädt die ansässigenUnternehmen ein, die Gemeinwohl-Bilanz zuerstellen und macht diese Gruppe von Pionier-unternehmen und ihre besonderen Leistungen fürdas Gemeinwohl öffentlich sichtbar, beispiels -weise im Rahmen einer jährlichen Feier. Außer -

Auf dem Weg zur Gemeinwohl-Ökonomie

Christian Felber ist freier Autor, Übersetzer und Publizist zuUmwelt- Wirtschafts- und Gesellschaftsfragen.

Mitbegründer und Sprecher von Attac Österreich, Initiator derDemokra tischen Bank und der Bewegung „Gemeinwohl-Ökonomie“

sowie Autor des gleichnamigen Buches. Er lebt in Wien.www.christian-felber.at

www.demokratische-bank.atwww.gemeinwohl-oekonomie.org

„Auch in Vorarlbergmachen immer mehrUnternehmen und Privat-personen in einem lokalen Energiefeld mit.“

„Ziel ist nicht, dass eineGemeinde „besser“ ist alseine andere, sondern dasssich eine Gemeinde in denihr wichtigen Lebensquali -tätsfaktoren verbessernmöchte.“

Impressionen vom ersten Jahrestreffen der Bewegung „Gemeinwohl-Ökonomie” in Wien. Foto: Christian Felber

Strategien für eine zukunftsfähige Gesellschaft

Landesstatthalter Mag. Karlheinz Rüdisser

E-Mail: [email protected]

Gemeinwohl-Ökonomie in Vorarlberg

Das Energiefeld Vorarlberg sieht sich als eine re -gionale Vernetzungsplattform. Es ist sowohl eineAnlaufstelle für alle, die mehr über die GWÖ er -fahren und mit ihr in Verbindung treten möchtenals auch eine Schnittstelle für alle Engagierten.

Wer mehr über das Energiefeld Vorarlberg oderMöglichkeiten sich zu engagieren und den Gesamt -prozess der Gemeinwohl-Ökonomie erfahrenmöchten, ist herzlich eingeladen.

Monatliche Atelier-Treffen in St. Arbogast/Götzis bis Sommer 2012:

7. Mai 2012, 18.30 – 20.30 Uhr4. Juni 2012, 18.30 – 20.30 Uhr2. Juli 2012, 18.30 – 20.30 Uhr

Anmeldung unter: e.gruber@landschafts architektur-gh.at

Christian FelberGemeinwohl-ÖkonomieISBN 978-3-552-06188-0Deuticke Verlag

Foto: Christian FelberFoto: Land Vorarlberg

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schaftliches Engagement gilt als Bereiche rung fürdas soziale Zusammenleben in der Gemeinde – alsSteuerungs- und Gestaltungsprinzip des Gemein -wesens wird es jedoch meist nicht anerkannt. Laut der Umfrage Mehr Staat – weniger Privat? einesösterreichischen Meinungsforschung s institutes ausdem Jahr 2009 gehen 70 Prozent der Bürger -meisterInnen davon aus, dass viele öffentlicheLeistun g en in Zukunft nicht mehr finanzierbar seinwerden. Trotzdem fällt es ihnen schwer, dasAngebot kommunaler Leistungen von der aktivenMitarbeit der BürgerInnen abhängig zu machen undBürgerInnen nicht nur für operative Arbeiten her-anzuziehen, sondern in Entscheidungsprozesseeinzubinden. Eine unabdingbare Voraussetzung fürdas Gelingen von PCP-Unternehmungen sind daherBürger meisterInnen, die bereit sind, Macht undKontrolle ein Stück weit abzugeben.

Bedingungen und Wirkungen gelingen-der PCP-Unternehmungen

Da PCP-Unternehmungen unterschiedliche Interes -sen innerhalb der Gemeinde berühren, sind anderen Entwicklung heterogene Arbeitsgruppenbeteiligt, was hohe Anforderungen an die Prozess -begleitung stellt. Generell müssen sowohl auf Seitender Gemeindeführung als auch auf Seiten derBürgerInnen gewisse Vorbedingungen vorhandensein. So dürfen die Akteure mit dem PCP-Vorhabenkeine versteckten Absichten verfolgen, wie etwasich für die nächsten Kommunal wahlen ins Lichtrücken zu wollen. Auch müssen die Bereitschaft zurTeilnahme, Verständnis für die Notwendigkeit einerkooperativen Problemlösung, finanzielle Mittel zumStart des PCP-Vorhabens sowie ein parteiüber-greifender Grundkonsens zwischen den zentralenkommunalpolitischen Akteuren gegeben sein.Wenn diese Vorbeding ungen erfüllt sind und sichBürgerInnen und die Gemeindeführung auf gleicherAugen höhe begegnen, sind mit PCP-Unter -nehmungen positive Effekte für die gemeinwohlori-entierte Entwick lung einer Kommune durchausrealistisch.

Neue Zusammenarbeitsformen zwischen Bürger - Innen und Gemeinde können dazu beitragen,kostengünstig die Erhaltung kommunaler Infra -struktur zu sichern sowie neue Leistungen für dieBewohnerInnen anzubieten. Gleichzeitig werdendie Vernetzungen in der Gemeinde entwickelt,BürgerInnen aktiviert und Frei willigenarbeit mo -bilisiert, sowie der Gemein schaftssinn und damitdas Sozialkapital in der Gemeinde ge stärkt.

Viele österreichische Gemeinden kämpfen in denletzten Jahren vermehrt mit Budgetproblemen beigleichzeitig wachsenden Herausforderungen. DieSchuldenlast führt dazu, dass viele Leistungen, diefrüher noch selbstverständlich von den Gemeindenwahrgenommen wurden, heute nicht mehr ohneweiteres leistbar sind. Diese Leistungen werden vielfach der sogenanntenkommunalen Daseinsvorsorge zugeordnet. Dazuzählen beispielsweise Schwimmbäder, Sozial -zentren, Seniorentaxis oder die Bereitstellung einerNahversorgungsinfrastruktur. Viele dieser Aufgabenwerden oft nicht von der Gemeinde selbst oderderen Unternehmungen sondern durch Privatewahrgenommen. Doch welche anderen Möglich -keiten bestehen, wenn etwa das defizitäre Ge -meinde schwimmbad nicht mehr weitergeführt wer-den kann?Partizipative Modelle können eine attraktiveAlternative zu Public-Private-Partnerships (PPPs)darstellen. Im Vergleich zu PPPs, bei denen kommu-

tet wird grundsätzlich mit dem gezeichnetenGenossenschaftsanteil und einem weiteren Betrag inderselben Höhe. Das unternehmerische Risiko, dasbei einer Beteiligung an einer PCP-Unternehmungeingegangen wird, ist daher gut abschätzbar.Weiters ermöglicht das Genossenschaftsmodell auf-grund seines flexiblen und zugleich professionellenOrganisationsrahmens den BürgerInnen eine aktiveMit gestaltung der Gemeindeentwicklung.Insgesamt sind Genossenschaften nahezu prädes-tiniert dafür, die Erfüllung kommunaler Aufgabenbürgernah zu gewährleisten, Freiwilligenarbeit zumobilisieren, Sozialkapital zu generieren undgleich zeitig die Kontrolle der Verwendung öffent -licher Gelder sicherzustellen.

Beispiele bewährter Genossenschaften

In der norddeutschen Stadt Wunstorf nahe Han -nover wurde im Jahr 2005 die Genossenschaft Natur -erlebnisbad Luthe eG gegründet, die derzeit auf etwaeintausend Mitglieder verweisen kann. DieGenossenschaft übernahm die Revitalisierung einesgemeindeeigenen Schwimmbades, das geschlossenwerden sollte. Nicht zuletzt durch ehrenamtlicheLeistungen der BürgerInnen reduzierten sich dieSanierungs- und Betriebs kosten des naturnahenFreibades deutlich. Die Stadt Wunstorf stellt derBetriebsgenossenschaft das Freibadareal für einensymbolischen Pachtzins von einem Euro im Jahr zurVerfügung und leistet zudem einen jährlichenKostenzuschuss.Vergleichbare Beispiele finden sich auch im Bereichder Nahversorgung. Anfang 2011 wurde etwa imniederösterreichischen Kirchstetten eine Nahver -sorger-Genossenschaft gegründet, da der letzteNahversorger im Ort schließen musste. Die Vor -standsposten werden ehrenamtlich von Bürgernübernommen, die in der gleichzeitigen Rolle alsUnternehmensberater und Prokurist betriebs -wirtschaftliches Know-how einbringen. Nach nureinem Monat zählte die Genossenschaft bereits 110Mitglieder, wobei viele sich bereits im Zuge derAdaptierung des Geschäftslokals mit ehrenamtli -cher Arbeit einbrachten.

Erforderliche Bereitschaft der Gemeinde -führung

Forschungsergebnisse der WirtschaftsuniversitätWien zum Thema PCP zeigen, dass grundsätzlichauf Seiten der BürgerInnen die Bereitschaft zuehren amtlichem Engagement in ihrer Gemeindebesteht, was sich durch geleistete ehrenamtlicheTätigkeiten belegen lässt. Dieses Engagement be -zieht sich allerdings hauptsächlich auf das regionaleVereinsleben ohne Bedeutung für zentrale kommu-nale Versorgungsleistungen. Auch von den Gemein -de politikerInnen wird dies ähnlich gesehen: Bürger -

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nale Aufgaben zur Gänze an private, lokal oft nichtverankerte sowie profitorientierte Anbieter aus-lagert werden, kooperieren bei Public-Citizen-Partner ships (PCPs) die Gemeinden mit ihrenBürgerInnen, indem gemeinsam Konzepte für diekommunale Daseinsvorsorge erarbeitet und umge-setzt werden.

Erfolgsmodell Genossenschaft

Die Genossenschaft eignet sich aus mehrerenGründen für PCP-Modelle: Der Ein- und Austritt derMitglieder, also der beteiligten BürgerInnen, ist ein-fach. Sie zeichnen einen Genossen schaftsanteil,dessen Höhe von der Satzung bestimmt wird, undbekommen so ein Mitsprache- und Mitgestaltungs -recht. Dabei hat jeder Kopf eine Stimme. Gleich -zeitig beschränkt der Genossen schaftsanteil auchdie Haftung der Genossen schafts mitglieder. Gehaf -

Genossenschafts- und Kooperationsmodelle

Prof. Dr. Dietmar Rößl I Mag. Elisabeth Reiner I Dr. Richard LangIn den Jahren 2008 bis 2010 beschäftigte sich das

Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaftenan der Wirtschaftsuniversität Wien in einem vom Österreich i -

schen Gemeindebund in Auftrag gegebenen Forschungsprojektmit genossenschaftlichen Public-Citizen-Partnerships (PCPs)

als Alternative zur Lösung kommunaler Aufgaben.www.wu.ac.at/ricc

„Genossenschaftsmodelleermöglichen eine aktiveMitgestaltung derGemeindeentwicklungdurch die BürgerInnen.“

„Generell müssen sowohlauf Seiten der Gemeinde -führung als auch aufSeiten der BürgerInnengewisse Vorbedingungenvorhanden sein.“

Eine überörtliche Zusammenarbeit von Gemeindenträgt auch dem Gemeinwohl Rechnung

vorum: Herr Sonderegger, welche Bedeutung undRelevanz hat der Begriff des Gemeinwohls für Siein Ihrer Funktion als Bürgermeister und Präsidentdes Vorarlberger Gemeindeverbandes?Harald Sonderegger: Gemeinwohl lässt sich sehrbreit verstehen und wird trotz der impliziertenObjektivierung des Begriffs meist sehr subjektivverwendet und verstanden. Je nach Einzelinteresse,Haltung und Standpunkt ändert sich auch diePerspektive und somit der Anspruch an Ent -scheidungen zum Wohle der Allgemeinheit. Fürmich ist daher wesentlich, dass trotz verschieden-ster Eigeninteressen und unterschiedlichster Auf -fassungen zu einem bestimmten Sachverhalt dieBereitschaft besteht, im Interesse eines langfristigfriedlichen und kooperativen Zusammenlebensinnerhalb einer Kommune einen gemeinsamenKonsens zu suchen und auch zu finden.

vorum: Somit bewegen Sie sich als Bürgermeisteroftmals im Spannungsfeld zwischen Einzel- undAllgemeininteresse. Wie gelingt dieser Spagat?Harald Sonderegger: Als Bürgermeister – und dasvergessen viele – haben Sie sich in vielenThemenbereichen in allererster Linie innerhalb desRahmens der Gesetzgebung zu bewegen. Um abwä-gen zu können, wie Entscheidungen im Sinne einesbestmöglichen Konsenses vorangebracht werdenkönnen, braucht es neben politischem Gespür undentsprechender Sachkenntnis eine stark aus-geprägte mediative Kompetenz. Wenn es Ent -scheidungen ohne klare Verlierer gibt, sondern einKonsens gefunden wird, in dem sich jeder Einzelnein der einen oder anderen Form wiederfindenkann, dann hat man schon viel im Sinne desGemeinwohls erreicht. Wenn man jedoch denKonfliktbogen überspannt, immer wieder Ein -spruch erhebt, Entscheidungen anficht und bis zurletzten Instanz weiterzieht, dann ist letztendlich

auf dem Weg dorthin oft mehr an Vertrauen undKonsensbereitschaft verloren gegangen, als allenBeteiligten lieb sein kann. Wahre Sieger sehenanders aus.

vorum: In welcher Form können Gemeindeko -operationen dem Gemeinwohl dienen?Harald Sonderegger: Kooperationen dienen danndem Gemeinwohl, wenn sich für die Beteiligteneine Win-win-Situation ergibt. Das kann, muss abernicht zwingend eine finanzielle Ersparnis be -deuten. Vielmehr ist entscheidend, dass durch dieKooperation die Qualität des Angebots für denBürger gesteigert werden kann, ohne die eigeneLeistungskraft der Gemeinde und ihrer Ein -richtungen zu überspannen. So wird es zumBeispiel nie möglich sein, in allen Gemeinden einflächendeckendes und zeitlich ganzjähriges Kinder-und Schülerbetreuungsangebot von 7 bis 19 Uhr an -zubieten. Wenn Gemeinden in vertretbarer Ent -fernung sich hier aber zu Kooperationen undSchwerpunktbildungen entschließen, dann wirdein solches Angebot für alle, die es brauchen,möglich und auch leistbar.

vorum: Nahversorgung, beziehungsweise Daseins -ver sorgung insbesondere in Klein- und Kleinst -gemeinden ist ein wichtiges Anliegen im Land.Inwiefern können Kooperationen hier zum Geling -en beitragen?Harald Sonderegger: Kooperationen in den klassi -schen Bereichen der Daseinsvorsorge haben einelangjährige Tradition. Beispiele sind hier Schuler -halt ung sverbände, Wasser- und Abwasserverbände,Musikschulen und in den letzten Jahren habenauch in diversen Verwaltungs bereichen wie bei -spielsweise in der Personal- und Bauver waltungsowie im Bereich der Betreuung und Pflege Ko - opera tionsmodelle Einzug gehalten. Diese dienenjedoch nicht primär der Einsparung, sondern hierstehen ebenfalls die Absicherung des Angebotes ansich und die Erhöhung der Dienstleistungsqualitätfür den Bürger im Vordergrund. Hier sind diegemeinsam mit dem Land entwickelten Anreiz -systeme attraktiv. Die überörtliche Zusammen -arbeit muss jedoch auf einer stabilen Ver trau -ensbasis und einem breiten und freiwilligenKonsens der Gemeinden beruhen, wenn sie nach-haltig gelingen und damit zum Gemeinwohl beitra-gen soll.

vorum: Besten Dank für das Gespräch!

Alternative Lösungstrategien für die Erfüllung kommunaler Aufgaben

Mag. Harald Sonderegger ist Bürgermeister derGemeinde Schlins und seit Mai 2011 Präsident des

Vorarlberger Gemeindeverbandes.www.gemeindeverband.at

E-Mail: [email protected] bieten sich zum Erhalt der dörflichen Nahversorgung an.

„Wenn es Entscheidungenohne klare Verlierer gibt,hat man schon viel imSinne des Gemeinwohlserreicht.“

Foto: RICC

Foto: Harald Sonderegger

Page 5: vorum · niale strukturelle Gewalt abzubauen oder diese zu festigen. Die Subsistenzperspektive ist kein Zurück in die Steinzeit, sondern eine realistische, realisier-bare und notwendige

Für Michael Emmenegger sind Vertrauen,Kooperation und Partizipation wichtige Pfeilerfür das Gelingen von Planungsprozessen. FürStädte und Gemeinden konzipiert und mode -riert der Sozial wissenschaftler Prozesse zurRaument wicklung unter Einbezug der An -spruchs gruppen. Gemeinsam mit WolfgangPfefferkorn aus Wien hat er im Auftrag derStadt Bregenz den Planungsprozess zur Neu -gestalt ung des Kornmarktes und der um -liegenden öffentlichen Räume entwickelt unddas dazugehörige öffentliche Mit wirkungsver -fahr en mit Interessensgruppen und über 200Bürgerinnen und Bürgern gestaltet und mo -deriert.

vorum: Herr Emmenegger, wie definieren Sie denBegriff Gemeinwohl für sich?Michael Emmenegger: Ich glaube nicht, dass sichder Begriff Gemeinwohl definieren lässt – außerman geht von der Möglichkeit eines herrschafts-freien Diskurses aus, in welchem durch Überzeu-gung ein Konsens bezüglich der gesellschaftlichenWerte und der Gemeinwohl-Prinzipien erreichtwerden kann.

vorum: Wer prägt eigentlich die unterschiedlichenGemeinwohl-Perspektiven?Michael Emmenegger: Diese Perspektiven, ihrePosition und Bedeutung sind stark durch die beste-henden Machtkonstellationen bestimmt. Was als„dem Gemeinwohl dienlich“ gilt, basiert meinerMeinung nach weniger auf einem gemeinsam aus-gehandelten Werte-Verständnis, als dass esAusdruck einer im Idealfall durch die politischeMehrheit formalisierte Vorstellung vom „Wohleder Gemeinschaft“ ist. Verkomplizierend wirkt,dass Vorstellungen vom „Gemeinwohl“ sich grund-sätzlich unterscheiden – ob wir uns im Feld derPolitik, der Ökonomie oder im Sozialen bewegen.Aus dem Blickwinkel des jeweiligen Feldes als„richtig“ erachtete Gemeinwohl-Perspektiven kön-nen sich zwischen den Feldern diametral wider-sprechen – und trotzdem von den gleichenAkteuren ausgesprochen und vertreten werden.

vorum: Wie fließt der Begriff Gemeinwohl in IhreArbeit ein?Michael Emmenegger: Ich arbeite wenig mit demBegriff des Gemeinwohls. In meiner Arbeit ver-suche ich Voraussetzungen zu schaffen, damit dieunterschiedlich mächtigen Akteure und ihrePerspektiven auf das Gemeinwesen miteinander ineine Auseinandersetzung treten können und ver-suchen, gemeinsam zu bestimmen, worin dennzum Beispiel bei einer Gemeindeentwicklung,einem öffent lichen Bauprojekt oder bei einerMaßnahme zur gesellschaftlichen Integration diePunkte bestehen, die insgesamt dem Wohl desGemeinwesens am besten dienen.

vorum: Wie kann eine Lösung – in einem für dasGemeinwesen relevanten Sachverhalt – die Vor -stellungen und Wünsche aller daran Beteiligtenbeinhalten? Michael Emmenegger: Das geht natürlich nur, wennder Sachverhalt überhaupt verhandelbar ist, wennunterschiedliche Perspektiven Platz haben und einHandlungsspielraum vorhanden ist. Dabei kommtder Verständigung eine große Bedeutung zu. Dennnur, was alle verstehen, kann gemeinsam verhan-delt werden. In diesem Aushandlungsprozessbleiben die bestehenden Machtverhältnisse insge-samt jedoch weitgehend unangetastet. Es werdenaber Lernprozesse in Gang gesetzt, die helfen, dieunterschiedlichen Perspek tiven auf das Gemein -wesen zu entdecken und dank einer Kultur derPartizipation auch in ein fruchtbares Ergebniseinzubinden.

vorum: Wie stellen Sie in Ihrer Arbeit sicher, dassdie dafür notwendigen Aushandlungsprozesse mitallen betroffenen Akteuren stattfinden?

Michael Emmenegger: Dies kann nur sichergestelltwerden, wenn die Verantwortlichen bereit sind,alle Akteure und deren Meinungen in geeignetemMaß in einen Prozess einzubinden. Dies gelingtmanchmal gut und manchmal braucht es einigesan Überzeugungskraft. Hilfreich sind dazu einegenaue Analyse der bestehenden Situation und einklares Prozessdesign, in welchem die Regeln derBeteiligung verständlich gemacht und der Grad derMitwirkung bestimmt wird. Es braucht also injedem Fall eine sorgfältige Vorbereitung und eineKlärung der Verantwortlichkeiten und derRahmenbedingungen. Sind dann jedoch die rele-vanten Akteure von Beginn weg an den Ent -scheidungen beteiligt, entwerfen und tragen siediese sogar mit, dann sind diese auch breiterabgestützt. Wenn dann zusätzlich auch noch dieWidersprüche, die bei der gemeinsamen Arbeit imPlanungsprozess entstehen, von den Beteiligtenverstanden und unterschiedliche Positionen ausge-halten werden, dann ist viel erreicht.

vorum: Eine Haltung des Vertrauens in die Sacheund in die Akteure erscheint hier wohl wesentlichzu sein ...Michael Emmenegger: Unbedingt, meine Erfahrungzeigt, dass Partizipation Prozesse und Projektelangfristig tragfähig und erfolgreich macht unddass das Vertrauen, welches die Akteure durch der-

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artige Prozesse zueinander aufbauen, den oftersuchten Kulturwandel in Entwicklungsprozessenoder bei Bauvorhaben möglich macht. Damit wer-den natürlich auch die oben genannten Ent -scheidungen vorbereitet – durch das sorgfältigeAushandeln und die breite Abstützung durchaus imSinne eines von der Mehrheit der Anwesendendefinierten Gemeinsamen, was aus dieser Per -spektive eigentlich dem Gemeinwohl ent spricht.

vorum: Und Kooperation und Partizipation könntensomit der Schlüssel für ein Handeln im Sinne desGemeinwesens sein?Michael Emmenegger: Vielleicht sind sie nicht ge -rade die Schlüssel zum Erfolg, aber es sind wirk-same Hilfsmittel. Voraussetzung ist einfach, dass inProzessen mit unterschiedlichen Anspruchs -gruppen eine Kultur der Partizipation undKooperation Einzug halten kann und Einbezug,Beteiligung und Mitwirkung sowie die Möglichkeit,Verantwortung zu übernehmen in der Struktur desPlanungsprozesses angelegt sind und nicht nurBeteiligungs-Methoden angewendet werden.Kooperation und Partizipation sind heute Grund -voraussetzungen zeitgemäßen Verwaltungs -handelns und zeigen als neue Planungskultureinen Kulturwandel an, der in der Verwaltung undgenerell in Planungsfragen seit einiger Zeit institu-tionalisiert wird. Regional-, Gemeinde- undStadtentwicklung findet heutzutage vermehrt ineinem Rahmen statt, in welchem Akteure mitunterschiedlichen Ansprüchen mögliche Lösungs -wege gemeinschaftlich aushandeln. Dabei gilt esjedoch, die Regeln der Partizipation und Koopera -tion genau zu berücksichtigen.

vorum: Besten Dank für das Gespräch!

Wie Planungsprozesse im Sinne des Gemeinwohls gelingen können

„Partizipation machtProzesse und Projekte langfristig tragfähig.“

„Gemeinwohl ist dem stetigen Aushandlungs-prozess der gesellschaft-lichen Akteure mit ihrenunterschiedlichen Gemeinwohl-Perspektivenunterworfen.“

Michael EmmeneggerBüro für Analyse und Management

sozialer Prozesse, Zürichwww.michael-emmengger.ch

Gemeinwohl – was für eine edle Ansage! Jahrhundertelang der Inbegriff für genera -tionen taugliches Wirtschaften von örtlichenGe mei n schaften mit und in der Natur. Bewährtund verteidigt als Garant dafür, dass Natur -räume und Naturgüter nicht übernutzt, sondernunbe schadet an die Nachkommen weitergege -ben werden konnten.

Die Allmein bzw. Allmende ist das Vorzeige -beispiel dafür, dass das generationentauglicheWirtschaften auch bei uns funktionierte. Bereitsvor Kolumbus in Amerika landete, gab sich derVölkerbund der Irokesen das „Great Law ofPeace“. Ganz im Gegensatz zu unseren heutigen,oftmals gemeingefährlich kurzsichtigen Ent -scheid ungen war einer der wichtigsten Grund -sätze, dass alle Handlungen so getroffen werden,dass bis in die siebte Generation niemand zuSchaden kommt. Die Priorität war auf die lebens -erhaltenden Systeme zu legen, auf Gemeingüterwie reines Wasser, gesunden Boden, unbelasteteLuft.

Fehlentwicklungen und Missbrauch imNamen des Gemeinwohls

Aber wann war wohl der tipping point? Seit wannwird das Gemeinwohl als „Öffentliches Interesse“so missbraucht, dass in dessen Namen alleSchleusen für die wirtschaftlichen Begierdengeöffnet werden können?

Schon in den 80er Jahren des vorigen Jahr -hunderts stellte Prof. Hans Christoph Binswanger,Volkswirtschaftler an der Universität St. Gallen,fest: „Ständig wird Natur zu Geld gemacht. Sofunktioniert das System. Wir verkaufen bereitsMenschenrechte für kurzfristigen Profit.“

Wie oft waren wir von der Gegenseite so titu -lierten Naturschützer in den letzten Jahren

machtlos und entsetzt vor der Tatsache, dass mitdem Begriff „Gemeinwohl“ bzw. dem per-vertierten „Öffentlichen Interesse“ alle negativenAmtsgutachten niedergebügelt wurden.Da kann zum Beispiel ein Obmann völlig un -gerührt öffentlich sagen: „Von den über zehnnötigen Amtsgutachten im Verfahren sind ja nurdrei negativ.“ Diese drei sind aber die, die für einelebenswerte Welt der nächsten Generationen amfundamentalsten sind: Naturschutz, Wasserwirt -schaft, Geologie.

Kinder haften für ihre Eltern

Die Aussage „Kinder haften für ihre Eltern“ ist beiunserem derzeitigen Lebensstil wohl unausbleib-lich. Fatalstes Beispiel ist die weltweit ungelösteAtommüll-Lagerung. Ein Verbrechen an den kün-ftigen Generationen. Warum nicht hinterfragenund weiterdenken? Die sogenannten „Wirtschaft -lichen Zwänge“ sind doch kein eisernes Gesetz!

Je mehr Menschen auf begrenzten Räumen leben(müssen), desto nötiger, ja not-wendiger werdenTabuzonen. „Seelenlandschaften“, die im Sinnedes buchstäblichen Gemeinwohls vor weiterenmenschlichen Eingriffen bewahrt werden müs -sen. Für mein Engagement – bei allen Ent täu -schun gen – heißt jedenfalls das Schlüssel wortTROTZDEM!

Gemeinwohl basiert wohl darauf, dass alle inihrem kleinen oder großen Umfeld verant-wortlich handeln. Oder wie Fulbert Steffensky esausdrückt: „Hoffen lernt man auch dadurch, dassman handelt, als sei Rettung möglich.“

Hildegard Breiner, Obfrau des Vorarlberger undVizepräsidentin des Österreichischen

Naturschutzbundes, Sprecherin der VorarlbergerPlattform gegen Atomgefahren,

Aktivistin für die Erneuerbaren Energien. Sie lebt in Bregenz und wirkt mit ihrem Engagement

weit über die Landesgrenzen hinaus.E-Mail: [email protected]

Die Brazer Allmein wurde 2001 gegen die Pläne zur Golfplatz-Erweiterung verteidigt. Foto: Hildegard Breiner

Foto: Gian Vaitl

Urbanes Flair für Bregenz: Modellfoto des neuen Kornmarktplatzes. Foto: VOGT Landschaftsarchitekten

Foto: Hildegard Breiner

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Ein ganz besonderes Problem dieser Betei -ligungswirk lichkeit ist die Kontrasterfahrung, dieBürgerinnen und Bürger machen: Auf der einenSeite werden sie umworben, zu Beteiligung undEngagement aufgefordert, als unverzichtbarePartner angesehen. Zugleich aber kann esgeschehen, dass die Flächenwidmung für einneues Betriebsgebiet im engsten Kreis entsch-ieden oder ein Infrastrukturprojekt ohneöffentliche Diskussion begonnen wird. SolcheNegativ erfahrungen verstören und entwerten allepositiven Ansätze.

Hyperaktive Kommunikation?

Stuttgart hat viel bewirkt. Es wird nach mehrBürgerbeteiligung, innovativen Verfahren lokalerDemokratie und manchem mehr gerufen. DieBranche der Moderatorinnen und Kommuni -katoren erlebt einen ungeahnten Aufschwung –und macht dabei nicht nur gute Erfahrungen:„Wie gehen wir denn dieses oder jenes Projektan, um Probleme wie in Stuttgart zu vermeiden?“So oder ähnlich können die Fragen lauten – undwenn sie so nicht gestellt werden, sind sie dochnicht selten so gemeint. Will sagen: Denen, die sofragen, geht es nicht um Beteiligungskultur, son-dern schlichtweg um Befriedung.

Aber auch in jenen Prozessen, die bereits kom-munikativ angelegt sind, verändern sich dieAnforderungen: „Twittern Sie auch?“, „Siemachen doch sicher auch Beteiligung von Jugend -lichen!“, „Wir müssen auch an die Ausländerran!“ Solche Forderungen kommen aus Verwal -tung und Politik gleichermaßen. Man möchte sich die Augen reiben angesichtseiner solchen Aufbruchstimmung und wird aberzumeist auf den Boden der Tatsachen zurück-geholt, wenn man die Frage stellt: „Wozu möcht-en Sie denn das?“ „Woran könnten sich dieGruppen, die Sie erreichen wollen, denn mitAussicht auf Wirkung beteiligen?“ „Sind Sie bere-it und in der Lage, die Ergebnisse eines solchenVerfahrens auch aufzugreifen und transparentmit ihnen umzugehen?“ Sehr bald wird dann deutlich: Da wird Betei -ligung um ihrer selbst willen betrieben.Möglichst viele Teilnehmer hier, möglichst vieleKlicks dort, möglichst gutes Echo in der Pressefür ein möglichst reibungsfreies Beteiligungs-Event. Diese Kommunikationsbemühungen sind nichtselten effekthascherisch und bleiben selbst dann,wenn sie von guten Absichten geleitet sind, oftkurzatmig. In nicht wenigen Fällen erzeugt einsolcher Aktionismus zudem Frustrationen beidenjenigen, sie sich zur Teilhabe eingeladensahen, aber sich nicht ernst genommen sehen.

Lokale Beteiligungskultur brauchtGeduld und einen langen Atem

Nein, es steht vielerorts nicht gut um die lokaleBeteiligungskultur. Es gibt zwar zahlreiche An -läufe in die richtige Richtung – aber oft fehlt es amlangen Atem, an der notwendigen Unter stützungderjenigen, die sich für Beteiligung einsetzen, vorallem aber an der mehrheitlichen Bereit schaft,sich den Anforderungen und Ergebnissen eineroffenen Kommunikation auszusetzen.

In dieser Situation wird oft nach „neuenMethoden“ oder „innovativen Verfahren“ ge -rufen. Genau daran, an der Methodenvielfalt undVer fahrenskreativität, mangelt es aber nicht.Defizitär ist das wechselseitige Vertrauen, dieGewissheit, dass lokale Demokratie gelebt wirdund nicht nur Verfahren abgewickelt werden. Wo können denn die Bürgerinnen und Bürger tat-sächlich die Gewissheit haben, dass sich dieGemeindeentwicklung nicht über sie hinweg voll -

zieht? Statt von einer Gewissheit sprechen zukönnen, die sich auf Erfahrung stützt und inwechselseitigem Vertrauen mündet, herrschtzumeist Misstrauen vor, auf allen Seiten. Die sich so immer wieder neu erzeugenden Vor -urteile zu überwinden setzt nicht einige beson-ders gelungene Beteiligungs verfahren, sonderneine Umorientierung auf breiter Basis voraus –insbesondere auch in Politik und Verwaltung, wooft noch starke Ängste und Vorur teile wirksamsind.

Insofern gehen Ansätze in die richtige Richtung,die kommunales Handeln in der Breite neu aus-richten und die Bürgerorientierung ernstnehmen. Auch dafür gab und gibt es positiveBeispiele. Allen, die auf diesem zweifellos geradezu Beginn sehr steinigen Weg weiter gehen, seiausreichend langer Atem gewünscht. Auf dass inZukunft dann – per T-Shirt oder auf andere Weise– festgehalten werden kann: „Es ging dann docheiniges in die richtige Richtung.“

Stuttgarter Bahnhof im Herbst 2010:Fassungslos aber friedlich stehen viele hun-dert Menschen dem Polizeiaufgebot gegen -über, hinter dem die Bagger ihre Arbeit ver-richten. Unter ihnen ein junger Mann, aufdessen T-Shirt zu lesen ist: „Something WentWrong“.

Aber, und das macht diesen T-Shirt-Spruch sointeressant: nicht nur in Stuttgart! Auch in vielenanderen Städten und Gemeinden scheint inSachen Bürgerbeteiligung einiges in die falscheRichtung gelaufen zu sein.

Zuschauerdemokratie, Wutbürger oderwas?

Lange Zeit wurde beklagt, dass sich Bürgerinnenund Bürger nicht für die Politik interessierten. Sieblieben, so hieß es nicht nur von den Politik -wissenschaftlern, auf den Zuschauertribünen derpolitischen Arenen sitzen und nähmen zuneh -mend „apathischer“ die Prozeduren und Resultatedes politischen Handelns zur Kenntnis. Das Wortvon der „Zuschauerdemokratie“ machte die Rundeund schien zur Gewissheit geworden zu sein.

Und nun das: In einer nicht eben für aufmüpfigesBürgertum bekannten schwäbischen Großstadtbricht ein Sturm los, der ganz Deutschland er -schüt tert und selbst im Ausland Aufmerksamkeitauslöst. Bis tief ins bürgerlich-konservative Lagerherrscht Aufruhr – gegen ein Verkehrs- und Städte -bau projekt, vor allem aber gegen einen Politikstil,der Kommunikation verweigert, Beschlüsse inkleinen Zirkeln fasst, sie formal legitimieren lässtund – wo nötig – mit Gewalt durchsetzt.

Wenn sich Bürgerinnen und Bürger unüberhörbarins politische Geschehen einmischen, scheint dasaber manchen auch nicht recht. Denn schon kur-siert ein neues Schlagwort: „Wutbürger“. Viele ver-wenden ihn als eine Art Kampfbegriff, mit dem dieProtestierenden gleichsam zu unberechenbaren,emotionalen Wesen gestempelt werden. Ob apathisch auf den Tribünen oder wütend im

Dialog ausgerichtete Einzelveranstaltungen undmehrjährige, komplexe Verfahren. Aber ihnen ist eines gemein: Sie bleiben fastimmer Ausnahmen von der Regel. Ihre Reichweiteist begrenzt. Oft übernehmen Spezialisten, dieman für einige Zeit mit dieser Aufgabe betraut, dieGestaltung kommunikativer Prozesse. Denen mages durchaus gelingen, viele Akteure einzubinden,anregende Veranstaltungen durchzuführen und soauch inhaltlich gute Ergebnisse zu erzeugen. Aberwas mit denen im nachfolgenden, oft langjährigenEntscheidungsprozess geschieht, bleibt unklar.Zugleich führt diese Auslagerung der kommunika-tiven Aufgaben dazu, dass innerhalb von Politikund Verwaltung alles beim Alten bleiben kann.Eine strukturelle Neuorientierung hin zu mehr

Bürgerorientierung wird so vermieden und Nega -tiv-Spiralen werden aufs Neue in Gang gesetzt.„Bürgerbeteiligung ist nicht nach Belieben an-oder abzuschalten. Lokale Beteiligungskultur istnur ganz oder gar nicht zu haben.“

Es gibt auch Kommunen, in denen anders ver-fahren wird: Da entwickeln einzelne Ämter oderGruppen durchaus hohe Kompetenzen beim Um -gang mit Bürgerinnen und Bürgern, aber schonauf dem nächsten Verwaltungs-Flur weiß mannichts davon.

Stadtpark – beide Zuschreibungen sind nicht nurpolemisch und vereinfachend, sie vermeiden eszudem, nach Ursachen für Defizite der politischenPraxis in den öffentlichen Verwaltungen sowie derlokalen politischen Klasse zu fragen.

Schlechte Praxis und die Spirale derVorurteile

Wer die Praxis der Stadt- und Gemeindeent -wicklung aus der Nähe betrachtet, wird in der Tatauf alle Formen der Kommunikationsver -weigerung stoßen: Planungs- und Entscheidungs -prozesse werden vor Einblicken von außen ab -geschottet und die vermeintlich ohnehin nurstörenden Bürgerinnen und Bürger erfahren erstvon den Absichten, wenn das Wesentliche ent -schieden ist. Einige Originaltöne aus der kommu-nalen Praxis mögen das illustrieren: „Das ist zusensibel!“, „Das soll man nicht in die Öffent lich -keit zerren!“, „Das lasse ich mir doch nicht zerre-den!“ … Natürlich ist es nur teilweise richtig, dies unterKommunikationsverweigerung zu subsumieren.Denn Kommunikation findet in solchen Fällendurchaus statt – in engstem Kreise, auf kurzenWegen, mit wenigen Beteiligten – eben jenen, aufdie es angeblich oder tatsächlich „ankommt“. Selbstverständlich wird nicht immer und überallden Bürgerinnen und Bürgern die Kommunikationverweigert. Sie findet statt. Aber wie? Allzu oftohne Wirkung: Entweder redet man nicht über dieaus der Sicht der Beteiligten wirklich wichtigenProbleme – das Kommunikationsangebot bleibtalso irrelevant. Oder aber: Es können zwar weit -reichende Vorstellungen entwickelt werden – aberdie entscheidenden Akteure lassen diese Ideen undKonzepte ins Leere laufen.

Die Beteiligten bleiben von solchen Erfahrungennicht unbeeindruckt. Dass „doch sowieso allesandernorts entschieden werde“, ist eine oft zuhörende und, wie jeder aus der Praxis bestätigenkann, allzu oft zutreffende Feststellung. DieBürgerinnen und Bürger klagen allerdings nichtnur, sondern ziehen auch ihre Konsequenzen. Unddie lauten beispielsweise: „Wenn Du etwas bewir -ken willst, bringen die Bürgerver sam mlungennichts … Wir machen das lieber mit der Presse –die freut sich über so was …“. Eine andere Kon -sequenz: „Da gehe ich nie wieder hin.“ Womitdann alle Beteiligten ihre negativen Vorurteileüber die Rolle der Bürger bei der Stadt- und Ge -meindeentwicklung aufs Schönste bestätigt hätten.

Beteiligung in Grenzen?

Es gibt durchaus auch Positivbeispiele: sinnvolleBeteiligungsprozesse, groß angelegte, offensiv auf

Vom langen Weg zur lokalen Beteiligungskultur

„Planungs- undEntscheidungsprozessewerden häufig vor Ein -blicken von außen abge-schottet.“

Was läuft bei Beteiligungsprozessen falsch?

Univ.-Prof. Dr. Ing. Klaus SelleRWTH Aachen; Lehrstuhl für Planungstheorie und

Stadtentwicklungwww.pt.rwth-aachen.de

Foto: Klaus Selle

„Bürgerbeteiligung istnicht nach Belieben an-oder abzuschalten. LokaleBeteiligungskultur ist nurganz oder gar nicht zuhaben.“

Auftaktveranstaltung zum Bürgerbeteiligungsverfahren für den neuen Kornmarktplatz in Bregenz. Foto: Curt Huber

Foto: Bregenzer Salon

Page 7: vorum · niale strukturelle Gewalt abzubauen oder diese zu festigen. Die Subsistenzperspektive ist kein Zurück in die Steinzeit, sondern eine realistische, realisier-bare und notwendige

Der Bregenzer Salon ist ein offenerDenk-Raum mit GemeinwohlcharakterHeute wird Raum zur Rarität. Wir bauen immernäher. Jeder Einzelne hat immer weniger Raumzur Verfügung. Nicht zuletzt aus diesem Grundzieht sich jeder Einzelne mehr und mehrzurück, grenzt sich ab … und wird unfreund -licher, egoistischer, intoleranter. Zudem bre chenalte Struktu ren, Verhaltensmuster und Wer tezusammen, was die Menschen verunsichert.

Der Gemeinwohlcharakter desBregenzer Salons

Der Bregenzer Salon stellt seinen Gästen Freiraum,Zwischenraum und Innenraum zur Verfügung, umdann im Außen wirken zu können. Der jeweilsganz persönliche Ansatz der Salongäste lässt sieVerantwortung übernehmen für den eigenenKontext und so im Außen angemessener handeln.Die „Zur-Verfügung-Stellung“ des achtsam gehos -teten Raumes hat Gemeinwohlcharakter. DerAußenraum wird dann mit neuen Ideen bepflanzt,die im Salon, einem Zwischenraum von ganz pri-vat und öffentlich, großgezogen wurden.

Wie kann man wieder Wohlfühlplätzeschaffen?

„Was braucht ein Ort, an dem ich wieder zum ICHwerden kann, um dann zum echten Wir zu gelan-gen?“ Diese Frage hat eine Teilnehmerin an einemoffenen Salonabend gestellt. Es gibt Orte, an denensich Menschen wohlfühlen, und solche, die sieschwächen. Im städtischen Raum gibt es immerweniger "Wohlfühlplätze". Wenn Men schen ihreHäuser verlassen, fühlen sie immer seltener dieIdentität von einem Ort. Die Teil nehmerin wurdezur Gastgeberin ihrer Frage im geschütztenRahmen an einem kleinen Tisch mit drei anderenSalongästen. So konnte sie sicher sein, gut gehörtund verstanden zu werden. Das empathische und auch „schöpferische“ Zu -hören1 ermöglicht im Bregenzer Salon das Gewahrwerden dessen, was vom Träger einer Idee odereiner Frage gesagt werden will. Das wirklich inter-essierte Zuhören zieht ganz besondere Wortezutage, was die Teilnehmenden oftmals über-rascht. So ordnet sich manch noch zaghafterGedanke, und reiht sich an die Assoziation desVorredners.

Es wird als Reichtum beschrieben, dassandere interessiert zuhören

Da jede halbe Stunde die Dialogpartner wechseln,die Salongäste von den anderen Tischen, die sichmit anderen Themen befassen, wieder neu in dasFolgende eintauchen, trifft immer wieder Frischesauf das gerade geborene Gedankengut. Durch dasvernetzende Denken am Tisch und durch die

Verbindungen der Gespräche über den Abend unddie Tische und Themen hinweg wird eine große,kollektive Konversation „gewoben“.

Nach insgesamt drei Gesprächsrunden, unter-brochen von angenehmen Pausen, kommen alleSalongäste in den Kreis zurück und berichten überihre Wahrnehmungen. Viele aus der tieferenEinsicht gewonnenen, oft im Moment geschöpftenBeobachtungen werden freigiebig geteilt.Das „Sich-Einlassen“ auf die Themen anderer,wirklich gehört zu werden, und Interesse für dieeigene, gelebte Meinung entgegengebracht zubekommen, die Abwechslung von aktivem Zu -hören und anteilnehmenden Fragenstellen erlaubtdie Verlangsamung und das Sich-Näherkommen.Darin liegt die Stärke des Abends und darin, dassniemand vorher weiß, was die Themen sein wer-den, die von den tieferen Herzensgründen derTeilnehmer kommen. Die Bewegtheit des Themen -halters kreiert sofort echte Betroffenheit undBegeisterung in den Zuhörern, die so wie von selbstzu natürlichen Beratern werden. Am Ende desAbends nach einer kurzen Reflexionszeit bereitensich die Teil nehmer für die Schlussrunde vor: Wasist mein nächster eleganter Schritt? Wie vonZauberhand haben sich bis jetzt fast immerLösungen für komplexe Problemstellungen oderAktionspläne für ungeborene Projekte gefundenund gar so oft ist an so einem Salonabend schondie Einladung für ein Kick-off-Event oder diekonkrete Um setzung einer Geschäftsidee gezim-mert worden.

Die Gestaltung des Ortes war schonmehrmals Thema

Man sieht, wie wichtig es den Menschen ist,darüber zu sprechen, sich auszutauschen, einfachals Bürger, mit ihren persönlichen, subjektivenund auch sehr verschiedenen Bedürfnissen, die amEnde doch viel Übereinstimmung als Erkenntnishervorbrachten. Wie würden Sie öffentlichenRaum gestalten, sodass er für Sie „stimmig“ ist?Wie würden Sie Ihren privaten Raum gestalten,der mit anderen geteilt wird oder auch nicht?Jemand wollte ein eigenes Traumdorf gründen, woMenschen in verschiedenen Lebenslagen länger-und auch kurzfristig unterkommen und inGemeinschaft wieder zu sich selbst finden kön-nen. Da es für das Traumdorf im Moment wederdas geeignete Grundstück noch die nötigen Mittelgibt, wird aus dem Projekt vielleicht ein modernesAltersheim werden ... ;-) Die Idee hat aber allegeistig sehr zum Kreativsein angeregt.

1 Die vier Stufen des Zuhörens nach Otto Scharmer,Massachusetts Institute of Technology (MIT): www.presencing.com

Mag. Ursula Hillbrand lebt und arbei tet als ChangeAgent in Brüssel, und hat, seit sie denken kann,

alle ihre Ferien in ihrem Stadthaus in Bregenz verbracht.Im Sommer 2010 hat sie dort mit ihrem Mann denBregenzer Salon ins Leben gerufen, einen Ort, der

authentische Begegnungen fördert.www.bregenzersalon.eu

Der Bregenzer Salon fungiert als Keimstätte für Ideenund Projekte, die die Resonanz der anderen brauchen,um auf die Welt zu kommen.

Nach einer kleinen Einführung wissen die Gäste, dassim Bregenzer Salon das gute Zuhören wichtig ist undzur Verlangsamung führt.

Wenn man es beim ungezwungenen Glas Wein beimAnkommen noch nicht gemerkt hat, so wird spätestensjetzt deutlich: Hier regiert Authentizität.

Wesentliche Utensilien sind Tischdecken für freiesZeichnen und Kritzeln. Mit bunten Farben kreativ durch-einander, eben chaordisch, bahnen sich die Bilder ihrenWeg vom Unbewussten ins bewusst Manifestierte.

Chaordisch meint: So wenig Struktur wie möglich,soviel Chaos wie möglich, um kreative Prozesse undInnovation durch Emergenz zu ermöglichen, ähnlichdem künstlerischen Prozess. Dee Hock, Die chaordischeOrganisation, 2008.