Workshop: Wie weicht man dem Gegner effektiv aus? - die...

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Workshop: Wie weicht man dem Gegner effektiv aus? - die "Gestänge"- Theorie von Prof. Dr. K. R. Kernspecht (EWTO-WingTsun) Dominique Brizin und Prof. Dr. K. R. Kernspecht 1 1 Universität Plovdiv (Bulgarien) und Universität Derby / Buxton (England) Schlüsselwörter: WingTsun, Selbstverteidigung, EWTO, "Weg sein", Einleitung Prof. Dr. Kernspecht befasst sich seit 50 Jahren mit dem Thema Selbstverteidigung und hier vor allem mit dem Phänomen des Ritualkampfes zwischen Männern. Aufgrund wis- senschaftlicher Forschungen der letzten Jahren hat er das WingTsun weiterentwickelt und vor allem dessen Unterrichtsform optimiert. Man könnte auch sagen: er ist bei seiner Neu- gestaltung des Konzepts zurück in die Zukunft gereist, da er die ursprünglichen, kampflo- gischen Prinzipien des WingTsuns wieder aufgegriffen hat, sich von traditionellen technik- orientierten Unterrichtsweisen gelöst und stattdessen eben einen prinzipien-orientierten Unterricht entwickelt hat. Geleitet von dem dreiteiligen Prinzip: "Was kommt, nimm auf. Was geht, das bringe auf den Weg. Ist der Weg frei, stoße vor." hat Kernspecht drei ver- schiedene Unterrichtssysteme ins Leben gerufen, die - je nach Entwicklungsstufe der Schüler - von einem noch recht unkooperativen, proaktiven hin zu einem vollständig inter- aktiven System reichen, in dem die Kraft des Gegners zu seinem eigenen Verhängnis wird. Methode In einer Selbstverteidigungssituation im Allgemeinen und im WingTsun im Besonderen gilt es, zwei Hauptziele zu erfüllen: auf der einen Seite kampffähig bleiben (oder kurz "weg sein") und auf der anderen Seite den Angreifer kampfunfähig machen (kurz "weg ma- chen"). Um Ersteres soll es in diesem Workshop gehen. Wie kann man gewährleisten, dass man dem Angreifer immer effektiv ausweicht, nicht getroffen wird und ihm dabei möglichst keine eigenen Impulse gibt, die er ausnutzen kann? Im WingTsun nutzen wir dazu die sogenannte "Staffel der Sinne": Sowohl der visu- elle Sinn (aufgrund von Antizipation und Mustererkennung), als auch v.a. der taktil- kinästhetische Sinn werden im WingTsun dazu verwendet, den Angriff des Gegenübers zu erkennen und angepasst darauf reagieren zu können. Unter Zuhilfenahme der Proprio- zeptoren geben wir dem Angreifer keinen Widerstand, sondern verbinden uns stattdessen mit ihm und seinem Angriff. Wir werden eins mit dem Gegner und lassen ihm seinen freien Willen. Dadurch dass wir mit ihm verbunden sind, greift nicht seine Hand, sondern als ers- tes unsere eigene Hand unseren Körper an - und dieser können wir ausweichen - womit gleichzeitig die gegnerische Hand ins Leere läuft. Durch das Verbinden mit dem Gegen- über entsteht ein Gestänge, ähnlich der Idee des Reiters, der mit einer Rute eine Möhre vor sein Reittier hält und es dadurch motiviert nach vorne Richtung Möhre zu reiten - diese aber natürlich nie erreichen kann. Zu beidem (visuelles als auch taktiles Vorgehen) sollen auf diesem Workshop Beispiele gegeben werden, um die Idee des "Weg seins" im WingTsun nachvollziehen zu können. Literatur Kernspecht, K.R.: Kampflogik 3 - Die Praxis des Treffens & Nicht-Getroffen-werdens, Kiel, Heidelberg, Livorno, 2011 Kernspecht, K.R.: Vom Zweikampf - Strategie, Taktik, Physiologie, Psychologie, Philosophie und Geschichte der waffenlosen Selbstverteidigung, Kiel, 1987

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Workshop: Wie weicht man dem Gegner effektiv aus? - die "Gestänge"-Theorie von Prof. Dr. K. R. Kernspecht (EWTO-WingTsun) Dominique Brizin und Prof. Dr. K. R. Kernspecht1 1 Universität Plovdiv (Bulgarien) und Universität Derby / Buxton (England)

Schlüsselwörter: WingTsun, Selbstverteidigung, EWTO, "Weg sein",

Einleitung Prof. Dr. Kernspecht befasst sich seit 50 Jahren mit dem Thema Selbstverteidigung und hier vor allem mit dem Phänomen des Ritualkampfes zwischen Männern. Aufgrund wis-senschaftlicher Forschungen der letzten Jahren hat er das WingTsun weiterentwickelt und vor allem dessen Unterrichtsform optimiert. Man könnte auch sagen: er ist bei seiner Neu-gestaltung des Konzepts zurück in die Zukunft gereist, da er die ursprünglichen, kampflo-gischen Prinzipien des WingTsuns wieder aufgegriffen hat, sich von traditionellen technik-orientierten Unterrichtsweisen gelöst und stattdessen eben einen prinzipien-orientierten Unterricht entwickelt hat. Geleitet von dem dreiteiligen Prinzip: "Was kommt, nimm auf. Was geht, das bringe auf den Weg. Ist der Weg frei, stoße vor." hat Kernspecht drei ver-schiedene Unterrichtssysteme ins Leben gerufen, die - je nach Entwicklungsstufe der Schüler - von einem noch recht unkooperativen, proaktiven hin zu einem vollständig inter-aktiven System reichen, in dem die Kraft des Gegners zu seinem eigenen Verhängnis wird.

Methode In einer Selbstverteidigungssituation im Allgemeinen und im WingTsun im Besonderen gilt es, zwei Hauptziele zu erfüllen: auf der einen Seite kampffähig bleiben (oder kurz "weg sein") und auf der anderen Seite den Angreifer kampfunfähig machen (kurz "weg ma-chen"). Um Ersteres soll es in diesem Workshop gehen. Wie kann man gewährleisten, dass man dem Angreifer immer effektiv ausweicht, nicht getroffen wird und ihm dabei möglichst keine eigenen Impulse gibt, die er ausnutzen kann? Im WingTsun nutzen wir dazu die sogenannte "Staffel der Sinne": Sowohl der visu-elle Sinn (aufgrund von Antizipation und Mustererkennung), als auch v.a. der taktil-kinästhetische Sinn werden im WingTsun dazu verwendet, den Angriff des Gegenübers zu erkennen und angepasst darauf reagieren zu können. Unter Zuhilfenahme der Proprio-zeptoren geben wir dem Angreifer keinen Widerstand, sondern verbinden uns stattdessen mit ihm und seinem Angriff. Wir werden eins mit dem Gegner und lassen ihm seinen freien Willen. Dadurch dass wir mit ihm verbunden sind, greift nicht seine Hand, sondern als ers-tes unsere eigene Hand unseren Körper an - und dieser können wir ausweichen - womit gleichzeitig die gegnerische Hand ins Leere läuft. Durch das Verbinden mit dem Gegen-über entsteht ein Gestänge, ähnlich der Idee des Reiters, der mit einer Rute eine Möhre vor sein Reittier hält und es dadurch motiviert nach vorne Richtung Möhre zu reiten - diese aber natürlich nie erreichen kann. Zu beidem (visuelles als auch taktiles Vorgehen) sollen auf diesem Workshop Beispiele gegeben werden, um die Idee des "Weg seins" im WingTsun nachvollziehen zu können.

Literatur Kernspecht, K.R.: Kampflogik 3 - Die Praxis des Treffens & Nicht-Getroffen-werdens, Kiel, Heidelberg,

Livorno, 2011 Kernspecht, K.R.: Vom Zweikampf - Strategie, Taktik, Physiologie, Psychologie, Philosophie und Geschichte

der waffenlosen Selbstverteidigung, Kiel, 1987