Ziel: „Schmerzfreies Pflegeheim“

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aktuell 08/2013 pro care 20 © Springer-Verlag Schmerz erkennen, managen, vermei- den: So lauten die einzelnen Schritte des mehrjährigen Projekts „Schmerzfreies Pflegeheim“, das bereits 2011 von SeneCura, Österreichs größtem privaten Pflegeheimbetreiber, und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salz- burg, gestartet wurde. Die Ergebnisse einer ersten Untersuchung in diesem Be- reich zeigen: 50 bis 80 Prozent Pflege- heimbewohner leiden an Schmerzen, aber mehr als 40 Prozent verschweigen diese meist. In einem nächsten Schritt sollen nun neue Standards im Bereich des Schmerzmanagements gesetzt werden. Kognitive Beeinträchtigungen und die Auffassung, dass Schmerzen im Alter „normal“ sind, erschweren eine optimale Schmerzbehandlung bei älteren Men- schen. Um die Situation zu verbessern, startete SeneCura im Herbst 2011 gemein- sam mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das wissen- schaftliche Forschungsprojekt „OSiA – Op- timiertes Schmerzmanagement in Alten- pflegeheimen“. Damit wurde erstmals das Schmerzmanagement in Pflegeheimen österreichweit wissenschaftlich evaluiert. Hohes Verbesserungspotential bei Schmerzsituation Bei der Erfassung der Schmerzsituation in Österreichs Pflegeheimen wurden sowohl kognitiv leistungsfähige, als auch kognitiv beeinträchtige Personen eingeschlossen. Der hohe Anteil von 50 bis 80 Prozent der Pflegeheimbewohner, die angaben, Schmerzen zu haben, ist unter anderem assoziiert mit der weit verbreiteten An- sicht von 68 Prozent der Befragten, dass Schmerzen im Alter einfach dazugehören. Vor allem, um den Pflegenden nicht zur Last zu fallen, gaben mehr als 40 Prozent mindestens einmal ihre Schmerzen nicht an. „Die Ergebnisse sprechen klare Worte“, so Prof. Rudolf Öhlinger, SeneCura Ge- schäftsführer. „Eine umfassende Offensive rund um das Schmerzmanagement war in Österreich längst überfällig. Besonders freut mich, dass wir zahlreiche Optimie- rungspotenziale orten konnten. Diese werden wir nun in einem weiteren Schritt flächendeckend in allen SeneCura Häu- sern umsetzen.“ Mit der abgeschlossenen Schmerzerfassung in zwölf SeneCura Pi- lot-Häusern im vergangenen Jahr wurde der erste Schritt für die Einleitung ange- messener schmerztherapeutischer Inter- ventionen gesetzt. Medikamentenmanagement und Einbindung der Pflegenden Die Untersuchung erhob auch den Einsatz von Medikamenten. Dabei zeigte sich, dass die Versorgung mit Analgetika sehr unterschiedlich gehandhabt wird. „Auch wenn etwa 76 Prozent des befragten diplo- mierten Pflegepersonals angeben, Koope- rationen mit Apotheken und pharmazeu- tischen Experten zu pflegen, gibt es hier noch Raum nach oben“, stellt Univ.-Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Projektleiter und Vorstand des Instituts für Pflegewissen- schaft an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg fest: „Optimie- rungspotential ergab sich außerdem bei der Schmerzmittelversorgung sowie der Verfügbarkeit von Ärzten in akuten Schmerzsituationen am Wochenende.“ Das größte Optimierungspotential habe man jedoch bei der Weiterbildung der Pflegenden geortet, berichtet Öhlinger: „Pflegende sollten intensiver als bisher in die Schmerztherapie eingebunden wer- den und sind dazu laut Befragung auch gerne bereit. Aus diesem Grund haben wir schon vergangenes Jahr in zwölf SeneCura Häusern – als erster und einziger Pflege- heimbetreiber in ganz Österreich – insge- samt 100 Pain Nurses ausgebildet.“ Schmerzfreiheit als Ziel Eine Zweiterhebung soll in den nächsten Monaten die Auswirkungen der imple- mentierten Maßnahmen feststellen. Die Ergebnisse sollen öffentlich zugänglich sein, um flächendeckend Verbesserun- gen, zu ermöglichen. Neue Instrumente zur Schmerzerfassung und -dokumenta- tion werden eingeführt und maßgeschnei- derte Schmerztherapien je nach Bedarf der Bewohner entwickelt. Einige SeneCura Häuser werden als Lehrheime das erwor- bene Wissen weitertragen. Modernes Schmerzmanagement in Österreich Um eine optimale interdisziplinäre Ver- netzung sicherzustellen, konstituierte SeneCura schon vergangenes Jahr einen hochkarätig besetzten Schmerzbeirat. „Bisher gab es nur geringe wissenschaft- liche Erkenntnisse über die Schmerz- wahrnehmung von Patienten mit kogniti- ven Defiziten“, so Prim. ao. Univ. Prof. Dr. Christian Lampl, Beiratsmitglied und Ge- schäftsführer sowie ärztlicher Direktor im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. „Außerdem ist eine multimodale Schmerztherapie nicht oder kaum vorhanden – die medikamentöse Kontrolle des chronischen Schmerzes findet nur in ausgewiesenen Schmerz- zentren statt.“ Schmerz kommunizieren Die Teilnehmer der Studie sind älter als 60 Jahre, nehmen Langzeitpflege in An- spruch, sind nicht in akuten Erkran- kungssituationen oder geistig mehrfach behindert. Die Besonderheit der Schmerz- erfassung bei Bewohnern in Pflegeheimen liegt in der Kommunikation. Teilweise kognitive Einschränkungen machen eine Selbsteinschätzung und Beschreibung manchmal schwierig. Daher wurde im Rahmen der Studie eine Stichprobe aus Pflegenden und Bewohnern anhand quantitativer Instrumente zu Schmerz be- fragt und gleichzeitig wurden schmerzre- levante medizinische Daten erhoben. Die Datenerhebung beinhaltet Selbst- und Fremdeinschätzungen sowie die Beob- achtung durch das Projektteam. n Informationen: www.senecura.at Quelle: Presseaussendung Senecura und PMU Ziel: „Schmerzfreies Pflegeheim“ Bis zu 80 Prozent der Pflegeheimbewohner leiden an Schmerzen Photo: Getty Images/Purestock 10.1007/s00735-013-0155-6

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aktuell

08/2013 pro care20 © Springer-Verlag

Schmerz erkennen, managen, vermei-den: So lauten die einzelnen Schritte des mehrjährigen Projekts „Schmerzfreies Pflegeheim“, das bereits 2011 von SeneCura, Österreichs größtem privaten P�egeheimbetreiber, und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salz-burg, gestartet wurde. Die Ergebnisse einer ersten Untersuchung in diesem Be-reich zeigen: 50 bis 80 Prozent P�ege-heimbewohner leiden an Schmerzen, aber mehr als 40 Prozent verschweigen diese meist. In einem nächsten Schritt sollen nun neue Standards im Bereich des Schmerzmanagements gesetzt werden.

Kognitive Beeinträchtigungen und die Au�assung, dass Schmerzen im Alter „normal“ sind, erschweren eine optimale Schmerzbehandlung bei älteren Men-schen. Um die Situation zu verbessern, startete SeneCura im Herbst 2011 gemein-sam mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das wissen-schaftliche Forschungsprojekt „OSiA – Op -timiertes Schmerzmanagement in Alten-p�egeheimen“. Damit wurde erstmals das Schmerzmanagement in P�egeheimen österreichweit wissenschaftlich evaluiert.

Hohes Verbesserungspotential bei Schmerzsituation

Bei der Erfassung der Schmerzsituation in Österreichs P�egeheimen wurden sowohl kognitiv leistungsfähige, als auch kognitiv beeinträchtige Personen eingeschlossen. Der hohe Anteil von 50 bis 80 Prozent der  P�egeheimbewohner, die angaben, Schmer zen zu haben, ist unter anderem assoziiert mit der weit verbreiteten An-sicht von 68 Prozent der Befragten, dass Schmerzen im Alter einfach dazugehören.

Vor allem, um den P�egenden nicht zur Last zu fallen, gaben mehr als 40 Prozent mindestens einmal ihre Schmerzen nicht an. „Die Ergebnisse sprechen klare Worte“, so Prof. Rudolf Öhlinger, SeneCura Ge-schäftsführer. „Eine umfassende O�ensive rund um das Schmerzmanagement war in Österreich längst überfällig. Besonders freut mich, dass wir zahlreiche Optimie-rungspotenziale orten konnten. Diese werden wir nun in einem weiteren Schritt �ächendeckend in allen SeneCura Häu-sern umsetzen.“ Mit der abgeschlossenen Schmerzerfassung in zwölf SeneCura Pi-lot-Häusern im vergangenen Jahr wurde der erste Schritt für die Einleitung ange-messener schmerztherapeutischer Inter-ventionen gesetzt.

Medikamentenmanagement und Einbindung der Pflegenden

Die Untersuchung erhob auch den Einsatz von Medikamenten. Dabei zeigte sich, dass die Versorgung mit Analgetika sehr unterschiedlich gehandhabt wird. „Auch wenn etwa 76 Prozent des befragten diplo-mierten P�egepersonals angeben, Koope-rationen mit Apotheken und pharmazeu-tischen Experten zu p�egen, gibt es hier noch Raum nach oben“, stellt  Univ.-Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Projektleiter und Vorstand des Instituts für P�egewissen-schaft an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg fest: „Optimie-rungspotential ergab sich außerdem bei der Schmerzmittelversorgung sowie der Verfügbarkeit von Ärzten in akuten Schmerzsituationen am Wochenende.“ Das größte Optimierungspotential habe man jedoch bei der Weiterbildung der P�egenden geortet, berichtet Öhlinger: „P�egende sollten intensiver als bisher in die Schmerztherapie eingebunden wer-den und sind dazu laut Befragung auch gerne bereit. Aus diesem Grund haben wir schon vergangenes Jahr in zwölf SeneCura Häusern – als erster und einziger P�ege-heimbetreiber in ganz Österreich – insge-samt 100 Pain Nurses  ausgebildet.“ 

Schmerzfreiheit als Ziel

Eine Zweiterhebung soll in den nächsten Monaten die Auswirkungen der imple-

mentierten Maßnahmen feststellen. Die Ergebnisse sollen ö�entlich zugänglich sein, um �ächendeckend Verbesserun-gen, zu ermöglichen. Neue Instrumente zur Schmerzerfassung und -dokumenta-tion werden eingeführt und maßgeschnei-derte Schmerztherapien je nach Bedarf der Bewohner entwickelt. Einige SeneCura Häuser werden als Lehrheime das erwor-bene Wissen weitertragen.

Modernes Schmerzmanagement in Österreich

Um eine optimale interdisziplinäre Ver-netzung sicherzustellen, konstituierte SeneCura schon vergangenes Jahr einen hochkarätig besetzten Schmerzbeirat. „Bisher gab es nur geringe wissenschaft-liche Erkenntnisse über die Schmerz-wahrnehmung von Patienten mit kogniti-ven De�ziten“, so Prim. ao. Univ. Prof. Dr. Christian Lampl, Beiratsmitglied und Ge-schäftsführer sowie ärztlicher Direktor im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. „Außerdem ist eine multimodale Schmerztherapie nicht oder kaum vorhanden – die medikamentöse Kontrolle des chronischen Schmerzes �ndet nur in ausgewiesenen Schmerz-zentren statt.“ 

Schmerz kommunizieren

Die Teilnehmer der Studie sind älter als 60  Jahre, nehmen Langzeitp�ege in An-spruch, sind nicht in akuten Erkran-kungssituationen oder geistig mehrfach behindert. Die Besonderheit der Schmerz-erfassung bei Bewohnern in P�egeheimen liegt in der Kommunikation. Teilweise kognitive Einschränkungen machen eine Selbsteinschätzung und Beschreibung manchmal schwierig. Daher wurde im Rahmen der Studie eine Stichprobe aus Pflegenden und Bewohnern anhand quantitativer Instrumente zu Schmerz be-fragt und gleichzeitig wurden schmerzre-levante medizinische Daten erhoben. Die Datenerhebung beinhaltet Selbst- und Fremdeinschätzungen sowie die Beob-achtung durch das Projektteam. n

Informationen: www.senecura.atQuelle: Presseaussendung Senecura und PMU 

Ziel: „Schmerzfreies Pflegeheim“Bis zu 80 Prozent der Pflegeheimbewohner leiden an Schmerzen

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