Zur Oekologie und Brutbiologie des Bruchwasserläufers(Tringa glareola) in Schleswig-Holstein

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Heft I] 1956 ] HI~INRICH KIRCHNER: Bruchwasserl~iuferin Schleswig-Holstein 21 Zur OekoIogie und Brutbiologie des Bruchwasserl~iu{er$ (Tringa glareola) in Schleswig-Holstein Von Heinrich Kirchner Wit kennen in Schleswig-Holstein 25 z. T. ganz kleine Moore, auf denen der Bruchwasserl£ufer (Tringa glareola L.) in ein bis hSchstens drei Paaren brfitet (KIRCH~ER 1949). Bezeichnend fiir diese Art, deren Brutraum das nSrdliche und mittlere Eurasien umfal3t, ist, dab in Holstein nur 6, nSrdlich des Nordostseekanales im Landesteil Schleswig die restlichen 19 Brutpl£tze liegen. Die Moore sind maritime Hochmoore mit flachen, offenen Wasser- stellen aus Torfstichen. An trockeneren Stellen bildet der Gagelstrauch (Myri~a gale) dichte Best£nde und w~ichst die Heide. Im Mai blfihen Ros- marinheide, Moosbeero und der Sonnentau. Die Moorbirke darf nicht zu dicht stehen. Kiebitz, Bekassine, Grol3er Brachvogel, Stock- und Krickente, Birkhuhn, Wiesen- und Baumpieper, Bach- und Wiesenstelze und die Rohrammer sind die BegleitvSgel. Auf manchen dieser Moore brfitet in den Birken der Raubwfirger. Weitere Brutpl~itze in Deutschland sind aus Anhalt, Hannover, Pommern, Danzig-WestpreuBen und OstpreuBen bekannt. Von den mir 1936 gemeldeten 34 deutschen Brutgebieten waren 62,5 % moist unkultivierte Hochmoore und 37,5 % Niederungsmoore und Niede- rungsgriinland (KmcHNER 1939). In dem nS~dlich yon Hamburg geIegenen etwa 40 ha grol3en Ohemoor, we das Brfiten schon seit 1920 bekannt ist (DIETRICH 1928), hat sich der Bruchwasserl£ufer trotz inzwischen restloser Abtoffung des jfingeren Moos- torfes in mindestens zwei Paaren bis heute gehalten. Wenn man, was allerdings nicht sicher ist, unterstellt, dab der Bruchwasserl£ufer bier in jedem der 35 Jahre wenigstens in einem Paare effo.lgreich gebrfitet hat, errec~hnen sich 140 Nachkommen. Eine Neubesiedlung oder Zunahme der Bes~edlungsdichte in der n~iheren und weiteren Umgebung des Ohemoores ist nicht festzustellen. Es sind im Gegenteil einige Moore in der Umgebung Hamburgs durch Kultivierung als Brutpl~tze ausgefallen. Die Verluste mfissen sehr groB sein. UTTENDSRFE~(1939) erw£hnt allerdings nur eine Raubvogelrupfung des Bruchwasserl~ufers, unbekannten Urhebers, und betont, dab die ziemlich zahlreichen Durchzfigler dieser Gruppe im Binnen- lande offenbar nur selten geschlagen werden. Nur nSrdlich des Nordostsee- kanales sind Neubesiedlungen festzustellen. WEILAND schrieb mir 1949 fiber seine Beobachtungen im Raume Schleswig: ,,Wenn auch die Torf- arbeiten manche StSrung brachten, so ist fiber einen friiheren Bestand hinaus die Neubesiedluag zu erkennen." Im Ohemoor habe ich 1932, 1933, 1934, 1948, 1952 und 1954 die Gelege bzw. Dunenjungen gefunden und versucht, die Brutbiologie dieser anziehenden Wasserl~uferart zu ld~iren (KIRCHNER 1935).

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Heft I] 1956 ] HI~INRICH KIRCHNER: Bruchwasserl~iufer in Schleswig-Holstein 21

Zur OekoIogie und Brutbiologie des Bruchwasserl~iu{er$ (Tringa glareola) in Schleswig-Holstein

Von Heinrich Kirchner

Wit kennen in Schleswig-Holstein 25 z. T. ganz kleine Moore, auf denen der Bruchwasserl£ufer (Tringa glareola L.) in ein bis hSchstens drei Paaren brfitet (KIRCH~ER 1949). Bezeichnend fiir diese Art, deren Brutraum das nSrdliche und mittlere Eurasien umfal3t, ist, dab in Holstein nur 6, nSrdlich des Nordostseekanales im Landesteil Schleswig die restlichen 19 Brutpl£tze liegen. Die Moore sind maritime Hochmoore mit flachen, offenen Wasser- stellen aus Torfstichen. An trockeneren Stellen bildet der Gagelstrauch (Myri~a gale) dichte Best£nde und w~ichst die Heide. Im Mai blfihen Ros- marinheide, Moo sbeero und der Sonnentau. Die Moorbirke darf nicht zu dicht stehen. Kiebitz, Bekassine, Grol3er Brachvogel, Stock- und Krickente, Birkhuhn, Wiesen- und Baumpieper, Bach- und Wiesenstelze und die Rohrammer sind die BegleitvSgel. Auf manchen dieser Moore brfitet in den Birken der Raubwfirger. Weitere Brutpl~itze in Deutschland sind aus Anhalt, Hannover, Pommern, Danzig-WestpreuBen und OstpreuBen bekannt. Von den mir 1936 gemeldeten 34 deutschen Brutgebieten waren 62,5 % moist unkultivierte Hochmoore und 37,5 % Niederungsmoore und Niede- rungsgriinland (KmcHNER 1939).

In dem nS~dlich yon Hamburg geIegenen etwa 40 ha grol3en Ohemoor, we das Brfiten schon seit 1920 bekannt ist (DIETRICH 1928), hat sich der Bruchwasserl£ufer trotz inzwischen restloser Abtoffung des jfingeren Moos- torfes in mindestens zwei Paaren bis heute gehalten. Wenn man, was allerdings nicht sicher ist, unterstellt, dab der Bruchwasserl£ufer bier in jedem der 35 Jahre wenigstens in einem Paare effo.lgreich gebrfitet hat, errec~hnen sich 140 Nachkommen. Eine Neubesiedlung oder Zunahme der Bes~edlungsdichte in der n~iheren und weiteren Umgebung des Ohemoores ist nicht festzustellen. Es sind im Gegenteil einige Moore in der Umgebung Hamburgs durch Kultivierung als Brutpl~tze ausgefallen. Die Verluste mfissen sehr groB sein. UTTENDSRFE~ (1939) erw£hnt allerdings nur eine Raubvogelrupfung des Bruchwasserl~ufers, unbekannten Urhebers, und betont, dab die ziemlich zahlreichen Durchzfigler dieser Gruppe im Binnen- lande offenbar nur selten geschlagen werden. Nur nSrdlich des Nordostsee- kanales sind Neubesiedlungen festzustellen. WEILAND schrieb mir 1949 fiber seine Beobachtungen im Raume Schleswig: ,,Wenn auch die Torf- arbeiten manche StSrung brachten, so ist fiber einen friiheren Bestand hinaus die Neubesiedluag zu erkennen." Im Ohemoor habe ich 1932, 1933, 1934, 1948, 1952 und 1954 die Gelege bzw. Dunenjungen gefunden und versucht, die Brutbiologie dieser anziehenden Wasserl~uferart zu ld~iren (KIRCHNER 1935).

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Immer ist die Suehe naeh dem Nest mfihsam und zeitraubend und d~s Finden mehr oder weniger dem Zufall /iberlassen, Der brfitende Vogel sitzt gut getarnt und gedeckt sehr fest urtd fliegt erst unmittelbar vet den

Fill]on des Beobaehters vom Nest. Er geht dana ein gauzes Stiick davon entfernt einfallend, laufend wieder auf das Gelege. Das Nest ist in einer Wollgras- oder Heidekrautstaude gegen die Sicht von oben gut gedeekt. Die Eier liegen in einer 4--4,5 cm tiefen, 10 cm im ~iul]eren, 8 cm im inneren Durchmesser messenden Mulde mit den Spitzen nach inner1 unten in einem Neigungswinkel yon etwa 45 Grad, so dab der Umfang des Geleges stark verkleinert wird und der briitende Vogel das Gelege decken kann. Etwas Nistmateri~l (7--7,5 g) aus Birken- und Moosbeerenbl~ttdaen

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dichtet gegen die N~sse des Sphagnummoores und Torfbodens ab. Die Eier sind sehr schSn. Auf lichtgrfinem Grunde sind sie sepiabraun gefleckt und tragen einige violettgraue Unterfleeken. Da im NIET~A~-M~R I I I an- gegeben ist, d a~ MaBe und Gewichte deutscher Eier unbekannt sin d, gebe ich diese, soweit sie von mir kontroll iert sind, hier wieder.

1 9 3 3 1 9 3 4 (wahrscheinlich 1 9 5 4 (frisch) dasselbe Weibchen)

38,0 X 25,5 38,0 X 26,0 38,2 X 26,5 = 15,0 g 38,0 X 26,3 38,7 X 26,2 38,5 X 27,3 -- 15,0 g 38,7 X 26,7 39,8 X 26,2 39,3 X 27,2 -- 15,0 g 39,5 X 26,2 39,9 X 25,0 39,5 X 27,3 = 15,5 g

Ein yon MO~BERT gewogenes und gemessenes Ei aus der Hamburger Umgebung kann als Maximum angesehen werden:

41,4 X 27,8 ram = 15,895 g (Frischgewicht). Schalengewicht 0,830 g.

Rechnet man das Gewicht des Geleges nur 4 X 15 g ---- 60 g, so erreicht es das Gewicht des 60--65 g schweren Weibchens (n~ch HEI~OTH 44 g U. 77 g).

Am 9. V. 1954, vormittags gegen 12.00 Uhr beobachtete mein Sohn KLAVS in unmittelbarer N~he des sp~ter gefundenen Nestes eine P a a r u n g.

D a s M~nncheu erhob sich im Riittelfluge mit h~ngenden St~ndern und unter schneller werdeuden, sirrenderL , t i t i t i . . . " - R u f e n , die sonst yon mir ~icht gehSrt wurden, und landete sich senkead auf dem Rficken des geduckt ira Heidekraut stehenden Weibchens. Die Copula dauerte nur wenige Sekunden. Danach erhob sich das M~nnchen wieder im Riittelfluge und

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laadete dieht neben dem Partner. Kurze Zeit darauf flogea beide in das Moor.

1954 entschloB ich reich, einen Vogel auf dem Gelege zu fangen, zu beringen und mit roter Plakafarbe zu kermzeichnen. Mein Sohn ur~d ich

hatten die Freude, ihn 1955 an seinem Ring am alten Platz wieder identi- fizieren zu kSnnen. Leider schien er in diesem Jahre (1955) ungepaart gebliebert zu sein. An der Kennzeichnung konnte ich beweisen, dab beide Geschlechter an dee Brut beteiligt sind. Allerdings war bei dieser Brut der Anteil eines Partners (ungef~rbt) am Brutgesch~ft mit fortschreitcnder Bebriitung geringer. Es konnte auch entgegen meinen friiheren Beobada-

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tungen nicht mit Sicherheit festgestell t werden, dab der zweite Bru tpa r tne r

{ungef~rbt) die Balz zeigte.

Auszug aus den Beobachtungskontrollen: 23. V. 1954 (1. Tag der Bebri~tung).

10.15 Uhr Fang, F ~i r b u n g und Beringen des briitenden Vogels am rechten St~inder mit dem Helgol~inder Ring 8 536 466. Ich schiebe ihn dann wieder unter die Reuse, doch findet er rasch den Ausweg. Beim Abfliegen ,,Balz". Ich entferne die Reuse.

l l , 1 5 U h r u n g e f ~ r b t briitet. Beim Abfliegen nicht balzend. 12.05Uhr u n g e f ~ i r b t desgl. 12.15Uhr u n g e f ~ i r b t desgl. 12.45 Uhr (Ansitz) U n g e f ':~ r b t kommt an das Nest, fliegt sofort ab, ohne

zu balzen. 13.30 Uhr g e f ~i r b t kommt nach Balz, sehr ~ingstlich. Ich breche Ansitz ab. 15.30 Uhr u n g e f ~ r b t brfitet, fliegt ab, ohne zu balzen. 16.07 Uhr g e f ~ r b t fliegt in der N~he des Nestes. 17.00 Uhr g e f ~ r b t briitet, beim Abfliegen balzend. 19.00 Uhr g e f ~i r b t desgl.

5. V1. (13. Tag der Bebrfitung: Beobachter KLAus KmCHN~.R).

15.15 Uhr u n g e f ~i r b t briitet, sehr fest. Nach Aufjagen Schreckrufe. Bleibt zun~ichst dicht am Nest und umfliegt es auf kurze Entfernung. Fliegt dann mit dem herankommenden gef~rbten Brutpartner ab. Ein drittes Exemplar, das ebenfalls hinzukommt, balzt. Ansitz.

16.00Uhr u n g e f ~ r b t versucht auf das Nest zu gehen. Fliegt vorher ab. 16.10 Uhr g e f ~ r b t geht auf das Nest. 17.15 Uhr g e f ~ r b t fliegt, ohne zu balzen, vom Nest. 17.25 Uhr g e f ~ r b t kommt zurfick und briitet bis 20.00 Uhr. Um 18.00 Uhr

fiberfliegt ein Exemplar das Nest. Der Brfitende (gefiirbt) ruft an- und abschwellend ,,tiififit". 18.15 Uhr iiberfliegt wieder ein Bruchwasserl~iufer hoch das Nest und balzt. Der Briitende bleibt stumm.

9. VI. (17. Tag der Bebri~tung).

10.50 Uhr g e f ~ r b t brfitet. Beim Hantieren am Nest umfliegen uns g e - f ~ r b t und u n g e f ~i r b t. Gef~rbt balzt. Wir entfernen uns.

11.15 Uhr g e f ~ r b t briitet. Balzt nach Abflug (Ansitz). 11.19 Uhr g e f ~i r b t kommt zuriick. 12.10 Uhr Abflug ohne StSrung. Balz. 12.16 Uhr g e f ~ r b t kommt zuriick. 14.56 Uhr Abflug ohne StSrung und ohne Balz. 15.02 Uhr g e f ~ r b t kehrt zurfick und brfitet bis 16.00 Uhr.

Weitere Kontrol len mfissen meine nunmehrige Vermutung, dab beim

BI~chwasserl~uf~r der Fal l e intreten kann, dab zun~ichst beide Par tner brfiten, dann der Antei l des einen nachl~i~t ur~d ganz aufhSrt, noch mehr

festigen. Es widers t rebt mir allerdings, ein solches Verhalt~n fiir alle

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Paare als Regel anzusehen. Folgende Be~bachtungen aus frf iheren Jahren widersprechen dieser Gewohnheit.

Am 26. V. 1933, drei Tage vor dem Schli~pfen der Eier,

18.10 Uhr der vom Nest abfliegende Vogel schreit, dann balzt er. Vom Torf- stieh kommt ein anderer hinzu, balzt ebenfalls. Beide fliegen zu- sammen fort.

18.40 Uhr drei Bruchwasserl~ufer kommen. Zwei balzen. Der, der nicht b~lzte, kommt zum Nest und brfitet.

18.55 Uhr streicht er, vom Nest gescheueht, ab und balzt.

Am 27. V. 1933, zwei Tage vor dem Schli~pfen,

9.00 Uhr streicht der vom Nest geseheuchte Vegel ab und balzt. 12.00 Uhr kehren zwei VSgel zuriiek und umsehw~rmen ,,schimpfend" den yon

mir zum Phetographieren aufgestellten Apparat. B e i d e b a 1 z e n.

Meist umflogen reich naeh dem Schliipfen der Jungen beide ElternvSgel l~irmend und warner~d, so dal] doch wahrscheinlich ist, da/] be ide bis zuletzt

beim Brfiten ausharren , zum mindes ten noch an der Bru t Interesse haben. 1934 und bezeichnenderweise 1954 a l lerd ings war von Anbeginn an nur ein El ternvogel am Ffihren der Jungen beteil igt . Eine Woche nach dem Schliipfen war es d~nn in al len Jahren immer nur noch einer, auch wenn vorher beide Pa r tne r geg ihr t hatten.

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Zu lfl~,ren ist, ob nun beim M~knnchen oder beim Weibehen der Bruttrieb ;in einigen F~llen, bzw. wie es die Regel ist, der Fiihrungstrieb eher erlischt. 1954 haben wir nun festgestellt, dab der am Briiten bis zum 17. Tage s tarker beteiligte Vogel die Balz, der zuletzt w~hrscheinlich nicht mehr briitende, ungef~rbte Partner iiberhaupt keine Balz zeigte. Es scheint mir verfriiht, daraus folgern zu wollen, dab in unserem Falle der gef~rbte Vogel

das M~nnchen war. Die BeobachturLgen aus dem Jahre 1933 (siehe oben) zeigen doeh wohl, dab beide Brutpartner, auch das Weibchen, balzen. Ich glaube allerdings, dab unter dem Balzgehaben sich auch andere als geschlechtliche Erregungen ~uBern.

Die am 5. VI. 1954 beim Aufjagen geiiuBerten Sehreckrufe und das zu- n~chst dichte Verweilen am Nest habe ich bei den ersten Besuchen neu gefundener Gelege meistens beobachtet. Sp~.ter trat GewShnung bis zum feste~ Ausharren auf den Eiern beim dichten Umgehen und lauten Sprechen ein. Es ist kein ,,Verleiten" unter scheinbarem Lahmstellen und Fortlocken veto Neste, sondern hSchstens eine Vorstufe dazu. Auch in der N~he der Jungen tritt ein Verleiten nicht ein, wohl ein jetzt sehr auffiilliges l~irmen- des Umkreisen und Umfliegen des Beobachters, das zum sonst nicht tiblichen

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Fu/]en auf erhShten Punkten wie schwankenden Birkenzweigen, Postbfischen, Torfhaufen usw. fiihrt. So ist das Finden der allerdings ausgezeichnet getarnten Jungen, die beim IA~rmen der Eltern oder des ffihrenden Eltern- vogels, auch beim Nachahmen ihrer Stimmen, sehon im Neste leise zirpend antworten, leichter als d~s Finden des Geleges. Die Schlfipftermine waren 1926: 26. V., 1933: 29. V., 1934: 25. V., 1952: 15. VI. pulli mit Eizahn.

/

Leider ging das am 23. V. 1954 ge,funds,le frische Gelege infolge Torf- arbeiten am 20. Bruttage verloren, so dab die Brutdauer nicht festgestellt werden konnte.

Am 25. V. 1934 waren bei meinem Erscheinen am Nest um 10.00 Uhr zwei Junge geschlfipft und abgetrocknet. Ihr Gewicht betrug 8,0 g und 8,7 g. Um 11.30 Uhr war ein drittes und um 14.00 Uhr das vierte geschlfipf$ und trocken. Die Gewichte der zuletzt geschlfipften Jungen betrugen 8,9 g und 9,7 g. Auf weiBlichem Grunde an Kopf, Brust und Bauch ist die schwarze Zeichnung, Zfigelstrich und Kopfplatte, seharf abgesetzt. Die Kopfpl~tte ist von brEunlicher Fleckung unterbrochen. Auf dem brgunlieh- grauen Untergrund des Riickens verlaufen drei breitere oder schmalere schwarze L£ngsstreifen. Die Beine sind bl~ulichgrau, der Schnabel grau. Auffallend ist die Lgnge der Zehen.

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Von Mitte Juli kann man damit rechnen, dab die Bruchwasserl~ufer das Moor verlassen haben. Bereits Ende Juni, Anfang Juli kSnnen Bruch- wasserl~ufer auf dem Zuge an Pl~itzen, an denen sie nicht briiten, an See-

ufern oder ViehtrEnken im Bim~enlande beobachtet werden. Wenn man annimmt, dab in einzelnen FEllen der eine Partner schon vor der Beendi- gung der Brut abzieht, so wird man diese kaum von etwaigen iibersommern- den Exemplaren trennen kSnnen (VoLLBI~CHT 19 41). Im HSchstfalle werden in der Literatur acht offensichtlich auf dem Frfihjahrszuge (18. V.) befiad- liche zusammenhaltende Bruchwasserl~iufer erw~ihnt (Kt~HLMANN 1951).

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Unmi t t e lba r an der Meeres- kiiste oder auf den Inseln habe ich ihll niemals, auch nicht in Frankreich, auf dera Zuge ange- troffen. Nur KUMERLOEV~ (1951) beobachtete auf A m r u m 1949 und 1950 im Jul i , Augus t und Sep- tember mehrere an einer Vieh- tr~nke ras tende Bruchwasser- l~ufer.

Z u s a m m e n f a s s u n g

1. In Schleswig- Holstein 1949 25 Brutpl/~tze auf Hochmooren, 6 in Holstein, 19 in Schleswig.

2. In Deutsdfland 1934 62,5 % der 34 Brutpl~tze auf meist unkultivierten Hoch- mooren, 37,5 % auf Niederungsmooren.

3. MaBe und Frischgewichte deutscher Eier werden angegeben. 4. Eine Begattung wird geschildert. 5. M/~nnchen und Weibchen brfiten. 6. Es wird vermutet, dab bei einigen Bruten ein Partner (Weibchen?) mit zu-

nehmender Bebriitung im Briiten nachl/i13t, es spiiter ganz aufgibt und sich an der Fiihrung der Jungen nicht beteiligt.

7. Bei allen Bruten fiihrt ab etwa einer Woche nut ein Elterntier. 8. Die Brutdauer blieb unbekannt.

L i t e r a t u r

DIETRICrI, F. (1928): Hamburgs Vogelwelt. Verlag Otto Meil3ner, Hamburg. HmsaOTrt, O. u. M. (1931--33): Die VSgel Mitteleuropas. Erg~nzungsband p. 50. KIRCnNER, H. (1935): Bcitrag zur Brutbiologie des Bruchwasserliiufers (Tringa

glareola L.); Beitr/ige zur Fortpflanzungsbiologie 11, p. 41-50. - - (1939): Ein Vergleich der Brutbiotope des Groi3en Brachvogels, der

Schwarzsehw/inzigen Uferschnepfe und des Bruchwasserl~ufers; Deutsche Vogelwelt 64 p. 65-70*). (1949): Die Verbreitung des Bruchwasserli~ufers (Tringa glareola) in

- - Schleswig-Holstein. Mit Verbreitungskarte; Mitteilungen d. Faun. Arb. Gem. f. Schleswig-Holstein NF. II p. 73--77.

KUI~MA~, H. (1951): Zwergstrandlgufer auf den Rieselfeldern Bielefelds; Ornith. Mitt. 3, p. 280.

KVMEIiI~OEVE, H. (1951): Besonderheiten aus Amrums Vogelwelt 1949 und 1950; Ornith. Mitt. 3, p. 150-153.

NIETI~A~MER, G. (1942): Handbuch der deutschen Vogelkunde III, Leipzig. UTTENDORFER, 0. (1939): Die Erniihrung der deutschen RaubvSgel und Eulen,

Neudamm. VOLLBR~CHT, K. (1941): Obersommernde Wasserliiufer im sffdSstlichen Nieder:

sachsen; Deutsche Vogelwelt, 66. Jahrg. q. 159/160. ~) Hier ist ein Fehler auf Seite 67 Zeile 1, zu berichtigen, der leider auch in NIET-

HAMMER III tibcrnommen wurde. Statt ,,Kultivierte und unkultivierte Hoch- und Niede- rungsmoore" muB es heil3en: ,,Kultivierte uud unkultivierte Hochmoore".