Post on 06-Feb-2018
Malaria
Tilo.Grosser@uni-duesseldorf.de
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie
Ein 42-jähriger Mann beteiligte sich an einer Urlaubs-Gruppenreise in die Dominikanische Republik (Punta Cara) vom 25.1.– 12.2. Vom Urlaubsort ausunternahm er eine kurze Rundreise durch Haiti. Noch am Urlaubsort erkrankteer am 10.2. mit gastroenteritischen Symptomen, Fieber trat nicht auf. Die Symptomatik setzte sich nach der Rückkehr nach Deutschland am 12.2. fort.
Am 13.2. (3. Krankheitstag) entwickelte sich zusätzlich eine grippeähnlicheSymptomatik, ab dem 15.2. (5. Krankheitstag) war “höheres Fieber” auffällig; Angehörige bemerkten “Schläfrigkeit und Verwirrtheit”.
Nach einer weiteren Verschlechterung des Befindens wurde am 18.2. (8. Krankheitstag) ein Arzt konsultiert, der sofort die Einweisung in das örtlicheKrankenhaus veranlaßte. Von dort wurde der schwerkranke, im Komabefindliche Patient unmittelbar an eine Universitätsklinik verlegt.
Die Diagnose wurde durch den mikroskopischen Nachweis von Plasmodium falciparum gesichert. Es fand sich bereits eine Parasitendichtevon 35 %. Trotz Chinintherapie und umfassender intensivmedizinischerMaßnahmen starb er zehn Stunden nach der Einweisung.
Gemeldete Malaria Erkrankungen in Deutschland
836Anzahl der Erkrankungen 820 707
Lethalität 2-3%
4 Plasmodium Species infizieren MenschenP. falciparumP. vivaxP. ovaleP. malariae
Malaria: Vektor und Parasit
Anopheles Mücke
Gemeldete Malaria Erkrankungen in Deutschland
Statistisches Bundesamt, 2004
Erreger und Malariatypen
Typ Erreger Inkubationszeit Fieberrhythmus
Benigne FormMalaria quartana P. malariae 21-42 Tage 2 Tage Fieberpause
Malaria tertiana P. vivax u. ovale 10-21 Tage 1 Tag Fieberpause
Maligne FormMalaria tropica P. falciparum 7 – 20 Tage unrythmisch
Symptome und Komplikationen der Malaria tropicana
Symptome Fehldiagnosen• Fieber, Kopf und Gliederschmerzen Grippaler Infekt• Übelkeit, Erbrechen, Durchfall Gastroenteritis• Schmerzen im rechten Oberbauch, Leber-/Gallenblasen-
Leber-/Milzvergrößerung, Gelbsucht erkrankung• Hämolytische Anämie, Thrombozyopenie Bluterkrankung
Komplikationen• Zerebrale Malaria (Bewußtseinsstörung, Koma) Meningitis, Psychose• Nierenversagen Nierenerkrankung• Lungenödem, Kreislaufschock Herzerkrankung,
Penumonie
Vermeidbarkeit von katastrophalen Malaria Verläufen
Fehler auf ärztlicher Seite:Nicht-daran-Denkenunzureichende Anamnese-ErhebungFehlende Kenntnisse der EndemiegebieteÜberbewertung der ProphylaxeÜberbewertung des periodischen FiebersFehleinschätzung der Symptomatik (‚Grippe‘, ‚Gastroenteritis‘, ...)irrelevante DiagnostikNicht-ernst-Nehmenzu späte Krankenhauseinweisunginsuffiziente Therapie
Fehler auf Seiten der Patienten:unzureichende Vorbereitung auf Tropenreisefehlende / falsche ProphylaxeAbbruch der Prophylaxezu später Arztbesuchkeine Erwähnung der Tropenreise
• Wichtigste parasitäre Erkrankung weltweit. Übertragungs Risikoin 103 Ländern
• 300 – 500 mio Infektion pro Jahr
• 1 - 3 mio Todesfälle pro Jahr
• Medikamenten Resistenz der Plasmodien
• Insektizid Resistenz des Vektors
• Zunehmend häufig Krankheitsfälle ausserhalb der traditionellenMalaria Zonen (Tourismus, Globalisierung)
• Etwa 800 - 1000 Fälle in D pro Jahr
Globale Erkrankung Malaria
Therapie-Kosten
NEJM 2005
Herausforderungen und Chancen
• Fast globale Chloroquin (Resochin) und Sulfadoxine–Pyrimethamine (Fansidar) Resistenz
• Kosten nur 15% der billigsten Alternative• Bis zu 70% Selbstmedikation• Teure Medikamente werden gefälscht• Schlechte Generika Qualität
Sporozoiten
P. Vivax P. ovale
InfektionszyklusInfektionszyklus
Symptome• Fieber• Schweres Krankheitsgefühl• Kopf- und Gliederschmerzen• Schüttelfrost• Hämolytische Anämie• unspezifisch
Diagnose durchNachweis der Parasiten!
Fieberanfälle beiBefall und Zerstörung derErythrozyten!
Parasiten-Last: 108-1013 Parasiten
Malaria-ProphylaxeMalaria-Prophylaxe ExpositionsprophylaxeMoskitonetzeInsektizid-imprägnierte Moskitonetze, DächerKleidung (Permethrin (nobite®))Repellents (DEET, Picaridin)
Vektorkontrolle (DDT, Carbamate, Pyrethroide)Impfstoffe
Chemoprophylaxe
hohes Risiko
mittleres bis niedriges Risiko
Mitführen einertherapeutischen Dosierungfür den Erkrankungsfall„Stand-by“ Reiseziel
ReisezeitReisedauerReisestil
Wahl des Chemotherapeutikums(zeitnahe Aktualisierungen z.B. www.dtg.mwn.dewww.who.intwww.cdc.gov)
Malaria Chemotherapeutika
• Chinolin Derivate• Chinin• Chloroquin• Mefloquin• Halofantrin• Primaquin
• Antifolate• Pyremethamin• Sufonamide• Proguanil
• Artemisinin Derivate• Artemisinin• Artemether• Artesunate
• Antibiotika• Doxycyclin• Atovaquon• Cindamycin
Hemmung der Hämpolymeraseintra-erythrocytärPrim. auch Hypnozoiten
Hemmung des Folsäure MetabolismusPyrm. + Prog.: Dihydrofolsäure Reduktaseintra-hepatisch aber nicht HypnozoitenPyrem. auch Gametozyten
Hemmung der Eisen Clearanceintra-hepatisch aber nicht Hypnozoitenintra-erythrozytaer und Gametozyten
Synergistisch mit Chinolin Derivatenintra-erythrozytaer
Sporozoiten
P. Vivax P. ovale
InfektionszyklusInfektionszyklus
PyrimethaminProguanilAtovaquonDoxycyclinPrimaquin
PyrimethaminProguanilAtovaquonDoxycyclinPrimaquin
ChininChloroquinMefloquinPyrimethaminProguanilAtovaquonArtemether/LumefantrinPrimaquin
ChininChloroquinMefloquinPyrimethaminProguanilAtovaquonArtemether/LumefantrinPrimaquin
PyrimethaminProguanil
PyrimethaminProguanil
PrimaquinPrimaquin
Hämoglobin
Häm
Hämozoin
AS
Plasmodium
Erythrozyt
Hämpolymerase
Abbau des Hämoglobins durch BlutschitzontenAbbau des Hämoglobins durch Blutschitzonten
ChininChloroquinMefloquinAremether/Lumefantrin
Folsäureantagonisten Wirkprinzipien
Hemmstoffe der DHFS Reduktase
Dihydropteroat-
, AS
Sulfonamide sind Antagonisten der PABS
Kombinationstherapie der Malaria
Mefloquin (Lariam)250 mg (= 1 Tbl.) pro Woche (1-3 Wo vor bis 4 Wo nach)
Atovaquon/Proguanil (Malorone)250mg/100mg (= 1Tbl.) pro Tag (1-2 Tage vor bis 7 Tage nach)
Doxycyclin (diverse)100 mg pro Tag (1-2 Tage vor bis 4 Wo nach)
Chloroquin (Resochin) 300-450 mg Chloroquin-Base (= 2-3 Tbl.) pro Wo; 1 Wo vor bis 4 Wo nach)
Chloroquin + Proguanil (Paludrine)300-450 mg Chloroquin-Base (= 2-3 Tbl.) pro Wo; 1 Wo vor bis 4 Wo nach)+ 200 mg Proguanil pro Tag
Medikamente zur Malaria-Prophylaxe
Mefloquin (Lariam)
Atovaquon/Proguanil (Malorone)
Chloroquin (Resochin)
Arthemeter/Lumefantril (Riamet)
Medikamente zur Malaria-Notfallbehandlung
Chemotherapie und -prophylaxeChemotherapie und -prophylaxe
Chinin
in Kombination mit einem TetracyclinTherapie der kompl. Malaria tropicana
WirkungHemmung der HämpolymeraseBlutschitzontenGametozyten
Pharmakokinetikt 0,5 = 11 h
NebenwirkungenGI-Störungenneurotoxische EffekteHerz-Kreislauf (QT-Verlängerung)Hypoglykämie (Kontrolle!)Chininismus: Nausea, Tinnitus, VertigoInteraktionenErhöhung der Digoxin und Digitoxin-Plasmaspiegel
Chloroquin (Resochin,®, Weimerquin®, Chlorochin®)
Wirkungen• Blutschizonten
1-2 Tage vor bis 7 Tage post• bis zu 28 Tagen• Anreicherung in Verdauungsvakuole• (Gametozyten)
Prophylaxe & Therapie & Selbstmedikation v. P. falciparum
• viele resistente Stämme (>50%)
Pharmakokinetik
Anreicherung in Gewebent 0,5 = 30-60 Tage !
NebenwirkungenNW gering, Schlafstörungen, GI-StörungenHämatologische Störungen(Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel)Einlagerung in die Cornea und Retina(Augen/Netzhautschäden bei der Dosierung für die Malaria-Therapie/Prophylaxe nicht zu erwarten)
InteraktionenErhöhung der Digoxin-und Digitoxin-Plasmaspiegel
Chloroquin + Proguanil (Paludrine®)
Gebiete mit partieller Chloroquin-Resistenz• NW: GI, Haut, Schleimhaut sehr schlechte Compliance
Chloroquin resistente P. falciparum StämmeSchwangere, Säuglinge < 5 kg, Kinder unter 11 kg bei Gegenanzeigen von Mefloquin
Primaquin
Wirkungen• Wirkungsmechanismus unbekannt• alle Malariaformen• Gewebsschizonten/Gametozyten
in Kombination mit Chloroquin• nicht für die Anfallsbehandlung• (in Deutschland nicht im Handel)
Nebenwirkungen• GI-Störungen• Hämatologische Störungen• (Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel)
Indikation• volle Ausheilung von M. tertiana & M. tropicana
Mefloquin (Lariam®)
Nebenwirkungen• NW phsycho vegetativ, treten schnell auf Prophylaxe frühzeitig beginnen• häufiger bei „Loading dose“• Einschränkung der Feinmotorik und räumlichen Orientierung
Wirkungen• Hemmung der Hämpolymerase• Chloroquin-resistente P. falciparum• Blutschizonten • Prophylaxe & Therapie & Selbstmedikation von P.
falciparum
Pharmakokinetik• gute Resorption und Verteilung• t0,5 = 20 d• Akkumulation Leber, Lunge, Erythrozyten• Elimination biliär• enterohepatischer Kreislauf
Interaktionennicht in Kombination mit Chinin
Aremether/Lumefantrin (Riamet®)
Cave:Herzerkrankungen, > 12 Jahre
NebenwirkungenSchwindel, GI-Störungen, KopfschmerzenQT-Zeit-Verlängerungen
Wirkungen• Hemmung der Hämpolymerisation + reaktive Metaboliten Blutschizonten• Therapie & Selbstmedikation von P. falciparum• nicht zur Prophylaxe• nicht für Malaria tertiana• Reduktion der Virus-Last um 104 pro Lebenszyklus!
Pharmakokinetik• schlechte Resorption zusammen mit fetthaltiger
Nahrung• t 0,5 = 2 h Artemether• t 0,5 = 3-6 d Lumefantrin
InteraktionenPharmaka, die QT-Zeit verlängen
neue Vertreter: Artesunat, Dihydroartemisin
Proguanil (in Paludrine ®)in Kombination mit Chloroquin und Atovaquon)
Nebenwirkungen• Gut verträglich
Wirkungen• Hemmstoff der Dihydrofolsäurereduktase• Blutschizonten, Gewebsschizonten, Resistenzen
Pharmakokinetik• pro-drug ( Cycloguanil, Leber)• t 0,5 = 2-12 h• renale Eliminierung
Sulfadoxin-Pyrimethamin (Fansidar®)
Nebenwirkungen• z.T. tödlich verlaufende Hautveränderungen (1:5000)
Wirkungen• Dihydrofolsäure-Reduktase-Inhibitor • Gewebs- und Blutschizonten, Gametozyten• alle Malariaformen, nicht als Monotherapie!!• nicht zur Prophylaxe
Pharmakokinetik• vollständige Resorption• t0.5 = 4 d• hepatische Metabolisierung
Pyrimethamin (Daraprim®)
• Therapie in afrikanischen Ländern
• in Deutschland nicht mehr zugelassen
Atovaquon & Proguanil (Malarone®)
Prophylaxe & Therapie & Selbstmedikation von P. falciparum
Nebenwirkungen:Schwindel, GI-Störungen, Kopfschmerzen
Leberschizonten /1-2 Tage vor bis 7 Tage postbis zu 28 Tagen
Atovaquon (Wellvone®)Pharmakokinetik• lipophil• niedrige Bioverfügbarkeit (mit fettreichen
Mahlzeiten einnehmen)• keine Metabolisierung• enterohepatischer Kreislauf• t 0,5 = 2-4 d
Wirkungen• Hemmung der Mitochondrien Hemmung der de novo
Pyrimidin-synthese)• in Kombination gegen Malaria• Toxoplasmose, Pneumocystis Carinii
Hydroxynaphtochinon
Doxycyclin
• Phototoxische Reaktionen• Verdauungsstörungen
nicht für die Therapie alleinProphylaxe (nicht in Deutschland zugelassen, „off label“ Gebrauch)
• Kontraindiziert: Schwangere, Stillende, Kinder < 8 J.
Kinder
Expositionsprophylaxe
Chloroquin und Proguanil (Säuglinge)
Mefloquin > 5 kg, > 3 Monate altDoxycyclinKinder > 8 Jahre
auch gestillte Säuglinge benötigen eigene Malariaprophylaxe
Atovaquon/Proguanil für Kinder > 11 Jahre
Schwangerschaft
ExpositionsprophylaxeProphylaxe nur unter strenger Nutzen/Risikoabwägung
Chloroquin + Proguanil möglichMefloquin nicht im 1. Trimenon (Verhütung!) und nicht in der StillzeitDoxycyclin kontraindiziertfür die anderen liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor und es gilt dieNotwendigkeit der strenger Nutzen/Risikoabwägung
Fallbeispiel aus ReisemedizinEin junger Mann (28 Jahre) verlangt nach einer reisemedizinischen Beratung, da er in zwei Monaten als Rucksack-Tourist nach Asien fliegt. Seine mehrwöchige Reise führt ihn vom Osten Thailands (Mekong-Gebiet) über Kambodscha nach Vietnam (siehe Karte).
Fragen:Auf welche Informationsquellen könnten Sie für eine individuelle Beratung zurückgreifen?
Welche Medikationsempfehlung ergibt sich aus den Leitlinien der DTG für den Reisenden? Erläutern Sie die verwendeten Abkürzungen! Was ist der Unterschied zwischen Chemoprophylaxe und Stand-By-Therapie?
Welche Voraussetzungen müssen für das Einleiten einer Stand-By-Therapie erfüllt sein? Was würden Sie zusätzliche als symptomatische Therapie empfehlen?In welchen der in der Tabelle aufgeführten Gebieten/Ländern würde aufgrund der Resistenz-Situation noch eine Chemoprophylaxe mit Mefloquin (LARIAM®) in Frage kommen?