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Strafrecht AT

Theorieteil Repetition der Grundlagen und Relevantes für die Falllösung

Quelle: http://www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/alphabetisch/jositsch/lehrveranstaltung/Folien_AT_I_HS11.pdf

Einteilung der Delikte I

• Verbrechen: Freiheitsstrafe über 3 Jahre (Art. 10 Abs. 2 StGB)

• Vergehen: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe (Art. 10 Abs. 3 StGB)

• Übertretungen: Busse (Art. 103 StGB)

Einteilung der Delikte II

• Von welcher Bedeutung ist die Einteilung bei der Falllösung?

Einteilung der Delikte III

• Übertretung: Versuch und Gehilfenschaft sind i.d.R. ausgeschlossen

• Art. 105 Abs. 2 StGB: Versuch und Gehilfenschaft werden nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen bestraft.

Beispiel zur Einteilung der Delikte IV

• Zu welcher Deliktskategorie gehören...

• ... Art. 120 StGB?

• ... Art. 112 StGB?

• ... Art. 117 StGB?

Aufbau

• Tatbestandsmässigkeit (objektiv und subjektiv)

• Rechtswidrigkeit

• Schuld

Objektiver Tatbestand

• Äussere Tatmerkmale eines Delikts (Tatbestandsmerkmale)

• Gemeine Delikte: Jeder Mensch kommt als Täter in Frage.

• Sonderdelikte: An die Tätereigenschaft werden besondere Anforderungen gestellt.

• Tätigkeitsdelikte und Erfolgsdelikte: Tätigkeitsdelikte: Im Tatbestand wird ausschliesslich ein Verhalten umschrieben (Tun oder Unterlassen). Bsp. Art. 307 Abs. 1 StGB (Falsches Zeugnis) / Erfolgsdelikte: Der Tatbestand umschreibt nicht nur ein Verhalten, sondern erforderlich ist zudem ein davon gedanklich oder zeitlich abgrenzbarer Erfolg. Bsp. Art. 111 StGB (Vorsätzliche Tötung)

• Verletzungs- und Gefährdungsdelikte: Verletzungsdelikte: Objektiver Tatbestand verlangt Verletzung eines Rechtsguts. / Konkrete Gefährdungsdelikte: Objektiver Tatbestand verlangt, dass Rechtsgut in konkrete Gefahr gebracht wird. / Abstrakte Gefährdungsdelikte: Verhalten ist unabhängig von konkreter Gefahr strafbar.

• Zustands- und Dauerdelikte: Zustandsdelikte: Strafbares Verhalten ist mit Herbeiführung des Rechtsgüter beeinträchtigenden Zustands abgeschlossen. / Dauerdelikte: Vollendung des Delikts mit Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands, aber Beendigung erst mit dessen Wegfall.

• Grundtatbestände und abgewandelte Tatbestände: Grundtatbestand: Basis der Deliktsgruppe / Qualifizierte/privilegierte Tatbestände: abgewandelte Tatbestände, die zu einer Erhöhung/Herabsetzung des Strafmasses führen.

Fallbeispiel objektiver Tatbestand I

Ein Mann zückt eine Pistole und gibt einen Schuss ab. Eine Frau sinkt, vom Schuss ins Herz getroffen, tot zu Boden.

• Welche Rechtsnorm/en kommt/en in Frage?

• Welche objektiven Tatbestandselemente sind zu prüfen?

Fallbeispiel objektiver Tatbestand II

• Art. 111 StGB: Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der

besonderen Voraussetzungen der nachfolgenden Artikel zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft

• Objektiver Tatbestand von Art. 111 StGB • "Wer": Gemeindelikt • "einen Menschen„ • "tötet": Handlung mit Erfolg • Kausalität Verhalten - Erfolg

Subjektiver Tatbestand

• Innere (psychische) Merkmale, welche nach dem Gesetz der Verwirklichung des objektiven Tatbestands zugrunde liegen müssen:

• Vorsatz: Täter verwirklicht alle objektiven Tatbestandmerkmale mit Wissen und Willen (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB) / Wissen: intellektuelle Komponente, Kenntnis aller zum objektiven Tatbestand gehörenden Umstände. / Willen: voluntative Komponente, Entschluss des Täters, die objektiven Tatbestandsmerkmale zu erfüllen / Regelmässig macht sich strafbar, wer ein Delikt vorsätzlich verübt (Art. 12 Abs. 1 StGB) / Direkter Vorsatz 1. Grades: Taterfolg wird angestrebt. / Direkter Vorsatz 2. Grades: Täter sieht voraus, dass Handeln zur Verwirklichung des Taterfolges führt, und handelt trotzdem, obwohl er andere Zwecke verfolgt. / Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB): Täter hält Verwirklichung der Tat ernsthaft für möglich und nimmt diese in Kauf.

• Absicht: Subjektiver Tatbestand sieht über den Vorsatz hinaus gehende Motivation ("um zu", "zum Zweck") vor

• Weitere subjektive Unrechtselemente: Beweggründe oder Gesinnungsmerkmale

Versuch

• Täter hat Entschluss gefasst, der sich auf Erfüllung aller objektiver Merkmale bezieht (fahrlässiger Versuch ist straflos).

• Entschluss zur Tatbestandsverwirklichung ist bereits in Handlungen umgesetzt worden, welche mind. Beginn der Ausführungen des betreffenden Delikts darstellen. Dabei sind aber noch nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllt (Grenze Versuch-Vollendung).

• Verbrechen/Vergehen (Übertretungen gem. Art. 105 Abs. 2 StGB, d.h. nur, wenn ausdrücklich erwähnt im Gesetz)

Abgrenzung Versuch – Vorbereitungshandlung I

• Habt Ihr eine Definition?

Abgrenzung Versuch – Vorbereitungshandlung II

Schwellentheorie: Vom Versuch ist auszugehen, wenn der Täter mit der Tatausführung begonnen hat. Dazu zählt jede Tätigkeit, die nach dem Plan des Täters auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände.

Täterschaften

• Alleintäterschaft: Täter verübt Delikt allein.

• Mittäterschaft: Gemeinschaftliche Tatverübung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken.

• Nebentäterschaft: Mehrere Personen bewirken unabhängig voneinander Eintritt eines tatbestandsmässigen Erfolgs beim gleichen Objekt.

• Mittelbare Täterschaft: Täter benützt einen anderen Menschen als willenloses oder nicht vorsätzlich handelndes Werkzeug.

Mittäterschaft

Tatherrschaft: Täter ist, wer das den tatbestandsrelevanten Sachverhalt

umfassende Geschehen beherrscht:

• Gemeinsamer Entschluss

• Gemeinsamer Tatplan

• Tatausführung

Teilnahme

Formen der Teilnahme

• Anstiftung: Der Anstifter bestimmt jemanden vorsätzlich zur Verübung eines Verbrechens oder Vergehens (Art. 24 StGB).

• Gehilfenschaft: Der Gehilfe leistet vorsätzlich zu einem Verbrechen oder Vergehen Hilfe (Art. 25 StGB).

Rechtswidrigkeit

Rechtswidrig ist jedes tatbestandsmässige Verhalten, das nicht durch einen Rechtfertigungsgrund legitimiert ist. Arten von Rechtfertigungsgründen: • Strafgesetzliche Rechtfertigungsgründe (Bsp. Rechtfertigende Notwehr

gem. Art. 15 StGB) • Ausserstrafgesetzliche Rechtfertigungsgründe: Tat, die das Gesetz erlaubt

oder gebietet, ist nicht rechtswidrig, gegeben z.B. bei Berufs- oder Amtspflichten

• Übergesetzliche (oder aussergesetzliche) Rechtfertigungsgründe: In freier Rechtsfindung gewonnene Rechtfertigungsgründe, z.B. Einwilligung des Verletzten, Mutmassliche Einwilligung des Verletzten, Notstandsähnliche Rechtfertigungsgründe oder Wahrung berechtigter Interessen

Notwehr

• Rechtfertigende Notwehr (Art. 15 StGB): Angemessene Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs.

• Voraussetzungen des Notwehrrechts:

1. Angriff auf persönliches Rechtsgut

2. Rechtswidrigkeit des Angriffs

3. Angriff droht unmittelbar oder ist im Gang

• Grenzen des Notwehrrechts: Abwehrhandlung gegen Angreifer und Angemessenheit der Abwehr (Subsidiarität: Einsatz des ungefährlichsten Verteidigungsmittels / Proportionalität: Kein offenbares Missverhältnis zwischen betroffenen Rechtsgütern)

• Notwehrexzess: Überschreiten der Grenzen der Subsidiarität oder Proportionalität (resp. ev. der zeitlichen Begrenzung) des Notwehrrechts

Notstand

• Rechtfertigender Notstand: Straftat, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, sofern dadurch höherwertige Interessen gewahrt werden.

• Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands (Art. 17 StGB) 1. Individuelle Rechtsgüter 2. Unmittelbare Gefahr • Anforderungen an die Notstandshandlung 1. Absolute Subsidiarität 2. Schutz höherwertiger Interessen • Notstandsexzess (Art. 18 StGB): Rettungshandlung geht über Grenzen der

Subsidiarität oder Proportionalität hinaus.

Schuld

• Tat ist dem Täter persönlich vorwerfbar, sofern folgende Voraussetzungen gegeben sind:

1. Fähigkeit, Rechtswidrigkeit zu erkennen

2. Fähigkeit, sich entsprechend zu verhalten.

• Schuldunfähigkeit (Art. 19 Abs. 1 StGB) liegt folglich vor bei:

1. Unfähigkeit, Unrecht der Tat einzusehen, oder

2. Unfähigkeit, sich entsprechend Einsicht zu verhalten

• actio libera in causa: Der Täter hat noch bei voller oder nur verminderter Zurechnungsfähigkeit den Entschluss gefasst, ein bestimmtes Delikt zu begehen, und dann selbst die schwere Bewusstseinsstörung herbeigeführt, um die Tat in diesem Zustand zu verüben. / Fahrlässige actio libera in causa: Täter hat Tatverübung bei schwerer Bewusstseinsstörung weder beschlossen noch in Kauf genommen. Sie muss aber voraussehbar gewesen sein.

• Rauschtat (Art. 263 StGB): Verübung Verbrechen oder Vergehen in Zurechnungsunfähigkeit aufgrund selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung.

• Verminderte Schuldfähigkeit (Art. 19 Abs. 2 StGB): Täter ist nur teilweise fähig, Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln

Schuldausschlussgründe

• Rechtsirrtum (Art. 21 StGB): Täter hält Tat fälschlicherweise für erlaubt. (Voraussetzungen: Fehlendes Unrechtsbewusstsein des Täters und Unvermeidbarkeit des Irrtums)

• Notwehrexzess (Art. 16 Abs. 2 StGB): Der Täter überschreitet die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung.

• Entschuldbarer Notstand (Art. 18 Abs. 2 StGB): Die Tat ist bei objektiver Abwägung zwischen dem zu schützenden und dem vom Täter verletzten Rechtsgut nicht gerechtfertigt, die Preisgabe des gefährdeten hochwertigen Gutes erscheint aber dennoch nicht zumutbar.

• Nötigungsnotstand: Die jemandem durch Gewalt oder Drohung abgenötigte Straftat ist entschuldbar, wenn dem Täter nicht zuzumuten war, einen Eingriff in seine Rechtsgüter hinzunehmen.

Unterlassungsdelikte

• Echtes Unterlassungsdelikt: Der objektive Tatbestand umschreibt die Nichtvornahme der gebotenen Handlung.

• Unechte Unterlassungsdelikte (Art. 11 StGB): Tathandlung wird im Tatbestand als aktives Tun definiert, aber durch Unterlassen erfüllt.

• Voraussetzungen unechte Unterlassungsdelikte (Art. 11 Abs. 2 StGB):

1. Garantenstellung

2. Konkrete Gefahrenlage

3. Tatmacht

4. Erfolgseintritt

5. Ursachenzusammenhang zwischen Unterlassung und Erfolg

Fahrlässigkeitsdelikte

• Fahrlässigkeit (12 Abs. 3 StGB): Täter bedenkt Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht.

• Voraussetzungen Fahrlässigkeitsdelikt:

1. Unvorsätzliches Bewirken des tatbestandsmässigen Erfolgs

2. Missachtung einer Sorgfaltspflicht

3. Relevanz des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens für den Erfolgseintritt

• Sorgfaltspflichtverletzung: Pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, wie z.B.:

- Strafrechtswidrige Verhaltensweise

- Gefährliche sozialinadäquate Handlung

- Übernahmefahrlässigkeit

- Überschreiten des höchstzulässigen Risikos

• Relevanz: Prüfung, ob der Erfolgseintritt gerade auf die Überschreitung des höchstzulässigen Risikos zurückzuführen ist, welche die Sorgfaltspflichtverletzung ausmacht.

Übungsteil

• Hinweise zur Darstellung der Falllösung

• Fälle

Hinweise zur Darstellung der Falllösung in der schriftlichen Erstjahresprüfung Strafrecht I und I

• http://www.unilu.ch/files/hinweise-zur-fallloesung-in-schriftlichen-strafrechtspruefungen-2012.pdf von Prof. Dr. Felix Bommer, Universität Luzern

1.

Verlangt ist eine juristische Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt.

Wenn nicht ohnehin klar, ist es zweckmässig, zu Beginn dem Leser/der Leserin zu erklären, wessen Strafbarkeit unter welchem Gesichtspunkt und mit Bezug auf welchen Sachverhaltsausschnitt geprüft wird.

Beispiel: „Indem X dem Y das Portemonnaie aus der Tasche gezogen hat, könnte er sich eines Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht haben“.

Man kann das auch durch einen Titel anzeigen: „Strafbarkeit des X nach Art. 139 Ziff. 1 StGB (Portemonnaie)“.

2.

Darauf folgt die Darlegung der einschlägigen Rechtsnorm/en (methodisch Obersatz genannt).

Wie ausführlich diese in ihren generellen Voraussetzungen dargelegt werden soll/en, hängt vom Sachverhalt ab. Ausführlich müssen Sie dort sein, wo sich in der juristischen Bearbeitung des Sachverhalts die Probleme stellen (werden → hermeneutischer Zirkel), kurz hingegen in den Bereichen, die voraussehbar wenig Kopfzerbrechen bereiten und unstreitig vorliegen (oder nicht). Eine gute Darlegung der einschlägigen Rechtsnormen zeichnet sich durch eine dem Sachverhalt angepasste Gewichtung aus: Nicht „graue Theorie“ (was der/die nicht alles weiss!) soll ohne Bezug auf den Sachverhalt dargelegt werden, sondern „Theorie“, soweit sie für die angemessene Bearbeitung des Sachverhalts notwendig ist.

Bsp.: Wenn es im Sachverhalt heisst, X spaltet dem O mit der Axt den Schädel, dann können sie im objektiven Tatbestand festhalten, dass X den Taterfolg (Tod des O) natürlich und adäquat kausal verursacht hat, indem er ihm mit der Axt über den Kopf gehauen hat (Tathandlung). Hier braucht es weder theoretische Ausführungen zum Äquivalenzprinzip bei der natürlichen Kausalität noch eine (langatmige) Definition des adäquaten Kausalzusammenhangs.

3.

An die Darlegung des Obersatzes schliesst sich der Untersatz und die Frage seiner Subsumtion unter den Obersatz: Passt er in allen Merkmalen auf den Obersatz? Oder gibt es ein Merkmal, d.h. eine Voraussetzung des Obersatzes, die sich im Untersatz nicht finden lässt?

In der Subsumtion liegt – neben der korrekten Ausbreitung des Obersatzes – die wesentliche Leistung, die in einer schriftlichen Prüfung erwartet wird; je besser der Obersatz in Darstellung und Umfang auf die sich anschliessend stellenden Fragen abgestimmt ist, desto leichter fällt die Subsumtion. Anstatt den Untersatz, d.h. den laut Aufgabenstellung rechtlich relevanten Sachverhalt, nachzuerzählen (was zu ermüdenden Wiederholungen führt und Zeit kostet), kann er mit Gewinn in die Subsumtion verwoben werden. Dabei nimmt man den relevanten Ausschnitt aus dem Sachverhalt und prüft ihn gleich daraufhin, ob er sich dem allenfalls einschlägigen (Tatbestands-)Merkmal des Obersatzes zuordnen lässt.

Es gibt in diesem Punkt zwei mögliche Vorgehensweisen: Sie können als Obersatz z.B. sämtliche Merkmale eines Tatbestandes oder sämtliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes zusammen angeben und im Anschluss daran die Subsumtion vornehmen. Sie können aber auch jedes Merkmal bzw. jede Voraussetzung einzeln für sich darlegen, jeweils gleich die Subsumtion anschliessen und dann zum nächsten Merkmal bzw. zur nächsten Voraussetzung übergehen. Die erstgenannte Vorgehensweise zeugt (wenn gelungen!) von souveräner Handhabung des Instrumentariums und Weitblick hinsichtlich der auf Sie zukommenden Fragen, trägt aber die Gefahr in sich, dass die Darlegung zu wenig auf eben diese Fragen abgestimmt ist; zudem kann, insbesondere bei umfangreichen Obersätzen, die Übersichtlichkeit der Darstellung leiden. Mit der zweiten Methode gehen Sie sicher, dass bezüglich aller Merkmale bzw. Voraussetzungen die Subsumtion vorgenommen und keine/s vergessen wird. Es ist bei dieser Vorgehensweise zudem leichter, die Übersicht zu behalten.

4.

Aus alldem ersehen Sie: Kurze Bemerkungen etwa zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen wie „erfüllt / nicht erfüllt“ oder gar nur „+ / -“ vermögen nicht zu genügen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil dabei keine Subsumtion oder zumindest keine begründete erfolgt. Die Qualität einer Fallbearbeitung bemisst sich ganz überwiegend nicht an den gewonnenen Ergebnissen (aber Achtung: Es gibt Ergebnisse, die schlicht falsch sind!), sondern an der Art und Weise ihrer richtigen Begründung (wobei falsche Begründungen in der Regel auch zu falschen Ergebnissen führen). Dazu kommt, dass die Sprache in Ihrer späteren Tätigkeit eines Ihrer Hauptarbeitsmittel darstellt; auch deswegen entsprechen stichwortartig hingeworfene „Begründungen“ nicht dem Standard, an dem Ihre Arbeit gemessen wird. Deshalb: Legen Sie Ihre Erkenntnisse in einem Fliesstext dar.

Falllösungsschema

1. Sachverhaltsanalyse

2. Auflistung möglicher Delikte

3. Auswahl Reihenfolge der Prüfung möglicher Delikte

4. Suche Tatnächster

5. Prüfung objektiver Tatbestand

6. Prüfung subjektiver Tatbestand

7. Prüfung Vorliegen Rechtfertigungsgründe

8. Prüfung Vorliegen Schuldausschlussgründe

9. Prüfung weitere Tatbestände des entsprechenden Täters im betreffenden Sachverhaltsabschnitt

10. Fazit Strafbarkeit des betreffenden Täters im betreffenden Sachverhaltsabschnitt inkl. Konkurrenzen

11. Prüfung weitere Täter und Teilnehmer im gleichen Sachverhaltsabschnitt

12. Prüfung nächste Sachverhaltsabschnitte

13. Gesamtfazit

Weitere Empfehlungen

• Orientieren Sie sich immer am Sachverhalt. Verändern Sie diesen nicht und fügen Sie nichts hinzu.

• Prüfen Sie Vorsatz vor Fahrlässigkeit, Handeln vor Unterlassen, Täterschaft vor Teilnahme und beginnen Sie bei Vorliegen mehrerer Tatbestände mit dem schwersten Delikt. Auch das versuchte schwere Delikt ist vor dem vollendeten leichteren Delikt zu prüfen.

• Vergessen Sie den subjektiven Tatbestand nicht. Ebenso wenig wie Rechtfertigungs- und Schuldausschliessungsgründe. Erwähnen Sie diese jedoch nur, falls an Hand des Sachverhaltes Anlass dazu besteht.

Fallbeispiel I

Rolf und Andreas verüben einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Bank im Paradeplatz. Sie bedrohen Bankangestellte mit geladenen Schusswaffen und erzwingen so die Herausgabe von Geld. Nach der anschliessenden Flucht durch die Bahnhofstrasse schiesst Rolf im Shop-Ville auf einen ihn verfolgenden Polizisten und trifft diesen tödlich.

Fragen zum Fallbeispiel I

• Wen prüfen Sie zuerst? Rolf oder Andreas?

• In Bezug auf Andreas: Welchem Problem ist besonders auf den Grund zu gehen?

Mögliche Lösung Fallbeispiel I

Mittäterschaft Andreas betr. Tötung Polizist: Hier gibt zu diskutieren, ob Andreas Straftaten im Zeitraum, in dem er sich bereits entfernt hatte vom Tatgeschehen als "mittäterschaftlich begangen" zugerechnet werden können.

• vgl. BGE 108 IV 88 ff.

Fallbeispiel II

Alfred, der leicht angetrunken ist, greift an der Streetparade unvermittelt den ihm völlig unbekannten Otto an. Er versetzt ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht. Als Otto am Boden liegt, versetzt er ihm mehrere Fusstritte mit seinem Kampfstiefel, einen davon an den Kopf. Otto bleibt schwer verletzt liegen und kann nur dank sofortiger medizinischer Operation gerettet werden.

Fallbeispiel III

Ein Arzt operiert das notfallmässig eingelieferte Opfer eines Verkehrsunfalls. Das Opfer stirbt während der Operation.

Fallbeispiel IV

Edith fährt mit dem Auto rückwärts aus der Garage. Dabei übersieht sie, dass der Nachbarknabe Daniel vor der Garageneinfahrt sitzt und spielt. Sie überfährt den Knaben, der sofort tot ist.

Fallbeispiel V

Gerda betritt maskiert einen Tankstellenshop, eine Schusswaffe im Anschlag, und fordert von einem Angestellten, dass er ihr sämtliches Geld aushändigt. Der Mann zückt eine Pistole und gibt einen Schuss ab. Gerda sinkt, vom Schuss ins Herz getroffen, tot zu Boden.

Fallbeispiel VI

Der fünfjährige Max fuchtelt mit einem Küchenmesser vor dem Gesicht seiner dreijährigen Schwester herum. Das Hausmädchen Klara beobachtet die Situation und schlägt mit einem Hammer, der auf dem Küchentisch liegt, auf Max ein. Dieser wird dabei schwer verletzt.

Fallbeispiel VII

Max befindet sich auf einer Gebirgstour. In unwegsamem Gelände bricht er sich den Fuss und kann kaum mehr gehen. In der Not bricht er in eine Jagdhütte ein, um von dort Hilfe anzufordern.

Fallbeispiel VIII

Ein Jurist und eine Biologin machen eine Gebirgstour. Beide pflücken verbotenerweise ein geschütztes Edelweiss, wobei der Jurist meint, es sei ein Gänseblümchen, und die Biologin nicht weiss, dass das Pflücken von Edelweiss verboten ist.

Fallbeispiel IX

Das Kleinkind Otto klettert im vierten Stock auf den Fenstersims und schaut von dort aus dem Fenster. Das Kindermädchen Trudi sieht das, greift aber nicht ein. Plötzlich verliert Otto das Gleichgewicht, fällt aus dem Fenster und stirbt beim Sturz auf den Erdboden.

Fallbeispiel X

Franco befindet sich mit fünf nicht sozialisierten Pitbulls in einer Einzimmerwohnung. Um die von den Hunden verkotete Wohnung zu säubern, baut er einen behelfsmässigen Verschlag auf dem Gartenvorplatz und sperrt die Hunde dort ein. Aufgrund der unsachgemässen Konstruktion gelingt es den Hunden, zu entkommen. Sie greifen sofort einen fünfjährigen Jungen an, den sie zu Tode beissen.

Fallbeispiel XI

Max und Moritz stehen im Wald an einem Tobel. Beide packen je einen Steinbrocken und rollen ihn den Hang hinunter, ohne sich kümmern, wohin die Steine rollen. Im Tobel sitzt ein Fischer, der von einem der beiden Steine getroffen wird und sofort tot ist. Wer den tödlichen Stein geworfen hat, kann nicht eruiert werden.

Fragen?