HISTORIE 16_Historie.pdf · DONNERSTAG, 27. APRIL 2017 | SEITE 16 HISTORIE...

1
DONNERSTAG, 27. APRIL 2017 | SEITE 16 HISTORIE [email protected] Ihr Ansprechpartner Nico Wendt Tel. 03421 721052 TORGAU. TZ gewährte in den vergangenen Monaten Einblicke in die Torgau-Bücher „Als die Schornsteine noch rauchten“ von Erdmute Bräunlich und „Früher und heute“ von Bernd Blume und Corinna Karl-Sander. Hier nun ein weiteres Buch, das schon 1997 erschienen ist – aber mittlerweile schon in der dritten Auflage gedruckt wur- de: „Torgau und Umgebung im frühen 20. Jahrhundert“ (ISBN: 978-3- 89702-011-5/Sutton Verlag). Die von An- tiquar Ingo Henjes und Städtebauhistoriker Hans-Joachim Kadatz zusammengestellten Bilder zeigen eine Welt, die viele Torgauer nicht mehr kennengelernt haben oder die in Vergessenheit geraten ist. Repro: TZ Torgau im frühen 20. Jahrhundert Ein echter Panzer als Spielobjekt Russischer T34 stand lange am Bahnhof in Beilrode BEILRODE. Das Denkmal der Befreiung im Park von Beilrode wurde geschändet. Ein Foto in der Torgauer Zeitung wies darauf hin. Es ist auch ein Denkmal der Erinne- rung. Es ist Frühling im Jahr 1945. 8 bis 10-jährige Jungen sitzen in einem Schüt- zengraben, rauchen eine Friedenspfeife und träumen vom Endsieg durch die Wunderwaffe. Ost-Beilrode war ausge- baut mit Schützen- und Panzergräben als Verteidigungsvorposten der Festung Tor- gau. Der Bahnhof Falkenberg/Elster bombardiert in Schutt und Asche. Die Wunderwaffe kam als T 34. Am Abend des 23. April tauchte der erste T34 auf der B 87 am Wandrand, besetzt mit sowjeti- scher Infanterie, in Beilrode auf. Vom Zwethauer Wäldchen aus wurde er abge- schossen. Diese deutschen Endsiegkämp- fer grüßten später unter einem Holzkreuz mit Stahlhelm an der Spukeiche. Im Mai 45 war dann ein T34 unser Spielobjekt. Er stand mit defekter Kette vor dem Korn- haus am Bahnhof. Ausgebaut waren Lade- und Abschussvorrichtung der Ka- none, sonst aber funktionsfähig. Wir drehten den Turm, schauten durch das Geschützrohr und fanden so unsere Zie- le. Die Panzermunition lieferte uns einen interessanten Sprengstoff in Form „roter Makaronistäbchen“ für allerlei gefährli- che Spiele. Nach Festlegung von Jalta war Torgau ausgeschriebenes Niemands- land und somit Tabu für den T34. Ein mu- tiger Festungskommandant sorgte für die weiße Fahne auf Schloss Hartenfels. Die Hitlerjungen, als letzte Verteidigungsre- serve, wussten auf seinen Befehl die Waf- fen in die Elbe werfen. Der Volkssturm von Beilrode hatte sich besoffen und har- te unter weißen Fahnen in der Kneipe von Röcknitz. Die Festung Torgau war geret- tet, seine Architektur blieb erhalten. Der T34 wurde von einer Wunderwaffe zum Friedenssymbol. Für den mutigen Kom- mandanten hat Torgau noch keinen Eh- renplatz gefunden, er ist vergessen. In vielen Städten und Orten der ehemaligen Ostblockstaaten wurde ein T34 zum Denkmal erhoben, so auch in Beilrode. Zum 30. Jahrestag 1975 wurde das jetzi- ge Denkmal im Park von Beilrode einge- weiht. In Erinnerung an dieses Ereignis und an das Kriegsende, wurden viele lus- tige Friedensfeste gefeiert. So müsste es auch weiterhin sein. Der T34 sollte ein Denkmal der Erinnerung bleiben. Walter Kuhne Luther und Dommitzsch Die Chronik gibt Aufschluss über interessante Tatsachen und Fakten, die mit der Gänsebrunnenstadt in Verbindung stehen DOMMITZSCH. Es gibt wieder einmal ein Lutherjahr. Jeder kleine Ort versucht et- was herauszufinden, was sein Heimatort eventuell mit Luther zu tun hat. Warum also nicht auch Dommitzsch? Gesucht und gefunden! Unser Chronist Christian F. Röder schrieb 1745 in seiner Chronik: „ … Man kan aber nicht sagen, ob der selige Lutherus in eigener Person allhier gepredigt, und selbst die Hand zum Wercke geleget habe.“ Röder schreibt weiter, dass Luther sicher bei seinen Rei- sen nach Torgau auch die Dommitzscher Kirche besucht und sich um die Verän- derung des Gottesdienstes persönlich be- müht habe. Soviel wusste Röder um 1750. Inzwischen sind einige Jahre vergangen und wir, als seine Nachfolger in der Er - forschung der Dommitzscher Historie, konnten weitere Hinweise finden. Das „Luther Kalendarium“ von G. Buchwald Leipzig 1929, verzeichnet, dass Luther zumindest ein Mal, am 07. April 1528 in der Dommitzscher Kirche die Predigt hielt. Na, ob da die Kirche nicht gefüllt war? Ich wäre mir da nicht so sicher, nach dem was einige vorhergehende Jahre so zeigten. Gehen wir erst einmal zurück in das Jahr 1521. In diesem Jahr wurde Lu- thers Lehre in Dommitzsch eingeführt. Alle Bürger von Dommitzsch scheinen sich nicht so schnell für eine Religions- änderung entschieden zu haben. Der da- malige Komtur des Ritterordens, der schon zum neuen Glauben konvertiert war, erbat sich vom Kurfürsten, laut Rö- der, eine Leibwache von einigen Solda- ten, um sich vor den Bürgern schützen zu lassen, die „alle noch am alten Glau- ben hingen“. Anders dachte aber schein- bar der Rat, an den Luther im Jahr 1525 direkt einen Brief schickte. Dommitzsch hatte seit 1524 schon einen evangeli- schen Pfarrer, dessen Name Michael lau- tete.Der Familienname war zunächst un- bekannt, heute wissen wir, dass er Cra- mer hieß. Aus der Veröffentlichung „Martin Luthers Briefwechsel“, von H. Böhlaus Nachfolger, ist ein Brief be- kannt, den Luther an den Rat und den Prediger Michael von Dommitzsch schrieb. Der Grund des Schreibens war die Ehe des Pfarrers Michael Cramer. Cramer wurde am 17. Juli 1522 von Her- zog Georg für die Pfarrstelle von Kunitz eingesetzt und heiratete hier seine erste Frau. Mit dieser hatte er viel Ärger. Als sie ihn verließ, ging er nach Wittenberg. Von hier schickte ihn Luther 1524 als Prediger nach Dommitzsch. Hier heira- tete er seine 2. Frau, Diese entlief ihm aber schon nach 24 Tagen. Als sie zwangsweise zurückgeführt wurde, räumte sie die Wohnung aus und ver- schwand erneut. Mehrfach wurde ange- nommen, dass die Frau noch im alten Glauben verharrte, das scheint aber nicht der Grund ihres Ausreißens gewesen zu sein. Der Dommitzscher Rat empfahl Cramer, sich doch direkt an Luther zu wenden, „wenn seine Natur unbedingt eine Bett- genossin verlangte“. Und Luther antwor - tete schon am 18.August 1525 aus Wit- tenberg mit dem obengenannten Brief an den Rat und den Prediger. „Dem Er- samen weysen und wyrdigen Burger- meyster, Radt undt Er Michael, prediger zu Domitzsch, meynen gonstigen herrn und freunden. Gnade und fride In chris- to! Ersamen, Weysen, Wyrdigen lieben herren! Auff ewer schriefft, ewrs predi- gers Ehestandt betreffendt, ist das meyn gutemeynung….“ Luther schreibt wei- ter, dass er „das Recht weder enger noch weiter spannen kann, als es Gott selbst gespannt hat, wenn das Weib sich so „unehelich“ gegen ihn (den Prediger) verhält. „Wenn der Ungläubige sich scheidet, so lasst ihn scheiden. Kann er (der Prediger) nun nicht ohne Weib sein, so freie er eine andere, weil diese nicht will, im Namen Gottes“. Das ist ein kur- zer Auszug aus dem Inhalt des Briefes. Im November 1525 heiratete daraufhin Cramer seine dritte Frau. 1526 wurde er auf eine andere Pfarrstelle versetzt. Sein weiterer Weg soll für uns nicht von gro- ßem Interesse sein. Wichtig für uns war die Frage, ob Luther etwas mit Dommitzsch zu tun hatte. Diese Frage dürfte jetzt beantwortet sein. Luther wur- de später hier sehr verehrt. So kaufte die Gemeinde 1883, im Lutherjahr, eine „Lu- therglocke“ aus Bronze, mit einem Durchmesser von 115 cm und 930 Kg Ge- wicht. Sie trug auf einer Seite ein Brust- bild Luthers und wurde am 25. Oktober 1883 auf dem „Kirchplatz“ geweiht. Es war die größte der Dommitzscher Glo- cken. Am 25. Juni 1917 musste sie für Kriegszwecke abgeliefert werden. Noch eine weitere Ehrung sollte an Luther er - innern. Am 10. November 1883 wurde rechts vor dem Kircheneingang eine Lu- therlinde gepflanzt, die jetzt noch steht, jedoch in keinem sehr guten Zustand ist. Die daneben gepflanzte Melanchthon- linde wurde bereits mehrfach nachge- pflanzt. Es gab aber auch einen guten Bekannten von Luther in Dommitzsch. Vitus Richter, 1517 in Wittenberg gebo- ren, wurde ein sehr guter Bekannter von Luther und Melanchthon. Luther hat ihn persönlich in Wittenberg getraut. Rich- ter war 10 Jahre (mit 21 Jahren) Pastor in Pratau und 36 Jahre, von 1548 bis 1584 Pastor in Dommitzsch, wo er mit 67 Jah- ren verstarb. (Chronikunterlagen) Hermann Förster Dommitzscher Kirche mit Spitztürmen, zu Luthers Zeiten bis 1588) (Zeichnung Klaus Bräunig) POLBITZ. Ein Schnappschuss aus einem privaten Fotoalbum, der uns in eine längst ver- gangene Zeit zurück versetzt. Es zeigt Anna Schöne, die damals in der Gemeinde recht bekannt war, bei einem ihrer üblichen Spaziergänge barfuß und mit Futterkiepe in Pol- bitz – entstanden in den 60er Jahren. Gerlinde Recknagel aus Dommitzsch hat der TZ diese Aufnahme zur Verfügung gestellt. Repro: TZ Barfuß und mit Futterkiepe Der 1. Mai und der Wetterbericht TORGAU. Wir haben in der TZ des Öfteren über die Kampfdemonstrationen zum 1. Mai in der DDR und besonders im Kreis Torgau berichtet. Da waren die berühm- ten Transparente und Losungen, die kaum einer tragen wollte. Später musste die BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung) 5 bis 20 Mark der DDR rausrücken, um überhaupt noch einen Träger zu bekom- men. Und was es da alles für lustige Lo- sungen gab, wie diese von 1952: „Frauen und Männer ran, im Wettbewerb von Mann zu Mann!“. Gute Sprecher haben während der Maidemonstration die an- geblich ausgezeichneten Leistungen der Werktätigen aus dem Kreis Torgau im so- zialistischen Wettbewerb durch die Laut- sprecher bekanntgegeben, die kaum ei- ner hören wollte. Spielmannszüge und Schalmeienkapellen begleiteten die Marschblöcke. An einigen Standorten verkauften HO und Konsum Bratwürste und Bier. Da kam gleich Stimmung auf, besonders nach der Demo, die sich in den Gaststätten fortsetzte. Ja, da war ja noch das Wetter, das nicht immer mitspielte. Der frühere Radio- und Fernseh-Nach- richtensprecher Klaus Feldmann schrieb in einem Buch über Versprecher aber auch über schöngefärbte Wetterberichte. Da wurde von „leichte Bevölkerungszu- nahme bei Nacht“, oder von einer „Ne- belverdichtung je nach Bevölkerungsstär- ke“ gesprochen. Ausgefallen ist ein Wet- terbericht aus klimatischen Gründen nie. Doch manchmal musste auf höhere An- weisung getrickst werden. So wurde zum bevorstehenden Sauwetter am 1. Mai et- was verschönert, indem die zu erwarte- ten Niederschläge gemildert wurden, um die Werktätigen nicht von der Maidemo abzuhalten. Da denke ich an einen Witz, in dem ein Mann bei der Wetterdienststel- le anruft und mitteilt, dass er gerade 30 Liter der angekündigten geringfügig Schauer aus seinen Keller gepumpt habe. Ich erinnere mich an einen 1. Mai in Tor- gau. Als damaliger Kultursekretär des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschafts- bund) war ich für das Kulturprogramm verantwortlich, welches nachmittags ge- plant war. 14.30 Uhr sollte auf den dama- ligen Rosa-Luxemburg-Platz das Ensem- ble der Torgauer Werkttätigen auftreten. Es regnete am Vormittag und am Nach- mittag sollte es nicht anders werden. Aus diesem Grund sagte ich in Abstimmung mit der Kulturverantwortlichen des VEB Flachglaskombinates während der DEMO den Auftritt des Ensemble ab. Um 14 Uhr schien die Sonne. Die Ensemblemitglie- der konnten nicht mehr erreicht werden. Ich spare mir die Worte, die ich mir am nächsten Tag von unserem Vorsitzenden W. Kind anhören musste. Nach Feldmann soll ein Reporter in Berlin am 1. Mai fol- gendes von sich gegeben haben: „Über- all auf den Straßen sah man bunte Trans- parente und Bruchbänder“. Böse Zungen behaupten, dass diese Losung mal am Torgauer Knast gestanden haben soll: „Heraus am 1. Mai!“ Günther Fiege 10 000 Jungrinder und 5000 Kälber in Orenburg ZWETHAU. 1975 wurde außerhalb von Zwethau mit dem Bau einer Jungrinder- anlage begonnen. Drei Jahre lang prägten Baufahrzeuge das Ortsbild. In dieser Zeit bekam die Anlage von den Einwohnern den Namen „Orenburg“, weil man zur gleichen Zeit im russischen Orenburg mit vielen DDR-Bürgern an der Erdgastrasse baute. Das Objekt für die Aufzucht von 10 000 Jungrindern und 5000 Kälbern ging 1989 an die Treuhand. Chronik Zwethau

Transcript of HISTORIE 16_Historie.pdf · DONNERSTAG, 27. APRIL 2017 | SEITE 16 HISTORIE...

Page 1: HISTORIE 16_Historie.pdf · DONNERSTAG, 27. APRIL 2017 | SEITE 16 HISTORIE nico.wendt@tz-mediengruppe.de Ihr Ansprechpartner Nico Wendt Tel. 03421 721052 TORGAU. TZ gewährte in den

DONNERSTAG, 27. APRIL 2017 | SEITE 16

HISTORIE [email protected]

Ihr Ansprechpartner

Nico Wendt Tel. 03421 721052

TORGAU. TZ gewährte in den vergangenen Monaten Einblicke in die Torgau-Bücher „Als die Schornsteine noch rauchten“ von Erdmute Bräunlich und „Früher und heute“ von Bernd Blume und Corinna Karl-Sander. Hier nun ein weiteres Buch, das schon 1997 erschienen ist – aber mittlerweile schon in der dritten Auflage gedruckt wur-de: „Torgau und Umgebung im frühen 20. Jahrhundert“ (ISBN: 978-3- 89702-011-5/Sutton Verlag). Die von An-tiquar Ingo Henjes und Städtebauhistoriker Hans-Joachim Kadatz zusammengestellten Bilder zeigen eine Welt, die viele Torgauer nicht mehr kennengelernt haben oder die in Vergessenheit geraten ist. Repro: TZ

Torgau im frühen 20. Jahrhundert Ein echter Panzer als Spielobjekt

Russischer T34 stand lange am Bahnhof in Beilrode

BEILRODE. Das Denkmal der Befreiung im Park von Beilrode wurde geschändet. Ein Foto in der Torgauer Zeitung wies darauf hin. Es ist auch ein Denkmal der Erinne-rung. Es ist Frühling im Jahr 1945. 8 bis 10-jährige Jungen sitzen in einem Schüt-zengraben, rauchen eine Friedenspfeife und träumen vom Endsieg durch die Wunderwaffe. Ost-Beilrode war ausge-baut mit Schützen- und Panzergräben als Verteidigungsvorposten der Festung Tor-gau. Der Bahnhof Falkenberg/Elster bombardiert in Schutt und Asche. Die Wunderwaffe kam als T 34. Am Abend des 23. April tauchte der erste T34 auf der B 87 am Wandrand, besetzt mit sowjeti-scher Infanterie, in Beilrode auf. Vom Zwethauer Wäldchen aus wurde er abge-schossen. Diese deutschen Endsiegkämp-fer grüßten später unter einem Holzkreuz mit Stahlhelm an der Spukeiche. Im Mai 45 war dann ein T34 unser Spielobjekt. Er stand mit defekter Kette vor dem Korn-haus am Bahnhof. Ausgebaut waren Lade- und Abschussvorrichtung der Ka-none, sonst aber funktionsfähig. Wir drehten den Turm, schauten durch das Geschützrohr und fanden so unsere Zie-le. Die Panzermunition lieferte uns einen

interessanten Sprengstoff in Form „roter Makaronistäbchen“ für allerlei gefährli-che Spiele. Nach Festlegung von Jalta war Torgau ausgeschriebenes Niemands-land und somit Tabu für den T34. Ein mu-tiger Festungskommandant sorgte für die weiße Fahne auf Schloss Hartenfels. Die Hitlerjungen, als letzte Verteidigungsre-serve, wussten auf seinen Befehl die Waf-fen in die Elbe werfen. Der Volkssturm von Beilrode hatte sich besoffen und har-te unter weißen Fahnen in der Kneipe von Röcknitz. Die Festung Torgau war geret-tet, seine Architektur blieb erhalten. Der T34 wurde von einer Wunderwaffe zum Friedenssymbol. Für den mutigen Kom-mandanten hat Torgau noch keinen Eh-renplatz gefunden, er ist vergessen. In vielen Städten und Orten der ehemaligen Ostblockstaaten wurde ein T34 zum Denkmal erhoben, so auch in Beilrode. Zum 30. Jahrestag 1975 wurde das jetzi-ge Denkmal im Park von Beilrode einge-weiht. In Erinnerung an dieses Ereignis und an das Kriegsende, wurden viele lus-tige Friedensfeste gefeiert. So müsste es auch weiterhin sein. Der T34 sollte ein Denkmal der Erinnerung bleiben. Walter Kuhne

Luther und DommitzschDie Chronik gibt Aufschluss über interessante Tatsachen und Fakten, die mit der Gänsebrunnenstadt in Verbindung stehen

DOMMITZSCH. Es gibt wieder einmal ein Lutherjahr. Jeder kleine Ort versucht et-was herauszufinden, was sein Heimatort eventuell mit Luther zu tun hat. Warum also nicht auch Dommitzsch? Gesucht und gefunden! Unser Chronist Christian F. Röder schrieb 1745 in seiner Chronik: „ … Man kan aber nicht sagen, ob der selige Lutherus in eigener Person allhier gepredigt, und selbst die Hand zum Wercke geleget habe.“ Röder schreibt weiter, dass Luther sicher bei seinen Rei-sen nach Torgau auch die Dommitzscher Kirche besucht und sich um die Verän-derung des Gottesdienstes persönlich be-müht habe. Soviel wusste Röder um 1750. Inzwischen sind einige Jahre vergangen und wir, als seine Nachfolger in der Er-forschung der Dommitzscher Historie, konnten weitere Hinweise finden. Das „Luther Kalendarium“ von G. Buchwald Leipzig 1929, verzeichnet, dass Luther zumindest ein Mal, am 07. April 1528 in der Dommitzscher Kirche die Predigt hielt. Na, ob da die Kirche nicht gefüllt war? Ich wäre mir da nicht so sicher, nach

dem was einige vorhergehende Jahre so zeigten. Gehen wir erst einmal zurück in das Jahr 1521. In diesem Jahr wurde Lu-thers Lehre in Dommitzsch eingeführt. Alle Bürger von Dommitzsch scheinen sich nicht so schnell für eine Religions-änderung entschieden zu haben. Der da-malige Komtur des Ritterordens, der schon zum neuen Glauben konvertiert war, erbat sich vom Kurfürsten, laut Rö-der, eine Leibwache von einigen Solda-ten, um sich vor den Bürgern schützen zu lassen, die „alle noch am alten Glau-ben hingen“. Anders dachte aber schein-bar der Rat, an den Luther im Jahr 1525 direkt einen Brief schickte. Dommitzsch hatte seit 1524 schon einen evangeli-schen Pfarrer, dessen Name Michael lau-tete.Der Familienname war zunächst un-bekannt, heute wissen wir, dass er Cra-mer hieß. Aus der Veröffentlichung „Martin Luthers Briefwechsel“, von H. Böhlaus Nachfolger, ist ein Brief be-kannt, den Luther an den Rat und den Prediger Michael von Dommitzsch schrieb. Der Grund des Schreibens war die Ehe des Pfarrers Michael Cramer.

Cramer wurde am 17. Juli 1522 von Her-zog Georg für die Pfarrstelle von Kunitz eingesetzt und heiratete hier seine erste Frau. Mit dieser hatte er viel Ärger. Als sie ihn verließ, ging er nach Wittenberg. Von hier schickte ihn Luther 1524 als Prediger nach Dommitzsch. Hier heira-tete er seine 2. Frau, Diese entlief ihm aber schon nach 24 Tagen. Als sie zwangsweise zurückgeführt wurde, räumte sie die Wohnung aus und ver-schwand erneut. Mehrfach wurde ange-nommen, dass die Frau noch im alten Glauben verharrte, das scheint aber nicht der Grund ihres Ausreißens gewesen zu sein. Der Dommitzscher Rat empfahl Cramer, sich doch direkt an Luther zu wenden, „wenn seine Natur unbedingt eine Bett-genossin verlangte“. Und Luther antwor-tete schon am 18.August 1525 aus Wit-tenberg mit dem obengenannten Brief an den Rat und den Prediger. „Dem Er-samen weysen und wyrdigen Burger-meyster, Radt undt Er Michael, prediger zu Domitzsch, meynen gonstigen herrn und freunden. Gnade und fride In chris-

to! Ersamen, Weysen, Wyrdigen lieben herren! Auff ewer schriefft, ewrs predi-gers Ehestandt betreffendt, ist das meyn gutemeynung….“ Luther schreibt wei-ter, dass er „das Recht weder enger noch weiter spannen kann, als es Gott selbst gespannt hat, wenn das Weib sich so „unehelich“ gegen ihn (den Prediger) verhält. „Wenn der Ungläubige sich scheidet, so lasst ihn scheiden. Kann er (der Prediger) nun nicht ohne Weib sein, so freie er eine andere, weil diese nicht will, im Namen Gottes“. Das ist ein kur-zer Auszug aus dem Inhalt des Briefes. Im November 1525 heiratete daraufhin Cramer seine dritte Frau. 1526 wurde er auf eine andere Pfarrstelle versetzt. Sein weiterer Weg soll für uns nicht von gro-ßem Interesse sein. Wichtig für uns war die Frage, ob Luther etwas mit Dommitzsch zu tun hatte. Diese Frage dürfte jetzt beantwortet sein. Luther wur-de später hier sehr verehrt. So kaufte die Gemeinde 1883, im Lutherjahr, eine „Lu-therglocke“ aus Bronze, mit einem Durchmesser von 115 cm und 930 Kg Ge-wicht. Sie trug auf einer Seite ein Brust-

bild Luthers und wurde am 25. Oktober 1883 auf dem „Kirchplatz“ geweiht. Es war die größte der Dommitzscher Glo-cken. Am 25. Juni 1917 musste sie für Kriegszwecke abgeliefert werden. Noch eine weitere Ehrung sollte an Luther er-innern. Am 10. November 1883 wurde rechts vor dem Kircheneingang eine Lu-therlinde gepflanzt, die jetzt noch steht, jedoch in keinem sehr guten Zustand ist. Die daneben gepflanzte Melanchthon-linde wurde bereits mehrfach nachge-pflanzt. Es gab aber auch einen guten Bekannten von Luther in Dommitzsch. Vitus Richter, 1517 in Wittenberg gebo-ren, wurde ein sehr guter Bekannter von Luther und Melanchthon. Luther hat ihn persönlich in Wittenberg getraut. Rich-ter war 10 Jahre (mit 21 Jahren) Pastor in Pratau und 36 Jahre, von 1548 bis 1584 Pastor in Dommitzsch, wo er mit 67 Jah-ren verstarb. (Chronikunterlagen) Hermann Förster

Dommitzscher Kirche mit Spitztürmen, zu Luthers Zeiten bis 1588) (Zeichnung Klaus Bräunig)

POLBITZ. Ein Schnappschuss aus einem privaten Fotoalbum, der uns in eine längst ver-gangene Zeit zurück versetzt. Es zeigt Anna Schöne, die damals in der Gemeinde recht bekannt war, bei einem ihrer üblichen Spaziergänge barfuß und mit Futterkiepe in Pol-bitz – entstanden in den 60er Jahren. Gerlinde Recknagel aus Dommitzsch hat der TZ diese Aufnahme zur Verfügung gestellt. Repro: TZ

Barfuß und mit Futterkiepe

Der 1. Mai und der Wetterbericht

TORGAU. Wir haben in der TZ des Öfteren über die Kampfdemonstrationen zum 1. Mai in der DDR und besonders im Kreis Torgau berichtet. Da waren die berühm-ten Transparente und Losungen, die kaum einer tragen wollte. Später musste die BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung) 5 bis 20 Mark der DDR rausrücken, um überhaupt noch einen Träger zu bekom-men. Und was es da alles für lustige Lo-sungen gab, wie diese von 1952: „Frauen und Männer ran, im Wettbewerb von Mann zu Mann!“. Gute Sprecher haben während der Maidemonstration die an-geblich ausgezeichneten Leistungen der Werktätigen aus dem Kreis Torgau im so-zialistischen Wettbewerb durch die Laut-sprecher bekanntgegeben, die kaum ei-ner hören wollte. Spielmannszüge und Schalmeienkapellen begleiteten die Marschblöcke. An einigen Standorten verkauften HO und Konsum Bratwürste und Bier. Da kam gleich Stimmung auf, besonders nach der Demo, die sich in den Gaststätten fortsetzte. Ja, da war ja noch das Wetter, das nicht immer mitspielte. Der frühere Radio- und Fernseh-Nach-richtensprecher Klaus Feldmann schrieb in einem Buch über Versprecher aber auch über schöngefärbte Wetterberichte. Da wurde von „leichte Bevölkerungszu-nahme bei Nacht“, oder von einer „Ne-belverdichtung je nach Bevölkerungsstär-ke“ gesprochen. Ausgefallen ist ein Wet-terbericht aus klimatischen Gründen nie. Doch manchmal musste auf höhere An-weisung getrickst werden. So wurde zum bevorstehenden Sauwetter am 1. Mai et-was verschönert, indem die zu erwarte-ten Niederschläge gemildert wurden, um die Werktätigen nicht von der Maidemo abzuhalten. Da denke ich an einen Witz, in dem ein Mann bei der Wetterdienststel-le anruft und mitteilt, dass er gerade 30 Liter der angekündigten geringfügig Schauer aus seinen Keller gepumpt habe. Ich erinnere mich an einen 1. Mai in Tor-gau. Als damaliger Kultursekretär des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschafts-bund) war ich für das Kulturprogramm verantwortlich, welches nachmittags ge-plant war. 14.30 Uhr sollte auf den dama-ligen Rosa-Luxemburg-Platz das Ensem-ble der Torgauer Werkttätigen auftreten. Es regnete am Vormittag und am Nach-mittag sollte es nicht anders werden. Aus diesem Grund sagte ich in Abstimmung mit der Kulturverantwortlichen des VEB Flachglaskombinates während der DEMO den Auftritt des Ensemble ab. Um 14 Uhr schien die Sonne. Die Ensemblemitglie-der konnten nicht mehr erreicht werden. Ich spare mir die Worte, die ich mir am nächsten Tag von unserem Vorsitzenden W. Kind anhören musste. Nach Feldmann soll ein Reporter in Berlin am 1. Mai fol-gendes von sich gegeben haben: „Über-all auf den Straßen sah man bunte Trans-parente und Bruchbänder“. Böse Zungen behaupten, dass diese Losung mal am Torgauer Knast gestanden haben soll: „Heraus am 1. Mai!“ Günther Fiege

10 000 Jungrinder und 5000 Kälber in Orenburg

ZWETHAU. 1975 wurde außerhalb von Zwethau mit dem Bau einer Jungrinder-anlage begonnen. Drei Jahre lang prägten Baufahrzeuge das Ortsbild. In dieser Zeit bekam die Anlage von den Einwohnern den Namen „Orenburg“, weil man zur gleichen Zeit im russischen Orenburg mit vielen DDR-Bürgern an der Erdgastrasse baute. Das Objekt für die Aufzucht von 10 000 Jungrindern und 5000 Kälbern ging 1989 an die Treuhand. Chronik Zwethau