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1 1. WOCHE: EINFÜHRUNG IN DIE HANSE Beginn der Hanse Es gibt kein exaktes Gründungsdatum der Hanse, man geht jedoch davon aus, dass die Gründung der Stadt Lübeck im Jahr 1143 als entscheidender Faktor gilt. Die Lage der Stadt ermöglichte einen unkomplizierten Ostseezugang, der den Austausch von Rohstoffen zum Beispiel Getreide, Wachs, Holz und Pelze aus Russland und Fertigprodukten, wie Wein und Tuch aus den westeuropäischen Ländern ermöglichte. Angefangen hat die Tradition der Hanse mit einem freien Zusammenschluss von Kaufleuten, die das Risiko der gefährlichen Reise nicht alleine, sondern im Schutz einer Gruppe bestreiten wollten. Zudem war es in einer größeren Gemeinschaft häufig einfacher, die Interessen zu vertreten. Dies ist die sogenannte Kaufmannshanse, im Vergleich zu der sich daraus entwickelnden Städtehanse. In dieser Zeit entstand die „Gemeinschaft der deutschen Gotlandfahrer“, ein Zusammenschluss einzelner niederdeutscher Kaufleute. Gotland war Handelszentrum des von Skandinavien dominierten Handels im Ostseeraum und durch gegenseitige Versicherung von Handelsprivilegien sicherten sich die deutschen Kaufleute den Handel mit Gotland. Auch weitere Handelsstädte an der Ostseeküste konnten nun erschlossen werden, auch wenn es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen deutschen und gotländischen Händlern führte. Aber nicht nur im Ostseeraum wurde gehandelt, auch in die Nordsee, England und Flandern wurden Beziehungen geknüpft. Der wendische Städtebund Mit einem Beschluss aus dem Jahr 1259 verkünden die Räte der drei wendischen Städte Lübeck, Wismar und Rostock, dass Räuber und Piraten, die den Handel gefährden, sofort und ohne Gerichtsverfahren geächtet werden dürfen. Daraus schließt man, dass die Handelswege im Binnenland und auf der Ostsee mehr als unsicher waren, sodass gehandelt werden musste. Erklären lässt sich dies anhand der politischen Entwicklung. Lange Zeit waren Lübeck, Holstein, Mecklenburg und Pommern in dänischer Hand unter der Regierung von König Waldemar II. 1224 fielen sie zurück an Kaiser Friedrich II. Problematisch war dies, da der Kaiser weit entfernt vom Ostseeraum keine Einflussmöglichkeiten auf das Geschehen ausüben konnte. In dem entstandenen Chaos setzten sich, wie man heute sagen würde, mehrere „warlords“ durch, was die Lage weiter verschlimmerte. Der Handel wurde immer unsicherer und die Städte begannen eine gemeinsame Politik zu entwickeln und sich zusammenzuschließen. Die größte Gefahr stellte der Adel dar. Einige Adlige versuchten sich auf unrechte Art und Weise einen Anteil am Handel zu ergaunern und heuerten Piraten an. Man kann sich vorstellen, dass es für die Städte nicht einfach war, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die Konkurrenz zwischen ihnen war sehr groß und allein die wendischen Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Rostock, Wismar, Greifswald und Stralsund brauchten seit dem Beschluss mehr als 20 Jahre, um ihre Differenzen beizulegen. Auch bei vielen kleineren und größeren Konflikten zwischen einzelnen Städten wird die Relevanz des Handels deutlich, wenn es ihnen gelingt dem Handel zu Gute einen Konsens zu finden: „Weil nämlich viele Kaufleute, die um der göttlichen Gnade willen mit Handelswaren über die Meere segeln, wegen der Angriffe der Piraten und Räuber weder wahren Frieden noch wirkliche Sicherheit haben“ 1 . Einerseits stellte der seegestützte Fernhandel einen 1 Hammel-Kiesow, Rolf/Graichen, Gisela: Die deutsche Hanse. Eine heimliche Supermacht. Hamburg 2011. S.70.

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1. WOCHE: EINFÜHRUNG IN DIE HANSE

Beginn der Hanse

Es gibt kein exaktes Gründungsdatum der Hanse, man geht jedoch davon aus, dass die Gründung der Stadt Lübeck im Jahr 1143 als entscheidender Faktor gilt. Die Lage der Stadt ermöglichte einen unkomplizierten Ostseezugang, der den Austausch von Rohstoffen zum Beispiel Getreide, Wachs, Holz und Pelze aus Russland und Fertigprodukten, wie Wein und Tuch aus den westeuropäischen Ländern ermöglichte. Angefangen hat die Tradition der Hanse mit einem freien Zusammenschluss von Kaufleuten, die das Risiko der gefährlichen Reise nicht alleine, sondern im Schutz einer Gruppe bestreiten wollten. Zudem war es in einer größeren Gemeinschaft häufig einfacher, die Interessen zu vertreten. Dies ist die sogenannte Kaufmannshanse, im Vergleich zu der sich daraus entwickelnden Städtehanse. In dieser Zeit entstand die „Gemeinschaft der deutschen Gotlandfahrer“, ein Zusammenschluss einzelner niederdeutscher Kaufleute. Gotland war Handelszentrum des von Skandinavien dominierten Handels im Ostseeraum und durch gegenseitige Versicherung von Handelsprivilegien sicherten sich die deutschen Kaufleute den Handel mit Gotland. Auch weitere Handelsstädte an der Ostseeküste konnten nun erschlossen werden, auch wenn es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen deutschen und gotländischen Händlern führte. Aber nicht nur im Ostseeraum wurde gehandelt, auch in die Nordsee, England und Flandern wurden Beziehungen geknüpft.

Der wendische Städtebund

Mit einem Beschluss aus dem Jahr 1259 verkünden die Räte der drei wendischen Städte Lübeck, Wismar und Rostock, dass Räuber und Piraten, die den Handel gefährden, sofort und ohne Gerichtsverfahren geächtet werden dürfen. Daraus schließt man, dass die Handelswege im Binnenland und auf der Ostsee mehr als unsicher waren, sodass gehandelt werden musste. Erklären lässt sich dies anhand der politischen Entwicklung. Lange Zeit waren Lübeck, Holstein, Mecklenburg und Pommern in dänischer Hand unter der Regierung von König Waldemar II. 1224 fielen sie zurück an Kaiser Friedrich II. Problematisch war dies, da der Kaiser weit entfernt vom Ostseeraum keine Einflussmöglichkeiten auf das Geschehen ausüben konnte. In dem entstandenen Chaos setzten sich, wie man heute sagen würde, mehrere „warlords“ durch, was die Lage weiter verschlimmerte. Der Handel wurde immer unsicherer und die Städte begannen eine gemeinsame Politik zu entwickeln und sich zusammenzuschließen. Die größte Gefahr stellte der Adel dar. Einige Adlige versuchten sich auf unrechte Art und Weise einen Anteil am Handel zu ergaunern und heuerten Piraten an.

Man kann sich vorstellen, dass es für die Städte nicht einfach war, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die Konkurrenz zwischen ihnen war sehr groß und allein die wendischen Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Rostock, Wismar, Greifswald und Stralsund brauchten seit dem Beschluss mehr als 20 Jahre, um ihre Differenzen beizulegen. Auch bei vielen kleineren und größeren Konflikten zwischen einzelnen Städten wird die Relevanz des Handels deutlich, wenn es ihnen gelingt dem Handel zu Gute einen Konsens zu finden: „Weil nämlich viele Kaufleute, die um der göttlichen Gnade willen mit Handelswaren über die Meere segeln, wegen der Angriffe der Piraten und Räuber weder wahren Frieden noch wirkliche Sicherheit haben“1. Einerseits stellte der seegestützte Fernhandel einen

1 Hammel-Kiesow, Rolf/Graichen, Gisela: Die deutsche Hanse. Eine heimliche Supermacht. Hamburg 2011.

S.70.

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wirtschaftlichen Faktor dar, denn die Handelsrouten führen von der Küste in den gesamten Ostseeraum. Angesteuert wurden Russland, Livland, Schweden und Dänemark. Andererseits darf man auch die politische Komponente nicht vergessen, denn er stellt die wirtschaftliche Domäne der politischen Führungsgruppen dar. Die Gefährdung der größten Interessen begünstigt den Zusammenschluss der Städte. Um vor erneuten Übergriffen auf den Handelsrouten geschützt zu sein, wurden Söldner als militärische Unterstützung angeheuert. Man darf hierbei jedoch nicht vergessen, dass dieser Schutz sehr teuer war.

Bereits Ende des 12. Jahrhunderts wurden Fahrtgemeinschaften gebildet. Dieses Konzept wurde von den Fernkaufleuten aufgegriffen und städtepolitisch in den Vertrag von 1259 eingebracht. Besonders interessant ist, dass das innerstädtische Willkürrecht auf die Handelsrouten ausgedehnt wurde. Die Ostsee war ein rechtsfreier Raum, aber für die Ausübung zu Lande hätte es der Zustimmung des Königs bedurft! 1265 treffen sich die Hansestädte und es kommt zu dem Beschluss, sich einmal jährlich zu treffen und alle wichtigen Angelegenheiten zu besprechen. Die sogenannten Hansetage fanden regelmäßig und in wechselnden Städten statt. Hieraus entwickelt sich bis 1265 eine gemeinsame Politik der wendischen Städte. 1281 wurden weiterhin Stettin, Anklam, Greifwald und Stralsund in den Städtebund aufgenommen. Dieser ist nicht der einzige, aber der wichtigste Städtebund. Auch international werden Bündnisse geschlossen, so zum Beispiel 1280 zwischen Lübeck und der deutschen Stadtgemeinde von Visby auf Gotland, 1282 tritt Riga dem Bund bei.

Doch in der Hanse wurde nicht nur der Schutz der Kaufleute von Interesse. Auch Wirtschaftsblockaden dienten der Durchsetzung des gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses.

Im Laufe des 13. Jahrhunderts setzt die sogenannte kommerzielle Revolution ein: Ältere Kaufleuten fuhren nicht mehr selber zur See, sondern regelten alle Angelegenheiten von zu Hause aus. Dafür erteilten sie Handelspartnern oder Gesellen die Aufträge. Interessant ist die aus der Arbeitsteilung resultierende Stellung der wendischen Hansestädte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Waren sie bisher Umschlagplätze, so entwickelten sie sich nun zu Stapelplätzen.

Der Begriff der „Deutschen Hanse“ wurde erstmals in dem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung 1358-1360 und dem daraus resultierenden von niederdeutsche Städten verhängten Wirtschaftsembargo gegen Flandern erwähnt. Er sollte die Geschlossenheit der Städte und ihrer Interessen verdeutlichen. Die Wirtschaftsblockade verläuft äußerst erfolgreich, denn nach einer Hungersnot, inneren Unruhen und der zweiten Pestepidemie erhielten die hansischen Kaufleute die geforderten Privilegien in ganz Flandern.

Der Machtverlust der Hanse und deren Niedergang hat viele unterschiedliche Gründe. Zum einen verstärkten sich die Territorialgewalten im Ostseeraum und die Städte konnten nicht mehr freie Entscheidungen treffen. Amerika wurde entdeckt und der Handel erstreckte sich auf Übersee, was neue Konkurrenzbildung und Schwächung von Städten und Kaufleuten nach sich zog. Zudem führten viele politische Unruhen zu Schließungen von einst wichtigen Kontoren, wie Nowgorod. Zum anderen viel es immer schwerer einen gemeinsamen Konsens in wichtigen Angelegenheiten zu finden und der große Vorteil der Hanse, die Flexibilität, ging verloren.

Der letzte Hansetag fand 1669 in Lübeck unter Beteiligung der verbliebenen Städte Lübeck, Bremen, Hamburg, Rostock, Wismar, Danzig Hildesheim, Braunschweig, Osnabrück und Köln statt.

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Auswahl der Hansestädte und gehandelter Waren

Wendische Hansestädte: Lübeck, Stralsund, Wismar, Rostock, Lüneburg

Sächsische Hansestädte: Braunschweig, Einbeck, Goslar, Hildesheim, Magdeburg

Märkische Hansestädte: Stendal, Brandenburg, Berlin, Frankfurt Livländische Hansestädte: Danzig, Riga, Reval, Dorpat Westfälische und rheinische Hansestädte: Köln, Dortmund, Münster, Osnabrück, Paderborn, Duisburg

Hansekontore: Bergen, Brügge, London, Nowgorod

Waren: Tuch, Wein, Getreide, Wachs, Holz, Pelze, Salz, Fisch, Bier

Das Lübische Recht

Das Stadtrecht stellt die Verbindung aus dem geltenden Landrecht, Willkürrecht und dem Recht des Stadtherren dar. Im Fall der Hansestadt Lübeck galt zunächst das Holstenrecht als Teil des Sachsenrechtes, dazu kam das Soester Recht. Eine grundlegende Veränderung ergab sich durch die von Kaiser Friedrich II. gestattete Rechtsbesserung. Das Landrecht wurde auf die sich vom Land unterscheidenden Verhältnisse innerhalb einer Stadt angepasst. Problematisch gestaltet sich die Forschung, da die Rechte selten schriftlich festgelegt wurden und zudem ständigen Änderungen unterworfen waren. Alle, die mit dem Recht zu tun hatten, kannten dies auswendig. Lediglich Streitigkeiten über das Recht wurden festgehalten.