2. KAMMERABEND - Staatskapelle Dresden · 2015. 10. 28. · Divertimento Es-Dur erntet das Dresdner...

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SAISON 2015 2016 1.11.15 2. KAMMERABEND ALS MATINEE 20 JAHRE DRESDNER STREICHTRIO

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SAISON 2015 20161.11.15

2. KAMMERABENDALS MATINEE20 JAHRE DRESDNER STREICHTRIO

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PROGRAMM

Alfred Schnittke (1934 -1998)

Streichtrio für Violine, Viola und Violoncello (1985) WV 16711. Moderato2. Adagio

PA U S E

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 -1791)

Divertimento Es-Dur für Violine, Viola und Violoncello KV 5631. Allegro2. Adagio3. Menuetto. Allegro – Trio4. Andante5. Menuetto. Allegretto – Trio I / II6. Allegro

Dresdner StreichTrio

Ausführende

Jörg Faßmann ViolineSebastian Herberg ViolaMichael Pfaender Violoncello

SONNTAG 1.11.15 11 UHR I SEMPEROPER DRESDEN

2. KAMMERABENDALS M ATINEE – 20 JAHRE DRESDNER STREICHTRIO

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»In der Nacht vom 22. zum 23. Juli 1985 erlitt ich einen Schlaganfall. Ich lag 20 Tage besinnungslos und war während dieser Zeit zweimal ›dort‹ – wenn man so den klinischen Tod bezeichnen darf. Schon nach ein paar Tagen soll ich nach Aussage der Ärzte mit wirrem Sprechen begonnen haben. Ich weiß nichts davon. Anfangs soll ich nur deutsch gesprochen haben, vielleicht das Wolgadeutsch mei-ner Kindheit. Erst was nach dem 11. August kam, wurde mir bewusst. Es waren zuerst Halbträume, war es aus der Zeit des Krieges, war es ein Erlebnis des Nor-dens, wo ich nie gewesen bin? Alles Spätere war Sache des Glücks – langsame Rückkehr zu Leben und Arbeit.« Für Alfred Schnittke, der die kritischen Tage des Sommers 1985 retrospektiv beschreibt, ist das Gefühl der Todesnähe nicht gänzlich neu. Der Komponist, der bis zu seinem Ableben 1998 noch drei weitere Schlaganfälle verkraften muss, vertritt die Gewissheit, dass man die Nähe des Sterbens im Unterbewussten erahnen kann. Bereits in den Jahren vor seinem ersten Schlaganfall tendiert sein Schaffen zu einer tragischen Weltanschauung. Vor allem ist es die Konfrontation mit dem Tod, die unüberhörbar in seinen Wer-ken herausklingt. Momente der Resignation schwingen mit, wenn es darum geht, Unerklärliches in Musik zu setzen: »Das unberechtigte Mitempfinden ist mein Schicksal – ich habe nirgends natürliches Heimatrecht«, äußert sich Schnittke zur Frage nach seiner kulturellen Herkunft. Er, der drei Kulturkreisen angehört, befindet sich nach eigener Überzeugung am häufigsten im Niemandsland: »Ich habe viele Freunde, aber ich spüre immer eine Grenze, die man kaum erklären kann. Ich gehöre zu niemandem, weder zu den Russen noch zu den deutschen aller Art, noch zu den Juden.« Möglicherweise leitet sich aus der kulturellen Entwurzelung (oder sollte man sagen: Öffnung?) Schnittkes Neigung zu einer Polystilistik ab, die für ihn »kein stilistisches Durcheinander, sondern Verzicht auf Stildogmen« bedeutet. Schnittke bewegt sich in einem Zeitfeld und sucht nach einem »Wechselspiel zwischen Zentrum und Peripherie«. Anfang 1985, vor seinem ersten Schlaganfall, schreibt er sein einziges Streichtrio. Es ist das Jubiläumsjahr von Bach und Händel, in dem nicht nur der 300. Geburtstag der barocken Großmeister gefeiert wird, sondern auch der 100. Geburtstag von Alban Berg, einem der Hauptvertreter der Zweiten Wiener Schule. Schnittke erhält ei-nen Auftrag der Alban-Berg-Stiftung zur Komposition eines Werkes und beginnt den ersten Satz seines Streichtrios mit einem zarten, wenngleich verfremdeten »Happy Birthday to you«. Die Allusion eröffnet einen Reigen, in dem das Geburts-tagsthema immer wieder in seiner rhythmischen Struktur anklingt, durchsetzt von Assoziationen an Schubert, den späten Schostakowitsch und Akkordfolgen aus der Minimal Music. Das Birthday-Zitat, hier in seiner Umwandlung, deutet auf den Anlass der heutigen Kammermatinee. Auch das Dresdner StreichTrio feiert Geburtstag und gedenkt der erfüllten Zeit musikalischer Abenteuer wäh-rend seines 20-jährigen Bestehens. Gleichwohl ist im ersten Satz von Schnittkes Streichtrio die menschliche Grunderfahrung eingeschrieben, Verformungen und

ZUM PROGRAMM

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Gefährdungen ausgesetzt zu sein, die in ihrer Summe den Weg des Lebens aus-machen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum einzelne Themen aus dem Moderato im zweiten Satz erneut auftauchen. Angelegt ist Schnittkes Streichtrio ebenso zweisätzig wie Bergs Streichquartett op. 3. In beiden Werken verhalten sich die Sätze wie Exposition und Durchführung einer Sonatenform; das the-matische Material des ersten Satzes kehrt im zweiten verarbeitet wieder. Am Ende schließt sich jedoch der Kreis: Im Bach- und Händeljahr kleidet Schnittke das Happy-Birthday-Thema in ein barockes Gewand, bevor es in der hohen Gei-ge, losgelöst von allem, verklingt. 1985 – das ist auch das Jahr von Alban Bergs 50. Todestag.

Als Wolfgang Amadeus Mozart im August und September 1788 das Divertimento Es-Dur KV 563 komponiert, befindet er sich mitten in einem schaffensreichen Jahr. Gerade hat er seine letzten drei großen Sinfonien vollendet. Im Februar 1788 ist sein sogenanntes Krönungskonzert entstanden, das Klavierkonzert D-Dur KV 537. Zudem beginnt Mozart mit der Niederschrift seines letzten Klavierkonzertes B-Dur KV 595. Die ungeheure Produktivität vermag jedoch nicht seine angespannte wirt-schaftliche Lage zu lindern. Aufträge bleiben aus und verschärfen seine finanzielle Situation, da er als freier Musiker auf lukrative Bestellungen aus Kreisen des Adels angewiesen ist. Zwischen 1788 und 1791 verfasst Mozart mindestens 21 Briefe an seinen Logenbruder Johann Michael Puchberg. Der erfolgreiche Kaufmann, der durch Heirat der Witwe eines Seidenhändlers zu einem stattlichen Vermögen gelangt, ist Mozarts größte Hoffnung. Am 27. Juni 1788 schreibt er an Puchberg: »Mein laage ist so, daß ich unumgänglich benöthiget bin, geld aufzunehmen. – aber gott, wem soll ich mich vertrauen? – niemanden als ihnen, mein bester! … es thut mir leid genug, daß ich in diesem falle bin – eben deswegen wünschte ich aber eine etwas ansehnliche Summe auf einen etwas längern Termin zu haben … wenn mein wunsch in erfüllung geht so kann ich frey odem schöpfen, weil ich dann im Stande seyn werde mich in ordnung zu bringen, und auch darin zu erhalten … ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne, mehr gearbeitet, als in andern logis die 2 Mona-the, – und kämmen mir nicht so oft so schwarze gedanken / : die ich mir mit gewalt aus=schlagen muss : / würde es mir noch besser von statten gehen.« Das Diver-timento Es-Dur, Mozarts längstes kammermusikalisches Werk, ist für Puchberg geschrieben, von dem er hofft, nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Kontakte zu potentiellen Auftraggebern zu erhalten. So zögert er nicht, Puchberg ein Jahr später nach Prag, Dresden und Leipzig zu begleiten (nach Berlin wird Mozart ohne Puchberg reisen), um seinen wachsenden Ruhm außerhalb Wiens in bare Münze zu verwandeln – was allerdings nur mäßig gelingt. Der Titel des Divertimentos deutet auf eine Unterhaltungsmusik, die Mozart in KV 563 in Form und Anlage nobilitiert. Eigenhändig vermerkt er in seinem »Werkverzeichnüß« sechs Sätze, »sei pezzi«, die in ihrer Abfolge ziemlich genau dem Divertimento D-Dur KV 334 aus seiner Salzburger Zeit entsprechen. Doch macht sich in KV 563 Mozarts Spätstil bemerk-bar, der sich in einer reichen kontrapunktischen Behandlung des Materials zeigt. Zudem verhalten sich die Streichinstrumente zueinander gleichberechtigt, was die

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DAS DRESDNER STREICHTRIO

Die Geburtsstunde des Dresdner StreichTrios schlägt 1995, als sich drei junge Musiker zusammenschließen, um neben ihrer Verpflichtung in Konzertmeister-positionen an der Sächsischen Staatskapelle Dresden bzw. am MDR-Sinfonie-orchester die Kammermusik zu pflegen. Angeregt durch selten gespielte Werke für Streichtrio von Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Jean Françaix, Alfred Schnittke und Ernst von Dohnányi gilt es vor allem, neue Gestaltungs- und Aus-drucksmöglichkeiten zu formulieren. Schnell folgen Einladungen etablierter Konzertpodien in ganz Deutschland sowie zu verschiedenen Musikfestivals. Sein Debüt in der Berliner Philharmonie gibt das Ensemble im Jahr 2004. Bereits nach der ersten CD-Einspielung mit Schuberts Streichtrio B-Dur und Mozarts Divertimento Es-Dur erntet das Dresdner StreichTrio große Anerkennung. Für die Einspielung der »Goldberg-Variationen« in der Fassung für Streichtrio wird es bei klassik.com hoch bewertet. Neueste Aufnahme ist die weltweit erste CD mit Streichtrios der Brahms-Zeitgenossen Ernst Naumann und Wilhelm Berger.

Tendenz zum Konzertanten noch verstärkt. Mozarts aufgebrochen-verschränkte Arbeit ist bereits im ersten Satz zu beobachten, wenn das dritte Thema, eine punktiert umspielte Figur, in der Durchführung mit dem Mittel der Engführung verarbeitet wird. Dabei kommt es zu einer Verschachtelung, die Mozarts Streben nach einer eng verwobenen Satztechnik in seiner Spätphase eindrucksvoll unter Beweis stellt. Ganz anders geartet ist das Adagio in As-Dur, das seinen Einfluss des empfindsamen Stils von C.P.E. Bach nicht verbergen kann. Die Kopplung gebrochener Dreiklänge mit einer Gesangsmelodie baut Mozart raumgreifend aus und überhöht sie in zart rankender Melancholie, die etwas von dem erahnen lässt, was er in seinem Brief an Puchberg als das Ausschlagen der »schwarzen Gedan-ken« bezeichnet hat. Das Andante ist ein Variationensatz, dessen Thema Züge eines Volksliedes trägt und von Mozart nach Art einer Doppelvariation behan-delt wird, bei der die beiden Hälften des Themas in ihrer Wiederholung variiert werden. Zu äußerster Verdichtung in doppeltem Kontrapunkt (Vertauschung der Stimmen) kommt es in der Mollvariation. Der Satz ist ein Musterbeispiel für eine hochgradig komplexe Komposition, der eine natürliche Anmut freilich nicht fehlt. Als Mozart im April 1789 in Dresden weilt, trägt er das Divertimento Es-Dur im Gepäck und organisiert einen Kammermusikabend, auf dem das Werk mit einem Dresdner Kantor an der Geige und dem böhmischen Cellisten Anton Kraft »ganz hörbar executiert« wird, wie Mozart, der den Part der Viola übernimmt, nicht ohne Stolz seiner Frau Constanze berichtet.

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VORSCHAU

Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gegründet 1854 als Tonkünstler- Verein zu Dresden

Verantwortlich: Friedwart Christian Dittmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein

IMPRESSUM

Sächsische Staatskapelle DresdenChefdirigent Christian Thielemann

Spielzeit 2015 | 2016

HER AUSGEBER

Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © November 2015

REDAK TION

André Podschun

TE X T

Der Einführungstext von André Podschun ist ein Originalbeitrag für dieses Heft

GESTALTUNG UND SATZ

schech.net Strategie. Kommunikation. Design.

DRUCK

Union Druckerei Dresden GmbH

Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.

W W W.STA ATSK APELLE-DRESDEN.DE

4. SymphoniekonzertSONNTAG 29.11.15 11 UHR

MONTAG 30.11.15 20 UHR

DIENSTAG 1.12.15 20 UHR

SEMPEROPER DRESDEN

Donald Runnicles DirigentKaren Cargill Mezzosopran

Sergej Rachmaninow»Die Toteninsel« op. 29Edward Elgar»Sea Pictures« für Mezzosopran und Orchester op. 37Jean SibeliusSymphonie Nr. 1 e-Moll op. 39

Aufzeichnung durch MDR Figaro

Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper

3. KammerabendDONNERSTAG 14.1.16 20 UHR

SEMPEROPER DRESDEN

Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden

Mitwirkende und Programm werden noch bekannt gegeben.