2.4 Zur Vorlesung Unternehmensethik: Bilanztricks der Blendwerk AG

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Guten Tag, DR. Hartwig Maly , vielen Dank für Ihre Artikelbestellung. Sie haben folgende Artikel ausgewählt: 15. November 2005 1. Bilanzen: Die Blendwerk AG vom 01.05.2003 - 19567 Zeichen manager magazin

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Guten Tag, DR. Hartwig Maly ,

vielen Dank für Ihre Artikelbestellung. Sie haben folgende Artikelausgewählt:

15. November 2005

1. Bilanzen: Die Blendwerk AG vom 01.05.2003 - 19567 Zeichen

manager magazin

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Bilanzen: DeutschlandsKonzernchefs haben aus den

zahllosen Skandalen dervergangenen Jahre nichts

gelernt. Sie tricksen weiter –und nutzen nach Kräften die

Spielräume der neueninternationalen Regelwerke.

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Jürgen E. Schrempp ist nicht un-bedingt bekannt für einen aus-geprägten Hang zur Beschei-denheit. Den jüngsten Beweis,dass er gern aus dem Vollen

schöpft, lieferte der Chef des Auto-mobilkonzerns DaimlerChrysler imFebruar bei der Vorlage der Bilanz-zahlen.

Schrempp und seine zwölf Vor-standskollegen hatten ihre Bezügefür 2002 auf 50,8 Millionen Euro mehrals verdoppelt. Eine satte Steigerung,

nicht zuletzt in der momentanenwirtschaftlichen Lage.

Was der sonst so beredte Schrempplieber verschwieg: Die tatsächlicheEntlohnung der Stuttgarter Vor-stände liegt dank eines üppigen Akti-enoptionsprogramms noch weitaushöher.

Drei Millionen Aktienoptionen ha-ben die Vorstände 2002 erhalten. DenWert dieses Pakets nennt Daimler-Chrysler nicht. Lediglich eine Notizim Anhang des Geschäftsberichtsdeutet auf die Dimensionen hin: DerAufwand aus den Aktienoptionen für

Die Blendwerk AG

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Finanzmärkte

alle Führungskräfte des Konzerns, istdort in einer „Pro-forma“-Rechnungzu erfahren, hätte 2002 bei 149 Millio-nen Euro gelegen.

Wundersam ist, dass in der Ge-winnrechnung des Konzerns nur 35Millionen Euro Personalaufwand ausden Optionsprogrammen berück-sichtigt werden.

Der Grund für die Differenz von 114 Millionen Euro: Schrempp undsein Finanzvorstand Manfred Gentzhaben tief in die Trickkiste dermodernen Buchführung gegriffen.Die amerikanischen Bilanzregeln„US Generally Accepted AccountingPrinciples“ (US-Gaap), nach denen

die Stuttgarter ihren Abschluss er-stellen, gewähren ihnen dafür vielFreiraum.

Nach US-Gaap dürfen die Kon-zernlenker mit dem so genannten inneren Wert der Optionspakete kal-kulieren. Diese Kennzahl (die Diffe-renz aus aktueller Aktiennotierungund dem Bezugspreis für die Mana-ger) ist jedoch weit niedriger als dertatsächliche Wert der Optionen.

Schrempp und Gentz musstennicht einmal die Grenzen des Erlaub-ten verlassen, um ihren Konzern-gewinn um 114 Millionen Euro hoch-zurechnen. Im Gegensatz zu Firmenwie Enron und Worldcom, derenManager mit krimineller Energie zuWerke gingen, sind die Zahlenspiele

der Stuttgarter völlig legal. Und dochbelegt der Fall DaimlerChrysler ein-drucksvoll: Nach wie vor nutzen Un-ternehmen fast jede Gelegenheit, ihreBilanzen und Erfolgsrechnungennach Bedarf zu gestalten.

Die zahllosen Skandale der vergan-genen zwei Jahre haben auf die mora-lischen Standards offenbar nur wenigEinfluss gehabt. All die Schwüre vonEhrlichkeit und Transparenz sindnicht von Nachhaltigkeit gezeichnet.

Ja es scheint fast so, als sei das Täu-schen und Tarnen noch schlimmergeworden. In den Vorworten derGeschäftsberichte wird das HoheLied auf die Anleger gesungen. In derPraxis jedoch besitzen all die Beteue-rungen der Konzernchefs, sie wolltendas Vertrauen der Anleger wieder-

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herstellen, den Wahrheitsgehalt vonWahlversprechen der Politiker.

Angefangen bei den US-Vorzeigekonzernen Ge-neral Electric und AOLTime Warner bis hin zudeutschen Topadressenwie DaimlerChrysler oderder Telekom – überallrechnen sich die Vor-stände arm oder reich. Jenachdem, wie es die Situa-tion gerade erfordert.

Den Deutschen eröff-nen sich völlig neue Ge-staltungsmöglichkeiten, wenn sie, wie derzeit aller-orten üblich, vom Han-delsgesetzbuch auf dieinternationalen Rech-nungslegungsvorschriftenUS-Gaap und IFRS (Inter-national Financial Re-porting Standards) um-stellen.

Die vielen neuen Regeln,die auf diese Weise derzeit über diedeutschen und europäischen Unter-nehmen kommen, schaffen keinenDeut mehr Transparenz; sie helfenden Finanzprofis hingegen, noch un-genierter an den Zahlen zu drehen.Milliardensummen für zu teuer er-worbene Telekommunikationslizen-zen; üppige Aktienoptionen für dasManagement; Pensionsfonds für dieFirmenrentner – die Bewertung ent-scheidender Bilanzposten hängtweitgehend von den Vorgaben desVorstands ab. Der Willkür, diese

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Werte allzu positiv – oder auch be-wusst negativ – anzusetzen, werdenkaum noch Schranken gesetzt.

Gewiss: Auch die alten nationalenVorschriften wie das Handelsgesetz-buch gewährten Wahlrechte, diemanchen Kniff möglich machten.Doch bei US-Gaap und IFRS geht esum ganz andere Dimensionen im Ge-stalten von Rechenwerken.

Wirtschaftsprüfer und Aufsichts-räte haben es nun noch schwerer,Vorständen unlauteres Handeln vor-

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zuhalten und die Akteure zubremsen. Rückschritt stattFortschritt: Mit den neueninternationalen Regeln – inDeutschland werden die IFRSvon 2005 an für alle Börsen-firmen Pflicht – sollte dieAussagekraft der Konzernab-schlüsse steigen. Häufig istdas genaue Gegenteil der Fall.

manager magazin hat ge-meinsam mit einem Exper-tenteam um den MünsteranerBilanzprofessor Jörg Baetgedie aktuellen Zahlenwerkegroßer börsennotierter Un-ternehmen durchforstet. DasErgebnis ist eine bedrü-ckende Sammlung von Tricksund Finten. Und es sind nichtetwa junge Hightech-Firmen,die die neue Bilanzie-rungsfreiheit nach Kräftenausnutzen. Sondern die ers-ten Adressen der internatio-nalen Wirtschaft.

Der Goodwill-ClouIm Herbst vergangenen Jahres, kurznach dem Abgang von Ron Sommer,räumte Helmut Sihler auf. Mit einemFederstrich entfernte der Interims-chef der Deutschen Telekom 22 Milli-arden Euro an Vermögen aus derBilanz des Telefonriesen.

Was Sihler da verschwinden ließ,waren Bilanzwerte ausländischerTochterfirmen und Mobilfunklizen-zen, darunter der US-Ableger Voice-stream. Seltsam nur, dass VorgängerSommer und sein Aufsichtsratsvor-sitzender Sihler vorher keinerlei Ver-anlassung für Korrekturen gesehenhatten. Hatten sich die 22 Milliardenvon heute auf morgen verflüchtigt?

Die Telekom-Manager hätten denWertberichtigungsbedarf leider erstim Rahmen einer strategischenÜberprüfung im dritten Quartal 2002entdeckt, versichert Telekom-Fi-nanzvorstand Karl-Gerhard Eickheute. Vorher sei nichts zu erkennengewesen.

Der Deutschen Telekom ergeht eswie fast allen Unternehmen aus der

-

.

Kritische Prüfer:Professor Jörg Baetge

(l.) und einExpertenteam der Uni-

versität Münster (v. r.:Eric Sickmann, Jörn

Stellbrink, Rainer Heumann, Michael

Richter) haben die aktuellen Zahlen-

werke deutscher Konzerne untersucht

Die neue Freiheitder Buchhalter

Die Konzerne können selbstentscheiden, zu welchem Wert sieübernommene Firmen bilanzieren.

Entwicklungskosten dürfen als immaterielles Vermögenausgewiesen werden.

Bei Bilanzposten, für die es keine eindeutigen Marktpreise gibt, kann das Management den Wert schätzen

Nicht die tatsächlichen Renditen derFonds bestimmen ihr Ergebnis, son-dern die Erwartungen der Manager.

Statt den Gesamtwert von Aktien-optionen zu bilanzieren, reicht auch der geringere innere Wert aus.

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Telefonbranche. DerGrößenwahn derspäten 90er Jahrewirkt bis heutenach. In nahezu je-der Bilanz findensich die astronomi-schen Summen, diewährend des Bör-senbooms für Über-nahmen bezahltwurden, unverän-dert als Aktivpostenwieder.

„Goodwill“ nennen Buchhalterdiese Position, zu Deutsch Firmen-wert. Sie umfasst den Teil des Kauf-preises, der über den Substanzwerthinaus bezahlt wurde – etwa für dieMarke oder für den Kundenstamm.

Nach deutschem Handelsrechtmüssen die Konzerne diese Firmen-werte über mehrere Jahre abschrei-ben, weil sie nach gängiger Auffas-sung im Zeitablauf an Wert verlieren.

Ganz anders halten es die interna-tionalen Bilanzvorschriften. Seit demvergangenen Jahr überlassen es die

Telekom

Interimschefstric

Euro für teuAuslandstBilanz. SeRon Somzuvor ke

Abschreibu

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US-Regeln den Unternehmen, ob sieden Goodwill abschreiben möchtenoder nicht. Für die IFRS-Standards isteine ähnliche Vorschrift geplant.

Mindestens einmal im Jahr soll dasManagement nun prüfen, wie es umden Wert der Beteiligungen steht. Er-gibt dieses so genannte Impairment-only-Verfahren, dass die zugekauftenFirmen an Wert verloren haben, wirdabgeschrieben. Stellen die Konzern-lenker keinen Berichtigungsbedarffest, bleibt alles beim Alten (siehe Kasten Seite 130).

Eine Regel, wie geschaffen für Bi-lanztrickser. „Ermessen und Willkürwird Tür und Tor geöffnet“, schimpftBilanzprofessor Baetge.

Welch ein Glück für die Managerder Deutschen Telekom, dass sie ihreBilanzen ebenfalls nach US-Regelnerstellen. So konnten die Hüter derdeutschen Volksaktie nicht nur beider US-Tochter Voicestream, son-dern auch bei der Bewertung andererAuslandsableger ungeahnte Kreati-vität entfalten.

Zum Beispiel bei der Tochterge-sellschaft Matav, einer ungarischen

: Späte Korrektur

Helmut Sihlerh 22 Milliarden er eingekaufteöchter aus derltsam: Ex-Chefmer hatte kurzinen Grund fürngen gesehen.

Ansichtssache

Wie Unternehmen ihre

Ergebnisse beeinflussen können

Ob ein Konzernchef an einem mög-lichst hohen Bilanzgewinn inte-ressiert ist oder an einem deutlichenVerlust, hängt ganz von der Situationab, in der er sich gerade befindet. Ein

einfaches Beispiel zeigt, wie dieBörsenfirmen den Spielraum derneuen internationalen Bilanzvor-schriften nutzen können, um sicharm oder reich zu rechnen.

Szenario 1: Der Chef tritt in Kürze ab, willeinen ruhmreichen Abschied.

Szenario 2: Der Vorstand ist neu im Job, will aufräumen, um später zu glänzen.

Ausgangslage: Das Unternehmen weist einen Gewinn von 100 Millionen Euro aus

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Fakten

Verlustreiche Tochter,Firmenwert: 250 Millionen Euro

Buchverluste beim Aktienbestand in Höhe von40 Millionen Euro

2 Millionen Aktienoptionen für denVorstand, Gesamtwert: 24 Millionen Euro

Bilanzkniff

Günstige Langfrist-prognose, kein Abschreibungsbedarf

Aktien gehören nicht zum Handelsbestand,Buchverluste werden mit dem Eigenkapitalverrechnet, ohne Folgenfür die Gewinnrechnung

Bewertung zum innerenWert, der aufgrund der gesunkenen Börsenkursegleich null ist

Folge in der Bilanz

0

0

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Bilanzkniff

Schlechte Langfrist-prognose, Impairment-Testergibt hohe Wertminderung

Aktien werden als Handelsbestandklassifiziert, Buchverlustegehen in die Gewinn- undVerlustrechnung ein

Bewertung zumGesamtwert, Aufwand wird über die Laufzeit der Optionen verteilt

Folge in der Bilanz

–100 Mio.

–40 Mio.

–6 Mio.

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Es bleibt ein Gewinn von 100 Mio. Euro.

Aus dem Gewinn wird ein Verlust von 46 Mio. Euro.

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Telefonfirma. Der Wert des börsen-notierten Unternehmens war Mittevergangenen Jahres unter den in derBilanz angesetzten Posten gerutscht.Kurzerhand buchten Sommer undEick eine „Kontrollprämie“ für dieMatav-Anteile – der Bonner Konzernhält mit knapp 60 Prozent die Mehr-heit an dem einstigen ungarischenStaatsbetrieb. Mit diesem Kunstgriffvermieden die Telekom-Oberen eine

Abschreibung auf die Beteiligung.Eicks Argument: Für ein solch großesAnteilspaket werde schließlich mehrbezahlt als der bloße Börsenpreis,immerhin sichere sich der Erwerberdie Kontrolle. Doch die Erfahrunglehrt, dass die Interessenten keines-wegs immer bereit sind, ein solchesAufgeld zu entrichten.

Die Telekom hatte gute Gründe,nicht alle Firmenwerte in ihrer Bilanz

zurechtzustutzen. Schon der letzt-jährige Kehraus genügte, um dasEigenkapital des hochverschuldetenKonzerns binnen Jahresfrist annä-hernd zu halbieren.

Andere Unternehmen hingegenbefreien sich von ihren Altlasten.Zum Beispiel AOL Time Warner: Jah-relang war bei dem amerikanischenMedienkonzern angeblich kein Be-richtigungsbedarf zu erkennen. Dochdann schrieb der US-Riese im Jahr2002 mit einem Mal die Rekord-summe von 100 Milliarden DollarGoodwill ab.

Ein typischer Fall für den Miss-brauch der neuen Bilanzregeln,meint der Münchener ProfessorWolfgang Ballwieser: „Die Unterneh-men vermeiden Abschreibungen, so-lange es geht. Erst wenn es das wirt-schaftliche Umfeld plausibel macht,wird alles auf einmal berichtigt.“ Undder unwissende Aktionär mit dertraurigen Wahrheit überrumpelt.

Siemens: Gewinne geschönt

Siemens-Chef Heinrich von Pierer ordnetedie Wertpapierbestände desKonzerns als „zum Verkaufverfügbar“ ein. So konnte er das Ergebnis um bis zu 240 MillionenEuro aufhübschen.

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Faire Werte?Im deutschen HGB wird grund-sätzlich vorsichtig bilanziert – dieObergrenze bilden die Anschaffungs-oder Herstellungskosten eines Ver-mögenswerts. Die internationalenVorschriften hingegen fordern anvielen Stellen die Ermittlung einesFair Value, eines Marktpreises.

Das Problem: Für viele Güter, kom-plizierte Finanzprodukte etwa oderImmobilien, gibt es keinen eindeuti-gen Marktwert. Das Managementmuss schätzen – und verfügt, wieauch beim Impairment-Test, über er-hebliche Ermessensspielräume.

Bei Aktien und Anleihen sind dieGestaltungsmöglichkeiten zwar ge-ringer. Diese Wertpapiere müssen zu Börsenkursen bewertet werden.Wahlmöglichkeiten hat das Manage-ment aber auch hier, und zwar überdie Einordnung in verschiedene An-lagekategorien.

Je nachdem, wie lange die Wertpa-piere gehalten werden sollen, müssenKursschwankungen unterschiedlichausgewiesen werden. Entscheidetdas Management, die Papiere dientenkurzfristigen Spekulationszwecken(„Handelsbestand“), muss eine Wert-minderung sofort vom Firmenge-winn abgezogen werden. Verfügendie Konzernlenker hingegen, dieAktien seien lediglich „zum Verkauf

verfügbar“, dürfen sie Wertverlustemit dem Eigenkapital verrechnen –ohne negative Folgen für das Fir-menergebnis.

Ein feinsinniger Unterschied, des-sen Sinn sich wohl nur Bilanzprofiserschließt. Die Wirkung indes ist ver-blüffend: Siemens etwa ordnete seineWertpapiere in den vergangenen bei-den Jahren komplett in die zweiteKategorie ein. Durch diesen Kniff

DaimlerChrysler: Optionen optimiert

DaimlerChrysler-ChefJürgen Schrempp (3. v. l.)

buchte die Aktienoptionenseiner Führungskräfte

nur mit dem „inneren Wert“.Das Konzernergebnis

stieg durch diesen Kniffum 114 Millionen Euro.

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konnte der Münchener Elektromultiseinen Gewinn im Jahr 2001 um bis zu1,2 Milliarden Euro auffrischen. Ver-gangenes Jahr lag der Effekt immer-hin noch bei maximal 240 MillionenEuro.

Der PensionskickEin Aktiendepot, das haben britischeExperten vor kurzem in einer um-fangreichen Studie herausgefunden,erzielt langfristig eine jährliche Ren-dite von etwa 9 Prozent. Rentenpa-piere schaffen gut 4 Prozent.

Bei DaimlerChrysler ist diese Un-tersuchung offenbar unbekannt. DieWelt AG, die für ihre Firmenrentnernach US-Vorbild einen Pensions-fonds angelegt hat, kalkulierte ver-gangenes Jahr mit einem Wertzu-

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wachs von 8 bis 10 Prozent – und dasbei einem gemischten Fonds aus fest-verzinslichen Papieren und Aktien.

Der Konzern nutzt bei dieserÜbung einen weiteren Bewertungs-spielraum, den die internationalenBilanzierungsregeln gewähren. NachUS-Gaap und IFRS ist nicht dietatsächliche Wertentwicklung der inden Fonds angesammelten Gelderentscheidend, sondern eine „erwar-tete“ Rendite (siehe mm 2/2003). Unddie legt das Unternehmen fest.

Sinn der Regel ist es, den Pensions-gewinn unabhängig zu machen vonden Schwankungen der Börse. Dieerwartete Rendite – und nicht dietatsächliche Performance – ist des-halb ausschlaggebend für die Höhedes Ergebnisses, das der Pensions-fonds an den Mutterkonzern abführt.

Diese Regelung führt zuweilen zuabsurden Ergebnissen. So unter-stellte der Mischkonzern General Electric im vergangenen Geschäfts-jahr für seinen Pensionsfonds eineRendite von 8,5 Prozent und buchtedaher einen Zusatzgewinn in Höhevon gut vier Milliarden Dollar. Dastatsächliche Ergebnis sah etwas an-ders aus: Der Fonds hatte 5,25 Milliar-den Dollar Verlust eingefahren.

Die Kostenmasche Wenn ein Unternehmen forscht undProdukte entwickelt, entstehen Kos-ten. Und Kosten verringern den Ge-winn. So sieht es das HGB.

Anders die IFRS-Regeln: Entwick-lungskosten sollen unter bestimmtenVoraussetzungen als immaterielle

Die Amerikaner geben den Ton an

Bilanzregeln: Wer die international gültigen Standards der Rechnungslegung erstellt

Die internationalen Bilanzregel-werke werden laufend weiter-

entwickelt, um aktuelle Entwicklungenin den Unternehmen aufzugreifen.Zwei Institutionen bestimmen dieVorschriften, nach denen die Kon-zerne ihre Abschlüsse aufstellenmüssen.Amerikas Gralshüter: Das weltweitwohl bedeutendste Gremium ist einerein privatrechtliche Organisationmit Sitz im US-Bundesstaat Connec-ticut nördlich von New York. Der„Financial Accounting StandardsBoard“, kurz FASB, wacht über die US-Gaap-Regeln. Sieben Bilanz-auguren, die überwiegend vonWirtschaftsprüfungsfirmen und ausgroßen amerikanischen Konzernenstammen, gehören dem FASB an.

Formal liegt die Oberaufsicht überdie Bilanzstandards zwar bei deramerikanischen Börsenaufsicht SEC.De facto überlässt es die Behördeaber meist dem FASB, die Vorschrif-

ten zu formulieren. Eine Konstella-tion, die der amerikanischen Wirt-schaft intensives Lobbying erlaubt.

So wurde die umstrittene Regel zurBilanzierung von Firmenwerten vorallem auf Druck der Wall-Street-Ban-ken eingeführt, die um ihr einträg-liches Geschäft mit Fusionen undÜbernahmen fürchteten. Ursprüng-lich wollte der FASB durchsetzen,dass der nach einer Übernahme ent-stehende „Goodwill“, also der Fir-menwert, planmäßig abgeschriebenwird. Die nun gültige Regel überlässtes weitgehend den Unternehmen, obsie den oftmals sehr hohen Goodwillabschreiben oder nicht.Konkurrenz aus Europa: Einzig ernstzu nehmender Wettbewerber desFASB ist der „International Accoun-ting Standards Board“ (IASB) mit Sitzin London, ebenfalls eine privateInitiative. Seine 14 Mitglieder ent-wickeln die IFRS-Regeln. Mit Hans-Georg Bruns, dem ehemaligen Chef-

buchhalter von DaimlerChrysler,gehört dem IASB auch ein Deut-scher an.

Die Versuche des IASB, eineAlternative zu den US-Regeln zuetablieren, laufen weitgehend insLeere. Zu groß ist die Dominanzder Amerikaner als Hüter desweltgrößten Kapitalmarktes. DieFolge: Der IASB muss den Vorstel-lungen, die jenseits des Atlantiksentwickelt werden, meist folgen.Hilflose Deutsche: Die Interessender hiesigen Unternehmen im in-ternationalen Regelwirrwarr ver-tritt das Deutsche Rechnungs-legungs Standards Committee(DRSC). Der eingetragene Vereinagierte bislang ohne großen Er-folg. Die deutsche Industrie, höh-nen Insider, habe das brisanteThema regelrecht verschlafen.

Seit Ende März wird das DRSC von Harald Wiedmann, dem Deutschland-Chef des Wirt-schaftsprüfers KPMG, und Allianz-Vorstand Helmut Perlet geführt.Die neue Spitze soll versuchen, dieMitwirkung des Gremiums bei derFormulierung der Bilanzregeln zuverbessern.

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„Nicht mehr nachvollziehbar“

BASF-Finanzvorstand Max Dietrich Kley über die Fallstricke in den neuen Bilanzregeln

mm Von 2005 an müssen alle deutschenBörsenfirmen ihre Bilanzen nach denInternational Financial Reporting Stan-dards erstellen. Welche Vorteile bringendie IFRS-Regeln?Kley Die Zahlen werden weltweitvergleichbar, das macht die Bericht-erstattung für Anleger transparenter.mm Die angloamerikanischen Vorschrif-ten sind umstritten, insbesondere dieAbschreibungsregeln nach Übernahmen.Entsteht da ein Spielfeld für Bilanzmani-pulationen?Kley Bislang musste der Firmenwert,die Differenz zwischen Kaufpreisund Buchwert des erworbenen Un-ternehmens, planmäßig abgeschrie-ben werden. Das war ein solidesVerfahren. Die internationalen Re-geln hingegen sehen jedes Jahr einevöllige Neubewertung der gekauftenFirma vor, die auch selbst geschaf-fenen Goodwill einschließt. Das istnicht nur enorm arbeits- und zeit-aufwändig, sondern lässt in der Tatauch einen größeren Gestaltungs-spielraum.mm Haben die Wirtschaftsprüfer nocheine Chance, die internen Berechnungendes Managements zu kontrollieren?

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Kley Für eine Firmenbewertung gibtes Grundsätze, die muss auch dasManagement beachten. Aber natür-lich spielen Erwartungen und Plan-

größen eine wichtige Rolle, das ist füreinen Wirtschaftsprüfer nicht mehrso leicht nachvollziehbar.mm Nach den IFRS-Vorschriften sollenmöglichst alle Bilanzposten mit ihremaktuellen Marktwert erfasst werden.Geht das überhaupt?Kley Nur bedingt. Bei vielen Vermö-genswerten ist der so genannte FairValue, also der Marktpreis, kaum aus-

zumachen. Bei anderen Positio-nen, zum Beispiel bei derivativenFinanzinstrumenten, macht einAnsatz zum Marktwert schlicht-weg keinen Sinn. Ich sehe dieseForderung sehr kritisch.mm Hat ein Unternehmen wie BASFdenn Möglichkeiten, die Gestaltungder neuen Regeln zu beeinflussen?Kley Die deutschen Konzernewerden künftig über das DRSC,das „Deutsche RechnungslegungsStandards Committee“, mehr Ein-fluss auf die Entwicklung derIFRS-Regeln nehmen. Das ist drin-gend nötig, denn viele der inter-nationalen Vorschriften sind nochin Arbeit. Wir müssen unbedingtverhindern, dass wir 2005 auf ei-nem Feld ohne klare Spielregelnstarten.mm Kritiker sagen, die IFRS-Regelnseien zu sehr von amerikanischenInteressen geprägt. Müssen die Euro-päer mehr Akzente setzen?Kley Manche in Europa treibt wohldie Sorge, dass die Entwicklungeines weltweit einheitlichen Re-gelwerks ins Stocken gerät, wennwir uns den USA nicht stärkerannähern. Aber wir dürfen unsereeigenen Interessen nicht einfachauf dem Altar der internationalenKonvergenz opfern, sondern müs-sen den kritischen Dialog mit denAmerikanern suchen.

„Klare Spielregeln“: BASF-VorstandKley will die Bilanznormen ändern

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Vermögenswerte aktiviert werden.Ob diese Bedingungen erfüllt sind,liegt jedoch weitgehend im Ermessender Vorstände.

So lässt sich im Handumdrehenaus Kosten in Millionen- oder garMilliardenhöhe ein Aktivposten inder Bilanz machen und der Gewinnaufstocken. Leichter geht’s nicht.

Das müssen sich auch die Vor-stände von Volkswagen und BMWgedacht haben. Beide Firmen ent-schlossen sich in den vergangenenJahren, Entwicklungskosten in be-trächtlicher Höhe zu aktivieren.

Diese Praxis hat nicht unwesent-liche Auswirkungen auf die Gewinneder Konzerne: Bei VW stieg das Er-

gebnis der gewöhnlichen Geschäfts-tätigkeit im Jahr 2002 durch denBilanzierungskniff um 1,3 MilliardenEuro. BMW brachte der Trick einPlus von 322 Millionen Euro.

Schein und SeinDie Beispiele zeigen: Nur allzu gernnutzen Konzernlenker in den USAwie in Europa die Bewertungsspiel-räume, die ihnen die neuen Regelnbieten. Die Kluft zwischen bilanziel-lem Schein und wirtschaftlichemSein wird immer größer.

Nicht alle freuen sich über denneuen Freiraum. Max Dietrich Kleyetwa, Finanzvorstand bei BASF, hält

es für „dringend nötig“, die Regel-werke zu reformieren (siehe Inter-view oben).

Viele seiner Kollegen ticken an-ders. Sie müssen ihre Bilanzen ineiner der schlimmsten Wirtschafts-krisen der vergangenen Jahrzehntegestalten. Da ist die Versuchunggroß, mit fragwürdigen Bewertungendie Zahlen freundlicher zu trimmen.

Doch die Wahrheit lässt sich nichtdauerhaft vernebeln. Das Vertrauender Anleger in die Aktien, ohnediesschon schwer beschädigt, schwindetnoch weiter. Und die Konsequenz istklar: kein Kapital mehr für die Trick-ser in den Konzernvorständen.

Patricia Döhle/Ulric Papendick