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28 CHORPRAXIS JULI/AUGUST 2013 NEUE CHORZEIT GEMA-Gebühren, Versicherun- gen, Youtube-Videos – die Liste der juristischen Themen, mit denen sich früher oder später jeder Chor beschäftigen muss, ist vielfältig und lang. Seit Mai versucht die NEUE CHORZEIT deshalb, etwas Licht ins Dun- kel zu bringen. Nach einem In- terview in der Mai-Ausgabe mit Rechtsanwalt Christian Heieck, der seit vielen Jahren Chöre in Fragen des Vereins-, Urheber- und Aufführungs- rechts berät, ging es in der letzten Ausgabe um den GE- MA-Gesamtvertrag, den der Deutsche Chorverband für seine Mitgliedsverbände ab- geschlossen hat. Viele der Fragen, die seit un- serer Aufforderung vor zwei Monaten bei uns zum Thema Recht eingegangen sind, dre- hen sich neben GEMA-Gebüh- ren um das Vervielfältigen von Noten. Denn diese sind schließlich die Basis tausender von Chorproben und -konzer- ten jeden Abend in Deutsch- land. „Ist das Kopieren von No- Kopieren kann man sich sparen Grundsätzlich verboten ist das Abkupfern von musikalischen Werken nicht, aber … Einige Antworten auf oft gestellte Fragen ten, die ich als Einzelexemplar käuflich erworben habe, auch für die Probe generell verbo- ten?“, fragt etwa NCZ-Leserin Gaby Stuhl, Vorsitzende des Chores Vocal im Tal. Die Ant- wort lautet: „Nein, aber…“. Zunächst einmal gehen nämlich die meisten Chorsän- ger davon aus, dass das Kopie- ren von Noten grundsätzlich verboten ist – „was aber gar nicht stimmt“, sagt Rechtsan- walt Heieck. Sogenannte „ge- meinfreie“ Werke, deren Urhe- ber seit mehr als 70 Jahren tot ist, dürften sehr wohl kopiert werden – denn 70 Jahre nach dem Tod erlöschen sämtliche Rechte des Urhebers. Urheberrecht, Verlagsrecht, Wettbewerbsrecht Wer nun allerdings denkt, Werke von Händel, Mozart oder Beethoven nach Her- zenslust vervielfältigen zu dürfen, liegt auch falsch. Denn neben dem Urheber- recht gibt es auch noch das Verlagsrecht, das die Ausga- ben schützt, die ein Verlag von alten Werken neu heraus- gibt. „In der Regel ist ein neu oder wieder herausgegebe- nes Werk für die Dauer von 25 Jahren ab Erscheinen ge- schützt – aber nur für diese Ausgabe und deren Heraus- geber“, erklärt Heieck. NCZ-Leser Ingo Schulz fragt in diesem Zusammenhang nach dem wettbewerbsrecht- lichen Schutz des Notenstichs – denn der scheint der Aussa- ge von Heieck zu widerspre- chen: „Der Bundesgerichtshof bestätigt eine 50-jährige Schutzfrist“, weiß Schulz, wo- bei er hinzufügt, dass es da- bei um den Nachdruck von Noten und anschließenden Verkauf in großem Maßstab gehe. Trotzdem möchte er wissen, inwieweit diese 50- jährige Schutzfrist auch anzu- wenden ist, wenn Noten nicht verkauft, sondern nur zur eigenen Nutzung kopiert werden – zum Beispiel von ei- nem Chor. Für die Beantwortung der Frage muss Heieck etwas aus- holen: „Die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1986 erging in einem Rechtsstreit zwi- schen zwei Verlagen, die in hochwertigem Drucksatz ge- stochenen Noten waren dabei gemeinfrei.“ Was heißt, dass der Notenstich bereits älter als 50 Jahre und das Kopieren da- mit grundsätzlich legal war. Der klagende Verlag wollte sei- ne aufwändigen Notenstiche trotzdem vor der Verwendung des beklagten Verlages, der die Werke fotomechanisch wie- dergab, schützen. Die Klage hatte keinen Erfolg: Der Ver- lag, der „abgekupfert“ hatte, durfte die Notenstichbilder weiter kommerziell verwen- den. „Diese Entscheidung des BGH ist allerdings sehr speziell und wettbewerbsrechtlicher, nicht urheberrechtlicher Na- tur“, sagt Heieck. „Bei den für unsere Chöre relevanten An- wendungsbereichen des Urhe- berrechts ist sie ohne Bedeu- tung.“ Kopiert wurden Noten schon im- mer, wie hier demonstriert im Musikantenland-Museum Burg Lichtenberg und auf einer Abschrift des 2. Soprans des Volkslieds „Heilige Nacht“ Foto: wolfbam, panoramico.com Foto: www.frauenchor-sasel.de

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28 CHORPRAXIS JULI/AUGUST 2013 NEUE CHORZEIT

GEMA-Gebühren, Versicherun-gen, Youtube-Videos – die Listeder juristischen Themen, mitdenen sich früher oder späterjeder Chor beschäftigen muss,ist vielfältig und lang. Seit Maiversucht die NEUE CHORZEITdeshalb, etwas Licht ins Dun-kel zu bringen. Nach einem In-terview in der Mai-Ausgabemit Rechtsanwalt ChristianHeieck, der seit vielen JahrenChöre in Fragen des Vereins-,Urheber- und Aufführungs-rechts berät, ging es in derletzten Ausgabe um den GE-MA-Gesamtvertrag, den derDeutsche Chorverband fürseine Mitgliedsverbände ab-geschlossen hat.

Viele der Fragen, die seit un-serer Aufforderung vor zweiMonaten bei uns zum ThemaRecht eingegangen sind, dre-hen sich neben GEMA-Gebüh-ren um das Vervielfältigen vonNoten. Denn diese sindschließlich die Basis tausendervon Chorproben und -konzer-ten jeden Abend in Deutsch-land. „Ist das Kopieren von No-

Kopieren kann man sich sparenGrundsätzlich verboten ist das Abkupfern von musikalischen Werken nicht, aber … Einige Antworten auf oft gestellte Fragen

ten, die ich als Einzelexemplarkäuflich erworben habe, auchfür die Probe generell verbo-ten?“, fragt etwa NCZ-LeserinGaby Stuhl, Vorsitzende desChores Vocal im Tal. Die Ant-wort lautet: „Nein, aber…“.

Zunächst einmal gehennämlich die meisten Chorsän-ger davon aus, dass das Kopie-ren von Noten grundsätzlichverboten ist – „was aber garnicht stimmt“, sagt Rechtsan-walt Heieck. Sogenannte „ge-meinfreie“ Werke, deren Urhe-ber seit mehr als 70 Jahren totist, dürften sehr wohl kopiertwerden – denn 70 Jahre nachdem Tod erlöschen sämtlicheRechte des Urhebers.

Urheberrecht, Verlagsrecht,Wettbewerbsrecht

Wer nun allerdings denkt,Werke von Händel, Mozartoder Beethoven nach Her-zenslust vervielfältigen zudürfen, liegt auch falsch.Denn neben dem Urheber-recht gibt es auch noch das

Verlagsrecht, das die Ausga-ben schützt, die ein Verlagvon alten Werken neu heraus-gibt. „In der Regel ist ein neuoder wieder herausgegebe-nes Werk für die Dauer von 25Jahren ab Erscheinen ge-schützt – aber nur für dieseAusgabe und deren Heraus-geber“, erklärt Heieck.

NCZ-Leser Ingo Schulz fragtin diesem Zusammenhangnach dem wettbewerbsrecht-lichen Schutz des Notenstichs– denn der scheint der Aussa-ge von Heieck zu widerspre-chen: „Der Bundesgerichtshofbestätigt eine 50-jährigeSchutzfrist“, weiß Schulz, wo-bei er hinzufügt, dass es da-bei um den Nachdruck vonNoten und anschließendenVerkauf in großem Maßstabgehe. Trotzdem möchte erwissen, inwieweit diese 50-jährige Schutzfrist auch anzu-wenden ist, wenn Notennicht verkauft, sondern nurzur eigenen Nutzung kopiertwerden – zum Beispiel von ei-nem Chor.

Für die Beantwortung derFrage muss Heieck etwas aus-holen: „Die Entscheidung desBGH aus dem Jahr 1986 ergingin einem Rechtsstreit zwi-schen zwei Verlagen, die inhochwertigem Drucksatz ge-stochenen Noten waren dabeigemeinfrei.“ Was heißt, dassder Notenstich bereits älter als50 Jahre und das Kopieren da-mit grundsätzlich legal war.Der klagende Verlag wollte sei-ne aufwändigen Notenstichetrotzdem vor der Verwendungdes beklagten Verlages, der dieWerke fotomechanisch wie-dergab, schützen. Die Klagehatte keinen Erfolg: Der Ver-lag, der „abgekupfert“ hatte,durfte die Notenstichbilderweiter kommerziell verwen-den. „Diese Entscheidung desBGH ist allerdings sehr speziellund wettbewerbsrechtlicher,nicht urheberrechtlicher Na-tur“, sagt Heieck. „Bei den fürunsere Chöre relevanten An-wendungsbereichen des Urhe-berrechts ist sie ohne Bedeu-tung.“

Kopiert wurden Noten schon im-mer, wie hier demonstriert im Musikantenland-Museum BurgLichtenberg und auf einer Abschrift des 2. Soprans desVolkslieds „Heilige Nacht“

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CHORPRAXIS 29NEUE CHORZEIT JULI/AUGUST 2013

Abschreiben zum Eigengebrauch

Entscheidend ist also das Ur-heberrecht – und das schreibtnach Paragraph 53, Absatz 4afür die Vervielfältigung vonNoten deutlich strengere Re-geln vor als für alle anderenDruckwerke. Grundsätzlich istzum Beispiel eine Reprodukti-on nur zulässig, wenn dasWerk seit mindestens zweiJahren vergriffen, also käuf-lich nicht mehr zu erwerbenist. Dann also auf zum Copy-Shop mit dem vergriffenenWerk? Wieder falsch! Dennzulässig ist eine Kopie nurdurch Abschreiben. Unerheb-lich ist dabei immerhin, obmit der Hand, der Schreibma-schine oder dem Computerabgeschrieben wird. Nun soll-te sich allerdings niemand dieMühe machen, ein Stück fürden ganzen Chor auf diesemühevolle Weise zu kopieren– denn ein Werk darf nur eineinziges Mal und zum eige-

nen Gebrauch abgeschriebenwerden.

Womit auch die eingangserwähnte Frage von NCZ-Le-serin Gaby Stuhl klar beant-wortet wäre: In ihrem Fall –es ging um neuere Werke ausdem Pop-Jazz-Bereich – wirddas Kopieren der Noten, auchnur für die Probe, mit an Si-cherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit nicht legal sein.Fazit: Auf der sicheren Seiteist generell nur derjenige, derdie Noten kauft.

MP3-Übungsdateien erlaubt?

Wer mit diesen dann aller-dings mehr vorhat, als einfachnur aus ihnen zu singen,muss vorsichtig sein. Ein gu-tes Beispiel liefert ein weite-rer NCZ-Leser: „Als Chorleiterstelle ich meinen Sängerin-nen und Sängern MP3-Übungsdateien über einenDownload im Web zur Verfü-gung, die ich mit Hilfe meines

Notensatzprogramms von un-seren Chornoten erzeuge“,schreibt er und fragt: „Ist dasschon eine Sonderproduktionvon Tonträgern im GEMA-Sin-ne? Oder ist durch den offiziel-len Erwerb der Chornotenauch das Recht für solcheÜbungsdateien erworben?“Die Dateien würden nicht ver-öffentlicht oder bei Auftrittenverwendet, sondern nur inner-halb des Chores genutzt.

Die Antwort von ChristianHeieck ist unmissverständlich:„Die Erzeugung einer MP3-Übungsdatei mit Hilfe einesNotensatzprogramms aus er-worbenen (Original-)Chorno-ten zum Download ist nichtzulässig.“ Schon die reine Her-stellung einer solchen Dateidürfte unzulässig sein, erstrecht aber das Zugänglichma-chen an eine Öffentlichkeitdurch die Ermöglichung einesDownloads. Dass die Öffent-lichkeit in diesem Fall sehrklein, nämlich nur der Chor ist,spiele dabei keine Rolle. Einzi-

ge Möglichkeit sei, den jeweili-gen Verlag vorab ausdrücklichum Erlaubnis zu fragen.

Ohnehin bleibt es keinemChor erspart, vor der Verwen-dung von Noten sich genaues-tens zu informieren, wer dieRechte an diesen hat. „JederChor muss letztlich vor derNutzung und Aufführung vonWerken genau recherchieren,wer welche Nutzungsrechtean diesen besitzt“, sagt Heieck.Das ist unter Umständen zeit-intensiv und mühsam – aberleider unumgänglich. Er-schwerend kommt hinzu, dasses keine zentrale Clearingstel-le oder ähnliches gibt, die Lis-ten über alle musikalischenWerke und deren Nutzungs-rechte aufführen würde. Blei-ben also nur die Suche beiGoogle oder in Archiven undTelefonate mit Verlagen. Odereben der – oft nicht geradegünstige – Weg zum Musika-lienhandel. Dafür kann mansich aber immerhin das Kopie-ren sparen. Daniel Schalz