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Algebra (Master), Vorlesungsskript Irene I. Bouw Wintersemester 2013/2014 Inhaltsverzeichnis 1 orpererweiterungen 3 1.1 Algebraische K¨ orpererweiterungen ................. 3 1.2 Faktorisieren von Polynomen .................... 6 1.3 Endliche K¨ orper ........................... 9 1.4 Algebraisch abgeschlossene K¨ orper ................. 13 2 Galois-Theorie 16 2.1 Einf¨ uhrung .............................. 16 2.2 Der Zerf¨ allungsk¨ orper eines Polynoms ............... 18 2.3 orpererweiterungen und Automorphismen ............ 20 2.4 Separable K¨ orpererweiterungen ................... 23 2.5 Die Kreisteilungsk¨ orper ....................... 25 2.6 Charakterisierung von Galois-Erweiterungen ............ 27 2.7 Der Hauptsatz der Galois-Theorie ................. 30 2.8 Die Galois-Gruppe eines Polynoms ................. 35 2.9 Der Satz vom primitiven Element .................. 38 3 Ringe, Teilbarkeit und Ideale 42 3.1 Einf¨ uhrung: Faktorisieren in Z ................... 42 3.2 Ringen und Ideale .......................... 43 3.3 Der chinesische Restsatz ....................... 45 3.4 Primideale und maximale Ideale .................. 47 3.5 Faktorielle Ringen .......................... 49 3.6 Beispiele faktorieller Ringen ..................... 52 3.7 Hauptideal- und euklidische Ringen ................. 56 4 Moduln 60 4.1 Definitionen und Beispiele ...................... 60 4.2 Beispiel: Vektorb¨ undeln auf dem Kreis ............... 62 4.3 Freie Moduln und Matrizen ..................... 65 4.4 Moduln ¨ uber einem Hauptidealring ................. 69 4.5 Moduln ¨ uber K[t] .......................... 79 1

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Algebra (Master), Vorlesungsskript

Irene I. Bouw

Wintersemester 2013/2014

Inhaltsverzeichnis

1 Korpererweiterungen 31.1 Algebraische Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Faktorisieren von Polynomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3 Endliche Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Algebraisch abgeschlossene Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Galois-Theorie 162.1 Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2 Der Zerfallungskorper eines Polynoms . . . . . . . . . . . . . . . 182.3 Korpererweiterungen und Automorphismen . . . . . . . . . . . . 202.4 Separable Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.5 Die Kreisteilungskorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.6 Charakterisierung von Galois-Erweiterungen . . . . . . . . . . . . 272.7 Der Hauptsatz der Galois-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.8 Die Galois-Gruppe eines Polynoms . . . . . . . . . . . . . . . . . 352.9 Der Satz vom primitiven Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

3 Ringe, Teilbarkeit und Ideale 423.1 Einfuhrung: Faktorisieren in Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.2 Ringen und Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.3 Der chinesische Restsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.4 Primideale und maximale Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.5 Faktorielle Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.6 Beispiele faktorieller Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.7 Hauptideal- und euklidische Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4 Moduln 604.1 Definitionen und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.2 Beispiel: Vektorbundeln auf dem Kreis . . . . . . . . . . . . . . . 624.3 Freie Moduln und Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.4 Moduln uber einem Hauptidealring . . . . . . . . . . . . . . . . . 694.5 Moduln uber K[t] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

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5 Kommutative Algebra und algebraische Geometrie 855.1 Affine algebraische Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855.2 Morphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885.3 Noethersche Ringen und der Hilbertsche Basissatz . . . . . . . . 915.4 Hilbertscher Nullstellensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.5 Radikalideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965.6 Affine Varietaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995.7 Ganze Ringerweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015.8 Lokalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1075.9 Diskrete Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

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1 Korpererweiterungen

1.1 Algebraische Korpererweiterungen

In diesem Abschnitt wiederholen wir einige wichtige Definitionen und Satze ausder Vorlesung Elemente der Algebra ([3, Abschnitt 4.1, 4.2]) und beschriebendiese so wie wir sie im nachsten Kapitel brauchen werden.

Definition 1.1.1 (a) Sei K ein Korper. Eine Korpererweiterung von K istein Korper L, der K als Teilkorper enthalt. Bezeichnung: L/K.

(b) Sei L/K eine Korpererweiterung und S ⊂ L eine beliebige Teilmenge. DerKorperK(S) ist der kleinste TeilkorperK ⊂ K(S) ⊂ L, der S enthalt. Wirsagen, dassK(S) ausK durch Adjungation der Elemente aus S ensteht. IstS = {α}, dann schreiben wir K(α) fur K(S). Eine Erweiterung K(α)/Kheißt einfach und α heißt primitives Element.

(c) Der Grad einer Korpererweiterung L/K ist die Dimension von L als K-Vektorraum (Bezeichnung [L : K]).

(d) Eine Erweiterung L/K heißt endlich, wenn [L : K] <∞ ist.

(e) Sei L/K eine Korpererweiterung. Ein Element α ∈ L heißt algebraischuber K, wenn ein Polynom f ∈ K[x] mit f 6= 0 und f(α) = 0 existiert.Ansonsten heißt α transzendent uber K.

(f) Eine Korpererweiterung L/K heißt algebraisch, wenn jedes Element α ∈ Lalgebraisch uber K ist. Ansonsten heißt sie transzendent. Die ErweiterungL/K heißt rein transzendent, wenn jedes Element α ∈ L\K transzendentuber K ist.

Beispiel 1.1.2 Wir geben ein Beispiel einer transzendenten Erweiterung. Dazubenutzen wir die Konstruktion des Quotientenkorpers, die wir jetzt beschreiben.

Sei R ein Integritatsring ([3, Def. 3.1.4]), d.h. R 6= {0} ist ein kommutativerRing mit einem 1-Element, in dem 0 der einzige Nullteiler ist. (Ein Nullteiler aist ein Element, sodass ein b 6= 0 existiert mit a · b = 0.)

Der Quotientenkorper K = Q(R) von R ist ein Korper, der R als Unterringenthalt und sodass jedes Element a ∈ R \ {0} eine Einheit in K ist. Die Kon-struktion des Quotienkorpers ist eine Verallgemeinerung der Konstruktion vonQ aus Z.

Wir betrachten die Menge aller Paaren M = {(a, b) | a, b ∈ R, b 6= 0}. Wirdefinieren eine Aquivalenzrelation auf M durch

(a, b) ∼ (c, d), falls ad = bc.

Wir definieren K als die Menge der Aquivalenzklassen und schreiben dieAquivalenzklasse von (a, b) als a/b. Die Addition und Multiplikation auf K sinddefiniert durch

a

b+c

d=ad+ bc

bd,

a

b· cd

=ac

bd.

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Die Uberprufung, dass diese Operationen wohldefiniert sind und dass K einKorper ist, uberlassen wir der Leserin/dem Leser als Ubungsaufgabe (siehe auch[2, Abschnitt 2.7]).

Ist K ein Korper, schreiben wir K(x) fur den Quotentenkorper des Poly-nomringes K[x]. Die Elemente von K(x) sind rationale Funktionen f/g mitf, g ∈ K[x] und g 6= 0. Der Unterring K besteht aus den konstanten Polyno-men. Offensichtlich ist kein Polynom aus K(x) \ K algebraisch uber K. Alsoist K(x)/K rein transzendent. Wir bemerken, dass dies insbesondere impliziert,dass [K(x) : K] =∞.

Der folgende Satz beschreibt eine Konstruktion einfacher algebraischer Kor-pererweiterungen. In Korollar 1.1.6 werden wir zeigen, dass alle einfache alge-braische Korpererweiterungen von dieser Form sind.

Satz 1.1.3 (a) Sei f ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom und L = K[x]/(f).Wir konnen K in L einbetten. Dies macht L/K zur Korpererweiterungmit [L : K] = Grad(f).

(b) Das Polynom f besitzt in L eine Nullstelle.

Beweis: Das Ideal (f) ist maximal, da f irreduzibel ist. Insbesondere istL ein Korper ([3, Satz 3.3.10.(b)]). Die Abbildung K → K[x] induziert einKorperhomomorphismus ψ : K → L. Der Kern von ψ ist ein Ideal in K. Da Kein Korper ist, ist I = (0) und ψ injektiv. Mit Hilfe dieser Abbildung konnenwir L als Korpererweiterung von K auffassen.

Die Elemente von L sind die Linksnebenklassen g+(f) mit g ∈ K[x]. Divisionmit Rest ([3, Satz 3.3.1]) zeigt die Existenz eindeutiger Polynome q, r ∈ K[x]mit

g = qf + r, Grad(r) < Grad(f) =: n.

Dies zeigt, dass die Linksnebenklassen αi := xi + (f) mit i = 0, . . . n − 1 einErzeugendensystem von L als K-Vektorraum bilden. Die Eindeutigkeit der Po-lynome q, r in der Division mit Rest impliziert, dass 1, α, . . . , αn−1 auch K-linearunabhangig sind. Dies beweist (a).

Da f(x) = 0 in L, ist α = x+ (f) eine Nullstelle von f in L. Dies zeigt (b).2

Korollar 1.1.4 (Kronecker) Sei K ein Korper und f ∈ K[x] ein Polynom.Es existiert ein Korpererweiterung L/K in dem f in Linearfaktoren zerfallt, d.h.es existieren c, αi ∈ L mit f(x) = c

∏i(x− αi).

Beweis: Dies folgt aus Satz 1.1.3.(b) mit vollstandiger Induktion nach demGrad von f . 2

Satz 1.1.5 Sei L/K eine Korpererweiterung und α ∈ L ein Element, das al-gebraisch uber K ist. Es existiert ein eindeutiges Polynom f ∈ K[x], fur dasgilt:

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(a) f ist normiert und irreduzibel,

(b) f(α) = 0.

Dieses Polynom f heißt das Minimalpolynom von α bezuglich des Korpers K.Bezeichnung: f = minK(α).

Beweis: Die Menge

I := { g ∈ K[x] | g(α) = 0 }

ist ein Ideal. Dieses Ideal ist nicht das 0-Ideal, da α algebraisch ist. Da K[x] einHauptidealring ist ([3, Theorem 3.3.4]), existiert ein f ∈ K[x] mit I = (f). (DieDefinition von Hauptidealring wird in Definition 3.2.7 wiederholt.) Wir durfenannehmen, dass f normiert ist. Mittels Division mit Rest zeigt man, dass f 6= 0das eindeutig bestimmte, normierte Polynom minimalen Grades in I ist ([3,Theorem 3.3.4]). Die Irreduzibilitat von f leitet man leicht hieraus ab (sieheden Beweis von [3, 4.2.3]). 2

Korollar 1.1.6 (a) Sei L/K eine Korpererweiterung und α ∈ L algebraischuber K. Sei f = minK(α) das Minimalpolynom von α uber K. Die Abbil-dung

K[x]/(f)∼→ K(α), g + (f) 7→ g(α)

ist ein Isomorphismus. Insbesondere ist [K(α) : K] = minK(α).

(b) Eine einfache Erweiterung K(α)/K ist genau dann algebraisch, wenn[K(α) : K] <∞ ist.

Beweis: Sei ϕ : K[x]→ K(α), g 7→ g(α) die naturliche Abbildung. Dies istoffensichtlich ein surjektiver Ringhomomorphismus. Im Beweis von Satz 1.1.5haben wir gesehen, dass ker(ϕ) = (f) ist. Daher folgt (a) aus dem ersten Iso-morphiesatz fur Ringe (Satz 3.2.10.(a)) und Satz 1.1.3.(a). Aussage (b) folgt aus(a). 2

Beispiel 1.1.7 Sei α := 3√

2 die relle 3te Wurzel aus 2 und Q(α) ⊂ R derkleinste Teilkorper von R der α enthallt. Sei f := x3 − 2. Offensichtlich istα eine Nullstelle von f . Das Polynom f besitzt uber Q offensichtlich keineNullstellen, also keine Faktoren von Grad 1. Da Grad(f) = 3 folgt hieraus, dassf ∈ Q[x] irreduzibel ist. (Fur eine alternative Methode siehe Beispiel 1.2.4).)Wir schließen, dass f = minQ( 3

√2).

Korollar 1.1.6 zeigt, dass

Q(α) ' Q[x]/(x3 − 2)

ist. Jedes Element von Q(α) lasst sich daher eindeutig als

a0 + a1α+ a2α2, ai ∈ Q

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darstellen.Die andere Nullstellen von f in C sind αζ3 und αζ23 , wobei ζ3 := e2πi/3 eine

primitive 3te Einheitswurzel ist. Die Korper Q(αζi3) mit i = 1, 2 sind daherebenfalls isomorph zu Q[x]/(x3 − 2), also auch zu Q(α). Als abstrakte Korpersind diese nicht unterscheidbar. Dies ist aber moglich nachdem man K(α) in Ceingebetet hat: Eine solche Einbettung ist durch eine Wahl einer Nullstelle vonf bestimmt. Satz 1.1.8 verallgemeinert diese Beobachtung.

Satz 1.1.8 Sei ϕ : K → K ein Korperisomorphismus. Sei f ∈ K[x] irreduzibel.Wir schreiben f ∈ K[x] fur das irreduzible Polynom, das wir erhalten indemwir ϕ auf die Koeffizienten von f anwenden. Sei α (bzw. α) eine Nullstelle von f(bzw. f) in einer Korpererweiterung von K (bzw. K). Es existiert ein eindeutigerIsomorphismus

ψ : K(α)→ K(α),

sodass ψ(α) = α und ψ(a) = ϕ(a) fur alle a ∈ K.

Beweis: Der Isomorphismus ϕ induziert ein Ringisomorphismus

ϕ : K[x]→ K[x],∑i

aixi 7→

∑i

ϕ(ai)xi.

Dieser Ringisomorphismus bildet das Ideal (f) auf das Ideal (f) ab und induziertdaher ein Isomorphismus ψ : K[x]/(f)→ K[x]/(f) der Faktorringe. Die Aussagedes Lemmas folgt indem man dieser Isomorphismus mit den Isomorphismen

K(α) ' K[x]/(f), K(α) ' K[x]/(f)

aus Korollar 1.1.6.(a) verknupft. 2

1.2 Faktorisieren von Polynomen

In diesem Abschnitt besprechen wir Methoden, zur Uberprufung der Irredu-zibilitat eines Polynoms. In Abschnitt 1.1 haben wir gesehen, dass dies beim Be-schreiben von einfachen algebraischen Korpererweiterungen hilfreich ist. In die-sem Abschnitt betrachten wir Polynome f ∈ Q[x] mit Koeffizienten in Q. Dies isteine Vorbereitung auf das nachste Kapitel, wo wir hauptsachlich Korpererweiterungenvon Q betrachten.

Satz 1.2.1 (Gauß) Sei f ∈ Z[x] ein irreduzibles Polynom uber Z. Dann ist fauch irreduzibel uber Q.

Beweis: Sei f ∈ Z[x] ein irreduzibles Polynom uber Z. Wir nehmen an,dass eine nicht-triviale Zerlegung f = g ·h uber Q existiert, d.h. g, h ∈ Q[x] sindnicht-konstante Polynome.

Es existiert ein n = a · b ∈ Z und eine Zerlegung

nf = g(1) · h(1)

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mit g(1) = a · g, h(1) = b · h ∈ Z[x]. Wahle fur n beispielsweise das Produkt derNenner der Koeffizienten von g und h. Schreibe g(1) =

∑si=0 gix

i und h(1) =∑tj=0 hjx

j .Sei p ein Primfaktor von n. Wir behaupten, dass p entweder alle Koeffizienten

von g(1) oder alle Koeffizienten von h(1) teilt. Nehmen wir an, dies wurde nichtgelten. Seien i und j minimal mit p - gi und p - hj . Da p | n, teilt p denKoeffizienten ci+j von xi+j in g(1)h(1). Es gilt

ci+j =

i+j∑k=0

hkgi+j−k.

Die Wahl von i und j impliziert, dass p jeden Term der Summe außer hjgi teilt.Dies liefert einen Widerspruch, da p außerdem ci+j teilt.

OBdA durfen wir annehmen, dass p alle Koeffizienten von g(1) teilt. Schreiben = pn1 und g(1) = pg(2). Nach Kurzung des Faktors p, erhalten wir

n1f = g(2)h(1).

Wiederholtes Anwenden des Arguments liefert eine Faktorisierung

f = gh

mit g, h ∈ Z[x] und g = αg und h = βh fur α, β ∈ Z, ist dies eine nicht-trivialeZerlegung von f uber Z. Dies widerspricht die Irreduzibilitat von f uber Z. 2

Beispiel 1.2.2 Wir benutzen die Idee des Satzes von Gauss (Satz 1.2.1) umNullstellen von f ∈ Q[x] zu finden. Nach Multiplikation mit einer geeignetenganzen Zahl, durfen wir annehmen, dass f(x) =

∑ni=0 aix

i ∈ Z[x] ganze Koeffi-zienten besitzt. Außerdem durfen wir oBdA annehmen, dass an 6= 0 und a0 6= 0.Sei α = b/c ∈ Q eine Nullstelle von f mit ggT(b, c) = 1 und c > 0. Dann gilt

f = (cx− b)g, mit g ∈ Z[x].

Koeffizientenvergleich liefert, dass b | a0 und c | an. Diese Bedingungen lie-fern eine (endliche) Liste von moglichen Nullstellen. Einsetzen dieser moglichenNullstellen in f , liefert die Nullstellen.

Sei zum Beispiel f = 2x3 + x2 − x + 3. Fur b kommen nur die Werte±1,±3 in Frage. Fur c kommen nur die Werte 1, 2 in Frage. Ausprobieren aller8 Moglichkeiten liefert, dass α = −3/2 die einzige rationale Nullstelle von f ist.

Theorem 1.2.3 (Eisenstein-Kriterium) Sei

f(x) =

n∑i=0

aixi ∈ Z[x].

Sei p ∈ Z eine Primzahl, sodass

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(a) p - an,

(b) p | ai, i = 0, . . . an−1,

(c) p2 - a0.

Dann ist f irreduzibel uber Q.

Beweis: Sei f wie in der Aussage des Theorems. Es reicht zu zeigen, dassf irreduzibel uber Z ist (Satz 1.2.1). Wir nehmen an, dass f = g · h mit g =∑si=0 gix

i ∈ Z[x] und h =∑tj=0 hjx

j ∈ Z[x] nicht-konstante Polynome. Es gilt

a0 = g0h0. Da p | a0 und p2 - a0, schließen wir, dass entweder p | g0 oder p | h0.OBdA durfen wir annehmen, dass p | g0 und p - h0.

Annahme (a) impliziert, dass p nicht alle Koeffizienten von g teilt. Sei iminimal mit p - gi. Es gilt

ai =

i∑k=0

gkhi−k. (1)

Da s = Grad(g) < Grad(f) = n ist, folgt, dass i < n ist. Insbesondere ist p einTeiler von ai. Die Primzahl p teilt alle Termen der rechten Seite von (1) außergih0. Dies liefert einen Widerspruch. Wir schließen, dass f irreduzibel uber Zist. 2

Beispiel 1.2.4 Das Eisenstein–Kriterium mit p = 2 zeigt, dass

xn − 2 ∈ Q[x]

fur alle n irreduzibel ist.

Eine weitere Moglichkeit ein Polynom f ∈ Z[x] auf Irreduzibilitat zu uber-prufen, ist es modulo p zu reduzieren:

Satz 1.2.5 Sei f(x) =∑ni=0 aix

i ∈ Z[x] und p eine Primzahl mit p - an. Fallsdie Reduktion f ∈ Fp[x] von f modulo p irreduzibel ist, ist f irreduzibel in Q[x].

Beweis: Die Annahme p - an impliziert, dass Grad(f) = Grad(f). Ist f ∈Z[x] reduzibel, existieren nicht-konstante Polynome g, h ∈ Z[x] mit f = gh. DaGrad(f) = Grad(f) und f = gh, folgt, dass Grad(g) = Grad(g) und Grad(h) =Grad(h). Wir schließen, dass f = gh ∈ Fp[x] auch reduzibel ist. 2

Im Rest des Abschnittes wiederholen wir einige Eigenschaften von Polyno-men.

Sei f ∈ K[x] ein Polynom und α ∈ K eine Nullstelle von f . Es existiert einPolynom g ∈ K[x] mit

f(x) = (x− α)mg(x), und g(α) 6= 0.

Wir nennen m die Vielfachheit der Nullstelle α. Ist m > 1, heißt α eine mehr-fache Nullstelle von f .

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Satz 1.2.6 Sei K ein Korper und sei f ∈ K[x] ein Polynom von Grad n. DasPolynom f besitzt hochstens n Nullstellen in K gezahlt mit Vielfachheit.

Beweis: Seien α1, . . . , αr ∈ K die Nullstellen von f , wobei die Nullstelle αidie Vielfachheit ni besitzt. Es existiert also ein Polynom g ∈ K[x] mit

f(x) = g(x)

r∏i=1

(x− αi)ni .

Also ist∑ri=1 ni ≤ Grad(f) = n. 2

Sei f(x) =∑ni=0 aix

i. Wir definieren die formale Ableitung von f als

f ′(x) :=

n∑i=1

iaixi−1.

Fur K = R ist die formale Ableitung nichts anders als die Ableitung von f nachx. Die formale Ableitung erfullt die gleichen Rechenregeln wie die Ableitung.Beispielsweise gilt (f + g)′ = f ′ + g′ und (f · g)′ = f ′g + fg′. Insbesondere isteine Nullstelle α eines Polynoms f ∈ K[x] genau dann eine mehrfache Nullstelle,wenn f ′(α) = 0 ist. Dies zeigt die folgende Aussage.

Lemma 1.2.7 Sei α eine mehrfache Nullstelle von f ∈ K[x] \ {0}. Dann gilt

(x− α) | ggT(f, f ′).

1.3 Endliche Korper

In diesem Abschnitt klassifizieren wir alle Korper mit endlich vielen Elemente(endlichen Korper). Wir zeigen zuerst, dass jeder endliche Korper eine Erwei-terung von Z/pZ fur eine Primzahl p ist. Dies impliziert, dass die Kardinalitateines endlichen Korper ein Primzahlpotenz q = pn ist. Wir werden zeigen, dassfur jede Primzahlpotenz q = pn ein Korper mit q Elementen existiert (Theorem1.3.3). Zwei endliche Korper mit gleicher Kardinalitat sind isomorph (Theorem1.3.9). Diesen Korper mit q Elementen werden wir haufig mit Fq bezeichnen.Beachte, dass Z/mZ nur dann ein Korper ist, wenn m eine Primzahl ist. Furq = pn mit n 6= 1 ist Fq 6= Z/qZ.

Fur jeden Ring R definiert

ψ : Z→ R, n 7→ n · 1 (2)

einen Ringhomomorphismus, wobei fur n > 0 positiv n · 1 = 1 + · · ·+ 1 (n-mal)und (−n) · 1 = −(n · 1) ist. Der Kern von ψ ist ein Ideal von Z, also ker(ψ) =mZ fur ein m ≥ 0. Diese Zahl m heißt Charakteristik von R. (Bezeichnung:Char(R).) Falls Char(R) = m 6= 0, ist m die kleinste positive Zahl, sodassm · 1 = 0 in R gilt. Beispielsweise besitzt Z/mZ die Charakteristik m.

Lemma 1.3.1 Die Charakteristik Char(K) eines KorpersK ist entweder 0 odereine Primzahl.

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Beweis: Sei ψ : Z → K wie in (2) und sei I := ker(ψ) = mZ. Wir nehmenan, dass m eine zusammengesetzte Zahl ist, also existieren a, b ∈ N \ {1,m}mit m = ab. Es gilt 0 = ψ(m) = ψ(ab) = ψ(a)ψ(b) = (a · 1)(b · 1). Aus derMinimalitat von m folgt, dass (a · 1) 6= 0 und (b · 1) 6= 0. Also ist m · 1 ∈ Kein Nullteiler und daher nicht invertierbar. Dies liefert einen Widerspruch zurAnnahme, dass K ein Korper ist. 2

Fur ein Korper K der Charakteristik 0 ist die Abbildung ψ : Z→ K injektiv.Hieraus folgt, dass Q ein Teilkorper von K ist. Insbesondere ist K nicht endlich.Falls K ein Korper der Charakteristik p > 0 ist, ist Fp = Z/pZ ein Teilkorpervon K. Der kleinste Teilkorper eines Korpers K heißt Primkorper.

Lemma 1.3.2 Sei F ein endlicher Korper mit Char(F ) = p > 0. Die Anzahlder Elemente von F ist q = pn.

Beweis: Ein endlicher Korper F der Charakteristik p > 0 enthalt Fp alsPrimkorper und ist daher eine Korpererweiterung von Fp von endlichem Grad.Sei n = [F : Fp] der Grad der Korpererweiterung. Dann ist F ein n-dimensionalerFp-Vektorraum. Die Kardinalitat von F ist also q = pn. 2

Theorem 1.3.3 Sei q = pn eine Primzahlpotenz.

(a) Es existiert ein Korper k mit q Elementen.

(b) Die Elemente von k sind Nullstellen des Polynoms fq(x) := xq −x. DiesesPolynom zerfallt in Linearfaktoren uber k.

(c) Die Gruppe k× ist zyklisch.

Der Beweis von Theorem 1.3.3 benutzt folgendes Lemma. Teil (b) heißt aufEnglish freshman’s dream.

Lemma 1.3.4 Sei p eine Primzahl und k ein Korper der Charakteristik p.

(a) Fur i = 1, . . . , p− 1 gilt p |(pi

)∈ Z.

(b) Fur alle α, β ∈ k gilt

(α+ β)p = αp + βp ∈ k.

(c) Die Abbildung F : k → k, x 7→ xp ist ein injektiver Korperhomomorphismus.(Name: Frobenius-Homomorphismus.)

Beweis: Teil (a) folgt unmittelbar aus der Definition des Bimonialkoeffizi-enten. Teil (b) folgt aus (a) und dem binomischen Lehrsatz. Teil (b) zeigt, dassF ein Korperhomomorphismus ist. (Die Gleichung (αβ)p = αpβp ist trivial.)Der Homomorphismus F ist injektiv, da ker(F ) < K ein Ideal, also trivial, ist.

2

Wir beweisen Theorem 1.3.3.(a)+(b). (Teil (c) folgt aus Satz 1.3.7.)

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Beweis: Wir beweisen zuerst (b). Sei k ein Korper mit q Elementen. Diemultiplikative Gruppe k∗ = k \ {0} enthalt q − 1 Elemente. Die Ordnung einesElements α ∈ k∗ ist also ein Teiler von q − 1 und daher eine Nullstelle vonfq = xq − x. Da 0 ∈ k auch eine Nullstelle von fq ist, besitzt fq genau qverschiedene Nullstellen in k. Wir schließen, dass

fq(x) =∏α∈k

(x− α).

Dies zeigt (b).Wir beweisen die Existenz eines Korpers k mit q Elementen. Teil (b) impli-

ziert, dass die Elemente von k genau die Nullstellen von fq sind. Sei L/Fp eineKorpererweiterung, in dem fq in Linearfaktoren zerfallt. Diese existiert nachKorollar 1.1.4.

Sei F ⊂ L die Menge der Nullstellen von fq:

F = {α ∈ L | αq = α}.

Lemma 1.2.7 impliziert, dass fq keine mehrfache Nullstellen besitzt, da f ′q(x) =qxq−1 − 1 = −1 ∈ Fp[x]. Also ist |F | = q.

Wir behaupten, dass F ein Korper ist. Seien α, β ∈ F . Es gilt

(αβ)q = αqβq, (−α)q = −α, (1/α)q = 1/αq.

Aus Lemma 1.3.4.(b) folgt mit Induktion, dass

(α+ β)q = (αp + βp)pn−1

= · · · = αq + βq ∈ L.

Insbesondere ist α+ β ∈ F . Wir schließen, dass F ein Korper ist. 2

Beispiel 1.3.5 Sei q = 32 = 9. Wir faktorisieren das Polynom f9 = x9 − x inirreduzible Faktoren in F3[x]:

x9 − x = x(x− 1)(x+ 1)(x2 + 1)(x2 − x− 1)(x2 + x− 1).

Wir konnen F9 darstellen als

F9 ' F3[x]/(x2 + 1) = {a0 + a1α | aj ∈ F3, α2 = −1}. (3)

Der Beweis von Theorem 1.3.3 impliziert, dass xq − x uber F9 in Linearfak-toren zerfallt. Wir rechnen dies nach. Wir berechnen dazu die Nullstellen vonx2 + 1, x2 − x− 1 und x2 + x− 1 in F9:

x2 + 1 = (x+ α)(x− α), x2 − x− 1 = (x+ α+ 1)(x− α+ 1),

x2 + x− 1 = (x− α− 1)(x+ α− 1).

Der Korper F := F3[x]/(x2 − x − 1) besitzt auch 9 Elemente. Sei β eineNullstelle von x2 − x− 1 ist. Dann definiert

F→ F9, β 7→ α− 1.

ein Korperisomorphismus, da α − 1 ∈ F9 auch eine Nullstelle von minF3(β) =

x2 − x− 1 ist.

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Als nachstes zeigen wir, dass F×q eine zyklische Gruppe ist.

Definition 1.3.6 Ein Element α eines Korpers K mit αn = 1 heißt n-te Ein-heitswurzel.

Im folgenden Satz nehmen wir nicht an, dass der Korper K endlich ist.Theorem 1.3.3.(c) ist ein Spezialfall dieses Satzes.

Satz 1.3.7 Sei K ein Korper und H eine endliche Untergruppe von K× mit nElementen. Die Gruppe H ist zyklisch und besteht genau aus den n-ten Ein-heitswurzeln in K.

Beweis: Sei H ⊂ K× eine Untergruppe mit n Elemente. Die Ordnung einesElements α ∈ H ist ein Teiler von n, also ist α eine Nullstelle des Polynomsxn − 1. Satz 1.2.6 sagt, dass xn − 1 hochstens n Nullstellen in K besitzt. DieElemente von H sind also die einzige Nullstellen von xn−1. Wir schließen, dassdie Elemente von H genau die n-ten Einheitswurzeln in K sind.

Der Beweis, dass die Gruppe zyklisch ist, ist komplizierter. Sei a ∈ H einElement maximaler Ordnung m, und sei Hm ⊂ H die Untergruppe, bestehendaus allen Elemente deren Ordnung ein Teiler von m ist, d.h. die m-te Einheits-wurzeln in K. Das obige Argument zeigt, dass Hm genau m Elemente besitzt.Die Gruppe Hm besitzt ein Element a der Ordnung m = |Hm| und ist daherzyklisch.

Wir behaupten, dass H = Hm ist. Falls nicht, existiert ein Element b ∈H \Hm der Ordnung ` ≤ m. Da H abelsch ist, ist ab ein Element der OrdnungkgV(`,m). Aus der Annahme b 6∈ Hm folgt, dass ` - m, also, dass kgV(`,m) > mist. Dies liefert einen Widerspruch zur Wahl von a. Wir schließen, dass H = Hm

ist. Insbesondere ist H zyklisch. 2

Bemerkung 1.3.8 (a) Sei k = Fq ein Korper mit q = pn Elemente. Es existiertein Element α ∈ k der Ordnung q − 1 (Theorem 1.3.3.(c)). Dies bedeutet,dass jedes Element in k× eine Potenz von α ist: k× = {α, α2, . . . , αq−1 = 1}.Insbesondere ist k = Fp(α).

Beachten Sie, dass nicht jedes Element α mit k = Fp(α) auch die Gruppe k×

erzeugt. Das Element α aus Beispiel 1.3.5 besitzt Ordnung 4 und erzeugt daherk× nicht. Das Element β ist aber ein Erzeuger dieser Gruppe.

(b) Die Aussage von Satz 1.3.7 stimmt im Allgemeinen nicht, wenn K keinKorper ist. Beispielsweise ist (Z/8Z)× ' Z/2×Z/2Z. In diesem Fall besitzt dasPolynom x2− 1 ∈ (Z/8Z)[x] also 4 Nullstellen. Satz 1.2.6 stimmt also hier auchnicht.

Das nachste Theorem zeigt, dass bis auf Isomorphie nur ein Korper mitq = pn Elemente existiert (vergleichen Sie mit Beispiel 1.3.5). Dies rechtfertigtdie Bezeichung Fq fur den Korper mit q Elemente.

Theorem 1.3.9 Sei q = pn eine Primzahlpotenz und seien k, k′ zwei Korpermit q Elementen. Die Korper k und k′ sind isomorph.

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Beweis: Seien k, k′ zwei Korper mit q Elemente und sei α ein Erzeuger derzyklischen Gruppe k×. Dann ist k = Fp(α) (Bemerkung 1.3.8.(a)). Sei f(x) =minFp(α). Da α auch eine Nullstelle des Polynoms fq(x) = xq − x ist, folgt ausSatz 1.1.5, dass f | fq.

Das Polynom fq(x) zerfallt auch in k′ in Linearfaktoren (Theorem 1.3.3.(b)).Insbesondere besitzt f eine Nullstelle α′ ∈ k′. Es folgt, dass k ' Fp[x]/(f) 'Fp(α′) ⊂ k′. Da k und k′ die gleiche Kardinalitat haben, folgt k′ ' k. 2

1.4 Algebraisch abgeschlossene Korper

Definition 1.4.1 a) Ein Korper K heißt algebraisch abgeschlossen, falls je-des Polynom f ∈ K[x] eine Nullstelle in K besitzt.

(b) Eine Korpererweiterung L/K heißt der algebraischer Abschluss von K,wenn L/K eine algebraische Erweiterung ist und L algebraisch abgeschlos-sen ist (Bezeichnung: K oder Kalg).

Bemerkung 1.4.2 (a) Sei K ein algebraisch abgeschlossener Korper. Dannzerfallt jedes Polynom f ∈ K[x] in Linearfaktoren. Dies folgt mit Induk-tion aus Definition 1.4.1.(a).

(b) Ein Korper K ist genau dann algebraisch abgeschlossen, wenn keine echtealgebraische Korpererweiterung K ( L existiert. Sei namlich K ( L eineechte algebraische Korpererweiterung und α ∈ L \K. Sei f := minK(α)das Minimalpolynom von α. Da K algebraisch abgeschlossen ist, zerfalltf uber K in Linearfaktoren. Da f als Minimalpolynom irreduzibel ist,besitzt f Grad 1. Also ist f = (x− α) ∈ K[x] und α ist ein Element vonK. Dies liefert einen Widerspruch.

Der Korper C ist algebraisch abgeschlossen. Dieser Satz heißt der Funda-mentalsatz der Algebra. Wir skizzieren den Beweis in Abschnitt 2.9. Fur einemBeweis mit Methoden der Analysis verweisen wir auf [1, Theorem 13.9.1].

Theorem 1.4.3 (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes nicht-konstantes Po-lynom f ∈ C[x] besitzt eine Nullstelle in C.

Der folgende Satz beschreibt beispielsweise den algebraischen Abschluss vonTeilkorpern von C.

Satz 1.4.4 Sei L/K eine Korpererweiterung.

(a) Die Menge M ⊂ L aller uber K algebraischer Elemente ist ein Korper.

(b) Ist L algebraisch abgeschlossen, dann ist M ein algebraischer Abschlußvon K.

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Beweis: Seien α, β ∈ M \ {0}. Wir mussen zeigen, dass α+ β, αβ,−α undα−1 auch algebraisch uber K sind. Korollar 1.1.6 impliziert, dass [K(α) : K] <∞ ist. Da β algebraisch uber K ist, ist es auch algebraisch uber dem großerenKorper K(α). Bemerke, dass K(α)(β) = K(α, β). Also ist [K(α, β) : K(α)] <∞. Es gilt, dass

[K(α, β) : K] = [K(α, β) : K(α)] · [K(α) : K]

([3, Thm. 4-2-10]). Insbesondere ist [K(α, β) : K] < ∞. Fur jedes Elementγ ∈ K(α, β) und n genugend groß sind daher 1, γ, γ2, . . . , γn linear abhangiguber K. Dies impliziert, dass γ algebraisch uber K ist. Die oben erwahnteElemente sind alle im Korper K(α, β) enthalten und daher algebraisch. Diesbeweist (a).

Wir bemerken, dass M/K per Definition algebraisch ist. Sei f ∈ K[x] einnicht-konstantes Polynom. Da L algebraisch abgeschlossen ist, besitzt f eineNullstelle α ∈ L. Dieses Element ist algebraisch uber K, also in M enthalten.Aussage (b) folgt. 2

Beispiel 1.4.5 (a) Der Korper Q = {α ∈ C | α algebraisch uber Q} ist ein al-gebraischer Abschluß von Q. Die Zahlen e und π sind transzendent ([10, Chapter24]), also gilt Q ( C.

(b) Der KorperFp := ∪nFpn

ist ein algebraischer Abschluß von Fp. Sei namlich f ∈ Fp[x]. Das Polynombesitzt nur endlich viele Koeffizienten ungleich Null, also existiert ein n mit f ∈Fpn [x]. Satz 1.1.3 impliziert, dass f eine Nullstelle in einer endlichen Erweiterungvon Fpn , also auch in Fp, besitzt. Dies zeigt, dass Fp algebraisch abgeschlossenist. Die Erweiterung Fp/Fp ist auch algebraisch, da jedes Element α ∈ Fp ineinem Fpn enthalten ist.

Wir skizzieren den Beweis der Existenz eines algebraischen Abschlusses. Furmehr Details verweisen wir auf [2, Theorem 3.4]. Sei K ein Korper. Wir mochteneinen algebraisch abgeschlossenen Korper L, der K enthalt, konstruieren. MitSatz 1.4.4 folgt hieraus die Existenz eines algebraischen Abschlusses.

In Satz 1.1.3 haben wir eine (endliche) Erweiterung von K konstruiert, indem ein gegebenes Polynom eine Nullstelle besitzt. In L soll jedes Polynomf ∈ K[x] eine Nullstelle besitzen. Es ist schwer L zu konstruieren, in dem manan K eine Nullstelle jedes irreduziblen Polynoms adjungiert: Man muss extremaufpassen, dass die getroffenen Wahlen kompatibel sind. Wir skizzieren hiereinen anderen Beweis, der auf Emil Artin zuruck geht.

Der Beweis benutzt das Lemma von Zorn. Dies ist eine ziemlich technischeAussage der Mengenleere. Die Aussage ist aquivalent zur Auswahlaxiom undkann daher als Axiom der Mengenleere aufgefast werden. Fur eine Diskussiondes Lemmas von Zorn verweisen wir auf [9, Chapter 6].

Theorem 1.4.6 Jeder Korper besitzt ein algebraischer Abschluß.

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Beweisskizze: Sei K ein Korper. Es reicht einen algebraisch abgeschlosse-nen Korper L, der K enthalt, zu konstruieren.

Wir betrachten die Menge I aller nicht-konstanten Polynome in K[x]. Wirbetrachten den Polynomring

R := K[(Xf ) | f ∈ I].

Der Polynomring enthalt also eine Variable fur jedes nicht-konstante Polynomaus I. Wir definieren ein Ideal

I = 〈f(Xf ) | f ∈ I〉 < R

erzeugt von allen f(Xf ), d.h. die Elemente von I sind endliche Summen

n∑i=1

gifi(Xfi)

mit gi ∈ R. Wir betrachten jedes f also als Polynom in der zu f gehorigenVariable Xf .

Behauptung I: Es gilt I ( R. Wir nehmen an, dass I = R. Also ist 1 ∈ I undes existieren Polynome gi ∈ R mit

n∑i=1

gifi(Xfi) = 1. (4)

Wir schreiben xi = Xfi fur i = 1, . . . , n. Die endlich viele Polynome gi enthaltennur endlich viele Monome, also auch nur endlich viele Variablen. Wir bezeichnendie uberige Variablen, die in den gi vorkommen mit xn+1, . . . , xm.

Korollar 1.1.4 angewandt auf∏i fi zeigt die Existenz einer endlichen Er-

weiterung M/K, in dem alle fi eine Nullstelle αi besitzen. Wir fassen (4) alsGleichung in M [x1, . . . , xm] auf und substituieren xi = αi fur i = 1, . . . , n undxi = 0 fur i = n + 1, . . . ,m. Da f(αi) = 0, liefert (4) einen Widerspruch. Dieszeigt die Behauptung.

Behauptung II: Das Ideal I ist in einem maximalen Ideal m enthalten. Wirbetrachten die Menge aller Idealen J ( R, die I enthalten. Bezuglich die In-klusion ist dies eine partiel geordenete Menge. Das Lemma von Zorn sagt, dassdie Menge ein maximales Element besitzt. Dies ist das gesuchte maximale Ideal.(Mehr Details finden Sie in [2, Satz 3.4.6].)

Wir definieren L1 = R/m. Dies ist ein Korper, der (eine Kopie von) Kenthalt. Wir konnen L1 daher als Korpererweiterung von K auffassen. In L1

besitzt jedes Polynom f ∈ K[x] eine Nullstelle, namlich die LinksnebenklasseXf + m. Dies ist das gleiche Argument wie im Beweis von Satz 1.1.3.

Der Korper L1 ist noch nicht notwendigerweise algebraisch abgeschlossen,da es Polynome in L1[x] \K[x] geben kann, die in L1 keine Nullstelle besitzen.

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Wir wiederholen daher die Konstruktion fur L1[x] und erhalten einen KorperL2, in dem alle Polynome aus L1[x] eine Nullstelle besitzen. Wir fuhren diesesVerfahren weiter und erhalten eine Korperkette

K = L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ · · ·Li ⊂ Li+1 ⊂ · · ·

Wir definierenL =

⋃i≥0

Li

als Vereinigung dieser Korper.

Behauptung III: Der Korper L ist ein algebraisch abgeschlossener Korper, derK enthalt. Es ist offensichtlich, dass L ein Korper ist, der K = L0 enthalt. Seif ∈ L[x]. Dann besitzt f nur endlich viele Koeffizienten ungleich Null. DieseKoeffizienten sind daher in Li fur i groß genug enthalten. Nach Konstruktionbesitzt f eine Nullstelle in Li+1 und daher auch in L. Dies zeigt die Behauptung.

2

Bemerkung 1.4.7 Man kann zeigen, dass zwei algebraische Abschlusse einesKorpers isomorph sind ([2, Korollar 3.4.10]). Der Beweis benutzt die Beweisstra-tegie von Satz 1.4.4, zusammen mit Korollar 2.2.6 aus dem nachsten Kapitels.

2 Galois-Theorie

2.1 Einfuhrung

Die Galois-Theorie ist entstanden aus der Frage nach der Losbarkeit von Poly-nomgleichungen

f(x) = anxn + an−1x

n−1 + · · ·+ a0 = 0, ai ∈ Z

mit Hilfe von Radikalen. Grob gesagt, ist f(x) = 0 mit Hilfe von Radikalenauflosbar, wenn man die Nullstellen der Gleichung mit den Operationen Additi-on, Multiplikation und ziehen k-ter Wurzeln aus den Koeffizienten ai berechnenkann. Die bekannte Mitternachtsformel sagt, dass die Nullstellen eines Polynomsf(x) = ax2 + bx+ c 2ten Grades durch

x =−b2a± 1

2a

√b2 − 4ac

gegeben sind. Quadratische Gleichungen sind daher mit Hilfe von Radikalenauflosbar.

Im Prinzip wussten babylonische Mathematiker schon um 400 v.Chr. wieman quadratische Gleichungen lost, obwohl der Begriff einer Gleichung nochnicht bekannt war: Man findet in alten babylonischen Texten eine algorithmischeLosung von Probleme, die in moderner Sprache formuliert, eine quadratischeGleichung liefern.

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Der Beweis, dass kubische Gleichungen mit Hilfe von Radikale auflosbar sind,ist von Scipione dal Ferro um 1515. Wahrscheinlich konnte er nur Gleichungenvon der Form x3 + 3px = 2q mit p, q > 0 auflosen. Man kann zeigen, dass manden allgemeinen Fall auf diesem Spezialfall zuruckfuhren kann. Die Formel furdie (eindeutige reelle) Nullstelle lautet im Spezialfall:

x =3

√p+

√p2 + q3 + 3

√p− p2 + q3.

Uber verschiedene Umwegen landete der Formel bei Girolamo Cardano, der es in1545 in seinem Buch Ars Magma publizierte. In 1540 gelangte Cardanos SchulerLudovico Ferrarri den Beweis der Losbarkeit von Gleichungen von Grad 4. Furdie faszinierende Geschichte, siehewww-history.mcs.st-and.ac.uk/HistTopics/Quadratic etc equations.html

Der erste Mathematiker, der behauptete, dass man die “allgemeine” Glei-chung 5ten Grades nicht mit Hilfe von Radikale auflosen kann, war Paolo Ruffini(1799). Sein Beweis, der einige Lucken enthalt, beruht auf der Theorie der Per-mutationsgruppen. Eine allgemeine Definition einer Gruppe gab es zu dieserZeit noch nicht. Der erste vollstandige Beweis ist von Niels Abel (1824). DieCharakterisierung aller Gleichungen deren Nullstellen mit Hilfe von Radikalenauflosbar sind, gelang letztendlich Evariste Galois in 1831. Seine Ergebnissewurde in 1846, erst lange nach Galois’ Tod, von Liouville publiziert. Diese Er-gebnisse bilden die Grundlagen der Galois-Theorie. Mehr uber das kurze aberdramatische Leben von Galois lesen Sie auf der MacTutor-Webseitehttp://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Galois.html

Galois’ Ergebnisse zu verstehen ist das Ziel dieses Kapitels.

Die Idee der Galois-Theorie Wir skizzieren kurz die Idee der Galois-Theorie.Sei K ein Korper (z.B. Q). Einfachheitshalber nehmen wir in der Einleitung an,dass Char(K) = 0 ist. Sei f(x) ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom von Gradn. Adjungation aller Nullstellen von f an K liefert einen Korper L, in demf ∈ L[x] in Linearfaktoren zerfallt. Dieser Korper heißt Zerfallungskorper von f(Abschnitt 2.2). In der Galois-Theorie wird die Gruppe der Permutationen derNullstellen von f in Beziehung zur algebraischen Struktur der Erweiterung L/Kgesetzt. Wir mochten diese Beziehung an einem einfachen Beispiel erlautern.

Beispiel 2.1.1 Sei f(x) = x2+1 ∈ R[x]. Das Polynom zerfallt in Linearfaktorenf(x) = (x + i)(x − i) uber C ' R[x]/(x2 + 1). Die Nullstellen ±i kann man indieser Konstruktion nicht auseinander halten (Vergleich Beispiel 1.1.7 und Satz1.1.8).

Die komplexe Konjugation ι : z = a + bi 7→ a − bi vertauscht die beidenNullstellen und lasst die reellen Zahlen fest. Man kann die Gruppe G(f) := 〈ι〉als Symmetriegruppe der Nullstellen von f auffassen. Diese Gruppe heißt Galois-Gruppe von f (oder der Erweiterung L/K.)

Sei nun f ∈ K[x] ein Polynom von Grad n dessen Nullstellen in einemZerfallungskorper L paarweise verschieden sind. Die Galois-Gruppe G(f) (Defi-nition 2.3.1) besteht aus Isomorphismen von L dessen Einschrankung auf K die

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Identitat ist. Wir werden zeigen, dass die Elemente von G(f) die Nullstellen vonf permutieren. Wir konnen G(F ) daher als Untergruppe von Sn auffassen. Istf mit Hilfe von Radikalen auflosbar, nennen wir die Gruppe G(f) auflosbar ([2,Abschnitt 6.1]). Man kann zeigen, dass alle Untergruppe von S4 auflosbar sindund das S5 nicht auflosbar ist. Um den Satz von Abel–Rufini zu zeigen, mussman also ein Polynom mit Galois-Gruppe G(f) ' S5 finden. Man kann zeigen,dass das Polynom f(x) = x5 − 6x + 3 Galois-Gruppe S5 besitzt ([10, Chapter15]). In dieser Vorlesung diskutieren wir diese Geschichte nicht weiter.

2.2 Der Zerfallungskorper eines Polynoms

Sei f ∈ K[x] ein Polynom. Es existiert eine endliche Erweiterung L/K, in demf in Linearfaktoren zerfallt (Korollar 1.1.4). Der kleinste Korper mit dieserEigenschaft heißt Zerfallungskorper:

Definition 2.2.1 Sei L eine Korperweiterung und f ∈ K[x] ein Polynom. Wirsagen, dass L ein Zerfallungskorper von f uber K ist, falls:

(a) f ∈ L[x] zerfallt in Linearfaktoren,

(b) L ist die kleinste Korpererweiterung von K, in der f in Linearfaktorenzerfallt, d.h. ist K ⊂M ( L eine echte Teilerweiterung, dann zerfallt f inM [x] nicht in Linearfaktoren.

Bemerkung 2.2.2 Die Bedingung (b) aus Definition 2.2.1 ist aquivalent zu:

(b’) L = K(α1, . . . , αn), wobei αi ∈ L die Nullstellen von f sind.

Der folgende Satz folgt aus Korollar 1.1.4.

Satz 2.2.3 Sei K ein Korper und f ∈ K[x] ein Polynom. Es existiert einZerfallungskorper L von f uber K.

Beispiel 2.2.4 (a) In Beispiel 1.1.7 haben wir gesehen, dass

f := x3 − 2 = (x− 3√

2)(x− 3√

2ζ3)(x− 3√

2ζ23 ) ∈ C[x].

Da 3√

2ζ3 /∈ Q( 3√

2), ist Q( 3√

2) kein Zerfallungskorper von f uber K = Q.Wir behaupten, dass L = Q( 3

√2, ζ3) ein Zerfallungskorper von f ist. Offen-

sichtlich enthalt L alle drei Nullstellen von f , also zerfallt f uber L in Linear-faktoren. Jede Korpererweiterung von Q, die alle drei Nullstellen von f enthalt,enthalt auch ζ3, da ζ3 der Quotient der ersten beiden Nullstellen ist. Dies zeigtdie Behauptung. Es gilt auch L = Q( 3

√2,√−3) Die primitive 3te Einheitswur-

zel erfullt ζ3 = (−1 +√−3)/2, also, da ζ3 = (−1 +

√−3)/2 eine primitive 3te

Einheitswurzel ist.Das Minimalpolynom von ζ3 uber Q ist x2 + x + 1. Also ist [L : Q( 3

√2)] ≤

[Q(ζ3) : Q] = 2. Wir haben schon gesehen, dass Q( 3√

2) ( L, also ist [L :Q( 3√

2)] = 2. Es folgt, dass [L : Q] = [L : Q( 3√

2)][Q( 3√

2) : Q] = 2 · 3 = 6.

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(b) Wir betrachten das Polynom x4+4 ∈ Q[x]. Mittels quadratische Erganzungfinden wir

x4 + 4 = (x4 + 4x2 + 4)− 4x2 = (x2 + 2)2 − (2x)2

= (x2 + 2x+ 2)(x2 − 2x+ 2).

Alternativ kann man auch Koeffizientenvergleich mit der Ansatz x4 + 4 = (x2 +ax+ b)(x2 + cx+ d) benutzen. Das Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) zeigt,dass die Polynome x2 ± 2x + 2 ∈ Q[x] irreduzibel sind. Die Nullstellen sind±1± i. Also ist Q(i) ein Zerfallungskorper des Polynoms.

(c) Sei k ein Korper der Charakteristik p > 0 und a ∈ k×. Sei f(x) =xp− x− a ∈ k[x]. Ist α eine Nullstelle von f in einem Erweiterungskorper, dasssind die andere p− 1 Nullstellen α+ 1, α+ 2, . . . , α+ p− 1 (Lemma 1.3.4). Esfolgt, dass k(α) der Zerfallungskorper von f uber k ist.

Aus dem Beweis von Satz 2.2.3 wird nicht klar, ob der Zerfallungskorpervon den getroffenen Wahlen abhangt. Wir werden sehen, dass dies nicht derFall ist: Zwei Zerfallungskorper von f uber K sind isomorph (Korollar 2.2.6).Der Beweis beruht auf Satz 1.1.8. Wir wiederholen die Situation.

Jeder Korperisomorphismus ϕ : K → K induziert einen Ringisomorphismus

ϕ : K[x]→ K[x], f(x) =

n∑i=0

aixi 7→ f =

n∑i=0

ϕ(ai)xi. (5)

Die irreduzible Faktoren von f werden durch ϕ auf dem irreduziblen Faktorenvon f = ϕ(f) abgebildet.

Satz 2.2.5 Sei ϕ : K → K ein Korperisomorphismus. Sei f(x) ∈ K[x] ein nicht-konstantes Polynom und sei f = ϕ(f) ∈ K[x]. Seien L und L Zerfallungskorperfur f und f . Es existiert ein Isomorphismus ψ : L → L, sodass ψ(α) = α undψ(a) = ϕ(a) fur alle a ∈ K:

L∼ψ// L

K∼ϕ// K.

Falls wir K = K und ϕ = Id im obigen Satz nehmen, erhalten wir dieEindeutigkeit (bis auf Isomorphie) des Zerfallungskorpers. Dies zeigt folgendesKorollar. Wir werden oft vom Zerfallungskorper eines Polynoms sprechen.

Korollar 2.2.6 Alle Zerfallungskorper von f ∈ K[x] sind isomorph uber K.

Beweis des Satzes: Wir beweisen den Satz mit Induktion nach Grad(f).Zerfallt f uber K in Linearfaktoren, zerfallt f uber K in Linearfaktoren. In

diesem Fall gilt L = K, L = K und ψ = ϕ und die Aussage stimmt.

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Wir nehmen also an, dass f uber K nicht in Linearfaktoren zerfallt. Seif nichtkonstant und g ein irreduzibler Faktor von f . Wir schreiben g fur denentsprechenden Faktor von f . Sei α ∈ L (bzw. α in L) eine Nullstelle von f(bzw. f). Nach Satz 1.1.8 existiert ein Korperisomorphismus ψ : K(α)→ K(α)mit ψ(α) = α und ψ(a) = ϕ(a) fur alle a ∈ K. Der Korper L ist auch derZerfallungskorper von h(x) = f(x)/(x− α) uber dem großeren Korper K(α):

L∼ // L

K(α)∼ψ// K(α)

K∼ϕ

// K.

Der Satz folgt mit Induktion nach dem Grad von f . 2

2.3 Korpererweiterungen und Automorphismen

Nachdem wir uns im letzten Abschnitt mit den Nullstellen von Polynome befassthaben, betrachten wir in diesem Abschnitt Automorphismen von Erweiterun-gen. Wir zeigen in Satz 2.3.2, dass solche Automorphismen die Nullstellen vonPolynome permutieren. Dies fuhrt zur Definition von Galois-Erweiterungen unddie Galois-Gruppe (Definition 2.3.5).

Definition 2.3.1 Sei L/K eine Korpererweiterung. Ein K-Automorphismusvon L ist ein Korperisomorphismus ϕ : L→ L mit ϕ(c) = c fur alle c ∈ K. DieGruppe aller K-Automorphismen von L bezeichnen wir mit AutK(L).

Wir bezeichnen mit Aut(L) die Automorphismengruppe von L bestehend ausallen Korperisomorphismen von L. Die Gruppe AutK(L) ist eine Untergruppevon Aut(L).

Der folgende Satz zeigt, dass die Elemente von AutK(L) die Nullstellen in Leines Polynoms f(x) ∈ K[x] permutieren. Der Satz ist ein wichtiges Hilfsmittelbei der Bestimmung der Gruppe AutK(L) in konkreten Fallen.

Satz 2.3.2 Sei f ∈ K[x] und ϕ ∈ AutK(L). Sei α ∈ L algebraisch uber K.Dann ist ϕ(α) eine Nullstelle des Minimalpolynoms minK(α).

Beweis: Sei α ∈ L algebraisch uber K und f =∑ni=0 aix

i das Minimalpo-lynom von α uber K. Fur ϕ ∈ AutK(L) gilt, dass f(ϕ(α)) =

∑ni=0 aiϕ(α)i =

ϕ(f(α)), da ai ∈ K ist. Wir schließen, dass ϕ(α) auch eine Nullstelle von f ist.2

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Beispiel 2.3.3 (a) In Beispiel 2.1.1 haben wir die Erweiterung

C ' R[x]/(x2 + 1)/R

betrachtet. Die komplexe Konjugation ι ist ein R-Homomorphismus von C. Seiϕ ∈ AutR(C) beliebig. Dann ist ϕ insbesondere auch eine R-lineare Abbildungund wird daher von ϕ(1) = 1 und ϕ(i) bestimmt. Es folgt, dass AutR(C) = 〈ι〉.

(b) Wir betrachten die Korpererweiterung Q( 3√

2)/Q. Das Element 3√

2 ist dieeinzige Nullstelle des Minimalpolynom minQ( 3

√2) = x3 − 2 in Q( 3

√2) (Beispiel

1.1.7). Also ist AutQ(Q( 3√

2)) = {1}.(c) In diesem Kapitel betrachten wir die Gruppe AutK(L) hauptsachlich fur

endliche Erweiterungen L/K. Die Endlichkeit wird in Definition 2.3.1 aber nichtgefordert. Wir betrachten wir beispielsweise die Erweiterung C(x)/C.

Sei L ein Zerfallungskorper von f(x) ∈ K[x]. Der Beweis des folgendenSatzes gibt eine Beschreibung der K-Automorphismen von L in Termen derNullstellen von f in L. Dieses Ergenis ist die Motivation der Definition derGalois-Erweiterungen (Definition 2.3.5).

Satz 2.3.4 Sei L der Zerfallungskorper uber K eines Polynoms f(x) ∈ K[x].

(a) Dann gilt|AutK(L)| ≤ [L : K].

(b) Besitzt f ∈ L[x] nur einfache Nullstellen, dann haben wir Gleichheit in(a).

Ein Polynom mit einfache Nullstellen in seinem Zerfallungskorper heißt se-parabel. Wir betrachten diese Eigenschaft genauer in Abschnitt 2.4.

Beweis: Wir beweisen den Satz mit Induktion nach [L : K] wie im Beweisvon Korollar 2.2.6.

Ist [L : K] = 1, dann ist L = K und AutK(L) = {1} und die Aussage stimmt.Wir nehmen an, dass [L : K] > 1 ist. In diesem Fall besitzt f mindestens einenirreduziblen Faktor g mit Grad(g) > 1. Wir wahlen eine feste Nullstelle α ∈ Lvon g. Sei ψ ∈ AutK(L). Dann ist β := ψ(α) auch eine Nullstelle von g (Satz2.3.2) und ψ induziert ein Isomorphismus ϕ : K(α)→ K(β):

L∼ψ

// L

K(α)∼ϕ// K(β)

KId

// K.

Umgekehrt existiert fur jede Nullstelle β ∈ L von g ein Isomorphismus ϕ :K(α)→ K(β) mit ϕ(α) = β und ϕ(a) = a fur alle a ∈ K (Satz 1.1.8). Satz 2.2.5

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impliziert, dass ϕ zu einem K-Isomorphismus von L fortgesetzt werden kann.Wir schließen, dass die Anzahl der Isomorphismen ϕ : K(α)→ K(β) genau dieAnzahl der Nullstellen von g ist. Dies ist offensichtlich kleiner gleich Grad(g) =[K(α) : K] mit Gleichheit genau dann, wenn g in L einfache Nullstellen besitzt.Das Polynom g ist ein Teiler von f . Wenn f einfache Nullstellen besitzt, besitztalso auch g einfache Nullstellen.

Der Korper L ist auch ein Zerfallungskorper von f uber K(α).Es gilt [L : K(α)] < [L : K]. Wir konnen also die Induktionshypothe-

se auf L/K(α) anwenden. Jeder K-Isomorphismus ϕ : K(α) → K(β) besitztAutK(α)(L) viele Fortsetzungen ψ : L→ L. Die Induktionshypothese sagt, dass|AutK(α)(L)| ≤ [L : K(α)] mit Gleichheit, wenn f einfache Nullstellen besitzt.Der Satz folgt also aus [L : K] = [L : K(α)][K(α) : K]. 2

Definition 2.3.5 Eine endliche Korpererweiterung heißt galoisch, wenn gilt:

|AutK(L)| = [L : K].

In diesem Fall nennt man die Gruppe der K-Automorphismen von L die Galois-Gruppe von L/K. Wir schreiben auch

Gal(L/K) := AutK(L).

Ist L der Zerfallungskorper von f ∈ K[x], schreiben wir auchG(f) fur Gal(L/K).

Beispiel 2.3.6 (a) Die Erweiterung C/R ist eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe 〈ι〉 ' Z/2Z (Beispiel 2.3.3.(a)).

(b) Die Erweiterung L := Q( 3√

2)/K := Q ist keine Galois-Erweiterung, da|AutK(L)| = 1 6= 3 = [L : K] (Beispiel 2.3.3.(b)).

(c) Sei f(x) = x3−2 ∈ Q[x] und sei L = Q( 3√

2, ζ3) der Zerfallungskorper vonf uber Q (Beispiel 2.2.4.(a)). Wir schreiben α1 = 3

√2, α2 = α1ζ3, α3 = α1 = ζ23

mit ζ3 = e2πi/3 eine primitive 3te Einheitswurzel. In Beispiel 2.2.4.(a) habenwir gezeigt, dass [L : K] = 6. Satz 2.3.4 impliziert, dass |AutQ(L)| = 6.

Die Elemente von AutQ(L) permutieren die αi. Dies definiert ein Gruppen-homomorphismus

AutQ(L)→ S3,

der injektiv ist, weil L = Q(α1, α2, α3) ist. Beide Gruppen haben Kardinalitat6, also ist AutQ(L) ' S3.

Die folgende Tabelle listet die Elemente von AutQ(L) auf:

α1 α2 α3 ζ3 = α2

α1ζ23 Elt. in S3

Id α1 α2 α3 ζ3 ζ23 eϕ1 α2 α1 α3 ζ23 ζ3 (1 2)ϕ2 α2 α3 α1 ζ3 ζ23 (1 2 3)ϕ22 α3 α1 α3 ζ3 ζ23 (1 3 2)

ϕ1 ◦ ϕ2 α1 α3 α2 ζ23 ζ3 (2 3)ϕ1 ◦ ϕ2

2 α3 α2 α1 ζ23 ζ3 (1 3).

(6)

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(d) Sei q = pn. Theorem 1.3.3 zeigt, dass Fq der Zerfallungskorper vonfq = xq − x uber Fp ist. Im Beweis des Theorems haben wir uberpruft, dassfq einfache Nullstellen besitzt. Satz 2.3.4 zeigt daher, dass Fq/Fp eine Galois-Erweiterung ist. Wir bestimmen die Galois-Gruppe.

Wir betrachten die Abbildung F : Fq → Fq, x 7→ xp. Lemma 1.3.4.(c)sagt, dass F ein injektiver Korperhomomorphismus ist. Da Fq endlich ist, folgtaus dem Schubfachprinzip, dass F ein Isomorphismus ist. Die Elemente b ∈Fp erfullen bp = b, also ist F ∈ Gal(Fq/Fp). Wir nennen F der Frobenius-Automorphismus.

Die Elemente α ∈ Fq erfullen αq = α, also gilt Fn(α) = αpn

= αq = α unddaher ist Fn = Id auf Fq. Keine kleinere Potenz von F erfullt dieser Eigenschaft,also besitzt F Ordnung n. Da |Gal(Fq/Fp)| = [Fq : Fp] = n, ist F ein Erzeugerder Galois-Gruppe und Gal(Fq/Fp) ist zyklisch.

2.4 Separable Korpererweiterungen

Eine wichtige Bedingung in Satz 2.3.4 ist, dass ein Polynom in seinem Zerfallungskorpereinfache Nullstellen besitzt. In diesem Abschnitt betrachten wir diese Bedingunggenauer.

Definition 2.4.1 Sei K ein Korper.

(a) Ein Polynom f ∈ K[x] heißt separabel, falls f keine mehrfache Nullstellein seinem Zerfallungskorper besitzt. Ein irreduzibles Polynom, dass nichtseparabel ist heißt inseparabel.

(b) Sei L/K eine Korpererweiterung. Ein algebraisches Element α ∈ L heißtseparabel uber K, falls das Minimalpolynom minK(α) separabel ist.

(d) Eine algebraische Korpererweiterung L/K heißt separabel, falls jedes Ele-ment α ∈ L separabel ist.

Die folgende Aussage folgt direkt aus Satz 2.3.4. Im nachsten Abschnitt wer-den wir zeigen, dass die Umkehrung auch gilt. Dies liefert dann eine vollstandigeCharakterisierung der Galois-Erweiterungen.

Korollar 2.4.2 Sei L der Zerfallungskorper uber K eines separablen Polynomsf(x) ∈ K[x]. Dann ist L/K galoisch.

Beispiel 2.4.3 (a) Wir geben ein Beispiel eines inseparablen Polynoms. SeiK = Fp(t) (Beispiel 1.1.2). Dies ist eine rein transzendente Erweiterungvon Fp. Wir betrachten f(x) = xp−t ∈ K[x]. Sei L/K der Zerfallungskorpervon f . Das Polynom f besitzt mindestens eine Nullstelle α ∈ L. DieseNullstelle erfullt f(α) = αp − t = 0, also ist α eine p-te Wurzel aus t.Offensichtlich ist α 6∈ K.

In L[x] zerfallt f als

f(x) = xp − t = xp − αp = (x− α)p, (7)

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(Lemma 1.3.4), da K ein Korper der Charakteristik p ist. Also ist α eineNullstelle von f mit Vielfachheit p.

Als letztes beweisen wir die Irreduziblitat von f . Alternativ kann mandies auch mit einer Verallgemeinerung des Eisenstein-Kriteriums beweisen(siehe Beispiel 3.6.9). Sei g ∈ K[x] ein Faktor von f vom Grad 0 < m < p.OBdA durfen wir annehmen, dass g normiert ist. Dann ist

g(x) = (x− α)m = xm −(m

1

)αxm−1 + · · ·+ (−1)mαm ∈ K[x].

Die Bedingung an m = Grad(f) impliziert −m ∈ F×p . Der Koeffizient−mα von xm−1 in g ist also ungleich Null. Es folgt, dass α ∈ K ist. Dieswiderspricht die Tatsache, dass K/Fp eine rein transzendente Erweiterungist.

Da f nur eine Nullstelle in seinem Zerfallungskorper L besitzt, ist dieGalois-Gruppe AutK(L) = {1} trivial und L/K nicht galoisch. Dies zeigt,dass die Bedingung der Separabilitat in Korollar 2.4.2 notwendig ist.

(b) Sei q = pn eine Primzahlpotenz. Sei α ∈ Fq. Theorem 1.3.3 impliziert,dass minFp(α) | xq−x separabel ist. Dies zeigt, dass Fpn/Fp separabel ist.

Das Polynom f(x) = xp − a ∈ Fq[x] besitzt auch eine p-fache Nullstelle.Die Surjektivitat des Frobenius-Morphismus (Beispiel 2.3.6.(d)) impliziertdie Existenz von b ∈ Fq mit bp = a. Insbesondere ist f(x) = (x−b)p ∈ K[x]und f ist reduzibel. Das zeigt nochmals, dass das Argument aus (a) uberFq nicht funktioniert.

Der folgende Satz sagt, dass inseparable Polynome nur in positiver Charak-teristik existieren.

Satz 2.4.4 Sei K ein Korper der Charakteristik 0. Jedes irreduzible Polynomf ∈ K[x] ist separabel.

Beweis: Sei K ein Korper der Charakteristik 0 und f(x) ∈ K[x] ein irredu-zibles Polynom.

Die formale Ableitung f ′ ist ein Polynom von Grad n−1. (Hier benutzen wirdie Annahme Char(K) = 0.) Ist f inseparabel, dass besitzt f eine mehrfacheNullstelle α in seinem Zerfallungskorper und es gilt (x− α) | g := ggT(f, f ′) ∈K[x] (Lemma 1.2.7). Das Polynom g ist ein Teiler von f ′ und besitzt daher Gradkleiner gleich n − 1. Das Polynom g ist also eine echte Teiler des irreduziblenPolynoms f , was unmoglich ist. 2

Der folgende Satz gibt eine Charakterisierung von inseparablen Polynome.Der Beweis ist eine Verallgemeinerung des Beweises von Satz 2.4.4. Fur einemBeweis verweisen wir auf [2, Satz 3.6.2].

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Satz 2.4.5 Sei Char(K) = p > 0 und f ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom.Wahle r maximal, sodass f(x) = g(xp

r

) mit g(x) ∈ K[x]. Dann ist g ein irre-duzibles, separables Polynom. Insbesondere ist f genau dann inseparabel, wennr > 0 ist.

Beispiel 2.4.6 Sei f(x) = xp − t ∈ K[x] wie in Beispiel 2.4.3.(a). Dann istf(x) = g(xp) mit g(x) = x − t. Die Inseparabilitat von f folgt daher auch ausSatz 2.4.5. Wir bemerken, dass f ′ = 0, also ggT(f, f ′) = f . Der Beweis von Satz2.4.5 funktioniert hier also in der Tat nicht.

2.5 Die Kreisteilungskorper

Als Beispiele von Galois-Erweiterungen von Q betrachten wir in diesem Ab-schnitt die Kreisteilungskorper, den wir jetzt definieren.

Sei µn ⊂ C× die Untergruppe der nten Einheitswurzeln. Dies ist eine zy-klische Gruppe mit Erzeuger ζn := cos(2π/n) + i sin(2π/n). Die Ordnung vonζin ∈ µn ist genau dann n, wenn ggT(i, n) = 1 ist. Die Elemente von µn derOrdnung n sind die primitiven Einheitswurzeln. Wir schreiben

ϕ(n) := |(Z/nZ)∗| = |{0 < i < n | ggT(i, n) = 1}|

fur die Anzahl der primitiven nten Einheitswurzel. Die Funktion ϕ heißt eu-lersche ϕ-Funktion. Wir schreiben n =

∏i paii mit pi paarweise verschiedene

Primzahlen. Mit Hilfe des chinesischen Restsatzes (Abschnitt 3.3) zeigt man

ϕ(n) =∏i

paii (pi − 1).

Die Korper Kn := Q(ζn) heißen Kreisteilungskorper. Wir bestimmen dasMinimalpolynom von ζn uber Q. Dazu definieren wir das nte Kreisteilungspo-lynom als

Φn(x) :=∏

i∈(Z/nZ)∗(x− ζin).

Wir werden zeigen, dass Φn = minQ(ζn) ist. Zunachst ist Φn(x) ein Polynommit Koeffizienten in C. Das folgende Lemma zeigt, dass Φn(x) ∈ Z[x] ist.

Lemma 2.5.1 (a) Es gilt: xn − 1 =∏d|n Φd.

(b) Fur alle n ≥ 1, ist Φn(x) ein normiertes Polynom mit ganzzahligen Koef-fizienten.

Beweis: Wir bemerken zuerst, dass

xn − 1 =

n−1∏i=0

(x− ζin) ∈ C[x].

Falls d | n, ist jede dte Einheitswurzel auch ein nte Einheitswurzel. Insbesondere

ist ζd = ζn/dn . Teil (a) folgt hieraus.

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Wegen (a) kann man Φn rekursiv berechnen, indem man xn − 1 durch alleΦd mit d | n und d < n teilt. Die Polynome xn − 1 und Φ1(x) = x − 1 sindnormiert und besitzen ganzzahlige Koeffizienten. Division mit Rest in Z[x] im-pliziert daher, dass (xn − 1)/(x− 1) auch normiert ist und ganze Koeffizientenbesitzt. Mit Induktion folgt, dass alle Φn diese Eigenschaften besitzen. 2

Beispiel 2.5.2 (a) Sei p eine Primzahl. Lemma 2.5.1.(a) impliziert, dass

Φp(x) =xp − 1

x− 1= xp−1 + xp−2 + · · ·+ 1.

Wir zeigen, dass Φp irreduzibel ist. Dazu definieren wir f(x) := Φp(x+1).Wir berechnen, dass

f(x) =(x+ 1)p − 1

x=

p∑i=1

(p

i

)xi−1.

Aus dem Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) folgt mit Lemma 1.3.4.(a),dass f , und also auch Φp, irreduzibel ist.

(b) Fur n ≤ 10 zusammengesetzt finden wir mit dem rekursiven Verfahrenaus dem Beweis von Lemma 2.5.1:

n Φn4 x2 + 16 x2 − x+ 18 x4 + 19 x6 + x3 + 110 x4 − x3 + x2 − x+ 1

Satz 2.5.3 Das Kreisteilungspolynom Φn ist das Minimalpolynom von ζn uberQ.

Beweis: Der Beweis geht zuruck auf Dedekind. Sei f = minQ(ζn). Wirwissen, dass Φn(ζn) = 0 und Φn(x) ∈ Q[x]. Also ist f ein Teiler von Φn. Wirmussen zeigen, dass f = Φn ist. Dazu reicht es zu zeigen, dass f(ζin) = 0 furalle i mit ggT(i, n) = 1. Jedes solches i lasst sich als Produkt von Primzahlenschreiben. Daher reicht es, dies fur Primzahlen p mit ggT(p, n) = 1 zu zeigen.

Wir schreiben Φn = f ·g mit g ∈ Z[x]. Die Polynome Φn und f sind normiert,also ist auch g normiert.

Sei p eine Primzahl teilerfremd zu n. Wir nehmen an, dass f(ζpn) 6= 0 ist.Dann ist g(ζpn) = 0. Es folgt, dass ζn eine Nullstelle von g(xp) ist, also ist f(x)ein Teiler von g(xp).

Wir schreiben Φn, f , g fur die Reduktion von Φn, f, g modulo p. Alle drei Po-lynome sind normiert, also sind Φn, f , g nicht das Nullpolynom. Lemma 1.3.4.(b)impliziert, dass g(xp) ≡ g(x)p (mod p). Da f(x) ein Teiler von g(xp) ist, folgt

f(x) | g(xp) ≡ [g(x)]p (mod p).

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Also ist f2 ein Teiler von Φn und Φn besitzt doppelte Nullstellen. Da p - nbesitzt (xn − 1) ∈ Fp[x] keine mehrfache Nullstellen (Lemma 1.2.7). Dies lieferteinen Widerspruch. Wir schließen, dass f(ζpn) = 0. Hieraus folgt, dass Φn = f =minQ(ζn). 2

Satz 2.5.4 Die Korpererweiterung Q(ζn)/Q ist galoisch. Die Galois-Gruppe ist

Gal(Q(ζn)/Q) ' (Z/nZ)∗.

Beweis: Der Kreisteilungskorper Q(ζn) ist der Zerfallungskorper des sepa-rablen Polynom Φn(x) uber Q. Korollar 2.4.2 zeigt also, dass die ErweiterungQ(ζn)/Q galoisch ist (Definition 2.3.5).

Ist ggT(i, n) = 1, dann definiert

ϕi : Q(ζn)→ Q(ζn), ζn 7→ ζin

ein Q-Automorphismus von Q(ζn). Die Abbildung

Φ : Gal(Q(ζn)/Q)→ (Z/nZ)∗, ϕi 7→ i

ist offensichtlich ein Gruppenisomorphismus. 2

2.6 Charakterisierung von Galois-Erweiterungen

In diesem Abschnitt charakterisieren wir Galois-Erweiterungen (Theorem 2.6.4).Dies ist ein zentrales Ergebnis der Galois-Theorie und ist vieleicht sogar wich-tiger als das Ergebnis aus dem nachsten Abschnitt, das Hauptsatz der Galois-Theorie heißt (Theorem 2.7.1).

Wir endlichen Korpererweiterungen L/K die Gruppe AutK(L) zugeordnet.Theorem 2.6.4 sagt unter Andere, dass man diese Konstruktion auch umdre-hen kann. Hierzu ordnen wir jede endliche Gruppe von Automorphismen eineKorpererweiterung zu.

Definition 2.6.1 Sei L ein Korper und G ⊂ Aut(L) eine endliche Gruppe vonAutomorphismen. Der Fixkorper von G ist definiert als

K := LG = {x ∈ L | ϕ(x) = x fur alle ϕ ∈ G}.

Man uberpruft leicht, dass K := LG ein Teilkorper von L mit G ⊂ AutK(L)ist. Das nachste Ergebnis (Satz 2.6.3) sagt, dass die Erweiterung L/K galoischist. Wir beweisen zuerst ein Hilfsergebnis, dass das Minimalpolynom minK(α)fur α ∈ L explizit berechnet.

Lemma 2.6.2 SeiG < Aut(L) eine endliche Gruppe undK := LG der Fixkorper.

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(a) Sei α ∈ L. Wir schreiben G(α) = {α = α1, . . . , αm} fur die Bahn von αunter der Gruppenwirkung von G. Dann ist α algebraisch uber K und

minK(α) =∏i

(x− αi).

Insbesondere ist [K(α) : K] ein Teiler von |G|.

(b) Die Erweiterung L/K ist separabel.

Beweis: Wir schreiben

g :=

m∏i=1

(x− αi) =

m∑i=0

aixi ∈ L[x].

Fur ϕ ∈ G schreiben wir g :=∑i ϕ(ai)x

i ∈ L[x] wie in (5). Offensichtlichgilt g =

∏i(x − ϕ(αi)). Der Automorphismus ϕ permutiert die αi, also gilt

g = g. Wir schließen, dass die Koeffizienten von g im Fixkorper K sind, d.h.g(x) ∈ K[x].

Sei f = minK(α). Das Polynom g ∈ K[x] besitzt α als Nullstelle, also giltf | g. Sei αi eine beliebige Nullstelle von g. Per Definition existiert ein Elementϕ ∈ G mit ϕ(α) = αi. Satz 2.3.2 zeigt daher, dass αi auch eine Nullstelle vonf ist. Hieraus folgt, dass f = g ist. Der Bahn–Stabilizatorsatz ([3, Satz 2.1.9])impliziert, dass m = |G(α)| ein Teiler von |G| ist. Aussage (b) folgt.

Aussage (a) impliziert, dass das Minimalpolynoms jedes Elements α ∈ Lseparabel ist. Dies zeigt Aussage (b). 2

Satz 2.6.3 Sei L ein Korper, G ⊂ Aut(L) eine endliche Gruppe von Automor-phismen und K = LG der Fixkorper.

(a) Der Korper L ist der Zerfallungskorper eines separablen Polynoms g(x) ∈K[x].

(b) Die Erweiterung L/K ist galoisch mit Galois-Gruppe G.

Beweis: Wir haben schon gesehen, dass G < AutK(L) ist. Wir mussendaher zeigen, dass |G| = |AutK(L)| = [L : K].

Behauptung: Es gilt [L : K] ≤ |G|.

Lemma 2.6.2 sagt, dass jedes Element α ∈ L algebraisch uber K ist. Also istauch die Erweiterung L/K algebraisch. Der Korper L ist also die Vereinigungaller Korper K(α) mit α ∈ L. Angenommen, wir haben [L : K] > |G|. Dannexistiert eine endliche Zwischenerweiterung L′/K mit [L′ : K] > |G|.

Wir wahlen beliebige Elemente α1, . . . , αn ∈ L mit n > m := |G|. Wirwerden zeigen, dass die αi linear abhangig uber K sind. Die Behauptung folgt

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hieraus. Sei G = {ϕ1 = 1, . . . , ϕm}. Wir betrachten das folgende lineare Glei-chungssystem uber L:

ϕ1(α1)X1 + · · ·+ ϕ1(αn)Xn = 0

......

ϕm(α1)X1 + · · ·+ ϕm(αn)Xn = 0.

(8)

Die Annahme n > m impliziert, dass diese Gleichungssystem eine nicht-trivialeLosung in L besitzt. Wir wahlen eine nicht-triviale Losung (c1, . . . , cn) ∈ Ln

mit so wenig wie moglich Koeffizienten ungleich Null. Nach Umnummerierungdurfen wir annehmen, dass c1 6= 0 ist. Indem wir alle ci mit c−11 multiplizieren,durfen wir annehmen, dass c1 = 1 ist, also insbesondere, dass c1 ∈ K ist.

Falls alle ci ∈ K sind, liefert die erste Gleichung von (8) die erwunste lineareRelation

c1α1 + · · ·+ cnαn = 0.

(Hier haben wir benutzt, dass ϕ1 = 1 ist.)Wir nehmen also an, dass ci 6= K fur ein 1 < i ≤ n. Dann existiert ein

j 6= 1, sodass ϕj(ci) 6= ci. Bemerke, dass {ϕjϕi, . . . , ϕjϕn} eine Permutati-on von {ϕ1 = 1, . . . , ϕm} ist. Anwendung von ϕj auf den Koeffizienten desGleichungssystems (8) liefert also das gleiche Gleichungssystem. Wir schließen,dass (ϕj(c1) = c1, . . . , ϕj(cn)) auch eine Losung von (8) ist. Hieraus folgt, dass(ϕj(c1) − c1 = 0, ϕj(c2) − c2 . . . , ϕj(cn) − cn) ebenfalls eine Losung des Glei-chungssystem (8) ist. Diese Losung ist nicht die Nullvektor, da ϕj(ci)− ci 6= 0.Die neue Losung besitzt aber mehr Eintrage gleich Null als die urspruchlicheLosung, da zusatzlich der erste Koeffizient verschwindet. Dies widerspicht derWahl der Losung (ci). Wir schließen, dass die αi linear anhangig uber K sind.Die Behauptung folgt.

Die Behauptung impliziert, dass L/K endlich ist. Wahle Erzeuger β1, . . . , βsvon L/K. Wir definieren gi = minK(βi) und g = kgV(g1, . . . , gs). Dann ist Lder Zerfallungskorper von g ∈ K[x]. In Lemma 2.6.2 haben wir gezeigt, dassdie gi separabel sind. Da die gi ∈ K[x] als Minimalpolynome auch irreduzibelsind, gilt fur alle i, j, dass gi = gj oder ggT(gi, gj) = 1. Es folgt, dass g auchseparabel ist. Dies zeigt (a).

Da G < AutK(L) folgt aus Satz 2.3.4.(a), dass

|G| ≤ |AutK(L)| ≤ [L : K].

Die Behauptung impliziert also, dass |G| = |AutK(L)| = [L : K]. Dies zeigt (b).2

Wir kommen nun zum Hauptergebnis des Abschnittes.

Theorem 2.6.4 Sei L/K eine Korpererweiterung. Die folgende Aussagen sindaquivalent:

(a) Der Korper L ist der Zerfallungskorpers eines separablen Polynoms.

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(b) Es existiert eine endliche Gruppe G <⊂ Aut(L) mit K = LG.

(c) Die Erweiterung L/K ist galoisch.

Beweis: Die Aussage “(a) ⇒ (c)” haben wir in Korollar 2.4.2 gezeigt. DieAussage “(b) ⇒ (a)” ist Satz 2.6.3.

Wir zeigen “(c)⇒ (b)”. Sei L/K eine Galois-Erweiterung mit Galois-GruppeG. Wir definieren M = LG. Per Definition ist G = AutK(L), also ist K ⊂ M .Satz 2.2.3.(b), dass L/M ebenfalls eine Galois-Erweiterung mit Galois-GruppeG ist. Also ist [L : K] = [L : M ] und K = M . 2

2.7 Der Hauptsatz der Galois-Theorie

Sei L/K eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G = Gal(L/K). Sei H < Geine Untergruppe und M := LH der Fixkorper von H. Nach Satz 2.6.3 istdie Erweiterung L/M wieder eine Galois-Erweiterung, mit Galois-Gruppe H =Gal(L/M). Nach Konstruktion gilt K ⊂M ⊂ L, d.h. M ist ein Zwischenkorpervon L/K. Wir erhalten somit eine Abbildung

H < G 7→ M := LH

von der Menge aller Untergruppen von G auf die Menge aller Zwischenkorpervon L/K. Der Hauptsatz der Galois-Theorie sagt, dass diese Abbildung eineBijektion ist.

Der Hauptsatz ermoglicht uns, die Struktur der Korpererweiterung L/Kanhand der Struktur ihrer Galois-Gruppe G zu studieren. Zum Studium vonKorpererweiterungen kann man also auch Methoden der Gruppentheorie be-nutzen.

Theorem 2.7.1 (Hauptsatz der Galois-Theorie) Sei L/K eine Galois-Erweiter-ung mit Galois-Gruppe G := Gal(L/K). Wir bezeichnen mit

G := {H ⊂ G }

die Menge aller Untergruppen von G und mit

F := {M | K ⊂M ⊂ L }

die Menge aller Zwischenkorper von L/K.

(a) Die AbbildungG → F , H 7→ LH ,

die einer Untergruppe H < G den Fixkorper LH zuordnet, ist bijektiv.Die Umkehrabbildung ist

F → G, M 7→ AutM (L) < G.

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(b) Die Bijektionen aus (a) sind inklusionsumkehrend, d.h. fur H1, H2 ∈ Ggilt:

H1 < H2 ⇔ LH1 ⊃ LH2 ,

und fur M1,M2 ∈ F gilt:

M1 ⊂M2 ⇔ AutM1(L) > AutM2(L)

(c) Fur alle H ∈ G gilt

[L : LH ] = |H|, [LH : K] = [G : H].

(d) Sei H < G eine Untergruppe und M = LH . Die Korpererweiterung M/Kist genau dann galoisch, wenn H �G ein Normalteiler ist. In diesem Fallist Gal(M/K) = G/H.

Die folgende Abbildung stellt die Korrespondenz aus (a) da:

L

H

GM = LH

K = LG

Beweis: Ist H < G eine Untergruppe und M := LH der Fixkorper von H,so folgt aus Satz 2.6.3 die Gleichheit H = AutM (L). Dies ist aquivalent zu derAussage, dass die Hintereinanderausfuhrung der zwei Abbildungen in (a),

G → F → G, H 7→ AutLH (L),

die Identitat auf der Menge G ist.Sei andersherum M ein Zwischenkorper von L/K. Wir zeigen, dass L/M eine

Galois-Erweiterung mit Galois-GruppeH := AutM (L) ist. Die KorpererweiterungL/K ist galoisch. Nach Theorem 2.6.4 ist L also der Zerfallungskorpers uber Keines separablen Polynoms f(x) ∈ K[x]. Also ist L auch der Zerfallungskorperuber M von f aufgefasst als Polynom mit Koeffizienten in M . Theorem 2.6.4zeigt, dass L/M auch eine Galois-Erweiterung ist. Das Theorem zeigt ebenfalls,dass M = LH ist. Dies ist aquivalent zur Aussage, dass die Hintereinander-ausfuhrung

F → G → F , M 7→ LAut(L/M)

die Identitat auf F ist. Damit ist (a) bewiesen.Zum Beweis von (b) bemerken wir, dass die Implikationen

H1 < H2 ⇒ LH1 ⊃ LH2

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undM1 ⊂M2 ⇒ AutM1(L) > AutM2(L)

trivial sind. Aufgrund von (a) folgt aber aus der ersten Implikation die Umkehr-ung der zweiten und aus der zweiten Implikation die Umkehrung der ersten.Damit ist auch (b) bewiesen. Die Aussage (c) ist offensichtlich.

Wir beweisen (d). Sei H < G eine Untergruppe und M := LH der zugehorigeZwischenkorper. Satz 2.2.5 impliziert, dass jedes Element von AutK(M) die Ein-schrankung eines Elements aus G = AutK(L) ist. Sei ϕ ∈ G. Die Einschrankungϕ|M : M → L ist eine Einbettung von M in L. Zwei Automorphismen ϕ, ϕ defi-nieren die gleiche Einbettung von M in L, wenn ϕ ◦ ϕ−1 ∈ H = AutM (L). Dieszeigt, dass die Anzahl solcher Einbettungen [M : K] = [G : H] = |G|/|H| ist.

Wir nehmen an, dass M/K galoisch ist. Dann ist [M : K] = |AutK(M)|.Die obige Beobachtung zeigt, dass dies genau dann der Fall ist, wenn alle Ein-schrankungen ϕ : M → L Automorphismen sind, d.h. es gilt ϕ(M) = M . DieUntergruppe von G, die den Korper ϕ(M) fixiert, ist ϕHϕ−1 wie man durch ex-plizites nachrechnen leicht uberlegt. Da M/K galoisch ist, gilt also ϕHϕ−1 = Hfur alle ϕ ∈ G und H �G ist ein Normalteiler.

Ist umgekehrt H � G ein Normalteiler, dann ist der Faktorgruppe G/H <AutK(M) eine Untergruppe mit |G/H| = [G : H] = [M : K]. In diesem Fall istM/K daher eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G/H. 2

Wir schließen dieser Abschnitt mit einigen Beispiele ab.

Beispiel 2.7.2 Wir haben gesehen, dass L = Q( 3√

2, ζ3)/Q = K eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G ' S3 ist (Beispiel 2.3.6.(c)). Der Korper List der Zerfallungskorper von x3 − 2.

Das folgende Diagram listet die Untergruppen von S3 auf. Hierbei bedeuteteinen Strich, dass die obere Gruppe in der unteren enthalten ist.

{1}

〈(1 2)〉 〈(1 3)〉 〈(2 3)〉

〈(1 2 3)〉

G

Wir berechnen die zugehorige Teilkorper von L. Wir betrachten zuerst dieUntergruppe H3 := 〈(1 2)〉 und schreiben M3 = LH3 . Es gilt [M3 : K] = [G :H3] = 3. Das Element α3 = 3

√2ζ23 wird von H3 festgelassen (6). Ahnlich sieht

man, dass H2 := 〈(1 3)〉 (bzw. H1 := 〈(2 3)〉) das Element α2 = 3√

2ζ3 (bzw.α1 = 3

√2) festlasst. Die Korpererweiterungen Q(αi)/Q haben Grad 3 = [Mi :

K], also ist LHi = Q(αi).

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Sei nun N := 〈(1 2 3)〉. Die explizite Beschreibung der Wirkung in (6) zeigt,dass LN = Q(ζ3) ist. Die folgende Abbildung zeigt die den obigen Untergruppenentsprechenden Teilkorper.

L

Q(α3) Q(α2) Q(α1)〉

Q(ζ3)

K = Q

Die Untergruppen Hi sind konjugiert in S3 und daher keine Normalteiler.Dies entspricht die Tatsache, dass die Erweiterung Q(αi)/Q nicht galoisch ist(Beispiel 2.3.6.(b)). Die Teilkorper Q(αi) sind alle isomorph. Wir schreiben ϕ1

fur der Automorphismus von L, der die Permutation (1 2 3) entspricht. Die Ein-schrankung von ϕ1 zu Q(αi) induziert ein Isomorphismus ϕ1 : Q(αi)→ Q(αi+1),wobei die Indizes modulo 3 gerechnet werden. (Vergleichen Sie zum Beweis vonTheorem 2.7.1.(d).)

Die Untergruppe N �G ist ein Normalteiler. Es gilt AutQ(Q(ζ3)) ' G/N 'Z/2Z.

Beispiel 2.7.3 Sei ζ = ζ8 eine primitive 8-te Einheitswurzel und L = Q(ζ8).Wir haben gesehen, dass L/Q eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G :=Gal(Q(ζ8))/Q) ' (Z/8Z)∗ = {1, 3, 5, 7} ist (Satz 2.5.4). Diese Gruppe enthaltkein Ellement der Ordnung 4, also ist Gal(Q(ζ8))/Q) ' Z/2Z × Z/2Z. Wirberechnen die Fixkorper der 3 Untergruppen von der Ordnung 2.

Sei H7 = 〈7〉 < (Z/8Z)∗. Der zu 7 gehorige Q-Automorphismus erfulltϕ7(ζ8) = ζ78 (siehe den Beweis von Satz 2.5.4). Die Bahn von ζ8 unter H7

ist also {ζ8, ζ−18 }. Also ist ζ8 + ζ−18 =√

2 ein Element von LH7 . Da [Q(√

2) :Q] = [G : H1], ist LH7 = Q(

√2).

Sei H3 = 〈3〉 ⊂ (Z/8Z)∗ und sei ϕ3(ζ8) = ζ38 der zu 3 gehorige Automorphis-mus von Q(ζ8). Wie oben uberpruft man, dass ζ8+ζ38 = i

√2 von ϕ3 festgelassen

wird. Wir schließenLH3 = Q(i

√2).

Sei H5 = 〈5〉 ⊂ (Z/8Z)∗. Das Element ζ8 + ζ58 wird von ϕ5 festgelassen. Esgilt ζ8 +ζ58 = ζ8−ζ8 = 0, also ist dies kein Erzeuger von LH5 uber Q. Fur ζ28 = igilt, dass ϕ5(ζ28 ) = ζ108 = ζ28 , also ist

LH3 = Q(i).

Die Galois-Gruppe (Z/8Z)∗ ist abelsch, also ist jede Untergruppe einen Nor-malteiler. Dies impliziert, dass die Erweiterungen LHi/Q auch galoisch mit

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Galois-Gruppe G/Hi ' Z/2Z sind. Beispielsweise ist G/H7 erzeugt von derLinksnebenklasse von ϕ3 und es gilt ϕ3(

√2) = ϕ3(ζ8 + ζ−18 ) = ζ38 + ζ58 = −

√2.

Beispiel 2.7.4 Sei α =√

2 +√

2 ∈ R und L = Q(α). Wir behaupten, dassL/Q eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G ' Z/4Z ist. Wir berechnenzuerst das Minimalpolynom minQ(α). Wir berechnen:

α2 = 2 +√

2, α4 = 6 + 4√

2.

Der Ansatz a + bα2 + cα4 = 0 liefert das Polynom f(x) := 2 − 4x2 + x4 mitf(α) = 0. Das Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) zeigt, dass f irreduzibelist.

Wir berechnen die Nullstellen von f . Die Mitternachtsformel liefert

x2 = 2±√

2.

Die Nullstellen der Gleichung f = 0 sind daher

±√

2±√

2.

Wir bemerken, dass dies reelle Zahlen sind, da 2 >√

2 ist.Wir behaupten, dass L = Q(α) der Zerfallungskorper von f ist. Es gilt√

2 +√

2 ·√

2−√

2 =√

2 = α2 − 2 ∈ L.

Also gilt ist auch

β :=

√2−√

2 =

√2√

2 +√

2∈ L. (9)

Dies zeigt, dass L der Zerfallungskorper von f ∈ Q[x] ist. Es folgt, dass L/Qgaloisch ist.

Die Galois-Gruppe G = AutQ(L) besitzt Ordnung 4. Also ist G entwederzyklisch oder isomorph zur Kleinsche Vierergruppe ([3, Kor. 1.8.8]). Es existiertein Q-Automorphismus ϕ ∈ AutQ(L) mit ϕ(α) = β. Offensichtlich gilt ϕ(α2) =β2 = 2−

√2, also ϕ(

√2) = −

√2. Gleichung (9) impliziert, dass

ϕ(α)ϕ(β) = ϕ(√

2) = −√

2 = −ϕ(α)ϕ(β).

Hieraus folgt, dass ϕ2α = ϕ(β) = −α. Wir schließen, dass ϕ Ordnung 4 besitzt.Dies zeigt G = 〈ϕ〉 ' Z/4Z.

Die Gruppe G = 〈ϕ〉 ' Z/4Z besitzt nur eine Untergruppe H der Ordnung2, namlich H = 〈ϕ2〉. Die obige Berechnung zeigt, dass

√2 ∈ L invariant unter

ϕ2 ist. Wir schließen, dass LH = Q(√

2) ist.

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2.8 Die Galois-Gruppe eines Polynoms

Sei f(x) ∈ K[x] ein separables Polynom und L/K der Zerfallungskorper vonf . Theorem 2.6.4 sagt, dass L/K galoisch ist. Wir schreiben G(f) = AutK(L)und nennen diese Gruppe auch die Galois-Gruppe von f . In L besitzt f genaun verschiedene Nullstellen α1, . . . , αn. Jedes Element ϕ ∈ G(f) permutiert dieNullstellen αi von f (Satz 2.3.2). Ist f = g ·h reduzibel uber K, dann permutiertG(f) auch die Nullstellen von g (bzw. h). Der folgende Satz ist eine genaueVersion dieser Beobachtung. Wir erinnern uns, dass die Wirkung einer GruppeG auf einer Menge X transitiv ist, wenn fur jedes α, β ∈ X ein g ∈ G mitg · α = β existiert. (Alternativ: X ist eine Bahn.)

Satz 2.8.1 Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom von Grad n.

(a) Dann ist G(f) eine Untergruppe von Sn. Insbesondere ist |G(f)| ≤ n!.

(b) Ist f irreduzibel uber K, dann is G(f) eine transitive Untergruppe vonSn.

Beweis: Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom und L der Zerfallungskorper.Wir schreiben α1, . . . , αn ∈ L fur die Nullstellen von f . Wir haben gesehen,dass ϕ ∈ G(f) eine Permutation σ(ϕ) ∈ S({α1, . . . , αn}) ' Sn der Nullstellendefiniert. Die αi erzeugen L als Erweiterung von K, also existiert fur jede Per-mutation σ ∈ S({α1, . . . , αn}) hochstens einen K-Automorphismus von L. DerGruppenhomomorphismus

ρ : AutK(L) ↪→ Sn, ϕ 7→ σ(ϕ)

ist also injektiv. Dies zeigt (a).Wir nehmen an, dass f irreduzibel ist. Seien α, β ∈ L Nullstellen von f . Der

Beweis von Satz 2.3.4 zeigt die Existenz eines K-Automorphismus ϕ : L → Lmit ϕ(α) = β. Also wirkt G(f) transitiv auf die Nullstellen von f . 2

Beispiel 2.8.2 Wir betrachten das Polynom f(x) = x4 + 4 ∈ Q[x] aus Beispiel2.2.4.(b). Das Polynom ist separabel aber nicht irreduzibel uber Q. Die Null-stellen von f sind ±1± i und der Zerfallungskorper ist Q(i). Die Galois-Gruppewird erzeigt durch ϕ : i 7→ −i. Nach geeignete Nummerierung der Nullstellenentspricht dies die Permutation (1 2)(3 4) < S2 × S2.

Ist f ∈ Q[x], dann gibt Satz 2.8.1 eine erste Einschrankung auf G(f). Eineweitere Unterscheidung liefert die Diskriminante, die wir jetzt einfuhren. ImRest des Abschnittes wenden wir diese Ideen an, um die Galois-Gruppe G(f)falls Grad(f) ∈ {2, 3} ist, zu bestimmen. Ist n = Grad(f) > 3, enthalt dieGruppe Sn viele Untergruppen und wird es dementsprechend schwieriger dieGalois-Gruppe zu bestimmen.

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Definition 2.8.3 Sei f(x) ∈ K[x] ein Polynom von Grad n und seien α1, . . . , αndie Nullstellen im Zerfallungskorper. Die Diskriminante von f ist definiert als

∆(f) =∏i<j

(αi − αj)2.

Die Diskriminante ∆(f) ist genau dann ungleich Null, wenn seine Nullstellenαi von f paarweise verschieden sind, also wenn f separabel ist. Die Galois-Gruppe G(f) = AutK(L) lasst die Diskriminante offensichtlich invariant, alsoist ∆ ∈ K = LG(f).

Wir definierenδ =

∏i<j

(αi − αj) ∈ L.

Es gilt also ∆ = δ2. Wenden wir eine Permutation σ ∈ Sn auf den Nullstellenαi von f an, dann gilt

σ(δ) :=∏i<j

(ασ(i) − ασ(j)) = sgn(σ)δ.

Dies folgt direkt aus der Definition des Signums ([3, Def. 1.5.7]). Eine Permu-tation σ ∈ Sn lasst δ also genau dann invariant, wenn σ ∈ An gerade ist.Insbesondere ist δ genau dann in K = LG(f), wenn G(f) < An ist. Dies zeigtfolgender Satz.

Satz 2.8.4 Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom von Grad n. Die Galois-Gruppe G(f) ist genau dann eine Untergruppe von An, wenn die Diskriminante∆(f) ein Quadrat in K ist.

Sei L der Zerfallungskorper von f . Ist G(f) keine Untergruppe von An, danndefiniert K(δ)/K eine Zwischenerweiterung von L/K mit K ( K(δ). Wir habengesehen, dass δ2 = ∆ ∈ K, also ist [K(δ) : K] = 2.

Beispiel 2.8.5 Ein Polynom f(x) = x4 + ax2 + b besitzt Discriminante

∆(f) = 256b3 + 16a4b− 128a2b2.

In den unterstehenden Beispiele kennen wir die Nullstelle explizit, also da kannman die Diskriminante auch direkt mit Hilfe der Nullstellen benitzen. Alternativkann man ein Computeralgebrasystem wie sage oder Maple benutzen.

(a) Das Polynom f := minQ(ζ8) = x4+1 besitzt Galois-Gruppe Z/2Z×Z/2Z(Beispiel 2.7.3). Man berechnet, dass

∆(f) = (16)2.

Also ist G(f) < A4. In der Tat ist G(f) als Untergruppe von S4 gegeben durch{1, (1 2)(3 4), (1 3)(2 4), (1 4)(2 3)}, was aus gerade Permutationen besteht. Wirbemerke, dass G(f) transitiv auf den Nullstellen wirkt. Dies bestatigt Satz 2.8.1.

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(b) Das Polynom f(x) = minQ(√

2 +√

2) = x4 − 4x2 + 2 besitzt Galois-Gruppe G(f) ' Z/4Z (Beispiel 2.7.4). Die Diskriminante ist ∆(f) = 2048 =211, was kein Quadrat in Q ist. Nach geeignete Nummerierung der Nullstellen,entspricht ein Erzeuger von G(f) die Permutation (1 2 3 4), was eine ungeradePermutation ist.

Sei L der Zerfallungskorper von f . Sei M der Zwischenkorper von L/Q mit[M : Q] = 2. In Beipiel 2.7.4 haben wir gesehen, dass M = Q(

√2). Dies ist also

in der Tat der Erweiterung von Q gegeben durch Adjunktion von δ mit δ2 = ∆.

Satz 2.8.4 ist hilfreich bei der Bestimmung der Galois-Gruppe eines Poly-noms f , da man die Diskriminante in Termen der Koeffizienten von f ausdruckenkann. Hierzu ist es also nicht notig die Nullstellen explizit auszurechnen. Wirerlautern dies fur Polynome von Grad 2 und 3.Polynome von Grad 2 Sei K ein Korper der Charakteristik 6= 2 und f(x) =x2 + px + q ∈ K[x] ein Polynom von Grad 2. Wir schreiben α1, α2 fur dieNullstellen von f . Aus der Mitternachtsformel folgt, dass die Diskriminante∆ = p2−4q ist. Die Nullstellen αi = −p/2±

√∆/2 sind genau dann in K, wenn

∆ ein Quadrat in K ist.Ist die Diskriminate ∆ ein Quadrat inK, dann zerfallt f uberK in Linearfak-

toren und G(f) = {1}. Ist ∆ kein Quadrat in K, dann ist der ZerfallungskorperL von f eine quadratische Erweiterung von K und G(f) = S2 ' Z/2Z.

Polynome von Grad 3 Wir betrachten ein separables Polynom f(x) = x3 +ax2 + bx + c ∈ K[x]. Einfachheitshalber nehmen wir an, dass Char(K) 6= 2, 3ist. Sei L der Zerfallungskorper von f und α1, α2, α3 ∈ L die Nullstellen. DieGalois-Gruppe G(f) ist eine Untergruppe von S3. Man kann zeigen, dass

∆ = a2b2 − 4b3 − 4a3c− 27c2 + 18abc.

(Siehe beispielsweise [5, Abschnitt 14.6].) Wir unterschreiden folgende Falle.

Fall I: Ist f ∈ K[x] reduzibel, dann besitzt f in K eine Nullstelle α. Die Galois-Gruppe ist trivial, wenn f uber K in Linearfaktoren zerfallt. Ansonsten zerfalltf uber K in von Grad 2. In f = (x − α)g mit Grad(g) = 2. In diesem Fall istG(f) = G(g) = S2 ' Z/2Z.

Fall II: Wir nehmen an, dass f ∈ K[x] irreduzibel ist. Dies impliziert, dass[K(α1) : K] = Grad(f) = 3, also ist 3 | |G(f)|. Satz 2.8.1 impliziert, dass G(f)entweder A3 ' Z/3Z oder S3 ist.

Fall IIa: G(f) ' A3. Dies passiert genau dann, wenn die Diskriminante ∆(f)in K ein Quadrat ist (Satz 2.8.4), d.h. δ ∈ K. In diesem Fall ist L = K(α1).

Fall IIb: G(f) ' S3. In diesem Fall ist ∆(f) kein Quadrat in K, d.h. δ /∈ K.Der Korper K(δ) ist ein Teilkorper von L mit [K(δ) : K] = 2. Wir bemerken,dass 6 | [K(δ, α1) : K]. Aus [L : K] = |S3| = 6 folgt also L = K(δ, α1).

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Beispiel 2.8.6 (a) Wir betrachten einige Beispiele. Sei f(x) = x3 − 2 ∈ Q[x](Beispiel 2.3.6.(c)). Es gilt ∆ = −3 · (3 · 2)2, was kein Quadrat in Q ist. DerKorper Q(δ) = Q(

√−3) = Q(ζ3) besitzt Grad 2 uber K = Q und ist der

Fixkorper von A3 (vergleichen Sie mit Beispiel 2.7.2).(b) Sei g(x) = x3 + x2 − 2x− 1 ∈ Q[x]. Mit der Methode von Beispiel 1.2.2

uberpruft man, dass f keine Nullstellen in Q besitzt, also irreduzibel ist. DieDiskriminante ist 49 = 72, also ist G(g) ' Z/3Z.

Wir konnen dies auch nachrechnen, sogar ohne die Nullstellen von g in Cexplizit zu bestimmen. Sei dazu α eine Nullstelle von g. Uber Q(α) gilt, dass

g(x) = (x− α)(x+ 2− α2)(x− 1 + α+ α2).

(Benutze Polynomdivision und der Mitternachtformel oder ein Computeralge-brasystem.) Also ist Q(α) ein Zerfallungskorper von g. Hieraus folgt auch, dass|G(f)| = 3 ist.

2.9 Der Satz vom primitiven Element

Als Erganzung zur Theorie dieses Kapitels beweisen wir ein technisches Ergeb-nis. Eine Erweiterung L/K heißt einfach, wenn ein Element α ∈ L mit L = K(α)existiert. Das Element α heißt primitives Element (Definition 1.1.1). Satz 2.9.1sagt, dass jede endliche separable Erweiterung einfach ist. Als Anwendung skiz-zieren wir ein Beweis der Fundamentalsatz der Algebra.

Satz 2.9.1 (vom primitiven Element) Ist L/K eine endliche und separableKorpererweiterung, so existiert ein primitives Element α ∈ L, d.h. L = K(α).

Beweis: Ist K ein endlicher Korper, ist L auch endlich und man kann fur αz.B. einen Erzeuger von L× als zyklischer Gruppe wahlen (Bemerken 1.3.8.(a)).Wir durfen also annehmen, dass der Korper K unendlich viele Elemente besitzt.

Da L/K endlich ist, konnen wir endlich viele Erzeuger ε1, . . . , εr von L uberK wahlen: Es gilt L = K(ε1, . . . , εr). Wir mussen zeigen, dass wir schon miteinem Erzeuger auskommen. Um dies zu zeigen, genugt es, den Fall r = 2 zubetrachten. Die Aussage des Satzes folgt dann mit Induktion.

Der Einfachheit halber schreiben wir α := ε1 und β := ε2. Nach Annahme istL = K(α, β)/K eine endliche separable Erweiterung. Seien f := minK(α) undg := minK(β) die Minimalpolynome von α und β. Sei M der Zerfallungskorpervon fg uber L. Wir schreiben

f =

n∏i=1

(x− αi), g =

m∏j=1

(x− βj),

mit αi, βj ∈ M . Wir durfen annehmen, dass α = α1 und β = β1. Die Sepa-rabilitat von L/K impliziert, dass f und g separabel sind, also sind die mElemente β = β1, . . . , βm paarweise verschieden.

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Der Korper K besitzt nach Annahme unendlich viele Elemente. Es existiertdaher ein c ∈ K mit

γ := α+ cβ 6= αi + cβj , fur i = 1, . . . , n, j = 2, . . . ,m. (10)

(Es sind nur die endlich vielen Elemente c = −(α− αi)/(β − βj) zu vermeiden.Hier benutzen wir die Separabilitat von g.)

Wir behaupten, dass L = K(γ) gilt. Dazu betrachten wir den Zwischen-korper F := K(γ) und das Polynom

h(x) := f(γ − cx) =

n∏i=1

(γ − (αi + cx)) ∈ F [x].

Nach Wahl von c und γ gilt

h(β) = f(γ − cβ) = f(α) = 0, h(βj) = f(γ − cβj) 6= 0, fur j > 1.

Es folgt:ggT(h, g) = x− β ∈ F [x].

Also β ∈ F . Dann ist aber auch α = γ− cβ ∈ F und L = K(α, β) = F = K(γ).Dies beweist den Satz. 2

Beispiel 2.9.2 (a) Sei L = Q( 3√

2, ζ3) der Zerfallungskorper von f(x) = x3−2 ∈Q[x] (Beispiel 2.2.4.(a)). Wir finden ein primitives Element von L uber Q mitder Methode des Beweises von Satz 2.9.1.

Sei α = 3√

2 und β = ζ3, also gilt minQ(α) = x3 − 2 =∏2i=0(x − ζi3α) und

minQ(β) = x2 +x+1 =∏2j=1(x−ζi3). Man uberpruft, dass c = 1 die Bedingung

(10) erfullt. Also ist γ = α+ β ein Erzeuger von L uber Q.Man kann auch direkt uberprufen, dass die Elemente

1, γ = α+ β, γ2, . . . , γ5

linear unabhangig uber Q sind. Hier aus folgt auch, dass [Q(γ) : Q] = [L : Q] =6, also, dass L = Q(γ) ist.

(b) Wir zeigen, dass ζ8 ein primitives Element von L := Q(√

2, i)/K := Qist. Zuerst bemerken wir, dass

ζ8 =

√2

2+

√2

2i

ist, also ζ8 ∈ L. Satz 2.5.4 impliziert, dass [Q(ζ8) : K] = ϕ(8) = 4. Außerdemgilt, dass [L : K] = [L : Q(i)][Q(i) : Q] ≤ 2 · 2 = 4. Wir schließen, dass[L : K] = [Q(ζ8) : K] = 4 und daher L = Q(ζ8).

Wir skizzieren ein Beweis der Fundamentalsatz der Algebra. Der Beweisbenutzt folgende zwei elementare Eigenschaften der komplexen Zahlen.

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Lemma 2.9.3 (a) Sei f ∈ R[x] ein Polynom ungeraden Grades. Dann besitztf eine reelle Nullstelle.

(b) Jedes quadratisches Polynom g ∈ C[x] besitzt eine Nullstelle in C.

Beweis: Aussage (a) folgt aus der Zwischenwertsatz. Um (b) zu zeigen,reicht es zu zeigen, dass jede komplexe Zahl eine Quadratwurzel in C besitzt.Dies folgt beispielsweise mit Polarkoordinaten. 2

Theorem 2.9.4 (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes nicht-konstantes Po-lynom f ∈ C[x] besitzt in C eine Nullstelle.

Beweisskizze: Wir bemerken zuerst, dass es reicht die Aussage fur f ∈ R[x]zu zeigen. Sei ¯ : C→ C, a+bi 7→ a−bi, a, b ∈ R die komplexe Konjugation. Seif =

∑j ajx

j ∈ C[x]. Wir schreiben f =∑j ajx

j . Dann ist h := f · f ∈ R[x]. DieExistenz einer komplexe Nullstelle von f folgt aus der Existenz einer komplexeNullstelle von h, da die Nullstellen von f die Konjugierten der Nullstellen vonf sind.

Sei L/R der Zerfallungskorper von f(x) ·(x2+1). Dann ist L/R eine endlicheErweiterung von R mit

R ⊂ C ⊂ L.

Wir mussen zeigen, dass L = C ist.Die Erweiterung L/R ist eine Galois-Erweiterung. Wir schreibenG = Gal(L/R)

und |G| = 2k ·m mit 2 - m. Wir benutzen ohne Beweis folgende Aussage derGruppentheorie. Diese folgen aus den Sylow-Satze ([2, Abschnitt 5.2]).

(a) Sei G eine Gruppe mit Kardinalitat |G| = pk ·m, wobei p eine Primzahlund p - m. Dann besitzt G eine Untergruppe Sp der Ordnung pk. (DieGruppe Sp heißt p-Sylow-Gruppe.)

(b) Sei S eine Gruppe der Ordnung pk mit k eine Primzahl. Dann besitzt Seine Untergruppe der Ordnung pk−i fur jedes 0 ≤ i ≤ k.

Sei S2 die 2-Sylow-Gruppe von G, d.h. S2 < G mit |S2| = 2k. Wir betrach-ten M := LS2 . Der Hauptsatz der Galois-Theorie (Theorem 2.7.1) impliziert,dass [M : R] = m ungerade ist. Der Satz von primitiven Element (Satz 2.9.1)impliziert die Existenz eines primitiven Elements γ ∈ M . Das Minimalpoly-nom minR(γ) ist ein reelles Polynom ungerader Grad,das irreduzibel ist. Lem-ma 2.9.3.(a) impliziert also, dass m = 1 ist. Wir schließen, dass G = S2 eine2-Gruppe ist.

Die Erweiterung L/C ist auch galoisch (Theorem 2.7.1). Wir schreiben H =Gal(L/C). Dies ist eine Untergruppe von G von Index 2, also ist |H| = 2k−1. Wirnehmen an, dass k > 1 ist. Aussage (b) impliziert die Existent einer UntergruppeH1 < H mit [H : H1] = 2. Dann ist LH1/C eine Erweiterung von Grad 2. Dieswiderspricht Lemma 2.9.3.(b). Wir schließen, dass k = 1 und daher L = C ist.

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Bemerkung 2.9.5 Es existieren viele verschiedene Beweisen der Fundamen-talsatz der Algebra, siehehttp://www-history.mcs.st-and.ac.uk/HistTopics/Fund theorem of algebra.html.Viele der fruhe Beweisen waren unvolstandig, da sie Aussagen benutzen, die zuder Zeit noch nicht beweisen wurde.

Es existiert ein Variante des obigen Beweis, das die Sylow-Satze nicht be-nutzt. Dieser Beweis geht auf Laplace (1795) zuruck. Die Lucke im Beweis war,dass Laplace die Existenz eines Zerfallungskorpers benutzt, was noch nicht be-kannt war. Wir skizzieren die Idee des Beweises, siehe [5, Thm. 14.35].

Wir betrachten ein reelles Polynom f ∈ R[x] vom Grad n = 2km mit mungerade. Der Beweis funktioniert mit Induktion nach k. Der Fall k = 0 folgtaus Lemma 2.9.3.(a). Wir nehen an, dass k ≥ 1 ist und schreiben α1, . . . , αnfur die Nullstellen von f im Zerfallungskorper L von f(x) · (x2 + 1). Fur a ∈ Rdefinieren wir

La(x) =∏

1≤i<j≤n

(x− (αi + αj + aαiαj).

Man zeigt indem man die Wirkung der Galois-Gruppe Gal(L/R) auf La betrach-tet, dass La ∈ R[x]. Der Grad von La ist n(n−1)/2 = 2k−1m′ mitm′ = (2km−1)ungerade. Mit Induktion folgt also, dass La fur jedes a ∈ C eine komplexe Null-stelle besitzt. Es gibt unendliche viele Moglichkeiten fur a und nur endlich vielefur i, j. Also existieren a 6= b und i < j, sodass

αi + αj + aαiαj , αi + αj + bαiαj

beide in C sind. Aber dann sind auch p = αi + αj ∈ C und q = αiαj ∈ C undαi, αj sind Nullstellen der quadratischen Gleichung x2−px+q ∈ C[x]. Der Satzfolgt nun aus Lemma 2.9.3.(b).

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3 Ringe, Teilbarkeit und Ideale

3.1 Einfuhrung: Faktorisieren in ZIn diesem Kapitel besprechen wir Faktorisierung in Ringen. Wir wiederholenkurz wie dies in Z funktioniert. Fur eine ausfuhrlichere Darstellung verweisenwir auf [4, Kap. 1] und [3, Abschnitt 1.3].

Eine zentrale Eigenschaft der ganze Zahlen ist Division mit Rest: Seien a, b ∈Z ganze Zahlen mit b 6= 0. Dann existieren eindeutige Zahlen q, r ∈ Z mit

a = qb+ r, 0 ≤ r < |b|. (11)

Insbesondere ist b genau dann ein Teiler von a, wenn r = 0 ist. Ringe mit einerDivision mit Rest heißen euklidische Ringen (Abschnitt 3.7).

Division mit Rest impliziert, dass jedes Ideal in Z ein Hauptideal, d.h. vonder Form dZ, ist ([3, Satz 3.2.10], siehe auch Satz 3.7.1). Anders gesagt: Zist ein Hauptidealring. Das folgende Lemma folgt hieraus. Man betrachtet, dassIdeal (a, b) < Z. Dies wird erzeugt von ggT(a, b). Insbesondere existieren ganzenZahlen r, s mit ggT(a, b) = ra+ sb.

Lemma 3.1.1 Sei p eine Primzahl und seien a, b ∈ Z ganze Zahlen. Teilt p dasProdukt ab, dann ist p ein Teiler von a oder b.

Theorem 3.1.2 (Fundamentalsatz der Arithmetik) Jede ganze Zahl a 6=0 kann als

a = c · p1 · · · pk (12)

gschrieben werden, wobei c = ±1 und die pi Primzahlen sind. Diese Ausdruckist eindeutig bis auf Reihenfolge.

Beweisskizze: Siehe [4, Theorem 1.2.4]. Es reicht positive Zahlen zu be-trachten. Die Existenz von (12) folgt mit Induktion aus der Definition von Prim-zahl. Die Eindeutigkeit der Darstellung folgt aus Lemma 3.1.1. 2

Im Polynomring R = K[x] mit K ein Korper gilt eine ahnliche Aussage:Jedes Polynom f 6= 0 besitzt eine Zerlegung

f = c · f1 · · · fk,

mit c ∈ K∗ eine Konstante und fi irreduzible und normierte Polynome. Dienormierte, irreduzible Polynome sind also das Analogon der Primzahlen. DerBeweis dieser Aussage beruht auf der Tatsache, dass Division mit Rest auchfur Polynome funktioniert: In (11) muß man der Betrag durch den Grad desPolynoms ersetzen (Beispiel 3.7.6).

Faktorielle Ringen sind Ringe in dem eine ahnliche Aussage gilt. Die genaueDefinition finden Sie in Abschnitt 3.5. Ein Beispiel einer nicht-faktorieller Ringfinden Sie in Beispiel 3.5.7.(b).

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3.2 Ringen und Ideale

In diesem Abschnitt behandeln wir einige wichtige Definitionen und Eigenschaf-ten von Ringen und Ideale. Hauptsachlich ist dies eine Wiederholung von [3,Kap. 3].

Definition 3.2.1 Ein Ring ist eine Menge R mit zwei Verknupfungen + (Ad-dition) und × (Multiplikation), welche die folgenden Eigenschaften besitzen:

(R1) (R,+) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element von (R,+) schrei-ben wir als 0.

(R2) Die Multiplikation ist assoziativ und besitzt ein neutrales Element 1.

(R3) Es gelten die Distributivgesetze:

(a+ b)c = ac+ bc, und c(a+ b) = ca+ cb,

fur alle a, b, c ∈ R.

Ein Ring heißt kommutativ, falls die Multiplikation kommutativ ist.Ein Integritatsring ist ein kommutativer Ring mit 0 6= 1, sodass aus a · b =

0 immer a = 0 oder b = 0 folgt. Ringe mit dieser Eigenschaft heißen auchnullteilerfrei.

Ein Element a ∈ R heißt Einheit, wenn a ein multiplikatives Inverses besitzt.Ist R 6= {0}, schreiben wir R∗ fur die Gruppe der Einheiten.

Beispiel 3.2.2 Sei R := C(R) der Ring der stetigen Funktionen auf R. Dannist R kein Integritatsring: Es existieren nicht-konstante Funktionen f, g : R→ Rmit disjunktem Support. Fur diese Funktionen gilt, dass f(x)g(x) = 0 fur allex ∈ R. Also sind diese Funktionen nicht-triviale Nulteiler.

Das folgende Lemma gibt eine wichtige Eigenschaft von Integritatsringen.Es folgt direkt aus der Definition.

Lemma 3.2.3 Sei R ein Integritatsring und a, b, c ∈ R mit a 6= 0, sodassab = ac. Dann gilt b = c.

Alle Ringen in diesem Kapitel sind kommutativ und erfullen 0 6= 1 falls nichtausdrucklich anders erwahnt wird. Aus 0 = 1 folgt sofort, dass R = {0} ist, alsoist die letzte Annahme keine sehr große Einschrankung.

Definition 3.2.4 Eine Abbildung ϕ : R → R′ zwischen Ringen heißt Ringho-momorphismus, falls fur alle a, b ∈ R gilt

• ϕ(a+ b) = ϕ(a) + ϕ(b),

• ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b),

• ϕ(1R) = 1R′ .

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Ein Ringhomomorphismus ϕ : R → R′ heißt Isomorphismus, falls ϕ zusatzlichbijektiv ist. In diesem Fall heißen R und R′ isomorph. Wir bezeichnen dies alsR ' R′.

Definition 3.2.5 Eine Teilmenge I eines Rings R heißt Ideal, falls

(I1) (I,+) < (R,+) eine Untergruppe ist,

(I2) Fur alle a ∈ I und r ∈ R gilt ra ∈ I.

Bemerkung 3.2.6 Sei I < R ein Ideal. Enthalt I eine Einheits, dann impliziert(I2), dass I = R ist. Insbesondere sind die einzige Ideale in einem Korper dasNullideal und der Korper selber.

Definition 3.2.7 Sei S = {a1, . . . , an} ⊂ R eine Menge von Elementen. DieMenge (a1, . . . , an) := {r1a1 + · · · + rnan | ri ∈ R} ist ein Ideal. Das Ideal(a1, . . . , an) heißt das von S erzeugte Ideal.

Ein Ideal I = (a) = aR = Ra, dass von einem Element erzeugt wird, heißtHauptideal. Ein Ring, in dem alle Ideale Hauptideale sind, heißt Hauptidealring.

Bemerkung 3.2.8 Wir bemerken, dass Inklusion von Idealen Teilbarkeit vonElementen verallgemeinert. Fur Hauptideale gilt namlich

(a) ⊂ (b) ⇔ b | a.

Der Kern eines Ringhomomorphismus ist ein Ideal. Die Umkehrung gilt auch:Jedes Ideal I < R ist der Kern der kanonischen Abbildung von R zu seinemFaktorring, den wir jetzt definieren.

Definition 3.2.9 Sei I < R ein Ideal. Der Faktorring R/I ist die Menge derLinksnebenklassen a+ I mit den Verknupfungen

(a+ I) + (b+ I) = (a+ b) + I,

(a+ I) · (b+ I) = a · b+ I.

Ublicherweise schreiben wir R = R/I und a = a + I ∈ R, wenn I aus derKontext klar ist.

In [3, Thm. 3.2.11.(a)] haben wir gezeigt, dass R in der Tat ein Ring ist. Diekanonische Abbildung

π : R→ R = R/I, a 7→ a+ I

ist ein surjektiver Ringhomomorphismus mit Kern I. Der folgende Satz gibteinige wichtige Eigenschaften des Faktorrings.

Satz 3.2.10 Sei I < R ein Ideal.

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(a) (1. Isomorphiesatz fur Ringen) Ist π : R → R′ ein surjektiver Ring-homomorphismus mit Kern I, so ist R′ ' R/I.

(b) (3. Isomorphiesatz fur Ringen) Die kanonische Abbilding definiert eineBijektion

π : {J < R mit I ⊂ J} → {J ′ < R/I}, J 7→ π(J)

und es giltR/J ' (R/I)/(J ′),

wobei J = π(J) ist.

Beweis: Teil (a) wurde in [3, Thm. 3.2.11.(c)] bewiesen.Die Umkehrabbildung zu der Abbildung aus der Aussage des Satzes ist

J ′ 7→ π−1(J).

Wir uberlassen es als Ubungsaufgaben zu uberprufen, dass π−1(J ′) ein Ideal,das I enthalt, ist ([1, Prop. 10.4.3]). 2

Beispiel 3.2.11 Wir geben einen Beispiel fur die Anwendung der 3. Isomor-phiesatz.

Sei Z[i] = {a + bi | a, b ∈ Z, i2 = −1} der Ring der ganzen GaußschenZahlen. Es gilt also Z[i] ' Z[x]/(x2 + 1), wobei der Isomorphismus i mit derLinksnebenklasse x+ (x2 + 1) ∈ Z[x]/(x2 + 1) identifiziert.

Sei p eine Primzahl. Wir betrachten I = (p) < Z[i]. Es gilt

Z[i]/(p) ' Z[x]/(p, x2 + 1) ' Fp[x]/(x2 + 1).

Hier haben wir zweimal den 3. Isomorphiesatz angewand.Wir betrachten nun der Fall p = 2. Dann gilt x2 + 1 = (x+ 1)2 ∈ F2[x]. Das

Elementα := x+ 1 + (x2 + 1) ∈ F2[x]/(x2 + 1)

ist ungleich Null. Wir schreiben J = (α) < F2[x]/(x2 + 1). Das entsprechendeIdeal J < Z[i] aus der Aussage der 3. Isomorphiesatz ist

(2, 1 + i) < Z[i].

Hier haben wir die oben erklarte Identifizierung i = x + (x2 + 1) benutzt. Ausder Identitat 2 = −2i(1 + i)2 folgt, dass 2 ∈ (1 + i) ist. Dies impliziert, dass(2, 1 + i) = (1 + i) < Z[i] ist.

3.3 Der chinesische Restsatz

Definition 3.3.1 Sei R ein Ring und I, J < R Ideale. Wir definieren

(a) I + J = {x+ y | x ∈ I, y ∈ J},

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(b) I · J = {∑ni=1 xiyi | xi ∈ I, yi ∈ J}.

Bemerkung 3.3.2 (a) Die Mengen I + J und I · J sind wieder Ideale von R.Das Ideal I + J ist das kleinste Ideal von R, das I und J enthalt.

(b) Die Menge I ∩ J ist ebenfalls ein ideal von R: Es ist das großte Idealvon R, das in I und in J enthalten ist. Wir haben die folgende Inklusionen vonIdeale

I � q

I · J ��

I ∩ J. �

� p I + J� �

R

J-

(c) Ist I = (a1, . . . , an) und J = (b1, . . . , bm), dann wird I · J von ai · bj mit1 ≤ i ≤ n und 1 ≤ j ≤ m erzeugt.

Die Menge {x · y | x ∈ I, y ∈ J ist im Allgemeinen kein Ideal. BetrachteBeispielsweise das Ideal I := (2, x) < Z[x]. Dann ist

I2 = I · I = (4, 2x, x2).

Dieses Ideal enthalt x2 + 4, das sich nicht als a · b mit a, b ∈ I schreiben lasst.

Definition 3.3.3 Zwei Ideale I, J < R heißen teilerfremd, wenn I + J = R.

Beispiel 3.3.4 Sei R = Z. Wir schreiben I = (a) und J = (b). Dann istI + J = (ggT(a, b)). Die Ideale I und J sind also genau dann teilerfremd, wenna und b es sind. Desweiteren gilt:

I ∩ J = (kgV(a, b)), I · J = (a · b).

In Bemerkung 3.7.3 diskutieren wir, wie dies allgemeiner funktioniert.

Satz 3.3.5 (Chinesischer Restsatz fur Ringen) Seien I, J < R teilerfremd.Es gilt:

(a) I · J = I ∩ J .

(b) Es existiert ein Ringisomorphismus

R/I · J ∼→ (R/I)× (R/J).

Falls R = Z und I = (n), J = (m) entspricht dies die aus der Zahlentheoriebekannte chinesischen Restsatz ([4, Thm. 2.7.1], vergleichen Sie auch zum Beweisvon [4, Satz 2.7.5]).

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Beweis: Wir nehmen an, dass I + J = R. Die Inklusion I · J ⊂ I ∩ J giltimmer. Da I + J = R, existieren x ∈ I, y ∈ J mit x+ y = 1. Fur z ∈ I ∩ J giltalso

z = 1 · z = (x+ y)z = xz + yz ∈ I · J.

Dies zeigt (a).Seien π1 : R → R/I und π2 : R → R/J die kanonische Abbildungen. Wir

definierenϕ : R→ (R/I)× (R/J), a 7→ (π1(a), π2(a)).

Dies ist offensichtlich ein Ringhomomorphismus. Teil (a) impliziert, dass ker(ϕ) =I ∩ J = I · J . Es reicht zu zeigen, dass ϕ surjektiv ist, (b) folgt dann aus der 1.Isomorphisatz (Satz 3.2.10.(a)).

Wahle x ∈ I, y ∈ J mit x+ y = 1 wie im Beweis von (a). Es gilt π1(x) = 0und π2(y) = 0, also π1(y) = π1(1 − x) = π1(1) − π1(x) = 1 − 0 = 1. Ebensofolgt, dass π2(x) = 1. Also

ϕ(x) = (1, 0), ϕ(y) = (0, 1).

Sei nun (π1(a), π2(b)) ∈ (R/I)× (R/J) beliebig. Wir definieren c = bx+ ay.Eine einfache Rechnung zeigt, dass ϕ(c) = (π1(a), π2(b)). Also ist ϕ surjektiv.Teil (b) folgt. 2

Beispiel 3.3.6 Sei R = Q[x] und I = (x− 1), J = (x+ 1). Die Ideale I und Jsind teilerfremd, da

1 = −1

2(x− 1) +

1

2(x+ 1) ∈ I + J.

Es gilt I · J = (x2 − 1). Satz 3.3.5 impliziert also, dass

Q[x]/(x2 − 1) ' (Q[x]/(x− 1))× (Q[x]/(x+ 1)) ' Q×Q.

Alternativ kann man sich dies auch uberlegen, indem man zeigt, dass

ϕ : Q[x]→ Q×Q, f 7→ (f(1), f(−1))

ein surjektiver Ringhomomorphismus mit Kern I = (x2 + 1) ist. Die Aussagefolgt nun aus der 1. Isomorphiesatz. Uberlegen Sie sich auch, dass dies dengleichen Isomorphismus Q[x]/(x2 − 1) ' Q×Q wie oben induziert.

3.4 Primideale und maximale Ideale

Definition 3.4.1 Sei I < R ein Ideal.

(a) I heißt Primideal, wenn I 6= R und fur alle a, b ∈ I gilt:

a · b ∈ I ⇒ a ∈ I oder b ∈ I.

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(b) I heißt maximales Ideal, wenn I 6= R und fur jedes Ideal J mit I ⊂ J ⊂ Rgilt, dass J = I oder J = R.

Satz 3.4.2 Sei I < R ein Ideal.

(a) I ist genau dann ein Primideal, wenn R/I ein Integritatsring ist.

(b) I ist genau dann maximal, wenn R/I ein Korper ist.

Beweis: Ist R/I = {0}, dann ist I = R. In diesem Fall stimmen die Aussa-gen, da der Nullring kein Integritatsring und daher auch kein Korper ist. Wirdurfen also annehmen, dass I 6= R ist.

(a) Ist a ∈ R, so schreiben wir a = a + I ∈ R/I. Die Bedingung a = 0 istaquivalent zu a ∈ I. Die Bedingung

ab = 0 ⇒ a = 0 oder b = 0

aus der Definition des Integritatsrings (Definition 3.2.1) ist daher aquivalent zu

ab ∈ I ⇒ a = 0 oder b = 0

aus Definition 3.4.1. Dies zeigt (a).Aussage (b) folgt aus der 3. Isomorphiesatz (Satz 3.2.10.(b)), da in einem

Korper K die einzige Ideale {0} und K sind. 2

Das folgende Korollar folgt direkt aus obigem Satz.

Korollar 3.4.3 Jedes maximales Ideal ist prim.

Beispiel 3.4.4 (a) Sei I = (x) < Q[x, y]. Dann ist I prim, aber nicht maximal,da Q[x, y]/(x) ' Q[y] ein Integritatsring, aber kein Korper ist. In der Tat ist Iin dem Ideal (x, y) echt enthalten.

(b) Beispiel 3.2.11 zeigt, dass (2) < Z[i] kein Primideal ist. Man kann diesauch direkt aus der Definition schließen, indem man bemerkt, dass (1 + i)2 =2i ∈ (2), aber 1 + i /∈ (2) ist.

Wir zeigen, dass (i + i) < Z[i] ein Primideal ist. Ahnlich wie im Beispiel3.2.11 gilt, dass

Z[i]/(1 + i) ' F2[x]/(1 + x, 1 + x2) = F2[x]/(1 + x) ' F2.

Das Ideal (i+ i) < Z[i] ist also sogar ein maximales Ideal.(c) Sei R = C([0, 1]) = {f : [0, 1] → R | f stetig } der Ring der stetigen

Funktionen auf [0, 1]. Fur α ∈ [0, 1] definieren wir Iα = {f ∈ R | f(α) = 0}.Man zeigt leicht, dass Iα der Kern des Ringhomomorphismus

ψα : R→ R, f 7→ f(α)

ist. Der 1. Isomorphiesatz zeigt, dass

R/Iα ' R

ist, also ist Iα maximal.

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3.5 Faktorielle Ringen

In diesem Abschnitt ist R stets ein Integritatsring.

Definition 3.5.1 Sei R ein Integritatsring und a, b, c ∈ R.

(a) Das Element b heißt Teiler von a, wenn ein c ∈ R mit a = b · c existiert.(Bezeichnung b | a.)

(b) Zwei Elemente a, b ∈ R heißen assoziiert, wenn (a) = (b). (Bezeichnunga ∼ b.)

(c) Ein Element a ∈ R \ {0} heißt irreduzibel, wenn a keine Einheit ist undwenn fur a = b · c gilt, dass b oder c eine Einheit ist.

(d) Ein Element a ∈ R \ {0} heißt Primelement, wenn (a) ein Primideal ist.

Bemerkung 3.5.2 Sei R ein Integritatsring. Wir konnen die Bedingungen ausDefinition 3.5.1 auch wie folgt formulieren.

• Ein Element b ∈ R ist genau dann ein Teiler von a ∈ R, wenn (a) ⊂ (b).

• Zwei Elemente a, b ∈ R sind genau dann assoziiert, wenn a | b und b | a.In diesem Fall ist namlich a = b · c mit c ∈ R∗.

• Sei a ∈ R \ {0} keine Einheit. Das Element a ist genau dann ein Primele-ment, wenn a | b · c impliziert, dass a | b oder a | c.

Beispiel 3.5.3 (a) Sei R = Z. Die irreduzible Elemente sind ±p mit p einerPrimzahl.

• Ist K ein Korper, sind die irreduziblen Elemente in K[x] die irreduziblenPolynome.

• Sei nun R = Z[x]. Ein Polynom f ∈ Z[x], das in Q[x] irreduzibel ist, istim Allgemeinen nicht irreduzibel in Z[x] im Sinne von Definition 3.5.1.(c).Beispielsweise ist 2x+ 4 = 2 · (x+ 2) ∈ Z[x] irreduzibel in Q[x], aber nichtirreduzibel in Z[x]. In Abschnitt 1.2 betrachten wir dies genauer.

Die Definition der Primelemente entspricht die Eigenschaft in Lemma 3.1.1.Dieses Lemma sagt also, dass in Z die irreduzible Elemente auch Primelementesind. Der folgende Satz zeigt, dass die Umkehrung immer gilt.

Satz 3.5.4 Sei R ein Integritatsring. Jedes Primelement ist irreduzibel.

Beweis: Sei p ∈ R ein Primelement und a | p ein Teiler. Wir schreibenp = a · b mit b ∈ R. Insbesondere ist p ein Teiler von ab. Da p prim ist, folgt,dass p | a oder p | b. Im ersten Fall sind a und p assoziiert.

Wir betrachten den Fall p | b und schreiben b = p · c. Es folgt, dass

p = a · b = a · p · c.

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Da R ein Integritatsring ist, folgt hieraus, dass a · c = 1 und wir schließen, dassa eine Einheit ist. Dies zeigt, dass p irreduzibel ist. 2

Beispiel 3.5.5 Wir zeigen, dass die Umkehrung von Satz 3.5.4 im Allgemeinennicht gilt. Dazu betrachten wir den Ring R = Z[

√−5] = {a+ b

√−5 | a, b ∈ Z}.

Dies ist ein Teilring von C, also ein Integritatsring. Wir behaupten, dass 2irreduzibel aber nicht prim ist.

Dazu betrachten wir die Norm

N : R→ Z, a+ b√−5 7→ a2 + 5b2.

Es gilt N(α · β) = N(α)N(β). Da N(1) = 1 ist, folgt, dass die Einheiten genaudie Zahlen mit N(α) ∈ Z∗ = {±1} sind. Man sieht leicht, dass dies genau dieZahlen ±1 sind.

Wir schreiben2 = α · β, α, β ∈ R.

Wir nehmen an, dass α = a+b√−5 und β keine Einheiten sind, d.h.N(α), N(β) 6=

1. Da N(2) = 22, folgt also, dass N(α) = N(β) = 2. Man sieht aber sofort, dasskeine Zahlen a, b ∈ Z mit 2 = N(α) = a2 + 5b2 existieren. Dies zeigt, dass 2irreduzibel ist.

Wir betrachten die Zerlegung

6 = 2 · 3 = (1 +√−5) · (1−

√−5). (13)

Offensichtlich ist 2 ein Teiler von 6. Aber N(2) = 4 - N(1±√−5) = 1 + 5 = 6.

Also ist 2 kein Teiler von 1±√−5. Wir schließen, dass 2 nicht prim ist.

Alternativ kann man auch mit Hilfe der 3. Isomorphiesatz zeigen, dass

Z[√−5]/(2) ' Z[x]/(2, x2 + 5) ' F2[x]/(x2 + 1).

(Vergleichen Sie zum Beispiel 3.4.4.(b).) Dies ist kein Integritatsring, da x+ 1 +(x2 + 1) ein nicht-trivialer Nullteiler ist. Es folgt nochmals, dass (2) < Z[

√−5]

kein Primideal und 2 kein Primelement ist.

Definition 3.5.6 Ein Integritatsring R heißt faktoriel, wenn folgende zwei Be-dingungen erfullt sind.

(a) Jedes a ∈ R \ {0}, das keine Einheit ist, lasst sich als

a = p1 · · · pk

mit pi irreduzibel schreiben.

(b) Sinda = p1 · · · pk = q1 · · · qm

zwei Zerlegungen wie in (a), dann ist m = k und nach eventuelles Um-nummerieren gilt pi ∼ qi.

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Beispiel 3.5.7 (a) Der Fundamentalsatz der Arithmetik (Theorem 3.1.2) sagt,dass Z ein faktorieller Ring ist.

(b) Der Ring Z[√−5] ist nicht faktoriel. Wir betrachten (13). Im Beispiel 3.5.5

haben wir gesehen, dass 2 irreduzibel ist. Mit dem gleichen Argument zeigtman, dass auch 1±

√−5 irreduzibel sind.

Wir behaupten, dass 2 nicht zu 1±√−5 assoziiert ist. Dies folgt aus der

Beobachtung, dass N(2) = 4 6= N(1±√−5) = 6, da die Einheiten Norm

1 haben. Dies zeigt, dass Z[√−5] nicht faktoriel ist.

In Beispiel 3.5.5 haben wir gesehen, dass 2 irreduzibel, aber nicht prim ist.Der folgende Satz impliziert, dass hieraus auch schon folgt, dass R nichtfaktoriel ist.

Satz 3.5.8 Sei R ein Integritatsring, sodass Definition 3.5.6.(a) gilt. Die fol-gende Aussagen sind aquivalent:

(a) Der Ring R ist faktoriel.

(b) Jedes irreduzibles Element ist prim.

Beweis: “(a) ⇒ (b)”. Sei R faktoriel und p ∈ R irreduzibel. Wir nehmenan, dass p | ab und schreiben pc = ab. Wir schreiben a = d · p1 · · · pk und b =e · q1 · · · qm mit d, e ∈ R∗ und pi, qj irreduzibel. Die Eindeutigkeit der Zerlegungvon pc = ab in irreduziblen Elementen (Definition 3.5.6.(b)) impliziert, dassp ∼ pi oder p ∼ qj . Dies zeigt, dass p | a oder p | b. Wir schließen, dass p primist.

“(b) ⇒ (a)”. Dieser Beweis ist dem Beweis der Fundamentalsatz der Arith-metik (Theorem 3.1.2) sehr ahnlich. Wir nehmen an, dass jedes irreduziblesElement prim ist. Seien

p1 · · · pk ∼ q1 · · · qmmit pi, qj irreduzibel. Wir behaupten, dass (nach Umnummerieren) k = m undpi ∼ qi fur alle i. Die Aussage folgt hieraus.

Es gilt pk | q1 · · · qm. Das Element pk ist irreduzibel und daher prim. Wie-derholltes Anwenden von Definition 3.5.1.(d) impliziert, dass pk | qj fur ein j.Nach Umnummerieren der qi durfen wir annehmen, dass pk | qm. Da qm auchirreduzibel ist, folgt pk ∼ qm. Lemma 3.2.3 impliziert also, dass

p1 · · · pk−1 ∼ q1 · · · qm−1.

Die Behauptung folgt mit Induktion. 2

Bemerkung 3.5.9 In einem faktoriellen Ring R kann man Teilbarkeit vonElemente in Termen der Zerlegung in irreduziblen Elemente ausdrucken. Sei-en a, b ∈ R Elemente mit Zerlegung a = p1 · · · pk und b = q1 · qm mit pi, qjirreduzibel. Dann gilt b | a genau dann, wenn k ≥ m und (nach Umordnung) istqj assoziiert zu pj fur alle j = 1, . . . ,m.

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Das folgende Korollar folgt unmittelbar aus Bemerkung 3.5.9.

Korollar 3.5.10 Sei R ein faktorieller Ring und a, b ∈ R nicht beide Null. Dannexistiert ein großte gemeinsame Teiler g = ggT(a, b) mit den Eigenschaften:

(a) g | a und g | b,

(b) jedes Element e, das a und b teilt, teilt auch g.

Zwei verschiedene großte gemeinsame Teiler sind assoziiert.

3.6 Beispiele faktorieller Ringen

Sei R ein faktorieller Ring. Ziel dieses Abschnittes ist es zu zeigen, dass derPolynomring R[x] auch faktoriel ist. Der Beweis benutzt eine allgemeine Versiondes Lemmas von Gauß (Satz 1.2.1).

Wir bezeichnen mit K der Quotientenkorper des faktoriellen Ringes R (Bei-spiel 1.1.2). Der Quotientenkorper existiert, da R als faktorieller Ring auch einIntegratsring ist.

Wir wahlen ein Vertretersystem P der Primelementen: Jedes Primelementp ∈ R sei zu genau einen der Elementen aus P assoziiert. Fur R = Z konnen wirbeispielsweise die Primzahlen wahlen. Im faktoriellen Ring R sind die irredu-ziblen Elemente auch prim und umgekehrt. Diese Begriffe kann man daher alsSynomyn benutzen.

Fur p ∈ P und a ∈ R \ {0} definieren wir

vp(a) = max{k ∈ Z≥0 : pk | a}.

Die Existenz und Eindeutigkeit der Zerlegung in Primelemente impliziert, dassdas Maximum existiert. Wir konnen jedes Element a 6= 0 also eindeutig als

a = pvp(a)b, p - b

darstellen. Fur a = 0 definieren wir vp(0) =∞.Die Abbildung vp setzen wir durch

vp(a

b) := vp(a)− vp(b), a, b ∈ R, b 6= 0

zu einer Abbildung vp : K → Z ∪ {∞} fort. Diese Abbildung erfullt folgendeEigenschaften:

Lemma 3.6.1 (a) Sei a ∈ K∗. Dann gilt

a = c∏p∈P

pvp(a),

wobei c ∈ R∗ eine eindeutig bestimmte Einheit ist.

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(b) Fur p ∈ P und a, b ∈ K∗ gilt:

vp(a+ b) ≥ min(vp(a), vp(b)), vp(a · b) = vp(a) + vp(b).

(c) Es gilt R = {a ∈ K | vp(a) ≥ 0 fur alle p ∈ P.

Beweis: Ubungsaufgabe. 2

Definition 3.6.2 Sei R ein faktorieller Ring und K der Quotientenkorper.Sei f =

∑ni=0 aix

i ∈ K[x]. Fur p ∈ P definieren wir

vp(f) = mini

(vp(ai)).

Der Inhalt von f ist definiert als

cont(f) =∏p∈P

pvp(f)

Das Polynom f heißt primitiv, wenn cont(f) = 1.

Bemerkung 3.6.3 (a) Sei f ∈ K[x] mit f 6= 0. Aus Lemma 3.6.1.(c) folgt, dassf genau dann in R[x] liegt, wenn der Inhalt von f in R ist. (Ansonsten wurdeeinen Koeffizient ai und ein irreduzibles Element p mit vp(ai) > 0 existieren.)Insbesondere sind alle primitive Polynome in R[x].

(b) Jedes Polynom f ∈ K[x] lasst sich als f = cont(f) · f0 mit f0 primitivdarstellen.

(c) Ein Polynom f =∑ni=0 aix

i ∈ R[x] ist genau dann primitiv, wennggT(a0, . . . , an) = 1 ist.

Beispiel 3.6.4 Wir wahlen R = Z. Das Polynom f(x) = x/2 − 2/3 ist nichtprimitiv: Der Inhalt ist 1/6. Wir konnen es als

f(x) =1

6(3x− 4)

darstellen, wobei 3x− 4 primitiv ist.

Lemma 3.6.5 Seien f, g ∈ K[x] und p ∈ P. Es gilt

(a) vp(f · g) = vp(f) + vp(g),

(b) cont(f · g) = cont(f) · cont(g).

(c) Sind f und g primitiv, dann ist auch fg primitiv.

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Beweis: Der Beweis von (a) ist dem Beweis des Satzes von Gauß fur R = Z(Satz 1.2.1) ahnlich. Wir skizzieren den Beweis im allgemeinen Fall.

Seien f, g ∈ R[x] und sei p ∈ R irreduzibel. Wir schreiben

f = c · f0, g = d · g0

mit c = cont(f) ∈ R, d = cont(g) ∈ R und f0, g0 primitiv (Bemerkung 3.6.3.(b)).Insbesondere gilt f0, g0 ∈ R[x] (Bemerkung 3.6.3.(a)). Es reicht zu zeigen, dassvp(f0g0) = 0. Dies folgt mit einem Koeffizientenvergleich wie im Beweis vonSatz 1.2.1.

Aussagen (b) und (c) folgen direkt aus (a). 2

Das folgende Lemma entspricht die Aussage von Satz 1.2.1 fur R = Z.

Lemma 3.6.6 Seien f, g ∈ R[x] mit g primitiv. Ist g ein Teiler von f in K[x],dann ist g auch ein Teiler von f in R[x].

Beweis: Sei g ∈ R[x] primitiv und f ∈ R[x]. Wir nehmen an, dass g einTeiler von f in K[x] ist. Es existiert ein Polynom h ∈ K[x] mit

f(x) = g(x) · h(x).

Lemma 3.6.5.(b) impliziert, dass

cont(f) = cont(g) · cont(h) = cont(h),

da g primitiv ist. Es folgt, dass cont(h) = cont(f) ∈ R (Bemerkung 3.6.3.(a)),also h ∈ R[x]. 2

Der folgende Satz ist das Hauptergebnis des Abschnittes.

Satz 3.6.7 (Gauß) Sei R ein faktorieller Ring. Dann ist auch R[x] faktorielund die Menge der Primelemente besteht aus

(a) die Primelemente von R,

(b) die primitive Polynomein R[x], die in K[x] irreduzibel sind.

Beweis: Sei f ∈ R[x] \ {0} keine Einheit. Wir erinnern uns, dass die Ein-heiten in R[x] genau die Einheiten in R sind. Das Polynom f ist also nichtkonstant.

Wir schreibenf(x) = c · f1 · · · fr

mit c ∈ K∗ eine Einheit und fi ∈ K[x] irreduzibel. Nach Multiplikation mitgeeigneten Konstanten konnen wir annehmen, dass die fi primitiv sind. Lemma3.6.5.(b) impliziert also, dass cont(f) = c. Da f ∈ R[x] ist, folgt, dass c ∈ R ist.

Der Ring R ist faktoriel. Wir konnen c also als

c = p1 · · · ps

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mit pi ∈ R irreduzibel schreiben. Insgesamt erhalten wir eine Zerlegung

f = p1 · · · ps · f1 · · · fr

mit Elemente wie (a) und (b). Wir behaupten, dass diese Elemente auch Prim-elemente in R[x] sind.

Fall (a): Sei p ∈ R ein Primelement und p | f · g fur f, g ∈ R[x]. Aus Lemma3.6.5.(a) folgt, dass

0 < vp(f · g) = vp(f) + vp(g).

Wegen vp(f), vp(g) ≥ 0 folgt daraus, dass p | f oder p | g. Also ist p ∈ R[x] einPrimelement.

Fall (b): Sei f ∈ R[x] ein primitives Polynom, das in K[x] irreduzibel ist. Seieng, h ∈ R[x] mit f | g · h. Da f in K[x] irreduzibel ist, teilt f einer der Polynomeg, h in K[x]. OBdA durfen wir annehmen, dass f | g. Lemma 3.6.6 impliziert,dass f ein Teiler von g in R[x] ist. Wir schließen, dass f ein Primelement inR[x] ist.

Wir haben gezeigt, dass jedes Element f ∈ R[x] \ {0}, das keine Einheit ist,sich als Produkt von Primelemente der Form (a) und (b) darstellen laßt. Indemman diese Aussage auf ein beliebiges irreduzibles Element f ∈ R[x] anwendet,folgt, dass jedes irreduzibles von der Form (a) oder (b) ist. Insbesondere sindalle irreduzible Elemente prim. Der Satz folgt also aus Satz 3.5.8. 2

Korollar 3.6.8 Sei K ein Korper und n ∈ N. Die Ringe

K[x1, . . . , xn], Z[x1, . . . , xn]

sind faktoriel.

Beweis: Dies folgt mit Induktion aus Satz 3.6.7, da Z und K[x1] faktorielsind. 2

Die Irreduzibilitatskriterien aus Abschnitt 1.2 wie Eisenstein-Kriterium (Theo-rem 1.2.3) und Reduktion modulo p (Satz 1.2.5) lassen sich ohne Probleme aufdie allgemeinere Situation ubertragen. (Ersetze Z durch einen beliebigen fakto-riellen Ring und Primzahl durch Primelement. Siehe beispielsweise [2, Abschnitt2.8].) Wir verzichten hier auf eine ausfuhrliche Diskussion und geben stattdesseneinige Beispiele.

Beispiel 3.6.9 (a) Das Polynom f := x2 + y2 − 1 ∈ C[x, y] ist irreduzibel. Dertotale Grad des Polynoms ist 2. Jeder nichttriviale irreduzible Faktor besitztdaher Grad 1. Wir schreiben f = g · h mit g = ax+ by+ c und h = ax+ by+ c.Koeffizientenvergleich liefert einen Widerspruch, also ist f irreduzibel.

Geometrisch kann man dies leicht verstehen. Einfachheitshalber betrachtenwir dazu f ∈ R[x, y]. Selbstverstandlich ist f auch als Polynom in R[x, y] irre-duzibel.

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Die Nullstellenmenge von f ist ein Kreis S1 ⊂ R2. Ware die Gleichung fuber R reduzibel, d.h. f = g · h mit g, h vom totalen Grad 1, dann ware derKreis die Vereinigung der beiden Geraden g = 0 und h = 0, was offensichtlichnicht der Fall ist.

(b) Wir betrachten das Polynom F := xp− t ∈ Fp[t, x] aus Beispiel 2.4.3.(a).Sei R = Fp[t], dann ist Fp[t, x] = R[x]. Wir fassen F als Polynom in x mitKoeffizienten in R auf. Bemerke, dass t ∈ R irreduzibel ist. Das Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) erweitert auf dieser Situation zeigt daher, dass Firreduzibel ist. Alternativ kann man F auch als Polynom in (Fp[x])[t] auffassenund benutzen, dass degt(F ) = 1.)

(c) Das Polynom g(x) = x2 +xy+1 ∈ (Z[y])[x] = Z[x, y] ist irreduzibel. Wirbetrachten die Reduktion modulo (y). Es gilt

g ≡ x2 + 1 (mod (y)) ∈ Z[x, y]/(y) ' Z[x].

Das Polynom x2 + 1 ∈ Z[x] ist irreduzibel. Bemerke, dass die fuhrende Termvon g nicht durch y teilbar ist. Satz 1.2.5 zeigt daher, dass g auch irreduzibelist.

3.7 Hauptideal- und euklidische Ringen

Hauptidealringe haben wir schon in [3, Abschnitt 3.2] betrachtet. In diesemAbschnitt zeigen wir, dass alle Hauptidealringe faktoriel sind.

Satz 3.7.1 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring. Dann ist R faktoriel.

Beweis: Sei a ∈ R \ {0} keine Einheit. Wir zeigen zuerst die Existenz ei-ner Zerlegung in irreduziblen Elementen (Definition 3.5.6.(a)). Ist a irreduzibel,gibt es nichts zu zeigen. Ansonsten existiert eine Zerlegung a = a1 · b1 mitNichteinheiten a1, b1 ∈ R. Wir wenden das Verfahren rekursiv auf a1 und b1 an.

Die Frage ist, ob dieses Verfahren immer nach endlich vielen Schritten ab-bricht. Angenommen, dies sei nicht der Fall. Dann existiert eine unendliche Folgea = a0, a1, a2 . . ., sodass an+1 eine echte Teiler von an ist, d.h.

an+1 | an an - an+1.

Wir erhalten eine aufsteigende Kette von Hauptidealen (Lemma 3.2.3):

(a) ( (a1) ( (a2) ( · · ·

Wir definierenI := ∪n≥o(an).

Man uberlegt sich leicht, dass I ein Ideal von R ist. Da R nach Voraussetzungein Hauptidealring ist, existiert ein Element c ∈ R mit I = (c). Da an ∈ I, giltalso c | an fur alle n. Andererseits liegt c in einem der Ideale (an), also existiertein m mit am | c. Dies impliziert, dass

an | c, ∀n ≥ m.

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Dies impliziert, dass c ∼ an fur alle n ≥ m, also insbesondere am+1 ∼ am. Diesist ein Widerspruch zur Annahme. Dies zeigt die Existenz einer Zerlegung wiein Definition 3.5.6.

Wir zeigen die Eindeutigkeit der Zerlegung. Nach Satz 3.5.8 reicht es zuzeigen, dass jedes irreduzibles Element prim ist. Sei a ∈ R irreduzibel undb, c ∈ R mit a | b · c. Das Ideal I = (a, b) ist ein Hauptideal, wir schreibenI = (d). Insbesondere ist d ∈ (a, b), also existieren x, y ∈ R mit d = xa + yb.Außerdem sind a, b in (d), d.h. d | a und d | b. Da a irreduzibel ist, gilt d ∼ aoder d ∈ R∗. Im ersten Fall ist a auch ein Teiler von d und daher auch von b.Im zweiten Fall durfen wir annehmen, dass d = 1 ist. Also ist 1 = xa+ yb unddaher c = cxa+ y(bc). Wir haben angenommen, dass a | bc. Wir schließen, dassa ein Teiler von c ist. Dies zeigt, dass a prim ist. 2

Wir haben schon gezeigt, dass in einem faktoriellen Ring R ggTs existieren(Korollar 3.5.10). Ist R sogar ein Hauptidealring, dann hat man folgende etwasgenauere Aussage.

Lemma 3.7.2 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und seien a, b ∈ R\{0}.Ist (a, b) = (d), dann ist d ein großter gemeinsamer Teiler von a und b und esexistieren x, y ∈ R mit g = xa+ yb.

Beweis: Sei I = (a, b) und g ein Erzeuger von I, d.h. I = (a, b) = (g). DieExistenz von x, y ∈ R mit g = xa+ yb folgt aus g ∈ (a, b).

Aus a, b ∈ (g) folgt, dass g ein gemeinsamer Teiler von a und b ist. Sei e einweiterer gemeinsamer Teiler von a und b. Dann existieren c, d ∈ R mit a = ceund b = de. Also gilt g = xa+ yb = e(xc+ yd). Wir schließen, dass e | g. 2

Bemerkung 3.7.3 Sei nun R = Z[x]. Der Ring R ist faktoriel. Es gilt, dassg := ggT(2, x) = 1. Man zeigt leicht, dass keine r, s ∈ R mit g = r · 2 + s · xexistieren. Beispielsweise folgt dies aus der Tatsache, dass

Z[x]/(2, x) ' F2,

was nicht der Nullring ist. Also ist g = 1 /∈ (2, x). In diesem Fall ist ggT(2, x)also kein Erzeuger des Ideals (2, x).

Aus der Tatsache, dass g = 1 /∈ (2, x) folgt, dass (2, x) kein Hauptideal ist.Der Ring Z[x] ist also faktoriel aber kein Hauptidealring. Dies zeigt, dass dieUmkehrung von Satz 3.7.1 nicht gilt.

Wir bemerken, dass die Ideale I = (2) und J = (x) in R = Z[x] nichtteilerfremd sind, da I + J 6= R ist (Definition 3.3.3), obwohl ggT(2, x) = 1 ist.In einem faktoriellen Ring, der kein Hauptidealring ist, ist Teilerfremdheid vonElemente nicht das selbe wie Teilerfremdheit von Ideale.

Das folgende Lemma gibt eine weitere Eigenschaft von Hauptidealringe. Die-se Eigenschaft kann manchmal benutzt werden, um zu zeigen, dass ein Ring keinHauptidealring ist.

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Lemma 3.7.4 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und sei I 6= 0 ein Prim-ideal. Dann ist I ein maximaler Ideal.

Beweis: Sei I 6= 0 ein Primideal. Sei J ein Ideal mit

I ⊂ J ⊂ R.

Der Ring R ist ein Hauptidealring, also existieren Elemente p, a ∈ R mit I = (p)und J = (a). Die Inklusion I ⊂ J impliziert, dass a | p. Wir schreiben p = abmit b ∈ R.

Da I = (p) ein Primideal ist, ist p ein Primelement und daher irreduzibel(Satz 3.5.4). Wir schließen, dass a ∈ R∗ oder b ∈ R∗. Ist a ∈ R∗, dann ist J = R.Ist b ∈ R∗, dann gilt a ∼ p und I = J . 2

In der Praxis ist es schwer nachzuweisen, ob ein gegebener Ring R ein Haupt-idealring ist. Eine Methode dies zu zeigen, ist zu zeigen, dass R euklidisch ist(Definition 3.7.5). Dies verallgemeinert den Beweis, dass die Ringe Z und K[x]mit K einem Korper Hauptidealringe sind ([3, Satz 3.2.10, Theorem 3.3.4]).In diesen Beweisen wurde ausgenutzt, dass die Ringe Z und K[x] einen eukli-dischen Algorithmus besitzen, d.h. ein Algorithmus zur Berechnung des ggTszweier Elemente. Der Grundlage des Algorithmus ist Division mit Rest.

Definition 3.7.5 Ein euklidische Ring ist ein Paar (R, δ), wobei R ein Inte-gritatsring ist und δ : R \ {0} → Z≥0 eine Abbildung, sodass folgende Eigen-schaft erfullt ist: Fur alle a, b ∈ R mit b 6= 0 existieren q, r ∈ R mit a = qb+ r,wobei r die Bedingung r = 0 oder δ(r) < δ(b) erfullt.

Beispiel 3.7.6 (a) Der Ring Z ist ein euklidischer Ring mit δ = | · | demAbsolutbetrag.

(b) Ist K ein Korper, dann ist K[x] ein euklidischer Ring mit δ = Grad(·)dem Grad.

Der Beweis des folgenden Satzes ist analog zu den Beweisen von [3, Satz3.2.10, Theorem 3.3.4].

Satz 3.7.7 Jeder euklidischer Ring ist ein Hauptidealring.

Beweis: Sei (R, δ) ein euklidischer Ring und I ( R ein Ideal. OBdA durfenwir annehmen, dass I 6= (0) ist. Sei

n = min{δ(a) | a ∈ I \ {0}}.

Wir wahlen b ∈ I mit δ(b) = n. Es gilt (b) ⊂ I. Wir behaupten, dass I = (b).Sei a ∈ I. Da R euklidisch ist, existieren q, r ∈ R mit a = qb+ r und r = 0

oder δ(r) < δ(b). Wir nehmen an, dass r 6= 0 ist. Es ist r = a − qb ∈ I. Dieswiderspricht der Wahl von b. Also gilt r = 0 und a ∈ (b). 2

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Beispiel 3.7.8 (a) Der Ring Z[ 1+√−192 ] ist ein Hauptidealring, aber nicht eu-

klidisch. Fur dem Beweis verweisen wir auf [5, Beispiele nach Prop. 8.1.5 undProp. 8.2.9].

(b) Der Ring Z[i] ist ein euklidischer Ring bezuglich der Norm N(a+ bi) =a2 +b2. Wir skizzieren den Beweis. Mehr Details finden Sie in [4, Abschnitt 7.3].Hier finden Sie auch eine Beschreibung der irreduziblen Elementen.

Seien α, β ∈ Z[i] mit β 6= 0. Wir betrachten

α

β= u+ vi ∈ Q(i).

Es existieren u′, v′ ∈ Z mit |u − u′| ≤ 1/2 und |v − v′| ≤ 1/2. (Man wahltu′ ∈ {buc, due} je nachdem was naher an u ist.) Dann erfullen q = u′ + v′i undr = α− qβ die Bedingungen.

Mit einem analogen Argument kann man auch zeigen, dass Z[ζ3] ein eukli-dischen Rung ist.

Bemerkung 3.7.9 Der bekannte euklidische Algorithmus zur Berechnung derggT zweier ganzen Zahlen funktioniert genau so in jeden euklidischen RingR. Ebenso kann man mit dem erweiterten euklidischen Algorithmus Elemen-te x, y ∈ R mit ggT(a, b) = xa+ yb berechnen.

Der Unterschied zwischen euklidischen und Hauptidealringe ist, dass in ei-nem euklidischen Ring einen effizienten Algorithmus zur Berechnung des ggTs.Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus kann man auch Erzeuger von Idealeberechnen (Lemma 3.7.2).

Zusammenfassend haben wir folgende Inklusionen kommutativer Ringen:

Korper ( euklidische Ringen ( Hauptidealringen ( faktorieller Ringen

( Integritatsringen.

Alle Inklusionen sind strikt: Z ist ein euklidischer Ring (Beispiel 3.7.6.(a)), aberkein Korper, der Ring Z[(1+

√−19)/2] ist ein nicht-euklidischer Hauptidealring

(Beispiel 3.7.8.(a)), Z[x] ist ein faktorieller Ring, der kein Hauptidealring ist(Bemerkung 3.7.3) und Z[

√−5] ist nicht faktoriel (Beispiel 3.5.7.(b)).

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4 Moduln

4.1 Definitionen und Beispiele

In diesem Kapitel bezeichnet R stets einen kommutativen Ring mit 1, wennnicht explizit anders erwahnt.

Definition 4.1.1 EinR-Modul ist eine abelsche Gruppe (M,+) mit einer Skalar-multiplikation

R×M →M, (r,m) 7→ r ·m,sodass fur alle m,m′ ∈M und r, s ∈ R gilt:

(M1) 1 ·m = m,

(M2) (rs) ·m = r · (s ·m),

(M3) (r + s) ·m = r ·m+ s ·m,

(M3) r · (m+m′) = r ·m+ r ·m′.Ein Untermodul eines R-Moduls M ist eine Untergruppe N von (M,+), die

bezuglich der Skalarmultiplikation abgeschlossen ist.Ein R-Modulhomomorphismus (oder R-Homomorphismus) ist ein Gruppen-

homomorphismus ϕ : M → M ′ mit ϕ(r · m) = rϕ(m) fur alle r ∈ R undm ∈M .

Bemerkung 4.1.2 (a) Ist R = K ein Korper, sind R-Moduln nichts anderesals K-Vektorraume. Diese Beobachtung motiviert auch die obige Definition.

(b) Ist R ein nichtkommutativer Ring, unterscheidet man zwischen Links-und Rechtsmoduln. Moduln wie in Definition 4.1.1 nennt man in diesem FallR-Linksmoduln. Ahnlich definiert man auch R-Rechtsmoduln, wobei man dieSkalarmultiplikation als

M ×R→M, (m, r) 7→ m · r

schreibt. Anstatt (M2) fordert man diesmal also m · (r · s) = (m · r) · s. Ist Rkommutativ, gilt rs = sr. In diesem Fall sind Linksmoduln auch Rechtsmoduln.Daher unterscheiden wir diese in Definition 4.1.1 nicht.

Beispiel 4.1.3 (a) Der Modul M = (0) ist ein R-Modul fur jedem Ring R(der triviale Modul).

(b) Wir betrachten den Fall, dass R = Z ist. Sei (M,+) eine beliebige abelscheGruppe. Mit der Skalarmultiplikation

a ·m :=

{m+ · · ·+m a Mal , a ∈ Z≥0,−|a| ·m a ∈ Z<0.

ist M ein Z-Modul.

Die Skalarmultiplikation eines Z-Moduls M ist durch die Addition auf Meindeutig bestimmt. Also sind die Z-Moduln genau die abelsche Gruppen.

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(c) Ein Ring R ist ein R-Modul. Die Skalarmultiplikation ist die ubliche Mul-tiplikation in R. Die Untermoduln des R-Moduls M = R sind die Idealein R.

(d) Sei R ein Ring und n ∈ N. Dann ist M = Rn ein R-Modul mit koordina-tenweise Addition und Skalarmultiplikation:

(a1, . . . , an) + (b1, . . . , bn) := (a1 + b1, . . . , an + bn),

r · (a1, . . . , an) := (r · a1, . . . , r · an).

Ubungsaufgabe 4.1.4 (a) Sei ϕ : M → N ein R-Modulhomomorphismus.Dann sind ker(ϕ) < M und im(ϕ) < N R-Untermoduln.

(b) Sei U < M ein R-Untermodul eines R-Moduls. Die R-Modulstruktur ausM definiert eine R-Modulstruktur auf die Quotientengruppe

M/U.

Dieser Modul heißt Quotientenmodul.

(c) (1. Isomorphiesatz fur Moduln) Sei ϕ : M → N ein R-Modulhomomo-phismus und U = ker(ϕ). Dann induziert ϕ einenR-Modulhomomorphismus

ϕ : M/U∼→ imϕ.

Seien M1, . . . ,Mn (endlich vielen) R-Moduln. Wie in der Linearen Algebradefiniert man das direkte Produkt als

M1 × · · · ×Mn = {(xi)i | xi ∈Mi}.

Seien Mi < M Untermoduln eines R-Moduls M dann definiert man die Summeals

M1 + · · ·+Mn = {y ∈M | ∃xi ∈Mi mit y = x1 + · · ·xn}.Dies ist wieder ein Untermodul von M .

Der folgende Satz beweis man wie in der Linearen Algebra (siehe beispiels-weise [5, Prop. 10.5]).

Satz 4.1.5 Seien M1, . . . ,Mn < M Untermoduln. Dann sind aquivalent:

(a) ϕ : M1 × · · · × Mn → M1 + · · · + Mn, (xi) 7→ x1 + · · ·xn ist ein R-Isomorphismus,

(b) Mj ∩ (M1 + · · ·+Mj−1 +Mj+1 + · · ·+Mn) = (0) fur alle j,

(c) jedes y ∈M lasst sich eindeutig als y = x1 + · · ·xn mit xi ∈Mi darstellen.

Sind M1, . . .Mn < M Untermoduln, die die aquivalente Bedingungen ausSatz 4.1.5 erfullen, dann nennen wir die Summe M1+· · ·+Mn < M die (interne)direkte Summe geschrieben als

M1 ⊕ · · · ⊕Mn < M.

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Beispiel 4.1.6 Sei M = R = Z,M1 = 2Z,M2 = 3Z. Es gilt

M1 +M2 = M.

Untermoduln eines Ringes sind Ideale und die Summe von Moduln ist in diesemFall die Summe von Ideale.

Die Moduln M1,M2 sind freie Z-Moduln, es gilt also

M1 ×M2 ' Z2.

4.2 Beispiel: Vektorbundeln auf dem Kreis

In diesem Abschnitt beschreiben wir eine Konstruktion von Moduln, die aus derGeometrie kommen.

Wir betrachten

S1 = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 = 1}.

Wir identifizieren S1 mit [0, 2π), indem wir (x, y) mit der Winkel t des Vektors(x, y) mit der positiven x-Achse identifizieren.

Definition 4.2.1 Ein (reeller) Vektorbundel von Rang n ist ein Tripel (E,B, π :E → B), wobei E und B topologischer Raume sind und π : B → E eine surjek-tive Abbildung mit folgender Eigenschaft:

(a) fur alle x ∈ B ist π−1(x) ein ndimensionaler R-Vektorraum,

(b) Jeder Punkt x ∈ B besitzt eine offene Umgebung x ∈ Ux, sodass

E|Ux ' Ux × Rn.

Eigenschaft (b) sagt, dass E “lokal trivial” ist.

Wir mochten hier keine Einfuhrung in der Theorie der Vektorbundel geben,sondern nur folgende zwei Beispiele betrachten.

Beispiel 4.2.2 (a) SeiC := S1 × R

der Zylinder uber S1. Wir bezeichnen mit

πC : C → S1, (t, x) 7→ t

die Projektion auf der ersten Koordinate. Das Tripel (C, S1, πC) definiert of-fensichtlich ein Vektorbundel. Das Bundel C ist nicht nur lokal trivial, sondernsogar global trivial. (Dies bedeutet, dass ein Isomorphismus wie in Definition4.2.1.(b) auf ganz S1 existiert.) Wir nennen C daher das triviale Vektorbundel.

(b) Wir betrachten das Mobius-Band:

M := [0, 2π]× R/ ∼, (14)

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wobei (t, x) ∼ (s, y), wenn |t− s| = 2π und x = −y. Wir bezeichnen wieder mit

πM :M→ S1, (t, x) 7→ t

die Projektion auf der ersten Koordinate.Das Tripel (M, S1, πM) definiert auch ein Vektorbundel. Das BundelM|(0,2π)

ist trivial, aber M ist nicht global trivial.

Sei N ein Vektorbundel von Rang 1 auf S1. Ein Schnitt ist eine stetigeAbbildung s : S1 → N , sodass πN ◦ s = Id. Diese Eigenschaft bedeutet, dasss(t) ∈ π−1(t) = {t} × R. Fur jede offene Menge U ⊂ S1, sodass N|U ' U × Rlokal trivial ist, kann man s|U : U → U × R als t 7→ (t, g(t)) schreiben, wobeig|U : U → R eine stetige Funktion ist. Ander gesagt, s|U is der Graph von g|U .

Ist N trivial auf [0, 2π), dann definiert einen Schnitt s also eine stetigeFunktion

g : [0, 2π]→ R.

(Der Wert g(2π) definieren wir als der Grenzwert.) Wir haben schon gesehen,dass die Vektorbundel C und M auf [0, 2π) trivial sind. Sei umgekehrt

g : [0, 2π]→ R.

eine stetige Funktion. Damit g einen Schnitt von N definiert, mussen nuruberprufen, ob

s = sg : S1 → N , t 7→ (t, g(t))

fur t = 0 = 2π wohldefiniert ist. Ist dies der Fall, ist der Schnitt auch stetig.

Beispiel 4.2.3 Sei a ∈ R. Die Funktion

ga : [0, 2π]→ R, t 7→ a

definiert einen Schnitt von C. Der entsprechende Schnitt ist t 7→ (t, a) ∈ S1×R.Die Funktion ga mit a 6= 0 definiert aber keinen Schnitt von M, da

ga(2π) = a 6= −a = −ga(0).

(Vergleichen Sie mit (14).)Die Funktion

h : [0, 2π]→ R, t 7→ cos(t/2)

definiert einen Schnitt von M, da cos(0) = − cos(2π/2).

SeiR := {s : S1 → C}

die Menge der Schnitte. Wir haben gesehen, dass wir R mit

R = {g : [0, 2π]→ R stetig} = {g : [0, 2π]→ R stetig | g(0) = g(2π)}

identifizieren konnen.

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Die Menge R ist ein kommutativer Ring mit Addition und Multiplikationvon Funktionen als Verknupfungen. Das neutrale Element 1R der Multiplikationentspricht die Funktion g : S1 → R, t 7→ 1.

Ebenso definieren wir M als die Menge der Schnitte von M. Es gilt

M = {g : [0, 2π]→ R stetig | g(0) = −g(2π)}.

Die Menge M ist eine abelsche Gruppe (mit Addition von Funktionen), aberkein Ring: Sind g1, g2 ∈M , dann gilt

(g1g2)(0) = g1(0)g2(0) = (−g1(2π))(−g2(2π)) = (g1g2)(2π).

Also ist g1g2 /∈M .

Behauptung: M ist ein R-Modul.Sei g : [0, 2π] → R ein Element von M und h : [0, 2π] → R ein Element

von R. Wir definieren die Skalarmultiplikation h · g als die Multiplikation vonFunktionen. Dann gilt

(h · g)(0) = h(0)g(0) = (h(2π))(−g(2π)) = (hg)(2π).

Also ist hg ∈M . Man uberpruft leicht, dass die Modulaxiome (M1)–(M3) erfulltsind.

Das folgende Lemma entspricht die Tatsache, dass C undM nicht isomorpheVektorbundeln sind.

Lemma 4.2.4 Die R-Moduln M und R sind nicht isomorph (als R-Moduln).

Beweis: Wir nehmen an, dass ϕ : R∼→ M ein R-Modulisomorphismus ist.

Sei g = ϕ(1R), wobei 1R der 1-Schnitt von R ist. Da g ∈M ist, ist g : [0, 2π]→ Reine stetige Funktion mit g(0) = −g(2π). Der Zwischenwertsatz impliziert, dassein a ∈ [0, 2π] mit g(a) = 0 existiert. (Hier benutzen wir, dass g stetig ist.)

Wir behaupten, dass m(a) = 0 fur alle m ∈ M . Sei m ∈ M beliebig undwahle f ∈ R mit ϕ(f) = m. (Der Schnitt f existiert, da ϕ surjektiv ist.) Es gilt

m = ϕ(f) = ϕ(1R · f) = ϕ(1R) · ϕ(f) = g ·m.

Wir schließen, das m(a) = g(a)m(a) = 0.Dies ist einen Widerspruch: Beispielsweise definiert

ma : [0, 2π]→ R, t 7→ cos

(t− a

2

)einen Schnitt von M mit ma(a) = cos(0) = 1. 2

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4.3 Freie Moduln und Matrizen

Viele der ublichen Konstruktionen fur Vektorraume verallgemeinern sich nachModuln. Ein zentrales Ergebnis der Linearen Algebra sagt, dass jeder Vektor-raum eine Basis besitzt. Diese Aussage ist falsch fur Moduln uber beliebigenRingen. Bei der Verallgemeinerung von Vektorraume nach Moduln muss manalso etwas aufpassen.

Definition 4.3.1 Sei M ein R-Modul und S ⊂ M eine Teilmenge. Der von Serzeugtem Untermodul ist der kleinste R-Untermodul N von M , der S enthalt.Wir schreiben

N = 〈S〉R.

Der Modul N besteht also aus allen R-Linearkombinationen

v = c1v1 + · · ·+ crvr, ci ∈ R, vi ∈ S.

Ist N = 〈S〉R, so nennen wir S ein Erzeugendensystem von N .Ein Modul heißt endlich erzeugt, falls er ein endliches Erzeugendensystem

besitzt. Ein Modul, der von einem Element erzeugt wird, heißt zyklisch.

Beispiel 4.3.2 Ein Z-Modul M ist genau dann zyklisch, wenn M zyklisch alsGruppe ist.

Definition 4.3.3 Sei M ein R-Modul. Eine Teilmenge S ⊂ M heißt linearunabhangig, falls fur alle v1, . . . , vn ∈ S und ri ∈ R mit

n∑i=1

rivi = 0

gilt, dass r1 = · · · = rn = 0 ist.Eine Basis von M ist ein linear unabhangiges Erzeugendensystem.

Sei S = (v1, . . . , vn) eine Basis von M , dann lasst sich jedes Element m ∈Meindeutig als endliche Linearkombination

m =

n∑i=1

rjivji

Darstellen.

Definition 4.3.4 Ein endlich erzeugter R-Modul M heißt frei, wenn M eineBasis S = (v1, . . . , vn) besitzt. In diesem Fall heißt n = Rang(M) der Rang vonM . (Satz 4.3.6 impliziert, dass der Rang wohldefiniert ist.)

Ist S = (v1, . . . , vn) eine Basis eines endlich erzeugten R-Moduls M , danndefiniert

ϕ : Rn →M, (a1, . . . , an) 7→n∑i=1

aivi

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ein R-Modulisomorphismus. Ein (endlich erzeugter) R-Modul ist also genaudann frei, wenn M isomorph zu Rn fur ein n ∈ N ist.

Beispiel 4.3.5 (a) Wir betrachten Z/2Z als Z-Modul. Dann ist S = (1) einErzeugendensystem, aber S ist nicht linear unabhangig: Es gilt

2 · 1 = 0 ∈ Z/2Z,

aber 0 6= 2 ∈ Z = R. Der Z-Modul Z/2Z ist also nicht frei. Allgemeiner ist eineendliche abelsche Gruppe nie frei als Z-Modul, da die freie Z-Moduln Zn alleunendlich vielen Elemente haben.

(b) Sei R ein Integritatsring. Wir haben gesehen, dass ein Ideal I �R auchein R-Modul ist. Das Ideal I ist genau dann frei, wenn I ein Hauptideal ist.(Ubungsaufgabe.)

(c) Der R-Modul M aus Abschnitt 4.2 ist nicht frei. Dies folgt aus der Aus-sage von Lemma 4.2.4.

(d) Wir definieren der Z-Modul V als

V = {x =

x1x2x3

∈ Z3 | 3x1 + 2x2 − 4x3 = 0}.

Dies ist der Kern des Z-Homomorphismus

ϕ : Z3 → Z, x 7→(3 2 −4

)· x.

Sei x ∈ V . Dann ist x1 gerade. Wir schreiben x1 = 2t mit t ∈ Z. Einsetzenin der Gleichung liefert, dass 3t+x2 ≡ 0 (mod 2) ist. Wir schreiben x2 = t+2s.Es folgt, dass x3 = 2t + s. Wir schließen, dass V ein freier Z-Modul von Rang2 ist. Eine Basis ist 2

12

,

021

.

Der folgende Satz impliziert, dass der Rang wohldefiniert ist. Hier benut-zen wir wesentlich, dass R kommutative ist: Es existieren nicht-kommutativerRingen mit R ' R2 ' R3 ' · · · .

Satz 4.3.6 Sei R 6= {0} ein kommutativer Ring.

(a) Die R-Moduln Rn und Rm sind genau dann isomorph, wenn n = m ist.

(b) Zwei Basen eines freien R-Moduls haben die gleiche Kardinalitat. Insbe-sondere ist der Rang wohldefiniert.

Die Implikation “(a) ⇒ (b)” ist klar. Um (a) zu zeigen, brauchen wir ei-nige Ergebnissen uber die Darstellung von R-Homomorphismen mit Hilfe vonMatrizen. Fur freie Moduln funktioniert dies wie fur Vektorraume.

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Seien m,n ∈ N und Mm,n(R) die Menge der m× n-Matrizen mit Koeffizientenin R. Addition und Multiplikation von Matrizen funktioniert wie ublich. Diequadratischen Matrizen Mn,n(R) formen einen Ring. Fur n 6= 1 ist diese Ringnichtkommutativ.

Sei A = (ai,j) ∈Mm,n(R) eine Matrix. Dann definiert A einen R-Homomor-phismus:

Rn → Rm, x =

x1...xn

7→ A · x.

Wie fur Vektorraume zeigt man leicht, dass jeder R-Homomorphismus Rn →Rm durch eine Matrix A ∈Mm,n(R) dargestellt werden kann, indem man Basenwahlt.

Sei nun A = (ai,j) ∈ Mn,n(R) eine quadratische Matrix. Wie fur Vek-torraume definieren wir die Determinante von A durch die Leibniz-Formel:

det(A) =∑σ∈Sn

sgn(σ)

n∏i=1

ai,σ(i). (15)

Die Kofaktormatrix A∗ von A definieren wir als

A∗ = (a∗i,j), a∗i,j := (−1)i+j detAi,j ,

wobei Ai,j ∈ Mn−1,n−1(R) der Minor von A ist, die wir durch Streichung deriten Zeile und der jten Spalten erhalten.

Lemma 4.3.7 Seien A,B ∈Mn,n(R). Es gilt

(a) det(A ·B) = det(A) det(B),

(b) (Cramersche Regel) A ·A∗ = A∗ ·A = det(A) · En.

Hierbei bezeichnet En die n× n-Einheitsmatrix.

Beweis: Siehe [1, Abschnitt 12.3]. Wir beweisen nur (a). Aussage (b) folgtahnlich.

Die Aussagen des Lemmas sind aus der Linearen Algebra im Fall, dassR = Kein Korper ist, bekannt. Wir werden den allgemeinen Fall hieraus ableiten. Dazubenutzen wir das sogennante Prinzip der allgemeinen Gultigkeit von Identitaten.

Sei R = Z[xi,j , yi,j ] der Polynomring mit 2n2 Variablen xi,j , yi,j , 1 ≤ i, j ≤n. Wir setzen

X = (xi,j), Y = (yi,j) ∈Mn,n(R)

undF1 := det(X · Y ), F2 := det(X) det(Y ) ∈ R.

Sei nun R ein beliebiger Ring und A = (ai,j), B = (bi,j) ∈ Mn,n(R). DerEvaluierungshomomorphismus

ϕ : R→ R, xi,j 7→ ai,j , yi,j 7→ bi,j

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definiert ein Ringhomomorphismus (Siehe [3, Satz 3.2.3].) Da ϕ ein Ringhomo-morphismus ist, folgt durch Einsetzen in (15), dass

ϕ(F1) = det(A ·B), ϕ(F2) = det(A) · det(B).

Um (a) zu zeigen fur die Matrizen A und B, mussen wir also zeigen, dass

ϕ(F1) = ϕ(F2).

Dies folgt aus der Tatsache, dass ϕ ein Ringhomomorphismus ist, wenn wir dieAussage (a) fur die Matrizen X und Y mit Koeffizienten in Z gezeigt haben.(Dies ist das Prinzip der allgemeinen Gultigkeit von Identitaten.)

Wir betrachten die Inklusion

Z[xi,j , yi,j ] ⊂ C[xi,j , yi,j ].

Der Ausdruck F := det(X · Y ) − det(X) · det(Y ) ∈ Z[xi,j , yi,j ] ⊂ C[xi,j , yi,j ]ist ein Polynom. Da C ein Korper ist, wissen wir, dass (a) fur alle MatrizenA,B ∈ Mn,n(C) gilt. Alle diese Polynome liefern also Nullstellen von F . Wirschließen, dass F = 0 ist. Die Aussage (a) folgt. 2

Korollar 4.3.8 Eine Matrix A ∈ Mn,n(R) ist genau dann invertierbar, wenndet(A) ∈ R∗ ist.

Beweis: SeiA invertierbar undB = A−1 die inverse Matrix. Lemma 4.3.7.(a)impliziert, dass

1 = det(En) = det(A ·B) = det(A) det(B).

Es folgt, dass det(A) ∈ R∗ ist.Sei umgekehrt det(A) ∈ R∗. Lemma 4.3.7.(b) impliziert, dass

B =1

det(A)A∗

die inverse Matrix von A ist. Da A∗ ∈Mn,n(R) ist B wieder in Mn,n(R). 2

Wir beweisen nun Satz 4.3.6.(a).Beweis des Satzes: Sei n > m. Wir nehmen an, dass ein R-Isomorphismus

ϕ : Rn∼→ Rm

existiert. Also existieren Matrizen

A = M(ϕ) ∈Mm,n(R), B = M(ϕ−1) ∈Mn,m(R)

mitBA = En, AB = Em.

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Wir definieren quadratische Matrizen A, B ∈ Mn,n(R), indem wir die feh-lende Zeilen (bzw. Spalten) mit Nullen erganzen:

A =

(A0

), B =

(B 0

).

Mit Matrixmultiplikation folgt:

B · A = B ·A = En.

Lemma 4.3.7.(a) impliziert, dass

det(B) det(A) = det(En) = 1.

Wir haben angenommen, dass n > m ist, also dass B eine Null-Spalte undA eine Null-Zeile enthalt. Die Definition der Determinante (15) impliziert also,dass det(B) = det(A) = 0. Es gilt also, dass 0 = 1 ist. Dies ist aber nur moglich,wenn R = {0} der Nullring ist.

Dies beweist (a) und daher den Satz. 2

4.4 Moduln uber einem Hauptidealring

In diesem Abschnitt klassifizieren wir endlich erzeugten Moduln uber einemHauptidealring. Als Spezialfalle enthalt dieser Satz sowohl die Klassifikationvon endlich erzeugten abelschen Gruppen, alsauch der Jordan-Normalform.

Definition 4.4.1 Sei R ein Integritatsring und M ein endlich erzeugter R-Modul.

(a) Wir definieren

Mtor = {x ∈M | ∃r ∈ R \ {0} r · x = 0}

der Torsionsanteil von M . Ist M = Mtor, dann heißt M Torsionsmodul.Ist Mtor = {0}, dann heißt M torsionsfrei.

(b) Sei N < M ein Untermodul. Wir definieren

Ann(N) = {r ∈ R | r · n = 0∀n ∈ N}

der Annihilator von N .

Der TorsionsanteilMtors ⊂M ist ein Untermodul. Der Annihilator Ann(N) <R ist ein Ideal.

Beispiel 4.4.2 (a) IstM ein freierR-Modul, dann istMtor = {0} und Ann(M) =(0). Dies folgt aus der Definition der linearen Unabhangigkeit.

Die Umkehrung gilt nicht. Wir betrachten M := (2, x) < Z[x] = R. Diesist kein Hauptideal. Beispiel 4.3.5.(b) impliziert daher, dass M nicht frei alsR-Modul ist. Da R ein Integritatsring ist, folgt, dass Mtor = {0}.

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In Lemma 4.4.5 werden wir zeigen, dass die Umkehrung gilt, wenn R einnullteilerfreien Hauptidealring ist.

(b) Sei M = Z/nZ×Z/mZ und R = Z. Dann ist M = Mtor und Ann(M) =kgV(n,m)Z < Z.

(c) Sei M = 〈v〉R ein zyklischer R-Modul, wobei R ein Integritatsring ist. SeiI = Ann(M) = (a) < R. Wir betrachten den (surjektiven) R-Homomorphismus

ϕ : R→M, r 7→ r · v.

Ist I 6= (0), dann ist M = Mtor und M ist nicht frei. In diesem Fall folgt ausdem 1. Isomorphiesatz fur Moduln, dass M ' R/(a). Ist I = (0), dann ist ϕ einR-Isomorphismus und M ist frei von Rang 1.

(d) Ist M ein Modul mit M 6= Mtor, dann ist Ann(M) = {0}.

Im Rest des Abschnittes nehmen wir an, dass R ein nullteilerfreier Haupt-idealring ist. In diesem Fall konnen wir einige zusatzlichen Eigenschaften vonfreien Moduln beweisen.

Theorem 4.4.3 Sei R ein nullteilerfreien Hauptidealring und M ein freier R-Modul von Rang m < ∞. Sei N < M ein Untermodul. Dann ist N frei vonRang n ≤ m.

Wir haben schon verschiedene Spezialfalle von Theorem 4.4.3 gesehen. IstR = K ein Korper, dann ist dies aus der Lineare Algebra bekannt. Fur M =R = Z sagt das Theorem, dass alle Untergruppen von Z zyklisch sind ([3, Thm.1.3.1]). Beispiel 4.3.5.(d) ist ein Beispiel fur die Aussage des Theorems. DieAussage des Theorems gilt auch ohne die Annahme, dass M endlich erzeugt ist(siehe [8, Theorem 111.7.1]).

Beweis: Sei S = (v1, . . . , vm) eine Basis von M . Definiere

Mi = 〈v1, . . . , vi〉R < M, Ni = Mi ∩N < N.

Wir beweisen die Aussage mit Induktion nach i.

Induktionsanfang: Wir betrachten N1 = 〈v1〉R ∩ N . Wir nehmen an, dassN1 6= {0} ist. Dann ist N1 < 〈v1〉R = M1, also existiert ein a1 ∈ R mitN1 = 〈a1v1〉R. Dies zeigt, dass N1 frei von Rang 1 ist.

Induktionsschritt: Wir nehmen an, dass Ni frei von Rang ≤ i ist.Sei Ii+1 die Menge der Elemente a ∈ R, sodass ein x ∈ N existiert, dass als

x = b1v1 + · · ·+ bivi + avi+1 (16)

geschrieben werden kann, wobei bi ∈ R ist. Dann ist Ii+1 < R ein Ideal. Bemer-ke, dass die Menge x aus (16) genau Ni+1 ist.

Der Ring R ist ein Hauptidealring, also existiert ein ai+1 ∈ R, sodass Ii+1 =(ai+1). Ist I = (0), dann ist Ni+1 = Ni frei von Rang ≤ i ≤ i+ 1 und wir sindfertig mit der Induktionsschritt.

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Wir betrachten daher den Fall, dass Ii+1 6= (0) ist. Die Definition von Ii+1

impliziert, dass ein wi+1 ∈ Ni+1 mit

wi+1 = b1v1 + · · ·+ bivi + ai+1vi+1

existiert. Bemerke, dass w /∈ Ni ist, da ai+1 6= 0. Sei nun x = β1v1 + · · ·+βivi+αvi+1 ∈ Ni+1 beliebig. Aus der Definition von Ii+1 folgt, dass α ∈ Ii+1 = (ai+1),d.h. ai+1 | α. Wir schreiben α = ai+1 · c. Es folgt, dass x− cwi+1 ∈ Ni ist. Alsogilt

Ni+1 = Ni + 〈wi+1〉. (17)

Wir haben schon gesehen, dass Ni+1∩〈wi+1〉 = {0}. Dies impliziert, dass Ni+1 =Ni ⊕ 〈wi+1〉 frei von Rang(Ni+1) = Rang(Ni) + 1 ≤ i+ 1 ist: Die Elemente wjmit 1 ≤ j ≤ i+ 1 und Ij 6= {0} sind eine Basis von Ni+1.

Die Aussage des Theorems folgt mit Induktion. 2

Wir bemerken, dass der Beweis von Theorem 4.4.3 angibt, wie man eineBasis des Untermoduls N < M ' Rm konstruieren kann. Das Vorgehen istahnlich zum Beweis, dass jeder endlich-dimensionaler Vektorraum eine Basisbesitzt.

Beispiel 4.4.4 (a) Wir betrachten Beispiel 4.3.5.(d). Sei V < Z3 =: M wiedergegeben durch die Gleichung 3x1 + 2x2− 4x3 = 0. Wir schreiben (v1, v2, v3) furdie Standardbasis von Z3. Wir benutzen die Bezeichnung aus dem Beweis vonTheorem 4.4.3 und finden

V1 = V ∩ 〈v1〉Z = (0), I1 = (0),

V2 = V ∩ 〈v1, v2〉Z = 〈w2 =

2−30

〉, I2 = (3),

V3 = V = 〈w2, w3 =

021

〉, I3 = (1).

In der Tat ist (w2, w3) eine Basis von V .(b) Die Aussage von Theorem 4.4.3 ist falsch, wenn R kein Hauptidealring

ist: Ist I < R kein Hauptideal, dann ist I nicht frei (Beispiel 4.3.5.(b)).

Das folgende Lemma gibt eine Charakterisierung von freien Moduln ubereinem Hauptidealring. Wir haben schon gesehen, dass Mtor = (0), falls M freiist.

Lemma 4.4.5 Sei R ein nullteierfreier Hauptidealring und M ein endlich er-zeugter R-Modul mit Mtor = (0). Dann ist M frei.

Beweis: Wir durfen oBdA annehmen, dass M 6= (0) ist. Sei S = (v1, . . . , vm)ein endliches Erzeugendensystem. Sei n maximal, sodass eine linear unabhangigeTeilmenge T ⊂ S mit Kardinalitat n existiert. Nach Umnummerieren durfen wir

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annehmen, dass T = (v1, . . . , vn). Der Modul F := 〈T 〉R ist ein freier Untermo-dul von M , da T linear unabhangig ist. Theorem 4.4.3 impliziert, dass n ≤ mist.

Der Wahl von T impliziert, dass T ∪ {vj} fur alle j > n linear anhangig ist.Fur n < j ≤ m existieren also a1, . . . , an, bj ∈ R mit bj 6= 0 und

a1v1 + · · ·+ anvn + bjvj = 0.

Insbesondere giltbjvj = −(a1v1 + · · ·+ anvn) ∈ F. (18)

Wir definieren

b =

m∏j=n+1

bj ∈ R.

Gleichung (18) impliziert, dass bM < F ist.Wir betrachten den R-Homomorphismus ϕ : M → M, m 7→ bm. Es gilt

im(ϕ) = bM und

ker(ϕ) = {m ∈M | b ·m = 0} < Mtor = {0}.

Der 1. Isomorphiesatz impliziert daher, dass M ' im(ϕ) = bM < F . Der ModulM ist als Untermodul eines freien Moduls auch frei (Theorem 4.4.3). 2

Beispiel 4.4.6 Dieses Beispiel ist eine Fortsetzung von Beispiel 4.4.4. Wir be-trachten R = Z und

U = Z3/V, V = 〈w2 =

2−30

, w3 =

021

〉.Sei (e1, e2, e3) die Standardbasis von Z3. Wir schreiben ui = ei+W ∈ U . Of-

fensichtlich ist (u1, u2, u3) ein Erzeugendensystem von U . Wir behaupten, dassU frei ist. Anstatt zu zeigen, dass Utor = (0), wenden wir hier eine alternativeMethode an. mehr Details finden Sie in [1, § 12.5].

Die Erzeugenden wi von V liefern folgende Relationen zwischen die Erzeugerui von U : {

2u1 +−3u2 = 0,

2u2 + u3 = 0.

Wir schreiben diese Relationen mittels einer Relationsmatrix

A =

2 0−3 20 1

.

Wir konnen die Matrix A durch elementare Zeilenoperationen in folgendeeinfachere Gestallt bringen:

A ∼

2 0−3 00 1

∼−1 0−3 00 1

∼−1 0

0 00 1

.

72

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Dies entspricht eine Basiswechsel auf Z3 mit Basiswechselmatrix

Q =

1−3 1

1

1 10 1

1

10 1 −2

1

=

1 1−3 −2 4

1

.

Bemerke, dass det(Q) = 1 ∈ Z∗, also ist Q in der Tat invertierbar.Bezuglich die neue Basis von Z3 sind die Relationen also e1 = e3 = 0. Wir

schließen, dassU = Z3/V ' Z

frei von Rang 1 ist.Wir geben eine Beschreibung von U in Termen einem R-Homomorphismus.

Die Matrix A definiert einen R-Homomorphismus

ϕ : Z2 → Z3, x 7→ Ax

mit im(ϕ) = V =: AZ2. Der Modul U = Z3/V = Z3/ im(ϕ) heißt Kokern vonϕ.

Der folgende Satz bildet die Grundlage fur das Klassifikationsergebnis.

Satz 4.4.7 SeiR ein nullteilerfreier Hauptidealring undM ein endlich erzeugterR-Modul.

(a) Der Modul M/Mtor ist frei.

(b) Es existiert ein freier Untermodul F < M mit F ⊕Mtor = M . Der Rangvon F ist eindeutig bestimmt.

Beweis: (a) Seien M und R wie in der Aussage des Satzes. Sei F = M/Mtor

und sei ϕ : M →M/Mtor die kanonische Abbildung. Es gilt Ftor = (0). Lemma4.4.5 impliziert, dass F frei ist. Dies beweist (a).

(b) Sei S = (v1, . . . , vn) eine Basis von F . Wir wahlen mi ∈M mit ϕ(mi) =vi. Man zeigt leicht, dass S linear unabhangig ist. Wir schließen, dass F :=〈m1, . . . ,mn〉R < M ein freier Untermodul ist.

Behauptung: Es gilt M = F ⊕Mtor.Sei

ψ : F ×Mtor →M, (x, y) 7→ x+ y.

Der R-Homomorphismus ψ ist surjektiv, da

ψ|F : F →M/Mtor = F

surjektiv ist. Es gilt ker(ψ) = F ∩Mtor = Ftor = (0), da F frei ist.Es gilt Rang(F ) = Rang(F ), also ist Rang(F ) eindeutig bestimmt. Die Aus-

sage des Satzes folgt. 2

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Definition 4.4.8 Sei M ein endlich erzeugter R-Modul mit R ein nullteilerfrei-er Hauptidealring. Der (freie) Rang von M ist der Rang des freien Moduls Faus Satz 4.4.7.

Satz 4.4.7 sagt, dass jeder endlich erzeugter Modul M uber einem Haupt-idealring das Produkt M = F ⊕Mtor eines freien Moduls F mit seinem Tor-sionsanteil ist. Der freie Modul F ' Rr ist durch seinem Rang r bestimmt.Es reicht also den Torsionsanteil zu klassifizieren. Wir schreiben Mtor als Pro-dukt zyklischer Moduln. Es gibt zwei Varianten des Klassifikationsergebnises.Ist R = Z, so sind die Aussagen von Theorem 4.4.9 und Theorem 4.4.10 bekanntals Hauptsatz der endlich erzeugten abelschen Gruppen (siehe Beispiel 4.4.17).

Theorem 4.4.9 (Invariante Faktoren) Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealringund M ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Dann ist M isomorph zu

M = R/(a1)⊕R/(a2)⊕ · · · ⊕R/(as)

mit 0 6= ai ∈ R \R∗, sodassa1 | a2 | · · · as.

Die Elemente ai sind eindeutig bis auf Multiplikation mit einem Einheit, d.h.die Ideale (ai) sind eindeutig.

Theorem 4.4.10 (Elementarteiler) Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealringund M ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Dann ist M isomorph zu

M = R/(pα11 )⊕R/(pα2

2 )⊕ · · · ⊕R/(pαss )

wobei die pi nicht notwendigerweise verschiedene Primelemente von R sind. DieIdeale (pαii ) sind eindeutig bis auf Reihenfolge.

Definition 4.4.11 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und M ein eindlicherzeugter R-Modul. Die Elemente ai assoziiert zu Mtor in Theorem 4.4.9 heißeninvariante Faktoren von M . Die Elemente pαii assoziiert zu Mtor in Theorem4.4.10 heißen Elementarteiler von M .

Beispiel 4.4.12 Sei G eine abelsche Gruppe mit 12 Elemente. Dann ist Gisomorph zu einer der folgenden Gruppen:

G1 = Z/12Z ' Z/4Z× Z/3Z,G2 = Z/2Z× Z/6Z ' Z/2Z× Z/2Z× Z/3Z.

Die invarianten Faktoren von G1 (resp. G2) sind also a1 = 12 (resp. a1 =2, a2 = 6). Die Elementarteiler von G1 (resp. G2) sind also pα1

1 = 22, pα22 = 3

(resp. pα11 = pα2

2 = 2, pα33 = 3).

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Sei M = Mtor endlich erzeugt uber einem Hauptidealting R. Sei x ∈ M .Dann ist 〈x〉R < M zyklisch. Der Annihilator Ann(〈x〉R) ist ein Hauptideal.Wir schreiben I = (a). Es gilt 〈x〉R ' R/(a) (Beispiel 4.3.5.(b)).

Sei nun p ∈ R ein Primelement. Wir schreiben

M(p) = {x ∈M | Ann(Rx) = (pα) fur α ≥ 0}.

Dies ist ein Untermodul von M . Wir nennen es der p-Anteil von M . (Englisch:p-primary component.)

Wie in Abschnitt 3.5 wahlen wir ein Vertretersystem P fur die Primelementenvon R.

Lemma 4.4.13 Sei M = Mtor endlich erzeugt. Dann gilt

M = ⊕p∈PM(p).

Beweis: SeiM ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Wir schreiben Ann(M) =(a). Da M ein endlich erzeugter Torsionsmodul ist, ist a 6= 0. Wir nehmenzusatzlich an, dass M 6= (0) ist. Dann ist a außerdem keine Einheit. Der RingR ist ein Hauptidealring und daher insbesondere faktoriel. Wir konnen a daherals Produkt

a = pm11 · · · pmnn

schreiben, wobei die pi paarweise verschiedenen Primelementen und mi 6= 0sind. Ist n = 1, dann ist Ann(M) = (p1). In diesem Fall ist M = M(p1) und dieAussage folgt.

Wir nehmen an, dass n > 1 ist. Sei b = pm11 und c = a/b = pm2

2 · · · pmnn .Dann ist ggT(b, c) = 1, also existieren x, y ∈ R mit 1 = xb+ yc (Lemma 3.7.2).Wir definieren

M(p1) = {m ∈M | bm = 0}M ′ = {m ∈M | cm = 0}.

Behauptung: Es gilt M = M(p1)⊕M ′.Das Lemma folgt mit Induktion aus der Behauptung.Sei m ∈M . Es gilt

m = 1 ·m = (xb+ yc) = xbm+ ycm.

Aus der Wahl von a als Erzeuger von Ann(M) folgt, dass

c · xbm = bc · xm = a · xm = 0, b · ycm = 0.

Wir schließen, dass xbm ∈M ′ und ycm ∈M(p1). Es folgt M = M(p1) +M .Sei nun m ∈M(p1) ∩M ′, d.h. bm = cm = 0. Dann ist

0 = xbm+ ycm = 1 ·m.

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Also m = 0. Wir schließen, dass M = M(p1)⊕M ′. 2

Beweis des Theorems: Wir beweisen nun die Existenzaussage vonTheorem 4.4.10. Wir durfen annehmen, dass M 6= {0} ist. Lemma 4.4.13impliziert, dass es reicht M = M(p) zu betrachten, wobei p ein Primelementist. Wir mussen zeigen, dass

M = R/(pδ1)⊕ · · · ⊕R/(pδt) (19)

eine direkte Summe zyklischer Moduln ist.Wir haben angenommen, dass R ein nullteilerfreier Hauptidealring, also fak-

toriel, ist. Wir beweisen die Aussage mit Induktion.Da M = M(p) endlich erzeugt ist, existiert ein β > 0 mit Ann(M) = (pβ). Es

existiert also ein x ∈M , sodass pβ−1x 6= 0 ist. Dies bedeutet, dass Ann(〈x〉R) =(pβ) ist. Fur jedes anderes Element y ∈ M \ {0} gilt Ann(〈y〉R) = (pβy ) mitβy ≤ β.

Sei M = M/〈x〉R. Wir nehmen an, dass die Aussage fur M gilt und schreiben

M = R/(pα1)⊕ · · · ⊕R/(pαs).

Wir wahlen einen Erzeuger yi des Untermoduls R/(pαi) < M . Der Annihilatorvon yi in M wird von pαi erzeugt.

Behauptung: Fur jedes i existiert ein Element yi ∈M mit yi ≡ yi (mod 〈x〉R)und AnnM (〈yi〉) = AnnM (〈yi〉) = (pαi).

Wahle zunachst ein beliebiges Element zi ∈M , dass nach yi ∈M abbildet,d.h. zi + 〈x〉R = yi. Es gilt pαiyi = 0 ∈M , also pαizi ∈ 〈x〉R. Wir schreiben

pαizi = pγicx, p - c, γi ≤ β. (20)

Ist γi = β, dann ist pαizi = pβcx = 0 und die Behauptung gilt.Wir nehmen an, dass γi < β ist. Dann ist AnnM (〈zi〉R) = (pαi+β−γi). Es gilt

namlich, dass pαi+β−γizi = pβ−γipγicx = cpβx = 0. Offensichtlich ist αi+β−γidie kleinste Potenz von pmit dieser Eigenschaft. Insbesondere gilt αi+β−γi ≤ β.(Hier haben wir die Definition von β benutzt.) Dies ist aquivalent zu αi ≤ γi.

Wir betrachten nunyi := zi − pγi−αicx.

Offensichtlich gilt yi ≡ zi ≡ yi (mod 〈x〉). Außerdem gilt wegen (20), dass

pαiyi = pαizi − pγicx = 0.

Dies zeigt die Behauptung.

Wir definieren nun N = 〈y1, . . . , ys〉R < M . Per Konstruktion gilt, dass 〈x〉 ∩N = {0}. Außerdem ist {x, y1, . . . , ys} ein Erzeugendensystem von M . Wirschließen, dass

M = R/(pβ)⊕R/((pα1)⊕ · · · ⊕R/(pαs)ist.

Die Existenz der Zerlegung aus Theorem 4.4.10 folgt nun mit Induktion. 2

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Bemerkung 4.4.14 Im obigen Beweis wurde nicht genau gesagt, nach waswir Induktion gemacht haben. Im Hauptteilerring R ist der Primideal (p) auchmaximal (Lemma refprimmaxlem). Es folgt, dass Kp := R/(p) ein Korper ist.Wir definieren

M [pα] = {x ∈M | pα · x = 0}.Der Untermodul M [p] ist ein (endlich erzeugter) Kp-Vektorraum. Insbeson-

dere ist d1 := dimKpM [p] wohldefiniert. Allgemeiner ist M [pα]/M [pα−1] auchein (endlich dimensionaler)Kp-Vektorraum. Schreibe dα := dimKpM [pα]/M [pα−1].Fur ein endlich erzeugter Torsionsmodul M ist N :=

∑i di endlich. Wir haben

die Existenzaussage von Theorem 4.4.10 mit Induktion nach N bewiesen.Man kann zeigen, dass N = γ1 + · · ·+ γt in der Bezeichnung von (19).

Beweis des Theorems: Wir zeigen als nachstes die Existenzaussage vonTheorem 4.4.9. Wir benutzen hier den chinesischen Restsatz (Satz 3.3.5). Wieim Beweis der Existenzaussage von Theorem 4.4.10 durfen wir annehmen, dassM = Mtor ist.

Wie in der Aussage von Lemma 4.4.13 schreiben wirM = M(p1)⊕· · ·⊕M(pt)mit pi 6∼ pj falls i 6= j. Wir zerlegenM(pi) als direkte Summe zyklischer Moduln:

M(pi) = M(pβi,1i )⊕M(p

βi,2i )⊕ · · · , βi,1 ≤ βi,2 ≤ · · · .

Wir erganzen die Menge {βi,j} fur festes i mit Nullen, sodass die Anzahl s derFaktoren fur jedes i gleich ist. Wir definieren nun

aj = pβ1,j

1 · · · pβt,jt .

Offensichtlich gilt aj | aj+1 fur alle j.Wir haben angenommen, dass die Primelemente pi paarweise nicht assoziiert

sind. Dies bedeutet, dass die Ideale (pβi,ji ) und (p

βi′,ji′ ) fur i 6= i′ und βi′,jβi,j 6= 0

teilerfremd sind. Aus der chinesischen Restsatz (Satz 3.3.5) folgt daher, dass

R/(aj) ' R/(pβ1,j

1 )⊕ · · · ⊕R/(pβt,jt )

zyklisch ist. 2

Beispiel 4.4.15 Wir illustrieren an einem Beispiel wie man die invariantenFaktoren aus dem Elementarteiler berechnet. Wir wahlen wieder R = Z undbetrachten die abelsche Gruppe

G = Z/2Z× Z/4Z× Z/4Z× Z/3Z× Z/27Z.

Beachte, dass G in der Form von Theorem 4.4.10 gegeben ist. Wir ordnen die

Faktoren pβi,ji wie im Beweis der Existenz der invarianten Faktoren und finden:

Primelement βi,1 βi,2 βi,3p1 = 2 1 2 2p2 = 3 0 1 3.

Wir finden also a1 = 2 · 1, a2 = 4 · 3, a3 = 4 · 27.

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Die Eindeutigkeitsaussagen von den Theoreme 4.4.9 und 4.4.10 for-mulieren wir als Satz. Dies vervollstandigt der Beweis der beiden Theoreme.

Satz 4.4.16 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring.

(a) Zwei endlich erzeugten R-Moduln M1 und M2 sind genau dann isomorph,wenn sie den gleichen freien Rang und die gleichen invarianten Faktorenhaben.

(b) Zwei endlich erzeugten R-Moduln M1 und M2 sind genau dann isomorph,wenn sie den gleichen freien Rang und die gleichen Elementarteiler haben.

Beweis: Wir beweisen (b). Aussage (a) folgt ahnlich.HabenM1 undM2 den gleichen freien Rang und die gleichen Elementarteiler,

dann sind M1 und M2 offensichtlich isomorph.Wir nehmen an, dass M1 und M2 isomorph sind. Dann gilt M1,tor 'M2,tor,

also auch Rr1 ' M1/M1,tor ' M2/M2,tor ' Rr2 . Wir schließen, dass M1 undM2 den gleichen freien Rang haben (Satz 4.3.6.(a)). Um (b) zu beweisen durfenwir also annehmen, dass M1 und M2 Torsionsmodule sind.

Sei p ∈ R ein Primelement. Jeder R-Isomorphismus zwischen M1 und M2

induziert ein R-Isomorphismus M1(p) ' M2(p). Es reicht also zu zeigen, dassM1(p) und M2(p) die gleiche Elementarteiler haben. Wir nehmen an, dass Mi =Mi(p) und schreiben Ann(M1) = (pβ)(= Ann(M2)).

Wir beweisen die Aussage mit Induktion nach β. Sei

M1 = M1(p) ' R/(pα1)⊕ · · · ⊕R/(pαt), 1 ≤ α1 ≤ · · · ≤ αt ≤ β.

Wir betrachtenM1[p] := {m ∈M1 | p ·m = 0}.

(Beachte den Unterschied zwischen M1(p) und M1(p).)Wir errinnern uns, dass Kp := R/(p) ein Korper ist (Bemerkung 4.4.14). Der

Untermodul M1[p] ist ein Kp-Vektorraum und dimKpM1[p] ist genau die Anzahlt der Elementarteiler. Bemerke, dass dimKpM1[p] = dimKpM2[p], also habenM1 und M2 die gleiche Anzahl von Elementarteiler. Die Aussage fur β = 1 folgthieraus.

Sei j maximal mit αj = 1. Die Elementarteiler des Untermoduls pM1 vonM1 sind 1 ≤ αj+1 − 1 ≤ · · · ≤ αt − 1 ≤ β − 1. Bemerke, dass wir die Ele-mentarteiler mit αi − 1 = 0 weggelassen haben. Wir schreiben s fur die Anzahlder Elementarteiler von pM1. Die Anzahl der Elementarteiler p von M1 ist alsot− s = j.

Die Annahme M1 ' M2 impliziert auch, dass pM1 ' pM2. Mit Induktiondurfen wir annehmen, dass pM1 und pM2 die gleiche Elementarteiler haben,d.h.

pM1 ' R/(pαj+1−1)⊕R/(pαt−1) ' pM2.

Dies impliziert, dass M1 und M2 die gleiche Elementarteiler ungleich p haben.Die Gesamtanzahl t der Elementarteiler ist auch gleich. Die Aussage des Satzesfolgt. 2

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Beispiel 4.4.17 (a) Der Beweis von Satz 4.4.16 liefert eine Methode zur Be-rechnung der Elementarteiler. Wir erlautern dies an einem Beispiel.

Sei G = (Z/24Z)∗. Dies ist eine endliche abelsche Gruppe mit Kardinalitatϕ(24) = 23. Beachte, dassG eine multiplikative Gruppe ist. Die Z-Modulstrukturist also durch i · x = xi gegeben.

Wir bestimmen die Elementarteiler von G. Die Ordnung jedes Elements vonG teilt 23, also gilt G = G(2). Man rechnet nach, dass G[2] = {x ∈ G | x2 = 1(mod 24)} = {1, 7,−7,−1} ' Z/2Z×Z/2Z. Die Anzahl der Elementarteiler istalso t = 2.

Wir ersetzen nun G durch 2G = {x2 | x ∈ G} = {1, 9} ' Z/2Z. DerUntermodul 2G besitzt nur einen Elementarteiler 2. Wir schließen, dass

G ' Z/2Z× Z/4Z.

(b) Wir bestimmen die Anzahl der nicht-isomorphen abelschen Gruppen Gder Ordnung 23 · 32 · 5. Wir bemerken, dass

G(2) ∈ {Z/8Z,Z/2Z× Z/4Z,Z/2Z× Z/2Z× Z/2Z},G(3) ∈ {Z/9Z,Z/3Z× Z/3Z},G(5) ' Z/5Z.

Insgesamt gibt es also 3 ·2 ·1 = 6 Moglichkeiten. Satz 4.4.16 impliziert, dass allediese Moglichkeiten nicht isomorph sind.

4.5 Moduln uber K[t]

Als Spezialfall der Ergebnisse aus Abschnitt 4.4 betrachten wir endlich erzeugtenModuln uber R = K[t], wobei K ein Korper ist. Wir errinnern uns, dass R einHauptidealring ist.

Sei V ein endlich dimensionaler K-Vektorraum und T : V → V eine li-neare Abbildung. Wir nehmen einfachheitshalber an, dass V 6= (0) ist. Seir =

∑ni=0 rit

i ∈ R und v ∈ V . Wir definieren eine R-Modulstruktur auf Vdurch

r · v =

n∑i=0

riTi(v),

wobei T i = T ◦ · · · ◦ T die i-fache Verknupfung von T ist. Man uberlegt sichleicht, dass dies in der Tat einen R-Modulstruktur definiert: Die R-Modulaxiomefolgen in dieser Situation direkt aus der Tatsache, dass V ein K-Vektorraum undT eine K-lineare Abbildung ist. Wir schreiben VT fur diesem R-Modul um dieAbhangigkeit des Modulstrukturs der linearen Abbildung zu unterstreichen.

Beispiel 4.5.1 Wir betrachten R = K[t] und V = K2 und schreiben (e1, e2)fur die Standardbasis von V als K-Vektorraum. Wir definieren zwei verschiedeneR-Modulstrukture Mi auf V durch die lineare Abbildungen

T1 =

(0 10 0

), T2 =

(0 1−1 0

).

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Wir bemerken, dass T 21 = 0 (die Nullmatrix) und T 2

2 = −E2 ist. Hierbei ist E2

die 2× 2-Einheitsmatrix.Sei r =

∑ni=0 rit

i ∈ R. Dann ist r(T ) :=∑ni=0 riT

i1 = r0E2 + r1T1 und r

wirkt auf M1 = V als die Matrix (r0 r10 r0

). (21)

Insbesondere gilt T1(e2) = e1. Das Element e1 ist also ein Erzeuger von M1 alsR-Modul und M1 ist zyklisch.

Es gilt r ∈ Ann(M1) genau dann, wenn die Matrix (21) verschwindet, alsowenn r0 = r1 = 0. Dies ist aquivalent zu t2 | r. Es folgt, dass Ann(M1) = (t2).Aus der ersten Isomorphiesatz folgt, dass M1 ' R/(t2) ist (Beispiel 4.4.2.(c)).

Wir betrachten nun den R-Modul M2 gehorig zu T2. In diesem Fall istAnn(M2) = (t2 + 1). Der R-Modul M2 ist ebenfalls zyklisch: Ein Erzeugerist beispielsweise e1, da (e1, T2(e1) = −e2) eine Basis von V als K-Vektorraumist. Es folgt, dass M1 ' R/(t2 + 1).

Wir betrachten einen R-Modul VT wie oben. Sei S = (v1, . . . , vn) eine K-Basis von V . Dann ist S auch ein Erzeugendensystem von VT als R-Modul.Insbesondere ist VT endlich erzeugt. Alternativ kann man auch benutzen, dassdimK R =∞. Diese Beobachtung impliziert sofort, dass der freien Rang von VTals R-Modul Null ist. Es folgt, dass VT = (VT )tor ein Torsionsmodul ist.

Der Annihilator eines endlich erzeugten Torsionsmoduls ist ungleich Null.Also ist Ann(VT ) = (f) < K[t] fur einem nicht-konstanten Polynom f ∈ K[t].Wir durfen annehmen, dass f normiert ist. Dann ist f eindeutig bestimmt.

Definition 4.5.2 Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und T : V →V eine lineare Abbildung. Das Minimalpolynom von T ist das (eindeutig be-stimmte) normierte Polynom mT (t) mit Ann(VT ) = (mT ).

Ander gesagt: mT ist das normierte Polynom kleinsten Grades mit mT (T ) =0. (Hierbei ist mT (T ) die Matrix, die wir erhalten, wenn wir T fur die Variablet einsetzen.) Beispiele hierfur haben wir im Beispiel 4.5.1 gesehen.

Theorem 4.4.9 impliziert die Existenz von Polynome ai ∈ K[t] mit a1 | · · · |as, sodass

VT ' R/(a1)⊕ · · · ⊕R/(as), a1 | · · · | as.

Die invariante Faktoren ai sind eindeutig bis auf Einheiten. Nehmen wir also an,dass die ai normiert sind, dann sind sie eindeutig. Der Annihilator ist erzeugtvom großten invarianten Faktor as. Es gilt also mT = as und alle invariantenFaktoren von VT teilen das Minimalpolynom mT .

Wir beschreiben die zyklischen ModulnM = R/(a), wobei a = tn+cn−1tn−1+

· · · + c0 ∈ K[t]. Dazu wahlen wir die Basis S = (1, t, . . . , tn−1) von M als K-Vektorraum. Multiplikation mit t definiert ein R-Homomorphismus von M , alsoauch eine K-lineare Abbildung T : Kn → Kn. In der obigen Bezeichung ist also

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M = VT , wobei V = Kn ist. Bezuglich der Basis S gilt

MS(T ) =

0 −c01 −c1

. . ....

1 −cn−1

.

Diese Matrix heißt Begleitmatrix des Polynoms a(t). Wir benutzen die Bezeich-nung Ba fur die Begleitmatrix des Polynoms a(t).

Das folgende Lemma beweist man mit Induktion und die Laplace-Entwicklungdes Determinanten. Wir schreiben cA(t) := det(tI − A) fur das charakteristi-sche Polynom einer quadratischen Matrix A ∈Mn,n(K). (Diese Definition sorgtdafur, dass cA ein normiertes Polynom ist.)

Lemma 4.5.3 Sei Ba die Begleitmatrix des Polynoms a(t). Dann gilt cBa(t) =a(t).

Dies liefert eine Normalform fur Matrizen, die sogenannte rational kanoni-sche Normalform. Wir illustrieren dies zuerst in einem Beispiel.

Beispiel 4.5.4 Wir betrachten V = K3 und die lineare Abbildung T : V → Vbezuglich die Standardbasis (e1, e2, e3) von V gegeben durch die Matrix

A =

1 1 00 1 00 0 1

.

Es gilt, dass (A − E3)2 = 0, also (t − 1)2 ∈ Ann(VT ). Die einzige nichttrivialeTeiler von (t − 1)2 in R = K[t] ist t − 1, aber A 6= E3. Wir schließen, dassAnn(VT ) = ((t− 1)2) und das Minimalpolynom ist mT (t) = (t− 1)2.

Wir berechnen die invarianten Faktoren. Bemerke, dass dimK R/((t−1)2) =2 < 3. Es gibt also eine weitere invariante Faktor außer mT . Wir bemerken, dass

V1 = 〈e1, e2〉K = 〈e2〉R, V2 = 〈e3〉K = 〈e3〉r

zyklische Untermoduln von VT sind. Der Grund ist, dass T (Vi) ⊂ Vi, d.h. die Visind Untervektorraume von V , die von T invariant gelassen werden.

Es gilt Ann(V1) = ((t− 1)2) und Ann(V2) = (t− 1). Die invariante Faktorenvon VT sind also a1 = t− 1, a2 = (t− 1)2. (Alternativ folgt dies auch aus Satz4.5.5.)

Wir berechnen die Begleitmatrix von T . Dazu beschranken wir uns zunachstauf den zyklischen Untermoduln V1, V2. Die Begleitmatrix von T |V1

ist(0 −11 2

),

da das Minimalpolynom (t− 1)2 = t2 − 2t+ 1 ist. Die zugehorige Basis von V1als K-Vektorraum ist (e2, y := T (e2) = e1 + e2). Die Begleitmatrix von T |V2

istdie 1× 1-Einheitsmatrix.

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Die Matrix von T bezuglich der Basis (e3, e2, y) von V als K-Vektorraum ist

M(T ) =

10 −11 2

.

Wir betrachten wieder eine beliebige lineare Abbildung T : V → V .Wirschreiben a1, . . . , as fur die invariante Faktoren und Cai fur die Begleitmatrixdes Polynoms ai. Dann existiert eine Basis S von V als K-Vektorraum, sodass

MS(T ) =

Ca1 . . .

Cas

.

Dieser Normalform heißt rational kanonischer Form der linearen Abbildung T .Aus Theorem 4.4.9 folgt, dass diese Normalform eindeutig ist.

Satz 4.5.5 Sei K ein Korper und A ∈ Mn,n(K) eine Matrix mit invariantenFaktoren a1, . . . , as. Dann gilt:

(a) Das charakteristische Polynom cA von A erfullt cA =∏si=1 ai.

(b) (Cayley–Hamilton) Das Minimalpolynom mA teilt das charakteristischePolynom cA. Insbesondere gilt cA(A) = 0.

(c) Es existiert ein α ∈ N, sodass cA | mαA.

Beweis: Aussage (a) folgt aus Lemma 4.5.3. Aussage (b) folgt aus der Tat-sache, dass mA(t) = as(t) die großte invariante Faktor ist. Aussage (c) folgt ausa1 | a2 | · · · | as. 2

Beispiel 4.5.6 Sei A ∈ M3,3(K) eine Matrix mit cA(t) = (t − 1)3. Dann istmA(t) = (t− 1)i mit i ∈ {1, 2, 3}.

Ist mA(t) = t − 1, dann ist A = E3. Die invariante Faktoren sind a1(t) =a2(t) = a3(t) = t− 1.

Ist mA(t) = (t−1)2, dann sind die invariante Faktoren (t−1), (t−1)2. DieserFall haben wir im Beispiel 4.5.4 betrachtet.

Ist mA(t) = cA(t) = (t − 1)3 = t3 − 3t2 − 3t + 1, dann ist VT zyklisch unddie rational kanonischer Form ist0 0 −1

1 0 30 1 3

.

Wir betrachten nun die Aussage von Theorem 4.4.10 (Elementarteiler). Wirnehmen dafur einfachheitshalber an, dass K ein algebraisch abgeschlossenerKorper ist. Die Primelemente von R = K[t] sind daher die linearen Polynomet− a, a ∈ K und jedes Polynom in K[t] zerfallt in Linearfaktoren.

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Sei T : V ' Kn → V eine lineare Abbildung und sei VT wieder der entspre-chende R-Modul. Wir schreiben

cT (t) =∏i

(t− λi)αi ,

wobei die Eigenwerte λi paarweise verschieden sind.Theorem 4.4.10 impliziert, dass VT ein Produkt zyklischer Moduln der Form

R/(t− λi)k, k ≤ αi

ist. Der Grund ist, dass alle relevante Primelemente Teiler von mT | cT sind.Wir beschreiben die zyklische Faktoren M = R/(t − λ)k. Dazu betrachten

wir die Basis fj = (t − λ)j , j = 0, . . . , k − 1 von M als K-Vektorraum. Dielineare Abbildung T eingeschrankt auf M entspricht die Multiplikation mit tauf M . Die Abbildung T wirkt daher als

Tfj = t · (t− λ)j = [λ+ (t− λ)](t− λ)j

=

{λfj + fj+1 j + 1 < k,

λfj j + 1 = k.

Wir haben benutzt, dass Ann(M) = ((t − λ)k), also ist Multiplikation mitfk = (t− λ)k Null auf M .

Die Matrix von T bezuglich der K-Basis (fk−1, . . . , f0) von M ist alsoλ 1

0. . .

. . .

. . . 1λ

.

Dies entspricht einen Jordan-Block.Theorem 4.4.10 sagt also, dass eine K-Basis von V existiert, bezuglich der

die Matrix von T in Jordan-Normalform ist. Die Jordan-Blocke sind eindeutigbis auf Reihenfolge. Wir bemerken, dass T genau dann diagonalisierbar ist, wennalle Jordan-Blocke 1 × 1-Blocke sind. Dies ist aquivalent zur Aussage, dass dieElementarteiler alle Grad 1 als Polynom in t besitzen.

Fur die Existenz einer Jordan-Basis uber K reicht es, dass das charakteristi-sche Polynom uber K in Linearfaktoren zerfallt. Dies ist aquivalent zur Aussage,dass alle Eigenwerte λi in K sind.

Beispiel 4.5.7 (a) Wir betrachten

A =

1 0 00 0 −20 1 3

∈M3,3(R).

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Wir bemerken, dass V1 := 〈e1〉 und V2 := 〈e2, e3〉 von A invariant gelassenenUntervektorraume von V = R3 sind. Es folgt, dass V1 und V2 R-Untermodulnvon VA sind.

Die Einschrankung von A auf Vi eine Begleitmatrix: Es gilt A|V1= Ba1

mit a1 = t − 1 und A|V2= Ba2 mit a2 = t2 − 3t + 2. Die Matrix A ist also

genau dann in rational kanonischer Form, wenn a1 | a2. Dies ist der Fall, daa2(t) = (t− 1)(t− 2). Satz 4.5.5 impliziert, dass das characteristische PolynomcA(t) = a1 · a2 = (t − 1)2(t − 2) und das Minimalpolynom mA(t) = a2(t) ist.Wir schließen, dass

VA ' R/(t− 1)⊕R/((t− 1)(t− 2))

ist.Die Polynome (t− 1) und (t− 2) sind teilerfremd. Der chinesische Restsatz

(Satz 3.3.5) impliziert, dass R/((t− 1)(t− 2)) ' R/(t− 1)⊕R/(t− 2) ist. DieElementarteiler sind also t−1, t−1, t−2. Die Matrix A ist also diagonalisierbar.

(b) Sei A ∈ Mn,n(K) mit Ak = En und Ak−1 6= En. Es folgt, dass tk −1 ∈ Ann(VA), also mA | (tk − 1). Sei K ein Korper, der eine primitive k-teEinheitswurzel enthalt. (Beispielsweise konnen wir K = C wahlen.)

Dann zerfallt tk − 1 in Linearfaktoren, namlich

(tk − 1) =

k−1∏i=0

(t− ζik) ∈ K[t].

Insbesondere sind alle Nullstellen von tk−1, und daher auch von mA, paarweiseverschieden. Dies impliziert, dass alle Elementarteiler von A Grad 1 haben.Insbesondere ist die Matrix A diagonalisierbar.

(c) Wir betrachten die Matrix

B =

(1 10 1

)∈M2,2(Fp). (22)

Mit Induktion zeigt man, dass

Bk =

(1 k0 1

).

Wir sehen, dass Bk 6= E2 fur 1 ≤ k ≤ p−1 und Bp = E2. Also ist B eine Matrixmit Ordnung p, aber B ist nicht diagonalisierbar. Der Grund ist, dass

(tp − 1) = (t− 1)p ∈ Fp[x].

Das Minimalpolynom mB von B ist (t−1)2. Der Unterschied zu der Situationin Charakteristik 0 ist, dass 1 in Charakteristik p die einzige p Einheitswurzelist.

Die Matrix B besitzt in Charakteristik 0 unendliche Ordnung.

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5 Kommutative Algebra und algebraische Geo-metrie

In diesem Kapitel ist R 6= {0} stets ein kommutativer Ring mit 1 und Kein Korper mit unendlich vielen Elementen. (Siehe Bemerkung 5.1.1 fur eineBegrundung.) Eine Referenz fur diesem Kapitel ist [5, Kapitel 15]. KurzereEinfuhrungen finden Sie in [2, Abschnitt 3.9] und [1, Abschnitt 10.8].

5.1 Affine algebraische Mengen

Sei K ein Korper. Fur n ∈ N bezeichnen wir

AnK := Kn = {P = (a1, . . . , an) | ai ∈ K}

und nennen dies die affine Standardraum der Dimension n uber K. Die ElementeP = (a1, . . . , an) ∈ AnK heißen Punkte von AnK .

Bemerkung 5.1.1 Jedes Polynom f ∈ K[x1, . . . , xn] definiert eine Abbildung

AnK → K, P 7→ f(P ) ∈ K.

Die Funktionen x := (x1, . . . , xn) sind die Standardkoordinaten des affinenRaumes AnK . Wir schreiben auch K[x] = K[x1, . . . , xn].

Wir erinnern, dass zwei Polynome genau dann gleich sind, wenn alle Koeffi-zienten gleich sind. Da wir annehmen, dass K unendlich viele Elemente besitzt,definieren zwei verschiedene Polynome f, g ∈ K[x] auch verschiedene Funktio-nen. Wir konnen mussen deshalb nicht zwischen das Polynom f und die von fdefinierte Abbildung unterscheiden. Dies gilt nicht, wenn K = Fq endlich ist:Beispielsweise verschwindet xq − x fur alle x ∈ Fq.

Definition 5.1.2 Sei K ein Korper und I < K[x] ein Ideal. Wir bezeichnenmit

Z(I) = {P ∈ AnK | f(P ) = 0 ∀f ∈ I}

die Menge der gemeinsamen Nullstellen aller Polynome aus I. Eine TeilmengeZ ⊂ AnK der Form Z = Z(I) heißt (affine) algebraische Menge.

Sind f1, . . . , fm Erzeuger eines Ideals I < K[x1, . . . , xn], dann gilt offensicht-lich

Z(I) = {P ∈ AnK | f1(P ) = · · · = fm(P ) = 0}.

Wir schreiben in dieser Situation manchmal auch Z(f1, . . . , fm) anstatt Z(I).Im nachsten Abschnitt werden wir zeigen, dass alle Ideale I < K[x1, . . . , xn]endlich erzeugt sind (Theorem 5.3.6). Es ist also keine Einschrankung nur solcheIdeale zu betrachten.

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Beispiel 5.1.3 (a) Ist A ∈ Mm,n(K) eine Matrix und b ∈ Kn, dann definiertdie Losungsmenge des linearen Gleichungssystems Axt = b eine affine algebrai-sche Menge. Insbesondere ist jeder Punkt P = (a1, . . . , an) als Nullstellenmengedes Ideals

(x1 − a1, . . . , xn − an) < K[x]

algebraisch.(b) Die Ideale I = (x2) und J = (x22) von K[x1, x2] definieren die gleiche

algebraische Menge.

Satz 5.1.4 Seien I, J < K[x] Ideale.

(a) Ist I < J , dann ist Z(I) ⊃ Z(J). Die Abbildung Z ist also Inklusions-umkehrend oder kontravariant.

(b) Die Vereinigung zweier algebraischen Mengen ist auch algebraisch und esgilt Z(I) ∪ Z(J) = Z(I · J) = Z(I ∩ J).

(c) Es gilt Z(I)∩Z(J) = Z(I+J). Allgemeiner ist eine beliebige Schnittmengealgebraischer Mengen

∩iZ(Ii)

auch allgebraisch.

Beweis: Ubungsaufgabe. 2

Bemerkung 5.1.5 Satz 5.1.4 erlaubt die Definition einer Topologie auf Z(I):Die abgeschlossenen Mengen sind die algebraischen Mengen. Wir bemerken,dass ∅ = Z(1) und AnK = Z(0) algebraisch sind. Diese Topologie heißt Zariski-Topologie. Ist K = R oder K = C, dann ist diese Topologie grober als die ublicheTopologie. Die Zariski-Topologie ist uber einen beliebigen Korper definiert.

Beispiel 5.1.6 (a) Sei I = (x) < J = (x, y) < K[x, y]. Dann ist Z(I) diey-Achse und Z(J) der Ursprung und es gilt Z(I) ⊃ Z(J).

(b) Wir betrachten I = (x), J = (y) < K[x, y]. Dann ist I ·J = I∩J = (x·y).Wir sehen, dass Z(I · J) = Z(I)∪Z(J) die Vereinigung der y- mit der x-Achseist.

Sei Z ⊂ AnK eine algebraische Menge. Wir haben gesehen, dass verschiedeneIdeale mit Nullstellenmenge Z existieren (Beispiel 5.1.3.(b)). Es existiert aberein endeutig bestimmtes großtes Ideal I mit Z = Z(I).

Definition 5.1.7 Sei Z ⊂ AnK eine beliebige Menge. Wir definieren

I(Z) := {f ∈ K[x1, . . . , xn] | f(P ) = 0 fur alle P ∈ Z}

und nennen I(Z) das Verschwindungsideal von Z. Man sieht leicht, dass I(Z)in der Tat ein Ideal von K[x1, . . . , xn] ist.

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Ist Z = Z(I) eine affine algebraische Menge, dann heißt

K[Z] = K[x1, . . . , xn]/I(Z)

der Koordinatenring von Z.

Beispiel 5.1.8 (a) Es gilt I(AnK) = (0), also K[AnK ] = K[x1, . . . , xn]. (Hierhaben wir benutzt, dass |K| =∞ ist.)

(b) Sei I = (y2) < K[x, y]. Dann ist Z = Z(I) die y-Achse und es giltI(Z) = (y). Der Koordinatenring ist K[Z] = K[x, y]/(y) ' K[x].

(c) Sei Z = Z(y2 − x3) ⊂ A2K . Sei P = (a, b) ∈ Z. Es gilt also, dass b2 = a3.

Ist a 6= 0, dann ist auch b 6= 0. Wir definieren c = (b/a). Es gilt

a =

(b

a

)2

= c2, b =

(b

a

)3

= c3.

Außerdem ist a = 0 genau dann, wenn b = 0. Wir schließen, dass

Z = {(c2, c3) ∈ K2}.

Wir mochten zeigen, dass I(Z) = (y2−x3) ist. Sei dazu f ∈ K[x, y] beliebig.Wir schreiben

f(x, y) = f0(x) + f1(x)y + g(x, y)(x3 − y2).

Jedes Polynom f kann man so schreiben, da {xiyj | i ≥ 0, j ∈ {0, 1}} eineK-Basis von K[x, y]/(x3 − y2) bildet. Die Bedingung f(P ) = 0 fur alle P =(c2, c3) ∈ Z ist aquivalent zu

f0(c2) + f1(c2) · c3 = 0 fur alle c ∈ K. (23)

Wir schreibenf0(x) =

∑i

αixi, f1(x) =

∑i

βixi.

Dann enthalt f0(c2) =∑i αic

2i nur gerade Potenzen von c und f1(c2) · c3 =∑i βic

2i+3 nur ungerade Potenzen. Die Bedingung (23) ist also aquivalent zuf0 = f1 = 0, also zu f ∈ (y2 − x3). Wir schließen, dass I(Z) = (y2 − x3). Sieheauch Beispiel 5.5.7 fur einem alternativen Beweis.

Der Koordinatenring von Z ist K[Z] = K[x, y]/(y2 − x3). Das obige Argu-ment zeigt, dass

K[Z] = K[x, y]/(y2 − x3) ' K[t2, t3] ( K[t],

wobei ϕ := K[x, y]/(y2 − x3)∼→ K[t2, t3] durch x 7→ t2, y 7→ t3 definiert wird.

Im Abschnitt 5.5 charakterisieren wir das Verschwindungideal I(Z) genauer.Dies macht die Bestimmung des Ideals wie in Beispiel 5.1.3.(c) einfacher.

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Bemerkung 5.1.9 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge und K[Z] derKoordinatenring. Die Elemente f ∈ K[Z] konnen wir als Funktionen f : Z → Kauffassen. Fur Z = AnK haben wir dies schon gesehen (Bemerkung 5.1.1). Seienf, g ∈ K[x1, . . . , xn] zwei Polynome mit f ≡ g (mod I(Z)). Wir schreiben f =g+ h mit h ∈ I(Z). Dann ist h(P ) = 0 fur alle P ∈ Z und es gilt f(P ) = g(P ).Umgekehrt definieren f, g ∈ K[x1, . . . , xn] genau die gleiche Funkktion von Znach K, wenn f − g ∈ I(Z) ist.

Lemma 5.1.10 Seien A,B ⊂ AnK Teilmengen.

(a) Ist A ⊂ B, dann ist I(B) ⊂ I(A).

(b) Es gilt I(A ∪B) = I(A) ∩ I(B).

(c) Fur jedes Ideal I gilt I ⊂ I(Z(I)).

(d) Ist Z ⊂ AnK , dann ist Z ⊂ Z(I(Z)) mit Gleichheit genau dann, wenn Zeine affine algebraische Menge ist.

Beweis: Ubungsaufgabe. 2

5.2 Morphismen

In diesem Abschnitt beschreiben wir Abbildungen zwischen affinen algebrai-schen Mengen. Dazu fuhren wir zuerst einige Begriffe ein.

Definition 5.2.1 Sei R ein kommutativer Ring (mit 1). Eine R-Algebra ist einkommutativer Ring A zusammen mit einem injektiven Ringhomomorphismus

ϕ : R ↪→ A.

Ist A eine R-Algebra, dann konnen wir R via ϕ als Teilring von A auffassen.Wir sagen manchmal auch, dass A eine Ringerweiterung von R ist und schreibenA/R.

Wir konnen eineR-AlgebraA auch alsR-Modul auffassen: DieR-Modulstruk-tur ist als r · a := ϕ(r)a fur r ∈ R und a ∈ A definiert.

Sei A/R eine Ringerweiterung und S ⊂ A eine beliebige Teilmenge. Wirbezeichnen mit

R[S] ⊂ A

der von S uber R erzeugte Unteralgebra, d.h. die kleinste R-Algebra von A, dieS enthalt. Die R-Algebra A ist (algebraisch) endlich erzeugt, wenn A = R[S]mit |S| <∞.

Beachten Sie den Unterschied zwischen endlich erzeugt als R-Algebra undals R-Modul: Der Polynomring K[x] ist endlich erzeugt als K-Algebra, abernicht endlich erzeugt als K-Modul.

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Bemerkung 5.2.2 Definition 5.2.1 ist nicht die allgemeinst mogliche Definiti-on. In der Literatur erlaubt man auch, dass A nichtkommutativ und ϕ nichtinjektiv ist (beispielsweise in [5, Abschnitt 10.1]). Ist A nichtkommutativ, dannfordert man, dass das Bild ϕ(R) im Zentrum {x ∈ A | ax = xa∀a ∈ A} vonA enthalten ist. Wir betrachten dies hier nicht: Wir nehmen weiterhin an, dassalle Ringen kommutativ mit 1 sind.

Definition 5.2.3 SeienA undB zweiR-Algebren. EinR-Algebrahomomorphis-mus ist ein Ringhomomorphismus ψ : A → B mit ψ(r · a) = r · ψ(a) fur aller ∈ R und a ∈ A.

Der KoordinatenringK[Z] = K[x1, . . . , xm]/I(Z) einer affinen algebraischenMenge ist eine endlich erzeugte K-Algebra. Seien Z ⊂ AmK und W ⊂ AnK affinealgebraische Mengen und

ϕ : K[Z]→ K[W ]

ein K-Algebrahomomorphismus (Definition 5.2.3). Der folgende Satz zeigt, dassman zu ϕ eine Abbilding ψ : W → Z mit der Eigenschaft ϕ(f) = f ◦ ψ asso-zieren kann. Definition 5.2.5 definiert die entsprechende Abbildungen zwischenalgebraische Mengen. Wir betrachten zunachst ein Beispiel.

Beispiel 5.2.4 Wir betrachten den K-Algebrahomomorphismus

ϕ : A = K[x] ↪→ B = K[x, y]/(y2 − x)

induziert von der offensichtlichen Einbettung von A in B, d.h. wir fassen B =A[y]/(y2 − x) als Erweiterung von A auf. Ist f(x) ∈ K[x], dann ist ϕ(f(x)) =f(x) ∈ B. Wir schreiben A = K[A1

K ] und B = K[W ].Die zugehorige Abbildung algebraischer Mengen ist

ψ : W → A1K , (x, y) 7→ x.

Ist namlich f(x) ∈ K[x], dann ist

f ◦ ψ : W → K, y 7→ f(x)

ein Element von B. Dies ist genau die Abbildung ϕ.

Definition 5.2.5 Seien Z ⊂ AmK und W ⊂ AnK affine algebraische Mengen.Eine Abbildung ψ : W → Z heißt Morphismus, wenn Polynome ψ1, . . . , ψm ∈K[x1, . . . , xn] mit

ψ(P ) = (ψ1(P ), . . . , ψm(P ))

fur alle P = (a1, . . . , an) ∈W existieren. Der Morphismus ψ ist ein Isomorphis-mus, wenn ein Morphismus ψ′ : Z → W mit ψ ◦ ψ′ = 1Z und ψ′ ◦ ψ = 1Wexistiert.

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Beispiel 5.2.6 Wir betrachten nochmals B = K[x, y]/(y2 − x) = K[W ]. Esgilt B ' K[y]. Dies entspricht der Isomorphismus

W → A1K , (x, y) 7→ y.

Die Umkehrabbildung ist y 7→ (y2, y).Die Abbildung ψ : W → A1

K , (x, y) 7→ x aus Beispiel 5.2.4 ist kein Isomor-phismus, da ψ keine Bijektion ist.

Satz 5.2.7 Seien Z ⊂ AmK und W ⊂ AnK affine algebraische Mengen.

(a) Ist ψ : W → Z ein Morphismus, dann definiert

ψ∗ : K[Z]→ K[W ], f 7→ f ◦ ψ

ein K-Algebrahomomorphismus.

(b) Sei ϕ : K[Z]→ K[W ] ein K-Algebrahomomorphismus. Dann existiert eineindeutiger Morphismus ψ mit ϕ = ψ∗.

(c) Sind ψ1 : V →W und ψ2 : W → Z Morphismen, dann gilt

(ψ1 ◦ ψ2)∗ = ψ∗2 ◦ ψ∗1 : K[Z]→ K[V ].

(d) Der Morphismus ψ : W → Z ist genau dann ein Isomorphismus, wenn ψ∗

ein K-Algebraisomorphismus ist.

Beweis: Wir beweisen (a) und (b) und uberlassen (c) als Ubungsaufgabe.Aussage (d) folgt direkt aus (c).

Wir schreiben x1, . . . , xn fur die Standardkoordinaten auf AnK und y1, . . . , ymfur die Standardkoordinaten auf AmK um Verwirrung zu vermeiden.

(a) Sei ψ : W → Z ein Morphismus und seien ψ1, . . . , ψm ∈ K[x1, . . . , xn]wie in Definition 5.2.5. Sei f ∈ K[y1, . . . , ym] ein Polynom. Dann ist f ◦ ψ =f(ψ1, . . . , ψm) ein Polynom in K[x1, . . . , xn]. Ist f ∈ I(Z), dann ist f(P ) = 0fur alle P ∈ Z. Fur Q ∈ W ist P = ψ(Q) ∈ Z und (f ◦ ψ)(Q) = f(ψ(Q)) =f(P ) = 0. Es gilt daher f ◦ ψ ∈ I(W ). Es folgt, dass ψ eine Abbildung

ψ∗ : K[Z]→ K[W ], f 7→ f ◦ ψ

induziert. Man uberpruft leicht, dass dies ein K-Algebrahomomorphismus ist.(b) Sei nun ϕ : K[Z] = K[y1, . . . , ym]/I(Z)→ K[W ] = K[x1, . . . , xn]/I(W )

ein K-Algebrahomomorphismus. Wir wahlen Reprasentanten ξi ∈ K[x1, . . . , xn]der Restklassen ϕ(yi) + I(W ). Dies definiert einen Morphismus

ϕ : AnK → AmK , P = (a1, . . . , an) 7→ (ξ1(P ), . . . , ξn(P )).

Wir mussen zeigen, dass ϕ Punkte von W auf Punkte von Z abbildet SeiP ∈W und Q = ϕ(P ) ∈ AmK .

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Betrachte f ∈ I(Z). Nach Definition von K[Z] ist f(y1, . . . , ym) = 0 ∈ K[Z].Also gilt auch ϕ(f) = 0 ∈ K[W ]. Die Abbildung ϕ : K[Z] → K[W ] ist ein K-Algebrahomomorphismus. Dies impliziert, dass

0 = ϕ(f(y1, . . . , ym)) = f(ϕ(y1), . . . , ϕ(ym)) ∈ K[W ].

Einsetzen von Q = ϕ(P ) liefert also

f(Q) = f(ϕ(P )) = ϕ(f(P )) = 0.

Wir schließen, dass f(Q) = 0 fur alle f ∈ I(Z). Dies bedeutet, dassQ ∈ Z(I(Z))ist. Lemma 5.1.10.(d) sagt, dass Z(I(Z)) = Z ist. Dies zeigt, dass ϕ : W → Zein Morphismus ist. Aussage (b) folgt. 2

5.3 Noethersche Ringen und der Hilbertsche Basissatz

In diesem Abschnitt beschaftigen wir uns mit noetherschen Ringen. Noether-sche Ringen sind eine Verallgemeinerung von Hauptidealringen und spielen einewichtige Rolle in der algebraischen Geometrie. Obwohl wir in diesem Kapitelnur noethersche Ringen benotigen, betrachten wir zunachst eine etwas allgemei-nere Definition. Der Grund ist, dass Satz 5.3.3 ohne Anderungen auch in derallgemeineren Situation gilt.

Definition 5.3.1 Sei R ein kommutativer Ring.

(a) Ein R-Modul M heißt noethersch, wenn jeder Untermodul von M endlicherzeugt ist.

(b) Ein Ring R heißt noethersch, wenn R noethersch als R-Modul ist, d.h.wenn jedes Ideal I < R endlich erzeugt ist.

Beispiel 5.3.2 (a) Jeder nullteilerfreie Hauptidealring, wie Z oder K[x], ist of-fensichtlich noethersch. Noethersche Ringen sind daher eine Verallgemeinerungvon Hauptidealringen.

(b) Der Ring Z[x1, x2, . . .] mit abzahlbar unendlich vielen Erzeuger ist nichtnoethersch, da das Ideal I = (x1, x2, . . .) nicht endlich erzeugt ist.

(c) Der Ring C[0, 1] der stetigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] ist nichtnoethersch (Ubungsaufgabe).

Ein noetherscher Ring kann beliebig lange, aber endliche, aufsteigendeKetten von Idealen besitzen. Beispielsweise ist

(pn) ( (pn−1) ( · · · ( (p)

eine Kette der Lange n von Idealen in Z. Ein noetherscher Ring kann unendlichlange absteigende Ketten von Idealen besitzen. Beispielsweise ist

(p) ) (p2) ) (p3) ) · · ·

eine unendliche lange absteigende Kette von Idealen in Z.

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Satz 5.3.3 Sei M ein R-Modul. Folgende Bedingungen sind aquivalent.

(a) Der R-Modul M ist noethersch.

(b) Jede aufsteigende Kette von Untermoduln

N1 ⊂ N2 ⊂ N3 ⊂ · · · ⊂M

von M ist schließlich konstant, d.h. es existiert ein n, sodass Nn = Nmfur alle m ≥ n. Solche Ketten heißen stationar ist.

(c) Jede nichtleere Menge von Untermoduln besitzt ein maximales Elementbezuglich Inklusion.

Wir erinnern an die Definition von Maximalitat. Sei N eine Menge. EinElement N ∈ N heißt maximal (bezuglich Inklusion), wenn fur alle N ′ ∈ N mitN ⊂ N ′ gilt, dass N ′ = N ist.

Beweis: “(a)⇒(b)”: Sei M noethersch und N1 ⊂ N2 ⊂ · · · eine aufsteigendeKette von Untermoduln von M wie in (b). Die Vereinigung

N = ∪iNi

ist auch ein Untermodul von M . Da M noethersch ist, ist N endlich erzeugt.Sei N = 〈x1, . . . , xr〉R ein Erzeugendensystem. Jedes xi ∈ N ist in einem Njienthalten Es existiert ein Index n, sodass xi ∈ Nn fur alle i. (Beispielsweisen = maxi(ji).) Also ist N ⊂ Nn und es folgt, dass Nn = Nm = N fur allem ≥ n.

“(b)⇒(c)”: Wir nehmen an, dass (b) gilt. Sei N eine nichtleere Menge vonUntermoduln von M . Wahle N1 ∈ N . Ist N1 maximal, gilt (c). Wir nehmenalso an, dass N1 nicht maximal ist. Es existiert also ein Element N2 ∈ N mitN1 ( N2 ⊂ M . Induktiv finden wir eine unendliche, streng aufsteigende Kettevon Untermoduln

N1 ( N2 ( N3 ( · · · , Ni ∈ N .

Dies widerspricht (b).“(c)⇒(a)”: Wir nehmen an, dass (c) gilt. Sei N ⊂ M ein Untermodul. Wir

betrachten die MengeN aller endlich erzeugten Untermoduln von N . Die MengeN ist nichtleer, da (0) ∈ N ist. Aussage (c) impliziert, dass N ein maximalesElement N ′ enthalt. Wir zeigen, dass N = N ′ ist. Hieraus folgt, dass N endlicherzeugt ist.

Ist N ′ ( N , dann existiert ein Element x ∈ N \ N ′. Der Modul N ′′ =N ′ + 〈x〉R ist auch endlich erzeugt und N ′ ( N ′′ ⊂ N . Dies widerspricht dieMaximalitat von N ′. Wir schließen, dass N = N ′ ist. 2

Korollar 5.3.4 Sei R ein noeterscher Ring und I ( R ein Ideal. Dann existiertein maximales Ideal m mit I < m.

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Bemerkung 5.3.5 Die Aussage von Korollar 5.3.4 gilt auch fur nicht-noetherscheRingen. Der Beweis der allgemeinen Version benutzt das Lemma von Zorn. (Sie-he auch Behauptung II im Beweis von Theorem 1.4.6.)

Der folgende Satz ist ahnlich zu Satz 3.6.7.

Theorem 5.3.6 (Hilbertscher Basissatz) Sei R ein noetherscher Ring. Dannist R[x] ebenfalls noethersch.

Beweis: Sei R ein noetherscher Ring und I < R[x] ein Ideal. Fur alle j ∈ Ndefinieren wir Jj ⊂ R als die Menge

Jj = {a ∈ R | ∃f(x) = axj + Terme kleineren Grades inI} ∪ {0},

der Elemente a ∈ R, sodass ein Polynom mit fuhrendem Term axj in I existi-stiert, vereinigt mit 0. Bemerke, dass Jj < R ein Ideal ist.

Ist f ∈ I ein Polynom mit fuhrendem Term axj , dann ist xf auch in I undbesitzt einen fuhrenden Term axj+1. Wir schließen, dass

J1 ⊂ J2 ⊂ · · · ⊂ R

eine aufsteigende Ketten von Ideale in R ist. Da R noethersch ist, folgt aus Satz5.3.3, dass diese Kette stationar ist. Sei n ∈ N, sodass Jm = Jn fur alle m ≥ n.

Die Ideale Jj sind endlich erzeugt. Fur 1 ≤ j ≤ n wahlen wir (endlich viele)Erzeuger aj,1, . . . , aj,sj von Jj . Fur alle Paare (j, k) wahlen wir außerdem einPolynom fj,k ∈ I mit fuhrendem Term aj,kx

j .

Behauptung: Die Polynome fj,k erzeugen I.Sei I ′ das Ideal erzeugt von den Polynome fj,k. Es gilt I ′ ⊂ I. Wir nehmen

an, dass I ′ ( I echt kleiner als I ist. Wahle ein Polynom g ∈ I \ I ′ minimalenGrades. Sei bxd der fuhrende Term von g. Setze m = min(n, d). Dann ist b ∈ Jm,also existieren ck ∈ R mit

b =

sm∑k=1

ckam,k.

Das Polynom

g′ := g − xd−msm∑k=1

ckfm,k

ist auch ein Element von I. Beachte, dass das Polynom xd−m∑smk=1 ckfm,k den

gleichen fuhrenden Term wie g besitzt, auch wenn d > m ist. Der Grad von g′

ist also echt kleiner als der Grad von g. Die Wahl von g impliziert daher, dassg′ ∈ I ′ ist. Aber dann ist auch

g = g′ + xd−msm∑k=1

ckfm,k ∈ I ′.

Dies zeigt die Behauptung und damit den Satz. 2

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Korollar 5.3.7 Die Polynomringe Z[x1, . . . , xn] und K[x1, . . . , xn], wobei Kein Korper ist, sind noethersch.

Bemerkung 5.3.8 SeiK ein Korper. Dann istK[x] = K[x1, . . . , xn] noethersch(Korollar 5.3.7), also ist jedes Ideal I < K[x] endlich erzeugt. Wir schreibenI = (f1, . . . , fr). Dann ist

Z(I) = Z(f1) ∩ · · · ∩ Z(fr)

(Satz 5.1.4). Jede affine algebraische Menge ist also die Schnittmenge von endlichvielen Hyperebenen.

5.4 Hilbertscher Nullstellensatz

Wir greifen nochmals Beispiel 5.1.3.(a) auf. Sei P = (a1, . . . , an) ∈ AnK einPunkt und

mP := (x1 − a1, . . . xn − an).

Dann ist P = Z(mP ). Das folgende Lemma zeigt, dass I(P ) = mP ist.

Lemma 5.4.1 Das Ideal mP < K[x1, . . . , xn] ist ein maximales Ideal und esgilt mP = I(P ).

Beweis: Fur f ∈ K[x1, . . . , xn] existieren Polynome gi ∈ K[x1, . . . , xn] mit

f(x) = f(P ) +

n∑i=1

(xi − ai)gi(x).

Dies ist die mehrdimensionale Taylor-Entwicklung ersten Grades. Ist also f(P ) =0, dann ist f ∈ mP . Dies zeigt, dass I(P ) ⊂ mP . Die Inklusion mP ⊂ I(P ) istoffensichtlich, also gilt I(P ) = mP .

Wir betrachten den Evaluierungshomomorphismus

ϕP : K[x1, . . . , xn]→ K f 7→ f(P ).

Dies ist ein surjektiver Ringhomomorphismus mit Kern I(P ) = {f | f(P ) = 0}.Der 1. Isomorphiesatz fur Ringen (Satz 3.2.10.(a)) impliziert also, dass

K[X1, . . . , xn]/I(P ) ' K

ein Korper ist. Also ist I(P ) = mP maximal (Satz 3.4.2.(b)). Das Lemma folgt.2

Satz 5.4.2 (Schwache Form des Nullstellensatzes) Sei K ein algebraisch abge-schlossener Korper. Ist m < K[x1, . . . , xn] ein maximales Ideal, dann existiertein eindeutig bestimmter Punkt P = (a1, . . . , an) ∈ AnK mit

m = mP = (x1 − a1, . . . , xn − an).

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Beweisskizze: Da m maximal ist, ist L := K[x1, . . . , xn]/m ein Korper. DerKorper L wird als Erweiterung von K durch die Restklassen xi + m erzeugt.Insbesondere ist L/K endlich erzeugt als K-Algebra. Wir werden spater zeigen,dass hieraus folgt, dass L/K eine algebraische Erweiterung ist (Korollar 5.7.12).Da K algebraisch abgeschlossen ist, gilt also L = K (Bemerkung 1.4.2.(b)). Diesimpliziert die Existenz von Elementen ai ∈ K mit

xi ≡ ai (mod m), i = 1, . . . , n,

d.h. xi − ai ∈ m.Wir definieren P = (a1, . . . , an). Das Ideal mP ist maximal (Lemma 5.4.1)

und es gilt mP < m. Offensichtlich ist 1 /∈ m, also m ( K[x1, . . . , xn]. Wirschließen, dass m = mP . 2

Korollar 5.4.3 Sei K algebraisch abgeschlossen. Dann definiert die Zuordnung

P 7→ mP

eine Bijektion zwischen den affinen Raum AnK und die Menge der maximalenIdeale in K[x1, . . . , xn].

Korollar 5.4.4 Sei K algebraisch abgeschlossen und Z = Z(I). Die Punktevon Z entsprechen genau die maximalen Idealen von K[Z].

Beweis: Die Aussage folgt aus der 3. Isomorphiesatz fur Ringen (Satz3.2.10.(b)). 2

Korollar 5.4.5 SeiK algebraisch abgeschlossen und f1, . . . , fr ∈ K[x1, . . . , xn].Dann besitzt das algebraische Gleichungssystem

f1(x) = · · · = fr(x) = 0

genau dann eine Losung P ∈ AnK , wenn das Ideal I := (f1, . . . , fr) vonK[x1, . . . , xn]verschieden ist.

Beweis: Gilt I = K[x1, . . . , xn], dann existieren Polynome g1, . . . , gr ∈K[x1, . . . , xn] mit

1 =

r∑i=1

gifi.

Fur jedes P ∈ AnK gilt

1 =

r∑i=1

gi(P )fi(P ).

Es existiert also mindestens ein i mit fi(P ) 6= 0 und P ist keine Losung desGleichungssystems.

Wir betrachten den Fall, dass I ( K[x1, . . . , xn] ist. Es existiert ein maxi-males Ideal m mit I < m (Korollar 5.3.7). Satz 5.4.2 sagt, dass m = mP fur ein

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P ∈ AnK . Aus Satz 5.1.4.(a) folgt, dass Z(I) ⊃ Z(mP ) = {P}. Also ist P eineLosung des Gleichungssystems. 2

Beispiel 5.4.6 Sei Z = Z(x2+y2−1) < A2R. Das Polynom x2+y2−1 ∈ R[x, y]

ist irreduzibel (Beispiel 3.6.9.(a)). Es gilt, dass K[Z] = R[x, y]/(x2 + y2 − 1).(Man kann sich direkt uberlegen, dass I(Z) = (x2 + y2− 1) oder argumentierenals in Beispiel 5.5.7.)

Betrachte J = (x2 + y2 − 1, x − 2) < R[x, y]. Man zeigt, dass J maximalist (Ubungsaufgabe). Es gilt aber, dass Z(J) = ∅. Korollar 5.4.5 gilt also nicht,wenn K nicht algebraisch abgeschlossen ist.

Das Gleichungssystem {x2 + y2 = 1,

x = 2

besitzt Nullstellen uber dem algebraischen Abschluß C, namlich x = 2, y =±√

3i. Dies bedeutet, dass J aufgefasst als Ideal in C[x, y] nicht maximal ist:Das Ideal J ist enthalten in den Idealen (x− 2, y −±

√3i) < C[x, y].

Korollar 5.4.7 Sei ψ : W → Z ein Morphismus. Ist P ∈ W und Q = ψ(P ),dann ist

mQ = (ψ∗)−1(mP ).

Beweis: Wir nehmen an, dass Z ⊂ AnK und schreiben x1, . . . , xn fur dieStandardkoordinaten auf AnK . Sei Q = (a1, . . . , an). Wie im Beweis von Satz5.2.7 gilt, dass ψ∗(xi)(P ) = xi(ψ(P )) = xi(Q) = ai. Also ist ψ∗(xi−ai)(P ) = 0und xi − ai ∈ (ψ∗)−1(mP ). Wir erhalten die Inklusion

mQ = (x1 − a1, . . . , xn − an) ⊂ (ψ∗)−1(mP ).

Das Ideal mP ist maximal, also ist mP ( K[Z] und daher auch (ψ∗)−1(mP ) (K[W ]. Da mQ maximal ist, folgt mQ = (ψ∗)−1(mP ). 2

5.5 Radikalideale

In diesem Abschnitt mochten wir die Verschwindungsideale algebraischer Men-gen Z charakterisieren. Wir haben gesehen, dass verschiedene Ideale die gleicheNullstellenmengen haben konnen (Beispiel 5.1.3.(b)). Es existiert aber ein klein-stes Ideal I mit Z(I) = Z. Dieses Ideal ist ein sogenanntes Radikalideal.

Definition 5.5.1 Sei R ein kommutativer Ring und I < R ein Ideal.

(a) Das Radikal von I ist die Menge

rad(I) = {a ∈ R | an ∈ I fur ein n ≥ 1}.

(b) Das Radikal rad(0) des Nullideal heißt Nullradikal.

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(c) Ein Ideal mit I = rad(I) heißt Radikalideal.

(d) Ein Ring R heißt reduziert, wenn rad(0) = {0}.

Bemerkung 5.5.2 (a) Das Nullradikal besteht aus allen Elemente a ∈ R mitak = 0 fur ein k ∈ N. Dies sind die nilpotente Elemente von R. Ein Ring R istalso genau dann reduziert, wenn 0 das einzige nilpotente Element ist.

(b) Ein Primideal ℘ < R ist ein Radikalideal. Sei namlich f ∈ R mit fn =f · fn−1 ∈ ℘. Da ℘ prim ist, folgt f ∈ ℘ or fn−1 ∈ ℘. Mit Induktion folgt alsof ∈ ℘.

Beispiel 5.5.3 (a) Wir betrachten ein Ideal I = (n) ( Z. Dann wird rad(I)erzeugt von

∏p|n p, wobei das Produkt lauft uber alle Primzahlen, die n teilen.

(b) Das Ideal (xy) < K[x, y] ist ein Radikalideal und K[x, y]/(xy) ist redu-ziert.

(c) Der Ring K[x, y]/(y2) ist nicht reduziert: y ist ein nicht-trivialer Nulltei-ler. Ist I = (y2) < K[x, y] dann ist rad(I) = (y) < K[x, y].

Satz 5.5.4 Sei R ein kommutativer Ring und I < R ein Ideal.

(a) Das Radikal rad(I) ist ein Ideal, das I enthalt.

(b) Das Ideal rad(I)/I < R/I ist das Nullradikal von R/I. Insbesondere ist Igenau dann ein Radikalideal, wenn R/I reduziert ist.

Beweis: Wir zeigen zuerst, dass das Nullradikal rad(0) eines beliebigen kom-mutativen Ringes ein Ideal ist. Da 0 ∈ rad(0), ist rad(0) 6= ∅. Sei x ∈ rad(0) undn ∈ N mit xn = 0. Fur r ∈ R gilt dann (rx)n = rnxn = 0, also r · x ∈ rad(0).

Sei nun y ∈ rad(0) ein weiteres Element und sei m ∈ N mit ym = 0. Danngilt

(x+ y)n+m =

n+m∑i=0

(n+m

i

)xiyn+m−i ∈ R.

Bemerke, dass wir die Binomialkoeffizienten(n+mi

)∈ Z als Elemente von R

auffassen konnen. Ist i < n, dann ist n+m− i > m. Fur jedes 0 ≤ i ≤ n+m istalso xi = 0 oder yn+m−i = 0. Es folgt, dass (x+ y)n+m = 0 und x+ y ∈ rad(0).Dies zeigt, dass rad(0) < R ein Ideal ist.

Sei nun I < R ein Ideal. Offensichtlich ist I ⊂ rad(I). Das NullradikalradR/I(0) < R/I entspricht rad(I) unter der Korrespondenz des dritten Iso-morphiesatzes (Satz 3.2.10.(b)). Es folgt, dass rad(I) auch ein Ideal ist. Dieszeigt (a) und die erste Aussage von (b). Die zweite Aussage von (b) folgt ausBemerkung 5.5.2. 2

Korollar 5.5.5 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge. Das Verschwin-dungsideal I := I(Z) ist ein Radikalideal und K[Z] ist reduziert.

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Beweis: Sei I = I(Z) und f ∈ rad(I). Sei m ∈ N mit fm ∈ I. Fur alleP ∈ Z gilt fm(P ) = (f(P ))m = 0. Der Korper K ist nullteilerfrei, also folgt,dass f(P ) = 0. Also ist f ∈ I. Die Aussage des Korollars folgt nun aus Satz5.5.4. 2

Satz 5.5.6 (Starke form des Nullstellensatzes) SeiK ein algebraisch abgeschlos-sener Korper und I < K[x1, . . . , xn] ein Ideal. Dann gilt

rad(I) = I(Z(I)).

Beispiel 5.5.7 (a) Sei I = (x2 + y2 − 1) < C[x, y]. In Beipiel 3.6.9 haben wirgezeigt, dass x2 + y2− 1 ein irreduzibles Polynom ist. Da C[x, y] ein faktoriellerRing (Korollar 3.6.8) ist, ist I ein Primideal (Satz 3.5.8). In Bemerking 5.5.2.(b)haben wir gesehen, dass I = rad(I) ein Radikalideal ist. Satz 5.5.6 impliziertalso, dass I = Z(I) ist. Dies liefert einen neuen Beweis der Aussage aus Beispiel5.1.8.(c).

(b) Beispiel 5.4.6 zeigt, dass die Aussage von Satz 5.5.6 ohne die Bedingung,dass K algebraisch abgeschlossen ist, nicht gilt. Fur das Ideal J(x2 +y2−1, x−2) < R[x, y] gilt namlich J = rad(J), aber Z(J) = ∅.

Beweis: Wir beweisen Satz 5.5.6. Die Inklusion “⊂” folgt aus Korollar 5.5.5,da Z(I) eine affine algebraische Menge ist.

Wir beweisen “⊃”. Das Ideal I ist endlich erzeugt (Hilbertscher Basissatz,Theorem 5.3.6). Wir wahlen Erzeuger I = (f1, . . . , fm). Sei g ∈ I(Z(I)). Wirfuhren eine neue Variable xn+1 ein und definieren

I ′ := (f1, . . . , fm, xn+1g − 1) < K[x1, . . . , xn+1].

Wir behaupten, dass Z(I ′) = ∅. Sei namlich P = (a1, . . . , an+1) ∈ Z(I). Dag ∈ I(Z(I)) ist, gilt g(P ) = 0 und die Funktion xn+1g − 1 verschwindet nichtin P . Also ist I ′ = K[x1, . . . , xn+1] (Korollar 5.4.5). Insbesondere ist 1 ∈ I ′ undes existieren Polynome h1, . . . , hm+1 ∈ K[x1, . . . , xn+1] mit

1 = h1f1 + · · ·+ hmfm + hm+1(xn+1g − 1). (24)

Wir definieren y = x−1n+1, multiplizieren (24) mit einer genugend grossenPotenz yN und erhalten

yN = h′1f1 + · · ·+ h′mfm + h′m+1(g − y), h′i ∈ K[x1, . . . , xn, y].

Substutition von y = g in dieser Gleichung liefert

gN = h′′1f1 + · · ·+ h′′mfm ∈ I.

Dies zeigt, dass g ∈ rad(I) ist und der Satz ist bewiesen. 2

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Korollar 5.5.8 Sei K ein algebraisch abgeschlossener Korper. Die AbbildungI definiert eine Bijektion

{affine algebraische Mengen} → {Radikalideale}, Z 7→ I(Z)

mit Umkehrabbildung Z : I 7→ Z(I).

Beweis: Sei Z ⊂ AK eine affine algebraische Menge und I < K[x1, . . . , xn]ein Ideal. Die Gleichheit Z = Z(I(Z)) ist Lemma 5.1.10.(e). Die Gleicheit I =I(Z(I)) ist Satz 5.5.6. 2

5.6 Affine Varietaten

Algebraische Eigenschafte entsprechen haufig geometrische Eigenschaften vonZ. Ein erstes Beispiel hierfur liefert die geometrische Eigenschaft der Irreduzi-bilitat.

Definition 5.6.1 Eine affine algebraische Menge Z ⊂ AnK heißt reduzibel, wennechte affine algebraische Teilmengen Zi ( Z mit Z = Z1 ∪ Z2 existieren. Eineirreduzible affine algebraische Menge heißt affine Varietat.

Ein Beispiel einer reduziblen algebraischen Menge haben wir in Beispiel5.1.6.(b) gesehen.

Satz 5.6.2 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge. Die folgende Aussagensind aquivalent:

(a) Z ist irreduzibel.

(b) Das Verschwindungsideal I(Z) ist ein Primideal.

(c) Die Koordinatenring K[Z] ist nullteilerfrei.

Beweis: Die Aquivalenz “(b) ⇔ (c)” haben wir in Satz 3.4.2.(a) gezeigt.“(b)⇒(a)” Sei Z reduzibel. Wir schreiben Z = Z1 ∪ Z2, wobei die Zi ( Z

echte algebraische Teilmengen sind. Sei I = I(Z) und Ji = I(Zi). Lemma5.1.10.(b) impliziert, dass I = J1 ∩ J2. Da Zi = Z(Ji) ( Z = Z(I) eine echteTeilmenge ist, gilt I ( Ji fur i = 1, 2. Es existieren also Funktionen fi ∈ Ji \ I.Die Funktion fi verschwindet auf Zi, aber nicht auf Z. Da Z = Z1 ∪ Z2 ist,verschwindet die Funktion f1 · f2 auf Z und f1 · f2 ∈ I. Wir schließen, dass Ikein Primideal ist.

“(a)⇒(b)” Wir nehmen an, dass I := I(Z) kein Primideal ist. Dann existie-ren Funktionen f1, f2 ∈ K[x1, . . . , xn] mit f1 · f2 ∈ I(Z), aber fi /∈ I(Z) furi = 1, 2. Wir definieren Zi = Z ∩ Z(fi). Satz 5.1.4.(c) impliziert, dass Zi eineaffine algebraische Menge ist. Da fi /∈ I, ist Zi ( Z eine echte Teilmenge. Daf1 · f2 ∈ I folgt, dass Z ⊂ Z(f1 · f2) = Z1 ∪Z2. Wir schliessen, dass Z reduzibelist. 2

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Beispiel 5.6.3 Das Beispiel ist [6, Exercise 1.11]. Wir illustrieren das Bilderhilfreich, aber manchmal auch irrefuhrend sein konnen.

(a) Die algebraische Menge Z := Z(x2 + y2 − 1) ∪ Z(y − 2 − x2) ⊂ A2K ist

reduzibel. Ist K = R, dann ist Z die (disjunkte) Vereinigung eines Kreises miteinem Parabel (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Menge Z := Z(x2 + y2 − 1) ∪ Z(x− 2− y2)

Ist K = C dann schneiden sich Z(x2 + y2− 1) und Z(y− 2− x2) in 4 (nichtreelle) Punkte.

(b) Das Polynom f = y2−x(x2−1) ∈ K[x, y] ist irreduzibel. (Argumentierewie in Beispiel 3.6.9.(a).) Also ist (f) < K[x, y] ein Primideal und E := Z(f)eine algebraische Varietat. Die Varietat E ist eine elliptische Kurve (in Charak-teristik ungleich 2.)

Wahlt man K = R, dann ist E ⊂ R2 mit der ublichen Topologie nicht zusam-menhangend (Abbildung 2). Beide Teilen sind aber nicht die Nullstellenmengeeines Polynoms, also keine algebraischen Mengen.

Abbildung 2: Die elliptische Kurve Z(y2 − x(x2 − 1))

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Bemerkung 5.6.4 Ist Z ⊂ AnK eine affine algebraische Varietat, dann ist derKoordinatenring A := K[Z] also nullteilerfrei (Satz 5.6.2). Also ist der Quoti-entenkorper definiert (Beispiel 1.1.2). Wir nennen K(Z) := Q(K[Z]) der Funk-tionenkorper von Z. Fur mehr Details verweisen wir auf Abschnitt 5.9.

5.7 Ganze Ringerweiterungen

Die folgende Definition ist eine Verallgemeinerung von [11, Def. 2.4.1]

Definition 5.7.1 Sei A/R eine Ringerweiterung.

(a) Ein Element a ∈ A heißt ganz uber R, wenn a die Nullstelle eines nor-mierten Polynoms f(x) ∈ R[x] ist.

(b) Der Ring A heißt ganz uber R, wenn jedes a ∈ A ganz uber R ist.

(c) Der ganze Abschluss von R in A ist die Menge der Elemente von A, dieganz uber R sind. Der Ring R heißt ganz abgeschlossen in A, wenn Rgleich sein ganzer Abschluß in A ist.

(d) Sei R ein Integratsring. Der ganze Abschluss von R in seinem Quotien-tenkorperQ(R) heißt die Normalisierung. IstR zusaztlich ganz abgeschlos-sen, dann heißt R normal.

Beispiel 5.7.2 (a) Sei K ein Zahlkorper, d.h. eine endliche Erweiterung vonQ. Der ganze Abschluss OK von Z in K heißt Ganzheitsring. (Korollar 5.7.5zeigt, dass dies in der Tat ein Ring ist.)

(b) Ist L/K eine Korpererweiterung, dann ist L genau dann ganz uber K,wenn L/K algebraisch ist. Sei namlich a ∈ L algebraisch uber K. Dann istminK(a) normiert, also ist a ganz uber K.

Das folgende Lemma ist eine Verallgemeinerung von [11, Lem. 2.4.2]. DerBeweis ist ahnlich.

Satz 5.7.3 Sei A/R eine Ringerweiterung und a ∈ A. Dann sind aquivalent:

(a) a ist ganz uber R,

(b) R[a] ist endlich erzeugt als R-Modul,

(c) es existiert ein R-Algebra S ⊂ A, der a enthalt, sodass S endlich erzeugtals R-Modul ist.

Beweis: “(a)⇒(b)” Sei a ∈ A ganz uber R. Sei f(x) = xn + cn−1xn−1 · · ·+

c0 ∈ R[x] ein normiertes Polynom mit f(a) = 0. Dann ist

an = −(cn−1an−1 + · · ·+ c0),

also ist R[a] = 〈1, a, . . . , an−1〉R endlich erzeugt.Die Implikation “(b)⇒(c)” ist trivialerweise erfullt. (Wahle S = R[a].)

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“(c)⇒(a)” Sei S wie in (c). Wir wahlen ein endliches Erzeugendensystem(α1, . . . , αs) von S als R-Modul, d.h. S = 〈α1, . . . , αs〉R. Da S ein Ring ist, istaαi ∈ S und es existieren ci,j ∈ R mit

aαi =

s∑j=1

ci,jαj .

Umgeformt liefert dies das Gleichungssystem

0 =

s∑j=1

(δi,ja− ci,j)αj , i = 1, . . . s, (25)

wobei δi,j das Kronecker-Delta ist.Wir definieren B = (δi,ja − ci,j)i,j ∈ Ms,s(R) und α = (α1, . . . , αs)

t. DasGleichungssystem (25) lasst sich als

Bα = (0)

schreiben. Wir multiplizieren von links mit der Kofaktormatrix B∗ und erhaltenmit der Cramerschen Regel (Lemma 4.3.7.(b))

det(B)αi = 0, i = 1, . . . , s.

Wir haben 1 ∈ S, also ist 1 ein R-Linearkombination der αi. Es folgt, dassdet(B) = 0. Nach Definition ist B = a · Es − C, wobei C = (ci,j) ist. Also ist aeine Nullstelle des charakteristischen Polynoms

cC(t) := det(tEn − C)

von C. Das Polynom Cc ist normiert und (a) folgt. 2

Bemerkung 5.7.4 Der Beweis der Aussage “(c)⇒(a)” beweist im Wesentliche,dass der Eigenwert a von C eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms vonC ist. In dieser Allgemeinheit hatten wir dies noch nicht gezeigt.

Teil (b) des folgenden Korollars ist eine Verallgemeinerung von [11, Thm.2.4.4]. Teil (c) ist eine Verallgemeinerung von [11, Kor. 4.3.1]. Der Beweis von(a+b) ist dem Beweis von Satz 1.4.4.(a) ahnlich.

Korollar 5.7.5 Sei A/R eine Ringerweiterung und a, b ∈ A.

(a) Sind a, b ganz uber R, dann gilt dies auch fur a± b und a · b.

(b) Der ganze Abschluss von R in A ist ein Teilring von A, der R enthalt.

(c) Ist A/R ganz und B/A ganz, dann ist B auch ganz uber R.

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Beweis: Seien a, b ∈ A ganz uber R. Satz 5.7.3 zeigt, dass R[a] und R[b]endlich erzeugt als R-Moduln sind. Es folgt, dass R[a, b] auch endlich erzeugtist als R-Modul. Aussage (a) folgt aus Satz 5.7.3, da a ± b, ab ∈ R[a, b] sind.Aussage (b) folgt aus (a).

Wir beweisen (c). Sei b ∈ B. Das Element b ist ganz uber A, also existiertein normiertes Polynom g(x) =

∑ni=0 cix

i ∈ A[x] mit g(b) = 0. Die ci sindElemente von A und daher ganz uber R. Wir betrachten C = R[c0, . . . , cn] undD = C[b]. Die Erweiterung C ist endlich erzeugt als R-Modul. Da b ganz uberC ist, ist auch D endlich erzeugt als R-Modul. Satz 5.7.3 impliziert also, dass bganz uber R ist. Dies zeigt (c). 2

Korollar 5.7.6 Sei B/R eine Ringerweiterung und A der ganze Abschluss vonR in B. Dann ist A ganz abgeschlossen in B.

Satz 5.7.7 Sei A ein faktorieller Ring. Dann ist A ganz abgeschlossen.

Beweis: Sei A ein faktorieller Ring und K = Q(A). Sei α ∈ K ein Element,das ganz uber A ist. Wir mussen zeigen, dass α ∈ A ist.

Wir schreiben α = b/c mit b, c ∈ A, c 6= 0 und ggT(b, c) = 1. Nach Annahmeexistiert ein normiertes Polynom f(x) = xn + an−1x

n−1 + · · · + a0 ∈ A[x] mitf(α) = 0. Umformen der Gleichung liefert

bn = −(an−1bn−1c+ · · · a0cn).

Die rechte Seite ist offensichtlich durch c teilbar, also gilt c | bn. Da c und bteilerfremd sind, ist c eine Einheit. Es folgt α ∈ A, wie gewunscht. 2

Beispiel 5.7.8 Sei Z = Z(y2− x3) ⊂ A2K . In Beispiel 5.5.7 haben wir gezeigt,

dass I = (y2 − x3) ein Primideal ist, also ist A := K[Z] = K[x, y]/(y2 − x3) einIntegritatsring.

Wir behaupten, dass A nicht ganz abgeschlossen ist. Dazu betrachten wirdas Element z := y/x im Quotientenkorper L := Q(A) von A. Es gilt

z2 =y2

x2= x ∈ A.

Also ist z eine Nullstelle des normierten Polynoms f(t) = t2 − x ∈ A[t] unddamit ganz uber A. Aber z /∈ A. Somit ist A nicht ganz abgeschlossen. Aus Satz5.7.7 folgt, dass A kein faktorieller Ring ist.

Der Ring A := K[z] ist ein faktorieller Ring, da z transzendent uber K ist.Satz 5.7.7 impliziert, dass A ganz abgeschlossen ist. Bemerke, dass x = z2 undy = z3, also x, y ∈ A. Es folgt, dass A der ganze Abschluss von A in seinemQuotientenkorper L = K(Z) ist.

Sei Z die affine Gerade mit Standardkoordinate z, d.h. K[Z] = A. Wirschreiben ψ : Z → Z fur dem zur Inklusion A ⊂ A gehorigen Morphismus (Satz5.2.7.(b)). Die obige Berechnung zeigt, dass

ψ : Z → Z, c 7→ (c2, c3).

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Im Beispiel 5.1.3.(c) haben wir gezeigt, dass ψ eine Bijektion ist. Da A (A ist, ist ψ aber kein Isomorphismus (Satz 5.2.7.(d)). Es existiert also keinenUmkehrabbildung Z → Z, der ein Morphismus ist.

Wir konnen dies auch direkt uberprufen. Wir nehmen dazu an, dass χ :Z → Z eine Abbildung mit ψ ◦ χ = 1Z ist. Dann gilt χ(a, b) = b/a =: c. NachDefinition 5.2.5 ist χ ∈ K[x, y] ein Polynom. Es existiert kein solches Polynom,da y/x /∈ K[x, y]. Dies zeigt, dass χ kein Morphismus ist.

Definition 5.7.9 SeiK ein Korper undA eineK-Algebra. Elemente t1, . . . , tn ∈A heißen algebraisch unabhangig uberK, wenn kein Polynom 0 6= f ∈ K[x1, . . . , xn]mit f(t1, . . . , tn) = 0 existiert.

Die Elemente t1, . . . , tn ∈ A sind genau dann algebraisch unabhangig uberK, wenn

K[x1, . . . , xn]→ K[t1, . . . , tn], xi 7→ ti

ein K-Algebraisomorphismus ist.Die folgende Aussage gibt eine sehr nutzliche Strukturaussage fur endlich

erzeugte k-Algebren. Hieraus werden wir der fehlenden Teil im Beweis des Null-stellensatzes (Satz 5.4.2) ableiten.

Theorem 5.7.10 (Das Noethersche Normalisierungslemma) Sei K ein Korpermit unendlich vielen Elementen. Sei A eine endlich erzeugte K-Algebra. Dannexistiert eine algebraisch unabhangige Menge (t1, . . . , tn) von Elemente aus A,sodass

R := K[t1, . . . , tn] ⊂ Aeine ganze Ringerweiterung ist.

Beispiel 5.7.11 Wir betrachten den Hyperbel H := {(x, y) | xy = 1} ⊂ A2K .

Der Koordinatenring istK[H] = K[x, y]/(xy−1). Die ErweiterungK[x] ⊂ K[H]ist nicht ganz, da y nicht ganz uber K[x] ist. Der Grund ist, dass der Erzeugerf := xy − 1 von I(H) nicht normiert als Element von (K[x])[y]/(xy − 1) ist.

Geometrisch entspricht die Einbettung K[x] ⊂ K[H] die Projektion π :H → A1

K auf der x-Achse. Die Tatsache, dass die Erweiterung K[x] ⊂ K[H]nicht ganz ist, entspricht die Eigenschaft, dass die Projektion nicht surjektivist, auch nicht uber einem algebraisch abgeschlossener Korper. (Vergleichen Siezum Beweis von Korollar 5.4.7.)

Wir definieren eine neue Koordinate z = x− y und betrachten

g = f(z + y, y) = (z + y)y − 1 = y2 + zy − 1 ∈ K[z, y].

(Im Beweis von Theorem 5.7.10 benutzen wir eine etwas andere Transformation,da dies der Beweis vereinfacht.) Wir finden also einen K-Algebraisomorphismus

ϕ : K[H] = K[x, y]/(xy − 1) ' K[z, y]/(y2 + zy − 1).

Das Element y ist ganz uber K[z] und K[H]/K[z] ist eine ganze Ringerweite-rung.

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Der Morphismus, der die Ringerweiterung K[z] ⊂ K[H] entspricht, ist dieProjektion auf die z-Achse

ψ : H → A1K , (z, y) 7→ z.

Ist K algebraisch abgeschlossen, dann ist der Morphismus ψ surjektiv.

Beweis: Wir beweisen Theorem 5.7.10. Dazu wahlen wir ein Erzeugendensy-stem r1, . . . , rm von A als K-Algebra. Sind r1, . . . , rm algebraisch unabhangiguber K, dann sind wir fertig. Wir nehmen also an, dass die ri algebraischabhangig sind und betrachten ein Polynom

0 6= f ∈ K[x1, . . . , xm] mit f(r1, . . . , rm) = 0. (26)

Wir schreiben f =∑

i cixi, wobei i = (i1, . . . , im). Sei d der Totalgrad von f ,

d.h.d = max

i:ci 6=0i1 + · · ·+ im.

Nach eventuelles Umnummerieren der Variablen durfen wir annehmen, dass eini mit ci 6= 0 und im 6= 0 existiert. Dies sagt also, dass f aufgefasst als Polynomin xm nicht konstant ist. Wir mochten f mittels einer geeigneten Koordinaten-transformation “normalisieren”.

Wir definieren αi = (1 + d)i ∈ K× und yi = xi − xαim fur 1 ≤ i ≤ m− 1. Sei

g(y1, . . . , ym−1, xm) := f(y1+xα1m , . . . , ym−1+xαm−1

m , xm) ∈ K[y1, . . . , ym−1, xm].

Wir fassen g als Polynom in xm mit Koeffizienten in K[y1, . . . , ym−1] auf.Sei cix

i einen Term von f mit ci 6= 0. Der Beitrag dieser Term zu g ist

Ti = ciximm

m−1∏j=1

(yj + xαjm )ij

= cixim+

∑m−1j=1 αjij

m + Terme kleineren Grades in xm.

(27)

Der Grad von Ti in xm ist

δ(i) := im +

m−1∑j=1

αjij = im +

m−1∑j=1

(1 + d)jij .

Die Definition von d impliziert, dass∑mj=1 ij ≤ d, also insbesondere ij ≤ d <

d+ 1 fur alle j. Die Zahlen ij sind daher Koeffizienten der Entwicklung von δ(i)zur Basis d + 1. Insbesondere ist δ(i) 6= δ(i′) fur i 6= i′. Sei N := degxm(g).Dann existiert ein eindeutiger Index i mit N = δ(i). Der fuhrende Term von gals Polynom in xm ist also der fuhrendende Term von Ti als Polynom in xm.Gleichung (27) impliziert, dass sich g als

g = γxNm + g1xd−1m + · · ·+ gm mit γ ∈ K× und gi ∈ K[x1, . . . , xm−1]. (28)

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schreiben lasst. (Der wichtige Beobachtung ist hier, dass der Koeffizient γ ∈ K×konstant ist.)

Wir beweisen die Aussage des Theorems mit Induktion nach m.Wir definieren si = ri − rαim fur i = 1, . . . ,m − 1. Substutition von yi = si

und xm = rm in (28) liefert

1

γg(s1, . . . , sm−1, rm) =

1

γf(r1, . . . , rm) = 0,

wobei die letzte Gleichheit aus (26) folgt. Das Element rm erfullt also einenormierte Gleichung uber K[s1, . . . , sm−1]. Die Aussage des Satzes folgt also mitInduktion. Wir bemerken, dass die Kardinalitat n des algebraisch unabhangigenSystems aus der Aussage des Theorems n ≤ m erfullt. 2

Das folgende Korollar vervollstandigt den Beweis von Satz 5.4.2.

Korollar 5.7.12 Sei L/K eine Korpererweiterung, die als K-Algebra endlicherzeugt ist. Dann ist L/K eine algebraische Korpererweiterung.

Beweis: Theorem 5.7.10 zeigt die Existenz eines Systems (t1, . . . , tn) vonalgebraisch unabhangigen Elemente ti ∈ L, sodass

A := K[t1, . . . , tn] ⊂ L

ganz ist. Es reicht zu zeigen, dass A ein Korper ist. Der Ring A = K[t1, . . . , tn]ist ein Polynomring, also nur dann ein Korper, wenn n = 0 ist. Die Aussagedes Korollars folgt aus der Behauptung, da ganze Korpererweiterungen auchalgebraisch sind.

Sei nun a ∈ A \ {0}. Dann ist a−1 ∈ L ganz uber A, also existieren ci ∈ Amit

(a−1)m + cm−1(a−1)m−1 + · · ·+ c0 = 0.

Multiplikation mit am−1 liefert

a−1 = −(cm−1 + · · ·+ c0am−1) ∈ A.

Es folgt, dass A ein Korper ist. 2

Bemerkung 5.7.13 Sei Z ⊂ AnK eine affine Varietat und A < K(Z) der ganzeAbschluss von K[Z] im Funktionenkorper K(Z) (Bemerkung 5.6.4). Der RingA ist als Unterring des Korpers K(Z) nullteilerfrei. Wir wahlen algebraischunabhangige Elemente ti, sodass

A := K[t1, . . . , tm] ⊂ A

eine ganze Ringerweiterung ist, wie im Noether-Normalisierungslemma (Theo-rem 5.7.10). Dann ist A endlich erzegut als A-Modul. Es existiert eine Zahl Nund ein Ideal I, sodass

A ' K[x1, . . . , xN ]/I.

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Also ist A = K[Z] der Koordinatenring einer affinen algebraischen Menge Z.Man zeigt, dass Z auch irreduzibel, also eine affine Varietat, ist. Wir nennen Zdie Normalisierung von Z. Da A ⊂ A ein Teilring ist, existiert ein Morphismusψ : Z → Z (Satz 5.2.7). Beispiel 5.7.8 gibt ein Beispiel einer Normalisierung.

Sei Z ⊂ AnK eine affine Varietat und A := K[Z]. Dann ist A ein Inte-gritatsring. Als Quotient von K[x1, . . . , xn] ist A außerdem noethersch. Sei

R = K[t1, . . . , td] ⊂ A

wie in der Aussage des Noether-Normalisierungslemmas (Theorem 5.7.10), d.h.die Elemente (t1, . . . , td) sind algebraisch unabhangig uber K und A ist ganzuber R. Der Quotientenkorper Q(R) = K(t1, . . . , td) von R ist eine rein tran-szendente Erweiterung von K (Definition 1.1.1). Korollar 5.7.12 impliziert, dassK(Z)/Q(R) eine algebraische Erweiterung ist. Da A noethersch ist, ist dieseErweiterung auch endlich. Wir schließen, dass K(Z) eine endliche Erweiterungeiner rein transzendenten Korpererweiterung von K ist. Die Zahl d heißt Trans-zendenzgrad von K(Z).

Wir bemerken, dass R = K[AdK ] der Koordinatenring des d-dimensionalenafinen Raums ist. In diesem Fall ist der Transzendenzgrad d von K(AdK) =Q(R) ist die “Dimension” des affinen Raumes AdK . Fur die affine Varietat Zdefinieren wir ebenfalls die Dimension von Z als der Transzendzgrad d vonK(Z). Die Inklusion R ⊂ A entspricht ein Morphismus ψ : Z → AdK . DasUrbild ψ−1(Q) besteht immer aus endlich vielen Punkte. Dies motiviert dieDefinition der Dimension von Z.

5.8 Lokalisieren

Lokalisieren ist eine Technik, die benutzt werden kann, um einem geometrischenObjekt “lokal” zu studieren. Die folgende Konstruktion ist eine Verallgemeine-rung der Konstruktion des Quotientenkorpers (Beispiel 1.1.2).

Definition 5.8.1 Sei R ein kommutativer Ring.(a) Eine Teilmenge S ⊂ R heißt multiplikativ, wenn 1 ∈ S und aus a, b ∈ S

folgt, dass a · b ∈ S ist.(b) Ist S ⊂ R multiplikativ, dann heißt der Ring

S−1R = {as| a ∈ R, s ∈ S}/ ∼

die Lokalisierung von R nach S. Hierbei ist

a

s∼ b

t⇔ ∃x ∈ S : xat = xbc. (29)

Bemerkung 5.8.2 (a) Man uberlegt sich, dass S−1R ein kommutativer Ringmit wohldefinierte Addition

a

s+b

t=at+ bs

st

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und Multiplikationa

s· bt

=ab

stist.

Beachte die Definition der Aquivalenzrelation in (29). Der Grund fur dieFormulierung ist, dass wir erlauben, dass S Nullteiler enthalt. Ist beispielsweise0 ∈ S, dann ist S−1R = {0}.

(b) Die Abbildung

ψ : R→ S−1R a 7→ a

1

definiert einen Ringhomomorphismus, den wir kanonische Abbildung nennen.Wir schreiben auch a anstatt ψ(a), wenn kein Verwirrung entsteht. Beachte,dass diese Abbildung im Allgemeinen nicht injektiv ist. Es gilt

ker(ψ) = {a ∈ R | ∃s ∈ S mit a · s = 0}.

Besitzt S keine Nullteiler, dann ist ψ injektiv. Dies ist also insbedondere derFall, wenn R ein Integritatsring ist und 0 /∈ S.

(c) Der Ringhomomorphismus ψ kann man eindeutig durch folgende univer-selle Eigenschaft charakterisieren. Fur jede Ringhomomorphismus ϕ : R → Tmit ϕ(R) ⊂ T ∗ existiert ein Ringhomomorphismus χ : S−1R → T , fur den dasfolgende Diagramm

Rψ //

ϕ""

S−1R

χ

��T

kommutiert. (Siehe beispielsweise [5, § 15.4, Theorem 28].)

Beispiel 5.8.3 (a) Ist R ein Integritatsring, dann ist S := R\{0} multiplikativund S−1R ist der Quotientenkorper von R.

(b) Sei 0 6= f ∈ R. Dann ist S = {fn | n ≥ 0} eine multiplikative Menge. Indiesem Fall schreiben wir

R[f−1] := S−1R.

Ist f nicht nilpotent, dann ist R[f−1] 6= {0} und f ist eine Einheit in R[f−1].In der Literatur wird manchmal Rf fur diesem Ring geschrieben. Wir benutzendiese Bezeichnung hier nicht, um Verwirrung mit (c) zu vermeiden.

(c) Sei ℘ < R ein Primideal. Die Definition von Primideal impliziert, dassS := R \ ℘ multiplikativ ist. Wir schreiben

R℘ := S−1R = {as∈ R | s /∈ ℘}.

Sei beispielsweise ℘ = (p) < Z mit p eine Primzahl. Dann ist

Z(p) = {as∈ Q | p - s}.

In diesem Ring ist also jede ganz Zahl, die nicht durch p teilbar ist, eine Einheit.

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Satz 5.8.4 Sei R ein kommutativer Ring und S ⊂ R multiplikativ. Wir be-zeichnen die kanonische Abbildung mit ψ : S → S−1R. Ist I < R ein Ideal,dann schreiben wir

S−1I := {as| a ∈ I, s ∈ S} < S−1R

fur das entsprechende Ideal von S−1R.

(a) Ist J < S−1R ein Ideal, dann ist J = S−1ψ−1(J).

(b) Ist J < S−1R ein Primideal, dann ist ψ−1J < R ebenfalls ein Primideal.

(c) Ein Ideal I < R ist genau dann von der Form ψ−1(J) fur J < S−1R, wennI = ψ−1(S−1(I)).

(d) Die Abbildung ℘ 7→ S−1℘ definiert eine Bijektion zwischen Primideale℘ < R mit ℘ ∩ S = ∅ und Primideale von S−1R.

Beweis: Sei J < S−1R ein Ideal. Das Ideal ψ−1(J) besteht aus allen Elemen-ten a/s ∈ J , sodass ein Element a′ ∈ R und ein Element x ∈ S mit xa′s = xa,existiert. Die Inklusion J ⊃ S−1ψ−1(J) ist offensichtlich. Sei a/s ∈ J mit a ∈ Rund s ∈ S. Dann ist a ∈ ψ−1(J) und daher a/s ∈ S−1ψ−1(J). Aussage (a) folgt.

Wir nehmen an, dass J ein Primideal ist. Dann induziert ψ ein Ringhomo-morphismus

R/ψ−1(J) ↪→ S−1R/J.

Diese Abbildung ist injektiv, da ker(ψ) ⊂ ψ−1(J) ist. Aus der Annahne, dass Jein Primideal ist, folgt, dass S−1R/J ein Integritatsring ist. Also ist R/ψ−1(J)ebenfalls ein Integritatsring und ψ−1(J) < R ist ein Primideal. Dies zeigt (b).

Ist I = ψ−1(J) mit J < S−1R, dann zeigt (a), dass J = S−1(ψ−1(I)) =S−1I. Es folgt, dass I = ψ−1(J) = ψ−1(S−1(I)). Dies zeigt die Hinrichtung von(c). Die Ruckrichtung von (c) folgt leicht.

Wir zeigen nun (d). Sei dazu ℘ < R ein Primideal von R mit ℘ ∩ S = ∅.Dann ist ℘ := S−1℘ ein Primideal von S−1R.

Wir zeigen, dass ℘ = ψ−1(S−1℘) ist. Es gilt offensichtlich, dass ℘ < ψ−1(S−1℘).Sei a ∈ ψ−1(S−1℘). Dann existieren b ∈ ℘ und s ∈ S mit

a

1=b

s,

d.h. xsa = xb fur ein x ∈ S. Bemerke, dass xb ∈ ℘ ist, da b ∈ ℘ und x ∈ S ⊂ R.Aus der Multiplikativitat von S folgt, dass xs ∈ S. Die Annahme ℘ ∩ S = ∅impliziert, dass xs /∈ ℘. Da ℘ ein Primideal ist folgt, dass a ∈ ℘. Dies zeigt, dass℘ = ψ−1(S−1℘).

Ist ℘ ein Primideal von S−1R, dann sagt (b), dass ℘ := ψ−1(℘) ebenfalls einPrimideal ist. Aus ℘ ( S−1R folgt, dass ℘∩S = ∅. Aussage (d) ist nun gezeigt.

2

Korollar 5.8.5 Seien R und S wie in Satz 5.8.4. Ist R noethersch, dann istauch S−1R noethersch.

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Beispiel 5.8.6 Sei K ein algebraisch abgeschlossener Korper und Z ⊂ AnK eineaffine algebraische Menge. Wir schreiben A := K[Z] fur die Koordinatenring vonZ. Sei P = (a1, . . . , an) ∈ Z und mP = (x1 − a1, . . . , xn − an) das entsprechen-de maximale Ideal. Wie in Beispiel 5.8.3.(c) betrachten wir die Lokalizierunggegeben durch

OP,Z := AmP = {f =g

h| g, h ∈ A, h(P ) 6= 0}.

(Hier benutzen wir, dass mP als maximales Ideal auch ein Primideal ist.) DerRing OP,Z heißt den lokalen Ring von Z in P .

Ist f ∈ OP,Z , dann kann f als f = g/h mit g, h ∈ K[Z] und h(P ) 6=0 dargestellt werden, also kann f an der Stelle P ausgewertet werden. DerFunktionswert

f(P ) =g(P )

h(P )∈ K

ist wohldefiniert, d.h. der Wert dieser Funktion hangt nicht won der Wahl desReprasentanten in OP,Z ab. Ist namlich g/h = g′/h′ als Element von OP,Z ,dann ist kgh′ = kg′h fur einer Funktion k mit k /∈ mP , d.h. k(P ) 6= 0. Es folgt,dass g(P )/h(P ) = g′(P )/h′(P ).

Sei nun Z ⊂ AnK eine affine algebraische Varietat. Der FunktionenkorperK(Z) von Z ist definiert als der Quotientenkorper Q(K[Z]) des Koordinaten-rings:

K(Z) = {f =g

h| g, h ∈ K[Z], g 6= 0}.

Wir definieren

U := {Q ∈ Z | h(Q) 6= 0} = Z \ (Z(h) ∩ Z).

Die Menge U ist offen bezuglich der Zariski-Topologie (Bemerkung 5.1.5). Wieim Beispiel 5.8.6 zeigt man, dass der Funktionswert f(Q) fur alle Q ∈ U definiertist. Also definiert f eine Funktion

f : U → K, Q 7→ f(Q) :=g(Q)

h(Q)

definiert. Die Elemente f ∈ K(Z) kann man also als Funktionen auf einer geeig-neten offenen Menge UsubsetZ auffassen. Dies motiviert die folgende Definition.

Definition 5.8.7 Sei Z eine affine algebraische Varietat. Sei f ∈ K(Z) undP ∈ Z. Dann heißt f regular in P , wenn eine Darstellung f = g/h mit g, h ∈K[Z] mit h(P ) 6= 0 existiert.

Der lokale Ring OP,Z besteht aus alle Funktionen f ∈ K(Z), die regular inP sind (Beispiel 5.8.6).

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Beispiel 5.8.8 (a) Sei ϕ(x, y, z, w) = xz− yw ∈ K[x, y, z, w]. Man zeigt leicht,dass ϕ ein irreduzibles Polynom ist, also ist Z := Z(ϕ) ⊂ AnK eine Varietat. Wirbetrachten die Funktion

f =x

y=w

z∈ K(Z).

Die Funktion f ist regular in allen Punkte P = (a, b, c, d) ∈ Z mit b 6= 0 oderc 6= 0. Man kann zeigen, dass f nicht in weitere Punkte regular ist.

(b) Sei E = Z(y2 − x3 + x) ⊂ A2K , wobei K ein Korper der Charakteristik

ungleich 2 ist. Wir behaupten, dass die Funktion t := x/y regular in P := (0, 0)ist. Dazu schreiben wir

t =x

y=xy

y2=

xy

x3 − x=

y

x2 − 1∈ K(E).

Es folgt, dass t(P ) = 0.

Beispiel 5.8.9 Dies ist eine Fortsetzung von Beispiel 5.8.6. Wir benutzen diegleiche Bezeichnungen. Das Ideal mP < A entspricht das Ideal

mPOP,Z = {f =g

h| g, h ∈ A, h(P ) 6= 0 g(P ) = 0}

von OP,Z . Wir schreiben ebenfalls mP fur dieses maximale Ideal.Satz 5.8.4.(d) impliziert, dass mP das einzige maximale Ideal von OP,Z ist:

Ist J < OP,Z ein Primideal, dann entspricht J ein Primideal I von K[Z] mitI ⊂ mP . Der Ring OP,Z ist daher ein lokaler Ring im Sinne der folgendenDefinition.

Definition 5.8.10 Ein kommutativer Ring mit nur einem einzigen maximalenIdeal m heißt lokalen Ring.

Der folgende Satz gibt verschiedene aquivalente Bedingungen fur lokale Rin-gen.

Satz 5.8.11 Sei R ein kommutativer Ring. Dann sind aquivalent:

(a) Der Ring R ist lokal mit maximales Ideal m.

(b) Die Menge m := R \R× ⊂ R ist ein Ideal.

(c) Es existiert ein maximales Ideal m < R, sodass 1+m ∈ R× fur alle m ∈ m.

Beweis: “(a) ⇒ (b)”. Sei R lokal mit maximales Ideal m. Wir zeigen m =R\R×. Die Elemente von m sind keine Einheiten, da m 6= R. Also ist m ⊂ R\R×.Ist a ∈ R \R×, dann ist (a) ( R ein echtes Ideal von R, also ist (a) im einzigenmaximalen Ideal m enthalten. Es folgt a ∈ m. Insbesondere ist m = R \R× einIdeal.

“(b)⇒ (c)”. Wir nehmen an, dass m := R\R× ⊂ R ein Ideal ist. Sei m ∈ m.Ist 1 +m ∈ m, dann ist auch

1 = (1 +m)−m ∈ m

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und es folgt, dass m = R. Aber m enthahlt nach Definition keine Einheiten. Wirschließen, dass 1 + m /∈ m ist. Das Ideal m enthalt jede Nichteinheit und istdeswegen maximal.

“(c) ⇒ (a)”. Wir nehmen an, dass Aussage (c) gilt. Sei a ∈ R \ m. DieMaximalitat von m impliziert, dass

(a) + m = R,

also existieren b ∈ R und c ∈ m mit ab+ c = 1. Aus (c) folgt, dass ab = 1− c ∈1 + m ⊂ R×. Hieraus folgt, dass a ebenfalls eine Einheit ist. Dies zeigt, dass mdas einzige maximale Ideal von R ist und (a) folgt. 2

Im folgenden Satz betrachten wir die Lokalisierungen eines IntegritatsringesR. In diesem Fall ist R enthalten in jeder Lokalisierung (Bemerkung 5.8.2.(b)).

Satz 5.8.12 Sei R ein Integritatsring. Dann ist

R = ∩℘R℘ = ∩mRm

die Schnittmenge der Lokalisierungen an den Primidealen ℘ < R (bzw. denmaximalen Idealen m < R). Hierbei betrachten wir die Lokalisierung R℘ alsTeilmenge des Quotientenkorpers K := Q(R) von R.

Beweis: Die Inklusionen

R ⊂ ∩℘R℘ ⊂ ∩mRm

sind offensichtlich, da R ein Integritatsring ist (Bemerkung 5.8.2.(b)). Es reichtalso zu zeigen, dass ∩mRm ⊂ R ist.

Sei a ∈ K ein Element, dass in allen Lokalisierungen Rm mit m maximalenthalten ist. Wir betrachten

I := {b ∈ R | ab ∈ R} < R.

Das Element a ∈ K lasst sich als a = c/b mit b, c ∈ R und b 6= 0 darstellen, alsoist ab = c ∈ R und b ∈ I. Insbesondere ist I 6= ∅. Man zeigt leicht, dass I einIdeal ist. Wir bemerken, dass a genau dann ein Element von R ist, wenn 1 ∈ I,also wenn I = R ist.

Wir nehmen an, dass I ( R. Dann existiert ein maximales Ideal m < R mitI ⊂ m (Bemerkung 5.3.5). Nach Annahme ist a ∈ Rm, also konnen wir a = c/bmit c ∈ R und b ∈ R \m schreiben. Aber dann ist b ∈ I ⊂ m. Dies liefert einenWiderspruch. Die Aussage des Satzes folgt. 2

Bemerkung 5.8.13 Sei Z eine affine algebraische Varietat. Die Funktionenf ∈ K[Z] sind in alle P ∈ Z regular. Satz 5.8.12 sagt, dass

K[Z] = ∩P∈ZOP,Z .

Also besteht K[Z] genau aus die Funktionen f ∈ K(Z), die in alle P ∈ Z regularsind.

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Beispiel 5.8.14 Dieses Beispiel ist eine Fortsetzung von den Beispiele 5.1.8.(c)und 5.7.8. Sei Z = Z(y2 − x3) ⊂ A2

K . Wir definieren t = y/x ∈ K(Z). DieFunktion t ist nicht regulat in P := (0, 0) ∈ Z: Es gibt keine Darstellung vont = g/h mit g, h ∈ K[Z] = K[x, y]/(y2 − x3) mit h(P ) 6= 0. Die Funktionen

t2 =y2

x2= x, t3 =

y3

x3= y

sind aber regular in P .Der Funktionenkorper K(Z) von Z ist isomorph zu K(t). Fur der Koordi-

natenring K[Z] gilt als Teilring des Funktionenkorpers, dass

K[Z] ' K[t2, t3] ⊂ K(Z) ' K(t).

In der Tat ist t /∈ K[Z]. Dies liefert eine Illustration der Aussage von Satz 5.8.12.

5.9 Diskrete Bewertungen

Definition 5.9.1 Sei K ein Korper. Ein diskrete Bewertung auf K ist einesurjektive Abbildung

ν : K× → Z

mit folgenden Eigenschaften:

(a) ν(x · y) = ν(x) + ν(y) fur alle x, y ∈ K×,

(b) ν(x+ y) ≥ min(ν(x), ν(y) fur alle x, y ∈ K× mit x+ y 6= 0.

Wir setzen ν(0) =∞. Mit dieser Konvention gelten (a) und (b) fur alle x, y ∈ K.Der Ring Aν := {x ∈ K | ν(x) ≥ 0} heißt Bewertungsring von ν. Ein Inte-

gritatsring R heißt diskreten Bewertungsring, wenn R = Aν fur einem diskretenBewertung ν auf dem Quotientenkorper K = Q(R).

Beispiel 5.9.2 (a) Sei K = Q und p ∈ Z eine Primzahl. Jede Zahl α ∈ Q \ {0}lasst sich eindeutig als

α = pνp(α)a

b

mit a, b ∈ Z, sodass p - a und p - b darstellen. Die so definierte Abbildungνp : Q× → Z definiert eine diskrete Bewertung auf Q. Der Bewertungsring istdie Lokalisierung Z(p).

(b) Etwas allgemeiner betrachten wir ein faktorieller Ring R und ein Prim-element π ∈ R. Dann definiert

α = πνπ(α)a

b

mit a, b ∈ R, sodass π - a und p - b eine diskrete Bewertung auf dem Quotien-tenkorper K = Q(R). Der Bewertungsring ist

R(π) = {ab| a, b ∈ R, π - b}.

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Eine Verallgemeinerung dieser Konstruktion haben wir in Abschnitt 3.6 ge-sehen. Sei f(x) =

∑ni=0 aix

i ∈ R[x]. Wir definieren

ν(f) = mini:ai 6=0

(νπ(ai)).

Wir setzen ν zu einer Abbildung ν : Q/R[x])× → Z definiert als

ν

(f

g

)= ν(f)− ν(g)

fort. Dies definiert eine Bewertung (Lemma 3.6.1), die wir Gauss–Bewertungnennen.

Satz 5.9.3 (a) Sei ν : K× → Z eine diskrete Bewertung. Der BewertungsringAν ist ein lokaler Ring mit maximalem Ideal

mν := {x ∈ K | ν(x) > 0}.

(b) Das Ideal mν ist ein Hauptideal. Ist t ∈ K mit ν(t) = 1, dann ist mν = (t).Ein solches Element t heißt uniformisierendes Element.

Beweis: Definition 5.9.1 impliziert, dass mν ein Ideal von Aν ist. Definition5.9.1.(a) impliziert, dass ν(x−1) = −ν(x) fur alle x ∈ K×. Die Einheiten in Aνsind also genau die Elementen mit ν(x) = 0. Also ist

mν = Aν \A×ν .

Satz 5.8.11 zeigt, dass Aν ein lokaler Ring ist.Die Bewertung ν : K× → Z ist surjektiv, also existiert ein Element t ∈ K

mit ν(t) = 1. Es gilt t ∈ m. Sei x ∈ m beliebig und sei n := ν(x). Dann ist

ν( xtn

)= ν(x)− nν(t) = 0,

also ist u := x/tn ∈ A× eine Einheit und x ∈ (t). Dies zeigt, dass mν = (t) einHauptideal ist. 2

Bemerkung 5.9.4 Satz 5.9.3 zeigt, dass ein diskreter Bewertungsring R einHauptidealring, also insbesondere faktoriel, ist. Der Ring R ist sogar ein eukli-discher Ring (Ubungsaufgabe).

Wir formulieren ohne Beweis folgende Verallgemeinerung von Satz 5.9.3.

Satz 5.9.5 Sei R ein noetherscher lokaler Ring mit maximalem Ideal m 6= (0).Sei k = R/m. Dann sind aquivalent:

(a) R ist ein diskreter Bewertungsring,

(b) m = (t) ist ein Hauptideal,

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(c) dimk m/m2 = 1.

Wir bemerken, dass m/m2 ein k-Vektorraum ist. Dies zeigt man, indem manbemerkt, dass m der R-Modul m/m2 annihiliert. Es folgt, dass wir m/m2 auch alsk = R/m-Modul, d.h. als k-Vektorraum, auffassen konnen. Dieser Vektorraumist endlich dimensional, da R noethersch ist.

Beweisskizze: Die Implikation “(a)⇒ (b)” haben wir in Satz 5.9.3 gezeigt.Die Implikation “(b)⇒ (c)” ist offensichtlich.

Sei m wie in (c). Zeige∩n>0m

n = (0). (30)

Fur a ∈ m mit a 6= 0 definieren wir ν(a) als das maximale n mit a ∈ mn. Diesexistiert wegen (30). Zeige, dass ν ein diskreter Bewertung definiert. 2

Beispiel 5.9.6 (a) Sei Z = Z(x2+y2−1) ⊂ A2C. Wir betrachten P = (a, b) ∈ Z.

Sei OP,Z die Lokalisierung von C[Z] im maximalen Ideal mP = (x − a, y − b).Das Ideal mP < C[Z] ist kein Hauptideal (Ubungsaufgabe). Wir zeigen, dassdas entsprechende Ideal mPOP,Z der Lokalisierung ein Hauptideal ist.

Es gilt, dass a2 + b2 = 1 ist, also ist a 6= 0 oder b 6= 0. Wir betrachten denFall b 6= 0. Der andere Fall ist ahnlich.

Wir zeigen, dass y − b ∈ (x− a)OP,Z ist. Dazu schreiben wir

(x− a)(x+ a) = x2 − a2 = b2 − y2 = (b− y)(b+ y) ∈ C[Z].

Wir bemerken, dass (b+y)(P ) = 2b 6= 0, also ist b+y /∈ mP . Es folgt, dass b+yeine Einheit im lokalen Ring OP,Z ist. Wir schließen, dass

y − b = −x+ a

y + b(x− a) ∈ (x− a)OP,Z .

Jedes Element 0 6= f ∈ mPOP,Z = (x− a) lasst sich also eindeutig als

f = u · (x− a)νP (f), mit u ∈ O×P,Z und νP (f) ≥ 0

schreiben. Die Abbildung νP lasst sich zu einer diskreten Bewertung νP aufQ(OP,Z) = C(Z) fortsetzen. Der lokale Ring OP,Z ist der Bewertungsring dieserBewertung.

(b) Sei nun Z = Z(y2−x3) ⊂ A2K und P = (0, 0). Sei OP,Z der lokalen Ring

von P . Wir schreiben wieder mPOP,Z fur das maximale Ideal des lokalen Rings.Wir zeigen, dass OP,Z kein diskreter Bewertungsring ist.

IstOP,Z ein diskreter Bewertungsring mit Bewertung ν, dann sagt Satz 5.9.3,dass mPOP,Z ein Hauptideal erzeugt von einem Element t mit ν(t) = 1 ist. Dax, y ∈ mPOP,Z , existieren u1, u2 ∈ O×P,Z und n1, n2 > 0 mit

x = u1tn1 , y = u2t

n2 .

Die Relation y2 = x3 impliziert, dass 3n1 = 2n2, also gilt ni ≥ 6.

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Wir wissen, dass mP = (x, y), also existieren a, b ∈ OP,Z mit

t = ax+ by.

Definition 5.9.1 impliziert, dass

ν(t) ≥ min(ν(ax), ν(by)) ≥ min(ν(x), ν(y)) ≥ 6.

Dies widerspricht ν(t) = 1. Alternativ kann man auch zeigen, dass mPOP,Z keinHauptideal ist. (Dies folgt mit einem ahnlichen Argument.)

(c) Sei E = Z(y2 − x3 + x) ⊂ A2K , wobei K ein Korper der Charakteristik

ungleich 2 ist. Sei P = (0, 0) ∈ E. Ahnlich wie in (a) zeigt man, dass OP,Z eindiskreter Bewertungsring mit uniformisierendem Element y ist, da

x =y2

x2 − 1∈ OP,Z (31)

ist. Es folgt, dass y ein Erzeuger von mPOP,Z ist und daher

νP (y) = 1, νP (x) = 2νP (y) = 2.

Betrachte t := y/x ∈ K(E). Aus Definition 5.9.1 folgt, dass

νP (t) = νP (x)− νP (y) = 2− 1 = 1 > 0.

Es folgt also, dass t auch ein Erzeuger des maximalen Ideals mPOP,Z ist. Diesliefert einen alternativen Beweis von Beispiel 5.8.8.(b).

Die zwei Erzeuger t und y unterscheiden sich um einer Einheit. Einsetzenvon (31) liefert namlich

t =x

y= y

1

x2 − 1.

Im Beispiel 5.9.6 haben wir gesehen, dass ein lokaler Ring OP,Z nicht immerein diskreter Bewertungsring ist. Im Rest des Abschnittes werden wir den Unter-schied zwischen Beispiel 5.9.6.(a) und (b) mit Hilfe der Geometrie erklaren. Wirbeschranken uns dazu einfachheitshalber auf ebenen Kurven. Die Varietaten ausBeispiel 5.9.6 sind Beispielen ebener Kurven.

Definition 5.9.7 Sei K = K ein algebraisch abgeschlossener Korper. Eine ebe-ne Kurve ist die Nullstellenmenge

Z(f) ⊂ A2K

eines irreduziblen Polynoms f ∈ K[x, y].

Bemerkung 5.9.8 Im Abschnitt 5.7 haben wir die Dimension einer affinenalgebraischen Varietat Z als der Transzendenzgrad des Funktionenkorpers defi-niert. Ist Z = Z(f) ⊂ A2

K eine ebene Kurven, dann ist

K(Z) = K(x)[y]/(f)

ein Korper mit Transzendenzgrad 1. Eine ebene Kurve ist also eine affine alge-braische Varietat in A2

K der Dimension 1.

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Definition 5.9.9 Sei K = K algebraisch abgeschlossen und Z ⊂ AnK eineaffine algebraische Varietat der Dimension d. Wir wahlen Erzeuger f1, . . . , fmvon I := I(Z). Ein Punkt P ∈ Z heißt glatt, wenn

Rang

(∂fi∂xj

(P )

)i,j

= n− d. (32)

Ansonsten heißt P singular.Die Varietat Z heißt glatt, wenn jeder Punkt P ∈ Z glatt ist.

In (32) bezeichnet ∂fi/∂xj(P ) die formale Ableitung von fi nach der Variablexj ausgewertet im Punkt P . Wir bemerken, dass die Jacobi-Matrix(

∂fi∂xj

(P )

)i,j

in P eine m× n-Matrix ist.

Beispiel 5.9.10 Sei Z = Z(f) ⊂ AnK eine algebraische Varietat gegeben durcheine Gleichung (d.h. eine Hyperebene), beispielsweise eine ebene Kurve. Wirbemerken, dass Z Dimension d := n− 1 besitzt. Also ist P ∈ Z genau dann einsingularer Punkt, wenn

∂f

∂x1(P ) = · · · = ∂f

∂xn(P ) = 0.

Beispielsweise ist die ebene Kurve Z = Z(y2−x3) ⊂ A2C singular in P = (0, 0)

und glatt in allen anderen Punkten. Die ebene Kurve E = Z(y2−x3 +x) ⊂ A2C

aus Beispiel 5.6.3.(b) ist glatt.Die Varietat W = Z(xz − yw) ⊂ A4

K aus Beispiel 5.8.8 ist glatt in allenPunkten P 6= (0, 0, 0, 0).

Satz 5.9.11 Sei Z = Z(f) ⊂ A2K eine ebene Kurve. Ein Punkt P ∈ Z ist genau

dann glatt, wenn der lokale Ring OP,Z ein diskreter Bewertungsring ist.

Beweis: Wir schreiben P = (a, b) und mP = (x − a, y − b) < K[x, y].Betrachte

θ : K[x, y]→ K2, g 7→(∂g

∂x(P ),

∂g

∂y(P )

).

Bemerke, dassθ(x− a) = (1, 0), θ(y − b) = (0, 1)

eine Basis von K2 bilden. Außerdem gilt

θ((x− a)2) = θ((x− a)(y − b)) = θ((y − b)2) = 0.

Dies impliziert, dass m2P ⊂ ker(θ) ist. Es folgt, dass θ einK-Vektorraumisomorphismus

θ′ : mP /m2P∼→ K2

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induziert. Bemerke, dass P genau dann ein glatter Punkt von Z = Z(f) ist,wenn θ(f) 6= 0 ist.

Wir nehmen an, dass P ∈ Z glatt ist. Da P ∈ Z, ist f(P ) = 0 und f ∈mP < K[x, y]. Wir wahlen eine Funktion t ∈ mP , sodass θ(t), θ(f) eine Basisvon K2 bilden.

Wir schreiben a fur das maximale Ideal von OP,Z und fassen t als Elementvon a auf. Aus dem 3. Isomorphiesatz (Satz 3.2.10) und Satz 5.8.4 folgt, dass

a/a2 = mP /((f) + m2P ).

Hieraus folgt, dass t + m2P ein Erzeuger von a/a2 als K-Vektorraum ist. Satz

5.9.5 impliziert, dass OP,Z ein diskreter Bewertungsring ist.Sei nun P ∈ Z ein singularer Punkt. Dann ist θ(f) = (0, 0) ∈ K2. Ahnlich

wie im ersten Fall folgt, dass das maximale Ideal a von OP,Z kein Hauptidealist. 2

Wir beschreiben die geometrische Bedeutung des Beweises von Satz 5.9.11.Sei P = (a, b) ∈ Z = Z(f) < A2

K ein glatter Punkt. Die mehrdimensionaleTaylor-Entwicklung von f in P liefert

f =∂f

∂x(P )(x− a) +

∂f

∂y(P )(y − b) + m2

P .

Es gilt f(P ) = 0, weil P ∈ Z ist. Wir setzen

TP,Z := Z(∂f

∂x(P )(x− a) +

∂f

∂y(P )(y − b)

)⊂ A2

K

Geometrisch ist TP,Z die Tangente an Z in P .Da P ein glatter Punkt ist, ist ∂f/∂x(P ) oder ∂f/∂y(P ) ungleich Null.

OBdA nehmen wir an, dass ∂f/∂y(P ) 6= 0 ist. Es folgt, dass

y − b ≡ −∂f/∂x(P )

∂f/∂y(P )(x− a) (mod a2).

Dies zeigt, dass t := x−a ein Erzeuger von a/a2 induziert. Aus Satz 5.9.5 folgt,dass x− a ein Erzeuger von a ist. Geometrisch ist Z(t) ⊂ A2

K eine Gerade, dieZ in P transversal schneidet: Die Richtungsvektoren von Z(t) und TP,Z sindlinear unabhangig.

Ist P ∈ Z singular, dann verschwinden die partielle Ableitungen: ∂f/∂x(P ) =∂f/∂y(P ) = 0. In diesem Fall ist die Tangente TP,Z nicht definiert und dimk a/a

2 =2. Wir nennen a/a2 den Kotangentenraum.

Bemerkung 5.9.12 Die Bedingung in Satz 5.9.11, dass Z eine Kurve ist, istessentiell. Sei Z = Z(f) ⊂ AnK eine Hyperebene und P ∈ Z ein glatter Punkt,wobei f irreduzibel ist. In diesem Fall besitzt Z Dimension d = n − 1. DerBeweis von Satz 5.9.11 zeigt in dieser Situation, dass das maximale Ideal vonOP,Z von d− 1 Elemente erzeugt werden kann. Dies ist der Dimension des Ko-tangentenraums dimk a/a

2. Solche Ringen heißen regulare Ringen. Diese Cha-rakterisierung glatter Punkte P ∈ Z gilt auch ohne die Annahme, dass I(Z) einHauptideal ist. Dies behandeln wir in dieser Vorlesung nicht.

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Literatur

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