antifaschistische nachrichten 2005 #06

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    :antifaschistische Nr.6nachrichten www.antifaschistische-nachrichten.deg 3336 24.3.2005 21. jahrg./issn 0945-3946 1,30

    Inhalt:

    AN-Tagung 19.2.: Vortrag vonProf. Dr. Wolfgang Dreen:Alle einig gegen Rechts? . . . . . . 7

    Lbbe-

    nau. InBran-

    denburg hatsich der NPD-

    KreisverbandPrignitz-Rup-piner, der alseiner der aktiv-sten desBundeslandesgalt, faktischaufgelst. Andessen Stelletritt die am 1.Februar 2004ins Leben ge-rufene Bewe-gung Neue

    Ordnung(BNO).

    Unter Fh-rung der bei-den ehemali-gen Landes-vorsitzendenMario Schulz

    (NPD) und Jens Pakleppa (JN) trafensich laut Verfassungsschutz 100 Rechts-extreme zur Grndungsversammlung inVetschau. Fr die Abspaltung soll dieNominierung des gebrtigen Bosniersund deutschen Staatsbrgers Safet Babic

    auf der Europawahlliste der NPD aus-schlaggebend gewesen sein.

    Bereits 1999 hatte sich der schsischeJN-Landesverband wegen Babic ausdem Bundesverband verabschiedet.Durch den bertritt des NPD-Kreistags-abgeordneten in der Prignitz und den ei-nes Stadtverordneten in Wittstock ver-fgt die BNO ber zwei kommunaleMandate. Doch offenbar hat die NPD-Opposition Greres im Sinn. ber die,in Stuttgart ansssige Plattform NeueOrdnung, die als Schwester und Dach-verband der Bewegung DeutscheVolksgemeinschaft (BDVG) auftritt,sollen die verschiedenen Rechtsabspal-tungen der NPD offenbar organisato-risch zusammengefasst werden. Weiter-hin bestehen Kontakte zu dem norddeut-

    schen Neonazi Christian Worch sowiezur Partei national orientierter Schwei-zer (PNOS).

    Die BDVG/Neue Ordnung verfgteber regionale Schwerpunkte in Nordba-

    den und Sachsen und geht auf einenStreit innerhalb der Fhrungsstrukturder Jungen Nationaldemokraten Endeder 90er Jahre zurck. Auch hier war dieAufnahme des Bosniers Safat Babic inden NPD-Nachwuchs der Grund fr denKonflikt. Ezer wollte den Beitritt Babicsverhindern, da nach Paragraf 5 des JN-Statuts nur Deutsche Mitglieder wer-den drfen. Es gelte das Konzept derAbstammung, nicht das der Staatsbr-gerschaft. Unter den JN-Abweichlernwar damals auch der Landesvorsitzendein Baden-Wrttemberg, Lars Kppler.

    Zwei Monate nach der verlorenenAbstimmung grndete Ezer (Bundeslei-ter) und Lars Kppler (Stellvertreter)dann die NPD-Abspaltung Bildungs-werk deutsche Volksgemeinschaft. Diegefeuerten Vorsitzenden konten aller-dings nur zu einen kleinen Teil dieNPD-Mitglieder zum Austritt bewegen.

    Ende 2000 wurde die Geschftsstelleder 100 Mitglieder zhlenden Organisa-tion von Eschweiler nach Heilbronn ver-legt. Achim Ezer ist inzwischen nichtmehr fr die BDVG ttig. Um einemmglichen BDGV-Verbot den Wind aus

    den Segeln zu nehmen hat Lars Kpplerkrzlich sein Amt niedergelegt. Kpplerist nach Erkenntnissen von Verfassungs-schtzern dabei, nach Rosenberg-Ho-henberg bei Ellwangen umzuziehen.Dort hat der aus sterreich stammendeNeonazi Andreas Thierry fr etwa 45000 Euro einen alten Gasthof ersteigert.Anwohner frchten, dass dieser zu ei-nem Zentrum der Neonaziszene ausge-baut wird.

    Bis zur Vertreibung der BDVG ausEschweiler bei Kln im Sommer 2000fanden in den rtlichkeiten regelmigVeranstaltungen statt. Diese sollen of-fensichtlich nun nach Ellwangen aufhalber Strecke zwischen Stuttgart undNrnberg verlagert werden.

    kun

    Neonazisstreiten berDeutschtum

    Kameradschaftenverboten

    Berlin. Innensenator Ehrhart Kr-ting hat am 9. Mrz drei neonazisti-sche Kameradschaften verboten. Eshandelt sich um die Berliner Alter-native Sd-Ost, die Kamerad-schaft Tor Berlin und deren M-delgruppe, teilte die Innenverwal-tung mit. Mehrere Hausdurchsu-chungen in vier Berliner Bezirkenbeendeten dieses Kapittel der auf

    etwa 500 Mitglieder geschtztenKameradschaftsszene. Beschlag-nahmt wurden Computer, Mitglie-derlisten, Kontounterlagen, Aufkle-ber und 532 Flugbltter. Die dreiverbotenen Organisationen geltenals die aktivsten und auch aggres-sivsten der neonazistischen Kame-radschaftsszene in der Hauptstadt.

    Die Kameradschaft Tor (10-15Mitglieder) wurde Sommer 2000 inLichtenberg gegrndet und soll un-ter anderem Plakate in Gedenkenan den SA-Fhrer Horst Wessel ge-

    klebt haben. Ihren Namen bezogsie auf das Frankfurter Tor. Diebald darauf gegrndete Mdel-gruppe Tor verstand sich in derTradition des nazistischen Bunddeutscher Mdel (BdM). DieBASO (10-15 Mitglieder) wurdeim Herbst 2003 gegrndet und er-regte insbesondere im Dezember 2004den Unmut der Regierenden, als sie vordem Haus des Polizeidirektors MichaelKnape aufmarschieren wollte. DerStaatsschutz vermutet hier auch die Ur-heber der Morddrohungen gegen den

    Leiter der Direktion 6 (Lichtenberg,Treptow-Kpenick).

    Innensenator Krting kndigte an,weitere Organisationsverbote zu prfenund zielt mit der Ankndigung offen-sichtlich auf die Nationalen AktivistenPrenzlauer Berg, der Mrkische Hei-matschutz und die Autonomen Natio-nalisten Berlin, welche mit den verbote-nen Gruppierungen zusammengearbeitethaben. kun

    Fotos: arbeiterfotografie

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    :meldungen, aktionen

    Bracht verstorbenLemgo/Lippe. Krzlich verstorben istder 1927 im schlesischen Breslau gebo-rene Prof. Dr. Hans Werner Bracht. DerRechtswissenschaftler, der in Bielefeldund Lippe lehrte, war viele Jahr lang Pr-sident von Western Goals Europe. Ge-

    grndet wurde Western Goals 1979von dem konservativen Abgeordneten imUS-Kongress, Lawrence P. McDonald,der damals zu den fhrenden Mitgliedernder John Birch Society in den USA ge-hrte.

    Bracht, der auch enge Verbindungenzu diversen revanchistischen Organisa-tionen pflegte, war Ende der 70er JahreMitgrnder der Deutschen SozialenUnion, deren Anhnger sich einebundesweite Ausdehnung der CSU er-hofften. Nebenher war er auch juristi-scher Berater des Geschichtsrevisionis-

    ten Udo Walendy, einem ehemaligenNPD-Funktionr. 1998 war Bracht Mit-autor der Festschrift fr David Irving,die im Kieler Arndt-Verlag erschien.Zuletzt gab er noch im Jahr 2001 derNPD-Zeitung Deutsche Stimme einInterview. hma

    Rechte Rocker

    Mannheim. Die Rheinwelle, eine ehe-malige Fernfahrerkneipe ganz am Endeder Essener Strae im Rheinauhafen,entwickelt sich mehr und mehr zur

    bundesweiten Anlaufstelle fr Skinheadsund Neonazis, berichtet der Mannhei-mer Morgen (15.3.05). Erneut hatte diePolizei dort Mitte Mrz ein Konzert mitden Rechtsrock-Bands Nordglanz undLinientroi verhindert. Die Kneipe be-heimatet heute das Clubhaus der Rocker-gruppe Bandidos. hma

    Skinhead-Treffen aufge-flogenKochel am See. Aufgeflogen ist einTreffen der Skinheadgruppe Division

    Oberland im bayerischen Kochel amSee. Knapp 40 rechte Skinheads aus demKreis Weilheim, Mnchen, Dresden, Ba-den-Wrttemberg und der Schweiz hat-ten sich am 12. Mrz in einem zum Ver-einsheim umgebauten Kiosk am Bahn-hof getroffen, um eine Rechtsrock-Bandzu hren. Die Polizei strmte das Gebu-de und nahm den 26jhrigen PenzbergerChef der Gruppe, die aus der frherenKameradschaft Oberland hervorgegan-gen ist, wegen Volksverhetzung undVerwendens von Kennzeichen verfas-sungswidriger Organisationen fest. Ge-gen weitere 10 Neonazis wurde Anzeigeerstattet, weil sie u.a. Hemden der Divi-sion Oberland mit dem Totenkopf-Ab-zeichen der Waffen-SS trugen. Dekoriertwar der Raum u.a. mit einer groen Ha-

    kenkreuzfahne, SS-Emblemen und ei-nem Karabiner. Auerdem wurden Bier-flaschen mit dem Konterfei von AdolfHitler und Eva Braun gefunden. Der Ver-mieter des Gebudes will der Gruppenun fristlos kndigen. Die Polizei gehtderzeit von rund 70 Neonazis im Land-

    kreis aus. hma

    Schsische NPD whlteneuen LandesvorstandWiesa. Am 5. Mrz fand in Wiesa im(Landkreis Annaberg) der Landespartei-tag der schsischen NPD unter Aus-schluss der ffentlichkeit statt. Der Ter-min des Parteitages war zuvor bereitszweimal verschoben worden. Der Land-tagsabgeordnete Winfried Petzold, derbereits seit 1997 Vorsitzender des schsi-schen Landesverbandes ist, wurde mit 52

    Stimmen als Landesvorsitzender wieder-gewhlt. Als stellvertretende Vorsitzen-den wurden die LandtagsabgeordnetenJrgen Schn und Holger Apfel besttigt.Als dritten stellvertretenden Vorsitzen-den whlten die Delegierten den Land-tagsabgeordneten Mirko Schmidt, derbisher Beisitzer war. Weiterhin im Lan-desvorstand vertreten sind: Klaus Baier(MdL und Vorsitzender des NPD-Kreis-verbandes Annaberg), Alexander Delle(MdL und Mitarbeiter im DeutscheStimme-Verlag), Ren Despang (Vorsit-zender des NPD-Kreisverbandes Dres-

    den), Jrgen Gansel (MdL und Mitarbei-ter im Deutsche Stimme-Verlag) Jr-gen Krumpholz (Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Grlitz), Kerstin Lorenz(bis 2004 Landesvorsitzende der REP,seit September 2004 NPD-Mitglied), Dr.Johannes Mller (MdL und Vorsitzenderdes NPD-Kreisverbandes SchsischeSchweiz), Marcus Mller (Vorsitzenderdes NPD-Kreisverbandes Muldental),Matthias Paul (MdL und bisheriger Pres-sesprecher im Landesvorstand), FrankRohleder (ehemaliger stellvertr. REP-Bundesvorsitzender, Beisitzer im NPD-

    Bundesvorstand, Vorstandsmitglied desNationalen Bndnis Dresden e.V.),Thomas Schler (NPD-Kreisrat imLandkreis Chemnitzer Land). Neu in denLandesvorstand gewhlt wurden KerstinLorenz, Marcus Mller, Frank Rohlederund Thomas Schler.

    In der Partei macht der Verfassungs-schutz interne Streitigkeiten der schsi-schen NPD aus. Hintergrund hierfr seiein schwelender Ost-Westkonflikt. Zu-dem sind die Kreisverbnde darber ver-rgert, dass sie vom Einzug der NPD inden Schsischen Landtag bislang nichtfinanziell profitieren. Kritisiert wurdeauch der Antritt des saarlndischenNPD-Funktionrs Peter Marx zur Ober-brgermeisterwahl in Leipzig. Das Grosder schsischen NPD-Mitglieder ist ber

    die offensichtliche Aussichtslosigkeitdieser Aktion und die daraus entstehen-den Kosten fr die Partei emprt.

    kun, nach PM des schsischen Verfas-sungsschutzes vom 9.3.2005

    Keine Strafe fr Tschechenwegen Neuauflage von

    Mein KampfPrag. Das oberste Gericht der Tschechi-schen Republik hat am 9. Mrz ein Urteilgegen einen Verleger aufgehoben, der2000 eine tschechischsprachige Ausgabevon Adolf Hitlers Buch Mein Kampfverffentlichte. Das Gericht gelangtenach Angaben einer Sprecherin zu derAuffassung, dass der Verleger MichalZitko keine strafbare Handlung beab-sichtigt habe. In erster Instanz wurde Zit-ko 2001 in Prag wegen Frderung desNationalsozialismus zu drei Jahren Haftmit Bewhrung und einer Geldstrafe vonzwei Millionen tschechischen Kronen(rund 68.000 Euro) verurteilt.

    Die nchsthhere Instanz hob das Ur-teil wegen Verfahrensfehlern auf. Bei derNeuverhandlung 2002 wurde Zitko er-neut schuldig gesprochen, die Haftstrafeaber auf 22 Monate reduziert. Zitko legteBeschwerde beim obersten Gericht ein,das ihm nunmehr stattgab. Bis dato sol-len von dem Buch bereits 90.000 Exem-plare verkauft worden sein. kun

    NPD-Landtagskandidat ver-

    urteiltAachen. Das Landgericht Aachen hatam heutigen Mittwoch ein Urteil wegenvorstzlicher Krperverletzung, began-gen an einen 13-Jhrigen durch dennordrhein-westflischen NPD-Landtags-kandidaten Willibert Kunkel, besttigt.

    Das Gericht besttigte zudem die am12. November 2004 vom AmtsgerichtEschweiler gegen den 54-Jhrigen ver-hngte Geldstrafe von 2 100 Euro. BeideKammern sahen es trotz widersprch-licher Zeugenaussagen als erwiesen an,

    dass der alkoholisierte NPD-Funktionrden Jungen im September 2003 vor sei-nem Wohnhaus nach einem teils ordin-ren Wortgefecht attackiert hatte. Dabeihabe er den zur Tatzeit 13-Jhrigen so ra-biat an Hals und Nacken gepackt, dassdieser kurzfristig ber Atembeschwerdenund Schmerzen klagte. Kunkel hatte ge-gen das Urteil aus erster Instanz Beru-fung eingelegt. Der 54-Jhrige kandidiertbei der NRW-Landtagswahl am 22. Maian sechster Stelle der Reserveliste. Zu-dem ist er Ratsmann in Stolberg, Vorsit-zender des NPD-Kreisverbandes Aa-chen, Beisitzer im NPD-LandesvorstandNRW und gehrt dem Bundesvorstandder Kommunalpolitischen Vereinigung(KPV) der NPD an. Das Urteil ist nochnicht rechtskrftig. mk, www.bnr.de

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    Rechtsterrorist Mitarbeiterbei der NPD

    Dresden. Der ehemalige RechtsterroristPeter Naumann ist Angaben der Leipzi-ger Volkszeitung zufolge als Mitarbeiterdes schsischen NPD-Landtagsabgeord-neten Klaus-Jrgen Menzel in dessenWahlkreis ttig.

    Im Oktober 1988 war Naumann vomOberlandesgericht Frankfurt wegen Her-beifhrung beziehungsweise der Verab-redung zu Strengstoffanschlgen, derversuchten Grndung einer terroristi-schen Vereinigung sowie des Verstoesgegen das Waffen- und Sprengstoffge-setz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jah-ren und sechs Monaten verurteilt wor-den. 1987 war Naumann, einst stellver-tretender Bundesvorsitzender der JungenNationaldemokraten, aus der NPD aus-geschlossen worden. Im August 1995sorgte Naumann fr bundesweites Aufse-

    hen, als er seine seit etwa 17 Jahren in 10Erddepots gelagerten Bestnde anSprengmitteln und Waffen den deutschenBehrden bergab; darunter 50 Kilo-gramm Sprengstoff, Blendgranaten,Handgranaten, ein Sturmgewehr, Znd-mittel und diverse Sprengznder.

    Heute ist Naumann einer der gefrag-testen Referenten im neonazistischen La-ger. Menzel, bis Anfang Mrz schsi-sches NPD-Landesvorstandsmitglied,hatte im Januar in einem Interview dieAnsicht vertreten, dass die Grenzen derBundesrepublik Deutschland nach West-

    en und Osten verschoben werden ms-sten. Er forderte ein Deutschland, dasim Westen an der Maas beginnt und imOsten an der Memel endet. am

    Junge Freiheit: Interviews,um sich ins Gesprch zubringenIn den letzten Wochen und Monaten ge-lang es der Jungen Freiheit wiederholt,sich durch ihre Interviews ins Gesprchzu bringen. So gaben u.a. der Vorsitzen-de der Deutschen Gesellschaft fr Sozio-

    logie und einige prominente Sozialde-mokraten (Peter Glotz, Egon Bahr undFriedhelm Farthmann und soeben einBerliner Bezirksbrgermeister) der JFInterviews. Am meisten Aufsehen erreg-te das Gesprch mit Rolf Hochhuthwegen seiner uerungen zum Holo-caustleugner David Irving. Hochhuth ru-derte spter zurck und sagte u.a., erhabe die Zeitung vorher nicht gekannt.Das ist recht merkwrdig, denn schon imOktober 2000 gab er der JF ein Inter-view, was allerdings m.W. in den zahllo-sen Artikeln zum Thema nicht bemerktwurde.

    Zur Funktion der JF-Interviews, berdie sich die meisten Feuilleton-Artikelrecht schlecht informiert zeigen, stehtnun auf der Startseite des Unrast-Verlags

    ein Auszug aus unserem Buch Nation

    statt Demokratie. Sein und Design der,Jungen Freiheit (Mnster: Unrast 2.Aufl. 2004) im Netz (das ltere Hoch-huth-Interview ist dort auch erwhnt).

    http://unrast-verlag.de/unrast,3,0,214.html

    Alfred Schobert

    Antrag von pro KlnabgewatschtKln. Zum 60. Jahrestag der Befreiungdes KZ Auschwitz hatte die Bezirksver-tretung Kln-Nippes Volker Adam vomVorstand der VVN- BdA eingeladen vor

    der Sitzung zu diesem Thema zu spre-chen. Die Rede fand bei Bezirksvertre-tern und Publikum groen Zuspruch. Le-diglich dem Vertreter von pro Kln,Manfred Rouhs, war die Rede ein Dornim Auge.

    Rouhs hat in der darauffolgenden Sit-zung einen unsachlichen und diffamie-renden Antrag gestellt. Adams Rede soll-te im Nachhinein von der Bezirksvertre-tung missbilligt werden, da es sich beiVolker Adam um einen Linksextremistenhandele und die VVN vom Verfassungs-schutz beobachtet wrde. Dieser unver-schmte Antrag wurde fr Rouhs undseine Gefolgschaft zum Bumerang. DerSPD-Fraktionsvorsitzende in der Be-zirksvertretung Nippes (Horst Baumann)uerte sich eindeutig zu der Behaup-

    tung des Antragstellers, bei Adam wrde

    es sich um einen Linksextremisten han-deln: Schon vor dreiig Jahren habenAdam und ich gemeinsam und mit fried-lichen Mitteln fr mehr Demokratie ge-kmpft.

    Auch der CDU Fraktionschef Mbiuslas Rouhs die Leviten: Wir werden unsin Nippes von Ihnen nicht vorschreibenlassen, wer hier spricht und wer hiernicht spricht! Da Rouhs in seinem An-trag mit dem Verfassungsschutz argu-mentierte, konterte die Grne Fraktionmit Textpassagen des Verfassungsschutz-berichtes, in welchen die Verbindungen

    des Antragstellers zur rechtsradikalenSzene beschrieben sind. Weisenstein(PDS) konzentrierte sich in seinem Re-debeitrag auf die VVN/BdA: Selbstver-stndlich waren auch Kommunisten Mit-begrnder der VVN im Jahre 1947. Siewaren vom Naziregime verfolgt worden,wie andere Mitbegrnder des Verbandesauch: Sozialdemokraten, Mitglieder derfrheren Zentrumspartei, engagierteChristen. Weiterhin wies der PDS-Ver-treter auf die seit Jahren gute Zu-sammenarbeit des VVN/BdA mit den de-mokratischen Parteien und dem stadtna-hen NS-Dokumentationszentrum hin.Den Redebeitrgen entsprechend, wurdeder Antrag von pro Kln von allen de-mokratischen Vertretern abgelehnt.

    MW

    Mahngang wider dasVergessenIm Vorfeld des 60. Jahrestages derSelbstbefreiung des KZ Buchenwaldfindet ein Gedenkmarsch fr die Opferdes Konzentrationslagers Buchenwaldstatt und zwar vom 7. April 2005 biszum 10. April 2005. Er endet mit der

    Teilnahme an der Gedenkkundgebungam 10.4. in Buchenwald

    Donnerstag 7.4.05:Auftakt-Abendveranstaltung im Ju-gendclub (Setze) in Arnstadt, ca. 18.00Uhr: Zeitzeugengesprch mit einemberlebenden des KZ Auschwitz

    Freitag 8.4.05:Frhstck in der P20, danach gehts mitdem Shuttle nach OhrdrufStart des Mahngangs zu folgenden Sta-tionen:

    ca. 9.00 Uhr: Auftaktkundgebung inOhrdruf, Steleca. 11.00 Uhr: Crawinkel, Steleca. 13.00 Uhr:Arnstadt, Stele Jonastalca. 15.30 Uhr: Arnstadt, Stele Wachsen-burgeralleeca. 16.00 Uhr:Arnstadt, Stele Sdbahn-hofca. 18.00 Uhr: Stadtilm, Steleca. 20.00 Uhr: Filmabend in der P20:Nackt unter Wlfen

    ber-nachtungin derP20, aus-reichendSchlaf-pltzevorhan-den

    Samstag9.4.05:Frh-stck in der P20 , danach gehts mit demShuttle nach DienstedtStationen:9.00 Uhr: Auftaktkundgebung in Dien-stedt, Stele11.00 Uhr: Kranichfeld, Stele15.30 Uhr: Bad Berkaca. 19.00 Uhr: Zeitzeugengesprch miteinem berlebenden des Todesmar-sches in Weimarbernachtung in Weimar, ausreichend

    Schlafpltze vorhanden

    Sonntag 10.4.05:Stationen:10.00 Uhr: Weimar, Stele EttersburgerStrae15.00 Uhr: Gedenksttte BuchenwaldWer die Nutzung eines Schlafplatzeswahrnehmen will, melde sich bitte bis 1.April bei uns, Infos ber www.keinver-gessen.de

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    wenn Sprache, Outfit und Aktionsformenmoderner geworden sind: Hinter der Sozi-alabbaukritik von Rechts steht die immergleiche vlkisch-rassistische Ideologievon Volksgemeinschaft, Nationalismusund Antisemitismus.

    Der Skandal von 1997 darf sich nicht

    wiederholen, als ber 5.000 Nazis unterPolizeischutz durch Mnchen marschier-ten. Nur die konsequente Haltung der15.000 Mnchnerinnen und Mnchner,die damals stundenlang den Marienplatzbesetzt hielten und schlielich die Nazisim Tal gestoppt haben, verhinderte, dassdiese ihr Ziel erreichten. Auch weitereVersuche der NPD, in Mnchen aufzutre-ten sind an der Wachsamkeit und Prsenzder Mnchner Bevlkerung mehrmals ge-scheitert: So ihre Propagandaveranstal-tung am 30. September 2000 auf dem Ma-rienplatz und die geplante Grokundge-bung am 25. November 2000 auf demMaria-Hilf-Platz, die wegen der angekn-digten Gegendemonstrationen kurzfristigvon der NPD abgesagt wurde. Damit wur-den klare Zeichen gesetzt.

    Wir knnen uns nicht darauf verlas-sen, dass die Stadt oder der Staat den Na-zis den Ton abdrehen. Wir mssen schonselber auf die Strae gehen und unber-hrbar klar machen:

    Wir werden auch den Nazi-Aufmarscham 2. April 2005 nicht hinnehmen! Wir

    rufen alle Mnchnerinnen und Mnchnerauf, den Faschisten kreativ und ent-schlossen entgegenzutreten. Wo immerdie Nazis aufmarschieren wir werdenprsent sein. Stoppen wir gemeinsamden braunen Spuk.

    2.4.2005 um 10 Uhr Kundgebung aufdem Marienplatz Im Anschluss daran Proteste entlangder Route des Nazi-Aufmarsches. Ange- meldete Pltze: Stachus, Sendlinger-Tor-Platz, Goetheplatz, Esperantoplatz

    Nie wieder Faschismus ist kein Lip-penbekenntnis, sondern Ansporn undAnlass zum aktiven Handeln!

    Der Aufruf wird untersttzt von einembreiten Bndnis von Organisationen und

    Einzelpersonenemail: [email protected]

    Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

    Kein Naziaufmarsch am2. April 2005 in Mnchen!

    24. Mrz 2005: 60. Jahres-tag des Todesmarsches derKZ-Hftlinge aus den Frank-furter Adlerwerken nachBuchenwald

    Frankfurt. Am 23. Mrz 1945, fnfTage vor der Befreiung Frankfurts, gibt

    die SS den Befehl, das KZ in den Adler-werken zu rumen. Am 24. Mrz treibtdie Lager-SS die Hftlinge aus der StadtRichtung Osten. Kurz hinter Fechenheimbeginnt sie, Marschunfhige und Krankezu erschieen. 350 ausgehungerte undvllig entkrftete Hftlinge musstennachts unter dem Terror der SS RichtungWeimar laufen das Ziel war Buchen-wald. Nach fnf mrderischen Nacht-mrschen erreichten 280 Hftlinge Hn-feld in Hessen und wurden von dort inGterwaggons in das KZ Buchenwaldtransportiert. Die meisten Hftlinge mus-

    sten in weiteren Todesmrschen nachDachau laufen nur etwa 40 Hftlingeaus den Adlerwerken kamen am 27.April 1947 dort an und wurden zweiTage spter von der US-Army befreit.

    Am Donnerstag, 24. Mrz 2005 wol-len wir an den Todesmarsch erinnern.Schon am Tag vorher werden wir einenTeil der Marschroute mit Plakaten kenn-zeichnen. Am Donnerstag werden wir anverschiedenen Punkten kleine Aktionen

    bzw. Kundgebungen machen und Flug-bltter verteilen. Auerdem werden wirdort Umrisse von Menschen auf die Stra-e malen, die die Ermordeten symboli-sieren sollen. Die Stationen: Galluswarte, 12 Uhr Hauptbahnhof (Vorplatz), 13 Uhr Willy-Brandt-Platz, 14 Uhr Paulskirche, 14.30 Uhr

    Pfortenstr./Alt Fechenheim, 15.30 Uhr Drnigheim, vor dem Frankfurter Hof,16.45 Uhr

    Hanau: Freiheitsplatz/am Schwanen-brunnenWir laden alle Interessierten ein, an

    die oben genannten Orte zu kommen.Mehr Informationen unter:

    www.kz-adlerwerke.frankfurt.org.

    Dubiose Unterschriftenak-tion der NPD im NRW- Land-tagswahlkampf

    Wie der Speigel und etliche Tageszeitun-gen berichteten, wirbt die NPD im nordr-hein-westflischen Landtagswahlkampfmit dubiosen Methoden um Unterschrif-ten fr Wahlkreiskandidaten. Um fr dieDirektwahl zugelassen zu werden, ms-sen pro Bewerber mindestens 100 Wahl-berechtigte auf entsprechenden Unter-sttzungsformularen unterschreiben.Dazu setzt die NPD offenbar Drckerko-lonnen ein, die in geeignet erscheinenden

    Stadtteilen systematisch von Haus zuHaus gehen. Dabei werden die potentiel-len Unterzeichner anscheinend nicht im-mer zutreffend und umfassend infor-miert. Der zustndigen Landeswahlleite-rin Helga Block liegen Hinweise vor,nach denen NPD-Werber eine politischeUmfrage vortuschten, um an Unter-schriften zu kommen. Nach Auskunft

    Blocks lge darin eine Irrefhrung vonWhlern, die sogar strafrechtliche Kon-sequenzen haben knnte.

    Im Wahlkreis Herne-Bochum II, wooffenbar Parteichef Voigt antreten soll,wurde Werbern nach SPIEGEL-Informa-tionen nahe gelegt, explizit um Unter-sttzung fr einen Einzelkandidaten zuersuchen, und auf Fragen nach der Par-teizugehrigkeit das Krzel NPDmglichst zu vermeiden. Selbst einigeder Werber wurden mit faulen Tricks an-geheuert. So suchte die Mnchner H &B Agentur fr Eventmarketing und

    Wahlwerbung in Sddeutschland perAushang Studenten fr eine umfrage-hnliche Ttigkeit, ca. 14 Tage. Erstnach Ankunft in Nordrhein-Westfalenwurde den Studenten erffnet, dass sie

    jedenfalls zunchst nur fr die NPDUnterschriften sammeln sollten. hnli-che Aktionen gab es nach Erkenntnissenvon Verfassungsschtzern auch schon inSachsen. H & B lehnte eine Stellungnah-me ab. Quelle: Spiegel 10/2005

    Am 2. April 2005 planen alteund neue Nazis erneut einen Pro-pagandamarsch durch Mnchen,

    der in ein Open-Air-Konzert auf der The-resienwiese mnden soll. Unter demMotto Nur ein Esel glaubt noch an ei-nen Sozialstaat in der BRD hat der An-fhrer der Kameradschaft Mnchen undNPD-Mitglied Norman Bordin diese De-monstration angemeldet. Angekndigtsind Redner aus dem Spektrum derFreien Kameradschaften/Freie Nationa-listen aus dem gesamten Bundesgebiet.

    Es ist legitim, ja legal, sich denTotengrbern der Demokratieentgegenzustellen.*

    (* Zitat Martin Lwenberg)

    Wir werden nicht dulden, dass 60 Jahrenach der Befreiung von Auschwitz unddem Ende des 2. Weltkriegs in Mnchenunverhohlen mrderische NS-Propagandabetrieben wird, gegen Flchtlinge undMigrantInnen gehetzt und die Erinnerungan die Opfer der Vernichtungspolitik Na-zideutschlands mit Stiefeln getreten wird.

    Das Thema der Demonstration Sozial-staat stellt einen weiteren Versuch derNeonazis dar, sich antikapitalistisch undglobalisierungskritisch gerierend an dieProteste gegen die sogenannten Sozial-und Arbeitsmarktreformen (Agenda2010/Hartz IV) anzudocken. Doch auch

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    Kln. ber 100 Menschen ka-men zur Erffnung eines Begeg-nungs- und Erzhlcafs fr NS-

    Verfolgte, das jetzt alle vierzehn Tage inder Seniorenresidenz am Dom stattfin-den wird. Der Bundesverband Informa-tion & Beratung fr NS-Verfolgte hat dasCaf initiiert und der rege Zuspruch beider Erffnung lsst hoffen, dass dies ein

    Treffpunkt fr die noch lebenden NS-Verfolgten in Kln und Umgebung wird,an dem sie sich austauschen knnen undber den sicher auch die eine oder andereHilfe fr ihren Alltag organisiert werdenkann.

    NS-Verfolgte scheuen hufig denKontakt mit den Angehrigen ihrer Ge-neration, der Ttergeneration. Aber auchprofessionellen Helfern gegenber sindsie in der Regel misstrauisch und zurck-haltend. Sie berichten manchmal vonschlechten Erfahrungen, die sie mit Mit-menschen gemacht haben, wenn sie ihr

    Verfolgungsschicksal offenbart haben.Diese alten Menschen haben es auch be-sonders schwer, Hilfe anzunehmen. Siehaben oft nur berlebt, weil sie auerge-whnlich stark waren.

    Daher schweigen sie ber eine Erfah-rung ihres Lebens, die besonders bei zu-nehmendem Alter und wachsender Ein-samkeit an Bedeutung gewinnt. Die Ver-drngungsleistung lsst nach, die Kom-pensationsmglichkeiten werden weni-ger, auch weil die Mobilitt hufig starkeingeschrnkt ist.

    In anderen Lndern sind mit der Ein-

    richtung von begegnungscafs gute Er-fahrungen gemacht worden. Bereits inden 60er Jahren wurde in Oslo eine Be-gegnungsmglichkeit fr Holocaustber-lebende eingerichtet. Auch in Brsselexistiert ein solcher regelmiger Treff-punkt. Die Wiener Ein-richtung ESRA in derJdischen Kultusge-meinde Wien unterhltseit ber 10 Jahren einCaf fr Holocaust-berlebende. Bei dengenannten Beispielen

    sind die Besucher aller-dings ausschlie-lich j-dische NS-Verfolgte.

    Wir dokumentierenleicht gekrzt die Redevon Helga Blmel, dieauf der Erffnungsver-staltung fr die Wohl-fahrtsverbnde sprach.

    Meine Damen undHerren !

    ... Als Vertreterin derWohlfahrtsverbnde be-glckwnsche ich Siezu der Idee, dieses Er-zhl- und Begegnungs-caf zu erffnen. Hierknnen Sie miteinander

    die Geschichte zurecht rcken: Wahr vonFalsch unterscheiden, das Falsche, dasSchreckliche benennen; das, was Wun-den bis heute hinterlassen hat. Sie kn-nen hier anprangernd aussprechen, woandere am Werk sind und Geschichtenach Ihrem Gusto zurecht rcken.

    Ich wnsche Ihnen, das dieses Cafdie Grundplattform bietet, von der ausSie Ihre eigenen Belange aus Ihrer eige-nen Sicht in weitere Bahnen lenken kn-nen, so, wie Sie sie brauchen fr einglckliches Alter.

    Ich hoffe, dass Sie berdieses Caf auch Anlauf-stelle fr Interessierte vonauen sein knnen. Ichselbst habe jahrelang mitJugendlichen gearbeitet viel im Rahmen des Mah-nens und Gedenkens an die

    NS-Zeit. Ich wei, wiewichtig fr die nachfolgen-den Generationen Zeitzeu-gen sind. Sie helfen aufzu-decken, wo Geschichte be-richtigt worden ist undwerden soll.

    Ich hoffe, dass Sie nochFreude daran haben, Zeit-zeuge zu sein fr Jngere,die noch viele Fragen aneine fr sie weit zurcklie-gende deutsche und inter-nationale Geschichte stel-len und nach Antworten su-chen. Vielleicht finden siesie, im Dialog mit Ihnen.Es sind sicher Gesprche,die Zeugnis geben.

    Aus der vielfltigen Arbeit mit Jungenund Alten wei ich, dass das allerwich-tigste, das es zu vermitteln gilt, das Ge-fhl fr Gerechtigkeit und Ungerechtig-keit ist, die Menschen widerfhrt. Kopf,Gehirn, Bauch und Gefhl spren dasgemeinsam am besten. Und da sind es

    manchmal nicht nur die Worte, sondernauch die Lieder und Bilder, in denen die-se Sinne zusammen kommen.

    Ich wnsche Ihnen von Herzen auchIhre eigenen Lieder und Bilder. SingenSie ruhig zusammen, packen Sie alte Fo-tos aus und erzhlen Sie darber, guckenSie alte Filme und erinnern sich und er-zhlen von den Erinnerungen. Und ladenSie, wenn Sie wollen, Jngere dazu ein.Nochmal mit Erich Fried: Lassen Siesich heute wie damals nicht entmuti-gen vom schlechten Wirklichen.

    Und dadurch, dass Sie sich hier ge-

    meinsam eine Stimme geben, kratzen Siedie glatten Korrekturen der berichtigtenFassung der Geschichte an, die eine un-kritische ffentlichkeit bereits vorge-nommen hat.

    Das Caf findet jetzt alle 14 Tage Donnerstagsvon 15 bis 18 Uhr statt, Kln, Seniorenresi-denz am Dom, An den Dominikanern 6-8.Alle acht Wochen wird das Begegnungscafezum Erzhlcaf. Die Termine dafr in diesemJahr sind der 21. April, der 16. Juni, der 8.September und der 3. November.

    Mehr Informationen gibt es ber den ber

    Bundesverband Information und Beratung frNS-Verfolgte e.V., Sonja Schlegel, Tel. 0221-1792 94-13, Fax 0221-17 92 94-29,[email protected]. Spendenkonto:Bank fr Sozialwirtschaft, Bankleitzahl: 370205 00, Kontonummer: 70 73 100.

    Begegnungs- und Erzhlcaffr NS-Verfolgte erffnet

    NS-Verfolgte haben eines gemeinsam sie haben immer Angst, auf irgend-welche alte Nazis zu treffen. Wenn sie wildfremden Menschen begegnen, diegleichaltrig sind, ist immer dieses Misstrauen vorhanden. so Regina Suder-land, Vorsitzende des Bundesverbandes Information und Beratung fr NS-Ver-folgte in ihrer Erffnungsrede.

    Der Engel der Geschichte

    Es ist nicht wahrda Gechichtegeflscht wirdSie hat sich groenteilswirklichfalsch

    zugetragenIch kann das selbst bezeugen:Ich war dabei

    Doch leicht begreiflichda jetztdie verschiedenen Seitenverbesserte Fassungennachlieferndie das Geschehenenichtso sehr berichtenwie berichtigen wollen

    Weil sie erkennen:wir drfen uns nieund nimmerentmutigen lassenvom schlechtenWirklichen

    Erich Fried

  • 8/9/2019 antifaschistische nachrichten 2005 #06

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    : antifaschistische nachrichten 6-20056

    haGalil muss weitergehen!

    haGalil onLine ist wohl der grtedeutschsprachige jdische Internet-dienst weltweit. Neben tglich aktuel-len Nachrichten aus Deutschland, s-terreich, der Schweiz, aus Europa, Is-rael und Nahost bietet die Seite eine ak-tive Auseinandersetzung mit Rechtsex-

    tremismus, Rassismus und Antisemi-tismus. Seit Jahresbeginn lehnt dasBundesministerium fr Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend eine weitereFrderung des Projektes ab. Als Grundwird hier ein durchaus nicht unb-licher Trgerwechsel von haGalil on-Line bemht. Dabei zhlt haGalil onLi-ne zu den wenigen Projekten, die seitJahren kontinuierlich und erfolgreicharbeiten. Davon zeugen nicht zuletztdie zahlreichen Besuche auf den vonhaGalil betreuten Internetseiten.

    Das Bildungsangebot von haGalil

    onLine wird nicht nur von Lehrerinnenund Lehrern, Schlerinnen und Sch-lern genutzt. Auch Journalistinnen undJournalisten finden hier zahlreicheMglichkeiten der Recherche. haGalilonLine bietet Informationen zu jdi-schem Leben, zu Religion, Geschichteund Kultur. Und nicht zuletzt ist esdurch die Prsenz von haGalil onLinegelungen, die braune Flut im Interneteinzudmmen.

    Bitte untersttzen Sie mit IhrerUnterschrift den Offenen Brief an dieBundesfamilienministerin und an denBundeskanzler!

    haGalil muss weitergehen! Der Offe-ne Brief kann bei hagalil unterzeichnetwqerden: www.hagalil.com

    Rechtsextreme Hochburg oder nur konservative Steigbgelhalter?

    Bndnis gegen Rechts istdringend ntignymen Brief mit der Drohung Rotfrontverrecke.

    Whrend die HSt am 15.2. den Innen-minister Rech interviewt seit Sachsenkeine Zunahme von brauner Gewalt inBaW , muss sie bereits zwei Tage sp-ter ber die Drohbriefe und Ermittlungender Polizei im rechten Lager berichten.

    Chefredakteur Wolfgang Bok landetdagegen am 11.2. einen seiner gefrchte-

    ten Rundumschlge gegen die politischeLinke, die fortwhrend Konservative alsgeistige Wegbereiter brauner Extremistenverunglimpfte. Die selbst ernannten Anti-

    faschisten verwechseln Aufklrung all zuleicht mit billiger Agitation. Bok erinnertmit dieser Ausfhrung an den bellendenHund, der getroffen wurde. Schlielichkennt er sich aus mit billiger Agitation,sptestens seit er vor einigen Jahren vomdeutschen Presserat eine Rge erteilt be-kam, weil er im Zusammenhang mit Kin-dergeldzahlungen an trkische Familienvon Wurfprmie sprach bzw. in seinerKommentarspalte schrieb.

    In denselben Randnotizen (so lautetseine wchentliche Kommentarspalte) am11.2. emprt sich Bok ber naive Multi-

    kulti-Folklore, und wirre Zuwanderungs-ideologie. Mit ideologischer Brille kri-tisiert er, dass ehemaligen NSDAP-Mit-glieder unter Auenminister Fischerselbst dann (der amtliche Nachruf) ver-weigert wird, wenn sie fr die Bundesre-publik Jahrzehnte lang als Botschafter t-tig waren. Bei ehemaligen Kommunistenverfhrt Fischer grozgig: Alte Wegge-fhrten aus Straenkmpferzeiten zhlenzu des Auenministers engstem Berater-kreis.

    Ein ausfhrlicher Bericht in den Tages-themen am 16.2. ber Rechtsextremismusin Heilbronn, hat weitere heftige Reaktio-nen ausgelst. In dem sachlichen Fernseh-beitrag wurde von der Neugrndung desNationalen Bndnis Heilbronn berich-tet u.a. in einem informativen Interview

    mit dem DGB-Vorsitzenden BernhardLffler. Unter der berschrift: Wie Heil-

    bronn in den Geruch einer rechtsextremenHochburg gert schrieb der fr denStadtkreis Heilbronn und Wirtschaft Re-gional verantwortliche Redakteur GertKempf. In dem Artikel werden sowohl dieREPs, wie auch das Nationale BndnisHeilbronn verharmlost. Nach eigenenAngaben gehren ihm gerade mal 40 Mit-

    glieder an, schreibt Kempfzu diesem Bndnis. DemDGB-Vorsitzenden Bern-hard Lffler wird zwischenden Zeilen Nestbeschmut-zung vorgeworfen. Mei-

    nungsmacher Bok setzt demam folgenden Tag noch eineRandnotiz drauf:

    Mit drren, eher diffusenBelegen wird die Stadt inbraune Tunke gedrckt und der DGB-Vorsitzendegibt sich dafr als Kronzeu-ge her. Ist Bernhard Lfflerwirklich so naiv, dass er die

    Auenwirkung seiner Worte nicht be-denkt? Ihm und dem fr den regionalenBeitrag verantwortlichen LandessenderSWR mchte man zurufen: Danke fr die

    tolle Imagewerbung!Heilbronn, braune Hochburg odernur ffentlich prsentiert von einemkonservativen Steigbgelhalter?

    Es ist eine Tatsache, dass dem neunkpfigen Landesvor-

    stand der NPD Baden-Wrttemberg vierLeute aus Heilbronn angehren. dass in Heilbronn das einzige Natio-

    nale Bndnis auerhalb Sachsens exis-tiert. dass in Heilbronn die Republikaner

    seit 1989 in Fraktionsstrke im Gemein-derat vertreten sind,

    dass in Heilbronn aufrechte Demo-kraten, die Leserbriefe gegen Nazisschreiben, Drohbriefe und Drohanrufe er-halten.

    Mit einem groen Leitartikel Immungegen Radikale versucht Bok am 19.2.05von den obigen Tatsachen abzulenken undden Versuch einer politischen Frontbil-dung gegen die Faschisten zu hintertrei-ben. Mit einer plumpen und demagogi-schen Gleichsetzung von NPD und PDSwill er den Extremismusbegriff neu bele-ben. Stoiber von der CSU knnte dazu dieVorlage geschrieben haben.

    Nicht erst die letzten zwei bis drei Mo-nate haben auch in Heilbronn und Umge-bung gezeigt, dass ein breites Bndnisgegen Rechts nicht nur ntig, sondernauch mglich sein sollte. jom

    Heilbronn. Nicht erst seit derGrndung des Nationalen Bnd-nis Heilbronn wird in den Leser-

    brief- und Kommentarspalten der Heil-bronner Stimme (HSt) eine heftige Aus-einandersetzung um neonazistische undrechte Positionen gefhrt. Whrend am21.1.05 ein Artikel Neonazi Kppler istgefhrlich zu den Umtrieben von Lars

    Kppler erschien, folgte zehn Tage spterein Leserbrief des ehemaligen REP-Mit-glieds Alfred Heckel. Dem Geiste seinerLeserbriefe nach zu urteilen, ist er damalsaus Dagenbachs Truppe nach rechts aus-getreten: Nicht Lars Kppler sei gefhr-lich, sondern unsere fhrenden Politiker,die unser Volk mit einer einmaligen in-lnderfeindlichen Politik seit Jahren ander Nase herumfhren. Es werden im-mer weniger Leute, die das Mrchen vonden bsen Faschisten glauben. DieserLeserbrief blieb nicht unwidersprochen.Bjrn Ehinger (Juso) widersprach und

    kritisierte, dass die HSt solchen Positio-nen ein Forum bietet. Er erhielt ebensowie Thomas Bohlmann (SPD) einen ano-

  • 8/9/2019 antifaschistische nachrichten 2005 #06

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    Andere. Deshalb mssen eben auch die

    deutschen Opfer betrauert werden: Auchwir haben unter dem NS gelitten, wie wir jetzt gegen die Neonazis zusammenste-hen.

    Dieser Verdrngungszusammenhangmacht es so schwierig, darber zu disku-tieren, was jetzt, angesichts der Wahler-folge der NPD, zu tun sei. Denn es gehtdoch vor allem um uns selbst, um unsereVergangenheit und unsere Gegenwart.Die propagierte Sicht auf Vergangenheitund Gegenwart des Nazismus stellt dieseaber bereits auerhalb unseres gesell-schaftlichen Zusammenhangs.

    Die herrschende Politik steckt in ei-ner tiefen Legitimationskrise, die sie un-glaubwrdig macht. Die bisherigen kapi-talistischen Regulationsmodelle basier-ten ideologisch auf Nationalismus, erentsprach konomischen Interessen. Jetztmuss unser lieber Bundeskanzler im Stilder NPD. der Deutschen Bank vorhalten,

    das Wort deutsch stnde ihr nicht mehrzu, weil sie nur an Profit und nicht an Ar-beitspltze denke. Aber an was soll eineBank denn sonst interessiert sein als anProfit? Und dieser Profit wird inzwi-schen globalisiert erwirtschaftet: Madeby Daimler-Chrysler, nicht mehr Madein Germany.

    Opel gehrte schon seit den 20er Jah-ren zu General Motors, aber das Geschftblieb national orientiert, Opel produzier-te deutsche Rstungsgter. Jetzt konkur-rieren die einzelnen Betriebs-Standorteweltweit gegeneinander, um ein fr denGesamtkonzern, d.h. fr die Aktionre,gnstigeres Lohn-Leistungsverhltnisherauszuwirtschaften. Bisherige Kriegekonnten noch nationalistisch vermarktetwerden, der gegenwrtige weltweite

    Kampf um die Erhhung der Mehrwert-

    rate nimmt darauf keine Rcksicht mehr.Ein nationaler Sozial-Staat gehrt erstrecht in die historische Rumpelkammer.Er war verbunden mit den bisherigen Re-gulationsmodellen, angefangen mit denBismarckschen Sozialgesetzen bis zurnazistischen Volksgemeinschaft.

    Anders als in anderen Lndern wirddabei aber in Deutschland der bisherigeideologische Grundkonsens in Frage ge-stellt. Hier baute die Wirtschaft den Staatauf, die Wirtschaft sicherte ber den 8.Mai hinaus die Kontinuitt, an die staat-lich erst 1949 angeknpft werden konnte.

    Und die Kontinuitt der Volksgemein-schaft wurde ebenfalls konomisch abge-sichert, durch den Sozial-Staat. Erstauf dieser Kontinuittsbasis konnte dieVergangenheit selektiv aufgearbeitetwerden, wie es hie.

    Man hatte innerhalb der Prosperitts-phase die Vergangenheit bewltigt, wie

    es ebenfalls hie, weil die Basis derVolksgemeinschaft verdrngt wurde: Diedurch Vernichtungskriege, Zwangsarbeitund Judenverwertung garantierte Kon-sumgemeinschaft, die nur durch die bseRote Armee und die alliierten Terror-angriffe gestrt wurde. Solange der So-zial-Staat hielt, blieb die Volksgemein-schaft ruhig.

    Das hat sich alles gendert. Der ko-nomische Grundkonsens wird kono-misch und in der Folge auch politischaufgekndigt. Die Vergangenheit kehrtdeshalb wieder: Die Deutschen sind dieOpfer, der Terror kommt wieder von denkapitalistischen Angelsachsen. Und lang-sam traut man sich auch wieder die wah-ren Feinde zu benennen, die Juden.

    Alle einig gegenRechts?

    von Wolfgang Dreen

    In fast regelmigen Abstndenerwerben sich Neonazis allge-meine Aufmerksamkeit. Pltzlich

    berschlagen sich die Medien und eta-blierten Politiker in ihrer Besorgtheit. Esscheint kein anderes Thema mehr zu ge-ben. Alle wollen beweisen, wie gut de-mokratisch sie sind und wie hervorra-gend sie die deutsche Vergangenheit be-

    wltigt haben. Bei genauerem Hinsehenwird ein Grund erkennbar: das Ansehenim Ausland, die guten wirtschaftlichenund politischen Beziehungen sollen nichtgefhrdet werden, wenn der sowiesoschon vorhandene Neonazismus unange-nehm sichtbar wird. Deutlich sagt einChef der Arbeitgeberverbnde, dass dieWirtschaft und ihre Interessen imVordergrund stehen. Ihn beunruhigten,so klagte er, grundstzlich die Wahlerfol-ge der NPD weniger als die Wahlerfolgeder PDS. Allerdings: Unangenehme Fra-gen aus dem Ausland bleiben auch fr

    ihn unerwnscht.Trotz der Begeisterung fr die RedeMartin Walsers: Die deutsche Vergan-genheit muss also doch immer noch be-wltigt werden. Wie erreicht man abereine Vergangenheitsbewltigung, dieaber keine unerwnschten Fragen an dieGegenwart stellt, die konomie- und po-litikkompatibel bleibt? Eine schwierigeGratwanderung, bei der Neonazis strenknnten.

    Helfen knnte eine reduzierte Sicht,sowohl auf die deutsche Vergangenheitwie auf die Neonazis.

    Auschwitz wird zum unverstehbarenBsen an sich erklrt, zu einer gleichsamanthropologischen Konstante des Bsen,dem am besten durch Sozialisierung zumfleiigen Arbeiter, neuerdings zumfunktionierenden Marktsubjekt zu be-gegnen sei. Sptestens nach fnf Minu-ten taucht deshalb in jedem Fernsehfilmder sattsam bekannte SA Mann auf, mitdessen unordentlichem Verhalten nunwirklich kein Fernsehzuschauer etwas zutun hat. Beliebt sind Schilderungen vonNS-Sadisten, weil sie die dunklen Jah-re so fern rcken, dass sie gar nicht

    mehr bewltigt werden mssen. Dieswiederholt sich bei der Schilderung vonNeonazis: Springerstiefel, Glatzen, lau-ter unerzogene Menschen, die gar nichtin unsere Gesellschaft gehren. Leichtlassen sich deshalb Forderungen nachmehr Kontrolle, Verboten, mehr Erzie-hung stellen. Die extremistischen Leis-tungsverweiger sind die Gefahr. UnsereGesellschaft muss nur ihre Vergangen-heits- und Gegenwartsrnder in den Griffbekommen, damit der Markt endlich freimacht.

    Es geht bei diesen Bewltigungsstrate-gien nie um uns selbst, immer um ande-re. Nicht zuletzt deshalb knnen dieseAnderen auch leicht durch islamisti-sche Terroristen ersetzt werden. Wie dieNeonazis heute, so waren auch die Nazis

    Referat auf der Tagung der Antifaschistischen Nachrichten am 19. Februar in Kln

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    Brutaler Nazi-berfall aufantifaschistische Jugendliche

    Bad Homburg. Am sptenAbend des 18. Mrz wurden inder Nhe des Homburger Haupt-

    bahnhofs zwei jugendliche Antifaschis-ten von einer sechskpfigen Gruppe jun-ger Neonazis berfallen. Mit den Worten

    Dies ist mein Land! Hier habe ich dasRecht! wurde mit Fusten und einemTeleskopschlagstock auf einen Jugend-lichen eingeprgelt, whrend eine jungeFrau dazu gezwungen wurde ihr T-Shirtmit der Aufschrift Gegen Nazis auszu-ziehen. Das T-Shirt wurde verbrannt. Der

    junge Mann musste mit zahlreichen Ver-letzungen in Gesicht, an Armen und Bei-nen im Krankenhaus mehrere Stundenbehandelt werden. Er erstattete Anzeige.Zwei der Tter wurden noch am selbenAbend von der Polizei gefasst.

    Bei dieser Tat handelt es sich um kei-

    nen Einzelfall. Auch wenn JustizministerHecken davon spricht, dass es im Saaar-land im vergangenen Jahr keine rechts-extremistischen Gewalttatengab, so lie-gen der Antifa Saar mehrere dokumen-tierte Flle von neonazistischen ber-griffen vor. So berichtete beispielsweiseauch die Saarbrcker Zeitung im No-vember 2004 von einem brutalen ber-griff, begangen von rechten Schlgern inSaarbrcken. Und in Homburg existiertmit der Kameradschaft Homburg/Neun-kirchen eine ins bundesweit agierendeneonazistische Aktionsbro Saar ein-

    gebundene Struktur.Die Antifa Saar ruft anlsslich diesesberfalls auf zu einer Demonstration amSamstag, den 26. Mrz 005 um 14 Uhr.Treffpunkt ist vor dem Hauptbahnhof inHomburg. Gruppen und Organisationen,die die Demonstration untersttzen wol-len knnen sich unter [email protected] melden.

    Antifa Saar/Projekt AK

    NPD in Rheinland-Pfalz

    Am Sonntag 20.3. fhrte der NPD-Kreisverband Rhein-Nahe eine Saalver-anstaltung aus Anlass der Landtagswah-len in Rheinland-Pfalz durch. Laut einemBericht der NPD waren auch Mitgliederder DVU, der REP und freie Nationalis-ten anwesend. Auch viele Republikanersind im Gegensatz zu ihrer Parteifhrungzu einem Miteinander bereit, ber 800Unterzeichner des Hamburger Signalsfordern aktuell das Ende des Gegenein-anders Rechter Parteien in Deutschland",so Rohleder vom NPD-Kreisverband.Auch der Fraktionsvorsitzende der NPDim Schsischen Landtag, Holger Apfel,trat als Redner auf. Der NPD-Landesvor-sitzende Peter Marx rief zur Unterstt-zung der NPD bei der Landtagswahl imMrz in Rheinland-Pfalz auf.

    Insofern entsprechen die Neonazisdem Zeitgeist, aber konomisch?

    Der Grundkonsens wurde konomischaufgekndigt, weil er einer weiteren Pro-fitvermehrung im Wege steht, und weil ernach der Niederlage des sog. realen Sozi-alismus nicht mehr gebraucht wird. Auchder berangepasste kann sich nicht mehrauf die konomie verlassen, nicht indi-

    viduell und auch nicht politisch. Gefragtist jetzt das unternehmerische Selbst, dasdie Kapitalverwertung so weit verinner-licht hat, dass es seine Verwertung alspersnliche Freiheit empfindet. WhrendAdorno in seinen berlegungen zur Er-ziehung nach Auschwitz noch ein Indi-viduum einforderte, das er zum Zen-trum des Widerstands erklrte, mutiertdas heutige Individuum zum zwardifferenten, aber funktionalenSelbst. Diversity Management,funktionale Differenz, wird gefor-dert, auch in einer rechtskonserva-

    tiven Regierung wie den USAuntersttzt eine schwarze Auen-ministerin das Geschft. Die Deut-sche Bank frdert Gay Banking,Ford mag den Christopher StreetDay. Die Ideologie der bisherigenVolksgemeinschaft behindert dage-gen das Geschft. Die Ausschluss-kriterien richten sich nach derFunktionalitt, nicht mehr nachEthnien oder Rassismen. Niemand,auch kein Mitglied der Volksge-meinschaft, kann sich darauf ver-lassen, nicht bankrott zu gehen.

    Die Wut der Neonazis folgt ausdiesem Wissen. Selbst ein heutiger In-dustrieclub wrde sich auf kein Bndnismehr mit ihnen einlassen. Nicht weil dieHerren und inzwischen auch Damen desIndustrieclubs nun pltzlich humaner ge-worden sind, sondern weil sie ihre Profit-interessen anders und besser realisieren,weltweit unmittelbar auf konomischerBasis. Auch der Krieg gegen den Irak ba-siert zum erheblichen Teil nicht mehr aufeiner traditionellen Armee, sondern aufkonomischen Verbnden, auf einerSldner High-Tech- Armee. Die anderen,

    meist Soldaten, die durch den Kriegs-dienst die amerikanische Staatsangeh-rigkeit erwerben wollen oder die keineandere Jobvariante mehr besitzen, dienenals Kanonenfutter.

    Kanonenfutter wird allerdings ge-braucht, vor allem ideologisch, auch beiuns. Dies bleibt, wie schon immer, dieAufgabe der Neonazis. Die konomischeEntwicklung darf nicht dazu fhren, dassdiese Gesellschaftformation selber inFrage gestellt wird. Die Neonazis dienendaher einer doppelten Ablenkung. IhreAnhnger trumen vom deutschenReich, das ist gut so, da kommen sienicht auf falsche Ideen, und die offizielleBekmpfung der Neonazis beweist, dassdie Lehren aus der Vergangenheit gezo-gen wurden. Und dann kann auch noch

    diese Vergangenheitsbewltigung, diedas schlechthin Bse und Unzivili-sierte bekmpft, eingesetzt werden, umdie Mrkte auszudehnen. Auch die Bom-bardierung Jugoslawiens verhindert Au-schwitz, wie uns Joschka Fischer bewies,und bevor Bagdad bombardiert wurde,legte der amerikanische Prsidsent in derNormandie Krnze ab. Denn auch diese

    Bombardierung ist eine antifaschistischeTat. Es ist einsichtig, dass Neonazis amHolocaust-Mahnmal dann nur stren,wenn sie ansonsten auch nur auf dieMenschen einschlagen, die auch von deroffiziellen Politik nicht gewnscht wer-den. Deshalb werden die Neonazis nichtwirklich bekmpft, whrend das offiziel-le Geschrei aber immer wieder gro

    wird, wenn auf internationaler Ebene dieGeschfte sich gestrt fhlen.

    Nun zu den Neonazis selbst.

    Der Vizevorsitzende der NRW-NPD istgerade zu einem Jahr auf Bewhrungverurteilt worden. Er hatte am 26. Juni2004 die Demonstration gegen den Bauder Synagoge in Bochum u.a. damit be-grndet, dass im Talmud zum Kindes-missbrauch aufgerufen wrde. Er schaff-te es, dass seine antisemitische Talmud-interpretation mit langen Lesungen im

    Gerichtssaal noch einmal wiederholtwerden durfte, die Staatsanwaltschafthatte brigens 18 Monate ohne Bewh-rung gefordert. Also auch wiederum dieschon eben erwhnte Zwiespltigkeit beider Verfolgung des Neonazismus. Dennder Antisemitismus strt einerseits dieinternationalen Geschfte, wenn er nichtnur in den Kpfen bleibt, sondern inter-national sichtbar wird. In den Kpfenallerdings behlt der Antisemitismus sei-ne traditionelle Funktion. Die konkreteUnsicherheit innerhalb der abstraktenkonomischen Verhltnisse verlangtnach einem entsprechenden konkretenFeind, der in den Juden gefunden werdensoll. Die weltweiten Kapitalverhltnissewerden in einer weltweiten Projektionerklrt, im Weltjudentum.

    Fortsetzung von Seite 7

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    Diese Anknpfung an die Vergangen-heit hat aber bitteschn in den Kpfen zubleiben, machmal gengen ja auch An-deutungen in den offiziellen Medien, wiedie Anwlte von der Ostkste, dieschon wieder Entschdigungsgelder ver-langen, so im Spiegel, oder die jdi-sche Kaufhausdynastie Wertheim, dieGelder fr ein enteignetes Grundstck

    am Potsdamer Platz in Berlin fordert, soin der Tagesschau, wo doch die armeArisierungsgewinnlerin Frau Schicke-danz fr die Erhaltung ihres Kaufhausesschon so tief in ihre Taschen greifenmuss. Aber bitte nur Andeutungen, jederwei, was gemeint ist. Diese Offenheitder NPD strt dabei nur, es wissen dochschon alle.

    Sprst auchDu die Klte derknstlichen Glit-zerwelt in unse-rem Lande?

    Sprst Du dieHilflosigkeit undGleichgltigkeit,die uns umgibt?Mit diesen St-zen wendet sichder Bundesvor-sitzende der Jun-gen Nationalde-mokraten imZusammenhangder sog. Schul-offensive anSchler. Ange-

    sprochen werdenhier die netten, ordentlichen jungenMenschen, die auch von anderen Par-teien, von Kirchen oder Sportvereinengeliebt werden. Der angesprochene Ty-pus wurde schon nach 45 als autoritrerCharakter diagnostiziert, unfhig eige-ne Erfahrungen zu machen, offen fr

    jede Manipulation, voller Wut gegen je-des Andere, Fels in der Brandung, vonDreck umsplt, wie es auf einer anSchulen verteilten Neonazi-CD hei.Innerhalb des postfordistischen Kapita-lismus wird zwar das Individuum als

    unternehmerisches Selbst gefragt, die Si-cherheit eines unhinterfragbaren Kollek-tivs wird diesem unternehmerischenSelbst aber verwehrt. Danach sehnt sichaber der Bundesvorsitzende: Er preisteine nationale Identitt, junge Men-schen finden sich bei den Jungdemokra-ten zusammen, sie sind DeutschlandsJugend. Und die schlechten alten Pro-

    jektionen sind auch versammelt: VomKapitalismus ist zwar die Rede, aber erwird als das kapitalistische System derUSA vorgestellt, eben der McDonaldsImperialismus die internationale Ein-heitszivilisation, der stetig steigendeAuslnderstrom, all das strt. Stattdes-sen: Die Vlker sollen in den Mittel-punkt der Politik gestellt werden. hn-lich hatte es der franzsische Neonazi

    Alain de Benoist vor einiger Zeit formu-liert: Das Ziel der Politik ist die Vielfaltder Vlker. Das heit bersetzt: Jeder anseinem Platz, der ihm zusteht.

    So wird auch das Kollektiv Europavon der NPD in ihrem Europaplan be-grt, als das lebenswerte Heim europ-ischer Vlker, die, und jetzt folgt dieDefinition der Grenzen, sich geogra-

    phisch, ethnisch und kulturell als eineEinheit verstehen. Ausgeschlossen undverantwortlich nicht fr den Kapita-lismus, der nicht schlecht ist, wohl aberfr das liberalkapitalistische Wirt-schaftssystem sind die angelschsi-schen Mchte insbesondere die USA undGrobritaninnien. Hier wird nicht nurden alten Projektionen gefolgt, sondernauch dem alten deutschen Kapitalismus-und Regulierungsmodell, das an konti-nentalen Eroberungskriegen gegen denOsten orientiert blieb und auch in derNS-Zeit auf Europa setzte.

    Zu fragen wre, inwieweit dieses Mo-dell insgesamt berholt ist, die NPDdoch eher als eine Nostalgiepartei zu be-zeichnen wre, oder ob sich dieses Mo-dell nicht durchaus auch noch fortsetzt,in den deutschen Interessen in Osteuro-pa, in der Entdeckung der deutschenMinderheiten, die ja schlielich, sieheMenschenrechte, auch zu schtzen w-ren.

    Das Bndnis der NPD mit den sog.Freien Kameradschaften deutet lnger-fristig eher auf eine Schwche des Neo-nazismus hin. Denn diese sog. Kamerad-

    schaften knnen nun wirklich nicht alsBndnispartner welcher Kapitalfraktionauch immer vorgezeigt werden. Das Mo-dell SA hat durch die Geschichte derVergangenheitsbewltigung ausgedient.

    Was also ist zu tun?

    Woody Allen meinte einmal, das einzigrichtige Argument gegen Antisemiten seiein Baseballschlger. Das ist sicherlichrichtig, wenn Neonazis in der ffentlich-keit auftreten. Autoritren und berange-passten Menschen muss beigebrachtwerden, wo sie nicht erwnscht sind.

    Aber der prozentuale Anteil an Frem-denfeindlichkeit und spez. Antisemi-tismus steigt, Folgen der Arbeitslosig-keit, Legitimationsverluste bisherigerGesellschaften, die auch eine relative so-ziale Sicherheit garantierten, berforde-rung des unternehmerischen Selbst, alsoverschiedene ideologische und sozialeUrsachen. Deshalb bleibt der Neona-zismus gefhrlich.

    Zunchst und vor allem muss begrif-fen werden: Schon der historische Na-zismus entstammt unserer eigenen Ge-schichte und kann nicht in ein bses An-deres verschoben werden, wie auch im-mer es heit.

    Ein gutes Mittel scheint mir hier dieErforschung der Ttergeschichte zu sein,Daraus knnte eine bundesweite Aktion

    werden, die jeweilige Arisierungsge-schichte vor Ort zu erforschen und einenicht anonymisierte Offenlegung der Ak-ten zu fordern. Die erste Wehrmachtsaus-stellung vor ihrer Entschrfung hat eingutes Beispiel gegeben. Wichtig wredoch zu wissen, was die Dresdener Opfersich in der Arisierung angeeignet habenoder die armen Schlesier vor ihrer Ver-

    treibung, schlielich gehrte auch Au-schwitz, nicht nur ein KZ, sondern aucheine deutsche Musterstadt, zu Schlesien.Also Geschichtsarbeit.

    Dies allerdings hilft nur im ersten An-satz gegen Projektionen. Denn die Pro-

    jektionen haben einen konomischenGrund. Auch das freie unternehmerischeSelbst ist beschrnkt, es wird auch durchseine Beschrnkung definiert, denn essoll auf dem Markt funktionieren, undsei es mit dem Einverstndnis sog.selbstbestimmter Euthanasie oder, mil-der, mit dem Einverstndnis unzurei-

    chender medizinischer Versorgung oderBetreung, weil es als Kunde nicht ge-nug Geld einsetzen kann. Der Marktfun-damentalismus wird kommunalpolitischund im Bildungssektor gegen jeden bis-herigen Ansatz demokratischer und soli-darischer Kultur durchgezogen.

    In den Bildungsanstalten und in derKommunalpolitik wren gegen diesenTrend gerade die Anstze einer demokra-tischen Kultur zu erweitern. Dies bedeu-tet in jedem Fall eine praktische Bil-dungsaufgabe: Aufklrung ber die ko-nomischen Interessen und gegen die Re-

    signation die Entwicklung einer gemein-samen Gegenwehr.Zum Schluss noch eine Warnung. Es

    ist ganz sinnvoll, ab und zu das Manifestder Kommunistischen Partei zu lesen,die Begeisterung von Marx gegen jedenromantischen Nationalismus, seine Be-geisterung, dasss die Bourgeoisie endlichalle Grenzen hinwegrumt, alles, wie eswrtlich heit, Heilige verdampft. Alsonicht die Aufrichtung neuer Grenzen.Daran arbeitet schon die NPD vergeb-lich. Nicht mehr Made in Germany, aberauch nicht mehr Made by Daimler-

    Chrysler. Stattdessen:Wenn die Grenzen fr das Kapital

    schon nicht mehr gelten, dann sollten siefr niemanden mehr gelten. Dies ist eineAufgabe internationaler Solidaritt.Wenn das Kapital, auch endlich, bisheri-ge ideologische Kollektive auflst undan deren Stelle das unternehmerischeSelbst stellt, dann ist auch dieses Selbstnoch zu beschrnkt.

    Stattdessen also: Freiheit von jedermarktbestimmten Funktionalitt, dasheit: Solidarische Befreiung aus derbisherigen Arbeitsgesellschaft, also auseiner Welt abstrakter Arbeit. Diese Pro-pagierung eines anderen Lebens knnteauf der Linken eine kulturelle Hegemo-nie frdern, die auf der Rechten so ge-frchtet wird.

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    Frankreich:

    Kulturskandale zwischen Antisemitismus, Kommu-nitarismus und hchster politischer Konfusion

    Ein Schriftsteller, der jngst freinen Skandal sorgte, erklrt: Ich

    schme mich nicht fr meine ei-genen Faschismen (Plural im Original),sie sind da, in mir drinnen. Sie drckeneinen Teil meiner Natur aus, ich betrachtesie nicht als unnatrlich, sie sind festerBestandteil meiner Psyche. (Zitiert ausChronicArt vom Mrz 2005.)

    Und ein Theatermacher, der vor zehnJahren noch als Bannertrger des Antiras-sismus galt und den Kampf gegen denrechtsextremen Front National zu seinerpersnlichen Angelegenheit erhob, er-kennt heute in dem neofaschistischenFunktionr Bruno Gollnisch seinen Lei-

    densgenossen. Der Grund dafr soll darinliegen, dass beide in Frankreich von jdi-schen Meinungsmachern verfolgt und ih-rer Redefreiheit beraubt wrden.

    Beide Protagonisten schwingen sich zuselbsternannten Sprechern der Under-dogs, der Nachfahren der Opfer von Skla-verei und Kolonialismus auf und ver-krpern doch allenfalls eine auf den H-hepunkt getriebene politische Konfusion.So lassen sich zwei der jngsten Affrenresmieren, die die franzsische Kultur-welt erschtterten. Der franzsische Pre-mierminister Jean-Pierre Raffarin nannte

    sie jngst in einem Atemzug, als er MitteFebruar vor der Gefahr antisemitischerTendenzen warnte.

    Romantitel: Pogrom

    Am 3. Januar 2005 erschien bei dem re-nommierten Pariser Verlag Flammariondas 248 Seiten umfassende Buch des jun-gen Autors Eric Bnier-Burckel, das denbezeichnenden Titel Pogrom trgt. DerName ist tatschlich Programm. Aller-dings hat der 33-jhrige Philosophieleh-rer Bnier-Burckel kein ideologischesPamphlet antisemitischer oder anderer

    Art verfasst, sondern eine fiktive Hand-lung niedergeschrieben, die vor Hass invielfacher Hinsicht nur so trieft. An chro-nologisch erster Stelle stehen die Gering-schtzung des Autors fr Frauen und sei-ne scheinbare Verachtung fr Grobr-ger: Der fiktive Romanheld, der vom Er-zhler stets in der zweiten Person ange-sprochen und gesiezt wird, der aber auf-grund mehrfacher augenzwinkender Hin-weise und biographischer Details leichtals Wiedergnger des Autors selbst aus-zumachen ist, unterrichtet als Lehrer aneiner Oberstufenschule im Groraum Pa-ris. Genau wie Bnier-Burckel selbst.

    Die Hauptfigur seines Romans lernteine reiche Erbin im wohlhabenden 6.Pariser Bezirk kennen, die sich aus uner-findlichen Grnden in ihn verliebt. Sie ist

    alles andere als attraktiv, doch der Prota-gonist zieht in ihre Wohnung ein und

    macht sich finanziell von ihr abhngig.Denn die Liaision erlaubt ihm, endlichvon Geldzwngen unabhngig zu werdenund sein groes Lebensprojekt zu verfol-gen nmlich einen Roman zu schreiben.Von dem Text, den er verfasst, erfhrt dieLeserin nichts, abgesehen davon, dass ervon berbordendem Hass geprgt ist. InWirklichkeit ist es Bnier-Burckels Buchselbst, das sich auf diese Weise in der ei-genen Handlungsdarstellung widerspie-gelt. ber endlose Seiten hinweg be-schimpfen Linqualifiable (Der Unbe-schreibliche) und lhtesse (Die Gastge-

    berin) sich ausgiebig, beweisen sich ihreabgrundtiefe Verachtung freinander.Das ist auch schon fast alles: Die Ro-

    manhandlung ist furchtbar einfach ge-strickt und daneben noch hundsmiserabelgeschrieben, mit einer Anhufung vonschrgen Metaphern und aneinanderge-reihten Adjektiven. Wahrscheinlich ist esdas, was den Roman fr einige Kritiker at-traktiv machte, die darin ein neues Genrevon literarischem Trash erblickten. Zueinem solchen Konzept bekennt sich auchBnier-Burckel, der sich als zur Genera-tion ,American Psycho gehrend be-

    zeichnet, in Anspielung auf den Trashro-man von Bret Easton Ellis. Von diesemStil ist auch Frdric Beigbeder geprgt,der im Jahr 2000 seinen provokatorischgemeinten Banalittenroman ,99 francsverffentlichte und spter als literarischerDirektor bei Flammarion eingestellt wur-de dank ihm konnte ,Pogrom dort ber-haupt erscheinen.

    Kontroverse um antisemitischePassagen

    Zu Anfang blieb der Roman, der aufgrundseiner literarischen Qualitten nach allge-

    meiner Ansicht der Kritiker wenig Beach-tung verdient, fast unbemerkt. Dann aberzogen die beiden linken Schriftsteller Ber-nard Comment und Olivier Rolin durcheinen Gastbeitrag in Le Monde vom 11.Februar das Augenmerk auf Passagen, dieneben der allgemeinen hasserflltenAtmosphre des Romans auch spezifischantisemitische Passagen enthalten. DieGrnde dafr, dass Rolin und Commentso die ffentliche Aufmerksamkeit aufden Roman zogen, sind umstritten: Man-che Kritiker weisen darauf hin, dass sieeine literarische Reihe beim Verlag LeSeuil leiten, die vor kurzem ihre prestige-reichste Autorin Catherine Millet an denKonkurrenzverlag Flammarion verlor sodass ihnen eine Gelegenheit nur rechtkam, diesem eins auszuwischen. Diesel-

    ben Kommentatoren sind der Ansicht,dass sich ohne Comments und Rolins

    Intervention niemand wirklich fr ,Po-grom interessiert htte. Die beiden Auto-ren kontern jedoch mit dem Hinweis, dassder prominente Fernsehmoderator MichelField bereits vor dem Ausbruch des Skan-dals im Februar die Werbetrommel fr,Pogrom rhrte. Tatschlich hat der ex-Linke Moderator Bnier-Burckel bereitsim Januar ins Studio eingeladen und ihmaugenzwinkernd versichert: Sie habeneine Chance von eins zu zwei, dass ihnenvon was wei ich fr einer Organisationwas wei ich fr ein Prozess gemachtwird.

    Tatschlich sind die umstrittenen Pas-sagen mehr als skandals. Zunchst trittder Freund des Unbeschreiblichen auf,ein gewisser Mourad, ein Araber. Die-sem werden eindeutig antisemitische Pas-sagen in den Mund gelegt: Das ist ihnennoch nicht aus dem Kopf gegangen, derGenozid. Sie wiederkuen ihn nach jederMelodie, mit jeder Sauce, und schn laut,damit man sie beklagt. (...) Mit der Shoahhaben die Anhnger der berlegenen Ras-se 10.000 Jahre Straflosigkeit gewonnen.Und sie wundern sich, dass man ihnen dieHose herunterziehen und sie in den Arsch

    ficken will, von Paris bis Wladiwostokmit Umweg ber Berlin, Rom, Moskauund sogar Kuba. Ansonsten htten sie ei-nen Haufen Kohle und Referenzen ber-all in der Welt, die ihnen zu einem un-schlagbaren Lebenslauf verhlfen. ImAnschluss schlgt Mourad, der den Prota-gonisten anpumpen will, ihm kuflichenSex mit einer Jdin namens Rachel vor.Auf mehreren Seiten wird ausfhrlich be-schrieben, wie erst einer der Hunde desRoman-Mourad, dann dieser selbst undam Ende der Unbeschreibliche dieNmliche von hinten besteigen. Die drei

    Hunde heien Ptain, Drumont und Bra-sillach. Der Marschall Philippe Ptain, ab1940 Chef des Vichy-Regimes, ist allge-mein bekannt. Edouard Drumont verfass-te um 1880 das Grundlagenwerk des mo-dernen Antisemitismus in Frankreich, ,LaFrance juive. Robert Brasillach war einantisemitischer Schriftsteller und Nazi-kollaborateur, der im Februar 1945 er-schossen wurde.

    Angeblicher Einsatz fr die Schwar-zen und die Araber

    In Interviews versuchte der Autor nach-dem der Skandal durch den Gastbeitrag inLe Monde sowie die uerungen desPremierministers ausgebrochen war sich dadurch zu rechtfertigen, dass er sichdie antisemitischen Auslassungen einer

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    Romanfigur als Verfasser nicht zu eigenmache. Er zeige nur eine Realitt auf, dienun mal leider so sei ich unterrichte inden Banlieues, auch wenn es die PariserBrger in ihrem behteten Milieu scho-ckiere. Gegen diese Darstellung sprechenaber mehrere Grnde, so die allzu deutli-che Wiederspiegelung des Autors selbst inseinem zentralen Romanhelden.

    Aber auch die Widmung, die Bnier-Brckel verfasste, ist keinem Zufall ge-schuldet. Man kann es als Demagogie be-zeichnen, wenn er sein Buch DenSchwarzen und den Arabern widmete,denn diesen angeblichen und zum Teilauch tatschlichen Underdogs der fran-zsischen Gesellschaft legt er seine eige-nen Hassbotschaften in den Mund. Dabeierweist er auch zweifellos den von rassis-tischen Diskriminierungen auf dem Ar-beits- und Wohnungsmarkt Betroffenenkeinerlei guten Dienst, wenn er seine Ro-manfigur Mourad als angeblich typischen

    Vertreter einer Bevlkerungsgruppe hin-stellt: Mourad reprsentiert die muslimi-sche, pro-palstinensische Community.Dabei ist die Gesellschaft der Einwande-rer aus mehrheitlich moslemischen Ln-dern in Frankreich sehr heterogen undkomplex, und lsst sich keinesfalls auf dieAnhnger antijdischer Hassgefhle diees gibt reduzieren.

    Dieudonn, Meister der politischenKonfusion

    Einer, den sich Bnier-Burckel unterdes-sen tatschlich zum Vorbild nehmen

    knnte, ist der schwarze franzsischeSchauspieler und frhere Fernsehkomi-ker Dieudonn Mbala Mbala. DerMann, der allgemein unter seinem Vor-und Knstlernamen bekannt ist, steigertsich seit anderthalb Jahren in einen im-mer schriller werdenden Hassdiskurs ge-gen die franzsischen Juden hinein. Die-se beschuldigt er, daran Schuld zu tragen,dass er einen Film ber die Geschichteder Sklaverei aus finanziellen Grndennicht realisieren konnte zionistischeAutoritten in der franzsischen Kino-welt htten ihn daran gehindert. Dieudon-

    n wirft den Juden Frankreichs vor, diesehtten an der Sklaverei verdient und da-mit Finanzimperien errichtet, obwohl dieAutoren des Code noir, des franzsi-schen Sklavereigesetzes im 17. und 18.Jahrhundert, auch direkt antijdische Ver-ordnungen in Frankreich und seinen da-maligen Kolonien zu verantworten hat-ten.

    Den Hintergrund dafr bietet eine Artvon Opferkonkurrenz, wie sie auchschon vor lngerem unter den Minderhei-ten in den USA beobachtet wurde, ange-heizt vom antisemitischen Prediger LouisFarrakhan: Manche Schwarze beschuldi-gen die Juden, durch ihren Opferstatusaufgrund der Shoah das Leiden derMenschheit zu monopolisieren und da-durch am Schweigen ber die Unterdr-

    ckung der Schwarzen wesentlich schul-dig zu sein.

    Nunmehr ermittelt die franzsischeJustiz gegen Dieudonn: Der hatte seinneuestes Theaterstck Mes excuses Meine Entschuldigung, in dem er sichaber keinesfalls entschuldigt, sondern sei-ne Anklagen zuspitzt Mitte Februarzum ersten Mal auerhalb Frankreichs

    aufgefhrt und zwar in Algier. Aus die-sem Anlass hatte er bei einer Pressekon-ferenz den aktuellen politischen Diskursber die Shoah als Erinnerungsporno-graphie bezeichnet und von einer ber-dosis der Erinnerung gesprochen. Zu-gleich hatte er in einer biologistischenMetapher vom Zionismus als dem AIDSdes Judentums gesprochen die AIDS-Metapher lsst Dieudonn seit Anfangdes Jahres nicht mehr los, als er in einemFernseh-auftritt durchblicken lie, fr ihnseien die von ihm attackierten Lobbys frdie Ausbreitung der Epidemie in Afrika

    verantwortlich.Dieudonn ist mittlerweile politisch

    isoliert: Die Palstina-Solidarittsgrup-pen, um die er sich anfnglich bemhte,haben schon vor Monaten mit ihm gebro-chen und ihm vorgeworfen, mit dem Feu-er des Antisemitismus zu spielen. Selbstdie selbst sehr kommunitaristisch ausge-richtete Kleinpartei Euro-Palestine, dievon den linkeren Palstinagruppen ihrer-seits hchst argwhnisch betrachtet wird,gab Ende Oktober vorigen Jahres seinenAusschluss bekannt. Zu befrchten istallerdings, dass er unter den marginali-sierten Jugendlichen in den Banlieue-Trabantenstdten als ein Held in Erin-nerung bleiben knnte, der den Mut hat-te, sich gegen die Mchtigen zu stellen,und dafr abgestraft wurde.

    Dieudonn und Gollnisch: Wenn zweiVerfolgte sich einig wissen...

    Aber in der Ungemach hat Dieudonn,der in den letzten Wochen auch zweimalauf Flughfen im franzsischen ber-seedpartement La Martinique und in Pa-ris von Mitreisenden oder Anwesendenattackiert worden ist, einen Leidensge-nossen entdeckt.

    Der rechtsextreme ParteifunktionrBruno Gollnisch, der wegen Holocaust-leugnung fr 5 Jahre vom Hochschul-dienst suspendiert worden ist, werde inunglaublicher Weise drangsaliert, be-merkte Dieudonn vor Journalisten amPariser Flughafen, eilig versichernd, erteile seine politischen Ideen ansonstennatrlich nicht.

    Gollnisch bemerkte seinerseits aner-kennend, von Raymond Barre bis Dieu-donn htten sich Persnlichkeiten frseine Meinungsfreiheit eingesetzt Barreist der wirtschaftsliberale frhere Ober-

    brgermeister von Lyon, der seinen Uni-versittskollegen Gollnisch als Ehren-mann bezeichnete. Vor zehn Jahren nochwar Dieudonn in FN-Kreisen der Ne-ger, der die nationale Rechte herausfor-dert; damals reiste der Theatermachernach Dreux (80 Kilometer westlich vonParis), um 1996 in dieser damaligen FN-Hochburg gegen die extreme Rechte zukandidieren. Wie sich die Zeiten doch n-dern knnen.

    Wenn die Verfolgten zusammenste-hen und sich als vermeintliche Opfer j-discher und anderer Lobbys gegenseitigauf die Schulter klopfen, dann gilt wohl:Und ist der letzte Rest politischen Be-wusstseins erst vllig ruiniert, dann lebtssich vllig ungeniert.

    Bernhard Schmid, Paris

    Das Begrbnis oderDIE HIMMLISCHEN VIER

    Das Projekt Das Begrbnis oder DIE HIMMLISCHENVIER ist eine spektakulre Mahnung zum 60. Jahres-tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Der tote Sol-

    dat aus Bertolt Brechts Gedicht Legende vom toten Soldatenwird am 8. Mai vor dem Reichstag in Berlin aufgebahrt. Vonsowjetischen Panzern eskortiert wird er nach Potsdam gebracht

    werden, wo am Abend des 8. Mai ein Bomber aus dem 2.Weltkrieg kreisen und Flugbltter abwerfen wird. Am nchstenTag wird der tote Soldat beim Cecilienhof von Vertretern dervier kriegfhrenden Mchte Frankreich, Grobritannien, derUdSSR und der USA in Gewahrsam genommen und von ihnenzu der Stelle geschafft, wo in Potsdam die Garnisonskirchestand. Dort wrde er wieder begraben werden. Anschlieend begeben sich die Vier zu einemFlughafen in Berlin und fliegen mit dem Bomber davon. Die Aktion, ber deren Sinn sich jederseine eigenen Gedanken machen mag, enthlt viele spektakulre Hhepunkte: das Auftretenam Reichstag, den Konvoi mit den sowjetischen Panzern, das Begrbnis eines Lebendigen, denAbflug in Gatow. Der spektakulrste aber wird die Nacht in Potsdam sein, die mit dem britischenBomber an die Zerstrung der Stadt zu Ende des letzten Weltkriegs erinnert.

    Das Projekt braucht jede, auch finanzielle Untersttzung. Interessierte erfahren mehr beim Aktionsbro DasBegrbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER, Tulbeckstr. 4, 80339 Mnchen, Telefon 089-5028357, Fax54070348. Oder auf www.himmlischevier.de Spendenkonto: C. Waldenberger, Konto 200406800, BLZ50190000. Stcihwort: Himmlische Vier

    Plakat der VVN-BdA zum 8. Mai

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    Kurdischer Politiker RemziKartal wieder in Freiheit

    Der kurdische Politiker Remzi Kartal istwieder in Freiheit. Der 1. Strafsenat desOberlandesgerichts Bamberg wies am

    Dienstag ein Auslieferungsersuchen derTrkei zurck. Die trkische Justiz wirftdem ehemaligen Abgeordnete der in derTrkei verbotenen DemokratieparteiDEP und jetzigen Vizevorsitzende desKurdistan Volkskongresses Kongra Gel,die Verantwortung fr einen Bombenan-schlag in der Trkei vor. Doch das Bam-berger Gericht wies die vorgelegten Be-weise als nichtssagend und unkonkretzurck und entlie Kartal in Freiheit.

    Kartal, der in Belgien als Flchtlinganerkannt ist, war am 21. Januar in Nrn-berg aufgrund eines trkischen Haftbe-

    fehls verhaftet worden. Mit Demonstra-tionen und Petitionen hatten kurdischeOrganisationen, Menschenrechtsaktivis-ten und Politiker europaweit gegen seineVerhaftung protestiert. Im britischenOberhaus fand vergangene Woche eineSondersitzung fr die Freiheit RemziKartals unter der Schirmherrschaft vonLord Rea statt. Nick Brauns

    Kurdische Fderation ruftzu Newrozdelegationen indie Trkei auf

    Auch in diesem Jahr ruft die FderationKurdischer Vereine in Deutschland YekKom zur Teilnahme an internationalenNewroz-Delegationen in die Trkei auf.Die Delegationsteilnehmer sollen mgli-che Repressionen der trkischen Sicher-heitskrfte whrend des kurdischen Ne-wrozfestes dokumentieren. Trotz einigerGesetzesnderungen geht die Repressiongegen Kurden weiter. So wurde MitteFebruar in Mersin ein 19-Jhriger auf ei-ner Demonstration gegen die Isolations-haft des ehemaligen PKK-VorsitzendenAbdullah calan von der Polizei er-

    schossen. Seien Sie herzlich dazu ein-geladen, mit Ihrer Delegationsteilnahmedie Vorbereitungsphase der Trkei fr ei-nen EU-Beitritt zu begleiten. Informie-ren Sie sich bei den zivilgesellschaft-lichen Organisationen, u.a. Menschen-rechtsorganisationen, Gewerkschaften,Berufsverbnde vor Ort, in wie weit dieKopenhagener Kriterien umgesetzt wer-den und wo und wie gemeinsam an derEU-Fhigkeit gearbeitet werden kann,heit es in dem Aufruf. Nick Brauns

    Beleidigungs-Verfahren ge-gen Camp-VerantwortlichenWeimar. Es wird immer schwieriger,nach etwa fnf Terminverschiebungenund zwei Richterwechseln das Ereignis

    noch ernstzunehmend anzukndigen,aber fr den 10. Mrz, ist eine Neuaufla-ge des Verfahrens gegen Fritz Burschelvorgesehen. Beginn ist um 9 Uhr, im Sit-zungssaal 1 des Amtsgerichts Jena, Ra-thenaustr. 13 (Anfahrt ber Kahlaische

    Str.). Der vorangegangene Termin am 22.Juli 2004 wurde nach einem Befangen-heitsantrag der Verteidigung gegen dieRichterin aufgehoben. Dem neu ange-setzten Verfahren sitzt ein neuer Richtervor: dieser Richterwechsel hat aber wohlnichts mit dem Befangenheitsantrag zutun.

    Zum Termin im Juli 2004 erging diefolgende Pressemitteilung, der nichtshinzuzufgen ist, als dass der Angeklagteunterdessen 40 Jahre alt geworden ist:Vielen Jenaern und Jenensern wird esnoch in mehr oder minder guter Erinne-

    rung sein, das antirassistische No-bor-der-Camp der Kampagne kein menschist illegal im Hochsommer 2002. The-ma der Groveranstaltung war damalsdas Grundrecht auf Bewegungsfreiheitund dessen rassistische Einschrnkungfr Asylsuchende, Flchtlinge und Mi-grantInnen durch die deutsche Gesetzge-bung und ihre Vollzugsorgane.

    Nun, fast zwei Jahre spter steht einerder damaligen Camp-Verantwortlichen,Fritz Burschel aus Weimar, wegen an-geblich beleidigender uerungen imJenaer Offenen Kanal vor Gericht. Ange-

    zeigt hatte ihn niemand geringerer alsPolizeidirektor Rdiger Schrehardtselbst, der sich und seine Beamten durchBurschels Radioschelte verunglimpftsieht. Der 39-jhrige Burschel, damalsMitarbeiter der Geraer Opferberatungs-stelle ABAD und heute Leiter der ausBundesmitteln finanzierten Netzwerk-stelle gegen Rechtsextremismus bei Ra-dio Lotte in Weimar, will das Verfahrenvor dem Amtsgericht Jena am Donners-tag zu einer Rckschau auf die Krimina-lisierungs- und Eskalationsstrategie derSchrehardtschen Polizei- Verbnde nut-

    zen. Er sieht seine damaligen Aussagenim OK Jena durch Rede- und Meinungs-freiheit gedeckt, seine Kritik damals wieheute als korrekt an.Sein Berliner An-walt, Ulrich von Klinggrff, betrachtetdie Anklage als beraus drftig, waswohl auch der Grund fr den langen Wegbis zur Hauptverhandlung gewesen sei.Das wre der Klassiker eines einzustel-lenden Verfahrens gewesen, meint derJurist. Insofern gehen der Angeklagteund sein Verteidiger von einem Frei-spruch, zumindest aber einer Einstellungdes Verfahrens aus.

    Pressemitteilung Netzwerkstellegegen Rechtsextremismus beiRadio Lotte in Weimar,

    E-Mail: [email protected]

    Strafanzeige gegen denNPD-Kreisverband Gttin-gen wegen Volksverhet-zung und Aufstachelungzum Rassenhass

    Mitglieder der PDS Niedersachsen ha-ben vor kurzem Strafanzeige bei der

    Staatsanwaltschaft Gttingen gegenden NPD-Kreisverband Gttingen undgegen den presserechtlich Verantwort-lichen der Homepage des NPD-Kreis-verbandes Gttingen Carsten Steckelerstattet. Aufgrund von Recherchenzum Thema Rechtsextremismus inNiedersachsen wurden auf der Home-page des Kreisverbandes der NPD Gt-tingen Texte gefunden, in denen u. a.der Begriff Holocaust in hnlicherWeise verflschend missbraucht wird,wie in etwas anderer Art krzlich vonAbgeordneten der NPD im schsischen

    Landtag.Auerdem wurden auf dieser Home-page Texte gefunden, die nach Mei-nung der PDS zum Rassenhass aufsta-cheln.

    Angesichts des gegenwrtigwiederauflebenden Rechtsextremismusist unser Handeln notwendig, um einer-seits der ffentlichkeit aufzuzeigen,welch eklatante Wiederholungsgefah-ren-Potentiale in der NPD stecken; an-dererseits strafbare Handlungen derNPD nicht hinzunehmen, sondernrechtliche Schritte dagegen einzuleiten.

    Ein neues 1933 muss mit allen demo-kratisch Mitteln verhindert werden,darin sind wir uns mit allen demokra-tisch orientierten Parteien einig, so derLandesvorstand der PDS Niedersach-sen in seiner Pressemitteilung.

    : auslnder- und asylpolitik

    Dokumentiert: Zitate von derHomepage NPD KV Gttingen

    05.01.05 Der Uslarer HolokaustIm Heimatmuseum Uslar luft zur Zeit (2. bis 12.Januar) eine Sonderausstellung zu einem Thema,das besonders den Uslarer Brgern aktuell aufden Ngeln brennt: Kinder im Holokaust. Wirhaben uns die Ausstellung nicht angesehen, aber

    wir vertrauen darauf, dass die Macher derSchau die genannte Zahl von 1.500.000 ermor-deten Kindern genau belegen knnen. ... Die all-seits bekannten 6.000.000 Juden geteilt durch 4= 1.500.000, da ja jeder vierte Mensch einKind ist. Logisch.29.12.04 Neger bleibt vor der TrAm 17.12. widmete die HNA fast eine ganze Sei-te im Northeimer Lokalteil einem Skandal, derseitdem die (Gutmenschen der) Stadt erschttert:Ein Deutscher bleibt vor der Tr lautete dieSchlagzeile. Der Deutsche mit dem typischdeutschen Namen Abdelaziz Chouchane wurdein die Tanzbar Tiffany nicht hineingelassen, ob-wohl er einen BRD-Pass hat. ... wir Deutschensollten uns lieber um die Probleme der (wirklich)deutschen Noch-Mehrheit im Lande kmmern,anstatt uns fr Neger einzusetzen. Die Fremdenwerden uns unsere Grozgigkeit nicht danken,sondern uns noch den Todessto geben, wennwir taumeln. Das Leben ist nun mal hart.

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    Konsum und Propa-ganda: Volkspro-dukte im 3. Reich

    Die NS-Herrschaftkonnte durch effektive

    Propaganda, brutalsteRepression gegen Kritiker undmit der Beute, die dem deut-sche Herrenvolk fr den Falleines gewonnenen Krieges inAussicht gestellt wurde, einenGroteil der Deutschen bis zu-letzt an sich binden. Demdienten auch die Sozialpolitik,die NationalsozialistischeVolkswohlfahrt oder dieVolksprodukte. Unter letzte-rem sind Waren zu verstehen,die durch geringere Preise

    breiteren Schichten zugng-lich gemacht werden sollten.Es gab zwei Varianten zurHerstellung der Volksproduk-te. Zum einen die Arbeitsge-meinschaften verschiedenerEinzelkapitalien, zum anderendie bernahme durch staatli-che oder parteiliche Institutio-nen.

    Das bekannteste Erzeugnisder ersten Kategorie ist derVolksempfnger.

    1933 besa nur jeder vierte

    Haushalt ein Rundfunkgert.Eine strkere Radioverbrei-tung lag insbesondere imInteresse der Propaganda, dieden Rundfunk fr ihre Zweckenutzte. Bereits Mitte 1933konnte der erste Volksemp-fnger fr die Hlfte des da-mals blichen Preises als Ge-meinschaftsprodukt der deut-schen Radiohersteller prsen-tiert werden.

    Bis 1938 wurden weit ber2 Millionen Apparate ver-

    kauft; das bedeutete einenjhrlichen Marktanteil zwi-schen 24,3 und 43,7 %. DemVolksempfnger folgte 1938der Deutsche Kleinempfn-ger, der insgesamt 2,8 Millio-nen mal verkauft wurde. 1941verfgten immerhin 65 Pro-zent der Haushalte ber einRadio.

    Fr die zweite Variante, derProduktion in staatlicher oderParteiregie, steht der Volks-wagen. Zunchst sollte aucher in einer Arbeitsgemein-schaft der Autohersteller ge-baut werden. Der vorgeschrie-bene Preis von hchstens 1000RM (der bis dahin gnstigste

    Wagen, der Opel P4, kostete1450 RM) lag unter der Ren-tabilittsgrenze, weshalb dieIndustrie die Arbeiten hinaus-zgerte. Anfang 1937 ber-nahm die Deutsche Arbeits-front (DAF) die Planungen

    mit der Magabe, den Wagenselbst zu produzieren. 1939konnte ein VW-Modell auf derAutomobilausstellung gezeigtwerden. Das Preiswundervon 990 RM wurde nur durchSubventionen der DAF frdieses Prestigeobjekt mglich.Die berhmte Ansparaktionder DAF-UnterorganisationKraft durch Freude (KdF),bei der Kufer jahrelang Gel-der einzahlten, war mit330000 Kunden gemessen an

    den bombastischen Dimensio-nen, die sich u.a. Hitler selbstausgemalt hatte, eher ein Mis-serfolg. Jedenfalls stand denPrahlereien der DAF keineRealitt zur Seite: Nun istauch die stille Sehnsucht desdeutschen Arbeiters, ein Autozu besitzen, in Erfllung ge-gangen. (S. 176) Die wesent-lichen Kosten eines Autosmachte sowieso nicht derKaufpreis, sondern der Unter-halt (v.a. Treibstoff und Versi-

    cherung) aus.Auch deswegen wre derVolkswagen ein Mittelstands-auto geblieben.

    Der Sinn und Zweck, dendie NSDAP mit diesen in er-ster Linie politisch motiviertenProjekten verfolgte, ist auf derwirtschaftlichen sowie auf derpropagandistischen Ebene zusuchen. Der Staat agierte alsideeller Gesamtkapitalist, derBevlkerungskreisen Zugangzu Industrieprodukten gewh-

    ren wollte, die durch die bis-herigen Preise davon ausge-schlossen waren. Die Verant-wortlichen erhofften sich da-von nicht nur eine engere Bin-dung der Bevlkerung an dieNSDAP, sondern auch einenSchub fr die technologischeEntwicklung. Und: Die proji-zierten Konsummglichkeitenund insbesondere die Volks-produkte wurden fr die Pro-pagierung und Inszenierungder ,Volksgemeinschaft ge-nutzt. (S. 19) Zu diesemSchluss kommt ein neuesBuch von Wolfgang Knigber die Volksprodukte. Tat-schlich waren die eigent-

    lichen Nutznieer derVolksprodukte diemittelstndischenSchichten. Die meis-ten Preise blieben frArbeiter weiterhinunerschwinglich, zu-

    mal die Lhne bis1936 stagnierten beigleichzeitig anziehen-den Lebenshaltungs-kosten.

    Mit der Politik derVolksprodukte griffder nationalsozialisti-sche Staat in die Wirt-schaft ein ohne ih-ren kapitalistischenCharakter zu negie-ren: durch Vorschrif-ten zu Typisierung,

    Preisgestaltung und Koopera-tion der Einzelkapitalien. Diesbetraf neben dem Volksemp-fnger den Volksfernseherund den Volkskhlschrank.Im November 1938 wurdeeine Arbeitsgemeinschaft derentsprechenden Wirtschafts-unternehmen beauftragt, einenEinheits-Fernsehempfngerfr 650 RM zu entwickeln,was die Kosten nicht gedeckthtte, und seit 1937 wurde aneinem Volkskhlschrank als

    Gemeinschaftsmodell ver-schiedener Hersteller gewer-kelt. Beide Produkte kamenwegen des Krieges nicht mehrauf den Markt.

    Auerdem bernahmen Par-teiorganisationen oder staatli-che und halbstaatliche Institu-tionen die Rolle des Produzen-ten. Neben dem Volkswagenwar dies im Wohnungsbau undbei den Reiseangeboten derFall.

    Mit Volks- und Fhrer-

    wohnungen wollte dasReichsarbeitsministerium demakuten Wohnraummangel be-gegnen: Es gelte billigste, hin-sichtlich Ausstattung uerstbeschrnkte Wohnungen zuerbauen. Bis einschlielich1939 wurden jedoch lediglich157500 Volkswohnungenerrichtet bei einem Fehlbe-stand von bis zu drei Millio-nen Billigwohnungen. Von1934 bis 1938 machten jhr-lich eine Million Deutsche Ur-laub mit dem KdF-Amt Rei-sen Wandern und Urlaub, beidem die Preise zwar dieFremdkosten deckten, dieVerwaltungs- und Bearbei-

    :Neuerscheinungen

    tungskosten aber von derDAF zugeschossen wurden.Bei gewonnenem Krieg,

    das zeigen die utopischenPlanspiele insbesondere derDAF, wren Staat und Parteihufiger in die Rolle des Pro-duzenten getreten. Neue Wer-ke, die nicht mehr klassischprivatkapitalistisch gefhrtworden wren, htten wo-mglich eine Eigendynamikentwickelt.

    Dementsprechend gab es

    dazu auch im Staats- undParteiapparat Widersprche,wie die Kontroverse zwi-schen Reichswirtschaftsmi-nister Walther Funk, der dasPrinzip der Privatwirtschaftund DAF-Fhrer Robert Ley,der das der Staats- bzw. Par-teiwirtschaft vertrat (S. 222)zeigt.

    Knig diskutiert dieVolksprodukte v.a. unterder Fragestellung, ob sie zueiner nationalsozialistischen

    Konsumgesellschaft (S. 18)gefhrt htten, was er auf-grund seiner Analyse ver-neint. Der Konsum aberscheint mir ein nachrangigerErklrungsansatz zu sein, sodeutlich wie der Propaganda-aspekt im Vordergrund stand.Nicht zufllig waren die vor-antreibenden und meist fe-derfhrenden Krfte die DAFund GoebbelsPropaganda-ministerium. Fr die Bevl-kerung sollte auch etwas ab-fallen, damit die Ideologieder Volksgemeinschaftnicht als leere Propaganda-hlse dastnde.

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    Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen ber:GNN-Verlag, Zlpicher Str. 7, 50674 Kln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73.email: [email protected], Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.deErscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zlpicher Str. 7, 50674 Kln. V.i.S.d.P.: U. BachRedaktion: Fr Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar ber GNN-Verlag, Neuer Kamp 25,20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Fr NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach,GNN-Verlag Kln. Baden-Wrttemberg und Bayern ber GNN-Sd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgar t,Tel. 0711 / 62 47 01. Fr Aus der faschistischen Presse: J. Detjen c/o GNN Kln.Erscheinungsweise: 14-tglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zlpicher Str. 7, 50674 Kln. Sonderbestellungen sindmglich, Wiederverkufer erhalten 30 % Rabatt.

    Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-zelne Artikel ausdrcklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinungder Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen berprfen kann.Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rtekommunisten (AGR); Annelie

    Buntenbach (Bndnis 90/Die Grnen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jrg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V.,Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup-pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes derArbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und KriegFrderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.diThringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard S trasdeit; Volkmar Wlk.

    Die tatschliche Bedeutung der hufigunterschtzten Volksprodukte wird vonKnig herausgearbeitet, und fr eine Dis-kussion ber die nationalsozialistischeWirtschaftspolitik liefert seine Untersu-chung aufschlussreiche Ergebnisse.

    F

    Wolfgang Knig: Volkswagen, Volks-

    empfnger, Volksgemeinschaft.Volksprodukte im Dritten Reich:Vom Scheitern einer nationalsozialisti-schen Konsumgesellschaft,Verlag Fer-dinand Schningh, Paderborn 2004,310 S., 36 Euro.

    Rezension von Paxton:Anatomy of fascism

    Paxtons herausragendes Buchberrascht auch durch seine pro-zesshafte Methode. Statt eine

    im Hegelschen und Marxschen Sinne

    abstrakte Formel fr den Faschismuszu geben,wird zu Beginn an dessen kon-kret historische Funktion errinnert:Schaffen einer Diktatur gegen die Lin-ke inmitten von popular enthusiasm (S.3). Ein weiterer methodischer Bausteinist fr Paxton wichtig: fokussieren mehrauf die Taten der Faschisten als auf ihreWorte, kontrr zur blichen Praxis(S.11).

    Genesis und Entwicklung des Fa-schismus werden als Zyklus von fnfStufen studiert : (1) Das Schaffen derBewegungen; (2) deren Verankerung im

    politischen System ; (3) deren Machter-greifung ; ( 4) die Ausbung der Macht;( 5) und, schlielich, in langer Dauer, inder das faschistische Regime entwederRadikalisierung oder Entropie whlt. Ob-wohl jede Stufe eine Voraussetzung frdie nchste darstellt, ist es nicht erforder-lich, dass eine faschistische Bewegungalle Stufen vollendet oder sich auch nursich in eine Richtung bewegt ( S.23).

    Der Erste Weltkrieg war die entschei-denste unmittelbare Voraussetzung fr

    den Faschismus ( S. 28). Nach demKriegsende und seinen sozialen und polti-schen Verwerfung