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3 Zellwände und Glykokalyx Inhaltsvorschau Pflanzliche, pilzliche und bakterielle Zellen sind von einer Zellwand umgeben, die den Orga- nismen eine große mechanische Stabilität verleiht. Insbesondere bei den Pflanzen sind diese Zellwände sehr stark ausgeprägt und durch zusätzliche Auf- und Einlagerungen verstärkt. Hingegen haben bakterielle Zellen eine deutlich anders aufgebaute Zellwand, für die das Glykopeptid Murein charakteristisch ist. Die bakterielle Zellwand stellt einen wichtigen An- griffspunkt für Antibiotika dar ( p Tab. 20.3). Dagegen hat die tierische Zelle keine Zellwand. Außerhalb der Cytoplasmamembran befindet sich die Glykokalyx, die eine Reihe wichtiger physiologischer Funktionen übernimmt. 3.1 Aufbau und Chemie der pflanzlichen Zellwand Schon bei einfachen lichtmikroskopischen Untersuchungen fällt die komplexe Struktur der pflanzlichen Zellwand auf. Diese wird nachfolgend auf molekularer und struktureller Ebene besprochen. QQ Definition Die Wand der ausdifferenzierten Zelle setzt sich zusammen aus der Grundsubstanz (Pektine, Proteine, Glykoproteine und Hemicellulose), der Gerüstsubstanz (Cellulose, bei Pilzen auch Chitin), den Inkrusten (Einlagerungsmaterial: z.B. Lignin) und den Ak- krusten (auf der Zellwand aufgelagertes Material: Suberin, Cutin, Wachs u.a.). Die genannten Substanzen sind am Aufbau der Schichten in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt. Die außerhalb der Cytoplasmamembran liegende Zellwand der Pflanzen ist ein Produkt des lebenden Protoplasten. Jede Zellwand erfährt im Zuge der Ausdierenzierung der pflanzlichen Zelle eine vom Protoplasten bewirkte Ausgestaltung. Eine Funktion der Zellwand ist es, der Zelle Festigkeit zu verleihen. Die lebende, ausdierenzierte Pflanzen- zelle besitzt eine oder mehrere Zellsavakuolen (Kap. 2.2.6), die von dem sie umge- benden Plasmaschlauch durch den Tonoplasten getrennt sind. Da die Stokonzentration der Zelle wesentlich höher sein kann als die des Mediums, das die Zelle umgibt, entsteht durch Wasseraufnahme ein osmotisch bedingter Turgor oder Turgordruck. Dieser würde die Zelle zum Platzen bringen, wenn nicht die feste Zellwand dem Druck stand- hielte. Für einige Zellen genügt die Primärwand, um die Stabilität zu ermöglichen. Viele Zellen haben aber im Gesamtorganismus spezielle Funktionen, die eine größere Stabilität erfordern (Beispiele: Fasern, Gefäße, u. a.). Diese wird durch Ausbildung einer Sekundär- wand ermöglicht. Insofern kommt es entsprechend den vielfältigen Aufgaben der spe- zialisierten Zellen zu beträchtlichen Unterschieden im chemischen und strukturellen Auau der Zellwände. Der Schichtenbau ist am Beispiel des Tracheidenquerschnitts einer Konifere erläutert ( ¢ Abb. 3.1). 3.1 Aufbau und Chemie der pflanzlichen Zellwand 34 Funktion der Zellwand

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3 Zellwände und Glykokalyx

Inhaltsvorschau Pflanzliche, pilzliche und bakterielle Zellen sind von einer Zellwand umgeben, die den Orga-

nismen eine große mechanische Stabilität verleiht. Insbesondere bei den Pflanzen sind diese

Zellwände sehr stark ausgeprägt und durch zusätzliche Auf- und Einlagerungen verstärkt.

Hingegen haben bakterielle Zellen eine deutlich anders aufgebaute Zellwand, für die das

Glykopeptid Murein charakteristisch ist. Die bakterielle Zellwand stellt einen wichtigen An-

griffspunkt für Antibiotika dar (p Tab. 20.3). Dagegen hat die tierische Zelle keine Zellwand.

Außerhalb der Cytoplasmamembran befindet sich die Glykokalyx, die eine Reihe wichtiger

physiologischer Funktionen übernimmt.

3.1 Aufbau und Chemie der pflanzlichen Zellwand

Schon bei einfachen lichtmikroskopischen Untersuchungen fällt die komplexe Strukturder pflanzlichen Zellwand auf. Diese wird nachfolgend auf molekularer und strukturellerEbene besprochen.

Q Q DefinitionDie Wand der ausdifferenzierten Zelle setzt sich zusammen aus der Grundsubstanz

(Pektine, Proteine, Glykoproteine und Hemicellulose), der Gerüstsubstanz (Cellulose,

bei Pilzen auch Chitin), den Inkrusten (Einlagerungsmaterial: z. B. Lignin) und den Ak-

krusten (auf der Zellwand aufgelagertes Material: Suberin, Cutin, Wachs u. a.). Die

genannten Substanzen sind am Aufbau der Schichten in unterschiedlichem Ausmaß

beteiligt.

Die außerhalb der Cytoplasmamembran liegende Zellwand der Pflanzen ist ein Produktdes lebenden Protoplasten. Jede Zellwand erfährt im Zuge der Ausdifferenzierung derpflanzlichen Zelle eine vom Protoplasten bewirkte Ausgestaltung. Eine Funktion derZellwand ist es, der Zelle Festigkeit zu verleihen. Die lebende, ausdifferenzierte Pflanzen-zelle besitzt eine oder mehrere Zellsavakuolen (Kap. 2.2.6), die von dem sie umge-benden Plasmaschlauch durch den Tonoplasten getrennt sind. Da die Stoffkonzentrationder Zelle wesentlich höher sein kann als die des Mediums, das die Zelle umgibt, entstehtdurch Wasseraufnahme ein osmotisch bedingter Turgor oder Turgordruck. Dieserwürde die Zelle zum Platzen bringen, wenn nicht die feste Zellwand dem Druck stand-hielte. Für einige Zellen genügt die Primärwand, um die Stabilität zu ermöglichen. VieleZellen haben aber im Gesamtorganismus spezielle Funktionen, die eine größere Stabilitäterfordern (Beispiele: Fasern, Gefäße, u. a.). Diese wird durch Ausbildung einer Sekundär-wand ermöglicht. Insofern kommt es entsprechend den vielfältigen Aufgaben der spe-zialisierten Zellen zu beträchtlichen Unterschieden im chemischen und strukturellenAuau der Zellwände. Der Schichtenbau ist am Beispiel des Tracheidenquerschnittseiner Konifere erläutert (¢Abb. 3.1).

3.1 Aufbau und Chemie der pflanzlichen Zellwand34

Funktion derZellwand

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3.1.1Molekularer Aufbau der Zellwand

Die Bildung der Zellwand (¢Abb. 3.1 A und B) beginnt mit der Zellteilung. Golgi-Vesikel werden in die Äquatorregion transportiert, wo sie fusionieren und die Zellplatte(Primordialwand) bilden. Diese erste gemeinsame Trennwand zweier benachbarterZellen besteht hauptsächlich aus Pektinen. Pektine sind saure Polysaccharide aus denBausteinen D-Galacturonsäure und D-Galacturonsäuremethylester. Bei der Pektinsäuresind die Carboxy-Gruppen frei; beim Pektin liegen sie zumindest teilweise als Methyles-ter vor (¢Abb. 3.2). Die freien Carboxy-Gruppen des Pektins können durch Salzbildungmit Calcium- und Magnesium-Ionen verschiedene Pektinmoleküle miteinander vernet-zen.

Durch Auflagerung von Primärwandlamellen auf die Primordialwand entstehenMittellamelle und Primärwand. Die Grundsubstanz der Primärwandlamellen ist che-misch anders aufgebaut als die der Primordialwand. Neben Pektinstoffen finden sichHemicellulosen als Wandmaterial. Unter dieser Bezeichnung werden eine Reihe vonPolysacchariden zusammengefasst, die bei Hydrolyse D-Xylose, D-Galactose, D-Man-nose, D-Glucose, L-Arabinose, Glucuronsäure, Galacturonsäure und Mannuronsäureliefern. Die Benennung der Makromoleküle erfolgt nach den mengenmäßig überwiegen-den Zuckern: Xylane (Pentosane), Galactane, Mannane (Hexosane); die durch Carboxy-Gruppen gekennzeichneten Polysaccharide werden auch Polyuronide genannt. DieHemicellulosen sind amorph oder parakristallin. In die Grundsubstanz der Primärwandist auch schon ein geringer Teil (etwa 5%) Cellulose eingebaut.

3.1.1 Molekularer Aufbau der Zellwand 35

¢Abb. 3.1 Aufbau der Tracheidenwandeiner Konifere (schematischer Quer-schnitt). A Übersicht, a = Mittellamelleund Primärwände, s = Sekundärwand-schichten, L = Lumen, BWandaufbau beistärkerer Vergrößerung. a = Mittella-melle, b = Primärwände, c, d, e =Schichten der Sekundärwand (c = Über-gangslamelle, d = Zentralschicht, e =Abschlusslamelle)

¢Abb. 3.2 Pektinsäure (A) besteht aus Galacturonsäure-Monomeren, die α-1,4-glykosidischverbunden sind. Pektin (B) ist der partielle Methylester der Pektinsäure.

Aufbau derPrimordialwand

Aufbau derPrimärwand

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Die Sekundärwand (¢Abb. 3.1 B, c bis e) besteht in der Regel aus mehreren Wand-schichten, die auf die Primärwand nach dem Zellinneren hin aufgelagert werden und sichin Übergangslamelle, Zentralschicht und Abschlusslamelle unterteilen. Die Sekundär-wand besteht teilweise zwar auch aus Hemicellulosen, jedoch treten diese mengenmäßiggegenüber der Gerüstsubstanz Cellulose zurück. Sie hat gänzlich andere Eigenschaen.Cellulose ist ein Polysaccharid, bestehend aus 2 bis 14× 103 D-Glucopyranose-Resten,wobei die Glucose-Reste β-1,4-glykosidisch verknüp sind (¢Abb. 3.3). Kürzere Cellu-losemoleküle (ca. 2 500 Monomere) befinden sich in der Primärwand, längere (bis ca.14 000 Monomere) in der Sekundärwand. Cellulose ist ein unverzweigtesMolekül. DurchZusammenlagern von 50 bis 100 Celluloseketten entsteht eine Elementarfibrille(Kap. 3.1.2), die flexibel und sehr reißfest ist.

Chitin bildet das Außenskelett der Arthropoden (Gliederfüßer) und die Zellwändebestimmter großer Pilzsippen (Basidiomyceten, Ascomyceten). Das Makromolekül istaus Acetylglucosamin-Einheiten aufgebaut, die gleich den Glucose-Einheiten der Cellu-lose β-glykosidisch in 1,4-Stellung verknüp sind (¢Abb. 3.4). Die Chitinmolekülelagern sich in gleicher Weise wie die Cellulosemoleküle zu Mikrofibrillen zusammen.

Q Q MerkeDie pflanzliche Zellwand ist aus unterschiedlichen Polysacchariden aufgebaut, deren

wichtigste Pektin und Cellulose sind. Man unterscheidet in Primordialwand, Primärwand

und Sekundärwand. Chitin kommt bei Pilzen vor.

3.1 Aufbau und Chemie der pflanzlichen Zellwand36

¢Abb. 3.3 Cellulose-Teil-formel (β-glykosidische1,4-Bindung von D-Glu-cose)

¢Abb. 3.4 Chitin-Teil-formel (β-glykosidische1,4-Verknüpfung vonN-Acetylglucosamin)

Aufbau derSekundärwand

Die pilzliche Zell-wand enthält Chitin.

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3.1.2Feinstruktur der pflanzlichen Zellwand

Das Strukturelement der Cellulose enthaltenden Wandschicht ist die Makrofibrille(Cellulosefaser), die bereits im Lichtmikroskop bei starker Auflösung als fibrilläresElement zu erkennen ist (Durchmesser etwa 0,5 μm). Das Elektronenmikroskop zeigt,dass eine solcheMakrofibrille aus mehrerenMikrofibrillen, jede mit einem Durchmesservon 20 – 30 nm, zusammengesetzt ist (¢Abb. 3.5). Diese Mikrofibrille besteht wiederumaus 15 bis 20 Elementarfibrillen (Mizellarsträngen) mit einem Durchmesser von3,5 – 5 nm. Die Elementarfibrillen setzen sich aus 50 bis 100 Cellulosemolekülen zusam-men. Innerhalb der Elementarfibrillen bilden die parallel gelagerten CellulosemoleküleKristallgitter, die mit parakristallinen Bereichen wechseln, in denen die Molekülfädennicht mehr streng parallel geordnet sind (¢Abb. 3.5). In letzterem Fall ziehen einzelneCellulosemoleküle zu benachbarten Elementarfibrillen hinüber und verketten die Ele-mentarfibrillen (Mizellarstränge) miteinander.

Zwischen den parallel gelagerten Elementarfibrillen befinden sich die mit einemDurchmesser von 1 nm ausgesparten intermizellären Räume (¢Abb. 3.5), zwischendenMakrofibrillen die interfibrillären Räume, die etwa 10 nm imDurchmesser betragen.Beide Spaltensysteme nehmen Wasser auf, sodass die Wände der lebenden Zelle immergequollen sind. Die interfibrillären Räume können auchmit Lignin inkrustiert sein (Kap.3.2).

Bei der Auflagerung der Sekundärwände bleiben häufig bestimmte Stellen ausgespart.Die unverdickten Stellen werden Tüpfel genannt. Bei starken Zellwänden können sie alsKanäle erscheinen. Es werden die Tüpfel benachbarter Zellen an sich gegenüberliegendenStellen angelegt, sodass nur die Schließhaut benachbarte Zellen trennt. Sie besteht aus derMittellamelle und den beiden Primärwänden. Die Schließhaut wird von mehrerenPlasmaverbindungen, den Plasmodesmen, durchbrochen. Durch die Plasmodesmenzieht das Endoplasmatische Retikulum hindurch, wodurch benachbarte Protoplastenmiteinander verbunden sind. Dadurch wird ein Stofftransport von Zelle zu Zelle ermög-licht und die plasmatische Einheit eines Zellverbandes gewährleistet.

3.1.2 Feinstruktur der pflanzlichen Zellwand 37

¢Abb. 3.5 A Querschnitt durch die aus Cellulose aufgebauten Strukturen der Zellwand; ca. 20Mizellarstränge (je ca. 5 nm Durchmesser) bauen eine Mikrofibrille auf. Zwischen den Mizellensind Intermizellarräume (0,5 – 1 nm Durchmesser) und interfibrilläre Räume mit einem Durch-messer von ca. 10 nm. B Längsschnitt durch eine Mikrofibrille (schematisch). Mizellen unre-gelmäßig angeordnet, durch amorphe Bereiche getrennt. A 200 000:1. B 100 000:1

Aufbau vonMakrofibrillen undMikrofibrillen

Struktur von Tüpfelund Plasmodesmen

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Für die Wasserleitungsbahnen der Koniferen sind Hoüpfel (¢Abb. 3.6) charakteris-tisch. Bei ihnen ist die Mitte der Schließhaut verstärkt. Die Verstärkung heißt Torus. DasWasser kann normalerweise durch den engen Porus des Hoüpfels in den Hof undzwischen den Auängefäden des Torus hindurchströmen. Bei einseitigem Druck wirdder Torus gegen den Porus gepresst und verschließt so den Tüpfel. Dieser Verschluss-mechanismus tritt in Kra, wenn der Spross einer Pflanze verletzt wird. Der Mechanis-mus verhindert das Eindringen der Lu in die Wasserleitungsbahnen, in denen aufgrunddes Transpirationsstromes ein Unterdruck herrschen kann, sodass die Wassersäule beimEindringen von Lu abreißen würde. Der Hoüpfel ist in seiner Funktion also mit einemVentil vergleichbar.

Q Q MerkeMakrofibrillen und Mikrofibrillen sind für die Zugfestigkeit der Zellwand verantwortlich.

Tüpfel erlauben den Stofftransport zwischen benachbarten Zellen.

3.2 Inkrustierung und Akkrustierung

Den Zellwänden von Gefäßpflanzen und einigen Moosen sind in wechselnder Mengeund Zusammensetzung Verbindungen eingelagert (Inkrusten) oder aufgelagert (Akkrus-ten). Inkrusten und Akkrusten verleihen pflanzlichen Zellen spezifische Eigenschaenund befähigen sie zu besonderen Leistungen.

3.2 Inkrustierung und Akkrustierung38

¢Abb. 3.6 A Plasmodesmen aus den dicken Primärwänden des Endosperms der Kakipflaume(Diospyros): Das Endosperm ist das Nährgewebe des Samens. Die Plasmodemen sind die feinenLinien (Cytoplasmastränge), die sich durch die Zellwände hindurch von Zelle zu Zelleerstrecken. B Hoftüpfel der Koniferen (schematisch, Längsschnitt), C Aufsicht

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Q QDefinitionInkrusten sind Einlagerungen (z. B. Lignin) in die Wand einer ausdifferenzierten Zelle.

Akkrusten sind Auflagerungen (Suberin, Cutin, Wachs u. a.) auf die Zellwand. Die ge-

nannten Substanzen sind am Aufbau der Schichten in unterschiedlichem Ausmaß betei-

ligt.

Eine der wichtigsten Inkrusten ist Lignin, ein amorphes Polymerisat aus Phenylpropan-einheiten, nämlich p-Cumarylalkohol, Coniferylalkohol und Sinapylalkohol (¢Abb.3.7), die bei verschiedenen Pflanzenarten in unterschiedlichen Anteilen im Lignin vor-kommen.

Die monomeren Phenylpropane werden in glykosidierter Form vom Protoplastensynthetisiert, in die Zellwände transportiert und dort nach hydrolytischer Abspaltungdes Zuckerrestes vermutlich unter dem Einfluss einer Peroxydase zu Radikalen oxidiert.Diese polymerisieren zum Lignin (¢Abb. 3.7). Das Lignin ist in der Zellwand mitHemicellulosen kovalent verknüp. Lignin kommt auch in der Mittellamelle vor. DerLigningehalt von verholztem (ligninhaltigem) Gewebe schwankt zwischen 15 bis 36Gewichtsprozenten. Während Cellulose einer Zellwand Zugfestigkeit verleiht, bewirktLignin Druckfestigkeit. Da es lipophil ist, schränkt es den Wassertransport durch dieZellwand ein, eine Eigenscha, die besonders für Wasserleitungsbahnen wichtig ist.Lignin wird histochemisch in Pflanzenpräparaten mit Hilfe von Phloroglucin und Salz-säure nachgewiesen.

Eine weitere polymere Verbindung ist das Cutin, eine Akkruste. Es ist ein unlöslicherPolyester aus Hydroxy- und Hydroxy-Epoxyfettsäuren, die eine Länge von 16 bis 18 C-Atomen haben. Das Cutin bildet die Cuticula, eine Schicht, die der Epidermis aufliegt.Cutin kann auch den tiefer gelagerten Zellschichten eingelagert sein. Das Cutin erschwertdas Eindringen von pathogenen Mikroorganismen in die Pflanze und schränkt denWasserverlust ein. Eine Transpiration durch die Cuticula hindurch (cuticuläre Tran-spiration) ist daher nur in sehr eingeschränktem Maße möglich.

Am Auau von verkorktem Abschlussgewebe (Periderm, Borke) ist auch Suberinbeteiligt, ein Polymer aus aliphatischen und aromatischen Monomeren. Suberin ist inWänden korkhaltiger Zellen abwechselnd mit Wachsen und Cutin schichtenförmig auf-gelagert.Korkzellen bilden ein isolierendesAbschlussgewebe,dasdiePflanzenebenfalls indie Lage versetzt, Pathogene abzuwehren und vor Austrocknung schützt. Sube-rinbildungen finden auch als Reaktion auf Verletzungen von Pflanzen statt. Suberin ver-hindert die freieDiffusion von Lösungen, besonders in derWurzel (sieheCaspary-Streifender Endodermis, ¢Abb. 14.4). Suberin ist der Zellwand von Idioblasten eingelagert oderschirmt Harze in Trichomen (Pflanzenhaaren) ab. Der Cuticula aufgelagert sind häufigkristalline Wachse (z.B. bei Eukalyptusblättern). Die Kristallformen derWachse sind fürdie jeweilige Pflanze und das jeweilige Organ charakteristisch (¢Abb. 3.8).

Wachse sind komplexe Gemische aliphatischer Verbindungen. Hauptkomponentensind Ester mit häufig ungerader Anzahl von C-Atomen. Wachse befinden sich auch imPeriderm (Kap. 13.3, ¢Abb. 13.8).

Wachs, Cutin, Suberin und Lignin ist eines gemeinsam: Sie schränken den Wasser-verlust und den Gasaustausch der Pflanzen ein. Der Gasaustausch erfolgt dann wie dieWassertranspiration durch Stomata oder Lentizellen. Bestandteil von Zellwänden kön-nen auch niedermolekulare Verbindungen sein, wie z.B. Silikat (bei Equisetum) oderGerbstoffe.

3.2 Inkrustierung und Akkrustierung 39

Lignin verleiht derZellwand Druckfes-tigkeit

Cutin ist eineAkkruste.

Suberin kommt inKorkzellen vor.

Wachse kommen aufder Cuticula vor.

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3.2 Inkrustierung und Akkrustierung40

¢Abb. 3.7 Monomere des Lignins, nämlich p-Cumarylalkohol (A), Coniferylalkohol (B) undSinapylalkohol (C). Die Monomeren werden insgesamt auch als Phenylpropane bezeichnet.Struktur D gibt einen Ausschnitt aus Fichtenlignin wieder. Man beachte die kovalente Bindungan einen Zucker (Hemicellulose, Cellulose). Me = Methylgruppe

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Lipophile Polymere wie Cutin und Suberin sindmit demAzofarbstoff Sudan III (gelöst inIsopropanol und Glycerol) histochemisch anfärbbar.

Q QMerkeInkrusten und Akkrusten verleihen der pflanzlichen Zellwand besondere Eigenschaften.

Zumeist werden der Wasserverlust und der Gasaustausch eingeschränkt oder wie im

Beispiel von Lignin auch die Festigkeit des Gewebes erhöht.

3.3Glykokalyx

Die Glykokalyx bildet die äußere Schicht der Zellen von Säugetieren und Mensch undbestimmt maßgeblich deren Erscheinungsbild und Funktion.

Q QDefinitionAuf der Außenseite der Plasmamembran tierischer Zellen befindet sich ein Multikompo-

nentensystem aus Bindungsproteinen, Glykolipiden, Glykoproteinen, Enzymen, Hormon-

rezeptorstellen und Antigenen. Dieses Multikomponentensystem wird als Glykokalyx

bezeichnet.

Die Begrenzung der tierischen Zelle wird auch als Zellcortex bezeichnet. Von einerZellwand spricht man hier nicht, weil wegen des Fehlens einer Mittellamelle (Kap. 3.1.1,pflanzliche Zellwand) eine Zuordnung von Begrenzungsschichten zu einer bestimmtenZelle im Gewebeverband nicht möglich ist.

3.3 Glykokalyx 41

¢Abb. 3.8 Wachskristalloide auf der Oberfläche einer Benincasa-hispida-Frucht (Wachs-gurke). Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. 1:10 000

Funktion derGlykokalyx

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Außerhalb der Plasmamembran (Zellmembran) tierischer Zellen befinden sich zahl-reiche glykosylierte Protein- und Lipidbausteine, deren Gesamtheit als Glykokalyxbezeichnet wird. Der Name leitet sich von glykos (griech. = Zucker) und kalyx (griech.= Mantel) ab. Die Komponenten sind mitbestimmend für die Individualität und spezi-fische Leistung einer tierischen Zelle. Erst die Glykokalyx ermöglicht es, dass sich auseinzelnen Zellen Gewebe bilden können. In der Entwicklung eines Organismus erkennensich differenzierte Zellen an ihrem gleichartigen Oberflächenzuckermuster und schließensich so zu Verbänden, den Geweben, zusammen. Die wesentlichen Zucker der Glyko-kalyx sind Glucose, Galactose, Fucose, N-Acetylglucosamin, N-Acetylgalactosamin undN-Acetylneuraminsäure. Lichtmikroskopisch kann die Glykokalyx mit Hilfe der PAS-Färbung (Periodic acid, Schiff-Reaktion) sichtbar gemacht werden.

In ¢Abb. 3.9 ist schematisch der Auau einer tierischen Zellmembran mit Glyko-kalyx dargestellt. Die Grundstruktur besteht aus einer Lipid-Doppelschicht (Lipidbilayer), in der sich unterschiedliche integrale Glykoproteine befinden. Diese Proteinekönnen auch durch die Zellmembran bis ins Zellinnere hindurchreichen. In diesem Fallespricht man von transmembranären Glykoproteinen, die für die Kommunikation derZelle mit ihrer Umwelt von ausgesprochen großer Bedeutung sind. Allgemein handelt essich bei vielen membranständigen Rezeptoren und Ionenkanälen um transmembranäreProteine. Zusätzlich zu den integralen Glykoproteinen können noch weiter Glykopro-teine an die Zellmembran adsorbiert werden. Fernerhin sind Glykolipide in die Zell-membran inseriert.

Der molekulare Auau der Glykokalyx ist zellspezifisch. Die Glykokalyx wird durchdie Neubildung von Glykoproteinen und Glykolipiden regeneriert: Im Zellinneren wer-den im rauen Endoplasmatischen Retikulum die Proteinstrukturen der Glykoproteinegebildet und in den Golgi-Apparat transportiert. Hier werden diese glykosyliert und dieso entstandenen Glykoproteine in die Membran des Golgi-Apparates eingebaut. DieGlykolipide der Glykokalyx werden im Golgi-Apparat synthetisiert und hier ebenfalls andie Proteine gekoppelt. Die so mit den Bestandteilen der Glykokalyx ausgestattetenMembranen werden vom Golgi-Apparat in Form von Golgi-Vesikeln abgeschnürt undzur Zellmembran transportiert, mit der sie dann verschmelzen.

Allgemein kann gesagt werden, dass die Glykoproteine der Glykokalyx Träger derzellulären Immunität sind (siehe Kap 31.2.2). Durch körperfremde Glykoproteine wirdstets eine starke Immunreaktion ausgelöst. Die Substanzen, die eine Immunreaktionhervorrufen, werden allgemein als Antigene bezeichnet. Dieses ist bei Bluttransfusionenund Organtransplantationen von großer Bedeutung.

3.3 Glykokalyx42

¢Abb. 3.9 Schematischer Aufbau derZellmembran mit aufgelagerter Glyko-kalyx

Molekularer Aufbauder Glykokalyx

Synthese derGlykokalyx

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Die Blutgruppenzugehörigkeit wird durch Glykolipide in der Zellmembran der Eryth-rozyten bestimmt. Diese weisen als endständige Struktur ein Zucker-Tetramer (Blut-gruppe O) oder ein Zucker-Pentamer (Blutgruppen A, B, AB) auf. Bei der Blutgruppe Aist das endständige Zucker-Monomer ein N-Acetylgalactosamin, bei der Blutgruppe Beine Galactose. Daraus ergeben sich unterschiedliche Antigeneigenschaen (Kap. 31.1.3).

An der Oberfläche der Mikrovilli des Darmepithels ist im Vergleich zu den übrigenKörperzellen eine relativ dicke Glykokalyx aus miteinander vernetzten Glykoproteinenzu erkennen. In dieses Netzwerk sind Verdauungsenzyme wie Lactase, Maltase, Sucraseund Isomaltase mit integriert (Kap. 34.1.5). Hier finden sich auch die ExopeptidasenCarboxypeptidase A und B. Exopeptidasen spalten die letzte Aminosäure kleinererPeptide aus der Nahrung vom Ende her ab.

Wie bereits weiter oben erwähnt, spielen die Zucker der Glykokalyx für den Auauvon Zellverbänden und Geweben eine entscheidende Rolle. Im tierischen Organismus,aber auch weit verbreitet im Pilz- und Pflanzenreich, gibt es Proteine, die ganz spezifischbestimmte Zucker oder Zuckersequenzen erkennen und an diese binden. DerartigeProteine werden als Lektine bezeichnet. So weist die Glykokalyx beispielsweise Lipideund Proteine mit einem sogenannten Cell adhesion molecule (CAM) auf, das aus vierZuckermonomeren besteht. Diese Sequenz wiederum kann von Lektin-Bindungsdomä-nen anderer Proteine einer benachbarten Zelle erkannt werden, was dann zur gezieltenAnlagerung von Zellen über Zucker-Lektin-Bindungen führt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Glykokalyx essentiell den Charakterund die Funktion einer tierischen Zelle bestimmt. Über sie wird sowohl der Auau vonGeweben gesteuert als auch allgemein der Kontakt mit der Umwelt hergestellt. DieGlykokalyx hat ausgeprägte Antigeneigenschaen.

Praxisbeispiel: Bestimmung der Blutgruppen Q Q

Die Blutgruppen O, A und B werden durch die Glykokalyx der Erythrozyten bestimmt. Die

spezifischen Zuckersequenzen können durch Lektine erkannt werden, was zu einer Aggrega-

tion der Erythrozyten führt. Dieser Effekt wird zur Blutgruppenbestimmung ausgenutzt.

Praxisbeispiel: Organtransplantation, Bluttransfusion Q Q

Die Antigeneigenschaften einer Zelle werden durch die Glykokalyx bestimmt. Stimmt diese bei

einer Organtransplantation nicht mit der Glykokalyx des Empfängers überein, so wird eine

Immunantwort ausgelöst, die zur Abstoßung des Organs führen kann. Bei der Bluttransfusion

ist strikt darauf zu achten, dass die Blutgruppenmerkmale von Spender und Empfänger

kompatibel sind, da es sonst zu einer lebensgefährlichen Immunreaktion kommen kann. Bei

Organtransplantationen wird in der Regel das Immunsystem durch Immunsuppressiva (z. B.

Cyclosporin) unterdrückt.

Q QMerkeDie Glykokalyx befindet sich außerhalb der Zellmembran und besteht hauptsächlich aus

Glykoproteinen und Glykolipiden.

3.3 Glykokalyx 43

Blutgruppen

Glykokalyx desDarmepithels

Aufbau vonZellverbänden

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3.4 Die bakterielle Zellwand

Die Zellwand der Bakterien unterscheidet sich in ihrem chemischen Auau und ihrerStruktur grundsätzlich von der der Höheren Pflanzen. Sie hat eine Dicke von 15 – 35 nmund verleiht der Bakterienzelle Form und Festigkeit.

Die Stützmembran, die der Cytoplasmamembran (¢Abb. 3.10) aufliegt, besteht auseinem Polysaccharid-Peptid-Makromolekül (einem Peptidoglykan), dasMurein genanntwird.

Q Q DefinitionDie bakterielle Zellwand hat eine Dicke von 15 – 35 nm und verleiht der Bakterienzelle

Form und Festigkeit. Eine wichtige Komponente ist Murein.

Der sogenannte Murein-Sacculus besteht aus alternierenden N-Acetylglucosamin(GlcNAc) und N-Acetylmuraminsäure (MurNAc)-Monomeren. N-Acetylmuramin-säure ist ein Milchsäureether des N-Acetylglucosamins. Beide Monomere sind β-1,4-glykosidisch verknüp (¢Abb. 3.11). Diese Muropolysaccharidketten sind unverzweigt.An der Lactylgruppe des MurNAc sind Tetrapeptid-Einheiten mit für die Bakterienzell-wand charakteristischen Aminosäuren gebunden (L-Alanin, D-Glutaminsäure, m -Dia-minopimelinsäure und D-Alanin im Fall von Escherichia coli). Die benachbarten Pepti-doglykanketten werden über m-Diaminopimelinsäure und D-Alanin der Peptid-Seiten-kette miteinander verbunden. Durch die Quervernetzung werden die heteropolymerenKetten zu einem sackförmigen Riesenmolekül, demMurein-Sacculus, verknüp (¢Abb.3.11).

Der Schichtenauau der bakteriellen Zellwand entscheidet über die Anfärbbarkeit derBakterien nach Gram. Die Bakterien werden in diesem Verfahren mit dem basischenFarbstoff Kristallviolett angefärbt und anschließend mit einer Iod-Lösung behandelt.Werden danach die Zellen mit Alkohol behandelt, bleiben die grampositiven Bakterien(viel Murein) blau bzw. violett, die gramnegativen Bakterien (wenig Murein) werdenjedoch entfärbt. Dieses Färbeverhalten hat taxonomischen, für die Medizin aber auchdiagnostischen Wert.

Je nachdem, ob es sich um grampositive (gram+) oder gramnegative (gram-) Bakte-rien handelt, bestehen die bakteriellen Zellwände aus unterschiedlichen Anteilen einer

3.4 Die bakterielle Zellwand44

¢Abb. 3.10 Die Zellwände von Escherichia coli und Staphylococcus aureus. PS = PlastischeSchicht, CM = Cytoplasmamembran, SM = Stützmembran aus Murein, CP = Cytoplasma

Aufbau des Murein-Sacculus

Grampositiveund gramnegativeBakterien

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3.4 Die bakterielle Zellwand 45

¢Abb. 3.11 Einschichtiger Murein-Sacculus von Escherichia coli (Ausschnitt). N-Acetylgluco-samin (G oder GlcNAc) und N-Acetylmuraminsäure (M oder MurNAc) bilden »Holme«, diedurch Peptidbrücken quervernetzt sind.

3

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plastischen Schicht und des Mureins (¢Abb. 3.10), das seiner Funktion nach auch alsStützmembran bezeichnet wird. Die plastische Schicht kann Endotoxine enthalten (Kap.20.2), z.B. das Lipid A, das bei Lyse von Bakterien freigesetzt wird und Fieber oder inschweren Fällen einen anaphylaktischen Schock auslösen kann. Allgemein sind Lipo-proteine, Lipopolysaccharide, Proteine, Lipide, Polysaccharide und Teichonsäuren cha-rakteristisch für die plastische Schicht.

Q Q Praxisbeispiel: β-Lactam-AntibiotikaPenicilline und Cephalosporine sind β-Lactam-Antibiotika, die dadurch wirken, dass sie einenSchritt in der Synthese des Mureins hemmen. Bei gramnegativen Bakterien gelangen diese

Antibiotika jedoch kaum an die Stelle der Mureinsynthese und wirken deshalb hauptsächlich

bei grampositiven Bakterien. Penicillin und Cephalosporin wirken auf den letzten Schritt der

Mureinsynthese. In ihr wird ein D-Alanyl-D-alanin-Rest unter Spaltung der Peptidbindung mit

m-Diaminopimelinsäure verknüpft. Die Verknüpfung wird von einem Enzym, einer Transpep-

tidase, katalysiert. Die Transpeptidase kann zwischen dem zu verknüpfenden D-Alanyl-D-ala-

nin-Rest und Penicillin nicht unterscheiden, denn beide haben eine ähnliche Konformation.

Das Enzym wird in seinem aktiven Zentrum durch das Penicillin alkyliert und damit inaktiviert.

Damit kann die Synthese des Mureins nicht beendet werden, und das wachsende Bakterium

zerplatzt aufgrund seines hohen Innendrucks (5 – 20 bar). Penicilline und Cephalosporine

wirken nur auf wachsende Bakterienkulturen.

Die Mureinbiosynthese wird durch Penicilline und Cephalosporine inhibiert (pTab.20.3, siehe auch Praxisbeispiel). Einige Bakterien, die gegen Penicillin resistent sind,bilden ein Enzym, die Penicillinase (β-Lactamase). Dieses Enzym öffnet den β-Lactam-Ring der Penicilline. Die dabei gebildete Penicillo-Säure ist antibiotisch inaktiv, sodassdie Bakterien, die β-Lactamase bilden, gegen Penicillin resistent sind. Die β-Lactamase istein Enzym, dessen genetische Information außerhalb des Bakterienchromosoms aufeinem extrachromosomalen DNA-Abschnitt, einem sogenannten Plasmid, lokalisiertsein kann. Plasmide sind von Bakterien zu Bakterien übertragbar und damit auch ihreResistenz gegen Penicillin. Gene, die ihrem Träger eine Resistenz gegen Antibiotikaverleihen, können aber auch chromosomal codiert sein.

Häufig sind die Zellwände der Bakterien von Kapseln oder Schleimhüllen umgeben.Sie bestehen aus Polysacchariden oder auch Polypeptiden. Die Kapsel- und Schleim-bildung ist kein Artmerkmal, da von einer Spezies sowohl kapselbildende als auchkapselfreie Stämme existieren können. Allerdings können solche Hüllen bei manchenBakterien die Virulenz erhöhen, da sie die Bakterien schwer angreiar machen.

Bakterien lösen im Säugetierorganismus eine Immunantwort aus. Sie stimulieren dieBildung von Antikörpern. Die auslösenden Faktoren für die Immunantwort heißenAntigene. Sie können Bestandteil unterschiedlicher Oberflächenstrukturen sein (z.B.Lipopolysaccharide der plastischen Schicht). Sogenannte H-Antigene befinden sich aufden Geißeln beweglicher Bakterien (Kap. 20.1). O-Antigene hingegen sind die Antigeneder Zelloberfläche selbst. O-Antigene können Strukturelemente von Fimbrien oder Pilisein (¢Abb. 1.1). Beides sind Proteinfilamente, die zur Anheung von Bakterien aufEukaryotenzellen dienen (Fimbrien) oder an parasexuellen Prozessen beteiligt sind (Pili;siehe auch ¢Abb. 4.4).

3.4 Die bakterielle Zellwand46

Antibiotikaresistenz

Bakterielle Antigene

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Q QMerkeDas Stützgerüst der Bakterienzellwand besteht aus Murein. Dieser Murein-Sacculus ist

bei grampositiven Bakterien stark, bei gramnegativen Bakterien schwach ausgebildet.

Daneben gibt es bei Bakterien eine plastische Schicht, die eine Reihe von Lipidstrukturen

enthält. Bei diesen ist insbesondere das Lipopolysaccharid (LPS) ein starkes Antigen.

Zusammenfassung Synopse

L Die pflanzliche Zellwand besteht hauptsächlich aus Pektinen (Primärwand) und Cellulose

(Sekundärwand)

L Die Zugfestigkeit pflanzlicher Zellwände beruht auf Fibrillen, die aus Cellulose bestehen; die

Druckfestigkeit wird durch Lignin, einer Inkruste, hervorgerufen

L Cutin, Suberin und kristalline Wachse sind Akkrusten, die insbesondere Diffusionsbarrieren

für Gase und Flüssigkeiten darstellen

L Die pilzliche Zellwand enthält Chitin

L Die tierische Zelle hat keine Zellwand, dafür eine Glykokalyx, die von großer physiologischer

Bedeutung ist

L Die bakterielle Zellwand enthält Murein als Stützmembran sowie zusätzlich verschiedene

lipidhaltige Substanzen, die teilweise starke Antigeneigenschaften haben

L Die Gram-Färbung bei Bakterien wird durch den Murein-Anteil der Zellwand verursacht

Weiterführende LiteraturCypionka H. Grundlagen der Mikrobiologie, 2. Aufl., Springer, Berlin 2003Czihak G, Langer H, Ziegler H. Biologie, 6. Aufl., Springer, Berlin 1996Frey-Wyssling A. Die pflanzliche Zellwand. Springer, Berlin 1959Gräfe U. Biochemie der Antibiotika. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1992Gross GG. 150 Jahre Ligninforschung – Zur Chemie, Biochemie und Biologie eines elementaren pflanzlichen

Naturstoffs. GIT Fachz Lab, 32: 518–526, 1988Nultsch W. Allgemeine Botanik, 11. Aufl., ieme, Stuttgart 2001Raven PH, Evert RF, Curtis H. Biologie der Pflanzen, 3. Aufl., de Gruyter, Berlin 2000Ruthman A, Hauser M. Praktikum der Cytologie. Teubner, Stuttgart 1979Schlegel HG. Allgemeine Mikrobiologie, 7. Aufl., ieme, Stuttgart 1992Seagull RW. Plant Cytoskeleton. Enyclopedia of Agricultural Science, 3: 241–257, 1994Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C. Strasburger - Lehrbuch der Botanik, 35. Aufl.,

Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002

3.4 Die bakterielle Zellwand 47

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33Niere und Harnwege

InhaltsvorschauDie Niere spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Elektrolyt- und Wasserhaushalts, des

Blutdrucks und des Säure-Basen Haushalts. Die Filterstrukturen an der Niere bestimmen

darüber, welche Substanzen aus dem Blut in den Primärharn gelangen. Bluteiweiße und

Blutzellen passieren die Filterstrukturen nur in verschwindend geringen Mengen. Viele für den

Körper wichtige Substanzen, z. B. Glucose, Aminosäuren, Elektrolyte und Wasser gelangen

zwar in den Primärharn, werden aber nach der Filtration mehr oder weniger vollständig zurück

ins Blut transportiert. Essentiell ist die Nierenfunktion für die Ausscheidung harnpflichtiger

Substanzen, die im Metabolismus entstehen oder als Fremdstoffe in den Körper aufgenommen

werden. Viele Arzneistoffe werden über die Niere aus dem Körper eliminiert. Deshalb kann bei

eingeschränkter Nierenfunktion eine Dosisanpassung erforderlich sein. Andererseits ist die

Niere Angriffspunkt diuretisch wirkender Pharmaka, die z.B. häufig bei Bluthochdruck zur

Anwendung kommen. Die Niere ist auch Bildungsort von Hormonen wie Calcitriol, das die

Ca2 +-Homöostase des Körpers beeinflusst oder Erythropoietin, das die Bildung roter Blut-

körperchen stimuliert.

33.1Aufbau der Niere und Harnwege

In der Niere wird der Primärharn als Ultrafiltrat des Blutes gebildet. Bei der Passagedurch die Nephrone der Niere werden durch zahlreiche Transportprozesse sowohlZusammensetzung als auch Volumen stark verändert. Die ableitenden Harnwege habenin erster Linie Transport- bzw. Speicherfunktion. Die perfekte Anpassung an dieseAufgaben zeigt sich in der makroskopischen und mikroskopischen Anatomie der ein-zelnen Abschnitte.

33.1.1Makroskopischer Aufbau der Niere

Nieren und entsprechend auch die Harnleiter sind paarig angelegt. Die Nieren haben einerelativ hohe Funktionsreserve, d.h. sollte aufgrund einer Erkrankung die operative Ent-fernung einer Niere notwendig sein, muss dies nicht zwangsläufig zu einer Einschrän-kung der Nierenfunktion führen.

Lage, Form und GrößeDie Nieren liegen unterhalb des Zwerchfells und haben bohnenförmige Gestalt. Diekonkave Krümmung weist zurWirbelsäule. An dieser Seite befindet sich die Nierenpforte(Hilus), die die Ein- bzw. Austrittsstelle für die Nierenarterie, die Nierenvene, Lymph-gefäße, Nerven und den Harnleiter (Ureter) darstellt. Die Länge einer Niere liegtzwischen 10 und 12 cm, das Gewicht zwischen 120 und 200 g. Zum Schutz sind dieNieren in Fettgewebe eingebettet.

33.1.1 Makroskopischer Aufbau der Niere 587

Aufgaben der Niere:Ausscheidungharnpflichtiger Sub-stanzen, Regulationvon Wasser- undElektrolythaushalt,Blutdruck sowieHormonproduktion

Nierenpforte = Hilus

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Struktur der NiereJede Niere ist in eine feste Kapsel aus Bindegewebe gehüllt (¢Abb. 33.1). Darunter liegendie Nierenrinde und das Nierenmark. Das Mark ist in 8–12 abgegrenzte pyramiden-förmige Lappen unterteilt. Diese verengen sich in Richtung zur Nierenpforte zu denPapillen. Hier wird der Harn von den Nierenkelchen aufgenommen und gelangt zumNierenbecken.

33.1.2 Aufbau des Nephrons

Das Nephron bildet die kleinste funktionelle Einheit der Niere und besteht aus Nieren-körperchen und Tubulusapparat. Jede Niere besitzt etwa 1 Million Nephrone.

Bau des NierenkörperchensDas Nierenkörperchen besteht aus dem Glomerulus und der Bowmankapsel. Der Glo-merulus ist ein Kapillarknäuel. Das zuführende Gefäß bezeichnet man als Vas afferens,das abführende als Vas efferens. Der Glomerulus wird von der aus Epithelzellen ge-bildeten Bowmankapsel umschlossen (¢Abb. 33.2). Aus den Glomeruluskapillaren wirdder Harn als Ultrafiltrat in den Raum der Bowmankapsel abgepresst und von dort in denTubulusapparat geleitet. Die Glomeruli sind in der Nierenrinde lokalisiert.

33.1 Aufbau der Niere und Harnwege588

¢Abb. 33.1: Längsschnitt durch eine Niere. Im oberen Teil der Abbildung ist zu erkennen, dassdie pyramidenförmigen Lappen im Mark eine feine Streifung aufweisen, die durch die hier langziehenden Nierentubuli zustande kommt. Die Glomeruli liegen in der Rinde. Die Region, an derdie Blutgefäße und der Harnleiter in die Niere münden, bezeichnet man als Nierenpforte oderHilus. Im unteren Teil der Abbildung ist zu erkennen, wie die Blutgefäße sich verästeln unddurch Mark und Rinde ziehen.

Rinde und Mark

Nephron: Nierenkör-perchen + Tubulus-apparat

Nierenkörperchen:Glomerulus + Bow-mankapsel

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33.1.2 Aufbau des Nephrons 589

¢Abb. 33.2: Schematische Darstellung eines Nephrons und der Blutgefäßversorgung. Derobere Teil der Abbildung zeigt das Nierenkörperchen mit Glomerulus und der umgebendenBowmankapsel sowie den Tubulusapparat mit den einzelnen charakteristischen Abschnitten.Der untere Teil zeigt die Blutversorgung. Jeder Glomerulus wird durch ein Vas afferensversorgt, das sich in die Glomeruluskapillaren aufspaltet. Diese laufen dann im Vas efferenswieder in einem Gefäß zusammen. An dieses schließt sich ein zweites Kapillarsystem an, dasperitubuläre Kapillarsystem, welches die Tubuli versorgt. Erst von dort erfolgt der Übergang indas venöse System (blau).

33

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Bau des TubulusapparatsAn den Glomerulus schließt sich der proximale Tubulus mit Pars convoluta und Parsrecta an (¢Abb. 33.2 oben). Der proximale Tubulus geht in die haarnadelförmige Henle-Schleife über, die das Verbindungsstück zum distalen Tubulus darstellt. Jeder Tubulusmündet in einem Sammelrohr, wobei ein Sammelrohr den Harn aus mehreren Tubuliaufnimmt. Das Tubulussystem zieht sich weit in das Nierenmark. Der frühdistaleTubulus jedes Nephrons hat eine Kontaktstelle zum Glomerulus desselben Nephrons,die als juxtaglomerulärer Apparat (¢Abb. 33.3 links) bezeichnet wird.

GefäßversorgungDie Niere wird über die Arteria renalis, die von der Aorta abzweigt, mit Blut versorgt. Inder Niere spaltet sich die A. renalis in immer kleiner werdende Arterien auf bis zu denafferenten Arteriolen, den Vasa afferentia. Jedes Vas afferens verzweigt sich zu Glome-ruluskapillaren, die im Vas efferens wieder zu einem Gefäß zusammentreten. Das Blut,das die Glomeruluskapillaren über die Vasa efferentia verlässt, gelangt in ein zweites, dasperitubuläre Kapillarsystem, über das die Nierentubuli und Sammelrohre versorgt wer-den (¢Abb. 33.2 unten). Im Bereich der Henle-Schleife verläu das peritubuläre Kapil-larsystem (Vasa recta) streng parallel zu den Tubuli (¢Abb. 33.2). Das venöse Blutverlässt die Niere über die Vena renalis.

33.1 Aufbau der Niere und Harnwege590

¢Abb. 33.3: Der linke Teil der Abbildung zeigt das Nierenkörperchen mit dem juxtaglome-rulären Apparat. Dieser kennzeichnet die Region, an der der distale Tubulus mit der Macula-densa-Region in Kontakt steht mit dem Vas afferens seines eigenen Nephrons. Die physio-logische Funktion besteht darin, dass in der Macula-densa-Region des distalen Tubulus dieNaCl Konzentration gemessen wird und in einem negativen Feedback-Mechanismus die GFRdes Nephrons geregelt wird. Ist die GFR hoch (hohe NaCl Konzentration distal), wird siegedrosselt und vice versa. Der rechte Teil der Abbildung zeigt schematisch die Filterstruktur mitEndothel, Basalmembran und den Podozyten der Epithelzellen der Bowmankapsel.

Tubulusapparat:proximaler Tubulus,Henle-Schleife,distaler Tubulus,Sammelrohr

Zwei hintereinandergeschaltete Kapillar-systeme: Glomeru-luskapillaren undperitubuläresKapillarsystem

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33.1.3Ableitende Harnwege

Die ableitenden Harnwege beginnen an den Nierenpapillen mit der Einmündung derSammelrohre in das Nierenbecken.

Harnleiter (Ureter)Die beiden Harnleiter ermöglichen den Abfluss des Harns aus dem Nierenbecken zurHarnblase. Peristaltische Kontraktionen der glatten Muskulatur befördern den Harn inRichtung Blase. Die Harnleiter münden auf der Rückseite der Harnblase. Die Eintritts-stellen der Harnleiter können durch Schleimhautfalten verschlossen werden, um einenRückfluss des Harns in die Ureter zu verhindern.

HarnblaseDie Harnblase ist ein Hohlorgan, dessen Wandschichten hauptsächlich aus glattenMuskelzellen bestehen. Zur Lage siehe Kap. 36.1 bei Fortpflanzungsorganen. An derAustrittsstelle der Harnröhre befinden sich ein aus glatter Muskulatur bestehender,innerer Schließmuskel und ein aus quergestreier Muskulatur bestehender äußererSchließmuskel. Der Beginn der Blasenentleerung (Miktion) kann willentlich gesteuertwerden, die weiteren Vorgänge laufen reflexartig ab (Miktionsreflex). Der Harndrangwird über den Füllungszustand der Blase reguliert, der über Dehnungsrezeptoren in derBlasenwand gemessen wird. Ab einem bestimmten Füllungsvolumen steigt die Frequenzder von den Dehnungsrezeptoren ausgehenden Aktionspotentiale so stark an, dassHarndrang ausgelöst wird. Die Blasenentleerung erfolgt aber erst wenn die zentralgesteuerte Hemmung des Miktionsreflexes aufgehoben wird.

Harnröhre (Urethra)Die Harnröhre ist beimMannmit ca. 20 cm erheblich länger als bei der Frau. BeimMannwird der obere Teil der Harnröhre von der Prostata umschlossen (¢Abb. 36.3). Hiermünden auch die Spritzkanälchen in die Urethra, die ab hier Transportweg für Ejakulatund Harn ist. Bei der Frau ist die Harnröhre nur etwa 5 cm lang.

Praxisbezug Q Q

Die Kürze der Harnröhre ist ein Grund dafür, warum Frauen wesentlich öfter als Männer unter

Infektionen der ableitenden Harnwege leiden, da das Eindringen von Keimen, besonders Darm-

bakterien, dadurch begünstigt wird.

Q QMerkeNieren sind paarig angelegte Organe, die sich in Rinde und Mark gliedern. Das Nephron

ist die kleinste funktionelle Einheit in der Niere, in der die Harnbildung stattfindet. Es

besteht aus Nierenkörperchen und Tubulusapparat. Der Harn aus mehreren Nephronen

gelangt in ein Sammelrohr und über die Papillen und Nierenkelche in das Nierenbecken.

Über den Harnleiter wird der Harn zur Blase transportiert, die ein Speicherreservoir

darstellt. Der Harn wird über die Harnröhre ausgeschieden.

33.1.3 Ableitende Harnwege 591

Blasenentleerung =Miktion

33