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Behandlung der Demenz
Vortrag für Pflegekräfte
Foto: ABDA Bildservice
Herausgeber:
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Autor: Apotheker Oliver Schwalbe
Stand: August 2009
1
Definition der Demenz
Verfall geistiger Leistungsfähigkeit
Störungen von Gedächtnis, Urteilsvermögen, Sprachfähigkeit,
Teilen der Persönlichkeit etc.
Vergesslichkeit alleine noch keine Demenz
Verlust der Alltagskompetenz wesentliche
Einschränkungen im täglichen Leben
Demenz aus dem Lateinischen:
de- steht für den Verfall, mens = Geist
2
Einteilung
Primäre Demenz (~ 90 %) Sekundäre Demenz (~ 10 %)
vaskulär gemischt
neurodegenerativ:• Alzheimer-Demenz (AD, ~ 60 %):
präsenil (< 65 J), familiär (~ 5-10 %)
senil (> 65 J), sporadisch (~ 90-95 %)
Prävalenz: ~ 1 Million Patienten
in Deutschland
nach Bickel, Gesundheitswesen 60: 211 (2000) und Hallauer et al., (2002)
Dem
enzk
rank
e [1
03]
0
50
100
150
200
250
300
1 2 3 4 5 6
Prävalenzrate, %
4035
3025
2015
105
00
5
10
15
20
25
30
35
40
65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 > 90 Alter [J] 3
Morbus Alzheimer
Mit 60 % die häufigste Demenz-Form
Ablagerung aus Eiweißbruchstücken im Gehirn
Acetylcholin zu wenig
Lern- und Erinnerungsstörungen
Glutamat zu viel
Nervenzellen überreizt, sterben ab
Diagnose nur durch Ausschlussverfahren
Alois Alzheimer
4
Frühe Anzeichen
Frühe Anzeichen für Alzheimer sind
Verwirrtheit
Störungen des Kurzzeitgedächtnisses
Probleme der Aufmerksamkeit und der räumlichen
Orientierung
Wesensveränderungen
Sprachstörungen
Unerklärliche Gemütsschwankungen
Nach Alzheimer-Forschungs-Initiative5
Der „typische“ Patient
mit einer Alzheimer-Demenz
... geht nicht aus eigenem Antrieb zum Arzt
... klagt nicht über die bestehende Vergesslichkeit
... erscheint ausweichend und abschweifend
... wirkt „normal“ und „auffällig unauffällig“
... ist ohne „Nachhaken“ nicht zu erkennen
Modifiziert nach Bedau S, Brenninghaus B, Gassenmeier V, Leo-Gröning I, Der Alzheimerpatient in der Apotheke6
Gedächtnissprechstunde
7
Gedächtnissprechstunde
Adressen von Gedächtnissprechstunden
(www.hirnliga.de Früherkennung)8
Therapieansätze1. Antidementiv: Antidementiva
2. Medikamentöse Behandlung der nicht kognitiven Symptome
3. Nicht medikamentös: Patientenbezogene TherapieansätzeUmgebungsbezogene Therapieansätze
www.pixelio.de, ABDA Bildservice9
Antidementiva (Nootropika)
Cholinesterase-Inhibitoren
NMDA-Rezeptorantagonist
weitere Antidementiva
Standardisierter Gingko biloba Extrakt nach DAB
Nicergolin
Dihydroergotoxin
Pyritinol
Nimodipin
Piracetam
Zulassung nach neuem AMG oder positive Begutachtung durch das BfArM
ABDA Bildservice10
Indikation: leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz
Donepezil (Aricept®, 1997)
Rivastigmin (Exelon®, 1998):
Galantamin (Reminyl®, 2001):
Cholinesterase-Inhibitoren
O
OH
OCH3
N
CH3
CH3
NCH3
CH3
O
O
N
CH3
CH3
NO
CH3
OCH3
O
Zusätzlich: Demenz bei ideopathischer Parkinson-Krankheit
11
Dosierungsschemata
Donepezil(Aricept®)
Rivastigmin(Exelon®)Kapseln
Pflaster
Galantamin(Reminyl®)
Erhaltungs-dosis
5 mg10 mg
6 mg9 mg
12 mg
16 mg24 mg
Initial-dosis
5 mg
3 mg
8 mg
Dosierungs-intervall
24 h 1 x tgl.0-0-0-1
12 h 2 x tgl.
1-0-1
24 h 1 x tgl.1-0-0
Hinweise
kurz vor dem Schlafengehen
einnehmen
zum Frühstück und Abendessen
auf saubere, trockene, unbehaarte, intakte
gesunde Haut im oberen oder unteren Rückenbereich,Oberarm oder Brustkorb
aufzukleben
zum Frühstück
4.6 mg/24 h 9.5 mg/24 h 24 h 1 x tgl.
12
Galantamin(n = 1040)
24 %
13 %
9 %
8 %
Nebenwirkungen
Cholinesterase-Inhibitoren: Ausgewählte unerwünschte Arzneimittelwirkungen aus Klinischen Studien
Übelkeit
Erbrechen
Diarrhö
Kopf-schmerzen
Donepezil(n = 747)
11 %
5 %
10 %
10 %
Rivastigmin(n = 1189)
47 %
31 %
19 %
17 %
Modifiziert nach DiPiro JT, et al. Pharmacotherapy – A Pathophysiological Approach, McGraw Hill Medical, 200513
AMK Meldung Aricept®
Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker01.11.2007
...
Bradykarde Herzrhythmustörung bei Einnahme von Aricept®
14
Technologie
Galantamin (Reminyl®) und Rivastigmin (Exelon®) sind auch
als Lösungen verfügbar
Aricept® Evess (Donepezil) Schmelztablette
„Die Schmelztablette sollte auf die Zunge gelegt werden und sollte
sich aufgelöst haben, bevor sie mit oder ohne Wasser, je nach
Wunsch des Patienten, geschluckt wird.“
Exelon® als transdermales Pflaster (Rivastigmin)
einmal tägliche Applikation (Stärken: 4.6 mg/24 und 9.5 mg/24 h)
15
Memantin
WM: NMDA-Antagonist
A. regelmäßige Einnahme
D. Initial: 1 x tgl. 5 mg morgens; wöchentliche Steigerung um 5 mg Erhaltungsdosis: max. 20 mg/d, 1 x täglich
H. Bei Ernährungsumstellung (z.B. normale Kost auf streng vegetarisch) Arzt informieren. Vor geplanter Narkose Unverträglichkeit von Memantin und Ketamin beachten
KI. schwere Niereninsuffizienz
NW. Halluzinationen, Verwirrtheitszustände, Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit
WW. z.B. mit Antazida, Ranitidin, Dextrometorphan, Amantadin
modifiziert nach www.hirsch-apotheke-wismar.de/Profile.html16
Handelspräparate: Axura®/Ebixa®
Ginkgo biloba
D.Bis 3 x täglich 40 bis 80 mg oder 2 x täglich 120 mg Trockenextrakt
H. mind. 8 Wochen anwenden; nach 12 Wochen prüfen, ob eine Fortsetzung der Therapie gerechtfertigt
IND. alle Demenzformen
WM. neuroprotektiv, Optimerung Funktionsfähigkeit Nerven, Verbesserung Fließeigenschaften des Blutes
modifiziert nach Framm J et al., Arzneimittelprofile, 2. Auflage, DAV, 2001
keine Aufdosierung nötig!
wichtige Handelspräparate: Tebonin® intens, Ginkobil® ratiopharm, Gingium® intens
17
Verhaltensstörungen
ca. 80 % der Alzheimer-Patienten entwickeln Verhaltensstörungen
Aggressivität, ängstlich-depressive und paranoide Symptomatik, Unruhe und Schlafstörungen
modifiziert nach Förstl H, Demenzen – Perspektiven in Praxis und Forschung, Elsevier, 2005
häufiger Grund für Einweisung in Pflegeheim
18
Verhaltensstörungen
Wahnvorstel-lungen, Halluzina-tionen
Depressive Symptome
Agitation, Unruhe, Schlaf-störungen
Neuro-leptika
+
--
(+)
Anti-depressiva
--
+
(+)
Tran-quilizer
--
(+)
(+)
Anti-dementiva
+
(+)
(+)
Carbama-zepin
(+)
(+)
+
[+ = geeignet, (+) = eingeschränkt geeignet, -- = nicht geeignet]
modifiziert nach Förstl H, Demenzen – Perspektiven in Praxis und Forschung, Elsevier, 2005
Neuro-leptika
Anti-depressiva
19
Benzodiazepine
Angstsymptome häufig bei Alzheimer-Demenz (Zittern, Muskelschmerzen, Unruhe, Herzrasen, Furcht, leichtes Erschrecken, Phobien etc.)
Problematik der Benzodiazepine: Abhängigkeit, Sedierung, Sturzgefahr Einsatz sorgfältig abwägen
Präparate:
Lorazepam 0.5-2 mg
Oxazepam 15-60 mg
www.pixelio.de20
WI. stärker sedierend, schwächer antipsychotisch
NW. Dyskinesien, Parkinsonoid, Akathisie, Müdigkeit
Neuroleptika 1
modifiziert nach Framm J et al., Arzneimittelprofile, 2. Auflage, DAV, 200121
WM. Antagonismus an Dopamin-Rezeptor im ZNS
Niedrig dosierte typische Neuroleptika sind Melperon (z.B. Eunerpan®) und Pipamperon (Dipiperon®)
WI. stark antipsychotisch, schwach sedierend
NW. Dyskinesien, Parkinsonoid, Akathisie, Müdigkeit
Neuroleptika 2
modifiziert nach Framm J et al., Arzneimittelprofile, 2. Auflage, DAV, 2001
H. antipsychotische Wirkung nach 1 bis 3 Wochenpsychomotorisch dämpfende Wirkung sofort!Bei Dyskinesie (bes. Kiefer und Gesicht) Arzt informieren
22
WM. Antagonismus an Dopamin-Rezeptor im ZNS
Ein hoch potentes, typisches Neuroleptikum ist Haloperidol (z.B. Haldol® Janssen).
WM. Antagonismus an Dopamin-Rezeptoren im ZNS
NW. Schlaflosigkeit, Angstzustände, Kopfschmerzen, extrapyramidale Störungen, Gewichtzunahme
Atypisches Neuroleptikum Risperidon (Risperdal®)
modifiziert nach Framm J et al., Arzneimittelprofile, 2. Auflage, DAV, 2001
H. Lösung nicht mit schwarzem oder grünem Tee einnehmen
CAVE Inzidenz von Schlaganfällen (auch mit Todesfolge) Vorsicht bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen Anzeichen Schlaganfall:
Halbseitenlähmung, Taubheit im Gesicht, Armen und Beinen, Sprach- und Sehstörungen
unverzüglich Arzt aufsuchen!
23
WI. sedierend, dämpfend antipsychotisch
Antidepressiva
depressive Störungen bei ca. 35 % der Patienten
trizyklische Antidepressiva (z.B. Saroten®) eher ungeeignet ( Kognition, orthostatische Hypotonie, Kardiotoxizität)
besser bei Alzheimer-Patienten:
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI):
Citalopram (Cipramil®), Fluoxetin (Fluctin®), Fluvoxamin, (z.B. Fluvoxamin Stada), Paroxetin (Paroxat®), Sertralin (Zoloft®)
sonstige moderne Antidepressiva:
z.B. Mirtazapin (Remergil®) und Venlafaxin (Trevilor®)
24
SSRI
A. 1 x tgl. morgens o. abends
D. 50 mg/d; max. 200 mg/d
H. Optimale antidepressive Wirkung nach 2-4 Wochen
NW. (h): M/D-Beschwerden (Brechreiz, Durchfall), zentralnervöse Störungen (Tremor, Schwindel, Schlaflosigkeit), Appetitlosigkeit, Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Sexualstörungen
WW. Johanniskraut , MAO-Hemmer (tödlich verlaufende WW mgl.)
modifiziert nach Framm J et al., Arzneimittelprofile, 2. Auflage, DAV, 200125
z.B. Sertralin (Zoloft®)
Nicht-medikamentöse Verfahren
Angehörigentrainings/Pflegetrainings„… gibt es Hinweise dafür, dass durch das Angehörigentraining die Unterbringung der Patienten in einem Pflegeheim hinausgezögert wird.“ IQWIG 2009
Emotionsorientierte Verfahren (z.B. biographieorientierte Erinnerungstherapie)
Kognitive Übungsverfahren„ … Für die im Bericht untersuchten kognitiven Übungsverfahren liegen Hinweise für einen Nutzen auf die kognitive Leistungsfähigkeit vor.“ IQWIG 2009
IQWIG – Nichtmedikamentöse Behandlung der Alzheimer-Demenz, Abschlussbericht, 200926