Berlin – von der geteilten Stadt zur...

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160 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte Berlin – von der geteilten Stadt zur Bundeshauptstadt Bärbel Leupolt Nach den Londoner Abkommen von 1944/45 und dem Potsdamer Abkom- men von 1945 wurde Groß-Berlin zu ei- nem besonderen Besatzungsgebiet in- nerhalb Deutschlands erklärt, das in vier Sektoren aufgeteilt von den Sieger- mächten des Zweiten Weltkrieges ge- meinsam verwaltet werden sollte . In der Realität fand eine zunehmende Spaltung der Stadt entlang der Grenze des sowjetischen Sektors zu den drei Sektoren der Westalliierten USA, ren Citybereiche der Gesamtstadt. Es wurde nach erheblichen Kriegszerstö- rungen und umfangreichen Abrissmaß- nahmen (z.B. Schloss, mittelalterlicher Kern) entsprechend den gesellschaftlich vorgegebenen Prinzipien des Sozialis- mus zur Hauptstadt der DDR umgestal- tet. Hierbei fanden großräumige Neube- bauungen mit überbreiten Magistralen und undefinierten Freiräumen statt, z.B. um den Alexanderplatz und die Spre- einsel, wobei die Funktionsvielfalt mit Verwaltung, Kultur, Wissenschaft, Ver- kehr und Handel durch die Komponen- te Wohnen beträchtlich erhöht wurde (mitte). Im Westteil der Stadt entwickelte sich nach 1961 ein eigenes Zentrum. Das in den 1920er Jahren herausgeho- bene Vergnügungs-, Gastronomie- und Hotellerieareal um den Breitscheid- Platz mit angrenzenden Straßenzügen mehrerer Berliner Bezirke (Charlotten- burg, Schöneberg, Tiergarten, Wilmers- dorf) wurde zur City-West. Hier kon- zentrierten sich in der Folgezeit hoch- rangige Verkehrs-, Handels-, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen. Im Krieg stark zerstört und danach vom Abriss betroffen, nahm die Neubebau- ung zwar historische Grundzüge auf, folgte im Aufriss jedoch Gestaltungs- mustern der europäischen Moderne. Im Grundmuster der Innenstadt zeig- ten sich am Ende der Teilung der Stadt 1989 nicht nur die innerstädtische Peri- pherie beiderseits der Mauer, der Ver- lust der Stadtmitte und die Etablierung zweier autonomer Zentrenbereiche, son- dern auch die durch die Systemkonkur- renz bedingten massiven Eingriffe in die Teilstadtstrukturen in Gestalt z.T. flä- chenhafter Abrisse historischer Areale, der Zerstörung des alten Straßen- und Platzgefüges, der Doppelausprägung von Elementen (z.B. Opern, Universitäten, Tiergärten etc.) sowie der oft bruch- stückhaft wirkenden Neubebauung vie- ler Bereiche mit wenig Bezug auf den historischen Stadtgrundriss, aber deutli- cher Orientierung an den unterschiedli- chen gesellschaftlichen Leitbildern (oben u. mitte). Der Fall der Mauer 1989 So abrupt wie die Berliner Mauer ge- schaffen wurde, fiel sie in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 nach mehr als einem Vierteljahrhundert. Das Brandenburger Tor wurde am 22.12.1989 wieder geöffnet. Am 1.7.1990 wurden sämtliche Personen- und Zollkontrollen in Berlin eingestellt. Am 5.7.1990 wurde der Abriss der in- nerstädtischen Mauer bis zum 31.12.1990 und der Grenzanlagen zum westlichen Umland bis zum 31.12.1991 beschlossen. Großbritannien und Frankreich statt. Sie war Ausdruck der zwischen den Sie- germächten schnell zutage tretenden unüberbrückbaren politischen, ökono- mischen und militärischen Differenzen über die weitere Entwicklung Berlins. Dies zeigte sich u.a. in der Auslegung der Statusfrage. Der Sonderstatus Ber- lins schloss seine Zugehörigkeit zur im Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland ebenso aus wie zur im Ok- tober 1949 ausgerufenen Deutschen De- mokratischen Republik. Der Westteil Berlins war bis 1990 Bundesland der Bundesrepublik Deutschland mit alliier- ten Vorbehalten, die Haupstadt wurde Bonn. Der Ostteil dagegen übte – trotz Widerstands und Nichtanerkennung durch die Westalliierten und die BRD – bereits seit 1949 de facto die Haupt- stadtfunktion für die DDR aus. Bau der Mauer 1961 Der Bau der Berliner Mauer durch die DDR ab dem 13. August 1961 bildete den Kulminationspunkt der Auseinan- dersetzung um die Zukunft der Stadt. Er bedeutete einen ungeheuerlichen Ein- griff in den Stadtkörper. Entlang der Sektorengrenze zwischen dem sowjeti- schen Sektor und den westalliierten Sektoren entstanden abrupt und unü- berwindbar umfangreiche Grenzanla- gen, die Berlin in zwei Teile brachen und den Westteil zur „ummauerten In- sel“ in der DDR machten. Konnte vorher die Sektorengrenze an 81 Stellen überquert werden, blieben jetzt insge- samt 12 Grenzübergangsstellen von Ber- lin (West) nach Berlin (Ost) bzw. in die DDR, inkl. der drei Transitkorridore . Die so geteilte Stadt, in der sich auf der Ostseite 1,07 Mio. Einwohner auf einer Fläche von 403 km² wiederfanden und auf der Westseite 2,2 Mio. Menschen auf 481 km² „eingesperrt“ wurden (STAT. LA BERLIN 1999, S.31), avancierte end- gültig zum Brennpunkt der Auseinan- dersetzungen der beiden weltpolitischen und militärischen Machtblöcke. Berlin erlebte in den nächsten fast drei Jahr- zehnten eine bewusst getrennte Entwick- lung in zwei unterschiedlichen Gesell- schaftssystemen – mit erheblichen sach- lichen und räumlichen Folgen für beide Teile und die Gesamtstadt. Besonders betroffen war die Innenstadt. Der Verlust der historischen Mitte Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die Innenstadt Berlins, in der sich hochrangige City- und Hauptstadtfunk- tionen konzentriert hatten, weitgehend flächenhaft zerstört (oben). Infolge der Festlegung der Sektorengrenzen be- fand sich der Stadtbezirk Mitte im sow- jetisch kontrollierten Sektor, während Tiergarten und Charlottenburg zum bri- tischen, Kreuzberg zum amerikanischen und Wedding zum französischen Ein- flussgebiet gehörten . Mit dem Mau- erbau 1961 entstand eine dominante in- nerstädtische Grenze, die noch vorhan- dene urbane Strukturen und Vernetzun- gen zerriss und umfangreiche Flächen beanspruchte. Im Westteil wurde an die Mauer angrenzender Raum für eine In- wertsetzung zumeist uninteressant, was umfangreiche Strukturschwächen be- wirkte. Im Ostteil entstanden zusätzli- che Brachflächen entlang der Mauer, da ein unstillbarer staatlicher Sicherheits- bedarf dies vorgab. Die sich herausbil- dende innerstädtische Peripherie hin- terließ einen weiteren tiefen Einschnitt in der Struktur der Innenstadt: den un- wiederbringlichen Verlust der gewach- senen Mitte (mitte) . Entstehung eigener Zentren in Ost und West Durch die Teilung entstanden zwei au- tonome Zentrenbereiche im Osten und im Westen der Stadt, die in der jeweili- gen Stadthälfte identitätsstiftend wirk- ten. Das Zentrum-Ost entwickelte sich im Stadtbezirk Mitte auf dem Gebiet der historischen Altstadt bzw. der frühe-

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160Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte

Berlin – von der geteilten Stadt zur BundeshauptstadtBärbel Leupolt

Nach den Londoner Abkommen von1944/45 und dem Potsdamer Abkom-men von 1945 wurde Groß-Berlin zu ei-nem besonderen Besatzungsgebiet in-nerhalb Deutschlands erklärt, das invier Sektoren aufgeteilt von den Sieger-mächten des Zweiten Weltkrieges ge-meinsam verwaltet werden sollte �. Inder Realität fand eine zunehmendeSpaltung der Stadt entlang der Grenzedes sowjetischen Sektors zu den dreiSektoren der Westalliierten USA,

ren Citybereiche der Gesamtstadt. Eswurde nach erheblichen Kriegszerstö-rungen und umfangreichen Abrissmaß-nahmen (z.B. Schloss, mittelalterlicherKern) entsprechend den gesellschaftlichvorgegebenen Prinzipien des Sozialis-mus zur Hauptstadt der DDR umgestal-tet. Hierbei fanden großräumige Neube-bauungen mit überbreiten Magistralenund undefinierten Freiräumen statt, z.B.um den Alexanderplatz und die Spre-einsel, wobei die Funktionsvielfalt mitVerwaltung, Kultur, Wissenschaft, Ver-kehr und Handel durch die Komponen-te Wohnen beträchtlich erhöht wurde� (mitte).

Im Westteil der Stadt entwickeltesich nach 1961 ein eigenes Zentrum.Das in den 1920er Jahren herausgeho-bene Vergnügungs-, Gastronomie- undHotellerieareal um den Breitscheid-Platz mit angrenzenden Straßenzügenmehrerer Berliner Bezirke (Charlotten-burg, Schöneberg, Tiergarten, Wilmers-dorf) wurde zur City-West. Hier kon-zentrierten sich in der Folgezeit hoch-rangige Verkehrs-, Handels-, Kultur-und Wissenschaftseinrichtungen. ImKrieg stark zerstört und danach vomAbriss betroffen, nahm die Neubebau-ung zwar historische Grundzüge auf,folgte im Aufriss jedoch Gestaltungs-mustern der europäischen Moderne.

Im Grundmuster der Innenstadt zeig-ten sich am Ende der Teilung der Stadt1989 nicht nur die innerstädtische Peri-pherie beiderseits der Mauer, der Ver-lust der Stadtmitte und die Etablierungzweier autonomer Zentrenbereiche, son-dern auch die durch die Systemkonkur-renz bedingten massiven Eingriffe in dieTeilstadtstrukturen in Gestalt z.T. flä-chenhafter Abrisse historischer Areale,der Zerstörung des alten Straßen- undPlatzgefüges, der Doppelausprägung vonElementen (z.B. Opern, Universitäten,Tiergärten etc.) sowie der oft bruch-stückhaft wirkenden Neubebauung vie-ler Bereiche mit wenig Bezug auf denhistorischen Stadtgrundriss, aber deutli-cher Orientierung an den unterschiedli-chen gesellschaftlichen Leitbildern �(oben u. mitte).

Der Fall der Mauer 1989So abrupt wie die Berliner Mauer ge-schaffen wurde, fiel sie in der Nachtvom 9. zum 10. November 1989 nachmehr als einem Vierteljahrhundert. DasBrandenburger Tor wurde am22.12.1989 wieder geöffnet. Am1.7.1990 wurden sämtliche Personen-und Zollkontrollen in Berlin eingestellt.Am 5.7.1990 wurde der Abriss der in-nerstädtischen Mauer bis zum31.12.1990 und der Grenzanlagen zumwestlichen Umland bis zum 31.12.1991beschlossen.

Großbritannien und Frankreich statt.Sie war Ausdruck der zwischen den Sie-germächten schnell zutage tretendenunüberbrückbaren politischen, ökono-mischen und militärischen Differenzenüber die weitere Entwicklung Berlins.Dies zeigte sich u.a. in der Auslegungder Statusfrage. Der Sonderstatus Ber-lins schloss seine Zugehörigkeit zur imMai 1949 gegründeten BundesrepublikDeutschland ebenso aus wie zur im Ok-tober 1949 ausgerufenen Deutschen De-mokratischen Republik. Der WestteilBerlins war bis 1990 Bundesland derBundesrepublik Deutschland mit alliier-ten Vorbehalten, die Haupstadt wurdeBonn. Der Ostteil dagegen übte – trotzWiderstands und Nichtanerkennungdurch die Westalliierten und die BRD –bereits seit 1949 de facto die Haupt-stadtfunktion für die DDR aus.

Bau der Mauer 1961Der Bau der � Berliner Mauer durch dieDDR ab dem 13. August 1961 bildeteden Kulminationspunkt der Auseinan-dersetzung um die Zukunft der Stadt. Erbedeutete einen ungeheuerlichen Ein-griff in den Stadtkörper. Entlang derSektorengrenze zwischen dem sowjeti-schen Sektor und den westalliierten

Sektoren entstanden abrupt und unü-berwindbar umfangreiche Grenzanla-gen, die Berlin in zwei Teile brachenund den Westteil zur „ummauerten In-sel“ in der DDR machten. Konntevorher die Sektorengrenze an 81 Stellenüberquert werden, blieben jetzt insge-samt 12 Grenzübergangsstellen von Ber-lin (West) nach Berlin (Ost) bzw. in dieDDR, inkl. der drei Transitkorridore �.Die so geteilte Stadt, in der sich auf derOstseite 1,07 Mio. Einwohner auf einerFläche von 403 km² wiederfanden undauf der Westseite 2,2 Mio. Menschenauf 481 km² „eingesperrt“ wurden (STAT.LA BERLIN 1999, S.31), avancierte end-gültig zum Brennpunkt der Auseinan-dersetzungen der beiden weltpolitischenund militärischen Machtblöcke. Berlinerlebte in den nächsten fast drei Jahr-zehnten eine bewusst getrennte Entwick-lung in zwei unterschiedlichen Gesell-schaftssystemen – mit erheblichen sach-lichen und räumlichen Folgen für beideTeile und die Gesamtstadt. Besondersbetroffen war die � Innenstadt.

Der Verlust der historischenMitteNach Ende des Zweiten Weltkrieges wardie Innenstadt Berlins, in der sichhochrangige City- und Hauptstadtfunk-tionen konzentriert hatten, weitgehendflächenhaft zerstört � (oben). Infolgeder Festlegung der Sektorengrenzen be-fand sich der Stadtbezirk Mitte im sow-jetisch kontrollierten Sektor, währendTiergarten und Charlottenburg zum bri-tischen, Kreuzberg zum amerikanischenund Wedding zum französischen Ein-flussgebiet gehörten �. Mit dem Mau-erbau 1961 entstand eine dominante in-nerstädtische Grenze, die noch vorhan-dene urbane Strukturen und Vernetzun-gen zerriss und umfangreiche Flächenbeanspruchte. Im Westteil wurde an dieMauer angrenzender Raum für eine In-wertsetzung zumeist uninteressant, wasumfangreiche Strukturschwächen be-wirkte. Im Ostteil entstanden zusätzli-che Brachflächen entlang der Mauer, daein unstillbarer staatlicher Sicherheits-bedarf dies vorgab. Die sich herausbil-dende innerstädtische Peripherie hin-terließ einen weiteren tiefen Einschnittin der Struktur der Innenstadt: den un-wiederbringlichen Verlust der gewach-senen Mitte � (mitte) �.

Entstehung eigener Zentren inOst und WestDurch die Teilung entstanden zwei au-tonome Zentrenbereiche im Osten undim Westen der Stadt, die in der jeweili-gen Stadthälfte identitätsstiftend wirk-ten. Das Zentrum-Ost entwickelte sichim Stadtbezirk Mitte auf dem Gebietder historischen Altstadt bzw. der frühe-

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161Berlin – von der geteilten Stadt zur Bundeshauptstadt

Berlin wird neue HauptstadtDie Wiedervereinigung Deutschlandsam 3. Oktober 1990 war für Berlin inzweifacher Hinsicht bedeutsam: Nachmehr als 40 Jahren konnte es wieder zueiner Stadt werden, und es bekam mitdem Einigungsvertrag eine neue Chanceals Hauptstadt. Durch die Abstim-mungsentscheidung im Deutschen Bun-destag am 20.6.1991 erhielt es zugleichden Auftrag als Regierungssitz(�� Beitrag Bode, Bd. 1, S. 21).

Im Bonn/Berlin-Gesetz von 1994wurde festgelegt, dass 11 Bundesminis-terien bzw. Ämter bis 2000 von Bonnnach Berlin verlagert werden und die inBonn verbleibenden 6 Ministerien ei-nen zweiten Dienstsitz in der Bundes-hauptstadt erhalten sollten (gleichesgilt umgekehrt für Bonn). Seitdem ha-ben viele der Ministerien und Ämtersowie der Bundespräsident, das Bundes-präsidialamt, der Deutsche Bundestag,der Deutsche Bundesrat, der �

Berliner MauerMassive Grenzanlage, die von der DDRab dem 13. August 1961 in einer Ge-samtlänge von 155 km entlang derGrenze zu den Westsektoren Berlins(43,1 km) und zur DDR (111,9 km) er-richtet wurde. Sie bestand aus einer ca.4 m hohen Betonplattenwand (106 km)bzw. einem 3-4 m hohen Metallgitter-zaun (67 km) an der Sektorensektor-grenze zu Berlin (West) und einem Kon-taktzaun (127 km) bzw. einer Betonmau-er auf Seiten der DDR bzw. von Berlin(Ost). Dazwischen befanden sich Kon-trollstreifen, Kfz-Gräben (105 km), 6-7 mbreite Kolonnenwege (124 km), Hunde-laufanlagen (260), Beobachtungstürmeund Signalgeräteareale. Von der Grenzewurden Wohngebiete (37 km), Industrie-areale (17 km), Waldgebiete (30 km) so-wie Wasserflächen (24 km) durchtrennt.Acht S- und vier U-Bahnlinien wurdenunterbrochen. Alle 48 über den sowjeti-schen Sektor hinausgehenden S-Bahn-und 33 U-Bahnstationen wurden ge-sperrt bzw. 13 völlig geschlossen. Alleinauf dem Bahnhof Friedrichstraße bliebfür Ausländer und Bundesbürger einSonderbahnsteig. An der Grenze wurden193 Haupt- und Nebenstraßen aus Berlin(West) funktionslos (PRESSE- UND INFORMATI-ONSAMT DES LANDES BERLIN 1996).

InnenstadtAls Innenstadt Berlins gilt das dicht be-siedelte Gebiet innerhalb des S-Bahnrin-ges. In diesem Atlasbeitrag wird lediglichein zentraler Ausschnitt der Innenstadtzwischen der City-West und dem Zen-trum-Ost betrachtet.

Historisches ZentrumIn aktuellen Arbeiten der Senatsverwal-tung für Stadtentwicklung Berlin wirdnicht das Zentrum-Ost als Raumkatego-rie genutzt, sondern das historische Zen-trum, das das Areal innerhalb der letztenBerliner Stadtmauer (bis 1868) umfasst.

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162Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte

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Bundeskanzler und das Bundeskanzler-amt, die Vertretungen der Bundesländerund die Parteizentralen ihre Standortein Berlin eingenommen �. Der Stadtist dadurch ein interessantes Zukunfts-potenzial zugewachsen, das gewinnbrin-gend in einen Neubeginn investiertwurde und in einen rasanten Struktur-wandel in allen Daseinsbereichen dermit fast 3,4 Mio. Einwohnern auf89.022 ha Fläche größten Stadt derBundesrepublik mündet (STAT. LA BER-LIN 1999).

Die Gestaltung einer neuenStadtmitteDie Hauptstadt kann und muss um dieWende vom 20. zum 21. Jh. ihre Stadt-mitte neu gestalten. Vor diesem Hinter-grund wurde ein zusammenhängendesInnenstadtkonzept erarbeitet, „das diebeiden über Jahrzehnte getrenntenStadtzentren in ihrer Entwicklungzueinander in Beziehung setzt und ver-bindet, ihre Anlagen und Identitätenunterstützt und weiterentwickelt sowieihre gemeinsame Geschichte und Zu-kunft wieder erlebbar werden lässt“ (SE-NATSVERWALTUNG 1999, S.17). Die aufge-nommenen städtebaulichen Leitbilder,mit denen innerstädtische Reintegrati-on und Reurbanisierung gelingen sol-len, sind: die „kritische Rekonstrukti-on“ (Grundsatz: Ausbildung einer diffe-renzierten, zeitgenössischen Stadtstruk-tur, die sich an historischen Schichtenund Maßstäblichkeiten sowie am Prin-zip der Nutzungsvielfalt orientiert, z.B.Areale der barocken Friedrich- und Do-rotheenstadt) und die „europäischeStadt“ (Grundsatz: strikte Trennung deröffentlichen Straßen, Plätze und Park-anlagen von privaten Flächen, z.B. beineu zu bebauenden, weitgehend freige-räumten Arealen im Bereich der frühe-ren Mauer am Potsdamer Platz, imSpreebogen, aber auch am Alexander-platz, auf der Spreeinsel u.a.) (SÜß / RYT-LEWSKI 1999). Die Vision einer neuenStadtmitte verwirklicht sich über einedie innerstädtische Peripherie überwin-dende Struktur – ein Cityband – das dasZentrum-Ost bzw. das � historische Zen-trum und die City-West verbindet. Zweiintegrierende Areale sind deutlich er-kennbar: der Potsdamer Platz/LeipzigerPlatz als ein neues Zentrum in der poly-zentrischen Stadtstruktur und das Parla-ments- und Regierungsviertel im Spree-bogen mit den angrenzenden Bereichen� (unten) �.

Die Integration der Hauptstadt-funktionenFür die Einordnung der Hauptstadtfunk-tionen in den Stadtkörper wurde vonBeginn an die Innenstadt bevorzugt –traditionsverpflichtet, aber auch sym-bolträchtig vermittelt durch zwei Bau-werke mit wechselvoller Geschichteund emotionaler Ansprache: das Bran-denburger Tor und das Reichstagsgebäu-de. Die prekäre Ausgangslage der geteil-ten Mitte � macht die historisch ein-malige Situation und die Größe der He-rausforderung für die Stadt – besonders

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163Berlin – von der geteilten Stadt zur Bundeshauptstadt

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in dem gegebenen zeitlich und finanzi-ell engen Rahmen – deutlich.

Den neuen städtebaulichen Leitbil-dern für die gesamte Innenstadt bzw. dieGesamtstadt folgend wurden dreiSchwerpunkträume für die Neuerrich-tung und den Um- bzw. Ausbau vonParlaments- und Regierungsbauten aus-gewiesen: das Gebiet des Spreebogensum den Reichstag, die Spreeinsel mitangrenzenden Arealen in der histori-schen Mitte und der Bereich um Wil-helmstraße und Leipziger Straße �(unten). Damit soll ein Kompromisszwischen historisch Gegebenem undIdentitätsstiftendem einerseits und aufdie Zukunft Orientiertem andererseitsgefunden werden, der der Maßgabe derEntwicklung von Funktionsvielfalt und-mischung entspricht. Die Wahl histori-scher Standorte im Zentrum bzw. amRande des historischen Zentrums garan-tiert die Einbettung in die vielfältigexistierenden oder entwicklungsfähigenFunktionsbereiche von Bildung, Kultur,Information, Versorgung, Arbeit, Woh-nen, Erholung etc.

Mit den Grundoptionen von kurzenWegen, Überschaubarkeit des Areals,guter Infrastrukturanbindung etc. bietensich komfortable Bedingungen für einezukunftsorientierte Ausübung haupt-städtischer Funktionen vor allem imvöllig neu gestalteten Bereich desSpreebogens um den Reichstag. DieSymbolik der hier errichteten Regie-rungs- und Parlamentsbauten liegt inihrer beide früheren Teile Berlins inte-grierenden Anlage. Ein 100 m breitesund 1,5 km langes „Band des Bundes“verbindet – über den ehemaligenGrenzstreifen hinweg – diesen zentraleninnerstädtischen Raum vom Bundes-kanzleramt im Westen bis zu den Parla-mentsbauten im Osten �. Das nachEntwürfen von Sir Norman Foster um-gebaute und mit einer Glaskuppel ver-sehene Reichstagsgebäude, der im Auf-bau befindliche neue Hauptbahnhof amLehrter Bahnhof, die Wohnanlage Moa-biter Werder sowie die Park- und dienahen Hafenanlagen an der Spree run-den den beachtenswerten Gesamtein-druck ab. Mit der Etablierung politi-scher Entscheidungskompetenzen in derneuen Hauptstadt zeigen sich deutlicheAnzeichen einer Sogwirkung auf Diplo-matie, Verbände, Medienpräsenz, Wirt-schaft und Kultur, deren bevorzugterStandort die Innenstadt ist.

AusblickDas Entwicklungsszenario der Innen-stadt Berlins deutet die schrittweise Ge-staltung des Zentrums einer neuen Me-tropole Berlin an, die auf dem Weg ist,auf regionaler, nationaler und internati-onaler Ebene ihre Position neu zu be-stimmen, auszugestalten und nach inno-vativen Vernetzungen zu suchen.�