Chinas Internet – Ein weißer Riese wird porentief rein? - THINK!DESK CHINA STANDPUNKT Nr. 11

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THINK!DESK „China Standpunkt“ Nr. 11 Chinas Internet – Ein weißer Riese wird porentief rein? Ein Aufschrei geht um die Welt: Google zen- siert seine Sucheinträge in China, nachdem die ehemals „alternative“ Suchmaschine nun vor Ort unter der Domain google.cn auftritt. Die inzwischen über 110 Millionen Nutzer des Internets in China bekommen also nur gefil- terte Suchergebnisse, die der Vorstellung der chinesischen Regierung von einem „gesun- den“ Internet entsprechen. Denn dass im Internet nicht jegliche Art von Inhalten in Chi- na verbreitet werden darf, das wurde bereits in den ersten Regularien 1996 festgehalten (damals wurde der Begriff „Internet“ im Chi- nesischen noch gar nicht verwendet, sondern es wurde lediglich von „vernetzten Compu- tern“ gesprochen). Und warum sollte auch das Internet frei von Zensur sein, wenn nahe- zu die komplette Presse in China nicht alles drucken darf, was sie will? Der Aufwand, sein Internet „sauber“ zu halten, ist für China riesig und weltweit einmalig. Es mag erstaunen, wie „rein“ der weiße Riese Internet für den normalen Nutzer in China tatsächlich ist. Doch es sei erlaubt zu fragen: Warum die ganze Aufregung und warum erst jetzt? Ist es nicht heuchlerisch ein Thema, das schon seit zehn Jahren aktuell ist, plötzlich derart aufzubauschen, nur weil der „Internet-Robin Hood“ Google genau das gleiche macht, was tausende von Firmen zur Zeit planen und umsetzen, nämlich nach China zu gehen? Grundsätzlich wurden schon immer (außer in den frühesten Anfangsjahren) alle Internetin- halte in China gefiltert – vor allem auch dieje- nigen, die auf ausländischen Servern ruhen. Da alle Internetverbindungen in das Ausland letztendlich über die staatliche China Tele- com verlaufen, können Filter relativ einfach und zuverlässig eingesetzt werden. Für die Kontrolle der Inhalte auf inländischen Servern ist neben technischen Filtern eine Internetpo- lizei von mehreren Tausend Polizisten zu- ständig, die das gesamte chinesische Internet inklusive der mehr oder weniger einschlägi- gen Foren nach kritischen Inhalten absurft. Eine derartige Polizei wurde bereits vor sechs Jahren erstmals in der Provinz Anhui einge- setzt. Gleichzeitig wurden aber auch Gesetze und Verordnungen derart geschaffen, dass „unsaubere“ Inhalte gar nicht erst in das In- ternet gelangen können. So dürfen z.B. nur solche Nachrichten im Internet erscheinen, die ohnehin schon von den staatlichen Nach- richtenorganen, sei es in einer Zeitung oder auf einer Website, publiziert wurden. Nach- richtenwebsites mit eigenen, unabhängig verfassten Nachrichten sind verboten. Und seit dem 26. März 2002 ist sowieso dafür gesorgt, dass auch vor allem alle großen An- bieter von Websites das richtige „Waschmit- tel“ konsequent einsetzen: An diesem Tag gehörten in der „Großen Halle des Volkes“ in 16.02.2006

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Ein Aufschrei geht um die Welt: Google zen-siert seine Sucheinträge in China, nachdem die ehemals „alternative“ Suchmaschine nun vor Ort unter der Domain google.cn auftritt. Die inzwischen über 110 Millionen Nutzer des Internets in China bekommen also nur gefilterte Suchergebnisse, die der Vorstellung der chinesischen Regierung von einem „gesunden“ Internet entsprechen. Denn dass im Internet nicht jegliche Art von Inhalten in China verbreitet werden darf, das wurde bereits in den ersten Regularien 1996 festgehalten (damals wurde der Begriff „Internet“ im Chinesischen noch gar nicht verwendet, sondern es wurde lediglich von „vernetzten Computern“ gesprochen). Und warum sollte auch das Internet frei von Zensur sein, wenn nahezu die komplette Presse in China nicht alles drucken darf, was sie will? Der Aufwand, sein Internet „sauber“ zu halten, ist für China riesig und weltweit einmalig. Es mag erstaunen, wie „rein“ der weiße Riese Internet für den normalen Nutzer in China tatsächlich ist. Doch es sei erlaubt zu fragen: Warum die ganze Aufregung und warum erst jetzt? Ist es nicht heuchlerisch ein Thema, das schon seit zehn Jahren aktuell ist, plötzlich derart aufzubauschen, nur weil der „Internet-Robin Hood“ Google genau das gleiche macht, was tausende von Firmen zur Zeit planen und umsetzen, nämlich nach China zu gehen?

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THINK!DESK „China Standpunkt“ Nr. 11

Chinas Internet – Ein weißer Riese wird porentief rein?

Ein Aufschrei geht um die Welt: Google zen-

siert seine Sucheinträge in China, nachdem

die ehemals „alternative“ Suchmaschine nun

vor Ort unter der Domain google.cn auftritt.

Die inzwischen über 110 Millionen Nutzer des

Internets in China bekommen also nur gefil-

terte Suchergebnisse, die der Vorstellung der

chinesischen Regierung von einem „gesun-

den“ Internet entsprechen. Denn dass im

Internet nicht jegliche Art von Inhalten in Chi-

na verbreitet werden darf, das wurde bereits

in den ersten Regularien 1996 festgehalten

(damals wurde der Begriff „Internet“ im Chi-

nesischen noch gar nicht verwendet, sondern

es wurde lediglich von „vernetzten Compu-

tern“ gesprochen). Und warum sollte auch

das Internet frei von Zensur sein, wenn nahe-

zu die komplette Presse in China nicht alles

drucken darf, was sie will? Der Aufwand, sein

Internet „sauber“ zu halten, ist für China riesig

und weltweit einmalig. Es mag erstaunen, wie

„rein“ der weiße Riese Internet für den

normalen Nutzer in China tatsächlich ist.

Doch es sei erlaubt zu fragen: Warum die

ganze Aufregung und warum erst jetzt? Ist es

nicht heuchlerisch ein Thema, das schon seit

zehn Jahren aktuell ist, plötzlich derart

aufzubauschen, nur weil der „Internet-Robin

Hood“ Google genau das gleiche macht, was

tausende von Firmen zur Zeit planen und

umsetzen, nämlich nach China zu gehen?

Grundsätzlich wurden schon immer (außer in

den frühesten Anfangsjahren) alle Internetin-

halte in China gefiltert – vor allem auch dieje-

nigen, die auf ausländischen Servern ruhen.

Da alle Internetverbindungen in das Ausland

letztendlich über die staatliche China Tele-

com verlaufen, können Filter relativ einfach

und zuverlässig eingesetzt werden. Für die

Kontrolle der Inhalte auf inländischen Servern

ist neben technischen Filtern eine Internetpo-

lizei von mehreren Tausend Polizisten zu-

ständig, die das gesamte chinesische Internet

inklusive der mehr oder weniger einschlägi-

gen Foren nach kritischen Inhalten absurft.

Eine derartige Polizei wurde bereits vor sechs

Jahren erstmals in der Provinz Anhui einge-

setzt. Gleichzeitig wurden aber auch Gesetze

und Verordnungen derart geschaffen, dass

„unsaubere“ Inhalte gar nicht erst in das In-

ternet gelangen können. So dürfen z.B. nur

solche Nachrichten im Internet erscheinen,

die ohnehin schon von den staatlichen Nach-

richtenorganen, sei es in einer Zeitung oder

auf einer Website, publiziert wurden. Nach-

richtenwebsites mit eigenen, unabhängig

verfassten Nachrichten sind verboten. Und

seit dem 26. März 2002 ist sowieso dafür

gesorgt, dass auch vor allem alle großen An-

bieter von Websites das richtige „Waschmit-

tel“ konsequent einsetzen: An diesem Tag

gehörten in der „Großen Halle des Volkes“ in

16.02.2006

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Peking 130 chinesische und ausländische

Websitebetreiber zu den ersten Unterzeich-

nern des „Public Pledge on Self-Discipline for

the Internet Industry in China“, was einem

Bekenntnis zur Selbstzensur gleichkommt.

Und jetzt also zensiert Google seine Sucher-

gebnisse in China! Erst jetzt? Und nur

Google? Und nur in China? Keinesfalls!

Suchanfragen werden schon seit Jahren und

bei allen großen Suchmaschinen nach kriti-

schen Vokabeln durchsucht. Wer in China

nach z.B. „Falungong“, „Tibet“, „Freiheit“ oder

„Menschenrechte“ suchte, hatte schon immer

andere „Suchtreffer“ auf dem Bildschirm als

bei der gleichen Suchanfrage außerhalb des

Landes. Und auch das galt schon für Google,

als es noch gar kein google.cn gab, sondern

alle Suchanfragen aus China bei Google auf

den Servern von Google.com außerhalb Chi-

nas gelandet sind. Aber selbst dort ließ sich

elegant filtern: Zum Beispiel hat hier eine

Bildersuchanfrage unter dem Begriff „Tia-

nanmen“ völlig unterschiedliche Ergebnisse

erzielt, je nachdem, ob das Wort „Tiananmen“

oder aber die chinesischen Schriftzeichen für

„Tiananmen“ eingegeben wurden (siehe Ab-

bildungen ganz unten). Im ersten Fall fand

die Suchmaschine (wohlgemerkt: außerhalb

Chinas!) Bilder von der Niederschlagung der

Studentendemonstrationen auf dem Tianan-

men-Platz 1989, im zweiten Fall fand die

Suchmaschine hauptsächlich schöne Auf-

nahmen vom „Tor des Himmlischen Frie-

dens“, die genauso für einen Tourismuspros-

pekt geeignet wären. Nur Google? Gleich

gestaltete Suchanfragen in chinesischen

Schriftzeichen und in der entsprechenden

lateinischen Umschrift erzielten bei Yahoo!

und MSN genau die gleichen „Effekte“. Und

das ist auch heute noch so – jeder kann es

ausprobieren!

Andere Firmen sind bei ihrer Kooperation mit

der chinesischen Regierung längst noch wei-

ter gegangen. Durch die Weitergabe von

Nutzerdaten an die chinesische Regierung

durch Yahoo! China wurden bereits zwei Chi-

nesen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Micro-

soft hat Mitarbeiter angestellt, die Foren und

Blogs, die über sein Angebot in China betrie-

ben werden, nach „unsauberen“ Inhalten

durchforsten und gegebenenfalls schließen.

Baidu, Sina, Sohu, Netease und alle weiteren

großen chinesischen Portale und Suchma-

schinen filtern und zensieren ohne größere

Probleme und ohne größere Proteste.

Google, dessen Firmenmotto „Don’t be evil“

ist, scheint nun aber das größte Image-

Problem zu haben. Immerhin gilt Google im-

mer noch als die „alternative“ Suchmaschine,

ein Unternehmen, das es selbst mit Riesen

wie Microsoft aufnehmen kann und wofür es

die Internetgemeinde bewundert. Das Thema

„Zensur in China“ hat deshalb ausgerechnet

bei diesem Unternehmen zu deutlichen Krat-

zern am Image geführt. Die einzige Alternati-

ve wäre für Google allerdings gewesen, ganz

außerhalb Chinas zu bleiben – und welches

Unternehmen auf der Welt sieht das ange-

sichts des chinesischen Wirtschaftswachs-

tums für sich als ernsthafte Alternative an?

Jedes Unternehmen, das heute nach China

geht, baut zumindest auf einen langfristigen

Erfolg in dem Land, in dem der Begriff „Men-

schenrechte“ anders interpretiert wird, als bei

uns. Langfristig wird es aber trotz aller Filter-

möglichkeiten auch für die chinesische Re-

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gierung nicht möglich sein, alle „schmutzigen“

Inhalte konsequent aus dem Internet heraus-

zufiltern. Auch heute gibt es für den erfahre-

nen Surfer schon Mittel und Wege jede belie-

bige Website auf der Welt von China aus

aufzurufen, und es ist nur eine Frage der Zeit,

bis alle chinesischen Internetnutzer auch

durch Suchmaschinen auf „unpassende“ In-

halte aufmerksam gemacht werden.

Aber wie reagieren die chinesischen Internet-

nutzer überhaupt auf die staatliche Beobach-

tung ihres Surfverhaltens? Die regelmäßig in

China durchgeführten Umfragen zur Internet-

nutzung ergeben, dass sich Unterhaltungs-

angebote im Internet immer noch der größten

Beliebtheit erfreuen und erst in zweiter Linie

Informationen im Allgemeinen und Nachrich-

ten im Speziellen das Ziel der Internetnut-

zung sind. Die größten Sorgen der Internet-

nutzer sind dabei Geschwindigkeit und Si-

cherheit. Und beim Thema Sicherheit setzt

die staatliche Strategie zur Kontrolle und

Selbstkontrolle der Internetnutzer an. Die

staatliche Presse weist so zum Beispiel dar-

auf hin, dass 80% aller Computer in China

bereits einmal von einem Virus befallen wa-

ren. Registrierungen, Filter, Kontrolle von

Internetdienstleistern und –Nutzern sowie

Herausgabe von persönlichen Daten würden

also vor allem dazu dienen, das Internet sau-

ber vor Viren, Trojanern etc. zu halten; und

Pornographie – so ziemlich das einzige in-

haltliche Thema das neben Falungong offen

zensiert wird.

Das aktuellste Beispiel, das die „Sicherheit

der Nutzer“ beim Surfen im Internet garantie-

ren soll, sind „Jingjing“ und „Chacha“, zwei

virtuelle Internetpolizisten aus Shenzhen

(siehe Abbildung). Dort hat die Shenzhen

Public Security Bureau’s Internet Surveillance

Division die beiden „Pop-up Polizisten“ ent-

worfen, die nach einem Login auf bestimmten

Websites erscheinen. Gemäß dem Leiter der

Abteilung dienen „Jingjing“ und „Chacha“

dem Zweck, „to remind the online population

to be conscious of safe and healthy use of

the Internet, self-regulate their online behav-

ior, and maintain a harmonious Internet order

together.” Bei Fragen können die beiden Fi-

guren auch dazu genutzt werden, per Chat

direkt mit einem echten Polizisten in Kontakt

zu treten. Und wie reagieren die Internetsur-

fer auf „Jingjing“ und „Chacha“ (die Namen

der virtuellen Polizisten sind übrigens zu-

sammengesetzt aus dem chinesischen Wort

„Jingcha“, welches wiederum „Polizist“ be-

deutet)? In entsprechenden Foren gelten die

meisten Beschwerden nicht etwa den ver-

meintlich freundlichen aber zumindest unauf-

geforderten Hinweise der beiden Internet-

wächter, sondern der Nicht-Erreichbarkeit der

dahinter steckenden bislang sechs echten

Polizisten bei Fragen per Chat. Angesichts

solcherart aktiver Internetnutzer werden

„Jingjing“ und „Chacha“ sicherlich zur poren-

tiefen Reinheit des weißen Riesen Internet in

China beitragen können – völlig unabhängig

davon, wie laut der vielleicht noch folgende

Aufschrei im Ausland sein wird.

Abb. : „Jingjing“ (li.) und „Chacha“ (re.), die beiden „Pop-up Polizisten“ aus Shenzhen

Quelle: www.e-gov.org.cn

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Abbildungen: Filterung des Wortes „Tiananmen“ bei der Bildersuche in Suchmaschinen außerhalb (!) Chi-

nas (außer Baidu, die größte chinesische Suchmaschine) je nach Eingabe des Wortes „Tiananmen“ oder der

entsprechenden chinesischen Schriftzeichen (Ausschnitt)

Yahoo.com – Tiananmen (chinesische Schriftzeichen)

Yahoo.com – Tiananmen (Eingabe ‚Tiananmen’)

MSN.com – Tiananmen (chinesische Schriftzeichen)

MSN.com – Tiananmen (Eingabe ‚Tiananmen’)

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Google.com – Tiananmen (chinesische Schriftzeichen)

Google.com – Tiananmen (Eingabe ‚Tiananmen’)

Baidu.com.cn – Tiananmen (chinesische Schriftzeichen)

Baidu.com.cn - Tiananmen (Eingabe ‚Tiananmen’)

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Quelle: THINK!DESK China Research & Consulting

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