Der Unfallchirurg - AG Polytrauma

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zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors Der Unfallchirurg Organ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie Organ der Union Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachgesellschaften DGOOC und DGU www.DerUnfallchirurg.de Elektronischer Sonderdruck für Ein Service von Springer Medizin Unfallchirurg 2012 · 115:546–551 · DOI 10.1007/s00113-011-1995-9 © Springer-Verlag 2011 C. Kleber · C. Becker · K.M. van Scherpenzeel · H. Weidemann · M. Deja · N.P. Haas Koinzidenz der traumatischen Trachealruptur mit begleitendem ARDS Beispiel anhand eines 17-jährigen polytraumatisierten Patienten C. Kleber

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zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors

Der UnfallchirurgOrgan der Deutschen Gesellschaft für UnfallchirurgieOrgan der Union Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachgesellschaften DGOOC und DGU

www.DerUnfallchirurg.de

Elektronischer Sonderdruck für

Ein Service von Springer Medizin

Unfallchirurg 2012 · 115:546–551 · DOI 10.1007/s00113-011-1995-9

© Springer-Verlag 2011

C. Kleber · C. Becker · K.M. van Scherpenzeel · H. Weidemann · M. Deja · N.P. Haas

Koinzidenz der traumatischen Trachealruptur mit begleitendem ARDSBeispiel anhand eines 17-jährigen polytraumatisierten Patienten

C. Kleber

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Präklinik

Das Rettungsteam fand 10 min nach Alar-mierung eines NEF und RTW einen zu-nächst soporösen 17-jährigen (GCS=8) auf dem Bauch liegenden Patienten vor. Laut Passanten sei der Patient in suizi-daler Absicht bei bekannter Depression aus dem 8. Obergeschoss (ca. 20 m) eines Wohnhauses gesprungen.

Die körperliche Untersuchung ergab den Verdacht auf einen instabilen Tho-rax, bei vesikulärem Atemgeräusch beid-seits, eine SpO2 von 70%, einem RR von 90/60 mmHg und einer HF von 70/min. Es erfolgte die Anlage eines Stiffneck, die Applikation von Sauerstoff über Maske (8 l/min), Analgesie mit 0,2 mg Fentanyl und Gabe von 1000 ml kristalloider und 500 ml kolloidaler Infusionslösung. Da-runter verbesserte sich der Zustandes des Patienten noch am Unfallort (GCS=15, SpO2=98%, RR=100/60 mmHg, HF=80/min). Aufgrund des kurzen Transport-wegs (ca. 10 min) wurde auf weitere inva-sive Maßnahmen verzichtet und der Pa-tient in unserer Traumazentrum eingelie-fert.

Schockraum

Wir übernahmen 34 min nach dem Unfall den wachen (GCS=14) und hä-modynamisch stabilen Patienten (SpO2=96%, RR=130/70 mmHg, HF=90/min). Die im Rahmen des Schockraum-

algorithmus durchgeführte Basisdia-gnostik (Rx Thorax/Becken/Schädel/HWS, FAST) bestätigte das schwere Tho-raxtrauma mit rechtsbetonten Lungen-kontusionen beidseits. Im FAST wurde freie intraabdominelle Flüssigkeit nach-gewiesen. Aufgrund Schmerzen der BWS und LWS ohne sensomotrisches Defizit der Extremitäten erfolgte die konventio-nelle Röntgendiagnostik der BWS und LWS (. Abb. 1).

Die erste BGA unter 6 l Sauerstoff über Gesichtsmaske zeigte ein Lak-tat von 3,4 mg/dl, BE (0,3 Hb) 13,8 g/dl, PaO2=82,3 mmHg, paCO2=51,6 mmHg und pH=7,35. Bei persistierendem Volumenbedarf („temporary responder“, Schock Klasse II–III) erfolgte die Infusion von jeweils 500 ml kristalloider und kol-loidaler Infusionslösung [3, 11].

Die CT-Polytraumauntersuchung mit Kontrastmittel und der Nachweis der fol-genden Diagnosen erfolgten 61 min nach dem Unfall (. Abb. 2):F  mittelschweres Polytrauma

(ISS=24 Punkte, PTS=30 Punkte, Gruppe II),

F  SHT I° mit punktförmiger tentorieller Einblutung links und retrograder Amnesie,

F  Schwere, rechtsbetonte bilaterale Lungenkontusion,

F  dislozierte Sternumquerfraktur,F  Mantelpneumothorax ventrolateral

rechts ohne Mediastinalemphysem,F  Nierenkontusion links (I nach Moore),

Unfallchirurg 2012 · 115:546–551DOI 10.1007/s00113-011-1995-9Online publiziert: 18. Mai 2011© Springer-Verlag 2011

C. Kleber · C. Becker · K.M. van Scherpenzeel · H. Weidemann · M. Deja · N.P. HaasKlinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Operative Intensiv- und Notfallmedizin, 

Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow Klinikum, Charité Berlin

Koinzidenz der traumatischen Trachealruptur  mit begleitendem ARDSBeispiel anhand eines 17-jährigen polytraumatisierten Patienten

Abkürzungen

ARDS „Acute respiratory distress syndrome“

BE Basendefizit

BGA Blutgasanalyse

BWS Brustwirbelsäule

CCT Kraniale Computertomographie

CT Computertomographie

ECMO Extrakorporale Membranoxigenierung

EK Erythrozytenkonzentrat

FAST „Focussed assessment with  sonography for trauma“

FiO2 Inspiratorische Sauerstoffkonzentration

GCS „Glasgow Coma Scale“

Hb Hämoglobin

HF Herzfrequenz

LWS Lendenwirbelsäule

MAP Mittlerer arterieller Druck

NEF Notarzteinsatzfahrzeug

NiO Inhalatives Stickoxid

PaCO2 Arterieller Kohlenstoffdioxidpartialdruck

PaO2 Arterieller Sauerstoffpartialdruck

PEEP „Positive end-exspiratory pressure“

PFO Persistierendes Foramen ovale

PIP „Positive inspiratory pressure“

Ppm „Parts per million“

PTT Partielle Thromboplastinzeit

RR Blutdruck

RTW Rettungswagen

Rx Konventionelles Röntgen

RVEDD Rechtsventrikulärer enddiastolischer Durchmesser

SaO2 Arterielle Sauerstoffsättigung

SpO2 Periphere Sauerstoffsättigung

TEE Transösophageale Echokardiographie

ZVD Zentralvenöser Druck

RedaktionW. Mutschler, München V. Braunstein, München

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Kasuistiken

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F  Nierenlazeration hilusnah rechts (II nach Moore),

F  BWK-6/7 (AO52A1.1), LWK-1/2 (AO53A1.2) und LWK-3- Fraktur (AO53A3.3) mit Protrusion der Hinterkante in den Spinalkanal,

F  Abrissfrakturen Processus transversi links LWK-1/3/4.

Bei Mantelpneumothorax (maximal 2 mm) im CT Thorax und funktionell aus-reichender Spontanatmung (SpO2=97%, PaO2=82,1 mmHg, PaCO2=49,1 mmHg) ohne invasive Beatmung wurde auf die Anlage einer Thoraxdrainage verzichtet. In Zusammenschau aller weiteren klini-schen und radiologischen Untersuchun-gen ergab sich keine Indikation für eine sofortige chirurgische Intervention, so-dass der Patient 1 h 14 min nach Unfall, zur weiteren Stabilisierung und Überwa-chung auf unsere Intensivstation verlegt wurde.

Klinischer Verlauf

Unter erweiterter Hämodynamiküberwa-chung (ScvO2-Katheter, ZVD=4 cmH2O, zentralvenöse Sättigung 73%) und konti-nuierlicher Sauerstofftherapie(7 l/min) bei vesikulärem Atemgeräusch beidseits und Tachypnoe (AF=24/min) kam es zu einer Verschlechterung der respiratorischen Situation (SpO2=94%, PaO2=83,2 mmHg, PaCO2=54,7 mmHg).

Somit wurde 2 h 36 min nach Unfall die Indikation zur intermittierenden, nicht invasiven Beatmung mit CPAP (PEEP=5 mbar) gestellt, worunter sich der Gasaustausch weiterhin verschlech-terte (SpO2=73,7%, PaO2=46,7 mmHg, Pa-CO2=51,2 mmHg); 3 h 6 min nach Unfall bot der Patient erstmalig Hämoptysen. Im Rahmen einer Bronchoskopie konnte kei-ne endobronchiale Blutung oder tracheo-bronchiale Verletzung, bei jedoch einge-schränkten Untersuchungsbedingungen aufgrund reichlich blutigen Sekrets im Bereich der Trachealhinterwand, nachge-wiesen werden. Bei respiratorischer Glo-balinsuffizienz erfolgte die fiberoptisch geleiteten, oralen Intubation mit anschlie-ßender kontrollierter Beatmung (BIPAP, PIP=27mbar, PEEP=13mbar, FiO2=1,0). Eine Rx Thoraxkontrolle nach Intuba-tion bei bekanntem Mantelpneumotho-

rax rechts zeigte eine deutliche Progre-dienz der Lungenkontusion ohne Zunah-me des Pneumothorax (. Abb. 3).

Trotz Eskalation der invasiven Beat-mung entwickelte der Patient ein schwe-res Lungenversagen. Unter dem klini-schen Vollbild eines ARDS mit Zunahme von blutigem Trachealsekret wurde 5 h 21 min nach Unfall erneut eine Broncho-skopie durchgeführt. Dabei konnte eine 5 cm messende, transmurale Ruptur der Pars membranacea von 2 cm distal der Glottis bis 3 cm proximal der Bifurkation reichend festgestellt werden (. Abb. 4).

Zur schnellen Sicherung der Venti-lation wurde der Beatmungstubus unter

Sicht distal der Läsion platziert und konn-te ohne Verlegung eines Hauptbronchus geblockt werden. Zum Ausschluss weite-rer typischer Komplikationen, wie vent-raler Pneumothorax, Hämatothorax und Mediastinalemphysem wurde 7 h 6 min nach Unfall erneut eine CT-Thoraxunter-suchung durchgeführt (. Abb. 5).

Noch im CT wurde bei steigen-den Beatmungsdrücken und Kreislauf-instabilität (Noradrenalin 1 µg/kg/min) eine Thoraxdrainage beidseits angelegt. Unter Volumensubstitution und Nor-adrenalin Gabe (maximal 0,15 µg/kg/min) stabilisierte sich die Hämodyna-mik des Patienten [RR=130/70 mmHg,

Zusammenfassung · Abstract

Unfallchirurg 2012 · 115:546–551   DOI 10.1007/s00113-011-1995-9© Springer-Verlag 2011

C. Kleber · C. Becker · K.M. van Scherpenzeel · H. Weidemann · M. Deja · N.P. Haas

Koinzidenz der traumatischen Trachealruptur mit begleitendem ARDS. Beispiel anhand eines 17-jährigen polytraumatisierten Patienten

ZusammenfassungDie Behandlung und Diagnostik der trau-matischen Trachealruptur stellt eine Heraus-forderung dar. Aufgrund der Seltenheit sol-cher Verletzungen und eines oft variablen Be-schwerdebildes mit verzögertem klinischem Erscheinungsbild ist die Diagnosestellung schwierig. In unserer Kasuistik berichten wir erstmals über das erfolgreiche Management  eines zu Beginn wachen, spontan atmenden  17-jährigen polytraumatisierten Patienten mit gleichzeitiger Trachealruptur und ARDS (adultes respiratorisches Distresssyndrom) nach Fenstersturz. Neben Fallbericht und  Pathogenese werden die wesentlichen  diagnostischen und therapeutischen Maß-

nahmen diskutiert. In Abhängigkeit des Un-fallhergangs und der thorakalen Verletzungs-schwere muss nach einer tracheobronchialen Verletzung gesucht und diese ausgeschlos-senen werden. Überregionale Traumazentren mit Spezialisierung auf die Therapie des  Lungenversagens bieten optimale Vorausset-zungen für die erfolgreiche Behandlung  dieser lebensbedrohlichen Verletzungen.

SchlüsselwörterTrachealruptur · Polytrauma ·  Adultes respiratorisches Distresssyndrom · Thoraxtrauma · Management

Coincidence of traumatic tracheal rupture accompanied by ARDS. Illustrated by the example of a 17-year-old patient with multiple injuries

AbstractTreatment and diagnosis of a traumatic  tracheal rupture is a challenge. Due to the rarity of such injuries and the subtle and  delayed clinical presentation it is difficult to diagnose. We present for the first time the successful management of a 17-year-old  multiply injured patient with coincidental  tracheal rupture and ARDS (acute respiratory  distress syndrome) after a fall. Besides the case report and pathogenesis the essential  diagnostic and therapeutic measures are mentioned and discussed. The circumstances  

surrounding the accident have to be balanced  with the severity of the trauma to also  exclude rare injuries with certainty. Finally  level 1 trauma centers specialized in ARDS provide the best clinical setting for successful treatment of these life-threatening injuries.

KeywordsTracheal rupture · Polytrauma ·  Acute respiratory distress syndrome ·  Thoracic trauma · Management

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Abb. 1 9 a a.-p-Thoraxröntgen im Schockraum mit Nachweis einer rechtsbetonten Lungenkontu-sion beidseits. b Rx LWS seitlich mit Nachweis einer LWK-3-Fraktur (AO53A3.3)

Abb. 2 9 a CT Hals ohne Nachweis von paratra-chealer Luft. b CT Thorax mit Nachweis einer bila-teralen, rechtsbetonten Lungenkontusion, Mantel-pneumothorax rechts apikal (Pfeil), kein Mediasti-nalemphysem als Hinweis für eine mögliche tra-cheobronchiale Verletzung. c CT Abdomen: Nach-weis einer Nierenkontusion links und hilusnahen Nierenlazeration rechts. d CT Wirbelsäule (sagittale Rekonstruktion) mit Nachweis Sternumquerfraktur, BWK-6/7- und LWK-3-Fraktur, kein ventraler Pneumothorax oder retrosternales Hämatom mit Lufteinschlüssen

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Kasuistiken

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Laktat=3,2 mg/dl, BE (0,7 Hb)=15,2 g/dl]. Bei ARDS wurde zur Verbesserung des Ventilations-/Perfusionsverhältnisses 40 ppm NiO appliziert. Eine TEE zeigte die ARDS typische Rechtsherzbelastung (RVEDD=44 mm, PAPsys=30 mmHg in-klusive ZVD), eine Gastroskopie erbrach-te keinen pathologischen Befund. 13 h nach Unfall erfolgte bei a.-p.-Gradienten im CT Thorax und grenzwertigem Gas-austausches mit lebensbedrohlicher Hyp-oxämie die Bauchlagerung des Patienten. Zur operativen Versorgung der Tracheal-ruptur mit notwendiger intraoperativer Einlungenbeatmung wurde der Patient an eine venovenöse, pumpengetriebene Membranoxygenierung (ECMO) ange-schlossen. 22 h nach Unfall erfolgte die problemlose rechtsseitiger Thorako tomie, direkte Naht der Pars membranacea und Perikard-Patch. Zur Wiederherstellung der knöchernen Stabilität des Thorax wurde die dislozierte Sternumquerfrak-tur mittels ventraler Platten osteosynthese (3,5 mm LCP, Synthes) zeitgleich stabi-lisiert. Zur Implementierung der Spon-tanatmung unter ECMO, mit dem Ziel der Reduktion der Beatmungsdrücke, er-folgte die chirurgische Anlage eines Tra-cheostomas oberhalb der Trachealläsion (. Abb. 6).

Abb. 3 9 Rx Thorax nach Intubation und invasiver Beatmung mit Nachweis einer Zunahme der bilateralen, rechtsbetonten Lungenkontusion, kein Anhalt für eine Zunahme des Mantelpneumothorax rechts, kein Weichteil-emphysem

Abb. 4 8 Tracheoskopie mit transmuralen Ruptur der Pars membranacea

Abb. 5 8 a CT Hals mit Nachweis von paratrachealer Luft. b Nachweis einer Ruptur der Pars membra-nacea (schwarzer Pfeil). c schwere bilaterale Lungenkontusion, Pneumothorax beidseits und Hämato-thorax rechts. d CT-Topogramm mit Nachweis eines massiven Weichteilemphysems

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Nach 48 h konnte der Patient erfolg-reich von der ECMO-Therapie entwöhnt werden. Die operative Versorgung der LWK-1–3-Frakturen wurde mittels dorsa-ler Stabilisierung (USS 5,0, Synthes) von BWK-12 bis LWK-4 mit Spondylodese LWK-2 bis -4 durchgeführt. 3 Wochen nach Unfall erfolgte die ventrale Stabili-sierung mittels Cage und Plattenosteo-synthese.

Der Patient konnte 22 Tage nach dem Unfall vom Respirator entwöhnt und am 24. Tag die Trachealkanüle entfernt wer-den. 37 Tage nach Unfall erfolgte die Verlegung in die Rehabilitation. Nach 15 Monaten begann der Patient bei na-hezu voller körperlicher Belastbarkeit ein Ingenieurstudium. 26 Monate nach dem Unfall wurde zur Erfassung der Lebens-qualität nach schwerem Polytrauma ein Analyse mittels Polo-Chart durchgeführt [7]. Diese zeigte eine 80–90% Wiederher-stellung der körperlichen Leistungsfähig-keit trotz starker psychischer Schwankun-gen, wobei der Patient dankbar ist seinen Suizidversuch überlebt zu haben.

Diskussion

Eine Trachealruptur mit zeitgleichem ARDS wurde bis heute nicht beschrie-ben und stellt eine Rarität dar. Mit einer

Inzidenz von 0,5–1,0% nach stumpfem Thoraxtrauma sind die tracheobronchi-alen Verletzungen allein selten. Die Ge-samtmortalität dieser Verletzung beträgt 25–30% und ist durch Spannungspneu-mothorax, Spannungsmediastinum und Hypoxämie bedingt [5, 6, 8]. Die Lokali-sation und Art der Trachealläsion selbst lässt Rückschlüsse auf den Verletzungs-mechanismus zu. Intratracheale Druck-erhöhung haben Rupturen am Locus mi-noris resistentiae der Pars membranacea zur Folge [6, 9]. Dabei kommt es aufgrund einer geschlossenen Glottis und thorako-abdomineller Druckerhöhung zu einer typischen Verletzung der Tracheahinter-wand. Hochrasanz- oder Dezelerations-traumata hingegen haben aufgrund der Scherbewegungen meist inkomplette oder komplette Abrisse der Trachea oder eines Bronchus zur Folge. In 75% der tracheo-bronchialen Verletzungen liegen mindes-tens zwei Begleitverletzungen vor. Eine Sternumfraktur findet man nur in 3% der Fälle [10]. Typische Begleitverletzungen sind die Aortenruptur, Ösophagusruptur, Wirbelsäulenfrakturen und Contusio cor-dis. Vor allem bei vorliegen von Fraktu-ren im Bereich der 1./2. Rippe sowie des Sternums sollten diese Begleitverletzun-gen mittels Ösophagoskopie, EKG und

Laborkontrollen (Troponin) ausgeschlos-sene werden.

Typische klinische Symptome sind das Hautemphysem und Hämoptysen, wobei diese v. a. bei spontan atmenden Patienten initial fehlen können. Ein Pneumothorax hingegen findet sich bei iatrogen verur-sachten Trachealläsionen meist rechtssei-tig und nur in 30% der Fälle [2, 6, 8]. Das Fistelvolumen, die -persistenz einer Tho-raxdrainage und der Leckagealarm eines Beatmungsgeräts können zusätzlich Hin-weis gebend sein. Deshalb sollte bei kli-nischer Verschlechterung und passenden Unfallmechanismus, v. a. nach Intuba-tion und invasiver Beatmung, aktiv nach einem Weichteilemphysem gesucht und ein Pneumothorax ausgeschlossen wer-den [4]. Das seltene Spannungsmedia-stinum mit oberer Einflussstauung sollte mittels kollarer Mediastinotomie entlas-tet werden [1].

Neben der klinischen Untersuchung stellt die CT-Thoraxuntersuchung ge-meinsam mit der fiberoptischen Bron-choskopie den Goldstandard zur Diag-nostik der tracheobronchialen Verletzung dar [12]. Indirekte radiologische Zeichen sind paratracheale Luft und das Mediasti-nalemphysem. Trotzdem werden nur ca. 40% der Trachealrupturen innerhalb der ersten 24 h nach Trauma erkannt [6]. Dies unterstreicht die in unserem Fall durch-geführte erste CT-Thoraxuntersuchung und Bronchoskopie ohne direkten Nach-weis der Trachealruptur und Fehlen der indirekten radiologischen Zeichen. Das vergleichbar geringe Schädelhirntrauma mit Erhalt des Bewusstseins und der kur-ze Transportweg in die Klinik hatten in der Notfallversorgung nicht zur Intuba-tion geführt, so dass keine positiven Beat-mungsdrücke vor der CT-Untersuchung wirksam wurden. Das kann zum Fehlen der indirekten radiologischen Zeichen geführt haben. Weiterhin konnte in bei-den Untersuchungen die Trachealhinter-wand aufgrund blutigen Sekrets nicht si-cher beurteilt werden. In diesen Fällen sollte eine Intubation unter Sicht mit pro-ximaler Beatmungstubuslage zur konse-quenten Beurteilung der Trachea durch-geführt werden. Bei fiberoptisch geleite-ter Intubation ist eine iatrogene Ursache der Trachealruptur unwahrscheinlich. Je-doch könnte eine nicht-transmurale Lä-

Abb. 6 8 a Rx Thorax postoperativ mit Tracheotomie und ventraler Sternumplattenosteosynthese. b Sternum seitlich mit Plattenosteosynthese 1 Jahr postoperativ

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Kasuistiken

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sion vorgelegen haben, welche aufgrund des blutigen Trachealsekrets, übersehen wurde. Die Bronchoskopie dient dies-bezüglich ebenfalls der Unterscheidung einer nicht-transmurale (Aufrollen der Schleimhaut mit Darstellung der Mukosa und Muskularis) von einer transmuralen Läsion.

Eine Trachealruptur mit zeitgleichem ARDS, wie in unserem Fall, stellt eine besondere Herausforderung dar. Auf-grund des eingeschränkten Gasaustau-sches mit Notwendigkeit hoher Beat-mungsdrücke sind eine konservative The-rapie der Trachealruptur und eine suffi-ziente Oxygenierung der Patienten mit-tels invasiver Beatmung meist nicht mehr möglich. In diesen Fällen können extra-korporale Oxygenierungsverfahren hilf-reich sein. Eine Therapie mittels Sten-ting der Trachea war in unserem Fall auf-grund der proximalen und distalen Aus-dehnung der Ruptur, welche eine siche-re Platzierung des Sents ohne Verlegung eines Hauptbronchus nicht erlaubte, nicht möglich.

Fazit für die Praxis

Die Diagnose einer traumatischen  Trachealruptur erfordert die Kenntnis der klassischen Symptome (Hautemphy-sem, Hämoptoe, Pneumothorax, Fistel-volumen) bei spontan atmenden und be-atmeten Patienten. Der direkte und indi-rekte Nachweis und die Differentialdia-gnose zwischen transmuraler und nicht-transmuraler Läsion gelingt durch gege-benenfalls Wiederholung einer Tracheo-skopie und CT-Untersuchung.Überregionale Traumazentren mit Spe-zialisierung auf die Therapie des Lun-genversagens bieten optimale Voraus-setzungen für die erfolgreiche Behand-lung dieser lebensbedrohlichen Ver-letzungen. Durch den luftgebundenen  Intensivtransport mit extrakorporalen  Lungenersatzverfahren, kann von diesen Zentren ein überregionales Versorgungs-system für diese Verletzungen angebo-ten werden.

Korrespondenzadresse

Dr. C. KleberKlinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie,  Operative Intensiv- und Notfallmedizin,  Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie,  Campus Virchow Klinikum, Charité BerlinAugustenburger Platz 1, 13353 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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Das leichte Schädel-Hirn-Trauma

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist in  

chirurgischen Notaufnahmen immer  

wieder anzutreffen, die jährliche Inzidenz 

in Deutschland beträgt etwa 200–400 pro 

100.000 Einwohner. 

Viele Patienten werden aufgrund der 

neurologischen Beurteilung zunächst als 

„leichtes SHT“ kategorisiert. Im weiteren 

Verlauf zeigt sich jedoch, das diese Diagnose  

nicht ausreichend bzw. sogar falsch war.

Wie man ein leichtes SHT richtig diagnos- 

tiziert und was dabei noch zu beachten ist 

behandelt die  

Zeitschrift Notfall +

Rettungsmedizin 

in Heft 4/2011.

Die Schwerpunkte des Leitthemenheftes 

sind:

– Notfalldiagnostik bei leichtem Schädel- 

  Hirn-Trauma. Stellenwert des neuro- 

  glialen Proteins S100B

– Leichtes Schädel-Hirn-Trauma unter  

  Antikoagulation. Erhöhtes Risiko für intra- 

  kranielle Blutung?

– Internationale und nationale Leitlinien für  

  die Indikation zur Bildgebung bei Ver- 

  dacht auf leichtes Schädel-Hirn-Trauma

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