Deutschland braucht eine Kultur der Offenheit · einfachen Erzeugnissen durch das Angebot...

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36 perspectives #3 Vergleichsstudien zur Innovationsfähigkeit der führenden Industrienationen wie der Innovationsindikator 2014 sehen Deutsch- land unter den Top 10 mit Kontakt zur Weltspitze, an der Länder wie die Schweiz und Singapur stehen. Garant für diese gute Position Deutschlands sind die Innovations- leistungen der Wirtschaft und der Wissen- schaft, die von den gestiegenen Investitionen in Forschung und Entwicklung profitieren. Ein wichtiger Faktor für die Innovations- fähigkeit ist die Offenheit der Akteure in Innovationssystemen untereinander. Erfolg- reiche Länder zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass Forschungseinrichtungen mit Unternehmen und anderen Forschungs- einrichtungen im In- und Ausland gut ver- netzt sind. Länder wie Japan, deren Innova- tionsfähigkeit seit Jahren stagniert, weisen hier erhebliche Defizite auf. Deutschland ist vergleichsweise gut aufgestellt und verfügt über einen hohen Anteil unternehmens- finanzierter Forschung und Entwicklung an Hochschulen. Die Innovationspolitik der vergangenen Jahre hat unter anderem an dieser Stelle angesetzt und sowohl die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Land unterstützt als auch die Vernetzung nach außen befördert. Zur Beurteilung der Innovationsfähigkeit Innovationsketten und Wissensflüsse zwischen verschiedenen Akteuren gesamt- heitlich zu betrachten. Die Offenheit von Innovationssystemen auf der Makroebene und die Anwendung von offenen Konzepten im Innovationsmanagement sind zwei Seiten derselben Medaille. Vorhandene Lösungen innovativ kombinieren Als Gradmesser für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft werden häufig ihre Investi- tionen in Forschung und Entwicklung heran- gezogen. Dies ist auch ein essenzieller Erfolgsfaktor. Zusätzlich aber wird gerade die mittelständische Wirtschaft in Deutsch- land in erheblichem Maße von Unternehmen getragen, die wenig forschungsintensiv sind. Das heißt allerdings nicht, dass diese Unternehmen nicht innovativ sind, im Gegenteil. Ihre Innovationsfähigkeit beruht im großen Maße darauf, dass sie innovative Entwicklungen in anderen Feldern auf- und übernehmen und für ihre Zwecke nutzen können – und dies geschieht häufig auch ohne explizite Forschung und Entwicklung. Nicht forschungsintensive Unternehmen zeichnen sich unter anderem durch eine intensive Nutzung technischer Prozessinno- vationen aus, die sie in ihre Abläufe integ- rieren. Zudem gelingt es ihnen, selbst bei einfachen Erzeugnissen durch das Angebot Deutschland braucht eine Kultur der Offenheit Das deutsche Innovationssystem beweist im internationalen Vergleich eine große Leistungsfähigkeit. Neben den individuellen Beiträgen von Wirtschaft und Wissenschaft kommt es auf das Zusammenspiel der Akteure an. Denn: Innovationen beruhen auf der Fähigkeit zur Integration, Absorption und zum Austausch von Wissen. Nur wer das kann, wird in Zukunft innovativ sein. Univ.-Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl / Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Transcript of Deutschland braucht eine Kultur der Offenheit · einfachen Erzeugnissen durch das Angebot...

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p e r s p e c t i v e s # 3

Vergleichsstudien zur Innovationsfähigkeit der führenden Industrienationen wie der Innovationsindikator 2014 sehen Deutsch-land unter den Top 10 mit Kontakt zur Weltspitze, an der Länder wie die Schweiz und Singapur stehen. Garant für diese gute Position Deutschlands sind die Innovations - leistungen der Wirtschaft und der Wissen-schaft, die von den gestiegenen Investitionen in Forschung und Entwicklung profitieren.

Ein wichtiger Faktor für die Innovations-fähigkeit ist die Offenheit der Akteure in Innovationssystemen untereinander. Erfolg-reiche Länder zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass Forschungseinrichtungen mit Unternehmen und anderen Forschungs -

einrichtungen im In- und Ausland gut ver - netzt sind. Länder wie Japan, deren Innova - tionsfähigkeit seit Jahren stagniert, weisen hier erhebliche Defizite auf. Deutsch land ist vergleichsweise gut aufgestellt und verfügt über einen hohen Anteil unternehmens-finanzierter Forschung und Entwicklung an Hochschulen. Die Innovationspolitik der vergangenen Jahre hat unter anderem an dieser Stelle angesetzt und sowohl die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Land unterstützt als auch die Vernetzung nach außen befördert.

Zur Beurteilung der Innovationsfähigkeit Innovationsketten und Wissensflüsse zwischen verschiedenen Akteuren gesamt-

heitlich zu betrachten. Die Offenheit von Innovationssystemen auf der Makroebene und die Anwendung von offenen Konzepten im Innovationsmanagement sind zwei Seiten derselben Medaille.

Vo rhandene Lösungen i n n o v a t i v k o m b i n i e r e nAls Gradmesser für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft werden häufig ihre Investi-tionen in Forschung und Entwicklung heran - gezogen. Dies ist auch ein essenzieller Erfolgsfaktor. Zusätzlich aber wird gerade die mittelständische Wirtschaft in Deutsch-land in erheblichem Maße von Unternehmen getragen, die wenig forschungsintensiv sind. Das heißt allerdings nicht, dass diese Unternehmen nicht innovativ sind, im Gegenteil. Ihre Innovationsfähigkeit beruht im großen Maße darauf, dass sie innovative Entwicklungen in anderen Feldern auf- und übernehmen und für ihre Zwecke nutzen können – und dies geschieht häufig auch ohne explizite Forschung und Entwicklung. Nicht forschungsintensive Unternehmen zeichnen sich unter anderem durch eine intensive Nutzung technischer Prozessinno - vationen aus, die sie in ihre Abläufe integ-rieren. Zudem gelingt es ihnen, selbst bei einfachen Erzeugnissen durch das Angebot

Deu t sch l and b rauch t

e i ne Ku l tu r de r O f f enhe i t

Das deutsche Innovationssystem beweist im internationalen Vergleich

eine große Leistungsfähigkeit. Neben den individuellen Beiträgen von

Wirtschaft und Wissenschaft kommt es auf das Zusammenspiel der Akteure an.

Denn: Innovationen beruhen auf der Fähigkeit zur Integration, Absorption und zum

Austausch von Wissen. Nur wer das kann, wird in Zukunft innovativ sein.

univ.­Prof. dr. marion a. Weissenberger­eibl / fraunhofer­institut

für system­ und innovationsforschung isi

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von produktbezogenen Dienstleistungen ihren Kunden einen Mehrwert anzubieten und so sogar höhere Umsatzanteile mit Serviceinnovationen zu erzielen als for - schungsintensive Unternehmen. Deutsche Unternehmen sind gut darin, vorhandene Lösungen und Komponenten auf innovative Weise zu kombinieren. Dies ist bereits der erste Schritt, um im Rahmen des gezielten Innovationsmanagements Wissen von außen aufzunehmen oder auch nach außen abzugeben, wie es beispielsweise das Konzept der Open Innovation vorsieht.

Wi s sensmanagemen t b rauch t

k l a re Rege ln

Erfolgreiche Unternehmen tendieren dazu, sich abzuschotten. Dies birgt aufgrund der steigenden Komplexität von Technologien und Innovationsprozessen jedoch Risiken. Innovative Produkte und Dienstleistungen können immer weniger im Alleingang realisiert werden. Innovationsprozesse können stattdessen in verschiedenen Pha-sen für einen Austausch geöffnet werden: in der Phase der Generierung von Wissen zur Überwindung eigener blinder Flecken, während der Entwicklung von Produkten

und Dienstleistungen durch die Integration von Kunden- und Lieferantenperspektiven und in der Phase der Kommerzialisierung durch die Übernahme innovativer Marketing - strategien. Open Innovation heißt allerdings nicht, ausschließlich Neues von außen aufzunehmen. Open Innovation funktioniert nur dann, wenn die Bereitschaft besteht, Wissen auch weiterzugeben. Damit der Aus - tausch zum beiderseitigen Gewinn erfolgen kann, muss er gezielt und strukturiert ablaufen. Open Innovation bedeutet also nicht, Wissen zufällig und unstrukturiert nach außen fließen zu lassen. Im Gegenteil sind ein klares und passfähiges Wissens-management und insbesondere eindeutige Regeln und Strategien zur Nutzung des eingebrachten und des erarbeiteten Wissens beispielsweise über Patentrechte eine Grundvoraussetzung, damit ein ergebnis-orientierter Austausch möglich wird.

Impu l se fü r i nnova t i ve Produk te

nu t zen

Nur wenn es gelingt, durch eine Offenheit des gesamten Innovationssystems die Fähigkeit der Akteure zur gezielten Über-nahme und Abgabe von Wissen zu unter-

stützen, können die daraus entstehenden Impulse für innovative Produkte und Dienstleistungen erfolgreich genutzt werden. Dies erhöht nicht zuletzt auch die Effizienz unserer Innovationsanstrengungen. Deutschlands Innovationsfähigkeit ist auf eine Kultur der Offenheit angewiesen: als konstituierendes Element des Innovations-systems wie auch als Fähigkeit einzelner Unternehmen zu einem produktiven Aus-tausch von Wissen. — /

Un i v. -Pro f . D r. Mar i on A . We i s senbe rge r -E ib l

le i t e r i n f ra u n h o fe r ­ i n s t i t u t f ü r sy s t e m ­ u n d

i n n o v a t i o n s fo r s c h u n g i s i

i n h a b e r i n d e s le h r s t u h l s i nnova t ions­ und techno log iemanagement i tm,

i n s t i t u t e n t e c h n o n K a r l s r u h e r i n s t i t u t f ü r te c h n o l o g i e K i t

p e r s p e c t i v e s # 3

01 M e g a t r e n d s un d

Ve r än d e r un g e n d e r R ahm e nb e d in g un g e n

8 Global betrachtet: ProGnosen für die chemie­branche 2035 d r . a l e x a n d e r K e l l e r / r o l a n d b e r g e r s t r a t e g y c o n s u l t a n t s

1 1 Qualität, Können und talent im 21. Jahr­hundert i n t e r v i e w m i t Wo l f lo t t e r / b r a n d e i n s

1 4 rohstoffe, enerGie und diGitalisierunG sind transformationstreiber P r o f . d r . K u r t W a g e m a n n u n d d r . b j ö r n m a t h e s / d e c h e m a e . V .

1 9 die enerGiesPeicher Von morGen d r . f r i d o l i n s t a r y u n d d r . J ü r g e n P f e i f f e r / W a c k e r c h e m i e

2 2 die enerGieWende fordert die branche d r . t h o m a s Va h l e n k a m p , d r . m i c h a e l P e t e r s , d r . i n g m a r r i t z e n h o f e n u n d m a r c o We b e r / m c K i n s e y & c o m p a n y

2 6 Grüne chemie Wird zum Game chanGer i n t e r v i e w m i t P r o f . d r . h a r a l d G r ö g e r / u n i v e r s i t ä t b i e l e f e l d

2 9 Wie chemie WirKlich nachhaltiG Wird P r o f . d r . K l a u s K ü m m e r e r / l e u p h a n a u n i v e r s i t ä t l ü n e b u r g

I m p r e s s u m

H e r a u s g e b e r i n f r a s e r v G m b h & c o . h ö c h s t K G w w w . i n f r a s e r v . c o m / p e r s p e c t i v e s

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R e d a k t i o n t i m s c h m i d t v o m h o f e i n f r a s e r v G m b h & c o . h ö c h s t K G

c h r i s t i n a ly n n d i e r J u l i a h o s c i s l a w s k i f r a n k f u r t b u s i n e s s m e d i a G m b h − d e r f . a . z . ­ f a c h v e r l a g w w w . f r a n k f u r t ­ b m . c o m

G e s t a l t u n g u n d P r o d u k t i o n d e n n e r l e i n b r a n d s G m b h | d e b d . c o m

A b b i l d u n g e n i s t o c k , G e t t y i m a g e s ( s . 1 , 26 , 45 , 53 , 54 ) G r e g o r b o n n e t ( s . 11 , 19 , 37 , 84 , 89 ) m a r i o W a g n e r ( s . 14 )

V . i . S . d . P . a n d r e a s K o n e r t i n f r a s e r v G m b h & c o . h ö c h s t K G i n d u s t r i e p a r k h ö c h s t 6 5 9 2 6 f r a n k f u r t a m m a i n

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